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Verfahren : 2019/2181(INL)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A9-0246/2020

Eingereichte Texte :

A9-0246/2020

Aussprachen :

CRE 20/01/2021 - 15

Abstimmungen :

PV 21/01/2021 - 2
PV 21/01/2021 - 13

Angenommene Texte :

P9_TA(2021)0021

Angenommene Texte
PDF 201kWORD 70k
Donnerstag, 21. Januar 2021 - Brüssel
Recht auf Nichterreichbarkeit
P9_TA(2021)0021A9-0246/2020
Entschließung
 Anlage

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Januar 2021 mit Empfehlungen an die Kommission zum Recht auf Nichterreichbarkeit (2019/2181(INL))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  gestützt auf Artikel 153 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a, b und i AEUV,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit(1),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis(2),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung(3),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union(4),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates(5),

–  unter Hinweis auf die Artikel 23 und 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (die Charta),

–  unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere die Grundsätze 5, 7, 8, 9 und 10,

–  unter Hinweis auf die Übereinkommen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), insbesondere das Übereinkommen von 1919 über die Arbeitszeit (Gewerbe) (Nr. 1), das Übereinkommen von 1930 über die Arbeitszeit (Handel und Büros) (Nr. 30), die Empfehlung von 1981 betreffend Kollektivverhandlungen (Nr. 163), das Übereinkommen von 1981 über Arbeitnehmer mit Familienpflichten (Nr. 156) und die dazugehörige Empfehlung (Nr. 165), sowie die im Jahr 2019 abgegebene Erklärung zum hundertjährigen Bestehen der IAO für die Zukunft der Arbeit;

–  unter Hinweis auf die revidierte Europäische Sozialcharta des Europarates vom 3. Mai 1996, insbesondere auf Artikel 2 (Das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen, einschließlich angemessener Arbeits- und Ruhezeiten), Artikel 3 (Das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen), Artikel 6 (Das Recht auf Kollektivverhandlungen) und Artikel 27 (Das Recht der Arbeitnehmer mit Familienpflichten auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung),

–  unter Hinweis auf Artikel 24 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte,

–  unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarungen der europäischen Sozialpartner über Telearbeit (2002) und Digitalisierung (2020),

–  unter Hinweis auf die vom Referat „Europäischer Mehrwert“ des Wissenschaftlichen Diensts des Europäischen Parlaments (EPRS) erstellte Studie zur Einschätzung des europäischen Mehrwerts mit dem Titel „The right to disconnect“ („Das Recht auf Nichterreichbarkeit“)(6),

–  unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound vom 31. Juli 2019 mit dem Titel „The right to disconnect“ („Das Recht auf Nichterreichbarkeit“),

–  unter Hinweis auf das Eurofound-Arbeitspapier mit dem Titel „Das Recht auf Nichterreichbarkeit in den 27 EU-Mitgliedstaaten“,

–  unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu den Kriterien für die Festlegung der Arbeitszeiten, einschließlich des Bereitschaftsdienstes und der Bereitschaftszeit, zur Bedeutung der Ruhezeit, zum Erfordernis der Messung der Arbeitszeit und zu den Kriterien für die Feststellung des Status von Arbeitnehmern(7)

–  unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-518/15, wonach die Bereitschaftszeit eines Arbeitnehmers, der sich zwar zu Hause befindet, aber verpflichtet ist, innerhalb kurzer Zeit auf Anrufe des Arbeitgebers zu reagieren, als „Arbeitszeit“ anzusehen ist(8),

–  unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-55/18, wonach die Mitgliedstaaten Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzurichten(9),

–  unter Hinweis auf den Bericht der UNI Global Union mit dem Titel „The Right to Disconnect: Best Practices“ („Das Recht auf Nichterreichbarkeit: Bewährte Verfahren“),

–  unter Hinweis auf Ziffer 17 seiner Entschließung vom 10. Oktober 2019 zu der Beschäftigungs- und Sozialpolitik des Euro-Währungsgebiets(10),

–  unter Hinweis auf Artikel 5 des Beschlusses des Europäischen Parlaments vom 28. September 2005 zur Annahme des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments(11),

–  gestützt auf die Artikel 47 und 54 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A9-0246/2020),

A.  in der Erwägung, dass es derzeit keine spezifischen Rechtsvorschriften der Union über das Recht von Arbeitnehmern, sich von zu Arbeitszwecken genutzten digitalen Werkzeugen – einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), – abzukoppeln, gibt;

B.  in der Erwägung, dass die Digitalisierung und die angemessene Nutzung digitaler Werkzeuge viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit sich gebracht haben, wie z. B. mehr Flexibilität und Autonomie, das Potenzial zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und kürzere Pendelzeiten, aber auch Nachteile, die zu einer Reihe ethischer, rechtlicher und beschäftigungsbezogener Herausforderungen geführt haben, wie z. B. die Intensivierung der Arbeit und die Verlängerung der Arbeitszeiten, wodurch die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen;

C.  in der Erwägung, dass die immer stärkere Nutzung digitaler Werkzeuge für Arbeitszwecke zu einer Kultur des ständigen Verbundenseins, der ständigen Erreichbarkeit bzw. der ständigen Bereitschaft geführt hat, die sich nachteilig auf die Grundrechte der Arbeitnehmer, auf faire Arbeitsbedingungen, einschließlich einer gerechten Entlohnung, auf die Begrenzung der Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, auf die körperliche und geistige Gesundheit und die Sicherheit am Arbeitsplatz sowie auf das Wohlbefinden und – wegen ihrer unverhältnismäßigen Auswirkungen auf Arbeitnehmer mit Betreuungs- bzw. Pflegeaufgaben, bei denen es sich in der Regel um Frauen handelt – auf die Gleichstellung von Männern und Frauen auswirken kann; in der Erwägung, dass der digitale Wandel von der Achtung der Menschenrechte sowie der Grundrechte und Werte der Union geleitet werden und sich positiv auf die Arbeitnehmer und die Arbeitsbedingungen auswirken sollte;

D.  in der Erwägung, dass der Einsatz digitaler Werkzeuge über längere Zeiträume zu einem Konzentrationsnachlass sowie zu kognitiver und emotionaler Überlastung führen kann; in der Erwägung, dass monotone, sich wiederholende Handgriffe und eine starre Körperhaltung über lange Zeiträume zu Muskelverspannungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats führen können; in der Erwägung, dass das Internationale Krebsforschungszentrum HF-Strahlung als möglicherweise krebserregend eingestuft hat; in der Erwägung, dass schwangere Frauen möglicherweise besonders gefährdet sind, wenn sie HF-Strahlung ausgesetzt sind;

E.  in der Erwägung, dass der übermäßige Einsatz technologischer Geräte Probleme wie Isolierung, Technologiesucht, Schlafmangel, emotionale Erschöpfung, Angst und Burnout verschärfen kann; in der Erwägung, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit jedes Jahr mehr als 300 Millionen Menschen an Depressionen und weit verbreiteten psychischen Störungen im Zusammenhang mit der Arbeit erkranken und jährlich 38,2 % der Bevölkerung in der Union an einer psychischen Störung erkranken;

F.  in der Erwägung, dass die infolge der COVID-19-Krise ergriffenen Maßnahmen die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, verändert und die Bedeutung digitaler Lösungen aufgezeigt haben, u. a. die Nutzung von Telearbeit durch Unternehmen, Selbstständige und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung in der gesamten Union; in der Erwägung, dass nach Angaben von Eurofound mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer aus der Union während der Ausgangsbeschränkungen damit begann, von zu Hause aus zu arbeiten, im Vergleich zu 5 %, die bereits regulär von zu Hause aus arbeiteten, und dass die Nutzung digitaler Werkzeuge für Arbeitszwecke erheblich zugenommen hat; in der Erwägung, dass laut Eurofound 27 % der zu Hause tätigen Arbeitnehmer angaben, auch in ihrer Freizeit zu arbeiten, um den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden(12); in der Erwägung, dass Telearbeit während der COVID-19-Krise zugenommen hat und voraussichtlich auch künftig einen höheren Anteil ausmachen wird als vor der Krise oder sogar noch weiter zunehmen wird;

G.  in der Erwägung, dass Frauen, da sie traditionell noch immer vorwiegend den Haushalt führen und Familienmitglieder betreuen, besonders gefährdet sind, was die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Krise betrifft, und davon stärker betroffen sind; in der Erwägung, dass die Zunahme der Telearbeit während der COVID-19-Krise auch ein höheres Risiko für junge Menschen und Menschen mit Betreuungs- bzw. Pflegepflichten, wie etwa Alleinerziehende, Familien mit Kindern sowie Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen, darstellen kann; in der Erwägung, dass das Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben in Zeiten von Telearbeit, Abstandsregeln und Ausgangsbeschränkungen ausgewogen sein muss; in der Erwägung, dass im Zusammenhang mit dem Recht auf Nichterreichbarkeit auf geschlechtsspezifische Aspekte eingegangen werden sollte;

H.  in der Erwägung, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit ein Grundrecht ist, das untrennbarer Bestandteil der neuen Arbeitsmuster im neuen digitalen Zeitalter ist; in der Erwägung, dass dieses Recht als ein wichtiges sozialpolitisches Instrument auf Unionsebene betrachtet werden sollte, um den Schutz der Rechte aller Arbeitnehmer im neuen digitalen Zeitalter sicherzustellen; in der Erwägung, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit für die schutzbedürftigsten Arbeitnehmer und diejenigen mit Betreuungs- bzw. Pflegepflichten von besonderer Bedeutung ist;

I.  in der Erwägung, dass Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz infolge technologischer Fortschritte noch komplexer geworden sind; in der Erwägung, dass der Einsatz eingreifender digitaler Technologien am Arbeitsplatz nur in einigen Mitgliedstaaten bis zu einem gewissen Grad thematisiert und reguliert wird; in der Erwägung, dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) besagt, dass „jede Person [...] das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten [hat]“; in der Erwägung, dass dies in nationalen Gerichtsbarkeiten angewandt wird, um die Privatsphäre von Arbeitnehmern im beruflichen Umfeld zu schützen; in der Erwägung, dass Artikel 8 EMRK und die Umsetzung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (DSGVO)(13) sicherstellen sollen, dass Arbeitnehmer angemessen über den Umfang und die Art der Überwachung und Kontrolle informiert werden und dass Arbeitgeber verpflichtet werden, die Maßnahmen zu rechtfertigen und ihre Auswirkungen durch den Einsatz der am wenigsten eingreifenden Methoden zu minimieren;

J.  in der Erwägung, dass aus Studien von Eurofound hervorgeht, dass 27 % der zu Hause tätigen Arbeitnehmer angaben, auch in ihrer Freizeit zu arbeiten, um den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden;

1.  betont, dass digitale Werkzeuge, einschließlich IKT, für Arbeitszwecke mit einer größeren Flexibilität in Bezug auf die Zeit, den Ort und die Art und Weise, wie Arbeit geleistet werden kann und wie Arbeitnehmer außerhalb ihrer Arbeitszeit erreicht werden können, einhergehen; in der Erwägung, dass eine angemessene Nutzung digitaler Werkzeuge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Vorteil sein kann, da sie eine größere Freiheit, Unabhängigkeit und Flexibilität ermöglicht, um die Arbeitszeit und die mit der Arbeit verbundenen Aufgaben besser zu organisieren, die für den Weg zur Arbeit aufgewendete Zeit zu verringern und die Bewältigung persönlicher und familiärer Verpflichtungen zu erleichtern und somit für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu sorgen; stellt fest, dass die Bedürfnisse der Arbeitnehmer sehr unterschiedlich sind, und betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, einen klaren Rahmen festzulegen, in dem sowohl die persönliche Flexibilität als auch der Schutz der Arbeitnehmerrechte gefördert werden;

2.  hebt hervor, dass sich ständige Erreichbarkeit in Verbindung mit hohen Arbeitsanforderungen und der zunehmenden Erwartung, dass Arbeitnehmer jederzeit erreichbar sind, negativ auf die Grundrechte der Arbeitnehmer, die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben sowie auf ihre körperliche und geistige Gesundheit und ihr Wohlbefinden auswirken kann;

3.  erkennt an, dass die effektive Erfassung der Arbeitszeit zur Einhaltung der vertraglichen Arbeitszeit beitragen kann; hebt hervor, dass die Erfassung der Arbeitszeit zwar wichtig ist, um sicherzustellen, dass die vereinbarten Stunden und die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschritten werden, dass jedoch auf die Wirksamkeit geachtet werden muss, da es nur in wenigen Mitgliedstaaten diesbezügliche Regelungen gibt;

4.  stellt fest, dass „es immer mehr Belege dafür gibt, dass die Festlegung der Arbeitszeiten, die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben, eine gewisse Flexibilität bei der Arbeitszeiteinteilung sowie konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Wohlergehens am Arbeitsplatz u. a. positive Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit der Arbeitnehmer, eine verbesserte Sicherheit am Arbeitsplatz sowie eine höhere Arbeitsproduktivität aufgrund von geringerer Müdigkeit, weniger Stress, höherer Zufriedenheit und Motivation der Arbeitnehmer sowie geringerer Fehlzeiten hat“(14);

5.  stellt fest, dass es sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber wichtig ist, digitale Werkzeuge für Arbeitszwecke ordnungsgemäß und effizient einzusetzen, wobei darauf zu achten ist, dass etwaiger Verletzungen der Rechte der Arbeitnehmer auf faire Arbeitsbedingungen, einschließlich einer gerechten Entlohnung, auf eine Begrenzung der Arbeitszeiten, auf Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie auf Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz vorgebeugt wird;

6.  ist der Ansicht, dass Unterbrechungen der arbeitsfreien Zeit von Arbeitnehmern und die Verlängerung ihrer Arbeitszeit das Risiko von unbezahlten Überstunden, arbeitsbedingter Erschöpfung , psychosozialen, psychischen und körperlichen Problemen wie Angstzuständen, Depressionen, Burnout und durch Technologie ausgelöstem Stress erhöhen und sich negativ auf ihre Gesundheit und ihre Sicherheit am Arbeitsplatz, ihre Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und ihre Erholung von der Arbeit auswirken können;

7.  erkennt die Erkenntnisse von Eurofound an, die zeigen, dass Menschen, die regelmäßig von zu Hause aus arbeiten, mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit wie diejenigen, die in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers arbeiten, länger als die nach dem Unionsrecht vorgeschriebenen höchstens 48 Stunden arbeiten und zwischen den Arbeitstagen weniger als die nach dem Unionsrecht vorgeschriebenen mindestens 11 Stunden ruhen; hebt hervor, dass fast 30 % dieser Telearbeiter angeben, jeden Tag oder mehrmals pro Woche in ihrer Freizeit zu arbeiten, verglichen mit weniger als 5 % der im „Büro“ tätigen Arbeitnehmer, und dass Telearbeiter auch eher unregelmäßige Arbeitszeiten haben; betont, dass die Zahl der Arbeitnehmer in der Union, die von zu Hause aus arbeiten und über lange Arbeitszeiten berichten oder die nicht in der Lage sind, die arbeitsfreie Zeit für sich zu nutzen, zunimmt; stellt ferner fest, dass reguläre Telearbeiter mit größerer Wahrscheinlichkeit angeben, unter arbeitsbedingtem Stress zu leiden und von Schlafstörungen, Stress und der Exposition gegenüber dem Licht von Bildschirmen betroffen zu sein, und stellt fest, dass zu den weiteren Auswirkungen auf die Gesundheit von Telearbeitern und „hochmobilen“ Arbeitnehmern Kopfschmerzen, Augenermüdung, Müdigkeit, Angstzustände und Erkrankungen des Bewegungsapparats gehören; erkennt an, dass regelmäßige Arbeit von zu Hause aus die körperliche Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen kann, da ad hoc zu Hause eingerichtete Arbeitsplätze sowie Laptops und andere IKT-Geräte möglicherweise nicht den ergonomischen Standards entsprechen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Forschung und Datenerhebung zu verbessern und eine eingehende Bewertung dieser Probleme vorzunehmen; betont, dass es angesichts der prognostizierten Ausweitung der Telearbeit auf längere Sicht immer wichtiger wird, diese Probleme anzugehen;

8.  weist darauf hin, dass Telearbeit während der COVID-19-Krise entscheidend dazu beigetragen hat, einige Arbeitsplätze und Unternehmen zu erhalten, weist jedoch erneut darauf hin, dass Telearbeit aufgrund der Kombination von langen Arbeitszeiten und höheren Anforderungen auch größere Risiken für Arbeitnehmer mit negativen Auswirkungen auf die Qualität der Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie auf ihre körperliche und geistige Gesundheit mit sich bringen kann; hebt hervor, dass besondere Schwierigkeiten auftreten, wenn die Arbeit nicht an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden ist, wenn eine ununterbrochene Verbindung zur Arbeit besteht und wenn die Arbeit ins Familien- und Privatleben hineinragt;

9.  betont, dass das Recht der Arbeitnehmer auf Nichterreichbarkeit von entscheidender Bedeutung ist, wenn es darum geht, ihre körperliche und geistige Gesundheit sowie ihr Wohlbefinden zu schützen und sie vor psychologischen Risiken zu bewahren; bekräftigt die Bedeutung und den Nutzen der Durchführung von Bewertungen psychosozialer Risiken in privaten und öffentlichen Unternehmen und weist erneut darauf hin, dass die Förderung der psychischen Gesundheit und die Prävention psychischer Störungen am Arbeitsplatz wichtig ist, um sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber bessere Bedingungen zu schaffen; erkennt an, dass die von den Sozialpartnern eingesetzten Ausschüsse für Gesundheit und Sicherheit eine positive Rolle bei dem Unterfangen, häufigere und präzisere Risikobewertungen sicherzustellen, spielen können;

10.  weist darauf hin, dass nach geltendem Recht und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht ständig und ununterbrochen zur Verfügung stehen müssen, dass zwischen der Arbeitszeit, während der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen müssen, und der arbeitsfreien Zeit, während der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, ein Unterschied besteht und dass Bereitschaftsdienste der Arbeitszeit zuzurechnen sind; stellt jedoch fest, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit im Unionsrecht nicht ausdrücklich geregelt ist; weist darauf hin, dass sich die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander unterscheidet und dass eine Reihe von Mitgliedstaaten und die Sozialpartner Schritte unternommen haben, um den Einsatz digitaler Werkzeuge für Arbeitszwecke gesetzlich und/oder tarifvertraglich zu regulieren und so den Arbeitnehmern und ihren Angehörigen Garantien und Schutz zu bieten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, bewährte Verfahren auszutauschen und für einen koordinierten gemeinsamen Ansatz hinsichtlich der bestehenden Arbeitsbedingungen zu sorgen, ohne die sozialen Rechte und die Mobilität innerhalb der Union zu beeinträchtigen;

11.  fordert die Kommission auf, die Risiken, die sich daraus ergeben, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit nicht geschützt wird, zu bewerten und in Angriff zu nehmen;

12.  fordert die Mitgliedstaaten und die Arbeitgeber auf, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer über ihr Recht auf Nichterreichbarkeit informiert werden und dieses Recht wahrnehmen können;

13.  weist auf die spezifischen Bedürfnisse und Unterschiede der verschiedenen Sektoren in Bezug auf das Recht auf Nichterreichbarkeit hin; ersucht die Kommission, auf der Grundlage einer gründlichen Prüfung, einer ordnungsgemäßen Bewertung sowie einer Konsultation der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner einen Vorschlag für eine Richtlinie der Union über Mindeststandards und -bedingungen vorzulegen, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer ihr Recht auf Nichterreichbarkeit wirksam wahrnehmen können, und die Nutzung bestehender und neuer digitaler Instrumente zu Arbeitszwecken zu regeln, wobei die Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über die Digitalisierung, die Regelungen für die Erreichbarkeit enthält, zu berücksichtigen ist; erinnert daran, dass in der Rahmenvereinbarung vorgesehen ist, dass die Sozialpartner innerhalb der nächsten drei Jahre Durchführungsmaßnahmen ergreifen, und weist darauf hin, dass mit der Vorlage eines Legislativvorschlags vor Ablauf der Umsetzungsfrist die im AEUV verankerte Rolle der Sozialpartner außer Acht gelassen würde; besteht darauf, dass jede Gesetzesinitiative die Autonomie der Sozialpartner auf nationaler Ebene, die nationalen Tarifverträge sowie die nationalen Arbeitsmarkttraditionen und -modelle respektiert und das Recht auf Verhandlung, Abschluss und Durchsetzung von Tarifverträgen gemäß der nationalen Gesetzgebung und Praxis nicht beeinträchtigt;

14.  fordert die Kommission auf, einen Rechtsrahmen für die Festlegung von Mindestanforderungen für Telearbeit in der gesamten Union vorzulegen, um sicherzustellen, dass durch Telearbeit die Beschäftigungsbedingungen von Telearbeitern nicht beeinträchtigt werden; betont, dass durch einen solchen Rahmen die Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bereitstellung, Nutzung und Haftung von Ausrüstung, z. B. von vorhandenen und neuen digitalen Werkzeugen, geklärt werden sollten und sichergestellt werden sollte, dass diese Arbeitsweise auf freiwilliger Basis erfolgt und dass die Rechte, die Arbeitsbelastung und die Leistungsstandards von Telearbeitern denen vergleichbarer Arbeitnehmer entsprechen;

15.  ist der Ansicht, dass die neue Richtlinie die Anforderungen der Richtlinie 2003/88/EG bezüglich bestimmter Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, insbesondere, was den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub betrifft, der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen, der Richtlinie (EU) 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und der Richtlinie 89/391/EWG des Rates über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und insbesondere die Anforderungen dieser Richtlinien in Bezug auf Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, flexible Arbeitszeitregelungen und Informationspflichten präzisieren, ergänzen und uneingeschränkt achten und nicht mit negativen Auswirkungen für Arbeitnehmer einhergehen sollte; ist der Ansicht, dass in der neuen Richtlinie Lösungen für bestehende Modelle, die Rolle der Sozialpartner, die Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber und die Bedürfnisse der Arbeitnehmer in Bezug auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeit im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Werkzeuge vorgesehen werden sollten; betont, dass die ordnungsgemäße Umsetzung und Anwendung der Unionsvorschriften von grundlegender Bedeutung ist, und weist darauf hin, dass der Besitzstand der Union im Bereich Beschäftigung und Soziales in vollem Umfang für den digitalen Wandel gilt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für eine ordnungsgemäße Durchsetzung durch die nationalen Arbeitsaufsichtsbehörden zu sorgen;

16.  betont, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit es Arbeitnehmern ermöglicht, außerhalb ihrer Arbeitszeit – einschließlich während ihrer Ruhezeiten, gesetzlicher Feiertage, ihres Jahresurlaubs, ihres Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaubs sowie ihrer Elternzeit und anderer Urlaubsarten – von Aufgaben, Tätigkeiten und elektronischer Kommunikation wie Telefonanrufen, E-Mails und anderen Nachrichten mit Bezug zu ihrer Arbeit abzusehen, ohne dass ihnen daraus Nachteile entstehen; betont dass eine gewisse Autonomie und Flexibilität sowie der Grundsatz der Zeithoheit, nach dem es Arbeitnehmern gestattet sein muss, ihre Arbeitszeit so einzuteilen, dass sie persönlichen Verpflichtungen, insbesondere der Betreuung von Kindern oder kranken Familienmitgliedern, nachkommen können, geachtet werden sollten; betont, dass die zunehmende Erreichbarkeit am Arbeitsplatz nicht zu einer Diskriminierung oder zu negativen Auswirkungen bei der Einstellung oder beim beruflichen Aufstieg führen darf;

17.  betont, dass Fortschritte bei neuen technologischen Möglichkeiten wie der künstlichen Intelligenz eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes der Zukunft und der Höherbewertung der Arbeitseffizienz spielen und weder zu einer entmenschlichten Nutzung digitaler Instrumente führen noch Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre, der unverhältnismäßigen und illegalen Erhebung personenbezogener Daten oder der Überwachung und Kontrolle von Arbeitnehmern hervorrufen sollten; betont, dass neue Arten von Werkzeugen zur Überwachung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsleistung, die es Unternehmen ermöglichen, die Aktivitäten von Arbeitnehmern umfassend zu verfolgen, nicht als Gelegenheit zur systematischen Überwachung von Arbeitnehmern gesehen werden sollten; fordert die Sozialpartner und die Datenschutzaufsichtsbehörden auf, dafür zu sorgen, dass Instrumente zur Arbeitsüberwachung nur dort eingesetzt werden, wo dies notwendig und verhältnismäßig ist, und das Recht der Arbeitnehmer auf Privatsphäre und Selbstbestimmung bei ihrer Arbeit zu gewährleisten; weist darauf hin, dass der Arbeitgeber nicht das Recht hat, auf Kommunikationsmetadaten und -inhalte zuzugreifen, wenn Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber bereitgestellten Kommunikationsdienste für private Zwecke nutzen dürfen, und dass Arbeitnehmer in Bezug auf die Verarbeitung ihrer Daten geschult und aufgeklärt werden müssen; weist darauf hin, dass bei Arbeitsbeziehungen die Einwilligung eines Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten in der Regel nicht als freiwillig erteilt angesehen werden kann und daher nicht gültig ist, da ein eindeutiges Machtungleichgewicht zwischen der betroffenen Person auf Arbeitnehmerseite und der für die Verarbeitung verantwortlichen Person auf Arbeitgeberseite besteht;

18.  bekräftigt, dass die Einhaltung der Arbeitszeit und ihre Vorhersehbarkeit als wesentlich erachtet werden, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen in der Union zu gewährleisten;

19.  betont, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Recht auf Nichterreichbarkeit aktiv unterstützen und fördern und sich für einen effizienten, fundierten und ausgewogenen Ansatz in Bezug auf digitale Werkzeuge am Arbeitsplatz sowie für Sensibilisierungsmaßnahmen und für Bildungs- und Ausbildungskampagnen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit und dem Recht auf Nichterreichbarkeit einsetzen müssen; betont, wie wichtig es ist, digitale Werkzeuge sinnvoll einzusetzen, um sicherzustellen, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit und alle anderen Rechte, die dem Schutz der geistigen und körperlichen Gesundheit von Arbeitnehmern dienen, wirksam umgesetzt und zu einem aktiven Bestandteil der Arbeitskultur in der Union werden;

20.  betont, dass Arbeitgeber von Arbeitnehmern nicht verlangen sollten, außerhalb ihrer Arbeitszeit direkt oder indirekt verfügbar oder erreichbar zu sein, und dass Mitarbeiter davon absehen sollten, ihre Kollegen außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten zu Arbeitszwecken zu kontaktieren; weist darauf hin, dass die Zeit, in der ein Arbeitnehmer für den Arbeitgeber verfügbar oder erreichbar ist, Arbeitszeit ist; ist der Ansicht, dass Angesichts der sich naturgemäß wandelnden Arbeitswelt eine größere Notwendigkeit für Arbeitnehmer besteht, umfassend über ihre Arbeitsbedingungen unterrichtet zu sein, damit sie in der Lage sind, das Recht auf Nichterreichbarkeit in Anspruch zu nehmen, was zeitnah und schriftlich bzw. digital in einer für Arbeitnehmer leicht zugänglichen Form erfolgen sollte; weist darauf hin, dass Arbeitgeber Arbeitnehmern ausreichende Informationen – einschließlich einer schriftlichen Erklärung, in der das Recht der Arbeitnehmer auf Nichterreichbarkeit dargelegt wird – zur Verfügung stellen müssen, und zwar zumindest die praktischen Vorkehrungen für die Abschaltung digitaler Werkzeuge zu Arbeitszwecken, einschließlich arbeitsbezogener Überwachungs- oder Kontrollinstrumente, die Art der Arbeitszeiterfassung, die Gesundheit- und Sicherheitsbewertung seitens des Arbeitsgebers sowie die Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor Benachteiligungen und zur Umsetzung ihres Rechts auf Rechtsbehelfe; weist erneut darauf hin, wie wichtig die Gleichbehandlung von Grenzgängern ist, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer ordnungsgemäß über ihr Recht auf Nichterreichbarkeit – auch in grenzüberschreitenden Beschäftigungsverhältnissen – informiert werden;

21.  erachtet es als sehr wichtig, dass die Sozialpartner das Recht auf Nichterreichbarkeit im Einklang mit den jeweiligen nationalen Gepflogenheiten wirksam um- und durchsetzen, und betont in diesem Zusammenhang, dass die diesbezüglich bereits geleistete Arbeit berücksichtigt werden muss; ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass Arbeitnehmer ihr Recht auf Nichterreichbarkeit wirksam wahrnehmen können, einschließlich im Wege von Tarifverträgen; fordert die Mitgliedstaaten auf, präzise und ausreichende Mechanismen zu schaffen, um ein Mindestmaß an Schutz im Einklang mit dem Unionsrecht und für alle Arbeitnehmer die Durchsetzung ihres Rechts auf Nichterreichbarkeit zu gewährleisten;

22.  fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer, die sich auf ihr Recht auf Nichterreichbarkeit berufen, vor Viktimisierung und anderen negativen Folgen geschützt werden und dass es Mechanismen für den Umgang mit Beschwerden hinsichtlich oder Verletzungen des Rechts auf Nichterreichbarkeit gibt;

23.  betont, dass alle beruflichen Fernlern- und Fortbildungsaktivitäten ebenfalls als Arbeitstätigkeit gezählt werden müssen und nicht während Überstunden oder freien Tagen ohne angemessenen Ausgleich stattfinden dürfen;

24.  betont, wie wichtig es ist, individuelle Schulungen zur Verbesserung der IT-Fähigkeiten für alle Arbeitnehmer, insbesondere aber für Menschen mit Behinderungen und ältere Kollegen, zu unterstützen, um eine gute und effiziente Durchführung ihrer Arbeit sicherzustellen;

25.  fordert die Kommission auf, das Recht auf Nichterreichbarkeit in ihre neue Strategie für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz aufzunehmen und ausdrücklich neue psychosoziale Maßnahmen und Aktionen im Rahmen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz zu entwickeln;

26.  verlangt, dass die Kommission auf der Grundlage von Artikel 153 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a, b und i AEUV einen Vorschlag für einen Rechtsakt über das Recht auf Nichterreichbarkeit vorlegt, und zwar nach Maßgabe der in der Anlage aufgeführten Empfehlungen;

27.  vertritt die Auffassung, dass der angeforderte Vorschlag keine finanziellen Auswirkungen hat;

28.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen der Kommission und dem Rat sowie den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1.
(2) ABl. L 206 vom 29.7.1991, S. 19.
(3) ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9.
(4) ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 105.
(5) ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79.
(6) PE 642.847, Juli 2020. https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2020/642847/EPRS_BRI(2020)642847_EN.pdf
(7) Siehe u. a. die Urteile des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer und andere, C-397/01 bis C-403/01, ECLI:EU:C:2004:584, Rn. 93, vom 7. September 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-484/04, ECLI:EU:C:2006:526, Rn. 36, vom 17. November 2016, Betriebsrat der Ruhrlandklinik, C‑216/15, ECLI:EU:C:2016:883, Rn. 27, vom 21. Februar 2018, Matzak, C-518/15, ECLI:EU:C:2018:82, Rn. 66, und vom 14. Mai 2019, Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO), C-55/18, ECLI:EU:C:2019:402, Rn. 60.
(8) Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 2018, Matzak, C-518/15, ECLI:EU:C:2018:82, Rn. 66.
(9) Urteil des Gerichtshofes vom 14. Mai 2019, Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO), C-55/18, ECLI:EU:C:2019:402, Rn. 60.
(10) Angenommene Texte, P9_TA(2019)0033.
(11) ABl. L 262 vom 7.10.2005, S. 1.
(12) https://www.eurofound.europa.eu/de/publications/blog/covid-19-unleashed-the-potential-for-telework-how-are-workers-coping
(13) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(14) Messenger, IAO, zitiert in der vom Referat „Europäischer Mehrwert“ des Wissenschaftlichen Diensts des Europäischen Parlaments (EPRS) erstellten Studie zur Einschätzung des europäischen Mehrwerts mit dem Titel „The right to disconnect“ („Das Recht auf Nichterreichbarkeit“) (PE 642.847, Juli 2020): https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2020/642847/EPRS_BRI(2020)642847_EN.pdf


ANLAGE ZU DER ENTSCHLIESSUNG:

EMPFEHLUNGEN ZUM INHALT DES VERLANGTEN VORSCHLAGS

WORTLAUT DES GEFORDERTEN GESETZGEBUNGSVORSCHLAGS

Vorschlag für eine

RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über das Recht auf Nichterreichbarkeit

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 153 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a, b und i,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)  In Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a, b und i des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist vorgesehen, dass die Union die Mitgliedstaaten bei ihren Anstrengungen mit Blick auf die Verbesserung der Arbeitsumgebung zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer, der Arbeitsbedingungen und der Gleichstellung von Frauen und Männern, was ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Behandlung am Arbeitsplatz betrifft, unterstützt und ergänzt.

(2)  Artikel 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) legt fest, dass jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen, auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat. In Artikel 30 der Charta ist das Recht auf Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung vorgesehen, und in den Artikeln 20 und 21 der Charta ist die Gleichheit vor dem Gesetz vorgesehen und werden Diskriminierungen verboten. In Artikel 23 der Charta ist festgelegt, dass die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen ist.

(3)  In der europäischen Säule sozialer Rechte ist festgelegt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ungeachtet der Art und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses das Recht auf faire und gleiche Behandlung bezüglich der Arbeitsbedingungen haben, dass die notwendige Flexibilität für Arbeitgeber zu gewährleisten ist, damit sie sich schnell an sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen anpassen können, dass innovative Arbeitsformen, die gute Arbeitsbedingungen sicherstellen, zu fördern sind und dass Beschäftigungsverhältnisse, die zu prekären Arbeitsbedingungen führen, unterbunden werden sollen, unter anderem durch das Verbot des Missbrauchs atypischer Verträge (Grundsatz 5). Ferner ist darin festgelegt, dass Arbeitnehmer das Recht haben, am Beginn ihrer Beschäftigung schriftlich über ihre Rechte und Pflichten informiert zu werden, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben (Grundsatz 7), dass die Sozialpartner bei der Konzeption und Umsetzung der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik gemäß den nationalen Verfahren anzuhören sind (Grundsatz 8), dass Eltern und Menschen mit Betreuungs- oder Pflegepflichten das Recht auf angemessenen Urlaub und flexible Arbeitsregelungen haben (Grundsatz 9) und dass die Arbeitnehmer das Recht auf ein gesundes, sicheres und geeignetes Arbeitsumfeld sowie das Recht auf ein Arbeitsumfeld, das ihren beruflichen Bedürfnissen entspricht und ihnen eine lange Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglicht, haben (Grundsatz 10).

(4)  Diese Richtlinie trägt den Übereinkommen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation im Hinblick auf die Arbeitszeitgestaltung, insbesondere dem Übereinkommen von 1919 über die Arbeitszeit (Gewerbe) (Nr. 1), der Empfehlung von 1981 betreffend Kollektivverhandlungen (Nr. 163), dem Übereinkommen von 1981 über Arbeitnehmer mit Familienpflichten (Nr. 156) und der dazugehörigen Empfehlung (Nr. 165) Rechnung.

(5)  Diese Richtlinie trägt der revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarates vom 3. Mai 1996 und insbesondere deren Artikel 2 (Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen, einschließlich angemessener Arbeitszeiten und Ruhezeiten), Artikel 3 (Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, Artikel 6 (Recht auf Kollektivverhandlungen) und Artikel 27 (Schutz der Arbeitnehmer mit Familienpflichten).

(6)  Gemäß Artikel 24 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat jeder das Recht auf Erholung und Freizeit und insbesondere auf eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und regelmäßigen bezahlten Urlaub.

(7)  Digitale Werkzeuge ermöglichen es Arbeitnehmern, jederzeit überall zu arbeiten, und können zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben beitragen. Jedoch kann die Nutzung digitaler Werkzeuge, einschließlich IKT, zu Arbeitszwecken auch negative Auswirkungen haben und z. B. mit längeren Arbeitszeiten einhergehen, indem sie Arbeitnehmer dazu verleiten, außerhalb ihrer Arbeitszeit zu arbeiten, eine höhere Arbeitsintensität zur Folge haben und zu einer Verwischung der Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit führen. Wenn diese digitalen Werkzeuge nicht ausschließlich während der Arbeitszeit genutzt werden, können sie das Privatleben von Arbeitnehmern beeinträchtigen. Für Arbeitnehmer mit unbezahlten Betreuungs- oder Pflegepflichten kann es durch die Nutzung digitaler Werkzeuge besonders schwierig werden, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben zu finden. Frauen wenden mehr Zeit als Männer für die Erfüllung solcher Betreuungs- oder Pflegepflichten auf, gehen weniger Stunden einer bezahlten Beschäftigung nach und scheiden möglicherweise ganz aus dem Arbeitsmarkt aus.

(8)  Darüber hinaus können digitale Werkzeuge, die für Arbeitszwecke eingesetzt werden, ständigen Druck und Stress erzeugen, sich nachteilig auf die körperliche und geistige Gesundheit und das Wohlbefinden von Arbeitnehmern auswirken und zu Berufskrankheiten wie Angstzuständen, Depressionen und Burnout führen, die wiederum Arbeitgeber und Sozialversicherungssysteme zunehmend belasten. Angesichts der Herausforderungen, die sich aus dem deutlich zunehmenden Einsatz digitaler Werkzeuge für Arbeitszwecke, atypischen Arbeitsverhältnissen und Telearbeitsregelungen ergeben, insbesondere im Zusammenhang mit der Zunahme der Telearbeit infolge der COVID-19-Krise, ist es noch dringlicher geworden, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer ihr Recht auf Nichterreichbarkeit in Anspruch nehmen können.

(9)  Die zunehmende Nutzung digitaler Technologien hat die traditionellen Arbeitsmodelle verändert und eine Kultur des ständigen Verbundenseins bzw. der ständigen Erreichbarkeit geschaffen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Schutz der Grundrechte der Arbeitnehmer, faire Arbeitsbedingungen, einschließlich ihres Rechts auf eine gerechte Entlohnung, und die Achtung ihrer Arbeitszeit, Gesundheit und Sicherheit sowie die Gleichstellung von Männern und Frauen zu gewährleisten.

(10)  Das Recht auf Nichterreichbarkeit bezieht sich auf das Recht der Arbeitnehmer, sich außerhalb ihrer Arbeitszeit nicht mittels digitaler Instrumente wie Telefongesprächen, E-Mails oder anderer Benachrichtigungsformen an arbeitsbezogenen Tätigkeiten oder arbeitsbezogener Kommunikation zu beteiligen. Das Recht auf Nichterreichbarkeit sollte Arbeitnehmer dazu berechtigen, arbeitsbezogene Werkzeuge auszuschalten und auf Anfragen der Arbeitgeber außerhalb der Arbeitszeit nicht zu reagieren, ohne dadurch nachteilige Folgen wie Entlassung oder andere Sanktionen befürchten zu müssen. Umgekehrt sollte es Arbeitgebern untersagt sein, die Arbeitskraft ihrer Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit zu nutzen.

(11)  Das Recht auf Nichterreichbarkeit sollte für alle Arbeitnehmer und alle Sektoren, sowohl den öffentlichen als auch den privaten, gelten. Mit dem Recht auf Nichterreichbarkeit wird bezweckt, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Arbeitnehmer sowie faire Arbeitsbedingungen, einschließlich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, zu gewährleisten.

(12)  Derzeit gibt es keine EU-Rechtsvorschriften, die speziell das Recht auf Nichterreichbarkeit regeln. Die Richtlinien 89/391/EWG(4) und 91/383/EWG(5) des Rates zielen jedoch darauf ab, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern mit unbefristetem Arbeitsverhältnis, befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis zu verbessern; die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(6) enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung; Zweck der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates(7) ist es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparentere und verlässlicher planbare Beschäftigung gefördert wird; und in der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates(8) sind Mindestanforderungen festgelegt, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Arbeitnehmer, bei denen es sich um Eltern oder pflegende Angehörige handelt, zu erleichtern.

(13)  Gemäß der Richtlinie 2003/88/EG haben Arbeitnehmer in der Union ein Anrecht auf Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung. In diesem Zusammenhang sieht die Richtlinie tägliche Ruhezeiten, Ruhepausen, wöchentliche Ruhezeiten, wöchentliche Höchstarbeitszeit und Jahresurlaub vor und regelt bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit sowie der Beschäftigungsmodelle. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind „Bereitschaftsdienste, die ein Arbeitnehmer in Form persönlicher Anwesenheit an dem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort leistet, in vollem Umfang als Arbeitszeit [...] anzusehen [...], unabhängig davon, dass der Betroffene während dieses Dienstes tatsächlich keine ununterbrochene berufliche Tätigkeit ausübt“(9), und ist auch die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringen muss, während er dem Arbeitgeber zur Verfügung steht, als Arbeitszeit anzusehen(10). Darüber hinaus hat der EuGH die Bestimmungen über die Mindestruhezeit als „besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft, die jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit erforderlicher Mindestanspruch zugute kommen müssen“(11) ausgelegt. In der Richtlinie 2003/88/EG ist jedoch kein ausdrückliches Recht der Arbeitnehmer auf Nichterreichbarkeit außerhalb ihrer Arbeitszeit, während ihrer Ruhezeiten oder während sonstiger Zeiten außerhalb ihrer Arbeitszeit vorgesehen.

(14)  Der EuGH hat bestätigt, dass Arbeitgeber gemäß den Richtlinien 89/391/EWG und 2003/88/EG verpflichtet sind, ein System einzurichten, mit dem sich die Dauer der täglichen Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers messen lässt, und dass ein solches System objektiv, zuverlässig und zugänglich sein muss(12).

(15)  In seiner Rechtsprechung hat der EuGH Kriterien für die Feststellung des Status von Arbeitnehmern festgelegt. Die Auslegung dieser Kriterien durch den EuGH sollte bei der Umsetzung der Richtlinie berücksichtigt werden. Unter der Voraussetzung, dass sie diese Kriterien erfüllen, fallen atypische Arbeitnehmer wie auf Abruf beschäftigte Arbeitnehmer, Teilzeitbeschäftigte, intermittierend beschäftigte Arbeitnehmer, auf der Grundlage von Gutscheinen beschäftigte Arbeitnehmer, Plattformarbeiter, Praktikanten und Auszubildende unabhängig davon, ob sie im privaten oder öffentlichen Sektor beschäftigt sind, in den Geltungsbereich dieser Richtlinie. Der Missbrauch des Status der selbstständigen Erwerbstätigkeit, wie er im nationalen Recht definiert ist — sei es auf nationaler Ebene oder in grenzüberschreitenden Situationen —, stellt eine Form der falsch deklarierten Erwerbstätigkeit dar, die häufig mit nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit in Verbindung steht. Wenn eine Person die typischen Kriterien für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erfüllt, aber als selbstständig erwerbstätig bezeichnet wird, um bestimmte rechtliche und steuerliche Verpflichtungen zu umgehen, liegt Scheinselbstständigkeit vor. Diese Personen sollten in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Die Ermittlung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses sollte sich an den Fakten orientieren, die sich auf die tatsächliche Arbeitsleistung beziehen, und nicht an der Beschreibung des Verhältnisses seitens der Parteien. Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff „Arbeitnehmer“ alle Arbeitnehmer, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, das die Kriterien des EuGH erfüllt.

(16)  In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Standardarbeitsverträge zurückgegangen und hat die Verbreitung atypischer oder flexibler Arbeitsregelungen zugenommen, was zum großen Teil auf die Digitalisierung der Wirtschaft zurückzuführen ist. Zu bestimmten Arten atypischer Arbeit gibt es EU-Rechtsvorschriften. Mit der Richtlinie 97/81/EG des Rates(13) wird die Rahmenvereinbarung zwischen den europäischen Sozialpartnern über Teilzeitarbeit umgesetzt und das Ziel verfolgt, der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten ein Ende zu setzen, die Qualität von Teilzeitarbeit zu verbessern, die Entwicklung der Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis zu fördern und zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beizutragen. Mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates(14) wird die Rahmenvereinbarung zwischen den europäischen Sozialpartnern über befristete Arbeitsverträge umgesetzt und das Ziel verfolgt, die Qualität befristeter Arbeitsverträge durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung zu verbessern und Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse zu verhindern. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(15)‚ die erlassen wurde, nachdem es die europäischen Sozialpartner versäumten, eine Rahmenvereinbarung zu schließen, zielt darauf ab, den Schutz von Leiharbeitnehmern zu gewährleisten und die Qualität von Leiharbeit zu verbessern, indem für Gleichbehandlung gesorgt wird und Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber anerkannt werden, wobei der Notwendigkeit Rechnung getragen wird, einen angemessenen Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit zu schaffen, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen.

(17)  Die europäischen Sozialpartner schlossen im Juli 2002 eine Rahmenvereinbarung über Telearbeit und im Juni 2020 eine Rahmenvereinbarung über die Digitalisierung. Letztere sieht vor, dass die Sozialpartner mögliche Maßnahmen im Hinblick auf die Aufnahme und Unterbrechung der Arbeit durch die Arbeitnehmer vereinbaren. Angesichts der Entwicklungen seit dem Beschluss der Rahmenvereinbarung über Telearbeit 2002 ist es offensichtlich geworden, dass die Bewertung und eines rechtlichen Rahmens auf Unionsebene für einige der Bestandteile jener Vereinbarung notwendig geworden ist.

(18)  Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2008/104/EG wird der Begriff „Arbeitnehmer“ im Rahmen des nationalen Rechts definiert. Allerdings hat der EuGH entschieden, dass bei der Beurteilung, ob jemand den Status eines Arbeitnehmers innehat, die in seiner ständigen Rechtsprechung festgelegten Kriterien anzuwenden sind. Insbesondere ist die Frage, ob „eine Person [...] für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“, entscheidend, „wobei die rechtliche Einordnung dieses Verhältnisses nach nationalem Recht und seine Ausgestaltung ebenso wie die Art der zwischen beiden Personen bestehenden Rechtsbeziehung insoweit nicht ausschlaggebend sind“(16).

(19)  Einige Mitgliedstaaten haben Schritte unternommen, um das Recht auf Nichterreichbarkeit für Arbeitnehmer, die digitale Werkzeuge für Arbeitszwecke nutzen, zu regeln. Andere Mitgliedstaaten fördern den Einsatz digitaler Werkzeuge für Arbeitszwecke, ohne sich gezielt mit den Risiken zu befassen; eine dritte Gruppe von Mitgliedstaaten wendet allgemeine Rechtsvorschriften für den Einsatz digitaler Werkzeuge an, und eine vierte Gruppe verfügt über keine spezifischen Rechtsvorschriften(17). Maßnahmen auf Unionsebene in diesem Bereich würden Mindestanforderungen zum Schutz aller Arbeitnehmer in der Union, die digitale Werkzeuge für Arbeitszwecke nutzen, und insbesondere ihrer Grundrechte im Hinblick auf faire Arbeitsbedingungen vorsehen.

(20)  Ziel dieser Richtlinie ist es, die Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer zu verbessern, indem Mindestanforderungen für das Recht auf Nichterreichbarkeit festgelegt werden und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Diese Richtlinie sollte im Einklang mit den Richtlinien 89/391/EWG, 2003/88/EG, (EU) 2019/1152 und (EU) 2019/1158 umgesetzt werden.

(21)  Die praktischen Modalitäten für die Wahrnehmung des Rechts auf Nichterreichbarkeit durch den Arbeitnehmer und die Umsetzung dieses Rechts durch den Arbeitgeber sollten von den Sozialpartnern im Wege von Tarifverträgen oder auf der Ebene des Unternehmens vereinbart werden können. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine schriftliche Erklärung vorlegen, in der diese praktischen Modalitäten dargelegt werden.

(22)  Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Arbeitgeber ein objektives, zuverlässiges und zugängliches System einrichten, dass es ermöglicht die Dauer der täglichen Arbeitszeit jedes Arbeitnehmer im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere dessen Urteil vom 14. Mai 2019 Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO), C-55/18, zu messen.(18).

(23)  Die Autonomie der Sozialpartner sollte geachtet werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, den Sozialpartnern zu gestatten, Tarifverträge aufrechtzuerhalten, auszuhandeln, abzuschließen und durchzusetzen, um alle oder bestimmte Bestimmungen dieser Richtlinie durchzusetzen.

(24)  Die Mitgliedstaaten sollten im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten sicherstellen, dass die Sozialpartner wirksam einbezogen werden, sowie den sozialen Dialog fördern und verbessern, damit diese Richtlinie tatsächlich umgesetzt wird. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, den Sozialpartnern die Umsetzung dieser Richtlinie zu übertragen, wenn diese dies gemeinsam beantragen und sofern die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die mit dieser Richtlinie angestrebten Ergebnisse erzielt werden.

(25)  Arbeitgeber sollten nicht berechtigt sein, von ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Rechts auf Nichterreichbarkeit abzuweichen, außer im Wege von Tarifverträgen oder durch Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf der Ebene des Unternehmens. Solche Vereinbarungen sollten auch die Kriterien für die Festlegung der Vergütung für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Arbeit enthalten. Eine solche Vergütung sollte in Form von Urlaub oder eines finanziellen Ausgleichs erfolgen können. Im Falle eines finanziellen Ausgleichs sollte dieser mindestens der üblichen Vergütung der Arbeitnehmer entsprechen.

(26)  Arbeitnehmer, die von ihren in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechten Gebrauch machen, sollten vor jeglichen nachteiligen Folgen, einschließlich Entlassung und anderer Sanktionen, geschützt werden. Ferner sollten sie auch vor diskriminierenden Maßnahmen wie dem Verlust von Einkommen oder von Beförderungsmöglichkeiten geschützt werden.

(27)  Arbeitnehmer sollten angemessenen gerichtlichen und administrativen Schutz vor Benachteiligungen genießen, die sich aus der Wahrnehmung bzw. der angestrebten Wahrnehmung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte – einschließlich des Rechts auf Rechtsbehelfe sowie des Rechts, Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren anzustoßen, um die Einhaltung dieser Richtlinie sicherzustellen – ergeben.

(28)  Die Mitgliedstaaten können im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten die Modalitäten für die Wahrnehmung des in dieser Richtlinie verankerten Rechts auf Nichterreichbarkeit festlegen. Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für die Verletzung der aus dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen festlegen.

(29)  Die Beweislast für den Nachweis, dass eine Kündigung oder eine vergleichbare Benachteiligung nicht mit der Begründung erfolgt ist, dass ein Arbeitnehmer von seinem Recht auf Nichterreichbarkeit Gebrauch gemacht hat oder dies beabsichtigte, sollte beim Arbeitgeber liegen, wenn der Arbeitnehmer vor einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde Informationen vorgebracht hat, die die Vermutung aufkommen lassen könnten, dass er aus derartigen Gründen entlassen worden ist oder sonstige nachteilige Folgen erlitten hat.

(30)  Mit dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen festgelegt, sodass das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, günstigere Bestimmungen einzuführen oder beizubehalten. Die Richtlinie sollte keinen triftigen Grund dafür darstellen, das allgemeine Schutzniveau für Arbeitnehmer in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich zu verringern.

(31)  Die Kommission sollte die Umsetzung dieser Richtlinie überprüfen, um ihre Einhaltung zu überwachen und sicherzustellen. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten der Kommission regelmäßig Bericht erstatten.

(32)  Um die Auswirkungen dieser Richtlinie bewerten zu können, sind die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen, um vergleichbare Statistiken und Daten über die Umsetzung der in dieser Richtlinie festgelegten Rechte zu generieren.

(33)  Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Umsetzung geeigneter Maßnahmen zur Durchsetzung des Rechts auf Nichterreichbarkeit in der Union, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

„Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

1.  In dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen festgelegt, die es Arbeitnehmern, die digitale Werkzeuge, einschließlich IKT, für Arbeitszwecke nutzen, ermöglichen sollen, ihr Recht auf Nichterreichbarkeit auszuüben, und mit denen sichergestellt werden soll, dass Arbeitgeber das Recht von Arbeitnehmern auf Nichterreichbarkeit achten. Sie gilt für alle Sektoren im öffentlichen und privaten Bereich sowie für alle Arbeitnehmer.

2.  Mit dieser Richtlinie werden die Richtlinien 89/391/EWG, 2003/88/EG, (EU) 2019/1152 und (EU) 2019/1158 für die in Absatz 1 genannten Zwecke präzisiert und ergänzt, dabei bleiben die in den genannten Richtlinien festgelegten Bedingungen unberührt.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet der Ausdruck

(1)  „Nichterreichbarkeit“, dass außerhalb der Arbeitszeit weder direkt noch indirekt mittels digitaler Werkzeuge arbeitsbezogene Tätigkeiten ausgeübt werden oder arbeitsbezogene Kommunikation erfolgt;

(2)  „Arbeitszeit“ Arbeitszeit im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 2003/88/EG,

Artikel 3

Recht auf Nichterreichbarkeit

1.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern die Mittel an die Hand geben, um ihr Recht auf Nichterreichbarkeit wahrnehmen zu können.

2.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitgeber die jeweiligen Arbeitszeiten auf objektive, zuverlässige und zugängliche Weise erfassen. Jedem Arbeitnehmer wird jederzeit die Möglichkeit eingeräumt, Aufzeichnungen über seine Arbeitszeit anzufordern und zu erhalten.

3.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitgeber das Recht auf Nichterreichbarkeit in fairer, rechtmäßiger und transparenter Weise umsetzen.

Artikel 4

Maßnahmen zur Umsetzung des Rechts auf Nichterreichbarkeit

1.  Die Mitgliedstaaten stellen nach Anhörung der Sozialpartner sicher, dass die Bedingungen, die den Arbeitnehmern die Wahrnehmung ihres Recht auf Nichterreichbarkeit ermöglichen, im Einzelnen festgelegt werden und dass Arbeitgeber dieses Recht in einer gerechten und transparenten Weise umsetzen. Zu diesem Zweck sehen die Mitgliedstaaten mindestens folgende Arbeitsbedingungen vor:

a)  die praktischen Modalitäten für das Ausschalten digitaler Werkzeuge zu Arbeitszwecken, einschließlich aller arbeitsbezogenen Überwachungs- und Kontrollinstrumente;

b)  das System mit dem die Arbeitszeit gemessen wird;

c)  Gesundheitsschutz- und Sicherheitsüberprüfungen, einschließlich der Bewertung psychosozialer Risiken, im Hinblick auf das Recht auf Nichterreichbarkeit;

d)  die Kriterien, nach denen Arbeitgeber von ihrer Pflicht zur Umsetzung des Rechts von Arbeitnehmern auf Nichterreichbarkeit abweichen können;

e)  im Falle einer Abweichung nach Buchstabe d die Kriterien, anhand derer bestimmt wird, wie die Vergütung für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Arbeit im Einklang mit den Richtlinien 89/391/EWG, 2003/88/EG, (EU) 2019/1152 und (EU) 2019/1158 und mit dem Recht und der Übung des Mitgliedstaates zu berechnen ist;

f)  die vom Arbeitgeber zu ergreifenden Sensibilisierungsmaßnahmen, einschließlich berufsbegleitender Schulungen, im Hinblick auf die in diesem Absatz genannten Arbeitsbedingungen.

Eine Abweichung gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe d ist nur in Ausnahmefällen, z. B. in Fällen höherer Gewalt oder in anderen Notfällen, zulässig, sofern der Arbeitgeber jedem betroffenen Arbeitnehmer bei jeder Inanspruchnahme der Abweichung eine schriftliche Begründung für die Notwendigkeit der Abweichung vorlegt.

2.  Die Mitgliedstaaten können die Sozialpartner, im Einklang mit ihrem Recht und ihrer Übung, mit dem Abschluss von Tarifverträgen auf mitgliedstaatlicher, regionaler und sektoraler oder Arbeitgeberebene betrauen, in denen die Arbeitsbedingungen nach Absatz 1 ergänzt sind.

3.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitnehmer, die nicht von einer Vereinbarung nach Absatz 2 erfasst sind, unter den Schutz dieser Richtlinie fallen.

Artikel 5

Schutz vor Benachteiligungen

1.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitgebern Diskriminierung, Schlechterstellung, Kündigung oder andere benachteiligende Maßnahmen auf der Grundlage, dass Arbeitnehmer ihr Recht auf Nichterreichbarkeit wahrnehmen oder dies beabsichtigen, untersagt werden.

2.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer, darunter auch Arbeitnehmervertreter, vor jedweder Benachteiligung und vor jedweden negativen Konsequenzen schützen, denen sie ausgesetzt sind, weil sie Beschwerde beim Arbeitgeber eingereicht oder ein Verfahren angestrengt haben mit dem Ziel, die Einhaltung der im Rahmen dieser Richtlinie gewährten Rechte durchzusetzen.

3.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen Arbeitnehmer, die der Auffassung sind, entlassen worden zu sein, weil sie von ihrem Recht auf Nichterreichbarkeit Gebrauch gemacht oder dies beabsichtigt haben, vor einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde Informationen vorbringen, die die Vermutung aufkommen lassen könnten, dass sie aus derartigen Gründen entlassen worden sind, es dem Arbeitgeber obliegt, nachzuweisen, dass die Kündigung aus anderen Gründen erfolgte.

4.  Absatz 3 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für die Arbeitnehmer günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.

5.  Die Mitgliedstaaten sind nicht dazu verpflichtet, Absatz 3 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle obliegt.

6.  Sofern von den Mitgliedstaaten nicht anders geregelt, findet Artikel 3 in Strafverfahren keine Anwendung.

Artikel 6

Rechtsbehelfe

1.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitnehmer, deren Recht auf Nichterreichbarkeit verletzt wird, Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung und einen Anspruch auf Rechtsbehelfe haben, wenn die ihnen aufgrund dieser Richtlinie zustehenden Rechte verletzt werden.

2.  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Gewerkschaften oder andere Arbeitnehmervertreter befugt sind, im Namen oder zur Unterstützung von Arbeitnehmern sowie mit deren Zustimmung Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren anzustoßen, um die Einhaltung bzw. Durchsetzung dieser Richtlinie sicherzustellen.

Artikel 7

Pflicht zur Bereitstellung von Informationen

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer ausreichende Informationen über ihr Recht auf Nichterreichbarkeit zur Verfügung stellen, einschließlich einer schriftlichen Erklärung, in der die Bedingungen etwaiger geltender Tarifverträge oder sonstiger Vereinbarungen dargelegt werden. Diese Informationen umfassen zumindest:

a)  gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a die praktischen Modalitäten für das Ausschalten digitaler Werkzeuge zu Arbeitszwecken, einschließlich aller arbeitsbezogenen Überwachungs- und Kontrollinstrumente;

b)  gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b die Art und Weise, in der Arbeitszeit erfasst wird;

c)  gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c die von Arbeitgebern vorgenommenen Bewertungen des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit im Hinblick auf das Recht auf Nichterreichbarkeit, einschließlich der Bewertung psychosozialer Risiken;

d)  gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d und e die Kriterien, nach denen Arbeitgeber von ihrer Pflicht zur Umsetzung des Rechts auf Nichterreichbarkeit abweichen können, sowie jegliche Kriterien, anhand derer bestimmt wird, wie die Vergütung für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Arbeit zu berechnen ist;

e)  gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe f die vom Arbeitgeber zu ergreifenden Sensibilisierungsmaßnahmen, einschließlich berufsbegleitender Schulungen;

f)  gemäß Artikel 5 die Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern vor Benachteiligungen;

g)  gemäß Artikel 6 die Maßnahmen zur Durchsetzung des Rechts von Arbeitnehmern auf Rechtsbehelfe.

Artikel 8

Sanktionen

Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften über Sanktionen, die bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften oder gegen die bereits geltenden einschlägigen Vorschriften zu Rechten, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, zu verhängen sind und treffen alle für die Anwendung der Sanktionen erforderlichen Maßnahmen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Regeln und diese Maßnahmen bis zum ... [zwei Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie] mit und unterrichten sie unverzüglich über alle späteren Änderungen.

Artikel 9

Schutzniveau

1.  Diese Richtlinie rechtfertigt nicht eine Verringerung des den Arbeitnehmern in den Mitgliedstaaten bereits jetzt gewährten allgemeinen Schutzniveaus.

2.  Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Kollektiv- bzw. Tarifverträgen zu fördern oder zuzulassen.

3.  Diese Richtlinie lässt andere Rechte unberührt, die Arbeitnehmern durch andere Rechtsakte der Union erteilt worden sind.

Artikel 10

Berichterstattung über das Recht auf Nichterreichbarkeit sowie seine Bewertung und Überprüfung

1.  Bis zum ... [fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie] und danach alle zwei Jahre legen die Mitgliedstaaten der Kommission einen Bericht mit allen einschlägigen Informationen über die praktische Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie sowie Bewertungsindikatoren für die Umsetzung des Rechts auf Nichterreichbarkeit vor, in dem sie die jeweiligen Standpunkte der nationalen Sozialpartner darlegen.

2.  Auf der Grundlage der von den Mitgliedsstaaten gemäß Absatz 1 vorgelegten Informationen wird die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum... [sechs Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie] und danach alle zwei Jahre einen Bericht über die Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie vorlegen und prüfen, ob zusätzliche Maßnahmen, gegebenenfalls einschließlich Änderungen dieser Richtlinie, erforderlich sind.

Artikel 11

Umsetzung

1.  Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum … [zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie] die Vorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Sie wenden diese Vorschriften ab dem … [drei Jahre nach dem Tag des Inkrafttretens dieser Richtlinie] an.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

2.  Nach Inkrafttreten dieser Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Kommission von allen Entwürfen für Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen wollen, so rechtzeitig in Kenntnis gesetzt wird, dass sie dazu Stellung nehmen kann.

3.  Gemäß Artikel 153 Absatz 3 AEUV können die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung dieser Richtlinie übertragen, vorausgesetzt, dass sie die Einhaltung der Richtlinie sicherstellen.

Artikel 12

Personenbezogene Daten

Arbeitgeber verarbeiten personenbezogene Daten gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben a und b dieser Richtlinie nur zum Zwecke der individuellen Erfassung der Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer. Sie verarbeiten diese Daten nicht für andere Zwecke. Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt gemäß der Verordnung (EG) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates(19) sowie der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(20).

Artikel 13.

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Union in Kraft.

Artikel 14

Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu ...

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Der Präsident Der Präsident

(1) ABl. C …
(2) ABl. C …
(3) Standpunkt des Europäischen Parlaments …
(4) Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1).
(5) Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (ABl. L 206 vom 29.7.1991, S. 19).
(6) Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9).
(7) Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 105).
(8) Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79).
(9) Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer und andere, C-397/01 bis C-403/01, ECLI:EU:C:2004:584, Rn. 93.
(10) Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 2018, Matzak, C-518/15, ECLI:EU:C:2018:82, Rn. 66.
(11) Urteil vom 7. September 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-484/04, ECLI:EU:C:2006:526, Rn. 38.
(12) Urteil des Gerichtshofes vom 14. Mai 2019, Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO), C-55/18, ECLI:EU:C:2019:402, Rn. 60.
(13) Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinigung über Teilzeitarbeit (ABl. L 14 vom 20.1.1998, S. 9).
(14) Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, ABl. L 175 vom 10.7.1999, S. 43).
(15) Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 9).
(16) Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 2016, Betriebsrat der Ruhrlandklinik, C‑216/15, ECLI:EU:C:2016:883, Rn. 27.
(17) Eurofound.
(18) Urteil des Gerichtshofes vom 14. Mai 2019, Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO), C-55/18, ECLI:EU:C:2019:402, Rn. 60.
(19) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(20) Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).

Letzte Aktualisierung: 22. April 2021Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen