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Verfahren : 2020/2031(IMM)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A9-0022/2021

Eingereichte Texte :

A9-0022/2021

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 09/03/2021 - 3

Angenommene Texte :

P9_TA(2021)0061

Angenommene Texte
PDF 137kWORD 46k
Dienstag, 9. März 2021 - Brüssel
Antrag auf Aufhebung der Immunität von Clara Ponsatí Obiols
P9_TA(2021)0061A9-0022/2021

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. März 2021 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Clara Ponsatí Obiols (2020/2031(IMM))

Das Europäische Parlament,

–  befasst mit einem am 10. Februar 2020 eingegangenen Antrag auf Aufhebung der Immunität, der vom Präsidenten des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof Spaniens) übermittelt und vom Vorsitzenden der Zweiten Kammer des Tribunal Supremo im Zusammenhang mit dem Sonderverfahren Nr. 3/20907/2017 am 4. Februar 2020 gestellt wurde, und unter Hinweis darauf, dass dieser Antrag auf Aufhebung der Immunität am 13. Februar 2020 im Plenum bekannt gegeben wurde,

–  nach Anhörung von Clara Ponsatí Obiols gemäß Artikel 9 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

–  gestützt auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

–  unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011, 17. Januar 2013 und 19. Dezember 2019(1),

–  unter Hinweis auf die Entscheidung der Junta Electoral Central (Zentrale Wahlkommission Spaniens) vom 23. Januar 2020(2),

–  unter Hinweis auf den Beschluss des Europäischen Rates (EU) 2018/937 vom 28. Juni 2018 über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments(3) und den Beschluss (EU) 2019/1810 des Europäischen Rates, im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich gefasst, vom 29. Oktober 2019 zur Verlängerung der Frist nach Artikel 50 Absatz 3 EUV(4),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung vom 10. Februar 2020 im Plenum, wonach das Parlament im Einklang mit dem Beschluss des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018 und infolge des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union vom 31. Januar 2020 zur Kenntnis genommen hat, dass Clara Ponsatí Obiols mit Wirkung vom 1. Februar 2020 zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde,

–  unter Hinweis auf Artikel 71 Absätze 1 und 2 der spanischen Verfassung,

–  gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9‑0022/2021),

A.  in der Erwägung, dass der Vorsitzende der Zweiten Kammer des Tribunal Supremo unter Hinweis auf Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Sonderverfahren Nr. 3/20907/2017 – dem Strafverfahren wegen mutmaßlicher Begehung der Straftat des Aufruhrs gemäß Artikel 544 und 545 des Código Penal (Strafgesetzbuch Spaniens) – die Aufhebung der Immunität von Clara Ponsatí Obiols, Mitglied des Europäischen Parlaments, beantragt hat;

B.  in der Erwägung, dass die Handlungen, die Gegenstand des Verfahrens sind, mutmaßlich im Jahr 2017 begangen wurden; in der Erwägung, dass der Eröffnungsbeschluss in dieser Rechtssache am 21. März 2018 erlassen und mit anschließenden Anordnungen zur Zurückweisung von Beschwerden bestätigt wurde; in der Erwägung, dass die Untersuchung mit Anordnung vom 9. Juli 2018 abgeschlossen und am 25. Oktober 2018 als endgültig bestätigt wurde; in der Erwägung, dass mit Anordnung vom 9. Juli 2018 u. a. Clara Ponsatí Obiols für säumig erklärt wurde und entschieden wurde, die Verfahren gegen sie und andere Personen bis zu ihrem Auffinden auszusetzen;

C.  in der Erwägung, dass Clara Ponsatí Obiols von der Junta Electoral Central am 23. Januar 2020 für gewählt erklärt wurde; in der Erwägung, dass das Parlament infolge des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union vom 31. Januar 2020 zur Kenntnis genommen hat, dass Clara Ponsatí Obiols mit Wirkung vom 1. Februar 2020 zum Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde;

D.  in der Erwägung, dass der Status eines Mitglieds des Europäischen Parlaments mit Wirkung vom 23. Januar 2020 erworben wurde; in der Erwägung, dass der Antrag auf Aufhebung der Immunität daher Sachverhalte und Strafverfolgungsmaßnahmen betrifft, die zeitlich vor dem Erwerb dieses Status und somit auch vor dem Erwerb der Immunität als Mitglied des Europäischen Parlaments liegen;

E.  in der Erwägung, dass der Rechtsauschuss die Dokumente, die Clara Ponsatí Obiols den Ausschussmitgliedern gemäß Artikel 9 Absatz 6 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments vorgelegt hat und die sie für wichtig für das Verfahren erachtet, zur Kenntnis genommen hat;

F.  in der Erwägung, dass die Behörden der Mitgliedstaaten über die Angemessenheit eines Gerichtsverfahrens entscheiden;

G.  in der Erwägung, dass es nicht Aufgabe des Europäischen Parlaments ist, die Leistungen einzelstaatlicher Rechts- und Gerichtssysteme zu hinterfragen;

H.  in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in keiner Hinsicht dafür zuständig ist, die Rechtsprechung der nationalen Justizbehörden, die für das in der vorliegenden Angelegenheit zu prüfende Strafverfahren zuständig sind, zu bewerten oder zu hinterfragen;

I.  in der Erwägung, dass gemäß spanischem Recht, wie es von den spanischen Gerichten ausgelegt wird und wie dem Parlament von dem Mitgliedstaat mitgeteilt wurde, die Zweite Strafkammer des Tribunal Supremo dafür zuständig ist, die Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Europäischen Parlaments zu beantragen;

J.  in der Erwägung, dass das Verfahren keine in Ausübung des Amtes als Mitglied des Europäischen Parlaments erfolgte Äußerung oder abgegebene Stimme im Sinne von Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union betrifft;

K.  in der Erwägung, dass gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

L.  in der Erwägung, dass es in Artikel 71 Absätze 1 und 2 der spanischen Verfassung heißt:

„1. Die Abgeordneten und Senatoren genießen Unverletzlichkeit hinsichtlich der in Ausübung ihres Mandats geäußerten Meinungen.

2. Ebenso genießen die Abgeordneten und Senatoren während ihrer Mandatszeit Immunität und dürfen nur bei Ergreifung auf frischer Tat festgenommen werden. Sie dürfen nur mit vorheriger Erlaubnis der betreffenden Kammer angeklagt oder gerichtlich verfolgt werden.“;

M.  in der Erwägung, dass in dem Antrag auf Aufhebung der Immunität im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 71 der spanischen Verfassung und ganz konkret auf die Phase des Verfahrens, in der es nicht erforderlich ist, die Genehmigung des Parlaments zu beantragen, damit ein Strafverfahren gegen eine beschuldigte Person geführt werden kann, die den Status eines Mitglieds des Parlaments erwirbt, mitgeteilt wird, dass ein Antrag auf Aufhebung in Fällen, in denen der Status eines Mitglieds des Parlaments erworben wird, während ein zuvor eröffnetes Gerichtsverfahren anhängig ist, oder in denen ein Mitglied des Parlaments sein Amt nach einer strafrechtlichen Verfolgung antritt, nicht erforderlich ist; in der Erwägung, dass daher kein Antrag auf Aufhebung der Immunität nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union gestellt werden muss, damit im Hoheitsgebiet Spaniens Maßnahmen ergriffen werden können;

N.  in der Erwägung, dass es nicht im Ermessen des Europäischen Parlaments liegt, die nationalen Vorschriften über die Vorrechte und Befreiungen von Parlamentsmitgliedern auszulegen;

O.  in der Erwägung, dass gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitglieder des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden können;

P.  in der Erwägung, dass die Zweite Kammer des Tribunal Supremo am 4. November 2019 angeordnet hat, einen nationalen, einen Europäischen und einen internationalen Haftbefehl zu Auslieferungszwecken u. a. gegen Clara Ponsatí Obiols, die für säumig erklärt worden war, auszustellen, damit ein ordnungsgemäßes Strafverfahren stattfinden kann; in der Erwägung, dass – wie in dem Antrag auf Aufhebung der Immunität dargelegt wurde – am 3. Februar 2020 die Entscheidung über die Ausstellung des nationalen Fahndungs- und Haftbefehls, des Europäischen Haftbefehls und des internationalen Fahndungs- und Haftbefehls gegen Clara Ponsatí Obiols zum Zwecke ihrer Auslieferung bestätigt wurde und gleichzeitig ein Antrag auf Aufhebung ihrer Immunität gestellt wurde, damit der ausgestellte Europäische Haftbefehl vollstreckt werden kann;

Q.  in der Erwägung, dass in Artikel 9 Absatz 8 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments festgelegt ist, dass sich der Rechtsausschuss in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten äußern darf, selbst wenn er durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt;

R.  in der Erwägung, dass die parlamentarische Immunität gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments kein persönliches Vorrecht eines Mitglieds, sondern eine Garantie der Unabhängigkeit des Parlaments als Ganzes und seiner Mitglieder ist;

S.  in der Erwägung, dass die parlamentarische Immunität dem Schutz des Parlaments und seiner Mitglieder vor Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit bei der Ausübung des parlamentarischen Amtes durchgeführten Tätigkeiten, die nicht von diesem Amt getrennt werden können, dient;

T.  in der Erwägung, dass die Anklage eindeutig keinen Bezug zu dem Amt von Clara Ponsatí Obiols als Mitglied des Europäischen Parlaments, sondern vielmehr zu ihrem früheren Amt als Bildungsministerin der Govern (katalanische Regionalregierung) aufweist;

U.  in der Erwägung, dass Clara Ponsatí Obiols zu einer Gruppe von Personen zählt, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, d. h., dass sie strafrechtlich verfolgt und der fraglichen Straftaten beschuldigt werden, wobei der einzige Unterschied darin besteht, dass sie derzeit Immunität als Mitglied des Europäischen Parlaments genießt; in der Erwägung, dass daher berücksichtigt werden sollte, dass Clara Ponsatí Obiols in der fraglichen Rechtssache nicht die einzige strafrechtlich verfolgte Person ist;

V.  in der Erwägung, dass die zur Last gelegten Handlungen 2017 begangen wurden und das entsprechende Strafverfahren gegen Clara Ponsatí Obiols 2018 eingeleitet wurde; in der Erwägung, dass auf dieser Grundlage nicht geltend gemacht werden kann, dass das Gerichtsverfahren mit der Absicht eingeleitet wurde, die künftige politische Tätigkeit von Clara Ponsatí Obiols als Mitglied des Europäischen Parlaments zu behindern, da ihr Status als Mitglied des Europäischen Parlaments zum damaligen Zeitpunkt noch hypothetisch war und in der Zukunft lag;

W.  in der Erwägung, dass das Parlament in dem vorliegenden Fall keine Anzeichen von fumus persecutionis gefunden hat, d. h. Tatsachen, die darauf hindeuten, dass das zugrunde liegende Verfahren von der Absicht getragen ist, der politischen Tätigkeit des Mitglieds und damit dem Europäischen Parlament zu schaden;

1.  beschließt, die Immunität von Clara Ponsatí Obiols nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union aufzuheben;

2.  beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich den spanischen Behörden und Clara Ponsatí Obiols zu übermitteln.

(1) Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra/De Gregorio und Clemente, C‑200/07 und C‑201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T‑42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C‑163/10, ECLI: EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, ECLI:EU:T:2013:23; Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C‑502/19, ECLI:EU:C:2019:1115.
(2) Amtsblatt Spaniens Nr. 21 vom 24. Januar 2020, S. 7441.
(3) ABl. L 165 I vom 2.7.2018, S. 1.
(4) ABl. L 278 I vom 30.10.2019, S. 1.

Letzte Aktualisierung: 3. Juni 2021Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen