Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2021 zur Todesstrafe in Saudi-Arabien, insbesondere zu den Fällen Mustafa Haschim al-Darwisch und Abdullah al-Howaiti (2021/2787(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Saudi-Arabien, insbesondere die Entschließungen vom 25. Oktober 2018 zur Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul(1), vom 14. Februar 2019 zu Frauenrechtsaktivisten in Saudi-Arabien(2), vom 8. Oktober 2020 zu der Lage äthiopischer Migranten in Internierungslagern in Saudi-Arabien(3) und vom 11. Februar 2021 zur humanitären und politischen Lage im Jemen(4),
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP), Josep Borrell, vom 10. Dezember 2020, im Rat (Auswärtige Angelegenheiten), in der er die Ansicht vertrat, die Menschenrechte gehörten zur DNA der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (VN-Frauenrechtskonvention),
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,
– unter Hinweis auf die allgemeine regelmäßige Überprüfung Saudi-Arabiens vom November 2018,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,
– unter Hinweis auf die von den Vereinten Nationen angenommenen Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen (Mandela-Regeln),
– unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zur Todesstrafe,
– unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,
– unter Hinweis auf die globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Arabische Charta der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen vom 3. März 2021 zur Umwandlung von Todesurteilen,
– unter Hinweis auf den Bericht der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für außergerichtliche, summarische und willkürliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, vom Juni 2021, in dem festgestellt wird, dass Saudi-Arabien für die „vorsätzliche Hinrichtung“ des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich ist (Bericht Callamard),
– unter Hinweis auf den Bericht der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zur Lage von Menschenrechtsverteidigern, Mary Lawlor, in dem die Ermordung von Menschenrechtsverteidigern in Saudi-Arabien analysiert wird, und der auf der 46. Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen im März 2021 vorgelegt wurde,
– unter Hinweis auf den im Februar 2021 veröffentlichten Bericht des Büros des Direktors des nationalen Nachrichtendienstes, in dem die Rolle der saudischen Regierung bei der Ermordung Jamal Khashoggis bewertet wird,
– unter Hinweis darauf, dass Ludschain al-Hathlul von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats mit dem Václav-Havel-Preis für Menschenrechte 2020 ausgezeichnet wurde,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich das Königreich Saudi-Arabien verpflichtet hat, die Todesstrafe für alle minderjährigen Straftäter bis 2016 ausnahmslos durch neue Rechtsvorschriften abzuschaffen, und diese Verpflichtung in diplomatischen Erklärungen bekräftigt hat; in der Erwägung, dass diese Erklärungen vom saudischen Außenministerium im September 2016 im Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes sowie im August 2018 abgegeben wurden, als es erklärte, dass, wenn das von dem Jugendlichen begangene Verbrechen mit dem Tod geahndet werden könne, die Strafe auf höchstens 10 Jahre Haft in der Anstalt zu verkürzen sei,
B. in der Erwägung, dass das saudi-arabische Jugendgesetz von 2018, das am 31. Juli 2018 per Königlichem Erlass verkündet wurde, in Artikel 15 festlegt, dass, wenn die von dem Minderjährigen begangene Straftat mit dem Tod bestraft werden kann, die Strafe auf eine Freiheitsstrafe von höchstens 10 Jahren reduziert wird; in der Erwägung, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen 2018 im Rahmen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Saudi-Arabiens festgestellt hat, dass das Land bemerkenswerte Fortschritte bei der Förderung der Achtung, des Schutzes und der Wahrung der Rechte des Kindes erzielt habe;
C. in der Erwägung, dass Mustafa Haschim al-Darwisch, ein junger saudi-arabischer Mann und Angehöriger der schiitischen Minderheit, am 15. Juni 2021 wegen Straftaten hingerichtet wurde, die er nach Angaben von Menschenrechtsgruppen als Minderjähriger begangen habe, obwohl das Königreich kürzlich angekündigt hatte, es habe die Todesstrafe für Minderjährige abgeschafft; in der Erwägung, dass er einer längeren Untersuchungshaft, Folter und einem höchst unfairen Gerichtsverfahren ausgesetzt war; in der Erwägung, dass in den Anklagepunkten, die gegen al-Darwisch vorgebracht wurden, nicht das genaue Datum angegeben war, an dem er seine mutmaßlichen Straftaten begangen haben soll, was bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er zum Zeitpunkt der angeblichen Straftaten minderjährig war, und dass daher seine Verurteilung nach den neuen nationalen Gesetzen zur Anwendung der Todesstrafe gegen Personen unter 18 Jahren überprüft werden sollte;
D. in der Erwägung, dass Abdullah al-Howaiti in einem Massenverfahren gegen sechs Personen wegen „bewaffneten Raubüberfalls“ angeklagt wurde; in der Erwägung, dass Abdullah al-Howaiti am 27. Oktober 2019 vom Strafgericht Tabuk (Nord-Saudi-Arabien) zum Tode verurteilt wurde, obwohl seine DNA-Probe erst nach seiner Festnahme entnommen wurde, wodurch seine Identifizierung als möglicher Verdächtiger ungültig war; in der Erwägung, dass al-Howaiti im Mai 2017 im Alter von 14 Jahren festgenommen wurde; in der Erwägung, dass er nach Gerichtsdokumenten vier Monate lang in Einzelhaft festgehalten, bei seiner Vernehmung gefoltert wurde und keinen Kontakt zu seinen Eltern oder zu seinem Anwalt hatte; in der Erwägung, dass er in dieser Zeit nicht in einer Jugendstrafanstalt, sondern in der Strafermittlungseinheit des Gefängnisses von Tabuk festgehalten wurde; in der Erwägung, dass Abdullah al-Howaiti, der zum Zeitpunkt seiner mutmaßlichen Verbrechen 14 Jahre alt war, immer noch in Haft ist und sich in der Todeszelle befindet; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof seinen Fall seit Juni 2021 überprüft;
E. in der Erwägung, dass die saudi-arabischen Behörden am 23. April 2019 sechs minderjährige Straftäter hingerichtet haben, darunter Saeed al-Scafi, Salman al-Quraisch, Abdul Asis al-Sahawi, Abdul Karim al-Hawaj, Abdullah al-Asrih und Mudschtaba al-Swaikat; in der Erwägung, dass derzeit mindestens neun weitere minderjährige Straftäter von Hinrichtung bedroht sind;
F. in der Erwägung, dass derzeit immer noch mindestens 40 Häftlinge in Saudi-Arabien von Hinrichtung bedroht sind; in der Erwägung, dass die Täter in einigen Fällen zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftaten minderjährig waren und es sich in anderen Fällen um friedliche Kritiker handelte, etwa die islamischen Gelehrten Salman al-Odah und Hassan al-Maliki, für die der Staatsanwalt weiterhin die Todesstrafe fordert;
G. in der Erwägung, dass Saudi-Arabien seit vielen Jahren zu den Ländern gehört, in denen weltweit die meisten Hinrichtungen durchgeführt werden; in der Erwägung, dass es seit Januar 2015 mehr als 800 Hinrichtungen gegeben hat, von denen viele wegen gewaltfreier Drogendelikte vollstreckt wurden, während es sich bei anderen um das handelte, was die Behörden als terrorismusbezogene Straftaten bezeichnen, es in Wirklichkeit aber nur friedliche Aktionen waren;
H. in der Erwägung, dass Saudi-Arabien im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 32 Hinrichtungen vollzogen hat, was über der Zahl der Hinrichtungen des gesamten Jahres 2020 lag, und dass Saudi-Arabien seit seiner ersten Zusage, die Todesstrafe für minderjährige Straftäter abzuschaffen, mindestens acht minderjährige Straftäter hingerichtet hat;
I. in der Erwägung, dass nach einem saudischen Königlichen Erlass von 2020 Todesurteile für Personen, die als Minderjährige Straftaten begangen haben, umgewandelt werden sollten; in der Erwägung, dass das Dekret verschiedene Schlupflöcher enthält, die es ermöglichen, dass Minderjährige dennoch hingerichtet werden können, z. B. durch die Ausnahme von Todesurteilen, die als Hudud-Straftaten (Straftaten mit vorher festgelegtem Strafmaß) oder Qisas-Straftaten (Straftaten mit auf Vergeltung basierenden Urteilen) verhängt wurden oder als Verfahren im Rahmen des Gesetzes zur Terrorismusbekämpfung;
J. in der Erwägung, dass Saudi-Arabien die Todesurteile gegen Ali al-Nimr, Dawud al-Marhun und Abdullah al-Sahir für Verbrechen umgewandelt hat, die Experten zuvor als Kriminalisierung der Ausübung von Grundrechten, einschließlich der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, eingestuft haben, und die sie mutmasslich als Minderjährige begangen haben; in der Erwägung, dass sie erneut zu einer Haftstrafe von 10 Jahren, unter Berücksichtigung der verbüßten Zeit, verurteilt wurden; in der Erwägung, dass Experten der Vereinten Nationen ihre Freilassung fordern;
K. in der Erwägung, dass trotz der Ankündigung der saudi-arabischen Menschenrechtskommission betreffend das Moratorium für Todesstrafen bei Drogendelikten im Januar 2021 noch keine Gesetzesänderung veröffentlicht wurde und die Todesstrafe nach wie vor im Ermessen der Richter und der Behörden liegt;
L. in der Erwägung, dass die weltweite Abschaffung der Todesstrafe eines der wichtigsten Ziele der EU-Menschenrechtspolitik ist;
M. in der Erwägung, dass in den letzten Monaten mehrere Menschenrechtsverteidiger in Gerichtsverfahren, die durch einen Mangel an ordnungsgemäßen Verfahren und durch glaubwürdige Foltervorwürfe gekennzeichnet waren, zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden; in der Erwägung, dass Abdurrahman al-Sadhan wegen Aktivitäten im Zusammenhang mit Tweets, in denen er die Regierung kritisierte, zu 20 Jahren Haft und zu einem 20-jährigen Reiseverbot verurteilt wurde; in der Erwägung, dass sein Verfahren unter eklatanter Verletzung der internationalen Garantien für ein faires Verfahren durchgeführt wurde;
N. in der Erwägung, dass die Haftstrafe von Muhammad al-Otaibi, Gründer der Union für Menschenrechte, der sich für die Abschaffung der Todesstrafe und die Stärkung der Rolle der Frau in der Gesellschaft einsetzte, wegen seines friedlichen Engagements im Bereich der Menschenrechte von 14 auf 17 Jahre erhöht wurde;
O. in der Erwägung, dass zahlreiche Frauen, die 2018 bei dem harten Vorgehen gegen FrauenrechtsaktivistInnen festgenommen wurden, nur wegen ihres Engagements für die Menschenrechte zu langen Haftstrafen verurteilt wurden; in der Erwägung, dass die saudi-arabischen Behörden vor Kurzem FrauenrechtsaktivistInnen aus dem Gefängnis entlassen haben, darunter Ludschain al-Hathlul, Nuf Abdulasis, Samar Badawi und Nassima al-Sada; in der Erwägung, dass ihre Urteile nur ausgesetzt wurden und die saudischen Behörden gegen die freigelassenen Menschenrechtsverteidiger Reiseverbote verhängt haben;
P. in der Erwägung, dass der Begriff „Terrorismus“ im Gesetz von 2017 über die Bekämpfung von terroristischen Straftaten und seiner Finanzierung vage definiert ist und dass keine Anwendung von Gewalt erforderlich ist, damit eine Handlung als terroristische Handlung eingestuft werden kann;
Q. in der Erwägung, dass nach Angaben der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen von den saudischen Behörden Missbrauch durch den Einsatz elektronischer Überwachungstechnologien begangen wird; in der Erwägung, dass in der überarbeiteten Ausfuhrkontrollverordnung der EU für Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus dem Jahr 2021 neue Kontrollen der Technologie für digitale Überwachung eingeführt wurden(5);
R. in der Erwägung, dass das Königreich Saudi-Arabien zu den Ländern mit der niedrigsten Ratifizierungsrate wichtiger internationaler Menschenrechtsverträge gehört und keinem der wichtigen Menschenrechtsverträge beigetreten ist, die zum normativen Kern des Rechts auf Leben gehören, wie etwa dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte;
S. in der Erwägung, dass Folter und erniedrigende Behandlung in Gefängnissen weit verbreitete Praktiken in Saudi-Arabien sind und sowohl während der Vernehmung zur Erpressung von Geständnissen als auch als Form der Bestrafung während der Haft eingesetzt werden; in der Erwägung, dass Foltervorwürfe selten untersucht werden;
1. verurteilt aufs Schärfste, dass das Königreich Saudi-Arabien trotz seiner Behauptungen, solche Hinrichtungen abgeschafft zu haben, weiterhin minderjährige Straftäter hinrichtet, einschließlich der jüngsten Hinrichtung von Mustafa Haschim al-Darwisch – für Verbrechen, die möglicherweise begangen wurden, als er minderjährig war – nach seiner Verurteilung in einem unfairen Prozess, bei dem ein Geständnis von ihm unter Folter erzwungen wurde, sowie die Tatsache, dass in Saudi-Arabien derzeit mindestens 40 Gefangene von Hinrichtung bedroht sind, darunter mindestens neun wegen angeblicher Verbrechen, die sie als Minderjährige begangen haben sollen, sowie friedliche Kritiker der Regierung;
2. fordert Saudi-Arabien auf zu bestätigen, dass Abdullah al-Huwaiti, Muhammad al-Faradsch und alle anderen minderjährigen Straftäter, die derzeit in der Todeszelle sitzen, nicht hingerichtet werden, dass unter Folter erpresste „Geständnisse“ in ihren Fällen nicht verwertet werden und dass allen minderjährigen Straftätern ein fairer Prozess ohne Verhängung der Todesstrafe zugestanden wird; fordert, dass den Vorwürfen von Abdullah al-Huwaiti, gefoltert worden zu sein, nachgegangen wird und dass alle Täter vor Gericht gestellt werden;
3. fordert Saudi-Arabien nachdrücklich auf, die Todesstrafe für minderjährige Straftäter gemäß seinen Verpflichtungen nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes wirklich abzuschaffen, und zwar unabhängig von der Art der Straftat, einschließlich Tazir-Straftaten (Straftaten, bei denen die Bestrafung im Ermessen des Gerichts steht) sowie Hudud- und Qisas-Straftaten, derer mindestens vier minderjährige Angeklagte – mit der Androhung der Todesstrafe – angeklagt sind; fordert Saudi-Arabien auf, seinen Königlichen Erlass aus dem Jahr 2020 zu veröffentlichen, um minderjährigen Straftätern– wie von den saudischen Behörden zugesagt – vollen und rückwirkenden Schutz zu gewähren, und sein Jugendstrafrecht mit internationalen Standards in Einklang zu bringen;
4. wiederholt seine Verurteilung der Anwendung der Todesstrafe in jedem Fall und unter allen Umständen; fordert Saudi-Arabien auf, ein Moratorium für Hinrichtungen bis zu deren Abschaffung zu verhängen und eine unabhängige Überprüfung aller Fälle in seinem Strafrechtssystem vorzunehmen, in denen die Todesstrafe für im Kindesalter begangene Verbrechen verhängt wurde oder auf Geständnissen beruht, die unter Folter erpresst wurden, oder in denen es kein faires Verfahren gab, und die Ergebnisse der Überprüfung zu veröffentlichen; fordert einen internationalen und nationalen Dialog über die verbleibenden Hindernisse für die Abschaffung der Todesstrafe für alle minderjährigen Straftäter, um den Weg für die vollständige Abschaffung der Todesstrafe in Saudi-Arabien zu ebnen;
5. begrüßt die jüngste Entscheidung der Behörden, die gegen Ali al-Nimr, Dawud al-Marhun und Abdullah al-Sahir verhängten Todesurteile für Verbrechen, die sie als Minderjährige begangen haben sollen, umzuwandeln, als einen notwendigen Schritt zur Einhaltung der nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Saudi-Arabiens, insbesondere im Rahmen des Übereinkommens über die Rechte des Kindes; fordert ihre Freilassung im Einklang mit den Forderungen von Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen, da diese Experten ihre Verbrechen zuvor als Kriminalisierung der Ausübung von Grundrechten, einschließlich der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, eingestuft haben;
6. fordert die saudischen Behörden auf, die Fälle aller Gefangenen, die derzeit zum Tode verurteilt sind, mit dem Ziel zu überprüfen, ihre Urteile umzuwandeln oder einen neuen und fairen Prozess zu gewähren, in dem die Todesstrafe nicht verhängt wird;
7. fordert die EU-Delegation und die diplomatischen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten in Saudi-Arabien nachdrücklich auf, beharrlich darum zu ersuchen, in der Todeszelle sitzende minderjährige Straftäter besuchen zu dürfen;
8. fordert den Rat nachdrücklich auf, alle EU-Ausfuhren von Massenüberwachungstechnologie und anderen Gütern mit doppeltem Verwendungszweck nach Saudi-Arabien auszusetzen, die dazu verwendet werden können, die interne Repression zu erleichtern und die Zivilgesellschaft mundtot zu machen; betont die besondere Verantwortung von IT-Sicherheitsunternehmen sowie von nationalen Nachrichtendiensten, die in der EU tätig sind, und ihre moralische und rechtliche Verpflichtung, zu vermeiden, in eine Situation zu geraten, in der ihre derzeitigen oder ehemaligen Mitarbeiter Saudi-Arabien bei der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung unterstützen, indem sie indirekt oder direkt für saudische Behörden arbeiten, um internen Dissens und Meinungsfreiheit zu unterdrücken;
9. fordert die saudische Regierung nachdrücklich auf, ihren Verpflichtungen aus dem Übereinkommen gegen Folter, das sie ratifiziert hat, nachzukommen, und empfiehlt dem Königreich Saudi-Arabien dringend, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und das zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte mit dem Ziel der Abschaffung der Todesstrafe zu ratifizieren;
10. verurteilt nachdrücklich die Praxis harter Haftstrafen für Menschenrechtsverteidiger, friedliche Kritiker und Aktivisten und bekräftigt seine Solidarität mit der wichtigen Arbeit von Menschenrechtsverteidigern und die Notwendigkeit, die Rede- und Meinungsfreiheit zu schützen;
11. fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtsverteidiger, friedlichen Kritiker und Aktivisten, einschließlich Abdurrahman al-Sadhan, Muhammad al-Otaibi, Chalid al-Umair, Muhammad al-Rabia, Israa al-Ghomgham, Mussa al-Haschim, Ahmad al-Matrud, Chaled al-Ghanim, Ali al-Uwaischir, Mudschtaba al-Musain, Walid Abu al-Chair, Abdulasis al-Schubaili, Issa al-Nuchaifi und Nathir al-Madschid;
12. fordert die unbeschränkte Freiheit von Menschenrechtsverteidigern, die vorübergehend freigelassen wurden, aber immer noch Einschränkungen unterliegen, wie Ludschain al-Hathlul, unter anderem durch die Aufhebung von Reiseverboten für sie und ihre Familien, die Aufhebung von Arbeitsverboten, die Verminderung der Online-Überwachung und die Wiederherstellung ihrer vollen Rechte als Bürger;
13. erinnert daran, dass der Sacharow-Preisträger Raif Badawi nun schon seit neun Jahren in Haft ist; fordert die EU, die Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf die saudische Regierung zu erhöhen und auf seine sofortige Freilassung hinzuwirken;
14. betont, dass die Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit nach internationalen Menschenrechtsnormen geschützt ist; fordert die saudi-arabischen Behörden mit Nachdruck auf, Menschenrechtsverteidigern auferlegte Restriktionen aufzuheben, mit denen diesen verboten wird, sich in den sozialen Medien oder gegenüber den internationalen Medien zu äußern;
15. äußert sich besorgt über die Praxis der geheimen Anhörungen; besteht darauf, dass diplomatische Vertretungen, einschließlich Beobachter der EU-Delegation in Saudi-Arabien oder der EU-Institutionen, und internationale Nichtregierungsorganisationen den Anhörungen beiwohnen und saudische Gefängnisse besuchen dürfen müssen um sicherzustellen, dass ordnungsgemäße und faire Gerichtsverfahren ablaufen;
16. fordert die Regierung Saudi-Arabiens auf, uneingeschränkt mit den Gremien der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten und eine ständige Einladung für den Besuch aller Sonderverfahren des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen auszusprechen und proaktiv zu kooperieren, insbesondere mit den Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung;
17. ist zutiefst besorgt über die vage Definition des Begriffs „Terrorismus“ im Anti-Terror-Gesetz des Landes; verurteilt den Einsatz des Spezialisierten Strafgerichts, eines Gerichts, das sich mit Angelegenheiten im Zusammenhang mit Terrorismus befassen soll, als Instrument zur Bestrafung von Menschenrechtsverteidigern;
18. fordert die saudische Regierung auf, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu ratifizieren;
19. bekräftigt, wie wichtig Instrumente wie der Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Saudi-Arabien sind, um die weiteren Gespräche voranzutreiben, und fordert nachdrücklich seine unverzügliche Aktivierung; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und alle EU-Delegationen, die an dem Dialog teilnehmen, nachdrücklich auf, vor dem Dialog mit der Zivilgesellschaft in Kontakt zu treten, um aktuelle Informationen und Kenntnisse über spezifische Fälle, die angesprochen werden sollen, zu erhalten; empfiehlt die Verwendung von Benchmarks, um den Fortschritt der Gespräche zu messen;
20. verurteilt die Tatsache, dass das politische System Saudi-Arabiens nach wie vor zutiefst undemokratisch ist und die meisten abweichenden Meinungen trotz der Ankündigung ehrgeiziger menschenrechtsbezogener Reformen weiterhin massiv unterdrückt; betont, dass die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi auf dem Gelände des saudischen Konsulats in Istanbul am 2. Oktober 2018 eine abschreckende Botschaft für alle kritischen Stimmen in Saudi-Arabien bleibt, darunter viele, die derzeit wegen ihres friedlichen Aktivismus inhaftiert sind; unterstützt nachdrücklich die Anwendung der weltweiten Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte gegen diejenigen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien verantwortlich sind, einschließlich des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi; fordert die internationale Gemeinschaft auf, dem Callamard-Bericht, der den saudischen Kronprinzen Muhammad bin Salman belastet, gründlich nachzugehen;
21. fordert die Mitgliedstaaten und den Präsidenten des Rates sowie den Vizepräsidenten/Hohen Vertreter und den EAD auf, bei allen formellen und informellen Treffen mit ihren saudischen Gesprächspartnern Menschenrechtsbelange, insbesondere die Todesstrafe, anzusprechen; bedauert die zurückhaltende Vorgehensweise der EU bei der öffentlichen Diplomatie zu Menschenrechten gegenüber Saudi-Arabien; ersucht daher die europäischen diplomatischen Dienste in Riad und anderswo in Saudi-Arabien darum, systematisch die in den Leitlinien der EU zu Menschenrechtsverteidigern vorgesehenen Mechanismen zu nutzen, darunter öffentliche Erklärungen, diplomatische Demarchen, Beobachtung von Prozessen und Gefängnisbesuche;
22. fordert die EU auf, alle Maßnahmen des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen zu unterstützen, die darauf abzielen, die Behörden des Königreichs Saudi-Arabien für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen; fordert die EU auf, auf der nächsten Tagung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen die Ernennung eines Sonderberichterstatters für die Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien vorzuschlagen;
23. fordert die EU-Delegation und die Vertretungen der Mitgliedstaaten im Land auf, bei ihren Kontakten mit den saudischen Behörden die Zivilgesellschaft stärker zu unterstützen, alle verfügbaren Instrumente zu nutzen, um ihre Unterstützung für die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern auszuweiten, gegebenenfalls die Ausstellung von Notfallvisa zu ermöglichen und vorübergehenden Schutz in den EU-Mitgliedstaaten zu gewähren;
24. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Kommission für die Rechtsstellung der Frau, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, S.M. König Salman bin Abdulaziz al-Saud und Kronprinz Mohammad bin Salman al-Saud, der Regierung des Königreichs Saudi-Arabien und dem Generalsekretär des Zentrums für nationalen Dialog des Königreichs Saudi-Arabien zu übermitteln.