Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zur Lage im Libanon (2021/2878(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Libanon, insbesondere seine Entschließung vom 22. Mai 2008 zur Lage im Libanon(1),
– unter Hinweis auf die früheren Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolutionen 1559 (2004), 1701 (2006), 2539 (2020) und 2591 (2021),
– unter Hinweis auf das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits(2),
– unter Hinweis auf den Beschluss 2007/860/EG des Rates vom 10. Dezember 2007 über eine Makrofinanzhilfe der Gemeinschaft für Libanon(3),
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der EU-Wahlbeobachtungsmission im Libanon 2018,
– unter Hinweis auf die im Rahmen der Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon im November 2016, der CEDRE-Konferenz vom 6. April 2018, des Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmens (3RF) des Libanon im Dezember 2020 und der Treffen der Internationalen Unterstützungsgruppe für den Libanon vom 11. Dezember 2019, 23. September 2020 und 19. Mai 2021 vereinbarten Verpflichtungen,
– unter Hinweis auf die Erklärung des für Krisenmanagement zuständigen Mitglieds der Kommission Janez Lenarčič vom 5. August 2020 zur Explosion in Beirut,
– unter Hinweis auf die Internationale Konferenz zur Hilfe und Unterstützung von Beirut und der libanesischen Bevölkerung vom 9. August 2020 und die Konferenz zur Unterstützung der libanesischen Bevölkerung vom 2. Dezember 2020, die von Frankreich und den Vereinten Nationen organisiert wurde,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Internationalen Unterstützungsgruppe für den Libanon vom 23. September 2020,
– unter Hinweis auf die im Namen der EU abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 28. September 2020 zum Rücktritt des designierten Ministerpräsidenten des Libanon,
– unter Hinweis auf den Bericht über den Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmen (3RF) des Libanon, der im Dezember 2020 von der EU, den Vereinten Nationen und der Weltbank angenommen wurde,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 7. Dezember 2020 zum Libanon,
– unter Hinweis auf den „Lebanon Economic Monitor“ (LEM) der Weltbank vom 1. Juni 2021 und die zeitnahe Schadens- und Bedarfsabschätzung in Beirut (RDNA), die von der Weltbankgruppe in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und den Vereinten Nationen erstellt wurden,
– unter Hinweis auf die Erklärungen und Bemerkungen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) Josep Borrell vom 19. Juni 2021 während seines Besuchs in dem Land,
– unter Hinweis auf die Erklärung des VP/HR Josep Borrell vom 16. Juli 2021 zum Rücktritt des designierten Ministerpräsidenten Saad Hariri,
– unter Hinweis auf die Aufforderung des Vorsitzenden des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, David McAllister, und der Vorsitzenden der Delegation für die Beziehungen zu den Maschrik-Ländern, Isabel Santos, vom 16. Juli 2021 an die libanesische politische Führung, einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation nach dem Rücktritt des designierten Ministerpräsidenten zu finden,
– unter Hinweis auf die Pressemitteilung von UNICEF vom 23. Juli 2021 mit dem Titel „Lebanon: Public water system on the verge of collapse, UNICEF warns“ (Libanon: UNICEF warnt vor dem Zusammenbruch des öffentlichen Wasserversorgungssystems),
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 26. Juli 2021 zum Verfahren der Regierungsbildung,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Ko-Vorsitzenden der zweiten Sitzung der Beratenden Gruppe 3RF vom 28. Juli 2021,
– unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2021/1277 des Rates vom 30. Juli 2021 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libanon(4),
– unter Hinweis auf die Erklärung des VP/HR Josep Borrell vom 3. August 2021 zum ersten Jahrestag der Explosion im Hafen von Beirut,
– unter Hinweis auf die Konferenz zur Unterstützung der libanesischen Bevölkerung, die am 4. August 2021 per Videokonferenz stattfand, und auf die während der Konferenz abgegebene Erklärung des VP/HR Josep Borrell,
– unter Hinweis auf das Schreiben des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 4. August 2021 an den Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Verlängerung des Mandats der Interimstruppe der Vereinten Nationen in Libanon (UNIFIL),
– unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Rates vom 4. August 2021 auf der dritten internationalen Konferenz zur Unterstützung der Menschen im Libanon, die auf die gemeinsame Einladung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und des Präsidenten der Französischen Republik abgehalten wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des EAD vom 7. August 2021, in der der Abschuss von Raketen aus dem Südlibanon verurteilt wird,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres, vom 26. August 2021 zur Verschlechterung der sozioökonomischen Lage im Libanon,
– unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 1/2016 des Assoziationsrates EU-Libanon vom 11. November 2016 über die Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon und den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den im Namen der Europäischen Union in dem durch das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits eingesetzten Assoziationsrat im Hinblick auf eine Verlängerung der Gültigkeit der Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon bis zur Verabschiedung neuer aktualisierter gemeinsamer Dokumente durch die EU und Libanon zu vertretenden Standpunkt (COM(2021)0406),
– unter Hinweis auf die Zwischenfälle von August bis September 2019, vom 14. April 2020, 17. April 2020, 27. Juli 2020, Mai 2021, 20. Juli 2021 und vom 4. bis 6. August 2021, die sich über die Blaue Linie hinweg ereigneten,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung vom 9. Februar 2021 mit dem Titel „Erneuerte Partnerschaft mit der südlichen Nachbarschaft – Eine neue Agenda für den Mittelmeerraum“ (JOIN(2021)0002),
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die derzeitige Lage im Libanon aufgrund der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und gesundheitlichen Krise sowie des Zusammenbruchs der Institutionen äußerst alarmierend und zutiefst besorgniserregend ist; in der Erwägung, dass der Libanon ein enger und wichtiger Partner der Europäischen Union ist; in der Erwägung, dass diese Partnerschaft auf gemeinsamen Interessen, langjährigen historischen und kulturellen Bindungen, einem regelmäßigen politischen und sozialen Dialog und weitreichenden persönlichen Kontakten beruht;
B. in der Erwägung, dass der Libanon über eine dynamische Zivilgesellschaft mit zahlreichen Aktivisten, führenden Vertretern von Gemeinschaften, Akademikern, Künstlern und Jugendgruppen verfügt, die sich mobilisieren und dringende Reformen fordern;
C. in der Erwägung, dass die Lage im Libanon kritisch war und Ende 2019 zu einer Finanzkrise führte; in der Erwägung, dass es bereits am 17. Oktober 2019 zu Massenprotesten kam, die auch als die Oktoberrevolution des Libanon bekannt sind und bei denen die Menschen soziale und wirtschaftliche Rechte, Rechenschaftspflicht, ein Ende der Korruption und den Rücktritt aller politischen Vertreter forderten; in der Erwägung, dass der frühere libanesische Ministerpräsident Saad Hariri am 29. Oktober 2019 den Rücktritt der Regierung ankündigte;
D. in der Erwägung, dass am 4. August 2020 eine verheerende Explosion von Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut mehr als 200 Todesopfer und mehr als 6 500 Verletzte forderte und mehr als 74 000 Häuser beschädigt wurden und somit 300 000 Menschen unmittelbar betroffen waren; in der Erwägung, dass in der Folge der frühere Ministerpräsident Hassan Diab zurücktrat; in der Erwägung, dass ein Jahr nach der Explosion die Untersuchung der Ursachen der Explosion vor allem aufgrund von Korruption noch nicht abgeschlossen ist, und die Verantwortlichen nicht ermittelt und zur Rechenschaft gezogen worden sind; in der Erwägung, dass ein am 3. August 2021 veröffentlichter Bericht von Human Rights Watch sich mit Belegen dafür befasst, dass offizielle Stellen eine Mitschuld an der Explosion trifft; in der Erwägung, dass am 4. August 2021 erneut ein Massenprotest auf den Straßen in Beirut stattfand, bei dem Rechenschaft für die Explosion im Hafen gefordert wurde; in der Erwägung, dass aus enthüllten amtlichen Dokumenten hervorgeht, dass die libanesischen Zoll-, Militär- und Sicherheitsbehörden sowie die Justiz die aufeinanderfolgenden Regierungen in den vergangenen sechs Jahren mindestens zehnmal vor dem gefährlichen Vorrat an explosiven Chemikalien im Hafen von Beirut gewarnt haben, jedoch keine Maßnahmen ergriffen wurden; in der Erwägung, dass die zentralen politischen Persönlichkeiten des Libanon die örtliche Untersuchung der anschließenden Explosion behindert haben, indem Behörden den ersten Untersuchungsrichter absetzten, nachdem er politische Persönlichkeiten zu Befragungen vorgeladen hatte, und den Antrag des zweiten Untersuchungsrichters zur Aufhebung der Immunität von verdächtigten Mitgliedern des Parlaments und zur Befragung von hochrangigen Mitgliedern der Sicherheitskräfte ablehnten;
E. in der Erwägung, dass Korruption eines der größten Probleme ist, die die Entwicklung und den Wohlstand des Libanon behindern sowie die Entfremdung vom politischen System steigern und das Misstrauen gegenüber diesem System schüren; in der Erwägung, dass Korruption weit verbreitet ist und alle Ebenen der Gesellschaft durchdringt, was sich in den globalen und durchschnittlichen Leistungswerten des Landes in den meisten Bereichen der Staatsführung widerspiegelt; in der Erwägung, dass die nationale Korruptionsbekämpfungsbehörde immer noch nicht funktionsfähig ist, da die Ernennung ihrer Kommissare noch aussteht;
F. in der Erwägung, dass im Libanon nach drei designierten Ministerpräsidenten – Mustafa Adib, Saad Hariri und Nadschib Miqati – am 10. September 2021 endlich eine Regierung gebildet wurde; in der Erwägung, dass die neue Regierung dringend das notwendige Paket politischer Maßnahmen für tiefgreifende Reformen vorlegen muss, damit der Libanon die Korruption bekämpfen und seine Stabilität, Einheit, Souveränität, politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität wahren kann;
G. in der Erwägung, dass im Libanon für Mai und Oktober 2022 Kommunal-, Parlaments- bzw. Präsidentschaftswahlen angesetzt sind; in der Erwägung, dass es für alle politisch Verantwortlichen von entscheidender Bedeutung ist, den Wahlzeitplan für 2022 einzuhalten und integrative, transparente und faire Wahlen mit gleichem Zugang zu Wahlkampagnen für alle und Zugang zur Stimmabgabe für alle libanesischen Bürger sicherzustellen, einschließlich derjenigen, die außerhalb des Landes wohnen, wie es das jüngste, 2017 verabschiedete Wahlgesetz erlaubt und wie es die libanesische Verfassung vorsieht; in der Erwägung, dass die Aufsichtskommission für Wahlen nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um ihr Mandat zu erfüllen, was Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Fairness des Wahlkampfs und der für das nächste Jahr geplanten Wahlen aufkommen lässt;
H. in der Erwägung, dass die EU unmittelbar nach der schweren Explosion gemeinsam mit der Weltbank und den Vereinten Nationen eine zeitnahe Schadens- und Bedarfsabschätzung vorgenommen hat, um zu beurteilen, wie sehr die Bevölkerung, Sachwerte, die Infrastruktur und die Bereitstellung von Dienstleistungen betroffen sind; in der Erwägung, dass dabei u. a. festgestellt wurde, dass die Schäden bei 3,8 bis 4,6 Mrd. USD liegen, wobei die Bereiche Wohnraum und Kultur am stärksten betroffen sind, dass die Verluste zwischen 2,9 und 3,5 Mrd. USD liegen, wobei der Bereich Wohnraum am stärksten betroffen ist, gefolgt von Verkehr und Kultur, und dass 1,8 bis 2 Mrd. USD für vorrangige Sanierungs- und Wiederaufbaumaßnahmen benötigt werden, wobei der Bedarf im Verkehrsbereich am höchsten ist, gefolgt von Kultur und Wohnraum; in der Erwägung, dass das wichtigste Ergebnis die Schaffung des Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmens (3RF) ist, der gemeinsam mit der libanesischen Regierung verwaltet wird; in der Erwägung, dass Fortschritte bei den Reformen im Rahmen des 3RF aufgrund des monatelangen Stillstands bei der Regierungsbildung ausblieben; in der Erwägung, dass das größte libanesische Elektrizitätsversorgungsunternehmen „Electricité du Liban“ im Mai 2021 mitteilte, es verfüge nicht mehr über ausreichend Geld, um Brennstoff zu kaufen; in der Erwägung, dass der Libanon sich derzeit an mehrere Länder wendet, um seinen unmittelbaren Energiebedarf zu decken;
I. in der Erwägung, dass trotz der Aussetzung der Rechtsvorschriften über das Bankgeheimnis keine Fortschritte bei der forensischen Prüfung der Zentralbank erzielt wurden; in der Erwägung, dass nach Berichten über eine Schweizer Untersuchung von Transaktionen, an denen der Präsident der Zentralbank, Riad Salama, und sein Bruder beteiligt gewesen sein sollen, die libanesische Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet hat und die französische Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren zu den Vorwürfen der Geldwäsche in Bezug auf Riad Salama eröffnet hat; in der Erwägung, dass der Präsident der Zentralbank alle Vorwürfe bestreitet;
J. in der Erwägung, dass sich die EU durch Wirtschaftshilfe für die Unterstützung der Stabilität und Einheit des Landes einsetzt; in der Erwägung, dass die EU umfangreiche Hilfe zur Bewältigung der unmittelbaren Folgen und zur Deckung der unmittelbaren Bedürfnisse nach der Explosion geleistet hat; in der Erwägung, dass sie 33 Mio. EUR für Soforthilfe und mehr als 250 Rettungskräfte aus den EU-Mitgliedstaaten mobilisiert hat; in der Erwägung, dass die EU dem Libanon allein im Jahr 2021 55,5 Mio. EUR an humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt hat; in der Erwägung, dass im Sommer 2021 weitere 5,5 Mio. EUR freigegeben wurden, um die COVID-19-Maßnahmen des Libanon zu unterstützen; in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten seit 2011 24 Mrd. EUR aufgebracht haben;
K. in der Erwägung, dass die bereits bestehende allgemeine Krise im Libanon, wo Korruption in allen Ebenen der Gesellschaft allgegenwärtig ist, durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft wird; in der Erwägung, dass sowohl gefährdete als auch nicht gefährdete Gruppen stark betroffen sind; in der Erwägung, dass seit Beginn der Pandemie mehr als 610 000 Coronavirus-Fälle und 8 150 Todesfälle im Libanon verzeichnet wurden; in der Erwägung, dass es sich bei den von der Explosion am stärksten betroffenen Stadtteilen um Dschammaisa im Viertel Aschrafija, Mar Michail und Remeil im Viertel Medawar handelte und dass die historische gesellschaftliche Struktur, das gesellschaftliche Gefüge und der gesellschaftliche Zusammenhalt des Libanon dadurch beeinträchtigt werden könnte, dass für jene Menschen, deren Häuser zerstört wurden, heute keine alternativen Unterbringungsmöglichkeiten bestehen;
L. in der Erwägung, dass mit dem Beschluss des Rates vom 30. Juli 2021 ein Rahmen für gezielte Sanktionen gegen Personen und Einrichtungen, die für die Aushöhlung der Demokratie oder der Rechtsstaatlichkeit im Libanon verantwortlich sind, geschaffen wurde; in der Erwägung, dass diese Sanktionen unter anderem ein Verbot der Einreise in die EU und das Einfrieren von Vermögenswerten im Fall einer dauerhaften Behinderung der Regierungsbildung oder der ernsthaften Untergrabung der Abhaltung von Wahlen, im Fall der Behinderung oder Untergrabung der Umsetzung von Vorhaben, die von den libanesischen Behörden gebilligt und von der EU unterstützt werden, um die Rechenschaftspflicht und die verantwortungsvolle Führung, auch im Banken- und Finanzsektor, zu verbessern, oder im Fall von schwerwiegendem finanziellem Fehlverhalten im Zusammenhang mit öffentlichen Mitteln, Handlungen, die unter das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption fallen, und unerlaubter Kapitalausfuhr umfassen;
M. in der Erwägung, dass die Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien der Vereinten Nationen festgestellt hat, dass die Armutsquote pro Kopf zwischen 2019 und 2020 bereits von 28 % auf 55 % gestiegen ist; in der Erwägung, dass sich die Quote der multidimensionalen Armut im Libanon mit einem Anstieg von 42 % im Jahr 2019 auf 82 % im Jahr 2021 fast verdoppelt hat und dass heute 34 % der Bevölkerung von extremer multidimensionaler Armut betroffen sind; in der Erwägung, dass die Arbeitslosenquote auf über 40 % der Erwerbstätigen gestiegen ist und ein zunehmender Anteil der Haushalte Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Nahrung, Wasser und Gesundheitsversorgung hat; in der Erwägung, dass die Weltbank in ihrem „Lebanon Economic Monitor“ von Juni 2021 feststellt, dass der Libanon in einer schweren und anhaltenden wirtschaftlichen Depression steckt, die zu den schwersten Krisen gehören dürfte, die die Welt seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt hat;
N. in der Erwägung, dass der Krieg im benachbarten Syrien viele zur Flucht in den Libanon gezwungen hat, der – neben rund 15 800 beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) registrierten Flüchtlingen äthiopischer, irakischer, sudanesischer und anderer Herkunft sowie etwa 207 700 palästinensischen Flüchtlingen – schätzungsweise 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat; in der Erwägung, dass dem Welternährungsprogramm zufolge im Jahr 2021 22 % der libanesischen Staatsangehörigen, 50 % der Flüchtlinge aus Syrien und 33 % der Flüchtlinge anderer Nationalitäten von Ernährungsunsicherheit betroffen sind; in der Erwägung, dass der Libanon eines von zwei Ländern im Nahen Osten ist, in denen es eine große Zahl von Migranten gibt, die als Hausangestellte arbeiten und die dem Kafala-System unterliegen; in der Erwägung, dass die EU seit 2011 über verschiedene Instrumente, wie den Regionalen Treuhandfonds der Europäischen Union als Reaktion auf die Syrien-Krise und das Europäische Nachbarschaftsinstrument (ENI), 2,4 Mrd. EUR zur Unterstützung syrischer und palästinensischer Flüchtlinge bereitgestellt hat;
O. in der Erwägung, dass die libanesische Regierung im April 2020 einen Wirtschaftsplan gebilligt und ein IWF-Programm auf der Grundlage der erforderlichen Reformen beantragt hat; in der Erwägung, dass die Gespräche mit dem IWF noch nicht abgeschlossen sind; in der Erwägung, dass der Libanon nach Ansicht des IWF dringend umfassende Reformen einleiten muss, um die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen, die Staatsverschuldung umzustrukturieren, das Bankensystem zu sanieren, das soziale Sicherheitsnetz auszuweiten, staatliche Unternehmen zu reformieren und die Staatsführung zu verbessern; in der Erwägung, dass der IWF Sonderziehungsrechte in Höhe von 860 Mio. USD zugewiesen hat, um die erschöpften Reserven des Landes aufzufüllen und seine zahlreichen dringenden Bedürfnisse zu finanzieren; in der Erwägung, dass der Finanzausschuss des libanesischen Parlaments die von der Regierung geplante Gläubigerbeteiligung, die es ermöglicht hätte, die Ersparnisse von 98 % der Bevölkerung durch die Garantie der Vermögenswerte von Bankkonten mit Ersparnissen von weniger als 500 000 USD zu erhalten, abgelehnt hat; in der Erwägung, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) angesichts der Kritik der Mitglieder des Parlaments an dem Wiederaufbauplan drei Erklärungen veröffentlicht hat, in denen er den von der Regierung vorgeschlagenen Plan unterstützte; in der Erwägung, dass die Mitglieder des Parlaments, die den Wiederaufbauplan abgelehnt haben, aufgrund ihrer Beziehungen als Anteilseigner libanesischer Banken oder zu deren Anteilseignern ein persönliches Interesse am Schutz der Interessen dieser Banken haben;
P. in der Erwägung, dass Artikel 534 des libanesischen Strafgesetzbuchs nach wie vor herangezogen wird, um LGBTI-Personen strafrechtlich zu verfolgen und festzunehmen; in der Erwägung, dass in einigen Gebieten des Landes Männer, die im Verdacht stehen, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu führen, routinemäßig festgenommen und auf Polizeirevieren erniedrigend behandelt werden;
Q. in der Erwägung, dass das libanesische Parlament am 30. Juni 2021 ein Gesetz über einen Sonderkredit in Höhe von 556 Mio. USD zur Finanzierung eines Lebensmittelkartensystems verabschiedet hat, das Bargeldhilfe zur Unterstützung der bedürftigsten Familien bereitstellt und das derzeitige Subventionssystem ersetzt; in der Erwägung, dass bei der Einführung der Lebensmittelkarten nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vorgegangen werden sollte;
R. in der Erwägung, dass das Europa-Mittelmeer-Abkommen auf der Achtung der demokratischen Grundsätze und der grundlegenden Menschenrechte beruht, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind, die ein wesentliches Element des Abkommens darstellt;
S. in der Erwägung, dass mit der letzten Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zum Libanon, der Resolution 2591 (2021), die am 30. August 2021 einstimmig angenommen wurde, das Mandat der UNIFIL um ein weiteres Jahr verlängert und erneut auf die Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands im Einklang mit den in der Resolution 1701 (2006) dargelegten Grundsätzen und Aspekten hingewiesen wird;
T. in der Erwägung, dass die Neutralität des Libanon der Schlüssel zu seiner künftigen Stabilität ist; in der Erwägung, dass ein stabiler, uneingeschränkt souveräner, geeinter und demokratischer Libanon für die Stabilität, die Sicherheit und die friedliche Entwicklung des gesamten Nahen Ostens von ausschlaggebender Bedeutung ist; in der Erwägung, dass die vor kurzem gebildete Regierung und ihre Minister politische Unabhängigkeit erlangen und sich jeglicher Einflussnahme von außen durch Länder in der Nachbarschaft des Libanon oder weiter entfernte Länder widersetzen müssen; in der Erwägung, dass Einflussnahmen von außen der Entwicklung und der Stabilität des Libanon abträglich sind; in der Erwägung, dass die Hisbollah nach wie vor wichtige Ministerien in der libanesischen Regierung unter ihrer Kontrolle hat; in der Erwägung, dass die Hisbollah von mehreren EU-Mitgliedstaaten als terroristische Organisation eingestuft wird; in der Erwägung, dass die Hisbollah wiederholt ihre starke ideologische Verbundenheit mit dem Iran unter Beweis gestellt hat, was die libanesische Regierung und ihren dringend benötigten Zusammenhalt destabilisiert;
1. ist der Ansicht, dass die derzeitige Lage im Libanon eine von Menschen verursachte Katastrophe ist, die von einer Handvoll Männern der regierenden politischen Klasse verursacht wurde; nimmt zur Kenntnis, dass nach 13 Monaten politischen Stillstands vor kurzem eine Regierung gebildet wurde; bedauert, dass dem neuen Kabinett nur eine Frau angehört; fordert die libanesische Führung nachdrücklich auf, ihre Versprechen einzuhalten und eine funktionierende Regierung zu bilden, die aufgabenorientiert, glaubwürdig und rechenschaftspflichtig ist, die sich nicht in parlamentarische Differenzen verstrickt und die frei von ausländischem Einfluss ist; ist der Auffassung, dass die Durchsetzung der Rechenschaftspflicht, die Wahrung freier und fairer Wahlen und die Bereitstellung grundlegender öffentlicher Dienste vor jeglichen persönlichen Belangen der politischen Klasse des Libanon Vorrang haben müssen; weist darauf hin, dass die Wahlen im Mai 2022 angesichts des politischen Stillstands und der zunehmend dysfunktionalen staatlichen Institutionen auf keinen Fall verschoben werden dürfen und den internationalen demokratischen Standards der Freiheit, Fairness und Transparenz genügen müssen;
2. fordert die libanesischen Behörden auf, Monate vor den Wahlen die Entsendung einer Wahlbeobachtungsmission oder alternativ, wenn dies für erforderlich erachtet wird, einer Wahlexpertenmission durch den HR/VP zu beantragen; fordert die neue libanesische Regierung auf, die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission aus dem Jahr 2018 in vollem Umfang umzusetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sämtliche technische und finanzielle Unterstützung zu leisten, damit die Wahlen unter den bestmöglichen Bedingungen stattfinden können, und sich um die Sicherstellung der Fairness und Transparenz des gesamten Verfahrens zu bemühen; fordert die neue libanesische Regierung mit Nachdruck auf, die Aufsichtskommission für Wahlen mit allen erforderlichen Mitteln, Mitarbeitern und Ausrüstungen auszustatten, damit sie ihr Mandat in vollem Umfang ausüben kann; fordert eine internationale humanitäre Taskforce unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, um die Durchführung der humanitären Hilfe zu unterstützen und die Verwendung der Mittel zu überwachen; weist darauf hin, dass die Vereinten Nationen einen Rahmen zur Unterstützung von Kandidatinnen und Wählerinnen und damit zur Förderung einer stärkeren Beteiligung von Frauen am politischen Prozess entwickelt haben, und fordert, dass dieser Rahmen in vollem Umfang in die Pläne für die Wahlreform integriert wird;
3. fordert die EU auf, dem Libanon die Entsendung einer umfassenden beratenden Mission der EU zu Verwaltungsfragen anzubieten, um, wie es dringend erforderlich ist, dem sich beschleunigenden Zusammenbruch der öffentlichen Verwaltung und grundlegender Dienstleistungen entgegenzuwirken; fordert die neue Regierung nachdrücklich auf, die wichtigsten Regierungs- und Wirtschaftsreformen, die für eine politische und wirtschaftliche Erholung sorgen werden, zügig umzusetzen, einschließlich einer glaubwürdigen Regulierung wichtiger Wirtschaftssektoren, wie z. B. des Stromsektors;
4. weist darauf hin, dass eine transparente, unabhängige, neutrale und wirksame Untersuchung der Explosion im Hafen von Beirut Priorität hat und sichergestellt werden muss; fordert die libanesischen Behörden nachdrücklich auf, die gerichtlichen Verfahren und die Unabhängigkeit der Justiz zu achten und alle Anstrengungen zu unterstützen, die es ermöglichen, dass gegen die Verantwortlichen für die Entscheidungen, die zu der Explosion im Hafen von Beirut geführt haben, ordnungsgemäß ermittelt wird und sie zur Rechenschaft gezogen werden; fordert eine unabhängige internationale Untersuchungskommission im Libanon, um die Explosion in Beirut im Rahmen der Vereinten Nationen zu untersuchen; besteht darauf, dass diejenigen, die direkt oder indirekt als verantwortlich befunden werden, für die Verluste an Menschenleben und den Schaden, der der libanesischen Bevölkerung zugefügt wurde, zur Rechenschaft gezogen werden müssen;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, angesichts der katastrophalen Bedingungen vor Ort zusätzliche humanitäre Hilfe freizugeben, insbesondere Nahrungsmittelhilfe sowie Krankenhaus- und pharmazeutisches Material, und alternative Energiequellen (u. a. Solarpaneele) für alle Schulen und Krankenhäuser bereitzustellen, die über andere als öffentliche Stellen verteilt werden, etwa über namhafte Nichtregierungsorganisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Glaubensgemeinschaften im Libanon, die in der Lage sind, Reformen durchzuführen; besteht darauf, dass lokale Organisationen der Zivilgesellschaft in die Gestaltung, Planung, Koordinierung, Umsetzung und Bewertung von Hilfsprogrammen für den Libanon einbezogen werden müssen; fordert die Kommission auf, Mechanismen zu finden, mit denen die Kriterien strategisch und flexibel angewandt werden können, um den Organisationen einen raschen Zugang zu den Mitteln zu ermöglichen, damit der unmittelbare Bedarf gedeckt werden kann, wobei der Europäische Konsens über die humanitäre Hilfe und das humanitäre Völkerrecht stets zu beachten ist; hebt hervor, dass die EU-Hilfe streng überwacht werden muss, damit dafür gesorgt werden kann, dass diese Hilfe direkt an die Bedürftigen weitergeleitet wird; bedauert zutiefst das äußerst hohe Maß an Misswirtschaft und mangelnder Finanzaufsicht über die in der Vergangenheit bereitgestellten Mittel;
6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten der EU auf, konstruktiv mit der neuen libanesischen Regierung zusammenzuarbeiten, um die strukturellen und sektoralen Reformen durchzuführen, die erforderlich sind, um eine umfangreiche Makrofinanzhilfe der EU freizugeben, und um ihre Handelsbeziehungen zu stärken, vorausgesetzt, dass bei der Umsetzung der im Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmen vorgesehenen notwendigen Reformen greifbare Fortschritte erzielt werden;
7. fordert die libanesischen Behörden auf, die Gespräche mit dem IWF so bald wie möglich wieder aufzunehmen, damit die Reformen für die notleidenden Menschen im Libanon spürbar werden; fordert die libanesischen Behörden mit Nachdruck auf, die im Rahmen der Wirtschaftskonferenz für Entwicklung durch Reformen mit dem Privatsektor von April 2018 mit Unterstützung der Internationalen Unterstützungsgruppe für den Libanon eingegangenen und von allen politischen Führern des Libanon vereinbarten Verpflichtungen zu erfüllen, die sinnvolle und tiefgreifende Reformen der Wirtschaft und der Staatsführung beinhalten, einschließlich der Wiederherstellung der wirtschaftlichen Stabilität und der Glaubwürdigkeit des Finanzsektors, der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz, der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung der Korruption; fordert die libanesischen Behörden auf, die schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen im Libanon, auch durch soziale Sicherheitsnetze, zu unterstützen; fordert die libanesischen Behörden auf, den Haushaltsplan für 2021 zu genehmigen und den Haushaltsplan für 2022 aufzustellen, der ein starkes Programm für den sozialen Schutz, die Umsetzung des Sofortprogramms für ein soziales Sicherheitsnetz und das nationale Programm zur Bekämpfung der Armut umfassen sollte; fordert die libanesischen Behörden nachdrücklich auf, eine ausreichende Haushaltslinie für die Wahlen im Jahr 2022 vorzusehen;
8. betont, dass der Libanon aufgrund der vollständigen Unterdrückung des Aufstands der syrischen Bevölkerung im Jahr 2011 durch das Assad-Regime den weltweit höchsten Anteil syrischer Flüchtlinge aufgenommen hat; weist auf die besondere Verantwortung des syrischen Regimes für das Fortbestehen dieser dramatischen humanitären Lage hin; weist darauf hin, dass dauerhafte Lösungen für Vertriebene nur mit einer ausreichenden langfristigen Finanzierung und Programmplanung gesichert werden können, sodass Binnenvertriebene und Flüchtlinge auch über den Zyklus des humanitären Programms hinaus unterstützt werden können; weist auf die Schutzbedürftigkeit der syrischen und palästinensischen Flüchtlinge im Libanon hin und betont, dass das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und andere Akteure, die mit Flüchtlingen arbeiten, mit angemessenen, vorhersehbaren und vielschichtigen Mitteln ausgestattet werden müssen, um die umfassende Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen für die Flüchtlingsgemeinschaften im Land sicherzustellen; betont, dass die Zusammenarbeit und der Dialog mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Dienstleistern, die den Flüchtlingen im Land helfen, verstärkt werden müssen;
9. fordert die neue libanesische Regierung und den neuen libanesischen Präsidenten nachdrücklich auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um korrupte Praktiken, einschließlich des Transfers öffentlicher Gelder und von Steuerhinterziehung, zu unterbinden, die volle Unabhängigkeit der künftigen Mitglieder der Nationalen Korruptionsbekämpfungseinrichtung sicherzustellen und die internationale Gemeinschaft über die Mechanismen der Vereinten Nationen und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption um technische Unterstützung zu ersuchen, um sowohl Transparenz als auch uneingeschränkte Rechenschaftspflicht gegenüber der libanesischen Bevölkerung zu gewährleisten; weist darauf hin, dass die EU, die Weltbank und die Vereinten Nationen die Schaffung einer unabhängigen und transparenten Justiz, die Verabschiedung moderner Rechtsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Verabschiedung einer Strategie zur Korruptionsbekämpfung gefordert haben, und prangert die Untätigkeit der aufeinanderfolgenden libanesischen Regierungen in den vergangenen Jahren an;
10. betont, dass die Hisbollah und andere Gruppierungen eine besondere Verantwortung für die Unterdrückung der libanesischen Volksbewegung im Jahr 2019 und die politische und wirtschaftliche Krise des Libanon tragen; fordert alle externen Mächte auf, sich nicht in interne Angelegenheiten des Libanon einzumischen, und fordert, dass die Souveränität und die politische Unabhängigkeit des Landes geachtet werden; fordert alle politischen Gruppierungen in der Regierung nachdrücklich auf, das Sektierertum zu beenden und ohne Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit oder der ethnischen Zugehörigkeit grundlegende Reformen für alle im Libanon lebenden Menschen durchzuführen;
11. ist zutiefst besorgt darüber, dass angesichts der jüngsten und anhaltenden Spannungen an der Südgrenze des Libanon nach wie vor keine Fortschritte im Hinblick auf einen dauerhaften Waffenstillstand und andere wesentliche Bestimmungen der Resolution 1701 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erzielt wurden; bekräftigt seine vollumfängliche Unterstützung für die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und politische Unabhängigkeit des Libanon im Einklang mit der vor kurzem verabschiedeten Resolution 2591 (2021) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen; verweist auf den Standpunkt der EU, dass die einschlägigen Resolutionen 1559 (2005) und 1701 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen uneingeschränkt eingehalten werden müssen;
12. fordert die internationale Gemeinschaft auf, die notwendige finanzielle Unterstützung bereitzustellen, damit die libanesischen Streitkräfte und die internen Sicherheitskräfte ihre wesentliche Funktion der Verhinderung eines weiteren Zusammenbruchs staatlicher Einrichtungen, der Sicherstellung humanitärer Hilfe und der Wahrung von Sicherheit und Stabilität erfüllen können, während gleichzeitig das Recht auf Protest und auf freie Meinungsäußerung gewahrt wird; bekräftigt, dass die Rechenschaftspflicht von Bediensteten des öffentlichen Dienstes von grundlegender Bedeutung ist, und verurteilt jegliche Gewalt gegen Demonstranten;
13. fordert den EAD auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Liste der rechenschaftspflichtigen Behörden im Libanon vorzuschlagen; fordert den Einsatz gezielter Sanktionen auf der Grundlage des vom Rat am 30. Juli 2021 angenommenen Rahmens gegen alle Personen oder Einrichtungen, die die Kriterien dieses Rahmens erfüllen; betont, dass die Einführung gezielter Sanktionen für die Behinderung oder Untergrabung des demokratischen politischen Prozesses eine Option bleibt, die ausgeübt werden könnte, falls die verantwortlichen Akteure im Libanon die Reformen und die Korruptionsbekämpfung weiterhin blockieren; fordert alle EU-Mitgliedstaaten auf, in Bezug auf die neuen gezielten Sanktionen der EU gegen korrupte Führungspersonen und diejenigen, die für die Untergrabung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verantwortlich sind, sowie gegen deren Verbündete im Libanon ausnahmslos und uneingeschränkt zusammenzuarbeiten und diese Sanktionen zu stärken; fordert den EAD und den Rat nachdrücklich auf, dringend ausreichende Mittel bereitzustellen, damit der neue Mechanismus wirksam weiterentwickelt werden kann; fordert die EU-Mitgliedstaaten und ihre Partner wie das Vereinigte Königreich und die Schweiz auf, bei der Bekämpfung der mutmaßlichen Veruntreuung öffentlicher Gelder durch eine Reihe libanesischer Beamter zusammenzuarbeiten; schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten bei ihren nationalen Gerichten Gerichtsverfahren gegen die Eigentümer von unrechtmäßig erworbenem Kapital, das sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet, einleiten und die Bemühungen um die Rückgabe der unrechtmäßig erworbenen Gelder an die libanesische Bevölkerung fördern;
14. weist darauf hin, dass das Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Libanesischen Republik einen politischen Dialog zwischen dem Parlament und dem neuen libanesischen Parlament auf der Grundlage der Einrichtung einer politischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen vorsieht, die, wenn die libanesischen Behörden dies wünschen, als zusätzlicher Rahmen dienen kann, um die vor kurzem gebildete Regierung zu unterstützen und die institutionelle Stagnation zu überwinden;
15. bekräftigt seine nachdrückliche Unterstützung für alle Menschenrechtsverteidiger im Libanon und ihre Arbeit; fordert die Zivilgesellschaft sowie die Sozial- und Wirtschaftspartner auf, ihre jeweilige Rolle im Rahmen eines nationalen Dialogs wahrzunehmen, indem sie ihre Bestrebungen zum Ausdruck bringen und Vorschläge für Frieden, Entwicklung und die Zukunft des Landes unterbreiten, und lobt die Initiativen lokaler Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft; ist zutiefst besorgt darüber, dass immer mehr Libanesen abwandern und in der Folge Fachkräfte verlorengehen, was sich auf die für den Wiederaufbau und die Erholung des Libanon wichtigen Humanressourcen und auf das demokratische Leben des Landes auswirkt;
16. fordert den Libanon auf, den notwendigen Schutz vor Zwangsarbeit zu gewährleisten, wie er im nationalen Arbeitsrecht und in den internationalen Menschenrechtsnormen, einschließlich der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, sowie im Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Hausangestellte (Nr. 189 von 2011) verankert ist, um gegen den ausbeuterischen Charakter des Kafala-Systems vorzugehen;
17. bekräftigt seine Unterstützung für die Entschlossenheit der EU, den Libanon bei seiner wirtschaftlichen Umstrukturierung und dem Wiederaufbau seiner Infrastruktur zu unterstützen; fordert die Kommission auf, die langfristigen Fonds zu reformieren und den Strategie- und Wiederaufbauplan für den Libanon im Rahmen der Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon im Rahmen des neuen „Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) – Europa in der Welt“ neu zu formulieren und die Finanzierung zusätzlicher potenzieller Partner in der Zivilgesellschaft in Betracht zu ziehen, insbesondere um durch erneuerbare Energien, u. a. Solarpaneele, dringende Lösungen für die Energieknappheit zu finden;
18. fordert, dass Artikel 534 des libanesischen Strafgesetzbuchs aufgehoben wird und allen Formen der rechtmäßigen und institutionellen Gewalt und Verfolgung von LGBTI-Personen ein Ende bereitet wird; fordert die Abschaffung anderer diskriminierender Rechtsvorschriften wie derjenigen, mit der palästinensischen Flüchtlingen dieselben Rechte wie anderen ausländischen Gebietsansässigen vorenthalten werden;
19. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Unterstützung für die libanesische Impfkampagne zu verstärken, die internationale Unterstützung benötigt, und die Gesundheitskrise im Libanon zu lindern; fordert Unterstützung für die Gehälter des Krankenhauspersonals und den Kauf von medizinischen Hilfsgütern;
20. bekräftigt seine enge Partnerschaft mit dem Libanon und seiner Bevölkerung, die in den gemeinsamen Werten Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte verankert ist; bekräftigt seine Unterstützung für die Entschlossenheit der EU, dem Libanon bei seiner wirtschaftlichen Umstrukturierung zu helfen; gedenkt der Opfer der Explosion im Hafen von Beirut; bekräftigt seine Solidarität mit und seine Unterstützung für die libanesische Zivilgesellschaft, insbesondere Journalisten und Hinweisgeber; fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Unterstützung des Wiederaufbaus und des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs des Libanon fortzusetzen und eine engere Zusammenarbeit mit den Organisationen der Zivilgesellschaft im Land aufzubauen und ihnen mehr Finanzmittel bereitzustellen;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der Arabischen Liga, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer sowie der Regierung und dem Parlament des Libanon zu übermitteln.