Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Mai 2021 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung infolge des Antrags Estlands – EGF/2020/002 EE/Estland Tourismus (COM(2021)0151 – C9-0127/2021 – 2021/0076(BUD))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2021)0151 – C9‑0127/2021),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1309/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (2014–2020) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1927/2006(1) („EGF-Verordnung“),
– gestützt auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2093 des Rates vom 17. Dezember 2020 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021–2027(2), insbesondere auf Artikel 8,
– gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 16. Dezember 2020 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung sowie über neue Eigenmittel, einschließlich eines Fahrplans im Hinblick auf die Einführung neuer Eigenmittel(3) („IIV vom 16. Dezember 2020“), insbesondere auf Nummer 9,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten,
– unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltsausschusses (A9‑0158/2021),
A. in der Erwägung, dass die Union Legislativ- und Haushaltsinstrumente geschaffen hat, um Arbeitnehmer, die unter den Folgen weitreichender Strukturveränderungen im Welthandelsgefüge oder den Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu leiden haben, zusätzlich zu unterstützen und ihnen bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt behilflich zu sein; in der Erwägung, dass diese Unterstützung im Wege einer finanziellen Unterstützung für die Arbeitnehmer und die Unternehmen, für die sie tätig waren, geleistet wird;
B. in der Erwägung, dass Estland den Antrag EGF/2020/002 EE/Estland Tourismus auf einen Finanzbeitrag aus dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) infolge von 10 080 Entlassungen(4) gestellt hat, zu denen es im Bezugszeitraum zwischen dem 13. März 2020 und dem 11. November 2020 in der NUTS-2-Region Eesti (EE00) in Estland(5) in den folgenden Wirtschaftszweigen der NACE Revision 2 gekommen war: Abteilung 45 (Handel mit Kraftfahrzeugen; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen), Abteilung 49 (Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen), Abteilung 50 (Schifffahrt), Abteilung 51 (Luftfahrt), Abteilung 52 (Lagerei sowie Erbringung von sonstigen Dienstleistungen für den Verkehr), Abteilung 55 (Beherbergung), Abteilung 56 (Gastronomie), Abteilung 74 (Sonstige freiberufliche, wissenschaftliche und technische Tätigkeiten), Abteilung 77 (Vermietung von beweglichen Sachen), Abteilung 79 (Reisebüros, Reiseveranstalter und Erbringung sonstiger Reservierungsdienstleistungen), Abteilung 90 (Kreative, künstlerische und unterhaltende Tätigkeiten), Abteilung 91 (Bibliotheken, Archive, Museen, botanische und zoologische Gärten), Abteilung 92 (Spiel-, Wett-und Lotteriewesen), Abteilung 93 (Erbringung von Dienstleistungen des Sports, der Unterhaltung und der Erholung);
C. in der Erwägung, dass sich der Antrag auf 1 715 Selbstständige, die ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben haben, und 8 365 Entlassungen in der Tourismusbranche in Estland bezieht;
D. in der Erwägung, dass sich der Antrag auf die in Artikel 4 Absatz 2 der EGF-Verordnung festgelegten Interventionskriterien stützt, wonach ein Antrag unter außergewöhnlichen Umständen und insbesondere bei Gruppenanträgen von KMU auch dann als zulässig betrachtet werden kann, wenn die in Artikel 4 Absatz 1 dieser Verordnung genannten Kriterien nicht vollständig erfüllt sind, sofern die Entlassungen schwerwiegende Auswirkungen auf die Beschäftigung und die lokale, regionale oder nationale Wirtschaft haben;
E. in der Erwägung, dass die Ereignisse, die zu diesen Entlassungen und Aufgaben der Tätigkeit geführt haben, aufgrund der weltweiten Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Wirtschaftskrise, die die Tourismusbranche besonders hart getroffen hat, Anfang 2020 unerwartet eintraten, wobei plötzliche Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf internationaler Ebene zu einem drastischen und unvorhergesehenen Rückgang des internationalen Reise- und Fremdenverkehrs führten;
F. in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie und die darauffolgende globale Wirtschaftskrise die estnische Wirtschaft und insbesondere die Tourismusbranche stark erschüttert haben, da vor der Krise 90 % der Tourismusausgaben in Estland auf den internationalen Tourismus entfielen, während der OECD-Länderdurchschnitt bei etwa 25 % lag;
G. in der Erwägung, dass die estnischen Tourismuseinnahmen 2019 einen neuen Rekord von 2,1 Mrd. EUR erreichten, der Tourismus als bedeutender Sektor für die Wettbewerbsfähigkeit Estlands galt und erhebliche Investitionen in seinen Ausbau getätigt wurden;
H. in der Erwägung, dass die Tourismusbranche von KMU dominiert wird, die im Vergleich zu größeren Unternehmen weniger widerstandsfähig gegenüber Krisen sind, und dass KMU in Estland 79,2 % aller Erwerbstätigen beschäftigen;
I. in der Erwägung, dass der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung durch die Unterstützung, die er den Erwerbstätigen bietet, den Übergang zu einem nachhaltigeren Tourismus unterstützen und Europa in die Lage versetzen kann, sein natürliches und kulturelles Erbe und seine Ressourcen zu schützen und zu fördern und gleichzeitig neue Möglichkeiten für Beschäftigung und die Gründung innovativer Unternehmen zu eröffnen;
J. in der Erwägung, dass die Kommission erklärt hat, dass die COVID-19-Gesundheitskrise zu einer Wirtschaftskrise geführt hat, einen Plan zur wirtschaftlichen Erholung vorgelegt hat und die Bedeutung des EGF als Notfallinstrument(6) unterstrichen hat, das eingesetzt werden kann, um Menschen zu unterstützen, die ihre Arbeit infolge der weltweiten Wirtschaftskrise verloren haben;
K. in der Erwägung, dass in Estland sowohl die nationale als auch die europäische Unterstützung zur Erhaltung der Beschäftigung durch Kurzarbeitsregelungen und das Instrument SURE genutzt wurden, um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Krise auf den Arbeitsmarkt abzufedern;
L. in der Erwägung, dass es sich um die erste Inanspruchnahme des EGF infolge der COVID-19-Krise handelt, nachdem in die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Juni 2020 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF/2020/000 TA 2020 – Technische Unterstützung auf Initiative der Kommission)(7) der Hinweis aufgenommen wurde, dass der EGF in Anspruch genommen werden kann, um dauerhaft entlassene Arbeitnehmer und Selbstständige im Rahmen der weltweiten Krise infolge von COVID-19 zu unterstützen, ohne dass die Verordnung (EU) Nr. 1309/2013 geändert werden muss;
1. teilt die Auffassung der Kommission, dass die Bedingungen nach Artikel 4 Absatz 2 der EGF-Verordnung erfüllt sind und Estland Anspruch auf einen Finanzbeitrag gemäß dieser Verordnung in Höhe von 4 474 480 EUR hat, was 60 % der sich auf 7 457 468 EUR belaufenden Gesamtkosten entspricht, die sich aus Kosten für personalisierte Dienstleistungen in Höhe von 7 452 468 EUR und Kosten für Vorbereitung, Verwaltung, Information und Werbung sowie Kontrolle und Berichterstattung in Höhe von 5 000 EUR zusammensetzen;
2. stellt fest, dass die estnischen Behörden den Antrag am 12. November 2020 gestellt haben und dass die Bewertung des Antrags nach Vorlage zusätzlicher Informationen durch Estland von der Kommission am 31. März 2021 abgeschlossen und das Parlament an demselben Tag davon in Kenntnis gesetzt wurde;
3. stellt fest, dass sich der Antrag auf insgesamt 10 080 Arbeitskräfte bezieht, darunter 1 715 Selbstständige, die ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben haben, und 8 365 Arbeitskräfte, die in der estnischen Tourismusbranche arbeitslos geworden sind; äußert Bedauern darüber, dass Estland davon ausgeht, dass lediglich 5 060 der insgesamt für eine Unterstützung infrage kommenden Personen an den Maßnahmen teilnehmen werden („zu unterstützende Begünstigte“);
4. erinnert daran, dass davon auszugehen ist, dass die Entlassungen erhebliche soziale Folgen haben werden, da in der Tourismusbranche viele gering qualifizierte Arbeitskräfte, Arbeitskräfte ohne berufliche Qualifikation, junge Menschen sowie Saison- und Teilzeitarbeitskräfte arbeiten;
5. unterstreicht, dass über 60 % der für eine Unterstützung infrage kommenden Personen Frauen sind, wobei die Altersgruppe zwischen 30 und 64 Jahren am stärksten betroffen ist;
6. stellt fest, dass Estland seit dem 1. Januar 2021 personalisierte Dienstleistungen zugunsten der zu unterstützenden Begünstigten erbringt und der für einen Finanzbeitrag aus dem EGF in Frage kommende Zeitraum somit der Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 1. Januar 2023 ist; weist darauf hin, dass formale Schulungs- und Weiterbildungskurse auch im Bereich der Berufsbildung, die zwei Jahre oder länger dauern, dagegen bis zum 1. Juli 2023 förderfähig sind;
7. erinnert daran, dass es sich bei den personalisierten Dienstleistungen, die den Arbeitskräften und Selbstständigen angeboten werden sollen, um folgende Maßnahmen handelt: Arbeitsmarktschulungen, Unternehmensgründungszuschüsse und Anschlussförderungen, Ausbildungsstellen, Unterstützung formaler Bildungsgänge und Schulungsbeihilfen einschließlich Beihilfen zur Berufsbildung;
8. stellt fest, dass Estland ab dem 1. Januar 2021 Verwaltungsausgaben für den Einsatz des EGF entstanden sind und somit die Ausgaben für Maßnahmen der Vorbereitung, Verwaltung, Information und Werbung sowie der Kontrolle und Berichterstattung im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis 1. Juli 2023 für einen Finanzbeitrag aus dem EGF infrage kommen;
9. stellt fest, dass die nationale Vor- oder Kofinanzierung durch die Stiftung für Arbeitsmarktdienste und ‑leistungen erfolgt, aus der die estnische Arbeitslosenversicherung (EUIF) als öffentliche Arbeitsverwaltung aktive Arbeitsmarktmaßnahmen in Estland finanziert; weist darauf hin, dass die Stiftungsmittel aus dem Vermögen des Treuhandfonds der Arbeitslosenversicherung – dem Treuhandfonds für Leistungen bei Entlassung und Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers – und aus den über das Sozialministerium bereitgestellten Mitteln aus dem Staatshaushalt stammen;
10. begrüßt, dass Estland das koordinierte Paket personalisierter Dienstleistungen in Absprache mit den jeweiligen Behörden und Verbandsvertretern geschnürt hat und die Fortschritte im EUIF-Aufsichtsgremium diskutiert werden, in dem die Sozialpartner – zwei Mitglieder des estnischen Arbeitgeberverbands, ein Mitglied des estnischen Gewerkschaftsverbands und ein Mitglied des Zentralverbands der estnischen Arbeitnehmervereinigungen – vertreten sind; begrüßt, dass es nach der Analyse des Profils der entlassenen Arbeitskräfte weitere Konsultationen mit Vertretern der Tourismusbranche geben wird;
11. weist darauf hin, dass es nach der Analyse des Profils der entlassenen Arbeitskräfte weitere Konsultationen mit Vertretern der Tourismusbranche geben wird und dass unter Berücksichtigung der Altersstruktur, des Bildungsprofils und anderer Merkmale der Begünstigten ermittelt werden wird, welche Art von Unterstützung am sinnvollsten ist; weist darauf hin, dass sich der estnische Hotel- und Gaststättenverband darüber hinaus an der Konzipierung einiger der branchenbezogener Schulungsmaßnahmen beteiligen kann;
12. hebt hervor, dass die estnischen Behörden bestätigt haben, dass für die förderfähigen Maßnahmen keine Unterstützung aus anderen Fonds oder Finanzinstrumenten der Union in Anspruch genommen wird;
13. erklärt erneut, dass die Unterstützung aus dem EGF nicht an die Stelle von Maßnahmen treten darf, für die die Unternehmen aufgrund des nationalen Rechts oder wegen Tarifverträgen verantwortlich sind;
14. fordert die Kommission auf, die Anträge auf Unterstützung im Rahmen des EGF möglichst schnell zu prüfen und die Inanspruchnahme des EGF möglichst rasch zu ermöglichen, damit der Druck auf die einzelstaatlichen Sozialversicherungssysteme im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise verringert wird;
15. billigt den dieser Entschließung beigefügten Beschluss;
16. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss mit dem Präsidenten des Rates zu unterzeichnen und seine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung mit ihrer Anlage dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung infolge des Antrags Estlands – EGF/2020/002 EE/Estland Tourismus
(Der Text dieser Anlage ist hier nicht wiedergegeben; er entspricht dem endgültigen Rechtsakt, Beschluss (EU) 2021/886.)