Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Juni 2021 zum Interessenkonflikt des Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik (2021/2671(RSP))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 310 Absatz 6 und Artikel 325 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 61 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union(1) („Haushaltsordnung“),
– unter Hinweis auf die Bekanntmachung der Kommission mit dem Titel „Leitlinien zur Vermeidung von Interessenkonflikten im Rahmen der Haushaltsordnung“(2),
– unter Hinweis auf seine früheren Beschlüsse und Entschließungen zur Entlastung der Kommission für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Dezember 2018 zu Interessenkonflikten und zum Schutz des EU-Haushalts in der Tschechischen Republik(3) und seine Entschließung vom 19. Juni 2020 zur Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen den Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik aufgrund der missbräuchlichen Verwendung von EU-Mitteln und potenzieller Interessenkonflikte(4),
– unter Hinweis auf die Informationsreisen von Delegationen des Haushaltskontrollausschusses vom 26. bis 27. März 2014 und vom 26. bis 28. Februar 2020 in die Tschechische Republik,
– unter Hinweis auf den am 23. April 2021 veröffentlichten Abschlussbericht der Generaldirektionen Regionalpolitik und Stadtentwicklung (REGIO) und Beschäftigung, Soziales und Integration (EMPL) der Kommission vom November 2019 über die Prüfung der Funktionsweise der bestehenden Verwaltungs- und Kontrollsysteme zur Verhinderung von Interessenkonflikten in Tschechien,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(5),
– unter Hinweis auf den Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020, insbesondere das Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Tschechien (SWD(2020)0302),
– unter Hinweis auf den Zwischenbericht der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) über die Tschechische Republik im Rahmen der vierten Bewertungsrunde über die Einhaltung der Vorschriften, der von der GRECO auf ihrer 84. Vollversammlung im Dezember 2019 angenommen wurde,
– unter Hinweis auf den Länderbericht für Tschechien 2020 vom 26. Februar 2020 (SWD(2020)0502) als Begleitunterlage zu der Mitteilung der Kommission mit dem Titel: „2020 Europäisches Semester: Bewertung der Fortschritte bei den Strukturreformen, Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und Ergebnisse der eingehenden Überprüfung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011“ (COM(2020)0150),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Haushaltskontrollausschusses,
A. in der Erwägung, dass in den Artikeln 61 und 63 der Haushaltsordnung, Artikel 24 der Richtlinie 2014/24/EU über Vorschriften der öffentlichen Auftragsvergabe zur Vermeidung von Interessenkonflikten, den Artikeln 144 und 145 der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für Fonds mit geteilter Mittelverwaltung (Dachverordnung), der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013, der Rechtsprechung des Gerichtshofs und im tschechischen Gesetz Nr. 159/2006 über Interessenkonflikte in der geänderten Fassung vom 29. November 2016 besondere Verpflichtungen festgelegt und Instrumente zur wirksamen Bewältigung von Interessenkonflikten bereitgestellt wurden;
B. in der Erwägung, dass Agrofert ein Konglomerat ist, das vom tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš gegründet wurde und über 230 Unternehmen umfasst; in der Erwägung, dass sich herausgestellt hat, dass Ministerpräsident Babiš über die beiden Treuhandfonds AB Private Trust I und AB Private Trust II, deren wirtschaftlicher Eigentümer er ist, auch der wirtschaftliche Eigentümer von Agrofert ist, des beherrschenden Unternehmens des Agrofert-Konzerns ist, zu der unter anderem eine Reihe wichtiger tschechischer Medienunternehmen gehören;
C. in der Erwägung, dass im Januar und Februar 2019 eine koordinierte, umfassende Prüfung durch mehrere Dienststellen der Kommission (GD REGIO, GD EMPL und GD AGRI als assoziierte GD) hinsichtlich der Anwendung des EU-Rechts und des nationalen Rechts durchgeführt wurde; in der Erwägung, dass im Rahmen einer laufenden Prüfung durch GD AGRI mutmaßliche Interessenkonflikte bei der Durchführung der Gemeinsamen Agrarpolitik in Tschechien untersucht werden;
D. in der Erwägung, dass die Kommission im April 2021 eine ordnungsgemäß bearbeitete Fassung des abschließenden Prüfberichts über die rechtliche Durchführung von ESI-Fonds veröffentlicht hat, der von der GD EMPL und der GD REGIO überprüft wurde; in der Erwägung, dass der zweite Prüfbericht der GD AGRI immer noch nicht veröffentlicht wurde;
E. in der Erwägung, dass in dem veröffentlichten Prüfbericht schwerwiegende Mängel im Verwaltungs- und Kontrollsystem(6) in der Tschechischen Republik sowie Mängel aufgezeigt werden, die durch Finanzkorrekturen behoben werden müssen;
F. in der Erwägung, dass im Prüfungsbericht der GD REGIO drei Beihilfen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) ermittelt wurden, die gegen tschechisches Recht und die EU-Dachverordnung verstoßen;
G. in der Erwägung, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Ministerpräsident Babiš, die durch den Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) über die irreguläre Verwendung von EU-Subventionen für kleine Unternehmen angestoßen wurden, zunächst eingestellt und anschließend wiederaufgenommen wurden und die Gegenstand der Entschließung des Parlaments vom 19. Juni 2020 waren, noch nicht abgeschlossen sind;
H. in der Erwägung, dass die Kommission nach einem Jahr immer noch keine umfassende Antwort auf die Forderung des Parlaments vorgelegt hat, den Gesamtbetrag der Subventionen, die Unternehmen des Agrofert-Konzerns erhalten haben, anzugeben;
I. in der Erwägung, dass der Sachverhalt in Bezug auf den Interessenkonflikt von Ministerpräsident Babiš nach den entsprechenden Entschließungen des Parlaments vom Dezember 2018 und Juni 2020 und mehr als zwei Jahre nach Beginn der Prüfungen der Kommission immer noch nicht geklärt worden ist;
J. in der Erwägung, dass die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung von den Mitgliedstaaten nur dann sichergestellt werden kann, wenn die Behörden im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und der EU handeln und wenn kriminelles Fehlverhalten, das auf unsachgemäße Behandlung von Interessenkonflikten zurückzuführen ist, von den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden wirksam verfolgt wird;
K. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 3 Buchstabe b der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 das Versäumnis, sicherzustellen, dass keine Interessenkonflikte bestehen, ein Hinweis auf Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sein kann;
L. in der Erwägung, dass detaillierte Strategien und Vorschriften zur Verhinderung und Bewältigung von Konflikten und vermeintlichen Interessenkonflikten ein wesentlicher Bestandteil der verantwortungsvollen Staatsführung und der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung sind;
M. in der Erwägung, dass die Informationsreise einer Delegation des Haushaltskontrollausschusses im Februar 2020 ergeben hat, dass Beschränkungen des Rechtsrahmens die effiziente und wirksame Tätigkeit des tschechischen Obersten Rechnungshofs behindern, da dieser daran gehindert wird, die Ordnungsmäßigkeit und Wirksamkeit der öffentlichen Ausgaben auf regionaler und lokaler Ebene zu überprüfen oder Kontrollen vor Ort bei den Endbegünstigten durchzuführen;
1. begrüßt die Veröffentlichung des abschließenden Prüfberichts der GD REGIO und der GD EMPL über die Funktionsweise der bestehenden Verwaltungs- und Kontrollsysteme zur Verhinderung von Interessenkonflikten in Tschechien im Anschluss an die wiederholten Forderungen des Parlaments, in dem der bestehende und anhaltende Interessenkonflikt von Ministerpräsident Babiš im Zusammenhang mit dem Agrofert-Konzern und damit auch der Standpunkt des Parlaments bestätigt wird, wie er in früheren Entschließungen und Entlastungsberichten zum Ausdruck gebracht wurde;
2. begrüßt, dass die GD REGIO und die GD EMPL das wichtige öffentliche Interesse an Transparenz und Information über diese Ausnahmesituation als hinreichenden Grund für eine Veröffentlichung anerkennen; bedauert jedoch, dass die Ergebnisse erst im April 2021 veröffentlicht wurden, obwohl der endgültige Prüfbericht im November 2019 den tschechischen Behörden übermittelt wurde und die Kommission im Mai 2020 entsprechende Antworten erhalten hat; fordert die GD AGRI nachdrücklich auf, ihr Prüfverfahren und ihre Folgemaßnahmen zu beschleunigen und ihren abschließenden Prüfbericht unverzüglich zu veröffentlichen; fordert, dass den Zahlungen an Unternehmen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Besitz des tschechischen Ministerpräsidenten oder anderer Mitglieder der tschechischen Regierung befinden, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird;
3. hält es für bedauerlich, dass sich die Prüfverfahren und kontradiktorischen Verfahren sowie die Verfahren für die Anwendung von Finanzkorrekturen bereits über mehrere Jahre erstrecken; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Vorschriften für Rechnungsprüfungs- und Finanzkorrekturverfahren zu überarbeiten, damit rascher Schlussfolgerungen gezogen und zu Unrecht gezahlte EU-Mittel eingezogen werden können; fordert die Kommission erneut auf, alle Dokumente im Zusammenhang mit dem Interessenkonflikt des tschechischen Ministerpräsidenten zu veröffentlichen;
4. ist zutiefst besorgt über die Ergebnisse des Prüfberichts, aus denen Folgendes hervorgeht:
–
ESI-Fonds-Mittel wurden Unternehmen dem Agrofert-Konzern zu Unrecht gewährt,
–
der Ministerpräsident ist wirtschaftlicher Eigentümer der Agrofert Holding und seit Februar 2017 der Treuhandfonds AB Private Trust I und AB Private Trust II, die er kontrolliert, wodurch er weiterhin ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse am Erfolg von Agrofert hat,
–
Ministerpräsident Babiš war aktiv an der Ausführung des EU-Haushaltsplans in der Tschechischen Republik beteiligt und war in der Lage, Einfluss auf Gremien wie den ESIF-Rat und die nationale Koordinierungsbehörde auszuüben, und gleichzeitig an Entscheidungen beteiligt, die den Agrofert-Konzern betreffen,
–
die ermittelten Projekte wurden unter Verstoß gegen Artikel 4c des geänderten tschechischen Gesetzes über Interessenkonflikte und gegen die Haushaltsordnung der EU vergeben,
–
während des geprüften Zeitraums war die unparteiische und objektive Wahrnehmung der Aufgaben von Andrej Babiš als Ministerpräsident, Vorsitzender des ESIF-Rates, Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident für Wirtschaft beeinträchtigt;
5. stellt fest, dass mit dem tschechischen Gesetz Nr. 37/2021 GBl. über die Registrierung der wirtschaftlichen Eigentümer am 1. Juni 2021 die 5. Geldwäscherichtlinie, die die Einrichtung öffentlich zugänglicher Register für Gesellschaften, Treuhandgesellschaften und andere Rechtsvereinbarungen vorschreibt, endlich in nationales Recht umgesetzt wurde; weist darauf hin, dass die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie am 10. Januar 2020 abgelaufen war; bemängelt ausdrücklich, dass Tschechien die 5. Geldwäscherichtlinie mit solch erheblicher Verzögerung umgesetzt hat; stellt fest, dass Ministerpräsident Babiš seit dem 1. Juni 2021 im tschechischen Eigentumsregister als „mittelbarer tatsächlicher Eigentümer“ von Agrofert aufgeführt ist; kritisiert nachdrücklich die Erklärung des tschechischen Justizministeriums, wonach Agrofert trotz der Tatsache, dass Andrej Babiš als wirtschaftlicher Eigentümer von Agrofert in Tschechien aufgeführt ist, weiterhin Subventionen erhalten darf;
6. besteht darauf, dass ein Interessenkonflikt auf höchster Regierungsebene eines Mitgliedstaats, der nun mit der Veröffentlichung des Abschlussberichts der Kommission über die Prüfung der Funktionsweise der bestehenden Verwaltungs- und Kontrollsysteme zur Verhinderung von Interessenkonflikten in der Tschechischen Republik am 23. April 2021 bestätigt wurde, nicht toleriert werden kann und vollständig bewältigt werden muss, indem
a)
Maßnahmen ergriffen werden, mit denen sichergestellt wird, dass Ministerpräsident Babiš in Bezug auf den Agrofert-Konzern keine wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen mehr hat, die in den Anwendungsbereich von Artikel 61 der Haushaltsordnung der EU oder des tschechischen Gesetzes über Interessenkonflikte fallen, oder
b)
sichergestellt wird, dass die Unternehmen, die der Kontrolle von Ministerpräsident Babiš unterstehen, keine Mittel aus EU-Fonds, öffentlichen Zuschüsse oder Mittel, die von allen Ebenen der öffentlichen Hand in der gesamten EU verteilt werden, mehr erhalten, oder
c)
eine Beteiligung an Beschlussfassungsverfahren der EU, die die Interessen des Agrofert-Konzerns unmittelbar oder mittelbar betreffen könnten, völlig ausgeschlossen wird; betont jedoch, dass es angesichts der Aufgaben und Befugnisse des Ministerpräsidenten und der Mitglieder seiner Regierung zweifelhaft erscheint, dass mit einer solchen Maßnahme der Interessenkonflikt in der Praxis angemessen bewältigt werden kann, wenn die betreffenden Personen ihre öffentlichen Ämter weiterhin bekleiden, und dass die Niederlegung des öffentlichen Amtes daher ein geeigneteres Mittel zur umfassenden Bewältigung des Interessenkonflikts darstellt;
7. begrüßt die Ankündigung, dass die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) eine unparteiische und faktengestützte Untersuchung des Interessenkonflikts durchführen wird; nimmt die Erklärung der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Kenntnis, wonach der Fall „die Bedingungen der obligatorischen Zuständigkeit der neu eingerichteten Europäischen Staatsanwaltschaft gemäß der einschlägigen Verordnung der Europäischen Union [erfüllt] und ihr unverzüglich übermittelt werden muss“;
8. bedauert, dass nach den aus der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen das Vorliegen schwerwiegender systemischer Mängel in der Funktionsweise des Verwaltungs- und Kontrollsystems und insbesondere bei der Aufdeckung von Interessenkonflikten bestätigt wurde; bedauert, dass durch wirkungslose Gegenkontrollen sowie undurchsichtige Verfahren und Strukturen die zuverlässige Verhinderung und Aufdeckung von Interessenkonflikten in der Tschechischen Republik beeinträchtigt wird;
9. ist zutiefst besorgt darüber, dass die Mängel in den Verwaltungs- und Kontrollsystemen – in Bezug auf die Verhinderung von Interessenkonflikten – selbst nach Inkrafttreten der Artikel 61 und 63 der Haushaltsordnung im Jahr 2018 nach wie vor fortbestehen und dass die tschechischen staatlichen Stellen bislang nur wenige und unzureichende Maßnahmen ergriffen haben, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen;
10. bedauert, dass die tschechische Regierung Berichten zufolge versucht hat, den Interessenkonflikt von Ministerpräsident Babiš durch ein Gesetz zu legalisieren, das zu Beginn der COVID-19-Krise im März 2020 vorgeschlagen wurde, anstatt den Interessenkonflikt zu lösen;
11. erwartet, dass die nationalen Behörden alle geforderten Empfehlungen umsetzen, die unter anderem darauf abzielen, das Verwaltungs- und Kontrollsystem zu verbessern und alle nach dem 9. Februar 2017 gewährten Finanzhilfen zu überprüfen, bei denen möglicherweise gegen das Gesetz über Interessenkonflikte verstoßen wurde;
12. fordert die Kommission auf, das Parlament über die Umsetzung der im Prüfbericht aufgeführten Empfehlungen durch die tschechische Regierung zu unterrichten, insbesondere in Bezug auf die eingehende Prüfung aller dem Agrofert-Konzern gewährten Mittel, die nicht Teil der Stichprobe waren;
13. ist zutiefst besorgt über die Schwächen des allgemeinen Regelungsrahmens, die es schwierig machen, die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen, die EU-Mittel erhalten, systematisch zu ermitteln; weist erneut darauf hin, dass die Kommission zwar bestätigt hat, dass sie Zahlungen im Rahmen der GAP an Unternehmen des Agrofert-Konzerns sowie an andere Unternehmen geleistet hat, deren wirtschaftlicher Eigentümer in mehreren anderen Mitgliedstaaten Ministerpräsident Babiš ist, aber nicht in der Lage ist, alle Wirtschaftsakteure, die davon profitiert haben, erschöpfend zu ermitteln; fordert die Kommission nachdrücklich auf, dass sie der Entlastungsbehörde einen vollständigen und zuverlässigen Überblick über alle Zahlungen an Unternehmen des Agrofert-Konzerns und an Unternehmen mit demselben wirtschaftlichen Eigentümer in allen Mitgliedstaaten für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 zur Verfügung stellt; fordert die Kommission auf, darin auch Informationen für das Jahr 2020 aufzunehmen; ist der Ansicht, dass dieser Fall zeigt, dass die Kommission in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden dringend ein standardisiertes und öffentlich zugängliches Format entwickeln muss, damit die Endbegünstigten von Auszahlungen im Rahmen der GAP offengelegt werden;
14. nimmt die kürzlich erfolgte Berichtigung des Transparenzregisters, der offiziellen Plattform der Bundesrepublik Deutschland für Daten zu wirtschaftlich Berechtigten, zur Kenntnis, in dem Ministerpräsident Babiš nun als Begünstigter und Anteilseigner einer Agrofert-Tochtergesellschaft in Deutschland aufgeführt ist; weist erneut darauf hin, dass Ministerpräsident Babiš als eine von sechs aktiven Personen aufgeführt ist, die erheblichen Einfluss auf oder die Kontrolle über die Treuhänder eines mit der Agrofert-Tochtergesellschaft „GreenChem Solutions Ltd.“ im Vereinigten Königreich in Verbindung stehenden Treuhandfonds haben; fordert alle Mitgliedstaaten, in denen Tochterunternehmen von Agrofert tätig sind, auf, das Register der wirtschaftlichen Eigentümer in dieser Hinsicht zu überprüfen;
15. bedauert, dass Unternehmen des Agrofert-Konzerns weiterhin Zahlungen im Rahmen der ersten Säule der GAP erhalten; weist darauf hin, dass das tschechische Gesetz über Interessenkonflikte die Gewährung von Subventionen, einschließlich Direktzahlungen im Rahmen der GAP, an ein Unternehmen verbietet, an dem ein Amtsträger oder eine von einem Amtsträger kontrollierte Organisation einen Anteil von 25 % oder mehr hält; weist nachdrücklich auf die erheblichen Zweifel an der Unabhängigkeit der tschechischen Behörden hin, die über die Beihilfefähigkeit und Kontrolle bei Direktzahlungen in der Landwirtschaft entscheiden; weist auf Risikoindikatoren hin, da Unternehmen, die Teil des Agrofert-Konzerns sind, diese Mittel weiterhin erhalten, was ein Verstoß gegen das tschechische Gesetz über Interessenkonflikte ist;
16. stellt fest, dass die seit 2006 geltenden tschechischen Rechtsvorschriften über Interessenkonflikte beträchtliche Lücken und erhebliche Mängel bei der Umsetzung aufwiesen, was die Entstehung und das Wachstum tiefer oligarchischer Strukturen ermöglichte; bedauert, dass bei der Informationsreise einer Delegation des Haushaltskontrollausschusses des Parlaments im Februar 2020 schwerwiegende Mängel in den Systemen zur Verhinderung, Aufdeckung und Beilegung von Interessenkonflikten in Tschechien festgestellt wurden;
17. ist verwundert darüber, dass die GD REGIO und die GD EMPL einerseits und die GD AGRI andererseits anscheinend unterschiedliche Ansätze verfolgen, was ähnliche Verstöße gegen das tschechische Gesetz über Interessenkonflikte und Artikel 61 der Haushaltsordnung anbelangt; stellt fest, dass die GD REGIO und die GD EMPL der Ansicht sind, dass ein Verstoß gegen das tschechische Gesetz über Interessenkonflikte einen Verstoß gegen Artikel 61 Absatz 2 der Haushaltsordnung darstellt, während die GD AGRI anscheinend nicht dieselbe Auffassung vertritt; weist zudem darauf hin, dass die Prüfung der Förderfähigkeit von anspruchsbasierten Zahlungen (Direktzahlungen) auch ein Element der Entscheidung bei der Überprüfung umfasst; betont, dass sich ein Interessenkonflikt auf diese Überprüfungsentscheidung auswirken kann; fordert die Kommission auf, dem Parlament eine ausführliche rechtliche Erläuterung der unterschiedlichen Auswirkungen von Verstößen gegen nationale Rechtsvorschriften über Interessenkonflikte und gegen Artikel 61 der Haushaltsordnung vorzulegen und dieser Erläuterung eine ausführliche Erklärung beizufügen, wie die Kommission sicherstellt, dass die Überprüfungsentscheidungen für anspruchsbasierte Zahlungen nicht von einem Interessenkonflikt betroffen waren;
18. ist verwundert über die Einschätzung der Kommission, dass im Fall des tschechischen Landwirtschaftsministers kein Interessenkonflikt vorliegt, obwohl Mitglieder seiner Familie Landwirtschaftsbeihilfen in beträchtlicher Höhe erhalten, während er für die Planung und Umsetzung der Landwirtschaftsprogramme im Rahmen der GAP zuständig ist; fordert die Kommission auf, dem Parlament diese Einschätzung zu übermitteln; fordert die Kommission auf, für die einheitliche Auslegung und Anwendung von Artikel 61 der Haushaltsordnung Sorge zu tragen;
19. fordert die Kommission auf, die Wirksamkeit von Artikel 61 der Haushaltsordnung zu bewerten, was die erfolgreiche Verhinderung bzw. – bei Auftreten – Aufdeckung und Beilegung etwaiger Interessenkonflikte anbelangt, und erforderlichenfalls im Zusammenhang mit der nächsten Überarbeitung der Haushaltsordnung Vorschläge zu unterbreiten, mit denen die Vorschriften für Interessenkonflikte weiter verschärft werden, wobei besonderes Augenmerk auf die Definitionen, den Anwendungsbereich (wer fällt in den Anwendungsbereich?), die Ermittlung möglicherweise betroffener sensibler Funktionen oder Tätigkeiten, die „Situationen, die objektiv als Interessenkonflikt wahrgenommen werden könnten“, und die Verpflichtungen im Fall von Interessenkonflikten zu legen ist; weist erneut darauf hin, dass in Artikel 61 der Haushaltsordnung nicht zwischen verschiedenen Arten von Zahlungen aus dem Unionshaushalt unterschieden wird und dass die bloße Möglichkeit, eine Position auszunutzen, die auf einen Interessenkonflikt zurückzuführen ist, ein ausreichender Indikator ist;
20. erklärt sich besorgt hinsichtlich der engen Auslegung von Artikel 61 der Haushaltsordnung durch die tschechische Zahlstelle für die Landwirtschaft (den Fonds für staatliche Interventionen in der Landwirtschaft), die ihn als nicht auf Mitglieder der Regierung anwendbar betrachtet; bekräftigt seine Besorgnis über eine Reihe von Mängeln, die in der Verwaltung der tschechischen Zahlstelle für die Landwirtschaft festgestellt wurden, insbesondere die mangelnde Unabhängigkeit des Aufsichtsgremiums, was auch in dem Bericht des Parlaments über die Reise seiner Delegation in die Tschechische Republik vom Februar 2020(7) hervorgehoben wurde; fordert die Kommission auf, ein Prüfungsverfahren einzuleiten, um eine tadellose Verwaltung der Zahlstelle zu erwirken;
21. hält die Leitlinien der Kommission zur Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten im Rahmen der Haushaltsordnung für ein wichtiges Instrument, um die Maßnahmen zum Schutz des Unionshaushalts vor Betrug und Unregelmäßigkeiten weiter zu stärken; fordert die Kommission auf, Sensibilisierungsmaßnahmen durchzuführen und die einheitliche Auslegung und Anwendung der Vorschriften zur Verhinderung von Interessenkonflikten auch bei Direktzahlungen im Rahmen der ersten Säule der GAP voranzutreiben sowie zu überwachen, ob die einschlägigen Zahlstellen und Prüfungsstrukturen unabhängig tätig sind; fordert die Kommission auf, den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten weitere praktische Beispiele, Vorschläge und Empfehlungen zur Verfügung zu stellen, um sie bei der Verhinderung von Interessenkonflikten zu unterstützen;
22. bekräftigt, dass die tschechischen Bürger und Steuerzahler weder wegen des Interessenkonflikts von Ministerpräsident Babiš zur Kasse gebeten noch die Folgen dieses Interessenkonflikts tragen sollten und dass die Unternehmen des Agrofert-Konzerns alle rechtswidrig aus dem Unionshaushalt oder aus dem tschechischen Staatshaushalt erhaltenen Subventionen zurückzahlen sollten; fordert die tschechischen Behörden nachdrücklich auf, alle Subventionen zurückzufordern, die den Unternehmen des Agrofert-Konzerns zu Unrecht gezahlt wurden;
23. besteht darauf, dass die weitere Auszahlung von Mitteln aus dem Unionshaushalt oder dem tschechischen Staatshaushalt an Unternehmen, die letztlich von Ministerpräsident Babiš oder Mitgliedern der tschechischen Regierung kontrolliert werden, eingestellt werden muss, bis die Fälle von Interessenkonflikten vollständig beigelegt sind;
24. fordert die tschechische Regierung nachdrücklich auf, die allgemeine Fairness bei der Verteilung von EU-Subventionen zu verbessern und ein System einzurichten, mit dem umfassende und vollständige Transparenz bei der Verteilung von EU-Mitteln sichergestellt wird; stellt mit Besorgnis fest, dass es nach den der Kommission vorliegenden Informationen seit der Einführung des tschechischen Direktzahlungssystems im Jahr 2014 keine Beschlüsse zu dessen Änderung und zur Schaffung eines wirksamen Mechanismus gegen Interessenkonflikte gegeben hat;
25. weist erneut darauf hin, dass Agrofert im Rahmen des Projekts „Storchennest“ künstlich ein mittelgroßes Unternehmen gründete, das nach wie vor der Kontrolle von Agrofert unterstand, damit für kleine und mittlere Unternehmen bestimmte Mittel in Höhe von insgesamt etwa 2 Mio. EUR vereinnahmt werden konnten; hält es für nicht hinnehmbar, dass die tschechischen Behörden das Projekt, nachdem bei Ermittlungen im Fall „Storchennest“ schwerwiegende Unregelmäßigkeiten festgestellt worden waren, aus der EU-Finanzierung herausgenommen haben und es nun aus dem tschechischen Staatshaushalt finanzieren, womit die finanzielle Belastung auf die tschechischen Steuerzahler verlagert wird; betrachtet dies als Beleg dafür, dass die tschechischen Behörden die Kommission nicht von der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit dieser Zahlungen überzeugen konnten; bedauert, dass folglich das OLAF nicht mehr das Recht hat, in diesem Fall zu ermitteln, und nur die tschechische Staatsanwaltschaft Anklage erheben kann; ist sehr besorgt darüber, dass die tschechische Staatsanwaltschaft das Verfahren vorübergehend eingestellt und den Fall erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen hat; fordert die tschechischen Behörden auf, die EU-Organe so bald wie möglich über das Ergebnis der Ermittlungen im Fall „Storchennest“ zu unterrichten;
26. stellt fest, dass die tschechische Polizei zum zweiten Mal empfohlen hat, Ministerpräsident Babiš wegen mutmaßlicher Betrugsfälle in Höhe von rund 2 Mio. EUR im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Fall „Storchennest“ anzuklagen; stellt fest, dass der die Aufsicht führende Staatsanwalt Jaroslav Šaroch, der im September 2019 ursprünglich beschlossen hatte, das Verfahren einzustellen, für die Entscheidung über den Antrag auf Anklageerhebung zuständig ist; weist darauf hin, dass der inzwischen aus dem Amt geschiedene Generalstaatsanwalt Pavel Zeman am 4. Dezember 2019 die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet und dabei auf Mängel bei der von Staatsanwalt Šaroch vorgenommenen rechtlichen Beurteilung verwiesen hatte;
27. ist zutiefst besorgt über den politischen Druck auf unabhängige Medien und Institutionen in der Tschechischen Republik, der kürzlich offensichtlich wurde, als der Generalstaatsanwalt sein Amt niederlegte und diesen Schritt damit begründete, die Justizministerin habe Druck auf ihn ausgeübt;
28. fordert die Kommission auf, die Schwachstellen des tschechischen Justizsystems zu untersuchen und die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten; fordert die Kommission auf, sorgfältig zu prüfen und zu analysieren, ob andere Fälle, die Mitglieder der tschechischen Regierung betrafen, zurückgezogen oder möglicherweise aufgrund von Druck vorzeitig geschlossen wurden; fordert die Kommission auf, das Parlament unverzüglich über ihre Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zu unterrichten;
29. ist besorgt über Berichte, wonach die tschechische Regierung Agrofert im geprüften Zeitraum bereits über 150 Mio. CZK aus dem tschechischen Staatshaushalt überwiesen haben soll(8); fordert die Kommission auf, diese Fälle der Finanzierung aus dem Staatshaushalt vollständig zu prüfen und das Parlament über das Ergebnis der Prüfung und die ergriffenen Maßnahmen zu unterrichten, da es sich hierbei um rechtswidrige staatliche Beihilfen handeln könnte, was den fairen Wettbewerb im EU-Binnenmarkt und dessen Integrität beeinträchtigen könnte;
30. verurteilt die Praxis, Projekte nach der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten durch die Kommission oder den Rechnungshof aus der EU-Finanzierung herauszunehmen und dann aus dem tschechischen Staatshaushalt zu finanzieren; fordert die Kommission auf, diese Fälle genau zu prüfen und eine sorgfältige rechtliche Analyse durchzuführen, wobei mögliche Verstöße gegen die Vorschriften über staatliche Beihilfen besonders zu berücksichtigen sind;
31. bedauert die öffentlichen Äußerungen von Premierminister Babiš, mit denen er auf die Veröffentlichung des abschließenden Prüfungsberichts der Generaldirektionen REGIO und EMPL reagierte(9); hält es für nicht hinnehmbar, dass die Prüfer der Kommission von einem Mitglied des Europäischen Rates als „Mafia“ tituliert werden;
32. verurteilt die diffamierenden Äußerungen von Ministerpräsident Babiš gegenüber Nachrichtenmedien, die über seinen Interessenkonflikt und die Geschäftstätigkeit seiner Unternehmen berichten; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass er sich im November 2020 im tschechischen Parlament negativ über das Nachrichtenportal „Deník Referendum“ äußerte;
33. ist zutiefst besorgt darüber, dass die GRECO-Empfehlungen im Bewertungsbericht aus der vierten Runde nur in geringem Maße befolgt wurden – nur eine der 14 Empfehlungen wurde zufriedenstellend umgesetzt, sieben Empfehlungen teilweise und die verbleibenden sechs Empfehlungen überhaupt nicht;
34. fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) Beihilfezahlungen in dreistelliger Millionenhöhe (in EUR) an natürliche Personen zu verbieten und darauf hinzuarbeiten, sich den Standpunkt des Europäischen Parlaments zu eigen zu machen und mithin für vollständige Transparenz und die Möglichkeit zu sorgen, Zahlungen sowie digitale Überwachungs- und Prüfungsverfahren über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg in Programmen mit geteilter Mittelverwaltung zusammenzufassen;
35. fordert den Rat auf, bei den laufenden Verhandlungen über die GAP-Verordnung die Wirksamkeit des Haushalts und eine fairere und transparentere Verteilung der Direktzahlungen gebührend zu berücksichtigen, sich den Standpunkt des Europäischen Parlaments zu eigen zu machen, wonach bestimmte Obergrenzen pro natürliche Person für beide Säulen der GAP sowie Degressivität, eine obligatorische Deckelung und Umverteilungszahlungen festgelegt werden sollen, damit die EU-Bürger die GAP insgesamt als positiv wahrnehmen; betont, dass die Verhandlungen im Rat nicht von Interessenkonflikten beeinflusst werden dürfen und dass keine Person, die in einer nationalen Regierung ein Ministeramt bekleidet, ihr angehört oder sie vertritt, an Verhandlungen teilnehmen darf, während sie von einem Interessenkonflikt betroffen ist; hält es für nicht hinnehmbar, dass Ministerpräsident Babiš als wirtschaftlicher Eigentümer des Agrofert-Konzerns an den Verhandlungen über die GAP teilgenommen und gegen die Begrenzung der Subventionen gekämpft hat; betont nachdrücklich, dass die Obergrenzen pro natürliche Person für die erste und die zweite Säule der GAP einheitlich gelten müssen, auch für Mitglieder nationaler Regierungen, damit sie nicht zu ihrem eigenen Vorteil im Rat Verhandlungen führen können;
36. missbilligt nachdrücklich oligarchische Strukturen, die sich auf die Landwirtschafts- und Kohäsionsfonds der EU stützen und bei denen eine kleine Minderheit der Begünstigten die überwiegende Mehrheit der EU-Mittel erhält, und fordert die Kommission, den Rat und den Europäischen Rat auf, die Förderung solcher Strukturen zu unterbinden, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe und landwirtschaftlicher Familienbetriebe, die die wichtigsten Begünstigten der GAP sein sollten, beeinträchtigt werden;
37. betont seine tiefe Besorgnis darüber, dass Ministerpräsident Babiš sich in einem Interessenkonflikt befindet und gleichzeitig an der Beschlussfassung über die Ausrichtung der GAP auf die allgemeinen Ziele der Klimapolitik der Union teilnimmt, da die Geschäftsinteressen des Agrofert-Konzerns für ihn stärker wiegen könnten als das öffentliche Interesse an der Förderung einer nachhaltigeren Landwirtschaft und der Begrenzung der negativen Auswirkungen des Klimawandels;
38. vertritt die Auffassung, dass die Untätigkeit der tschechischen Regierung bei der Bewältigung der Interessenkonflikte von Ministerpräsident Babiš negative Auswirkungen auf das Funktionieren der staatlichen Stellen der Tschechischen Republik einschließlich der Strafverfolgungsorgane und der Verwaltungs- und Kontrollsysteme sowie auf die Einhaltung der Unionsrechtsvorschriften hat;
39. fordert die Kommission auf, die geschilderte Situation zusammen mit dem Einfluss von Ministerpräsident Babiš auf die tschechischen Medien und das Justizsystem zu bewerten, um Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu ermitteln, und – falls sie sich als zutreffend erweisen – auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse zu gegebener Zeit den Konditionalitätsmechanismus zum Schutz des Haushalts der Union zu aktivieren;
40. ist nach wie vor besorgt über die zunehmende Konzentration von Medieneigentum in den Händen einiger weniger Oligarchen(10);
41. stellt fest, dass sowohl auf tschechischer Ebene als auch auf der Ebene der Union Ermittlungen und Prüfungen zu potenziellen Interessenkonflikten und der Verwendung von EU-Mitteln laufen; ist besorgt über die im Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit von 2020 geäußerten Bedenken, dass Fälle von Korruption auf hoher Ebene nicht ausreichend weiterverfolgt werden und dass in den Integritätsrahmen, die für Parlamentsmitglieder gelten, einige Lücken festgestellt wurden;
42. fordert den Rat und den Europäischen Rat auf, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Interessenkonflikte nach Artikel 61 Absatz 1 der Haushaltsordnung zu verhindern; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass der tschechische Ministerpräsident aktiv an den Verhandlungen über den Unionshaushalt und über EU-Programme teilgenommen hat und noch immer daran teilnimmt, während er sich in einem Interessenkonflikt befindet; fordert den Rat und den Europäischen Rat auf, dem Parlament zu erläutern, wie sie gedenken, der Mitwirkung von Ministerpräsident Babiš an den Beschlüssen über den GAP-Haushalt und den Unionshaushalt Rechnung zu tragen und dementsprechend zu handeln, sobald die Prüfberichte der Kommission vorliegen;
43. vertritt Auffassung, dass am Interessenkonflikt von Ministerpräsident Babiš auch nochmals deutlich wird, dass dringend ein interoperables digitales Berichterstattungs- und Überwachungssystem für die EU-Finanzen eingerichtet werden muss; bedauert zutiefst, dass die Mitgesetzgeber keine zufriedenstellende Einigung über Bestimmungen zur Herbeiführung der Interoperabilität der IT-Systeme erzielt haben, mit der eine standardisierte und einheitliche Berichterstattung ermöglicht und die Zusammenarbeit gefördert würde; fordert alle einschlägigen Akteure auf, sich um gleichermaßen wirksame Lösungen im Sinne einer verbesserten Rechenschaftspflicht zu bemühen;
44. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen der Haushaltsordnung über Interessenkonflikte auch im Fall des Interessenkonflikts von Ministerpräsident Babiš bei der Umsetzung des MFR 2021–2027 und des Aufbauinstruments „NextGenerationEU“ uneingeschränkt angewandt werden, damit keine Zahlungen an Unternehmen erfolgen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum von Ministerpräsident Babiš stehen(11); fordert eine weitere Prüfung möglicher Interessenkonflikte sowie anderer Elemente der Rechtsstaatlichkeit in den Aufbauplänen der Mitgliedstaaten;
45. betont nachdrücklich, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments in der Lage sein müssen, ihrer Arbeit frei von Bedrohungen nachzugehen, und dass in den Mitgliedstaaten die jeweilige Regierung für ihren Schutz verantwortlich ist;
46. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat sowie der Regierungen und den beiden Kammern des Parlaments der Tschechischen Republik zu übermitteln.
Im abschließenden Prüfbericht wurden schwerwiegende Mängel bei der Gestaltung des Kontrollsystems zur Verhinderung von Interessenkonflikten festgestellt, wie es die sieben Verstöße gegen Artikel 4c des tschechischen Gesetzes über Interessenkonflikte und die hohe Fehlerquote von 96,7 % in der geprüften Stichprobe belegen.
Euractiv, Czech PM slams EU Commission auditors as ‘mafia’ (Tschechischer Ministerpräsident beleidigt Prüfer der Europäischen Kommission als „Mafia“), 26. April 2021.
Laut der Liste der Unternehmen und Projekte, bei denen die tschechische Regierung die Finanzierung aus dem Fonds für einen gerechten Übergang genehmigte, erhält Lovochemie – ein Unternehmen, das Teil des Agrofert-Konzerns ist und zuvor vom derzeitigen tschechischen Umweltminister Richard Brabec geleitet wurde – über 6 Mrd. CZK.