Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2021 zu chinesischen Gegensanktionen gegen Einrichtungen der EU und gegen MdEP und nationale Abgeordnete (2021/2644(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen und Berichte zur Lage in China und zu den Beziehungen zwischen der EU und China, insbesondere diejenigen vom 21. Januar 2021 zur Unterdrückung der demokratischen Opposition in Hongkong(1) und vom 17. Dezember 2020 zu Zwangsarbeit und der Lage der Uiguren im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang(2) (XUAR),
– unter Hinweis auf seine früheren Empfehlungen zu Hongkong, insbesondere die Empfehlung vom 13. Dezember 2017 an den Rat, die Kommission und die Vizepräsidentin der Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) zu Hongkong, 20 Jahre nach der Übergabe an China(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Januar 2021 zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Jahresbericht 2020(4),
– unter Hinweis auf die Verleihung des Sacharow-Preises 2019 an Ilham Tohti, einen uigurischen Wirtschaftswissenschaftler, der sich für die Rechte der uigurischen Minderheit in China einsetzt,
– unter Hinweis auf die Erklärung führender MdEP vom 23. März 2021 nach dem Beschluss der chinesischen Staatsorgane, Sanktionen gegen den Unterausschuss Menschenrechte und andere Einrichtungen und Beamte der EU zu verhängen,
– unter Hinweis auf die Reden seines Präsidenten, David Maria Sassoli, der Vorsitzenden seines Unterausschusses Menschenrechte, Maria Arena, und des Vorsitzenden seiner Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China, Reinhard Bütikofer, zur Eröffnung seiner Plenartagung vom 24. März 2021,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Leiter verschiedener europäischer Forschungsinstitute vom 25. März 2021,
– unter Hinweis auf die Rede des HR/VP, Josep Borrell, in seiner Aussprache vom 28. April 2021 zu chinesischen Gegensanktionen gegen Einrichtungen der EU und gegen MdEP und nationale Abgeordnete und die anschließende Aussprache,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Präsidenten des belgischen Abgeordnetenhauses, der Präsidentin der Zweiten Kammer des Parlaments der Niederlande und der Vorsitzenden des Seimas der Republik Litauen vom 29. März 2021 zu chinesischen Sanktionen gegen Mitglieder des Parlaments,
– unter Hinweis auf die Durchführungsverordnung (EU) 2021/478 des Rates vom 22. März 2021 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2020/1998 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße(5) und den Beschluss (GASP) 2021/481 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung des Beschlusses (GASP) 2020/1999 des Rates über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße(6),
– unter Hinweis auf die Erklärung der G7 vom 12. März 2021 zu Wahlrechtsänderungen in Hongkong und auf das Kommuniqué der Außen- und Entwicklungsminister der G7 vom 5. Mai 2021,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des HR/VP vom 17. April 2021 zu Gerichtsurteilen gegen Vertreter der Demokratiebewegung Hongkongs,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des HR/VP vom 29. Dezember 2020 zu den Gerichtsurteilen gegen Journalisten, Rechtsanwälte und Menschenrechtsverteidiger,
– unter Hinweis auf die Bekanntgabe von Sanktionen gegen einschlägige Einrichtungen und Bedienstete der EU durch den Sprecher des Außenministeriums der Volksrepublik China am 22. März 2021,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung von Präsident Michel und Präsidentin von der Leyen zur Verteidigung der Interessen und Werte der EU in einer komplexen und unverzichtbaren Partnerschaft im Anschluss an das 22. Gipfeltreffen EU-China vom 22. Juni 2020,
– unter Hinweis auf die auf dem 21. Gipfeltreffen EU-China vom 9. April 2019 abgegebene gemeinsame Erklärung,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und der VP/HR vom 12. März 2019 mit dem Titel: „EU-China – Strategische Perspektiven“ (JOIN(2019)0005),
– unter Hinweis auf Artikel 36 der Verfassung der Volksrepublik China, in dem allen Bürgern das Recht auf Religionsfreiheit garantiert wird, und auf Artikel 4, in dem die Rechte der ethnischen Minderheiten verankert sind,
– unter Hinweis auf die Forderung der Sachverständigen der Vereinten Nationen vom 26. Juni 2020 nach entschiedenen Maßnahmen zum Schutz der Grundfreiheiten in China,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, den China zwar 1998 unterzeichnet, aber niemals ratifiziert hat,
– unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs,
– unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes,
– unter Hinweis auf das Protokoll von 2014 zum Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Zwangsarbeit von 1930, das von China bislang nicht unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Förderung und Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit auch künftig im Mittelpunkt der langjährigen Beziehungen zwischen der EU und China stehen sollten, was mit der Verpflichtung der EU, diesen Werten in ihrem auswärtigen Handeln Rechnung zu tragen, und mit Chinas ausdrücklichem Interesse, sie im Rahmen seiner eigenen Entwicklungszusammenarbeit und internationalen Zusammenarbeit zu achten, im Einklang steht;
B. in der Erwägung, dass der Rat am 7. Dezember 2020 die Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates zur Einführung der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte verabschiedet hat, die es der EU ermöglicht, restriktive Maßnahmen gegen Personen, Organisationen und Einrichtungen – einschließlich Staaten und nichtstaatlicher Akteure – zu verhängen, welche für schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße in der ganzen Welt verantwortlich sind, sich daran beteiligen oder damit in Verbindung stehen; in der Erwägung, dass betont werden muss, dass es die Aufgabe der EU ist, im Falle massiver Menschenrechtsverletzungen von dieser Verordnung Gebrauch zu machen;
C. in der Erwägung, dass der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ der EU am 22. März 2021 restriktive Maßnahmen im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte gegen Zhu Hailun, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des 13. Volkskongresses des Uigurischen Autonomen Gebiets Xinjiang, Wang Junzheng, Parteisekretär des Xinjiang Produktions- und Aufbau-Korps und stellvertretender Sekretär des Parteikomitees von Xinjiang, Wang Mingshan, Mitglied des ständigen Ausschusses des Parteikomitees von Xinjiang und Sekretär des Ausschusses für Politik und Recht von Xinjiang, und Chen Mingguo, Leiter des Amtes für öffentliche Sicherheit von Xinjiang und stellvertretender Vorsitzender der Volksregierung von Xinjiang, sowie gegen das Amt für öffentliche Sicherheit des Xinjiang Produktions- und Aufbau-Korps, verhängt hat, das die Internierungslager in Xinjiang betreibt; in der Erwägung, dass diese vier Personen und eine Organisation für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, einschließlich der massiven willkürlichen Inhaftierung und erniedrigenden Behandlung von Uiguren und Angehörigen anderer muslimischer ethnischer Minderheiten in Xinjiang;
D. in der Erwägung, dass der Sprecher des Außenministeriums der Volksrepublik China nur wenige Augenblicke nach der Annahme der EU-Liste die Verhängung von Sanktionen gegen fünf Mitglieder des Europäischen Parlaments (Reinhard Bütikofer, Michael Gahler, Raphaël Glucksmann, Ilchan Kjutschjuk und Miriam Lexmann), den Unterausschuss für Menschenrechte des Parlaments und drei Parlamentsabgeordnete aus EU-Mitgliedstaaten (Sjoerd Wiemer Sjoerdsma, Samuel Cogolati und Dovile Sakaliene), das Politische und Sicherheitspolitische Komitee des Rates der EU, dem die Botschafter der 27 EU-Mitgliedstaten angehören, zwei Wissenschaftler (Adrian Zenz und Björn Jerdén) und zwei Denkfabriken – das „Mercator Institute for China Studies“ (Merics) in Deutschland und die Stiftung „Alliance of Democracies“ in Dänemark– verkündet hat, weil sie angeblich „die Souveränität und die Interessen Chinas schwer geschädigt sowie böswillige Lügen und Desinformation verbreitet“ haben;
E. in der Erwägung, dass der Pressemitteilung des Sprechers zufolge den betroffenen Personen und ihren Familien die Einreise nach Festlandchina, Hongkong und Macau untersagt ist, und in der Erwägung, dass es ihnen sowie mit ihnen verbundenen Unternehmen und Einrichtungen außerdem untersagt ist, Geschäfte mit China zu tätigen;
F. in der Erwägung, dass China wenige Tage später Sanktionen gegen Abgeordnete, Einrichtungen und Denkfabriken im Vereinigten Königreich, Kanada und den USA verhängt hat, die auch Maßnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang ergriffen hatten;
G. in der Erwägung, dass die chinesischen Maßnahmen einen Angriff auf die gesamte Europäische Union und sein Parlament als das Herzstück der europäischen Demokratie und Werte sowie einen Angriff auf die Freiheit der Forschung darstellen;
H. in der Erwägung, dass während die Sanktionen der EU gegen Menschenrechtsverletzungen gerichtet sind und auf rechtmäßigen und verhältnismäßigen Maßnahmen beruhen, die im Völkerrecht verankert sind, die Sanktionen Chinas hingegen jeglicher rechtlichen Rechtfertigung entbehren, völlig unbegründet und willkürlich sind und sich gegen die Kritik an solchen Menschenrechtsverletzungen richten; in der Erwägung, dass die Sanktionen eindeutig einen Versuch darstellen, die EU davon abzuhalten, ihre Tätigkeit fortzusetzen und gegen Menschenrechtsverletzungen in China vorzugehen;
I. in der Erwägung, dass Chinas Menschenrechtsbilanz in krassem Widerspruch zu den bilateralen und multilateralen Verpflichtungen des Landes in diesen Bereichen steht und dass die Menschenrechtslage in China zuverlässigen Berichten zufolge seit dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz nie so schlimm war wie heute; in der Erwägung, dass China dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen regelmäßig Resolutionen vorgelegt hat, die darauf abzielen, die „Souveränität, Nichteinmischung und gegenseitige Achtung“ zu grundlegenden, nicht verhandelbaren Grundsätzen zu machen und die Förderung und den Schutz der Menschenrechte von Einzelpersonen zu einem nachgeordneten Ziel herabzustufen;
J. in der Erwägung, dass die EU und China im Dezember 2020 prinzipiell über das umfassende Investitionsabkommen zwischen der EU und China übereingekommen sind; in der Erwägung, dass die Fähigkeit des Europäischen Parlaments, das umfassende Investitionsabkommen ordnungsgemäß zu analysieren, durch chinesische Sanktionen erheblich erschwert wird, da der Unterausschuss Menschenrechte deswegen noch nicht einmal mit chinesischen Sachverständigen zusammenarbeiten kann; in der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar ist, bei den Handels- und Investitionsbeziehungen den allgemeinen Kontext von Menschenrechtsfragen und die umfassenderen politischen Beziehungen außer Acht zu lassen;
K. in der Erwägung, dass die von China verhängten Sanktionen die jüngste Phase einer allmählichen Hinwendung der Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu einem konfrontativen Ansatz ist, bei dem die EU unter anderem mit Desinformation und Cyberangriffen ins Visier genommen wird, während gleichzeitig die Beziehungen zwischen der EU und China durch die Maßnahmen gegen die Volksgruppe der Uiguren und andere ethnische Minderheiten, die Abschaffung demokratischer Verhältnisse in Hongkong und das immer konfrontativere Auftreten Chinas in der Meerenge von Taiwan zunehmend belastet werden; in der Erwägung, dass die bestehende Strategie der EU in Bezug auf China an ihre Grenzen gestoßen ist, weshalb die Beziehungen zwischen der EU und China nicht weitergeführt werden dürfen, als sei nichts geschehen;
L. in der Erwägung, dass auf die chinesischen Sanktionen gegen die MdEP der Beschluss Russlands vom 30. April 2021 folgte, Sanktionen gegen acht EU-Bürger zu verhängen, zu denen auch der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, und die Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, gehören;
M. in der Erwägung, dass seit dem Beginn der Kampagne der chinesischen Regierung namens „Hartes Durchgreifen gegen gewalttätigen Terrorismus“ in Jahr 2014, die sich hauptsächlich gegen die Minderheit der Uiguren in Xinjiang richtet, über eine Million Menschen in Internierungslagern inhaftiert wurden, die „Einrichtungen zur politischen Umerziehung“ oder „Schulungseinrichtungen“ genannt werden und das weltweit größte System einer Masseninhaftierung darstellen; in der Erwägung, dass die uigurische Bevölkerung Opfer der Bemühungen der chinesischen Regierung ist, ihre einzigartige Identität und ihr Recht auf Existenz als Bevölkerung durch Folter, Verschwindenlassen, Massenüberwachung, kulturelle und religiöse Auslöschung, Zwangssterilisierung von Frauen, sexuelle Gewalt, Verletzungen reproduktiver Rechte und Trennung von Familien auszumerzen; in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen zu dem Schluss gelangt sind, dass diese Taten Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Völkerrechts darstellen könnten;
N. in der Erwägung, dass die Unterdrückung der politischen Opposition in Hongkong seit der Entschließung des Parlaments vom 21. Januar 2021 an Intensität weiter zugenommen hat, mit zahlreichen Gerichtsurteilen gegen Demokratiebefürworter und politisch aktive Bürger wie Joshua Wong, Martin Lee, Jimmy Lai, Andy Li und Lester Shum wegen ihrer friedlichen Teilnahme an Protesten, und in einigen Fällen sogar ohne jegliche Beweise für deren aktive Rolle bei den Unruhen; in der Erwägung, dass im März dieses Jahres Änderungen am Wahlsystem Hongkongs vorgenommen wurden, was die bislang einschneidendste Änderung des politischen Systems Hongkongs darstellt, indem als zusätzliche Anforderung eine patriotische Gesinnung gegenüber dem Festland eingeführt wurde und dem Hongkonger Wahlkomitee eine Konzentration an Macht und Einfluss zugeschanzt wurde, was zu einer drastischen Verringerung des Anteils der direkt gewählten Vertreter im Legislativrat Hongkongs führen wird;
O. in der Erwägung, dass es zwischen zehn EU-Mitgliedstaaten und China immer noch geltende Auslieferungsverträge gibt, nach denen in Europa lebende Uiguren, Hongkonger Bürger, Tibeter und chinesische Dissidenten ausgeliefert werden können, um in China in einem politisch motivierten Verfahren vor Gericht gestellt zu werden;
P. in der Erwägung, dass Gui Minhai, ein in Hongkong lebender schwedischer Staatsbürger, trotz zahlreicher Forderungen des Parlaments nach seiner sofortigen Freilassung nach wie vor Haft gehalten wird;
1. verurteilt aufs Schärfste die grundlosen und willkürlichen Sanktionen, die von den chinesischen Staatsorganen verhängt wurden und einen Angriff auf die Redefreiheit, die Freiheit der Lehre und das internationale Eintreten und Verständnis für die universellen Menschenrechte darstellen; fordert die chinesischen Staatsorgane nachdrücklich auf, diese ungerechtfertigten Vergeltungsmaßnahmen aufzuheben;
2. steht mit uneingeschränkter Solidarität hinter den Mitgliedern dieses Parlaments, seinem Unterausschuss Menschenrechte und allen weiteren von den chinesischen Sanktionen betroffenen Personen und Organisationen, nämlich dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee des Rates der Europäischen Union, den Mitgliedern der nationalen Parlamente, den deutschen und schwedischen Wissenschaftlern und den Denkfabriken in Deutschland und Dänemark; bekundet seine uneingeschränkte Solidarität mit Abgeordneten aus Drittländern, gegen die ebenfalls Sanktionen verhängt wurden, etwa aus dem Vereinigten Königreich, Kanada, den USA und Australien;
3. bekräftigt, dass grundlegende Freiheiten, die Meinungsfreiheit, die Freiheit zur Beteiligung an Beschlussfassungsverfahren, die Freiheit der Lehre und die Verteidigung der Menschenrechte Grundpfeiler unserer Demokratien sind und dass diese Werte in den Beziehungen zwischen der EU und China niemals zur Verhandlung stehen; betont, dass Einschüchterungsversuche aussichtslos sind und dass wir als gewählte Mitglieder des Europäischen Parlaments weiterhin aktiv und unvermindert Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Völkerrecht anprangern, uns damit befassen und die EU nachdrücklich auffordern werden, die Achtung der Menschenrechte weiterhin in den Mittelpunkt all ihrer außenpolitischen Maßnahmen zu stellen; betrachtet diese Angriffe Chinas als Ausdruck der in die Beziehungen zwischen der EU und China einfließenden Rivalität zwischen den Systemen;
4. verurteilt nachdrücklich diesen neuen Versuch sowie frühere Versuche der chinesischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure, in das demokratische Leben der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten einzugreifen und in öffentlichen Debatten Desinformationen zu verbreiten; ist der Ansicht, dass die Sanktionen zu dem Versuch gehören, die öffentliche Debatte über China in der ganzen Welt zu unterdrücken und zu diktieren, welche Äußerungen und Diskussionen weltweit zulässig sind, und betrachtet diesen Versuch als Teil einer totalitären Bedrohung;
5. äußert erneut seine äußerste Besorgnis über die zahlreichen Verstöße gegen Grund- und Menschenrechte in China, die Verletzung der Menschenwürde, des Rechts auf freien Ausdruck der Kultur, des Rechts auf Religions- und Redefreiheit sowie auf friedliche Versammlung und Vereinigung, und insbesondere über die systematische Verfolgung der Volksgruppe der Uiguren, der Tibeter, der Mongolen und anderer ethnischer Minderheiten, von Menschenrechtsverteidigern, gesellschaftlich engagierten Bürgern, religiösen Gruppen, Journalisten sowie von Bittstellern und Demonstranten, die sich gegen Fälle von Ungerechtigkeit wenden, und angesichts der immer brutaleren Unterdrückung jeglicher abweichenden und oppositionellen Stimmen, insbesondere in Hongkong;
6. bekräftigt seinen Standpunkt aus seiner Entschließung vom 17. Dezember 2020, dass Verstöße in Xinjiang Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, und hebt hervor, dass immer mehr Belege für derartige Verbrechen vorliegen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Bemühungen zu intensivieren, um ausreichende internationale Unterstützung für eine unabhängige Untersuchung der Vereinten Nationen zu den Verhältnissen in Xinjiang zu gewinnen; begrüßt, dass vier chinesische Personen und eine Einrichtung aus China im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte in die Sanktionsliste aufgenommen wurden, da sie für schwere Menschenrechtsverletzungen in China verantwortlich sind; fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, vor allem wirtschaftlicher Art, einzusetzen, um die chinesische Regierung dazu zu bringen, die Lager zu schließen und alle Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und an anderen Orten, etwa in Tibet, zu beenden;
7. bedauert, dass mehrere internationale Unternehmen, insbesondere im Bekleidungs- und Textilsektor, einem umfangreichen und weit verbreiteten Boykott ausgesetzt sind, nachdem sie ihre Besorgnis über die Berichte über Zwangsarbeit in Xinjiang zum Ausdruck gebracht und die Entscheidung getroffen haben, in ihrer Lieferkette die Beziehungen mit Xinjiang zu unterbrechen, und verurteilt aufs Schärfste den aggressiven politischen Druck, den die chinesische Regierung gegen sie anwendet; fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst erneut auf, Ratschläge für die Wirtschaft in Bezug auf deren Lieferketten rasch abzuschließen, die den Unternehmen Orientierungshilfen für die Einschätzung des Risikos des Einsatzes der Zwangsarbeit von Uiguren an die Hand gibt und Unterstützung bei der dringenden Suche nach alternativen Bezugsquellen leistet;
8. ist besorgt darüber, dass die Vergeltungsmaßnahmen gegen Einrichtungen der EU und der Mitgliedstaaten und deren Tätigkeit im Bereich der Menschenrechte Teil einer bewussten Strategie sind, die darauf abzielt, die Menschenrechte international zu schwächen und diese Rechte so neu zu definieren, dass sie letztendlich ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt werden; bedauert, dass der bislang gewählte Ansatz und die bislang eingesetzten Instrumente der EU nicht zu greifbaren Fortschritten in der Menschenrechtsbilanz Chinas geführt haben, die sich in den letzten zehn Jahren immer weiter verschlechtert hat; fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine ganzheitliche EU-Strategie zu entwickeln und anzuwenden, um bei den Menschenrechten in China echte Fortschritte zu erreichen;
9. ist der Auffassung, dass die chinesischen Vergeltungssanktionen, die nicht mit dem Völkerrecht in Einklang stehen, einen erheblichen Rückschritt in den Beziehungen zwischen der EU und China darstellen; hält es für entscheidend, dass die EU und alle ihre Organe geeint auftreten, um gegen diesen Angriff auf die europäische Demokratie vorzugehen und die gemeinsamen Werte der EU zu verteidigen; fordert den Präsidenten des Rates und die Präsidentin der Kommission auf, eine klare Erklärung abzugeben, um deutlich zu machen, dass die von China verhängten Sanktionen gegen gewählte Politiker nicht toleriert werden; hält es für angemessen und notwendig, dass der VP/HR und die EU-Mitgliedstaaten dieses Thema in allen bilateralen Gesprächen mit ihren chinesischen Amtskollegen auf allen Ebenen zur Sprache bringen; fordert, dass das Parlament über diese Bemühungen auf dem Laufenden gehalten wird;
10. vertritt den Standpunkt, dass jede Prüfung des umfassenden Investitionsabkommens zwischen der EU und China sowie jede Debatte über dessen Ratifizierung durch das Europäische Parlament aufgrund der verhängten chinesischen Sanktionen berechtigterweise auf Eis gelegt wurden; fordert, dass China zunächst die Sanktionen aufheben muss, damit das Parlament sich mit dem umfassenden Investitionsabkommen befassen kann, unbeschadet des endgültigen Ergebnisses des Ratifizierungsprozesses des Investitionsabkommens; erwartet, dass die Kommission das Parlament konsultiert, bevor sie Schritte im Hinblick auf den Abschluss und die Unterzeichnung des umfassenden Investitionsabkommens unternimmt; fordert die Kommission auf, die Debatte über das umfassende Investitionsabkommen als Hebel zu nutzen, um den Schutz der Menschenrechte und die Unterstützung der Zivilgesellschaft in China zu verbessern, und erinnert die Kommission daran, dass das Parlament die Menschenrechtslage in China, einschließlich Hongkong, berücksichtigen wird, wenn es darum ersucht wird, das Investitionsabkommen zu billigen;
11. weist auf die die dringende Notwendigkeit hin, die Beziehungen zwischen der EU und China durch die Annahme eines Instrumentariums autonomer Maßnahmen neu auszutarieren, zu denen die folgenden gehören: Rechtsvorschriften gegen verzerrende Auswirkungen ausländischer Subventionen auf den Binnenmarkt, ein Instrument betreffend das internationale Beschaffungswesen, Rechtsvorschriften über die Lieferketten mit verbindlichen Sorgfaltspflichten, die auch ein Einfuhrverbot für durch Zwangsarbeit hergestellte Güter vorsehen, eine verbesserte und konsequentere EU-Verordnung über die Überprüfung ausländischer Investitionen, ein wirksames Instrument gegen Druckmittel, gegebenenfalls zusätzliche zielgerichtete Maßnahmen im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte, mit denen weiterhin gegen die Unterdrückung in Xinjiang und Hongkong vorgegangen werden kann und die darauf abzielen, dass China alle Verstöße unterlässt, sowie angemessene Maßnahmen gegen die von China ausgehende Bedrohung der Cybersicherheit, hybride Angriffe durch China und sein Programm der Verschmelzung von ziviler und militärischer Tätigkeit;
12. fordert die chinesische Regierung nachdrücklich auf, die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 29 über Zwangsarbeit, Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit, Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts und Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen zu ratifizieren und anzuwenden; appelliert an China, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu ratifizieren;
13. fordert die Staatsorgane Chinas und Hongkongs auf, das Vertrauen in den demokratischen Prozess Hongkongs wiederherzustellen und die Verfolgung der Menschen, die demokratische Werte fördern, unverzüglich zu beenden; bedauert die mangelnde Geschlossenheit der EU im Rat, was die Annahme von Maßnahmen gegen die Abschaffung demokratischer Verhältnisse in Hongkong anbelangt; fordert den HR/VP und den Rat nachdrücklich auf, trotz der Tatsache, dass keine einstimmige Unterstützung vorhanden ist, Schlussfolgerungen zu Hongkong vorzuschlagen und anzunehmen, und fordert, dass die Auslieferungsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und China ausgesetzt werden;
14. betont, dass ein System eingerichtet werden muss, mit dem überprüft wird, ob auf dem Binnenmarkt der EU tätige Unternehmen direkt oder indirekt an Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang beteiligt sind, und dass handelsbezogene Maßnahmen wie der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge und andere Sanktionen eingeführt werden müssen; besteht darauf, dass die Beschaffung von Technologien, mit denen Menschenrechtsverletzungen Vorschub geleistet werden kann, auf allen Ebenen und in allen Organen der EU verhindert werden sollte;
15. fordert den Europäischen Rat auf, entschieden gegen die chinesischen Sanktionen vorzugehen und diesbezügliche Schlussfolgerungen anzunehmen; ist der Ansicht, dass diese Sanktionen sowie die negativen Entwicklungen und die Verschlechterung der Lage in China sowie in Bezug auf China als internationalen Akteur bei der laufenden Überprüfung der gemeinsamen Mitteilung mit dem Titel „EU-China – Strategische Perspektiven“ entsprechend berücksichtigt werden sollten und dass darauf angemessen reagiert werden sollte, damit die EU eine entschiedenere Chinastrategie entwickelt, bei der alle Mitgliedstaaten geeint auftreten;
16. fordert die EU auf, ihre Koordinierung und Zusammenarbeit mit den USA im Rahmen eines transatlantischen Dialogs über China zu verstärken, auch im Hinblick auf einen koordinierten Ansatz für Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen, und fordert, dass dem Parlament eine starke Rolle in diesem Dialog zukommt;
17. ist der Auffassung, dass andere Handels- und Investitionsabkommen mit Partnern in der Region, einschließlich Taiwans, bei der Aussetzung der Ratifizierung des umfassenden Investitionsabkommens zwischen der EU und China nicht in Geiselhaft genommen werden sollten;
18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China zu übermitteln.