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Verfahren : 2021/2785(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B9-0382/2021

Aussprachen :

PV 08/07/2021 - 9.1
CRE 08/07/2021 - 9.1

Abstimmungen :

PV 08/07/2021 - 11
PV 08/07/2021 - 19

Angenommene Texte :

P9_TA(2021)0355

Angenommene Texte
PDF 132kWORD 48k
Donnerstag, 8. Juli 2021 - Straßburg
Der Fall von Ahmadresa Dschalali im Iran
P9_TA(2021)0355RC-B9-0382/2021

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2021 zu dem Fall von Ahmadresa Dschalali im Iran (2021/2785(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, insbesondere jene vom 17. Dezember 2020 zum Iran und insbesondere dem Fall der Sacharow-Preisträgerin 2012, Nasrin Sotudeh(1), vom 19. September 2019 zum Iran, insbesondere zur Lage von Frauenrechtsaktivisten und inhaftierten EU-Bürgern, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen(2), vom 13. Dezember 2018 zum Iran und insbesondere dem Fall Nasrin Sotudeh(3) und vom 31. Mai 2018 zur Lage von inhaftierten Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit (EU/Iran) im Iran(4),

–  unter Hinweis auf die Erklärungen des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zum Iran vom 18. März 2021, in denen die umgehende Freilassung von Dr. Ahmadresa Dschalali gefordert wurde, und vom 25. November 2020, in denen der Iran aufgefordert wurde, die Hinrichtung von Dr. Ahmadresa Dschalali auszusetzen, sowie auf die Stellungnahme der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen vom 24. November 2017 zu Ahmadresa Dschalali (Islamische Republik Iran),

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran vom 26. Oktober 2020, in dem Rechenschaftspflicht mit Blick auf die gewaltsame Niederschlagung von Protesten gefordert wird, und auf seinen Bericht vom 21. Juli 2020 über die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran,

–  unter Hinweis auf den fünften politischen Dialog auf hoher Ebene zwischen der EU und dem Iran vom 9. Dezember 2020,

–  unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zur Todesstrafe, die Leitlinien der EU über Folter und andere Misshandlungen, die Leitlinien der EU in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung – online und offline sowie die Leitlinien der EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, dessen Vertragspartei der Iran ist, und auf die in der Verfassung des Iran verankerten Garantien gegen Folter und willkürliche Inhaftierung,

–  unter Hinweis auf die Präsidentschaftswahl vom 18. Juni 2021 im Iran,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass der schwedische und iranische Staatsangehörige Dr. Ahmadresa Dschalali, der auf Notfallmedizin spezialisiert und Dozent an der Freien Universität Brüssel in Belgien und an der Universität Ostpiemont in Italien ist, am 24. April 2016 von den iranischen Sicherheitskräften festgenommen wurde; in der Erwägung, dass er im Oktober 2017 in einem höchst unfairen Gerichtsverfahren auf der Grundlage eines durch Folter erzwungenen Geständnisses wegen böswilliger Spionage zum Tode verurteilt wurde; in der Erwägung, dass das Urteil am 17. Juni 2018 durch den Obersten Gerichtshof des Iran bestätigt wurde; in der Erwägung, dass er in einem im Gefängnis Ewin in Teheran verfassten Brief erklärte, er sei während einer Reise in den Iran inhaftiert worden, weil er sich geweigert hatte, Institutionen in Europa auszuspionieren; in der Erwägung, dass er von der Staatsanwaltschaft am 24. November 2020 davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass seine Hinrichtung unmittelbar bevorstehe, und dass er anschließend für über 100 Tage bis April 2021 in Einzelhaft genommen und danach in einen der allgemeinen Flügel des Gefängnisses verlegt wurde; in der Erwägung, dass ihm Besuche verweigert wurden und er keine Telefongespräche mit seiner Familie in Schweden führen durfte; in der Erwägung, dass auch seit der Verlegung in einen allgemeinen Flügel das Strafmaß nicht von der Todesstrafe in ein anderes Strafmaß umgewandelt wurde; in der Erwägung, dass er in den vergangenen sieben Monaten nur gelegentlich und zuvor keinerlei Zugang zu seinem Rechtsanwalt hatte;

B.  in der Erwägung, dass die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen im November 2017 zu dem Schluss kam, dass der Freiheitsentzug von Dr. Ahmadresa Dschalali – unter Verstoß gegen die Artikel 3, 5, 8, 9, 10 und 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und die Artikel 7, 9, 10 und 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte – willkürlich ist, und seine Freilassung forderte;

C.  in der Erwägung, dass der Gesundheitszustand von Dr. Ahmadresa Dschalali nach all den Monaten verlängerter Einzelhaft inzwischen kritisch ist; in der Erwägung, dass ihm seit 2016 medizinische Versorgung von außerhalb des Gefängnisses verweigert wird und er sich unter Zwang in einem ständig hell erleuchteten Raum aufhalten muss; in der Erwägung, dass sich sein physischer und psychischer Gesundheitszustand seither stark verschlechtert hat, wobei Symptome wie Schlafmangel, dramatischer Gewichtsverlust und Sprachschwierigkeiten auftreten;

D.  in der Erwägung, dass der Iran bewusst ausländische Staatsangehörige inhaftiert, um ausländische Regierungen zu erpressen; in der Erwägung, dass mindestens ein Dutzend Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats willkürlich im Iran inhaftiert sind; in der Erwägung, dass die französisch-iranische Wissenschaftlerin Fariba Adelkhah, Forschungsleiterin am Institut für politische Studien in Paris, seit Juni 2019 zunächst im Gefängnis Ewin willkürlich inhaftiert war und nun seit Oktober 2020 unter Hausarrest steht; in der Erwägung, dass der französische Fotograf Benjamin Brière seit dem 26. Mai 2020 willkürlich im Gefängnis Maschhad inhaftiert ist und dass er am 30. Mai 2021 wegen Spionage angeklagt wurde; in der Erwägung, dass der deutsch-iranische Staatsangehörige Nahid Taghavi seit Oktober 2020 wegen des zweifelhaften Vorwurfs der Gefährdung der nationalen Sicherheit willkürlich im Gefängnis Ewin inhaftiert ist; in der Erwägung, dass der Iran die doppelte Staatsangehörigkeit nicht anerkennt, was dazu führt, dass der Zugang ausländischer Botschaften zu ihren Bürgern, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, eingeschränkt ist;

E.  in der Erwägung, dass der Iran auch eigene Staatsangehörige willkürlich unter erbärmlichen Haftbedingungen festhält; in der Erwägung, dass die Gerichte den Angeklagten häufig das Recht auf ein faires Verfahren verweigern sowie Rechtsberatung und Besuche durch Konsulate, die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen einschränken; in der Erwägung, dass Urteile häufig auf unbegründeten Anschuldigungen beruhen; in der Erwägung, dass das Justizsystem des Iran und die Richter des Landes bei Weitem nicht unabhängig sind und internationalen Normen nicht genügen; in der Erwägung, dass die Staatsorgane des Iran Foltervorwürfen und Vorwürfen der schwerwiegenden Verletzung der Rechte von Häftlingen nicht nachgehen; in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger mit juristischen Schikanen zum Schweigen gebracht werden sollen;

F.  in der Erwägung, dass der Iran das Land mit der weltweit höchsten Zahl von Hinrichtungen je Einwohner ist;

G.  in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten kontinuierlich diplomatische Gespräche geführt haben, um die Beziehungen zum Iran zu verbessern, was zur Annahme des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans am 18. Oktober 2015 führte; in der Erwägung, dass sich die EU nach wie vor dafür einsetzt, die Beziehungen unter bestimmten Bedingungen zu verbessern; in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenrechte ein entscheidender Baustein für den weiteren Ausbau dieser Beziehungen ist;

1.  fordert den Iran unter seinem neu gewählten Präsidenten Ebrahim Raissi auf, die unmittelbar bevorstehende Hinrichtung des schwedisch-iranischen Wissenschaftlers Dr. Ahmadresa Dschalali auszusetzen, ihn umgehend und bedingungslos zu begnadigen und freizulassen und ihm die Rückkehr zu seiner Familie nach Schweden zu gestatten; verurteilt nachdrücklich, dass er gefoltert, willkürlich inhaftiert und wegen unbegründeter Anschuldigungen, wie sie in der Stellungnahme des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte für willkürliche Inhaftierungen aus dem Jahr 2017 dokumentiert sind, zum Tode verurteilt wurde; fordert den Iran nachdrücklich auf, Dr. Ahmadresa Dschalali bis zur Erfüllung der genannten Forderungen sofort regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie und seinem Rechtsanwalt zu gestatten, seine Sicherheit zu gewährleisten und ihm die dringend benötigte angemessene medizinische Versorgung zuteilwerden zu lassen; fordert den Iran auf, die Familie von Dr. Ahmadresa Dschalali in Schweden und im Iran nicht länger zu bedrohen;

2.  missbilligt die gängige Praxis des Iran, Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten, des Vereinigten Königreichs und anderer Staaten willkürlich zu inhaftieren, um politische Zugeständnisse zu erpressen;

3.  fordert den Iran nachdrücklich auf, alle Anklagepunkte gegen Dr. Ahmadresa Dschalali sowie gegen alle willkürlich inhaftierten Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaats, darunter die deutschen Staatsangehörigen Nahid Taghavi und Jamshid Sharmahd, die französischen Staatsangehörigen Benjamin Brière und Fariba Adelkhah (die nach wie vor einem Reiseverbot unterliegt), die österreichischen Staatsangehörigen Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb und die britischen Staatsangehörigen Morad Tahbaz, Anoosheh Ashoori, Mehran Raoof und Nazanin Zaghari-Ratcliffe (die noch unter Hausarrest steht), umgehend fallenzulassen;

4.  bedauert zutiefst, dass es seit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Dezember 2020 keinem EU-Mitgliedstaat gelungen ist, willkürlich inhaftierte Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats – auch nicht Dr. Ahmadresa Dschalali – zu besuchen; bekräftigt seine dringende Aufforderung an den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) und an die EU-Mitgliedstaaten, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die Hinrichtung von Dr. Ahmadresa Dschalali zu verhindern;

5.  fordert den Rat auf, weitere gezielte Sanktionen in Erwägung zu ziehen, auch das Einfrieren der Vermögenswerte von Amtsträgern und Einrichtungen des iranischen Regimes, die an der willkürlichen Inhaftierung und Verurteilung von Staatsangehörigen von EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind, und zwar – falls Dr. Ahmadresa Dschalali weiter in Haft bleibt – entweder unter Anwendung der derzeitigen Sanktionsregelung der EU gegen den Iran im Bereich der Menschenrechte oder der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (EU-Magnitski-Gesetz);

6.  begrüßt, dass acht iranische Einzelpersonen und drei iranische Einrichtungen am 12. April 2021 wegen ihrer Rolle bei der Tötung von mindestens 303 Demonstranten im Jahr 2019 in die Liste derjenigen aufgenommen wurden, die unter die Sanktionsregelung der EU fallen, wodurch ihre Vermögenswerte eingefroren und Reiseverbote gegen sie verhängt wurden; stellt fest, dass die EU erstmals seit 2013 einen solchen Beschluss gefasst hat;

7.  bekräftigt, dass es die Todesstrafe unter allen Umständen entschieden ablehnt, und betont, dass keine moralische, rechtliche oder religiöse Rechtfertigung für die Todesstrafe herangezogen werden kann; fordert den Iran auf, als Schritt zur Abschaffung der Todesstrafe unverzüglich ein Moratorium einzuführen;

8.  fordert den Iran auf, auch politische Gefangene, einschließlich Menschenrechtsverteidiger, freizulassen, da sie willkürlich allein wegen der Ausübung ihrer Grundrechte auf Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Veröffentlichungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Medienfreiheit inhaftiert wurden; fordert den Iran auf, ordnungsgemäß Ermittlungen gegen die Amtsträger durchzuführen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der Anwendung übermäßiger und tödlicher Gewalt gegen Demonstranten, verantwortlich sind; verurteilt, dass der Iran systematisch das Mittel der verlängerten Einzelhaft einsetzt und so gegen seine internationalen Verpflichtungen verstößt;

9.  fordert den Rat nachdrücklich auf, Menschenrechtsverletzungen in seinen bilateralen Beziehungen zum Iran im Einklang mit der gemeinsamen Erklärung der HR/VP und des iranischen Außenministers vom April 2016 zur Sprache zu bringen; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, im Rahmen des Dialogs auf hoher Ebene zwischen der EU und dem Iran auch künftig Menschenrechtsangelegenheiten zur Sprache zu bringen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, Menschenrechtsverteidiger und insbesondere Menschenrechtsverteidigerinnen besser zu schützen und zu unterstützen, unter anderem durch Nothilfe im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte;

10.  verurteilt aufs Schärfste, dass sich die Menschenrechtslage im Iran stetig verschlechtert, auch und gerade für Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten infolge systematischer politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Diskriminierung; missbilligt die alarmierende Ausweitung der Verhängung der Todesstrafe gegen Demonstranten, Dissidenten und Angehörige von Minderheiten;

11.  fordert den Iran auf, Besuche durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran zuzulassen und uneingeschränkt mit den Sonderverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen und dem Sonderberichterstatter zusammenzuarbeiten;

12.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Obersten Führer und dem Präsidenten der Islamischen Republik Iran und den Mitgliedern des Madschles des Iran zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P9_TA(2020)0376.
(2) ABl. C 171 vom 6.5.2021, S. 17.
(3) ABl. C 388 vom 13.11.2020, S. 127.
(4) ABl. C 76 vom 9.3.2020, S. 139.

Letzte Aktualisierung: 11. November 2021Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen