Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. März 2021 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Nuno Melo (2020/2050(IMM))
Das Europäische Parlament,
– befasst mit einem Antrag auf Aufhebung der Immunität von João Nuno Lacerda Teixeira de Melo, der am 6. Februar 2020 vom Tribunal Judicial da Comarca de Braga, Juízo de Instrução Criminal de Guimarães, Juiz 2 (Amtsgericht Braga, Ermittlungsrichter von Guimarães, Zweite Strafkammer), im Zusammenhang mit einem bei demselben Gericht laufenden Strafverfahren nach Einreichung einer Privatanklage übermittelt (Verfahren: 1039/17. 2T9VNF) und in der Plenarsitzung vom 9. März 2020 bekannt gegeben wurde,
– nach Anhörung von Nuno Melo gemäß Artikel 9 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,
– unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011, 17. Januar 2013 und 19. Dezember 2019(1),
– unter Hinweis auf Artikel 157 Absatz 2 der Verfassung der Portugiesischen Republik,
– gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0024/2021),
A. in der Erwägung, dass der für dieses Verfahren zuständige Richter die Aufhebung der Immunität von Nuno Melo, Mitglied des Europäischen Parlaments, im Hinblick auf seine Beteiligung in seiner Eigenschaft als Opfer/Streithelfer hinsichtlich aller als wesentlich für die Wahrheitsfindung erachteten Schritte beantragt hat, die im vorliegenden Verfahren und in anderen bereits anhängigen oder noch anhängig werdenden Verfahren zu unternehmen sind, die sich auf den im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Sachverhalt beziehen und dieselben Verfahrensbeteiligten haben;
B. in der Erwägung, dass die Ermittlungen nicht eine von Nuno Melo in Ausübung seines Amtes erfolgte Äußerung oder Abstimmung gemäß Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union betreffen;
C. in der Erwägung, dass Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorsieht, dass den Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;
D. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 157 Absatz 2 der Verfassung der Portugiesischen Republik kein Abgeordneter ohne Genehmigung der Versammlung als Zeuge gehört oder als Beschuldigter vernommen werden darf, wobei es allerdings im selben Absatz heißt, dass diese Genehmigung von Amts wegen erteilt wird, sofern ein dringender Verdacht auf eine mit mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Straftat besteht;
E. in der Erwägung, dass das vorliegende Verfahren von Nuno Melo eingeleitet wurde, indem er eine Strafanzeige gegen João Quadros erstattete, wegen Tatsachen, die „prima facie“ verschiedene Straftaten der Verleumdung und Beleidigung, die in Artikel 180 Artikel 1, Artikel 181 Absatz 1, Artikel 183 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 183 Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorgesehen und nach diesen Vorschriften strafbar sind, darstellen könnten;
F. in der Erwägung, dass sich der Rechtsausschuss gemäß Artikel 9 Absatz 8 der Geschäftsordnung in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten äußert, selbst wenn der Ausschuss durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt;
G. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Geschäftsordnung die parlamentarische Immunität kein persönliches Vorrecht eines Mitglieds, sondern eine Garantie der Unabhängigkeit des Parlaments in seiner Gesamtheit und seiner Mitglieder ist;
H. in der Erwägung, dass der Zweck der parlamentarischen Immunität darin besteht, das Parlament und seine Mitglieder vor Gerichtsverfahren zu schützen, die sich auf Tätigkeiten beziehen, die sie in Ausübung ihrer parlamentarischen Funktionen ausüben und die untrennbar damit verbunden sind;
I. in der Erwägung, dass das Parlament im vorliegenden Fall nicht nachweisen konnte, dass ein fumus persecutionis vorlag, d. h. Tatsachen, die darauf hindeuten, dass das betreffende Gerichtsverfahren in der Absicht geführt wird, die politische Tätigkeit des Abgeordneten und damit des Europäischen Parlaments zu untergraben;
1. beschließt, die Immunität von Nuno Melo aufzuheben;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich den portugiesischen Behörden und Nuno Melo zu übermitteln.
Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra/De Gregorio und Clemente, C-200/07 und C-201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T-42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C 163/10, ECLI:EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T-346/11 und T-347/11, ECLI:EU:T:2013:23. Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C-502/19, ECLI:EU:C:2019:1115.