Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Oktober 2021 zu den Auswirkungen von Gewalt in Paarbeziehungen und von Sorgerechtsregelungen auf Frauen und Kinder (2019/2166(INI))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 6, 8 und 67 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten (im Folgenden „Opferschutzrichtlinie“)(1),
– unter Hinweis auf die Artikel 21, 23, 24 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul), das am 1. August 2014 in Kraft trat,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Bemerkung Nr. 13 des Ausschusses für die Rechte des Kindes vom 18. April 2011 zum Recht des Kindes auf Schutz vor allen Formen der Gewalt,
– unter Hinweis auf das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung,
– unter Hinweis auf das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption,
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind(2),
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention,
– unter Hinweis auf das am 18. Dezember 1979 von den Vereinten Nationen angenommene Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau und die Allgemeine Empfehlung Nr. 35 zur geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen, mit der die Allgemeine Empfehlung Nr. 19 des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau aktualisiert wird,
– unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere deren Grundsatz 2,
– unter Hinweis auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, und insbesondere auf das Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 5 zur Geschlechtergleichstellung sowie auf das Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 16.2 zur Beendigung von Missbrauch, Ausbeutung, Menschenhandel und aller Formen von Folter und Gewalt gegen Kinder,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 4. März 2016 für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt durch die Europäische Union (COM(2016)0109),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025“ (COM(2020)0152), insbesondere deren erstes Ziel, die Freiheit von Gewalt und Stereotypen gegenüber Frauen und Mädchen herbeizuführen,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020–2025“ (COM(2020)0698),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. Juni 2020 mit dem Titel „EU-Strategie für die Rechte von Opfern (2020–2025)“ (COM(2020)0258),
– unter Hinweis auf die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 6. März 2019 mit dem Titel „2019 Report on equality between women and men in the EU“ (Bericht 2019 über die Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU) (SWD(2019)0101),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2017 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt durch die Europäische Union(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2020 zur Notwendigkeit einer gesonderten Ratsformation „Gleichstellung der Geschlechter“(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 zu der geschlechtsspezifischen Sichtweise in der COVID-19-Krise und der Zeit danach(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 zu der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter(7),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/99/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Europäische Schutzanordnung(8),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen(9),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (im Folgenden „Brüssel-IIa-Verordnung“)(10),
– unter Hinweis auf den Bericht über den Geschlechtergleichstellungsindex 2020 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE),
– unter Hinweis auf die Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) vom 12. Juni 2019 mit dem Titel „Understanding intimate partner violence in the EU: the role of data“ (Zum Stellenwert von Daten bei der Ermittlung der Gründe für Gewalt in Paarbeziehungen in der EU),
– unter Hinweis auf die EIGE-Studie vom 18. November 2019 mit dem Titel „A guide to risk assessment and risk management of intimpartner violence against women for police“ (Ein Leitfaden für die Polizei zur Risikobewertung und zum Risikomanagement bei Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen),
– unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) vom 3. März 2014 mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen: eine EU‑weite Erhebung“,
– unter Hinweis auf die „Platform of Independent Expert Mechanisms on Discrimination and Violence against Women“ (EDVAW Platform; Plattform unabhängiger Sachverständigenmechanismen in Bezug auf Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen) und ihre Erklärung vom 31. Mai 2019 mit dem Titel „Intimate partner violence against women is an essential factor in the determination of child custody“ (Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen – ein wesentlicher Faktor bei der Bestimmung des Sorgerechts für Kinder),
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vorsitzenden der Expertengruppe des Europarates für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO), Marceline Naudi, vom 24. März 2020 mit dem Titel „For many women and children, the home is not a safe place“ (Für viele Frauen und Kinder ist das Zuhause kein sicherer Ort), wonach die Vorschriften des Übereinkommens von Istanbul auch in Zeiten einer Pandemie zu beachten sind,
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis der gemeinsamen Überlegungen des Rechtsausschusses und des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter gemäß Artikel 58 der Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses und des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (A9-0254/2021),
A. in der Erwägung, dass die Geschlechtergleichstellung zu den Grundwerten und Kernzielen der Europäischen Union zählt und in allen Politikbereichen der EU zum Ausdruck kommen sollte; in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein in den Verträgen(11) und der Charta(12) verankertes Grundrecht ist und uneingeschränkt geachtet werden sollte; in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt in all ihren Formen eine extreme Form der Diskriminierung und eine Verletzung der Menschenrechte darstellt, die in der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verankert ist und dazu beiträgt, diese aufrechtzuerhalten und zu verstärken; in der Erwägung, dass diese Art von Gewalt aus geschlechtsspezifischen Stereotypen über die Rollen und Fähigkeiten von Frauen und Männern sowie aus ungleichen Machtverhältnissen in Gesellschaften entsteht und aufrechterhalten wird; in der Erwägung, dass diese Form der Gewalt nach wie vor weit verbreitet ist, Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft – ungeachtet ihres Alters, Bildungsgrads, Einkommens, ihrer sozialen Stellung oder ihres Herkunfts- bzw. Wohnsitzlands – betrifft und eines der größten Hindernisse für die Erreichung der Gleichstellung der Geschlechter ist; in der Erwägung, dass Frauen und Kinder in der EU aufgrund unterschiedlicher Strategien und Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten nicht im gleichen Umfang vor geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt sind;
B. in der Erwägung, dass Frauen nach wie vor diskriminiert und benachteiligt werden und soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ungleichheiten fortbestehen, obgleich die Geschlechtergleichstellung formell bei zahlreichen Gelegenheiten anerkannt wurde und Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung zu verzeichnen sind; in der Erwägung, dass laut dem Gleichstellungsindex 2020 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) die Geschlechtergleichstellung bislang in keinem Mitgliedstaat vollständig erreicht wurde; in der Erwägung, dass die EU bei der Geschlechtergleichstellung nach wie vor nur schleppend vorankommt und sich der Indexwert im Durchschnitt alle zwei Jahre um einen Punkt verbessert; in der Erwägung, dass es bei dieser Zuwachsrate fast 70 Jahre dauern wird, bis die EU die Gleichstellung der Geschlechter erreicht; in der Erwägung, dass das Parlament bereits die Einrichtung einer neuen Ratsformation gefordert hat, in der für die Geschlechtergleichstellung zuständige Minister und Staatssekretäre zusammenkommen;
C. in der Erwägung, dass verschiedene Formen der Unterdrückung nicht getrennt voneinander existieren, sondern sich überschneiden und Einzelpersonen gleichzeitig betreffen, was zu intersektionaler Diskriminierung führt; in der Erwägung, dass sich Diskriminierung aufgrund des Geschlechts häufig mit Diskriminierung aus anderen Gründen überschneidet, wie z. B. aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauungen, der politischen oder sonstigen Anschauungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Orientierung;
D. in der Erwägung, dass das gegenwärtige Jahrzehnt eine sichtbare und organisierte Offensive auf globaler und EU-Ebene gegen die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frauen, einschließlich in der EU, mit sich bringt;
E. in der Erwägung, dass die Geschlechtergleichstellung eine grundlegende Voraussetzung für eine innovative, wettbewerbsfähige und wohlhabende EU-Wirtschaft ist, die Schaffung neuer Arbeitsplätze sicherstellt und Produktivität erzeugt, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des Übergangs zu einer ökologischen Wirtschaft;
F. in der Erwägung, dass Gewalt in Paarbeziehungen jeden Akt physischer, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt bezeichnet, die zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnern stattfindet, unabhängig davon, ob Täter und Opfer in einer gemeinsamen Wohnung wohnen oder wohnten; in der Erwägung, dass Gewalt in Paarbeziehungen eine der häufigsten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt ist, wobei schätzungsweise 22 % der Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt und 43 % psychische Gewalt durch ihren Partner erfahren haben(13); in der Erwägung, dass Frauen und Kinder unverhältnismäßig stark von dieser Art von Gewalt betroffen sind; in der Erwägung, dass der Begriff „häusliche Gewalt“ alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt bezeichnet, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte(14); in der Erwägung, dass häusliche Gewalt ein schwerwiegendes und häufig langfristiges verborgenes soziales Problem ist, das systematische körperliche und/oder psychische Traumata mit ernsthaften Folgen für die Opfer verursacht und das emotionale, wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der gesamten Familie stark beeinträchtigen kann, weil sie von einer Person ausgeübt wird, der das Opfer trauen können sollte; in der Erwägung, dass zwischen 70 % und 85 % der Kinder, die Opfer von Gewalt wurden, den Täter bzw. die Täterin persönlich kennen und dass die überwiegende Mehrheit dieser Kinder Opfer von Menschen sind, denen sie vertrauen(15); in der Erwägung, dass die Opfer häufig durch Zwang der Kontrolle durch den Täter ausgesetzt sind („coercive control“), die durch Einschüchterung, Fremdbestimmung, Isolation und Misshandlung gekennzeichnet ist;
G. in der Erwägung, dass die Raten von Gewalt in Paarbeziehungen in ländlichen und abgelegenen Gemeinden noch höher sind als in städtischen Gebieten; in der Erwägung, dass Frauen in ländlichen und entlegenen Regionen höhere Raten von Gewalt in Paarbeziehungen und eine größere Häufigkeit und Schwere von körperlichem, psychologischem und wirtschaftlichem Missbrauch erleben, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass sie weiter entfernt von verfügbaren Ressourcen und Diensten wohnen, bei denen sie um Hilfe ersuchen könnten; in der Erwägung, dass das mangelnde Verständnis von häuslicher Gewalt im Gesundheitswesen, der Justiz und den Sozialdiensten in ländlichen und entlegenen Regionen ein bedeutendes Hindernis für Überlebende von Gewalt in Paarbeziehungen darstellt;
H. in der Erwägung, dass es sich auf EU-Ebene bei der Mehrheit der Haushalte von Alleinerziehenden um alleinerziehende Mütter handelt, die wirtschaftlich besonders gefährdet sind, insbesondere in den Niedriglohngruppen, und die auch anfälliger dafür sind, den Arbeitsmarkt frühzeitig zu verlassen, wenn sie Eltern werden, und somit bei dem Versuch des Wiedereintritts in den Arbeitsmarkt benachteiligt sind; in der Erwägung, dass in der EU 40,3 % der Haushalte von Alleinerziehenden im Jahr 2019 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren(16);
I. in der Erwägung, dass 30 % der Frauen, die sexuelle Viktimisierung durch einen früheren oder gegenwärtigen Partner erlebt haben, auch in der Kindheit sexuelle Gewalt erfahren haben, und dass 73 % der Mütter, die Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen Partner geworden sind, angeben, dass mindestens eines ihrer Kinder Zeuge dieser Gewalt geworden ist(17);
J. in der Erwägung, dass die Ausgangsbeschränkungen und die Maßnahmen zur Einhaltung der Abstandsregeln während der COVID-19-Pandemie mit dem exponentiellen Anstieg der Häufigkeit und Intensität von Fällen von Gewalt in Paarbeziehungen sowie von psychischer Gewalt, Kontrolle durch Zwang und von Gewalt im Internet in vielen Mitgliedstaaten in Verbindung gebracht werden, einhergehend mit einem Anstieg der Notrufe von Opfern von häuslicher Gewalt um 60 %(18); in der Erwägung, dass Lockdownmaßnahmen und das besorgniserregende Anschwellen der „Schattenpandemie“ unzureichende Strukturen und Ressourcen zur Unterstützung aufgezeigt und den Zugang für Frauen und Kinder zu wirksamem Schutz, Unterstützungsdiensten und zum Recht erschwert haben, sodass vielen Personen kein angemessener und rechtzeitiger Schutz gewährt wurde; in der Erwägung, dass bewährte Vorgehensweisen für rechtzeitige, leicht zugängliche Hilfemaßnahmen für betroffene Opfer, einschließlich der Einrichtung von Notruf-Systemen per SMS oder der Schaffung von Anlaufstellen für Hilfe in Apotheken und Supermärkten, unter den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden sollten; in der Erwägung, dass in der EU Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen aus verschiedenen Gründen immer noch häufiger verübt als tatsächlich von den Opfern, Familienangehörigen, Freunden, Bekannten oder Nachbarn gemeldet wird, insbesondere während der COVID-19-Pandemie, und dass es einen erheblichen Mangel an umfassenden, vergleichbaren und nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten gibt, was es schwierig macht, die Auswirkungen der Krise vollständig zu bewerten; in der Erwägung, dass die FRA-Erhebung über Gewalt gegen Frauen zeigt, dass die Opfer die schwersten Fälle von Gewalt in der Partnerschaft nur in 14 % der Fälle der Polizei gemeldet hatten, und zudem zwei Drittel der weiblichen Opfer systematisch keine Anzeige bei den Behörden erstatten, entweder aus Angst oder aus Mangel an Informationen über die Rechte des Opfers, sowie aus der allgemeinen Überzeugung, dass Gewalt in Paarbeziehungen eine private Angelegenheit ist, die nicht öffentlich gemacht werden sollte(19);
K. in der Erwägung, dass häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt als Folge der während der COVID-19-Pandemie ergriffenen Ausgangsbeschränkungen zugenommen hat, und dass laut dem jüngsten Europol-Bericht(20) der sexuelle Missbrauch von Kindern im Internet in der EU dramatisch zugenommen hat;
L. in der Erwägung, dass während der Ausgangsbeschränkungen ein signifikanter Anstieg der häuslichen Gewalt gegen LGBTI+-Personen, insbesondere junge Menschen, gemeldet wurde;
M. in der Erwägung, dass wirtschaftliche Gewalt gegen Frauen in Form von Sachbeschädigung, Einschränkung des Zugangs zu finanziellen Mitteln, zur Bildung oder zum Arbeitsmarkt oder Nichterfüllung wirtschaftlicher Verpflichtungen wie Unterhaltszahlungen gebührende Aufmerksamkeit verdient, da die Behinderung der finanziellen Unabhängigkeit und des Familienvermögens mit anderen Formen der Gewalt Hand in Hand geht und eine zusätzliche Bedrohung für die Opfer darstellt; in der Erwägung, dass Opfer, die finanziell nicht unabhängig sind, oftmals gezwungen sind, mit ihrem Täter in einer Wohnung zu bleiben, um finanzielle Unsicherheit, Obdachlosigkeit oder Armut zu vermeiden, und dass diese Tendenz in letzter Zeit durch die COVID-19-Pandemie noch verstärkt wurde; in der Erwägung, dass ein gerechtes Arbeitsentgelt und wirtschaftliche Unabhängigkeit entscheidende Faktoren sind, um Frauen in die Lage zu versetzen, sich aus von Missbrauch und Gewalt geprägten Beziehungen zu lösen; in der Erwägung, dass durch die Praxis in einigen Mitgliedstaaten, die die Opfer zwingt, für die Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen, mit denen eine finanzielle Entschädigung von den Tätern zugesprochen wird, mit dem Täter in Kontakt zu bleiben, die Opfer einer weiteren physischen und emotionalen Gefährdung ausgesetzt werden;
N. in der Erwägung, dass Kinder außerdem als Zeugen von Gewalt auch „miterlebter Gewalt“(21) im familiären Umfeld ausgesetzt sind, wenn sie Formen von Misshandlung miterleben, die sich durch Akte physischer, verbaler, psychischer, sexueller und wirtschaftlicher Gewalt gegen Bezugspersonen oder andere in ihrem Gefühlsleben wichtige Personen richtet; in der Erwägung, dass diese Gewalt schwerwiegende Folgen für die psychische und emotionale Entwicklung des Kindes hat und es daher von wesentlicher Bedeutung ist, dieser Art von Gewalt bei Trennungen und in Vereinbarungen über das elterliche Sorgerecht gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, wobei das Kindeswohl vorrangige Erwägung ist, insbesondere bei der Festlegung des Sorgerechts und des Besuchsrechts nach einer Trennung; in der Erwägung, dass „miterlebte“ Gewalt nicht immer unmittelbar erkennbar ist, und dass Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, in ständiger erheblicher emotionaler Anspannung leben; in der Erwägung, dass die Gerichte in Fällen, in denen es sowohl um häusliche Gewalt als auch um Fragen des Kinderschutzes geht, auf Fachkräfte zurückgreifen sollten, die über das entsprechende Wissen und die Instrumente verfügen, um Entscheidungen gegen die Mutter zu vermeiden, die nicht alle Umstände angemessen berücksichtigen;
O. in der Erwägung, dass Bildung eine grundlegende unterstützende Rolle beim Aufbau der Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen zur Gestaltung gesunder Beziehungen spielt, insbesondere durch die Aufklärung über geschlechterspezifische Rollenerwartungen, die Gleichstellung der Geschlechter, über Machtdynamiken in Beziehungen, die Freiwilligkeit und Einvernehmlichkeit sowie die Einhaltung von Grenzen, und dazu beiträgt, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen; in der Erwägung, dass gemäß den internationalen technischen Leitlinien der UNESCO zur Sexualaufklärung lehrplanbasierte Programme zur umfassenden Sexualaufklärung es Kindern und Jugendlichen ermöglichen, Wissen, positive Verhaltensweisen und Fähigkeiten in diesem Bereich zu entwickeln, einschließlich der Achtung der Menschenrechte, der Geschlechtergleichstellung, der Freiwilligkeit und Einvernehmlichkeit und der Vielfalt, und dass sie Kinder und Jugendliche stärken;
P. in der Erwägung, dass es im Hinblick auf die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt notwendig ist, sich auf kohärente und vergleichbare amtliche Daten zu stützen, die auf einem soliden und koordinierten Rahmen für die Datenerhebung beruhen; in der Erwägung, dass in den derzeit verfügbaren und von den Strafverfolgungs- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten erhobenen Daten nicht das gesamte Ausmaß der Gewalt in Paarbeziehungen und ihre Auswirkungen und langfristigen Folgen für die Frauen und ihre Kinder zum Ausdruck kommt, da die meisten Mitgliedstaaten weder nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Vergleichsdaten über Gewaltakte erheben noch Gewalt in Paarbeziehungen als eigenen Tatbestand anerkennen, sodass die tatsächliche Prävalenz und Häufigkeit von Gewalt in Paarbeziehungen nach wie vor in erheblichem Maße eine unquantifizierte und diffuse Grauzone bleibt; in der Erwägung, dass auch Daten über die erhöhten Risiken und die Prävalenz von häuslicher Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen für bestimmte Gruppen, darunter benachteiligte oder diskriminierte Frauen, fehlen;
Q. in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen häufig außer Acht gelassen wird und dass bei Vereinbarungen und Entscheidungen in Bezug auf das Sorge-, Umgangs-, Kontakt- und Besuchsrecht anscheinend in der Regel das gemeinsame Sorgerecht oder elterliches Erziehungsrecht festgelegt werden; in der Erwägung, dass die Ausklammerung dieser Gewalt katastrophale Folgen für Frauen und Kinder hat, die so eskalieren können, dass es letztendlich zu Femizid und/oder Infantizid kommt; in der Erwägung, dass die Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen besondere Schutzmaßnahmen benötigen; in der Erwägung, dass sich die Lage der Opfer erheblich verschlechtert, wenn sie wirtschaftlich oder sozial vom Täter abhängig sind; in der Erwägung, dass es daher von entscheidender Bedeutung ist, dass diese Art von Gewalt bei Entscheidungen über Trennungs- und Sorgerechtsregelungen in vollem Umfang berücksichtigt wird und dass Vorwürfe von Gewalt vor Sorgerechts- und Umgangsrechtsfragen behandelt werden müssen; in der Erwägung, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten eine umfassende Bewertung nach dem Grundsatz des „Vorrangs des Kindeswohls“ sicherstellen sollten, damit bei der Festlegung des Sorge- und Besuchsrechts – unter Einbeziehung der Anhörung des Kindes – der Zugang zu sämtlichen relevanten Diensten, psychologischer Unterstützung und Berücksichtigung des Fachwissens aller beteiligten Fachleute gewährleistet ist;
R. in der Erwägung, dass die Risikobewertungen der Strafverfolgungsbehörden in den meisten Mitgliedstaaten nicht systematisch Angaben von Kindern über ihre Erfahrungen mit Gewalt in Paarbeziehungen einbeziehen;
S. in der Erwägung, dass bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, einschließlich familiärer Streitigkeiten, das Wohl des Kindes stets die vorrangige Erwägung sein sollte, und dass das in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 9 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes verankerte Recht jedes Kindes, mit beiden Elternteilen in Kontakt zu bleiben, eingeschränkt werden sollte, wenn dies für das Kindeswohl erforderlich ist;
T. in der Erwägung, dass Kinder gemäß Artikel 12 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes und gemäß den Artikeln 4 und 16 der Richtlinie (EU) 2016/800 das Recht haben, ihre Meinung in allen sie betreffenden Angelegenheiten – insbesondere in Gerichts- und Verwaltungsverfahren – in kindgerechter Weise zu äußern und dass ihre Meinung entsprechend dem Alter und der Reife des Kindes gebührend zu berücksichtigen ist;
U. in der Erwägung, dass zwei der renommiertesten Institutionen für psychische Gesundheit, nämlich die American Association of Psychology und die Weltgesundheitsorganisation, die Anwendung der so genannten „Eltern-Kind-Entfremdung“ und ähnlicher Konzepte und Begriffe verurteilen, da diese als Strategie gegen Gewaltopfer eingesetzt werden können, indem elterliche Fähigkeiten der Opfer in Frage gestellt, ihre Aussagen missachtet und der Gewalt, der die Kinder ausgesetzt sind, keine Beachtung geschenkt wird; in der Erwägung, dass Vorwürfe der elterlichen Entfremdung durch Väter, die Gewalt ausüben, gegen Mütter gemäß Empfehlung der EDVAW-Plattform als Fortsetzung der Machtausübung und Kontrolle durch staatliche Stellen und Akteure, insbesondere derjenigen, die über das Sorgerecht entscheiden, betrachtet werden müssen(22);
V. in der Erwägung, dass anonyme Anzeigen und Anzeigen, die von den Opfern später zurückgezogen werden, die weitere Untersuchung durch die Behörden behindern und das Verhindern weiterer Gewalt erschweren können;
W. in der Erwägung, dass Strafverfahren, die sich aus einer Anzeige häuslicher Gewalt ergeben, häufig vollständig separat von den Trennungs- und Sorgerechtsverfahren behandelt werden; in der Erwägung, dass dies bedeuten kann, dass das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder angeordnet wird und/oder Besuchsrechte verfügt werden, die die Rechte und die Sicherheit des Opfers und der Kinder gefährden; in der Erwägung, dass dieser Umstand unumkehrbare Folgen für die psychische und emotionale Entwicklung des Kindes haben kann, sodass in der Praxis das Kindeswohl selbst beeinträchtigt wird; in der Erwägung, dass es daher notwendig ist, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Opfer je nach ihren Bedürfnissen Zugang zu vertraulichen und kostenlosen Opferunterstützungsdiensten haben, die im Interesse der Opfer vor, während und für eine angemessene Zeit nach dem Strafverfahren tätig werden, einschließlich eines Systems der psychosozialen Unterstützung – insbesondere während und nach Vernehmungen –, das den mit den Umständen einhergehenden emotionalen Spannungen Rechnung trägt;
X. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 67 AEUV die Union einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu bilden hat, in dem die Grundrechte geachtet werden; der diskriminierungsfreie Zugang aller zur Justiz ist hierfür von zentraler Bedeutung;
Y. in der Erwägung, dass die Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes der Opfer bei Familiensachen die vorrangige Überlegung sein muss, so dass Mechanismen zur alternativen Streitbeilegung, wie die Mediation, in Fällen, in denen Gewalt gegen Frauen und Kinder vorliegt, vor oder während des Gerichtsverfahrens nicht eingesetzt werden sollten, um eine weitere Schädigung der Opfer zu vermeiden;
Z. in der Erwägung, dass die Vertragsparteien gemäß dem Übereinkommen von Istanbul verpflichtet sind, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass gewalttätige Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden und dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder nicht gefährdet(23); in der Erwägung, dass sechs EU-Mitgliedstaaten und die EU das Übereinkommen von Istanbul acht Jahre nach Inkrafttreten noch nicht ratifiziert haben; in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul der wichtigste bestehende internationale Rahmen zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt ist;
AA. in der Erwägung, dass Frauen durch das gemeinsame Sorgerecht in Situationen von Gewalt in Paarbeziehungen ständig Formen verhinderbarer Gewalt ausgesetzt sind, da sie gezwungen sind, in geografischer Nähe zu den Tätern zu bleiben, und sie weiterer körperlicher und psychischer Gewalt sowie emotionaler Misshandlung ausgesetzt sind, was sich sowohl direkt als auch indirekt auf die Kinder auswirken kann; in der Erwägung, dass in Fällen von Gewalt in Paarbeziehungen das Recht von Frauen und Kindern auf Schutz und ein Leben frei von körperlicher und psychischer Gewalt Vorrang vor dem gemeinsamen Sorgerecht haben sollte; in der Erwägung, dass Kinder von Gewalttätern in der Partnerschaft häufig Opfer von Misshandlungen werden können, um Macht und Gewalt gegen die Mutter auszuüben – ein Phänomen, das in manchen Mitgliedstaaten als indirekte Gewalt bezeichnet wird und als Form der geschlechtsspezifischen Gewalt anzusehen ist;
AB. in der Erwägung, dass Telefon-Hotlines zwar ein entscheidender Kanal sind, um Unterstützung zu erhalten, jedoch nur 13 Mitgliedstaaten die Telefon-Hotline 116 006 der EU für Opfer von Gewaltverbrechen eingeführt haben, und nur wenige Mitgliedstaaten über spezielle Telefon-Hotlines für Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen verfügen;
AC. in der Erwägung, dass Gewalt in Paarbeziehungen untrennbar mit Gewalt gegen Kinder und Kindesmisshandlung verbunden ist; in der Erwägung, dass es als Gewalt gegen Kinder zu betrachten ist, wenn sie häuslicher Gewalt ausgesetzt werden; in der Erwägung, dass Kinder, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, psychische und/oder körperliche und möglicherweise akute und chronische Gesundheitsschäden davontragen; in der Erwägung, dass sich die Viktimisierung von Kindern in Situationen von Gewalt gegen Frauen im Zusammenhang mit Sorgerechts- und Betreuungsstreitigkeiten fortsetzen und verschlimmern kann; in der Erwägung, dass sich die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern aufgrund der wegen COVID-19 erlassenen Beschränkungsmaßnahmen verschlechtert haben; in der Erwägung, dass die Menge der für Kinder angebotenen Dienstleistungen im Bereich psychische Gesundheit in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausfällt und häufig nicht ausreicht;
AD. in der Erwägung, dass das Aufwachsen in einem gewalttätigen häuslichen Umfeld äußerst nachteilige Auswirkungen auf die physische, emotionale und soziale Entwicklung des Kindes und sein anschließendes Verhalten als erwachsener Mensch hat; in der Erwägung, dass ein Risikofaktor gegeben ist, für Viktimisierung anfällig zu sein, problematisches Verhalten zu zeigen oder physische oder psychische Probleme zu entwickeln oder im Erwachsenenalter selbst gewalttätig zu werden, wenn Kinder Gewalt ausgesetzt sind, sei es durch Misshandlung und/oder als Zeugen von Gewalt in Paarbeziehungen;
AE. in der Erwägung, dass es zwar Fortschritte gegeben hat, dass aber dennoch aus jüngsten Berichten erkennbar ist, dass Opfer von Straftaten in der Union ihre Rechte immer noch nicht umfassend in Anspruch nehmen können; in der Erwägung, dass der Zugang zu Hilfsdiensten für Frauen, die Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen sind, entscheidend ist; in der Erwägung, dass es nach wie vor eine unzureichende Anzahl spezialisierter und allgemeiner Hilfsdienste für Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen gibt und dass sich Opfer von Straftaten, die von ihrem Recht Gebrauch machen möchten, sich an die Justiz zu wenden, häufig Problemen aufgrund von mangelnden Informationen sowie mangelhafter Unterstützung und fehlenden Schutzes gegenüber sehen; und wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt und sie eine Entschädigung beantragen, oftmals eine sekundäre Viktimisierung erfahren; in der Erwägung, dass es mehrere Fälle gibt, in denen Strafverfolgungsbeamte und Justizsysteme nicht in der Lage sind, Frauen und Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt sind, ausreichend zu unterstützen, und in der Erwägung, dass Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sogar abschätzigem Verhalten oder unangemessenen Bemerkungen ausgesetzt sind, wenn sie die Gewalt anzeigen; in der Erwägung, dass zivilgesellschaftliche und öffentliche Organisationen, insbesondere solche, die mit Kindern und Opfern von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt zusammenarbeiten und sich für diese einsetzen, bei der Prävention von und dem Umgang mit häuslicher Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen eine entscheidende Rolle spielen; in der Erwägung, dass solche Organisationen aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen auch wertvolle Beiträge zur Politik und Gesetzgebung leisten können; in der Erwägung, dass EU-Förderprogramme wie das Programm „Justiz“ und das Programm „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ für die Unterstützung von Aktivitäten zum Schutz und zur Unterstützung von Opfern häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt genutzt werden können, insbesondere um den Zugang zur Justiz und die Finanzierung von Organisationen, die mit Opfern zusammenarbeiten, sicherzustellen;
AF. in der Erwägung, dass grenzüberschreitende Trennungs-, Scheidungs- und Sorgerechtsverfahren vielschichtiger sind und in aller Regel länger dauern; in der Erwägung, dass die gestiegene Mobilität in der EU dazu geführt hat, dass eine zunehmende Anzahl grenzüberschreitender Streitigkeiten zu elterlicher Verantwortung und dem Sorgerecht für Kinder zu verzeichnen sind; in der Erwägung, dass die automatische Anerkennung von Entscheidungen über Sorgerechtsverfahren in Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt dahingehend problematisch ist, dass die Rechtsvorschriften über geschlechtsspezifische Gewalt in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sind und nicht alle Mitgliedstaaten Gewalt in Paarbeziehungen als Straftat und eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt anerkennen; in der Erwägung, dass die Kommission ihre Bemühungen verstärken muss, um in allen Mitgliedstaaten die konsequente und konkrete Umsetzung der Grundsätze und Ziele des von allen EU-Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes zu fördern; in der Erwägung, dass für die Mitgliedstaaten als Vertragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes bei allen öffentlichen Maßnahmen, insbesondere bei der Behandlung grenzüberschreitender Familienstreitigkeiten, das Kindeswohl stets an erster Stelle stehen muss; in der Erwägung, dass Artikel 83 Absatz 1 AEUV die Möglichkeit vorsieht, Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität festzulegen, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben; in der Erwägung, dass Artikel 83 Absatz 2 AEUV die Möglichkeit vorsieht, „Mindestvorschriften für die Festlegung von Straftaten und Strafen“ festzulegen, um eine „wirksame Durchführung der Politik der Union auf einem Gebiet, auf dem Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind“, sicherzustellen;
AG. in der Erwägung, dass Artikel 82 Absatz 2 AEUV die Möglichkeit der Festlegung von in den Mitgliedstaaten anwendbaren Mindestvorschriften zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen mit grenzüberschreitender Dimension vorsieht, insbesondere in Bezug auf die Rechte der Opfer von Straftaten;
Allgemeine Anmerkungen
1. verurteilt sämtliche Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen auf das Schärfste und bedauert, dass Frauen und Kinder in ihrer ganzen Vielfalt nach wie vor Gewalt in Paarbeziehungen ausgesetzt sind, wobei es sich um eine schwere Verletzung ihrer Menschenrechte und ihrer Menschenwürde handelt, was sich auch auf die wirtschaftliche Stellung von Frauen auswirkt, wobei sich dieses Phänomen während der COVID-19-Krise weiter verschärft hat;
2. erinnert daran, dass die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über Gewalt gegen Frauen festgestellt hat, dass die COVID-19-Krise das Fehlen einer ordnungsgemäßen Umsetzung internationaler Übereinkommen zum Schutz vor und zur Verhütung geschlechtsspezifischer Gewalt verdeutlicht hat; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich dringend mit der Zunahme von Gewalt in Paarbeziehungen während der COVID-19-Pandemie zu befassen, und ermutigt sie zum Austausch von landesweiten Innovationen, Leitlinien, bewährten Verfahren und Protokollen, die sich beim Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen und für die Hilfe für Opfer – insbesondere in Notfällen – als wirksam erwiesen haben; fordert die Kommission auf, diese Vorgehensweisen zu fördern; fordert die Mitgliedstaaten und die lokalen Behörden auf, das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt zu ermitteln und die Opfer von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt zu unterstützen, indem sie ihnen Sicherheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit durch den Zugang zu speziellen Unterkünften und zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Verkehr sowie professionelle psychologische Unterstützung garantieren; fordert die Kommission auf, ein Protokoll der Europäischen Union zu Gewalt gegen Frauen in Krisen- und Notsituationen auszuarbeiten und Opfer während Notsituationen wie der COVID-19-Pandemie zu unterstützen, sichere und flexible Notfallwarnsysteme einzurichten und an die Opfer gerichtete Schutzangebote wie Beratungsstellen, sichere Unterkünfte und Gesundheitsdienste als in den Mitgliedstaaten bereitgestellte „grundlegende Dienste“ aufzunehmen; betont in diesem Zusammenhang, dass konkrete Maßnahmen benötigt werden, um die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede im Bereich der Rechtsetzung, der Politik und der Dienstleistungen abzubauen und um den Anstieg der häuslichen und geschlechtsspezifische Gewalt im Rahmen der COVID-19-Pandemie anzugehen;
3. betont, dass die Täter Gerichtsverfahren häufig dazu ausnutzen, ihre Macht und Kontrolle auszuweiten, ihre Opfer weiter einzuschüchtern und weiter Angst bei ihnen zu schüren; betont in diesem Zusammenhang, dass der gewalttätige Elternteil häufig auf das Kind einwirkt und das gemeinsame Sorgerecht zu manipulativen Zwecken beantragt, um auch nach der Trennung Druck auf die Mutter auszuüben; betont, dass die Täter in der Absicht, ihren Partnern bzw. Ex-Partnern Leid zuzufügen, häufig die Kinder misshandeln oder damit drohen, ihnen Schaden zuzufügen oder sie mitzunehmen, was schwerwiegende Folgen für die harmonische Entwicklung des Kindes nach sich zieht; weist darauf hin, dass dies auch eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt ist; stellt fest, dass Täter die Zurückhaltung von Unterhaltszahlungen als Drohung und eine Form des Missbrauchs ihrer Opfer nutzen können; betont, dass diese Vorgehensweise bei Opfern großen psychologischen Schaden anrichten und finanzielle Schwierigkeiten verursachen oder verschärfen kann; fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass die Opfer Unterhaltszahlungen aus Opferfonds erhalten, um finanziellen Missbrauch und die Gefahr einer weiteren Schädigung der Opfer zu vermeiden;
4. begrüßt die Strategie der Kommission für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025 zur Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt und betont, wie wichtig es ist, ihre zentralen Zielsetzungen in dieser Hinsicht vollständig und rasch umzusetzen; weist auf die alarmierenden Zahlen zu geschlechtsspezifischer Gewalt hin, die patriarchalische Verhaltensweisen offenbaren, die dringend umgestaltet werden müssen; weist erneut darauf hin, dass ein gemeinsames Vorgehen unerlässlich ist, damit die Rechte von Frauen in Europa nach oben hin angenähert und harmonisiert werden; fordert daher die Schaffung einer Ratsformation zur Gleichstellung der Geschlechter innerhalb des Europäischen Rates, damit die Vertreter der Mitgliedstaaten zu regelmäßigen Treffen zusammenkommen, die Gesetzgebung betreiben und sich über bewährte Verfahren austauschen können; betont, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einen intersektionalen, möglichst integrativen Ansatz beinhalten müssen, um jede Art von Diskriminierung zu vermeiden;
5. weist darauf hin, dass das Übereinkommen von Istanbul ein zentrales Instrument bei der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist; bedauert, dass das Übereinkommen von der Europäischen Union noch nicht ratifiziert wurde und dass es bis heute erst von 21 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde; fordert seine zügige Ratifizierung und Umsetzung auf nationaler Ebene und Unionsebene; fordert Bulgarien, Lettland, Litauen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn nachdrücklich auf, das Übereinkommen von Istanbul zu ratifizieren; bekräftigt seine entschlossene Verurteilung der jüngsten Entscheidung des polnischen Justizministers, das Austrittsverfahren Polens aus dem Übereinkommen von Istanbul offiziell zu beginnen, was einen Rückschlag für die Gleichstellung der Geschlechter, die Frauenrechte und die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt bedeuten würde; fordert die Kommission auf, die Ausarbeitung eines umfassenden Rahmenkonzepts, das sich aus politischen Maßnahmen, Programmen und anderen Initiativen zusammensetzt, fortzusetzen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen, und im Rahmen seiner Finanzierungsprogramme, die im mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 und über das Programm Daphne abgesichert sind, ausreichende und angemessene Ressourcen für Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens von Istanbul einzuplanen; begrüßt sämtliche Kampagnen, die sich für die Ratifizierung und Umsetzung des Übereinkommens von Istanbul einsetzen; unterstützt das Vorhaben der Kommission, weiterhin auf die EU-weite Ratifizierung zu drängen; verurteilt aufs Schärfste sämtliche Versuche, das Übereinkommen von Istanbul zu diskreditieren, und verurteilt die Versuche, die Fortschritte im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich häuslicher Gewalt, die in einigen Mitgliedstaaten unternommen werden, wieder zunichte zu machen; stellt mit großer Sorge fest, dass die tatsächliche Umsetzung des Übereinkommens EU-weit nach wie vor lückenhaft ist; fordert die Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben, auf, seine umfassende, wirksame und praktische Umsetzung sicherzustellen und besonderes Augenmerk auf Artikel 31 des Übereinkommens von Istanbul zu legen sowie alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass gewalttätige Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht für Kinder stets unter Achtung der Unschuldsvermutung berücksichtigt werden und dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder nicht gefährdet;
6. fordert die Kommission und den Rat auf, geschlechtsspezifische Gewalt in die Liste der Kriminalitätsbereiche gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV aufzunehmen und dabei die besondere Notwendigkeit zu berücksichtigen, diese Straftat auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen; fordert die Kommission auf, dies als Rechtsgrundlage zu nutzen, um verbindliche Maßnahmen und eine ganzheitliche EU-Rahmenrichtlinie zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich der Auswirkungen von Gewalt in Paarbeziehungen auf Frauen und Kinder, vorzuschlagen, die einheitliche Standards und Sorgfaltspflichten zur Datenerhebung, zur Gewaltprävention und zu Ermittlungen nach Fällen von Gewalt, zum Opfer- und Zeugenschutz sowie zur Verfolgung und Bestrafung von Tätern enthalten; weist darauf hin, dass solche neuen gesetzgeberischen Maßnahmen in jedem Fall mit den Rechten, Pflichten und Zielen des Übereinkommens von Istanbul in Einklang stehen sollten und die Ratifizierung des Übereinkommens ergänzen sollten; empfiehlt, das Übereinkommen von Istanbul als Mindeststandard zu betrachten und weitere Fortschritte bei der Ausmerzung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt anzustreben;
7. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt im Internet, einschließlich Belästigung im Internet, Cybermobbing und frauenfeindlicher Hetze, von denen Kinder und vor allem Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind, zu beseitigen und insbesondere gegen die Zunahme dieser Formen geschlechtsspezifischer Gewalt während der COVID-19-Pandemie vorzugehen; fordert die Kommission auf, einschlägige Vorschriften und andere mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Hetze und Belästigung im Internet vorzulegen;
8. bedauert, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die Bekämpfung häuslicher Gewalt angesichts des Ausmaßes dieses Phänomens nicht ausreichend finanzieren; stellt fest, dass die Mitgliedstaaten, die die Mittel zur Bekämpfung häuslicher Gewalt erheblich aufgestockt haben, Ergebnisse erzielt haben, insbesondere im Hinblick auf die Verringerung der Anzahl an Femiziden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die für die Bekämpfung häuslicher Gewalt vorgesehenen Mittel zu erhöhen; ist besorgt angesichts der Tatsache, dass Finanzierung häufig nur fragmentiert und kurzfristig sowie unter erheblichem Verwaltungsaufwand zur Verfügung gestellt wird, was den Zugang von Verbänden zu Finanzmitteln einschränken und somit die Qualität der Unterstützung für Opfer häuslicher Gewalt und ihre Kinder beeinträchtigen kann; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich für eine stabile und langfristige Finanzierung einzusetzen;
Schutz, Sicherheit und Unterstützung für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt – der Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen bei Entscheidungen über das Sorgerecht und Umgangsregelungen
9. erinnert daran, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, deren Wohl im Vordergrund stehen muss; erinnert an das Recht des Kindes, das von einem oder beiden Elternteilen getrennt ist, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht; stellt fest, dass das gemeinsame Sorgerecht und unbeaufsichtigte Besuche grundsätzlich wünschenswert sind, um gleiche Rechte und Pflichten für die Eltern sicherzustellen, es sei denn, das Kindeswohl wird dadurch gefährdet; betont, dass es dem Kindeswohl zuwiderläuft, wenn die elterliche Verantwortung gemäß Gesetz automatisch einem oder beiden Elternteilen zugewiesen wird; erinnert daran, dass gemäß dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes die Beurteilung des Kindeswohls eine einzigartige Maßnahme ist, die in jedem einzelnen Fall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Kindes vorgenommen werden sollte; betont, dass Gewalt in Paarbeziehungen wegen ihrer schwerwiegenden Folgen für Frauen und Kinder und auch des Risikos von der Trennung nachfolgenden Gewaltexzessen wie Femizid und Infantizid eindeutig nicht mit dem Wohl des Kindes, dem aufgeteiltem Sorgerecht und der gemeinsamen Fürsorge vereinbar ist; betont, dass der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt und das Kindeswohl bei der Festlegung der Modalitäten des Sorgerechts und des Umgangs- und Besuchsrechts von überragender Bedeutung ist und daher Vorrang vor anderen Kriterien haben muss; betont, dass die Rechte oder Ansprüche von Tätern oder mutmaßlichen Tätern während und nach einem Gerichtsverfahren, insbesondere in Bezug auf Eigentum, Privatsphäre, Sorgerecht für das Kind, Zugang, Umgang und Besuche, im Lichte der Menschenrechte von Frauen und Kindern auf Leben und körperliche, sexuelle und psychische Unversehrtheit bestimmt und vom Grundsatz des Kindeswohls geleitet werden sollten(24); betont daher, dass der Entzug von Sorge- und Besuchsrecht des gewalttätigen Partners und die Zuerkennung des alleinigen Sorgerechts an die Mutter, wenn sie Opfer von Gewalt ist, die einzige Möglichkeit sein kann, um weitere Gewalt und die sekundäre Viktimisierung der Opfer zu verhindern; betont, dass die Zuerkennung der gesamten elterlichen Verantwortung an das eine Elternteil mit entsprechenden Ausgleichsmechanismen einhergehen muss, wie z. B. Sozialhilfe und vorrangiger Zugang zu kollektiven und individuellen Betreuungsregelungen;
10. betont, dass die Nichtberücksichtigung von Gewalt in Paarbeziehungen bei Entscheidungen über Umgangs- und Sorgerecht eine fahrlässige Verletzung der Menschenrechte auf Leben, ein gewaltfreies Leben und die gesunde Entwicklung von Frauen und Kindern darstellt; fordert nachdrücklich, dass jegliche Form der Gewalt, einschließlich wenn Kinder Zeugen von Gewalt gegen einen Elternteil oder eine ihnen nahestehende Person werden, rechtlich und in der Praxis als Menschenrechtsverletzung und Verbrechen gegen das Kindeswohl betrachtet wird; ist zutiefst besorgt über die alarmierende Zahl von Femiziden in Europa, die die extremste Form von Gewalt gegen Frauen darstellen; sieht Grund zur Sorge angesichts der steigenden Zahlen, in denen es zu Femiziden und Infantiziden kommt, nachdem die Frau geschlechtsspezifische Gewalt angezeigt hat, dass Frauen nur unzulänglicher Schutz gewährt wird; betont, dass in Fällen von Femizid die elterliche Sorge des beschuldigten Elternteils aus Gründen des Kindeswohls systematisch für die gesamte Dauer des Verfahrens ausgesetzt werden sollte; betont ferner, dass Nachkommen von der Unterhaltspflicht gegenüber einem Elternteil befreit werden sollten, wenn dieser für Femizid verurteilt wurde; fordert die Mitgliedstaaten dringend auf, sicherzustellen, dass alle weiblichen Opfer, die Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen geworden sind, in all ihrer Vielfalt und unabhängig von ihrem Status in angemessenem Umfang und kostenlos Zugang zu Justiz und Opferschutz erhalten, und im Bedarfsfall für die Bereitstellung von Dolmetschdiensten zu sorgen; fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass die zuständigen Stellen der Tatsache Beachtung schenken, dass Frauen und Kinder mehreren Formen der Diskriminierung ausgesetzt sein können, die einander überlagern; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Betreuung, die Überwachung und den Schutz von Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt angezeigt haben, zu verstärken; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Unterstützungsdienste einen koordinierten Ansatz zur Identifizierung gefährdeter Frauen verfolgen, um sicherzustellen, dass all diese Maßnahmen für alle Frauen und Mädchen in ihrem Zuständigkeitsbereich verfügbar und zugänglich sind; betont, dass, wenn ein Täter auf frischer Tat festgenommen wird, das Opfer an einen sicheren Ort gebracht werden und der Schutz der Kinder vor dem Angreifer obligatorisch sein sollte, betont ferner, dass, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Festnahme nicht erfüllt sind, der mutmaßliche Täter dennoch unverzüglich aus dem Haus des Opfers entfernt und vom Arbeitsplatz des Opfers ferngehalten werden sollte, um weitere Gewalt zu verhindern;
11. fordert die Mitgliedstaaten auf, Systeme zu entwickeln, die es Dritten und Verbänden ermöglichen, den Umgang mit den Kindern des gewalttätigen Ex-Partners zu regeln, um die Gefährdung von Müttern, die Opfer häuslicher Gewalt sind, zu verringern, wenn ihr ehemaliger Partner nach wie vor ein Besuchsrecht, Zugang zu einer Unterkunft oder das gemeinsame Sorgerecht hat; ist der Ansicht, dass diese Mechanismen für Frauen zugänglich sein müssen, sobald sie häusliche Gewalt melden; ist der Ansicht, dass für diese Aufgabe spezifische Fähigkeiten erforderlich sind und dass die mit dem Umgang mit den Kindern betrauten Personen eine angemessene Ausbildung erhalten müssen; ist der Auffassung, dass diese Mechanismen von spezialisierten Verbänden und Institutionen getragen werden sollten;
12. ist besorgt angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt; weist auf die Situation von Frauen hin, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt sind und in Gebieten leben, in denen es an Unterstützungsstrukturen mangelt und der Zugang zur Justiz sowie zu öffentlichen und Rechtsdiensten, um ihre Rechte verteidigen zu können, schwierig ist; ist besorgt darüber, dass spezialisierte Hilfsdienste nicht in allen Mitgliedstaaten in gleichem Umfang zur Verfügung stehen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, für deren angemessene geografische Streuung zu sorgen und sicherzustellen, dass Opfern, unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Frauen oder ihrer Fähigkeit oder Bereitschaft, an einem Verfahren gegen den mutmaßlichen Täter mitzuwirken, spezialisierte Hilfsdienste für die sofortige, kurzfristige und langfristige Unterstützung zur Verfügung stehen; fordert die Mitgliedstaaten auf, uneingeschränkten Zugang zu Rechtsdienstleistungen und maßgeschneiderten Diensten sowie Maßnahmen vorzusehen, die auf konkrete Situationen ausgelegt sind, in denen es im ländlichen Raum zu Gewalt in Paarbeziehungen kommt; betont, dass verschiedene Dienste und Programme untereinander vernetzt werden müssen, um Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen in ländlichen und abgelegenen Gebieten erfolgreich zu bekämpfen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Möglichkeit zu prüfen, EU-Mittel, insbesondere für die regionale Entwicklung bestimmte Mittel, für dieses Problem einzusetzen;
13. begrüßt die EU-Strategie für die Rechte von Opfern (2020–2025), die sich mit den besonderen Bedürfnissen von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt befasst, insbesondere den spezifischen Ansatz für psychische Gewalt gegen Frauen und die langfristigen Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit; fordert die Kommission auf, bei ihrer Bewertung der EU-Opferschutzrichtlinie zu prüfen, ob der geschlechterspezifische Aspekt der Viktimisierung angemessen und wirksam berücksichtigt wurde, insbesondere hinsichtlich internationaler Standards zur Gewalt gegen Frauen, etwa des Übereinkommens von Istanbul, und die Rechtsvorschriften über die Rechte von Opfern sowie deren Schutz und deren Entschädigung angemessen auszuweiten; fordert, dass die Rechte von Opfern weiter gefördert werden, darunter durch bereits bestehende Instrumente wie die Europäische Schutzanordnung; fordert die Kommission mit Nachdruck auf, dafür zu sorgen, dass alle Mitgliedstaaten die Opferschutzrichtlinie in nationales Recht übertragen und vollständig und korrekt umsetzen, damit die Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen uneingeschränkten Zugang zu einer Reihe von Unterstützungsdiensten erhalten, einschließlich spezialisierter und allgemeiner Unterstützungsdienste sowie der Telefon-Hotline 116 006 für Opfer von Verbrechen;
14. empfiehlt den Mitgliedstaaten, alternative Systeme für Opfer einzurichten, die keine Beschwerde einreichen, damit sie die Rechte, die Opfern von Gewalt in Paarbeziehungen zuerkannt werden, z. B. Sozial- und Arbeitsrechte, wahrnehmen können, etwa durch Gutachten, die von spezialisierten öffentlichen Diensten erstellt wurden und den Status von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt bestätigen;
Schutz und Unterstützung: Zugang zu Rechtsschutz, Notunterkünften und Opferfonds
15. hebt hervor, welch zentrale Rolle der wirtschaftlichen Unterstützung von Opfern zukommt, um finanzielle Unabhängigkeit vom gewalttätigen Partner zu erlangen; betont, dass die Mehrheit der Frauen während Trennungs- und Scheidungsverfahren ärmer wird und dass einige Frauen aus Angst vor dem Verlust des Sorgerechts darauf verzichten, ihren gerechten Anteil und ihnen zustehendes Recht einzufordern; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, dem Risiko, dass Opfer häuslicher Gewalt während Trennungs- und Scheidungsprozessen in eine prekäre Lage geraten, besondere Aufmerksamkeit zu widmen; betont, dass die wirtschaftlichen Hindernisse beseitigt werden müssen, die eine Frau dazu veranlassen können, die erlittene Gewalt nicht zur Anzeige zu bringen; weist darauf hin, dass ein angemessenes Einkommen und wirtschaftliche Unabhängigkeit entscheidende Faktoren sind, um Frauen in die Lage zu versetzen, sich aus von Missbrauch und Gewalt geprägten Beziehungen zu lösen; fordert die Mitgliedstaaten auf, spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung wirtschaftlicher Gewalt einzuführen, um das Vermögen und Einkommen von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen und einen Rahmen zu schaffen, der rasche und wirksame Entscheidungen über Unterhaltszahlungen für Kinder ermöglicht, mit denen die Befähigung zur Selbstbestimmung, die finanzielle Sicherheit und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt sichergestellt werden sollen, um es ihnen zu ermöglichen, die Kontrolle über das eigene Leben zu übernehmen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine derartige Unabhängigkeit zu fördern und zu unterstützen; begrüßt den Vorschlag einer Richtlinie über angemessene Mindestlöhne(25) und den Vorschlag verbindlicher Maßnahmen zur Lohntransparenz(26); betont, wie wichtig die Umsetzung der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben(27) ist, ist sie doch von besonderer Bedeutung für Alleinerziehende, da ihnen geholfen würde, ihre besondere Beschäftigungssituation mit ihren Betreuungspflichten zu vereinbaren, etwa durch die Sicherstellung zugänglicher und angemessener Betreuungseinrichtungen; fordert die Mitgliedstaaten auf, angemessene finanzielle Unterstützungsleistungen sicherzustellen und Kompensationsmechanismen für Opfer zu entwickeln, mit denen sich die Umsetzung und Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen koordinieren, überwachen und regelmäßig bewerten lässt, um wirtschaftliche Gewalt gegen Frauen zu verhindern;
16. fordert die Mitgliedstaaten auf, sich dafür einzusetzen, dass Frauen, die Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen geworden sind, einen besseren Zugang zu Rechtsschutz erhalten, wirksam angehört werden, Kontaktverbote erwirken können, Unterkunft und Beratung erhalten sowie Opferfonds und auf die Stärkung der finanziellen Eigenverantwortung ausgelegte Programme in Anspruch nehmen können; fordert die Mitgliedstaaten auf, durch die Bereitstellung von Unterstützung für Mütter und ihre Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, in Form von Gemeinschafts-, Ausbildungs- und finanziellen Hilfen, beispielsweise Opferfonds für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, um sicherzustellen, dass diese Mütter über die notwendigen Mittel verfügen, um für ihre Kinder zu sorgen und zu verhindern, dass ihnen das Sorgerecht entzogen wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, besondere, auf gemeinsamen Mindeststandards basierende Verfahren anzuwenden und Opfern häuslicher Gewalt Unterstützung zuteilwerden zu lassen, um zu verhindern, dass sie aufgrund des gemeinsamen Sorgerechts erneut zu Opfern werden oder das Sorgerecht für ihre Kinder vollständig verlieren; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Gerichtskosten von Opfern häuslicher Gewalt zu übernehmen, wenn diese über keine ausreichenden Mittel verfügen, um ihnen angemessenen Rechtsbeistand durch einen Anwalt sicherzustellen, der auf Situationen häuslicher Gewalt spezialisiert ist; fordert die Kommission auf, die EU-weite Festlegung von Mindeststandards für Schutzanordnungen zu prüfen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen über die gesamte Dauer ihrer Rechtsverfahren hinweg jederzeit Zugang zu psychologischer Unterstützung und Beratung erhalten;
17. bedauert den Mangel an geeigneten Lösungen für die Not- und Übergangsunterbringung von Opfern von Gewalt in Paarbeziehungen und ihren Kindern; fordert Mitgliedstaaten auf, Notunterkünfte speziell für Fälle von Gewalt in Paarbeziehungen einzurichten und für ihre ständige Verfügbarkeit zu sorgen, um geeignete Dienste für die Betreuung und den Schutz von Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, sowie eventuell beteiligte Kinder auszubauen, zu verbessern und sicherzustellen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den zuständigen Behörden adäquate Mittel – auch im Rahmen von Projekten und Ausschreibungen für die Schaffung und den Ausbau von Frauenhäusern – zur Verfügung zu stellen sowie in andere geeignete Maßnahmen zu investieren, um Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, Privatsphäre sowie ein sicheres und ortsnahes Umfeld zu bieten;
18. bedauert, dass Frauen in eine Lage ohne angemessene soziale, gesundheitliche und psychologische Unterstützung geraten können; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Bereitstellung wirksamer, zugänglicher, universeller und hochwertiger medizinischer und psychologischer Unterstützung für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, sicherzustellen, insbesondere in Krisenzeiten, in denen diese Unterstützung als wesentlich erachtet werden muss, z. B. durch Investitionen in die Telemedizin, um zu gewährleisten, dass die Gesundheitsdienste weiterhin erbracht werden können;
19. ersucht die Mitgliedstaaten, eine auf die Patienten ausgerichtete Gesundheitsversorgung zu schaffen, die die Früherkennung von Gewalt im häuslichen Umfeld und die Organisation von fachgerechten therapeutischen Behandlungsmaßnahmen und Unterbringungsprogrammen sowie von Rechtsdienstleistungen für Opfer ermöglicht, wodurch sich die Folgen von Gewalt in Paarbeziehungen erheblich verringern und weitere Gewalt verhindern ließen;
20. fordert die Mitgliedstaaten auf, virtuelle Optionen zur Unterstützung der Opfer von Gewalt zu untersuchen, auch mit Blick auf die psychische Gesundheit und auf Beratung, unter Berücksichtigung der bestehenden Ungleichheiten beim Zugang zu IT-Diensten;
21. tritt für bewährte Verfahren ein, wie sie bereits in einigen Mitgliedstaaten bestehen, um weitere Gewalt zu verhindern, etwa die Verzeichnung der Telefonnummern von Opfern von Stalking und Gewalt in Paarbeziehungen in speziellen Listen, damit künftig im Notfall Anrufe von diesen Nummern absoluten Vorrang erhalten, und um wirksame Einsätze zur Strafverfolgung zu ermöglichen;
Schutz und Hilfe für Kinder
22. betont, dass es auf EU-Ebene gemeinsamer Rechtsdefinitionen und Mindeststandards zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und zum Schutz der Kinder von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt bedarf, da Gewalt in Paarbeziehungen, Zeugenschaft von Gewalt und indirekte Gewalt in vielen Rechtssystemen nicht anerkannt werden; weist darauf hin, dass Kinder, die Zeugen von Gewalt in ihrem familiären Umfeld sind, nicht als Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt anerkannt werden, was sich unmittelbar auf die Datenerhebung durch Polizei und Justiz und auf die länderübergreifende Zusammenarbeit auswirkt; betont die Notwendigkeit, Kindern, die Zeugen von Gewalt in Paarbeziehungen sind oder indirekte Gewalt erleiden, in Straf- und Ermittlungsverfahren den Status eines Opfers geschlechtsspezifischer Gewalt zuzuerkennen, damit sie besseren Rechtsschutz und angemessene Unterstützung erhalten; empfiehlt daher die Einführung systematischer Verfahren für die Betreuung und insbesondere die psychologische Betreuung von Kindern, die Opfer, aber auch Zeugen von Gewalt in Paarbeziehungen sind, einzuführen, um auf die im Leben dieser Kinder durch das Erleben dieser Gewalt verursachten Störungen einzugehen und zu verhindern, dass sie selbst diese Form von Gewalt im Erwachsenenleben ausüben; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, geeignete Bestimmungen über die sogenannte „miterlebte Gewalt“ einzuführen, einschließlich der Festlegung erschwerender Umstände;
23. fordert die Mitgliedstaaten auf, eine jährliche Kampagne einzuleiten, die der Information von Kindern und der Sensibilisierung über die Rechte von Kindern dient; fordert die Mitgliedstaaten auf, zur Betreuung von Kindern, die Opfer von Gewalt geworden sind, spezielle Zentren einzurichten, in denen Kinderärzte und Therapeuten tätig sind, die auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisiert sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, Kontaktstellen für Kinder einzurichten, die u. a. per Telefon, E-Mail, online, Chat usw. leicht erreichbar sind und Kindern die Möglichkeit bieten, das Thema Gewalt anzusprechen, Fragen zu stellen und gegen sie selbst, einen Elternteil oder ein Geschwisterkind verübte Gewalt zu melden, und von der sie Informationen und Beratung erhalten oder an andere Unterstützungsstellen weiterverwiesen werden können;
24. betont, dass dem Kind insbesondere die Möglichkeit gegeben werden muss, angehört zu werden, was für die Feststellung des Kindeswohls bei der Prüfung von Sorgerechts- und Pflegschaftsrechtsfällen entsprechend dem Alter und der Reife des Kindes unerlässlich ist; weist darauf hin, dass solche Anhörungen in jedem Fall und unbedingt in den Fällen, in denen ein Verdacht auf Gewalt in Paarbeziehungen besteht, in einem kinderfreundlichen Umfeld von geschulten Fachkräften wie Ärzten oder Psychologen – etwa solchen mit einer Zusatzqualifikation in Kinderneuropsychiatrie – durchgeführt werden sollten, damit die Auswirkungen von Sorgerechtsregelungen auf die harmonische Entwicklung des Kindes untersucht werden können und sich die Traumatisierung nicht verschärft und keine Viktimisierung entsteht; fordert EU-Mindeststandards für die Durchführung solcher Anhörungen; weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass Opfern und deren Kindern nach der Zeit des Missbrauchs für die gesamte Dauer des Genesungsprozesses eine langfristige psychologische und psychiatrische Betreuung und Sozialberatung in angemessenem Umfang sichergestellt wird;
25. betont, dass in Fällen, in denen das Opfer oder ein betroffenes Kind eine Behinderung aufweist oder einer besonders schutzbedürftigen Gruppe angehört, besondere Aufmerksamkeit und spezielle Verfahren und Standards notwendig sind;
26. begrüßt die von der Kommission vorgelegte umfassende Strategie zum Schutz gefährdeter Kinder und zur Förderung einer kindgerechten Justiz; betont, dass die Rechte der schutzbedürftigsten Kinder gewahrt werden müssen, wobei Kindern mit Behinderungen, der Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt und der Förderung einer kindgerechten Justiz besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist; fordert die umfassende und zügige Umsetzung der Strategie durch alle Mitgliedstaaten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern zu ergreifen, indem sie in Präventionsmaßnahmen und Behandlungsprogramme investieren, die verhindern sollen, dass die Täter erneut straffällig werden, und indem sie die Opfer wirksamer unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Organisationen der Zivilgesellschaft verstärken; betont, dass bei Verdacht auf Kindesmissbrauch unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Sicherheit des Kindes zu gewährleisten und weitere oder potenzielle Gewalt zu stoppen und zu verhindern, wobei das Recht des Kindes auf Anhörung während des gesamten Prozesses gewährleistet sein muss; ist der Auffassung, dass ein solches Vorgehen eine sofortige Risikobewertung und Schutzmaßnahmen umfassen sollte, die ein breites Spektrum wirksamer Maßnahmen wie einstweilige Maßnahmen oder Schutz- oder Unterlassungsanordnungen während der Abklärung des Sachverhalts umfassen; erinnert daran, dass in allen Verfahren, an denen Kinder als Opfer von Gewalt beteiligt sind, grundsätzlich ein zügiges Vorgehen geboten ist; betont, dass Gerichte, die sich mit Kindesmissbrauch befassen, auch über eine Spezialisierung auf geschlechtsspezifische Gewalt verfügen sollten;
27. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um dem sexuellen Missbrauch von Kindern ein Ende zu setzen, indem sie in Präventivmaßnahmen investieren, spezifische Programme für potenzielle Straftäter ausarbeiten und die Opfer wirksamer unterstützen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen zu verbessern, um den sexuellen Missbrauch und die sexuelle Ausbeutung von Kindern zu bekämpfen;
28. betont, dass Gewalt gegen Kinder auch mit geschlechtsspezifischer Gewalt einhergehen kann, wenn diese entweder Zeugen der Gewalt werden, die gegen ihre Mutter ausgeübt wird, oder wenn sie selbst Opfer von Misshandlungen sind, wenn diese indirekt zur Ausübung von Macht und psychischer Gewalt gegen ihre Mutter eingesetzt werden; stellt fest, dass Programme zur Unterstützung von Kindern, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, unerlässlich sind, um langfristige Schäden auf ein Mindestmaß zu senken; fordert die Mitgliedstaaten auf, weiterhin innovative Programme durchzuführen, die auf die Bedürfnisse dieser Kinder abgestimmt sind, z. B. durch die Schulung von Anbietern, die mit Kindern arbeiten, um Frühwarnzeichen zu erkennen, angemessene Reaktionen und Unterstützung zu bieten und Kindern während Straf- und Zivilverfahren, die auch sie betreffen, wirksame psychologische Hilfe zu leisten; empfiehlt den Mitgliedstaaten nachdrücklich, systematische Verfahren für die Betreuung von Kindern, die Opfer oder Zeugen von häuslicher Gewalt sind, einzuführen, darunter psychologische Unterstützung, um auf die im Leben dieser Kinder durch das Erleben dieser Gewalt verursachten Störungen einzugehen und zu verhindern, dass sie selbst diese Form von Gewalt im Erwachsenenleben ausüben;
Prävention: Ausbildung von Expertinnen und Experten
29. fordert einen regelmäßigen, wirksamen Aufbau von Kapazitäten und obligatorische zielgerichtete Schulungen von Fachkräften, die mit Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt, Kindesmissbrauch und allgemein mit allen Formen häuslicher Gewalt und deren Mechanismen, einschließlich Manipulation, psychischer Gewalt und Kontrolle durch Zwang, befasst sind; unterstreicht, dass eine solche zielgerichtete Schulung daher für Richter, Strafverfolgungsbeamte, spezialisierte Angehörige der Rechtsberufe, gerichtsmedizinisches Personal, Angehörige der Gesundheitsberufe, Sozialarbeiter, Lehrer und Kinderbetreuer sowie für in diesen Bereichen tätige öffentliche Bedienstete bestimmt sein sollte; fordert, dass bei dieser Schulung auch die Bedeutung von Gewalt in Paarbeziehungen für die Rechte von Kindern sowie für ihren Schutz und ihr Wohlergehen hervorgehoben wird; fordert, dass diese Schulung die Kenntnisse und das Verständnis dieser Fachleute für die derzeitigen Schutzmaßnahmen sowie für die Sicherheit, die Auswirkungen der Straftat, die Bedürfnisse des Opfers und die Art und Weise, wie auf diese Bedürfnisse eingegangen werden kann, verbessert und ihnen angemessene Fähigkeiten vermittelt, um besser mit den Opfern zu kommunizieren und sie zu unterstützen; fordert, dass sie durch diese Schulungsmaßnahmen auch in die Lage versetzt werden, die Situation mithilfe zuverlässiger Instrumente zur Risikobewertung zu beurteilen und Anzeichen von Missbrauch zu erkennen; unterstreicht die Notwendigkeit, die von den beteiligten Fachkräften genutzten Mechanismen zur Erkennung dieser Anzeichen zu bewerten; fordert, dass bei dieser Schulung die Bedürfnisse und Belange der Opfer im Vordergrund stehen und anerkannt wird, dass Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt durch einen spezifischen, geschlechtersensiblen und menschenrechtsorientierten Ansatz unter Einhaltung nationaler, regionaler und internationaler Normen und Maßnahmen angegangen werden müssen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, eine solche Schulung zu entwickeln und zu finanzieren; erinnert in diesem Zusammenhang an die Bedeutung des Europäischen Netzes für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten; betont, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit Kindern und Opfern von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt arbeiten und sich für diese einsetzen, gebeten werden sollten, derartige Schulungen anzubieten oder zumindest daran teilzunehmen, um das Wissen und ihre Expertise weiterzugeben, die sie aus realen Erfahrungen gewonnen haben; fordert die Kommission auf, diese Art von Schulungen zu erleichtern und zu koordinieren und sich dabei besonders auf grenzüberschreitende Fälle zu konzentrieren;
30. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass ihre Polizei- und Justizdienste angemessen finanziert, ausgestattet und geschult sind, um Beschwerden über häusliche Gewalt zu bearbeiten und dabei reaktionsfähig zu sein; bedauert, dass die Unterfinanzierung und die Haushaltskürzungen bei diesen Diensten zu Verfahrensmängeln, einem Mangel an Informationen für die Beschwerdeführer über den Fortgang des Verfahrens und übermäßigen Verzögerungen führen können, die mit dem Gebot des Opferschutzes und der Erholung der Opfer nicht vereinbar sind; unterstreicht die wichtige Rolle der Sozialarbeiter und Psychologen in Polizeidienststellen, um die konkrete und menschliche Unterstützung der Opfer häuslicher Gewalt zu erleichtern; fordert die Mitgliedstaaten auf, alle Vereinigungen mit den erforderlichen Mitteln auszustatten, um weiblichen Opfern und ihren Kindern zu helfen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Zusammenarbeit zu verstärken, um Maßnahmen zur Verbesserung der Identifizierung der Opfer von häuslicher Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen zu ergreifen und die Opfer und Zeugen zu ermutigen, sich zu melden und die Straftat anzuzeigen, da in vielen Fällen Gewalt in Paarbeziehungen nicht angezeigt wird;
31. fordert die Kommission und das Europäische Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten auf, eine EU-weite Plattform für das gegenseitige Lernen und den Austausch bewährter Verfahren zwischen Angehörigen der Rechtsberufe und politischen Entscheidungsträgern verschiedener Mitgliedstaaten in allen relevanten Bereichen einzurichten;
32. empfiehlt den Mitgliedstaaten nachdrücklich, spezialisierte Gerichte und Kammern einzurichten sowie einschlägige Gesetze, Schulungen, Verfahren und Leitlinien für alle Fachkräfte, die mit Opfern von Gewalt in Paarbeziehungen zu tun haben, einzuführen, wozu auch die Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Gewalt und Geschlechterstereotypen gehört, damit keine Diskrepanzen zwischen Gerichtsentscheidungen entstehen und niemand während gerichtlicher, medizinischer, polizeilicher, Kinderschutz- und Vormundschaftsverfahren diskriminiert oder sekundär viktimisiert wird und gleichzeitig gewährleistet ist, dass Kinder und Frauen gebührend Gehör finden und ihrem Schutz und Entschädigungsmaßnahmen Vorrang eingeräumt wird; betont, dass spezialisierte Gerichte und Kammern sowie eine gegenüber Kindern und Frauen in ihrer Eigenschaft als Opfer freundliche Justiz dabei unterstützt werden müssen, Einheiten zur umfassende Bewertung von Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt einzurichten, die sich aus Gerichtsmedizinern, Psychologen und Sozialarbeitern zusammensetzen, und in Abstimmung mit den auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisierten öffentlichen Diensten arbeiten, die für die Betreuung der Opfer zuständig sind; betont, wie wichtig es ist, dass gesetzliche Schutzmaßnahmen in vollem Umfang angewandt werden, um Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen, und dass solche Maßnahmen nicht durch elterliche Rechte begrenzt oder eingeschränkt werden; fordert nachdrücklich, dass Entscheidungen über das gemeinsame Sorgerecht aufgeschoben werden, bis Gewalt in der Partnerschaft angemessen untersucht und eine Risikobewertung durchgeführt wurde;
33. betont, dass die Tatsache anerkannt werden muss, dass strafrechtliche, zivilrechtliche und andere Verfahren miteinander verflochten sind, damit die Reaktionen der Justiz und anderer rechtlicher Instanzen auf Gewalt in Paarbeziehungen koordiniert werden können, und regt daher an, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Verknüpfung der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Fälle einer Familie vorsehen, damit Diskrepanzen zwischen Gerichtsentscheidungen, die zulasten der Kinder und Opfer gehen, wirksam vermieden werden; bedauert das Fehlen vorläufiger Maßnahmen zum Schutz von Opfern und das Fehlen vorübergehender Regelungen zum Aufheben des elterlichen Sorgerechts des gewalttätigen Elternteils für die Dauer von Gerichtsverfahren, die sich in der Regel über mehrere Jahre hinstrecken; fordert die Mitgliedstaaten auf, entsprechende Schutzmaßnahmen zu erproben und zu entwickeln; fordert daher die Mitgliedstaaten auf, Schulungen für alle Fachkräfte sowie an solchen Verfahren beteiligte freiwillige Einsatzkräfte zu organisieren und zivilgesellschaftliche Organisationen, die für und mit Kindern und Opfern arbeiten, in diese Schulungsangebote einzubinden; fordert die zuständigen nationalen Behörden auf, die Koordinierung zwischen den Gerichten zu verbessern, indem die Kontakte zwischen den Staatsanwaltschaften erleichtert werden, um dringend eine Lösung der Fragen der elterlichen Pflichten herbeizuführen und sicherzustellen, dass die Familiengerichte in der Lage sind, alle Fragen im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen bei der Festlegung des Sorgerechts und des Umgangsrechts zu berücksichtigen;
34. fordert die Mitgliedstaaten auf, eine Plattform für den regelmäßigen Austausch bewährter Verfahren zwischen Zivil- und Strafgerichten, Angehörigen der Rechtsberufe, die mit Fällen von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt, Kindesmissbrauch, Trennungs- und Sorgerechtsfällen befasst sind, und allen anderen einschlägigen Akteuren einzurichten;
35. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einschlägige zivilgesellschaftliche Organisationen, insbesondere solche, die für und mit Kindern sowie Opfern häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt arbeiten, in die Erarbeitung, Umsetzung und Bewertung von politischen Maßnahmen und Rechtsvorschriften einzubeziehen; fordert, dass diesen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf EU-, nationaler und lokaler Ebene strukturelle Unterstützung geleistet wird, die auch finanzielle Unterstützung einschließt, damit diese ihre Reaktions- und Vertretungskapazitäten ausbauen und den angemessenen Zugang aller Menschen zu ihren Dienstleistungen sowie ihren Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten sicherstellen können;
36. wiederholt, dass es die sektorübergreifende Stärkung der Kapazität von Dienstleistern (Justiz- und Strafverfolgungsbehörden und Sozialwesen) zur Erfassung von Daten und zum Erhalt von Datenbanken auf neuestem Stand umfassend unterstützt; fordert die Mitgliedstaaten auf, nationale Leitlinien und bewährte Verfahren zu schaffen und Schulungen bereitzustellen, um das in allen Bereichen mit Publikumskontakt tätige Personal sämtlicher Ebenen für das Thema Gewalt in Paarbeziehungen zu sensibilisieren, da dies wesentlich ist, damit Schutz suchende Frauen eine einfühlsame Aufnahme erfahren; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Dienstleistungen nach Bereich zu überwachen und die notwendigen Mittel in Übereinstimmung mit dem Bedarf vorzusehen;
37. empfiehlt den nationalen Behörden, insbesondere Leitlinien für die Fachkräfte auszuarbeiten und zu verbreiten, die mit Fällen von Intimpartnergewalt und Sorgerechtsfragen befasst sind, wobei Risikofaktoren (die Kinder betreffende Risikofaktoren, familiäre, milieubedingte, soziale und wiederholte Gewalt) zu berücksichtigen sind, damit eine Bewertung der Gewalt in der Partnerschaft zur Unterstützung der Rechte von Kindern und Frauen vorgenommen werden kann;
38. stellt fest, dass diese Leitlinien und Orientierungshilfen die Angehörigen der Gesundheitsberufe dabei unterstützen sollten, in ihrem beruflichen Umfeld die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, welch erhebliche Auswirkungen Gewalt gegen Frauen, einschließlich Gewalt in Paarbeziehungen, auf deren psychische Gesundheit hat;
39. betont, dass sämtliche forensischen Experten und Fachleute wie etwa Ärzte, forensische klinische Psychologen und Sozialarbeiter, die in diesen Verfahren forensisches und psychologisches Fachwissen liefern, eine wichtige Aufgabe wahrnehmen, da sie nicht nur Frauen beistehen, die Opfer von häuslicher Misshandlung oder häuslicher Gewalt geworden sind, sondern auch den betroffenen Kindern, insbesondere wenn ihr Wohnumfeld zum Schutz ihrer Gesundheit, Würde, ihres emotionalen Gleichgewichts und zur Wahrung ihrer Lebensqualität nicht geeignet ist; weist daher darauf hin, dass die Gerichtsärzte und die beteiligten Fachleute unter anderem Leitlinien benötigen, die auf Datensätzen, Vorgehensweisen und bewährten Verfahren auf EU-Ebene beruhen; stellt fest, dass Gerichtsärzte sich dank ihrer spezifischen technischen und medizinischen Kenntnisse gut für die professionelle Unterstützung von Fachärzten (wie Kinderärzten, Gynäkologen und Psychologen) bei deren Tätigkeit eignen, da sie über die entsprechende Ausbildung und das Fachwissen verfügen, um Anzeichen von Gewalt zu erkennen, und in begründeten Fällen der Meldepflicht nachzukommen und mit den Justizbehörden in Verbindung zu treten;
40. verweist auf die Bestimmungen der Opferschutzrichtlinie; betont, dass Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind, sowie deren Kinder aufgrund des bei dieser Art von Gewalt hohen Risikos einer sekundären und wiederholten Viktimisierung, von Einschüchterung und Vergeltung häufig besondere Unterstützung und Schutz benötigen; fordert daher besondere Beachtung für eine Haltung in der Gesellschaft, auch bei den Fachleuten im Bereich der Strafjustiz, bei der Täter- und Opferrolle umgekehrt werden; fordert, dass institutionelle Gewalt anerkannt und angegangen wird, was sämtliche Handlungen und Unterlassungen von Behörden und Bediensteten des öffentlichen Dienstes einschließt, die darauf abzielen, den Zugang zu den einschlägigen öffentlichen Diensten oder die Ausübung der Rechte der Opfer zu verzögern, zu behindern oder zu verhindern, wobei geeignete Sanktionen und Maßnahmen zu ergreifen sind, um den Schutz und die Entschädigung der Opfer zu gewährleisten; unterstreicht, dass es von entscheidender Bedeutung ist, Schulungen, Verfahren und Leitlinien für alle Fachkräfte zu erarbeiten, die Umgang mit Opfern haben, damit sie auch ohne explizite Klagen von Opfern die Anzeichen für Gewalt in Paarbeziehungen erkennen; schlägt vor, dass solche Leitlinien und Orientierungshilfen Maßnahmen zur Förderung sicherer, respektvoller und schuldzuweisungsfreier Programme zur Behandlung von Frauen, die Opfer von Gewalt – einschließlich Gewalt in Paarbeziehungen – geworden sind, umfassen sollten, und die besten Behandlungsmethoden für sie und ihre Kinder zu verbreiten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Frage der anonymen Beschwerden und zurückgezogenen Beschwerden anzugehen, indem sie wirksame und schnelle Verfahren zum Schutz der Opfer gewährleisten, aber auch die Rechenschaftspflicht der gewalttätigen Partner sicherstellen; fordert die Schaffung von Strafverfolgungsdatenbanken, in denen alle Angaben, die das Opfer oder ein Dritter im Zusammenhang mit Gewalt in der Partnerschaft gemacht hat, um entsprechende Situationen zu überwachen und weitere Gewaltepisoden zu verhindern; fordert ein verbessertes Bildungs- und Sensibilisierungsangebot für die Gemeinschaft sowie die Schulung und Fortbildung von Einsatzkräften in Polizei und Sozialdiensten in ländlichen und abgelegenen Gebieten mit Blick auf Gewalt in Paarbeziehungen, und betont dabei die Bedeutung von Bildung für die Aufklärung und Unterstützung von Kindern sowie von Konfliktbewältigungsprogrammen, positiven Vorbildern und gemeinsamem Spielen;
Prävention: Umgang mit Geschlechterstereotypen und Vorurteilen – Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen
41. erklärt sich besorgt angesichts der Auswirkungen von Geschlechterstereotypen und geschlechterspezifischen Vorurteilen, die zu geschlechterbasierter Gewalt gegen Frauen sowie dazu führen, dass Frauen weniger Glaubwürdigkeit zugebilligt wird, insbesondere bei angeblich falschen Vorwürfen von Kindesmisshandlung und häuslicher Gewalt; ist auch besorgt über den Mangel an spezifischen Schulungen für Richter, Staatsanwälte und Angehörige der Rechtsberufe; betont, wie wichtig Maßnahmen zur Bekämpfung von Geschlechterstereotypen und patriarchalischen Vorurteilen auf dem Wege von Bildungs- und Sensibilisierungskampagnen sind; fordert die Mitgliedstaaten zur Überwachung und Bekämpfung der Kultur der Verunglimpfung von Frauen auf; verurteilt die Anwendung, Akzeptanz und Übernahme unwissenschaftlicher Theorien und Konzepte in Sorgerechtsfällen, die Müttern als Strafe das Sorgerecht absprechen, wenn sie versuchen, Fälle von Kindesmissbrauch oder geschlechtsspezifischer Gewalt anzuzeigen, indem verhindert wird, dass sie das Sorgerecht erhalten oder indem sie deren elterlichen Rechte einschränken; betont, dass das Konzept der so genannten „Eltern-Kind-Entfremdung“, das sich auf keinerlei wissenschaftliche Grundlage stützt, sondern auf geschlechtsspezifischen Stereotypen fußt, Frauen zum Nachteil gereichen kann, die Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen werden, da dadurch Müttern die Schuld für die „Entfremdung“ ihrer Kinder vom Vater angelastet, die elterliche Kompetenz des Opfers infrage gestellt, die Aussagen des Kindes und die Gewaltrisiken, denen Kinder ausgesetzt sind, missachtet und die Rechte und die Sicherheit von Müttern und Kindern gefährdet werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, das Syndrom der Eltern-Kind-Entfremdung in ihrer Rechtspraxis und ihrem Recht nicht anzuerkennen und von seiner Verwendung in Gerichtsverfahren, insbesondere bei Ermittlungen zur Feststellung von Gewalt, abzuraten oder es sogar zu verbieten;
42. hebt die Bedeutung von Sensibilisierungskampagnen hervor, die Zeugen (insbesondere Nachbarn, Kollegen) dazu befähigen, die Anzeichen von Gewalt in Paarbeziehungen (insbesondere nicht-physischer Gewalt) zu erkennen, und sie dazu anleiten, Opfer adäquat zu unterstützen und ihnen zu helfen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Sensibilisierungs-, Informations- und Aufklärungskampagnen zu fördern, die sich mit geschlechterspezifischen Vorurteilen und Stereotypen, aber auch mit häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt in all ihren Formen, wie physische Gewalt, sexuelle Belästigung, Cyber-Gewalt, psychische Gewalt und sexuelle Ausbeutung, befassen, insbesondere im Zusammenhang mit neu geschaffenen Präventionsmaßnahmen und flexiblen Notfallwarnsystemen, um die Berichterstattung in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anerkannten und spezialisierten Frauenorganisationen zu fördern; betont, wie wichtig es ist, alle öffentlichen Strukturen aktiv in die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen einzubeziehen;
43. betont, dass eine wirksame Bestrafung von Tätern sowohl als Abschreckung vor weiterer Gewalt als auch zur Stärkung des Vertrauens insbesondere der Opfer in die Behörden unerlässlich ist; weist allerdings darauf hin, dass eine Gefängnisstrafe allein nicht ausreicht, um künftige Gewalttätigkeit zu verhindern, sondern dass spezielle Wiedereingliederungsprogramme und Verhaltensschulungen benötigt werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen rechtlichen und sonstigen Maßnahmen laut Artikel 16 des Übereinkommens von Istanbul zu ergreifen, um Programme einzurichten oder zu fördern, mit denen Täter häuslicher Gewalt darin geschult werden, sich gewaltfreie Verhaltensweisen für zwischenmenschliche Beziehungen anzueignen, um weitere Gewalt zu verhindern und gewalttätige Verhaltensmuster zu ändern; hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten dabei sicherstellen müssen, dass die Sicherheit, die Unterstützung und die Menschenrechte der Opfer ein vorrangiges Anliegen sind und dass diese Programme gegebenenfalls in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Hilfsdiensten für Opfer ausgearbeitet und umgesetzt werden; weist darauf hin, dass Bildung eine zentrale Rolle bei der Beseitigung von geschlechtsspezifischer Gewalt und insbesondere von Gewalt in Paarbeziehungen spielt; fordert die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025 Präventivprogramme umzusetzen, darunter zu Themen wie der Gleichstellung von Frauen und Männern, gegenseitigem Respekt, gewaltfreier Konfliktlösung in zwischenmenschlichen Beziehungen, geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, dem Recht auf Unversehrtheit und altersgerechter Sexualerziehung, die an den jeweiligen Entwicklungsstand der Lernenden angepasst sind, und in die formalen Lehrpläne und auf allen Bildungsebenen aufzunehmen; betont, dass eine umfangreiche, altersgerechte Sexual- und Beziehungserziehung eine entscheidende Rolle spielt, um Kinder vor Gewalt zu schützen und ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, sichere Beziehungen einzugehen, die frei sind von sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt bzw. Gewalt in Paarbeziehungen; fordert die Kommission zur Unterstützung von Programmen auf, die der Verhinderung von geschlechterspezifischer Gewalt dienen, einschließlich über den Aktionsbereich „Daphne“ des Programms „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“, um wirksame Präventivmaßnahmen sicherzustellen;
44. fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu fördern, mit denen sich hartnäckig haltende Vorstellungen in Bezug auf ein geschlechtsspezifisches Gefälle bei Betreuungs- und Pflegeaufgaben möglichst überwunden werden können;
45. betont, dass Strategien zur Verhinderung von Gewalt in Paarbeziehungen Maßnahmen enthalten sollten, mit denen Gewalterfahrungen im Kindesalter verringert werden und die nötigen Fähigkeiten vermittelt werden, um eine sichere und gesunde Beziehung einzugehen, und soziale Normen infrage zu stellen, die autoritäres Verhalten und Vormachtstellung von Männern gegenüber Frauen oder andere Formen sexistischen Verhaltens fördern;
46. fordert die Kommission auf, unionsweite Kampagnen zur Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit und den Austausch bewährter Verfahren als notwendige Maßnahme zur Verhinderung häuslicher Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen sowie zur Schaffung eines Klimas der Nulltoleranz gegenüber Gewalt und eines sicheren Umfelds für Opfer zu fördern; betont die strategische Rolle, die den Medien in diesem Zusammenhang zukommt; hebt jedoch hervor, dass Femizide und Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor in einer Weise dargestellt werden, die die gewalttätigen Partner ihrer Verantwortung enthebt; betont, dass Medien und Werbung keine frauenfeindlichen und sexistischen Botschaften verbreiten dürfen, auch nicht durch den Versuch, Gewalt und die Verantwortung gewalttätiger Partner zu entschuldigen, zu legitimieren oder zu verharmlosen; ist der Auffassung, dass häusliche Gewalt auch auf geschlechtsstereotypische Elternkonzepte zurückzuführen ist; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, geschlechtsspezifische Stereotype zu bekämpfen und die Gleichstellung der Geschlechter bei der elterlichen Verantwortung zu fördern, indem die elterlichen Lasten gerecht verteilt werden und sichergestellt wird, dass Frauen kein untergeordneter Status zugewiesen wird; fordert die Kommission auf, den Austausch über bewährte Verfahren hinsichtlich Präventiv-, Schutz- und Strafverfolgungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt sowie deren praktische Umsetzung auf EU-Ebene zu fördern; fordert die Mitgliedstaaten auf, die EU-weite Kampagne um die Verbreitung von Informationen über Stellen zu verbreiten, bei denen Opfer und Zeugen solche Gewalttaten anzeigen können, und zwar auch über das Kampagnenende hinaus, um auch die Besonderheit der COVID-19-Krise mit Schwerpunkt auf deren Auswirkungen auf Kinder zu berücksichtigen; fordert die Kommission auf, Aktivitäten in Schulen und anderen Einrichtungen zu unterstützen, mit denen Kinder und Menschen, die mit Kindern arbeiten, für die Thematik Verbrechen und Trauma sensibilisiert werden und erfahren, wo sie Hilfe erhalten, wie sie Anzeige erstatten und wie sie ihre Widerstandsfähigkeit ausbauen können;
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, einschließlich in grenzüberschreitenden Fällen
47. erachtet den Informationsaustausch zwischen den Gerichten, den zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und den Polizeidienststellen als besonders wichtig, insbesondere in Bezug auf länderübergreifende Sorgerechtsfälle; verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, dass mit den überarbeiteten Vorschriften in der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen(28) dazu beigetragen wird, die Zusammenarbeit zwischen den Justizsystemen zu verbessern, um konkret festzulegen, was dem Kindeswohl, unabhängig vom Familienstand der Eltern oder der Zusammensetzung der Familie, und den Opfern von Gewalt in Paarbeziehungen zuträglich ist; betont, wie wichtig es für Gerichtsärzte oder andere beteiligte Fachkräfte ist, die zuständige nationale Behörde über Partnerschaftsgewalt zu informieren, wenn sie der Auffassung sind, dass durch eine solche Gewalt das Leben des erwachsenen Opfers oder Kindes gefährdet ist und dass das Opfer sich aufgrund des vom Täter ausgeübten moralischen oder wirtschaftlichen Drucks, mit dem dieser versucht, Zustimmung des erwachsenen Opfers zu erreichen, nicht selbst schützen kann; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Durchsetzung und wirksame Umsetzung der Brüssel-IIa-Verordnung sicherzustellen; bedauert in diesem Zusammenhang, dass bei deren letzter Überarbeitung ihr Anwendungsbereich nicht auch auf eingetragene Partnerschaften und nicht verheiratete Paare ausgedehnt wurde; ist der Auffassung, dass dies zu Diskriminierung und potenziell gefährlichen Situationen für Opfer und Kinder eingetragener Partnerschaften und nicht verheirateter Paare führt; weist erneut darauf hin, dass der Anwendungsbereich und die Ziele der Brüssel-IIa-Verordnung auf dem Grundsatz des Verbots der Diskriminierung von Unionsbürgern aufgrund der Staatsangehörigkeit sowie auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten beruhen; fordert die Kommission auf, dem Parlament über die Umsetzung und die Auswirkungen dieser Verordnungen, auch in Zusammenhang mit Gewalt in Paarbeziehungen und Auseinandersetzungen über das Sorgerecht, bis spätestens August 2024 Bericht zu erstatten.
48. betont, dass alle Familienstreitigkeiten tiefgreifende emotionale Auswirkungen nach sich ziehen, wobei grenzübergreifende Fälle aus rechtlicher Sicht noch sensibler und vielschichtiger sind; betont, dass die Öffentlichkeit stärker für diese vielschichtigen Probleme sowie für grenzübergreifende Sorgerechtsfälle und Unterhaltspflichten sensibilisiert werden muss, auch was die Notwendigkeit betrifft, für Klarheit in Bezug auf die Rechte und Pflichten von Eltern und Kindern in jedem Land zu sorgen; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten dazu beitragen könnten, solche grenzübergreifenden Fälle im Bereich des Familienrechts schneller zu lösen, indem sie im Rahmen der nationalen Gerichtssysteme spezialisierte Bereiche einrichten, einschließlich auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisierter Abteilungen, die sich aus Gerichtsmedizinern, Psychologen und anderem einschlägigen Fachpersonal zusammensetzen und mit öffentlichen Diensten zusammenarbeiten, die auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisiert und mit der Unterstützung von Opfern betraut sind; fordert, der Situation von Alleinerziehenden-Haushalten und dem Einzug grenzübergreifender Unterhaltszahlungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da die derzeit geltenden Bestimmungen, nämlich die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen sowie das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, in denen die gesetzlichen Verpflichtungen zum Einzug grenzübergreifender Unterhaltszahlungen festgelegt sind, mit Blick auf die Durchsetzung und die praktischen Einzelheiten auf Schwierigkeiten stoßen; betont, dass die rechtlichen Instrumente zum Einzug grenzübergreifender Unterhaltszahlungen durchgesetzt werden müssen, wobei die Öffentlichkeit für deren Verfügbarkeit sensibilisiert werden muss; fordert die Kommission daher auf, eng mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um praktische Probleme im Zusammenhang mit dem Einzug von Unterhaltszahlungen in grenzübergreifenden Situationen zu ermitteln und sie bei der Erarbeitung wirksamer Instrumente zur Durchsetzung von Zahlungsverpflichtungen zu unterstützen; betont die Bedeutung dieser Frage und ihrer Folgen für Alleinerziehenden-Haushalte und das Armutsrisiko;
49. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Analyse von Daten über die Prävalenz und Tendenzen der Prävalenz aller Formen geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt und die Berichterstattung über diese Gewalt sowie über die Folgen für Kinder fortzusetzen, solange Ausgangsbeschränkungen in Kraft sind und während des Zeitraums unmittelbar danach;
50. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Zusammenarbeit zu verbessern und Maßnahmen zu ergreifen, die es Opfern von Gewalt in Paarbeziehungen ermöglichen, die Straftat anzuzeigen, da Gewaltvergehen in Paarbeziehungen in vielen Fällen nicht zur Anzeige gebracht werden; nimmt die Zusage der Kommission zur Kenntnis, eine neue EU-Erhebung über geschlechtsspezifische Gewalt durchzuführen, deren Ergebnisse 2023 vorgelegt werden sollen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in enger Zusammenarbeit einen permanenten Mechanismus zu entwickeln, mit dem regelmäßig hochwertige, nach Geschlechtern aufgeschlüsselte, genaue, zuverlässige und vergleichbare unionsweite Daten darüber bereitgestellt werden, wie häufig Gewalt in Paarbeziehungen auftritt, welche Ursachen und Folgen diese Gewalt für Frauen und Kinder hat, wie mit diesem Tatbestand umgegangen wird und welche Sorgerechtsregelungen getroffen werden, und dabei vollumfänglich auf die Kapazitäten und das Fachwissen von EIGE und Eurostat zurückzugreifen; weist darauf hin, dass die Bereitstellung nationaler Statistiken über geschlechtsspezifische Gewalt eine Maßnahme ist, die im Rahmen des Binnenmarktprogramms für den Zeitraum 2021–2027 finanziert werden kann; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Daten u. a. nach Alter, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsmerkmalen, Rasse und ethnischer Zugehörigkeit sowie Behinderungsstatus aufgeschlüsselt werden, um sicherzustellen, dass die Erfahrungen von Frauen in ihrer ganzen Vielfalt erfasst werden; stellt fest, dass dies zu einem besseren Verständnis des Ausmaßes und der Ursachen des Problems beitragen wird, beispielsweise der sozioökonomischen Gruppen, in denen geschlechtsspezifische Gewalt verstärkt auftritt, und andere Einflussfaktoren sowie die unterschiedlichen Rechtsrahmen und politischen Maßnahmen der einzelnen Länder, die durch ausführliche Ländervergleiche eingehend erforscht werden können, um die politischen Rahmenbedingungen zu ermitteln, die sich auf das Auftreten von Gewalt auswirken; betont nachdrücklich, wie wichtig es ist, dass die Mitgliedstaaten statistische Daten über Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erheben, in denen es um das Sorgerecht nach Fällen von Gewalt in Paarbeziehungen geht, insbesondere mit Blick auf den Entscheidungsausgang sowie die für die Entscheidungen über das Sorgerecht und das Umgangsrecht angeführten Gründe;
51. fordert die Kommission auf, unionsweite Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit als notwendige Maßnahme zur Verhinderung häuslicher Gewalt und zur Schaffung eines Klimas der Nulltoleranz gegenüber Gewalt zu fördern;
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52. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Europarat, „Human Rights Channel: Stop Child Sexual Abuse in Sport“ (Human Rights Channel: Stoppt den sexuellen Missbrauch von Kindern im Sport“), abgerufen am 21. Juli 2021.
Eurostat, „EU children at risk of poverty or social exclusion“ (Kinder, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind), Daten abgerufen im Oktober 2020.
Presseerklärung vom 7. Mai 2020 von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, mit dem Titel „During COVID-19 pandemic, violence remains preventable, not inevitable“ (Während der COVID-19-Pandemie ist Gewalt vermeidbar, nicht unausweichlich).
Bericht von Europol mit dem Titel „Exploiting Isolation: Offenders and victims of online child sexual abuse during the COVID-19 pandemic“ (Ausnutzung der Isolation: Täter und Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet während der COVID-19-Pandemie)“, veröffentlicht am 19. Juni 2020.
Erläuternder Bericht des Europarats vom 11. Mai 2011 zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.
Erklärung der EDVAW-Plattform (Plattform unabhängiger Sachverständigenmechanismen in Bezug auf Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen) vom 31. Mai 2019 mit dem Titel „Intimate partner violence against women is an essential factor in the determination of child custody“ (Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen – ein wesentlicher Faktor bei der Bestimmung des Sorgerechts für Kinder).
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und Allgemeine Empfehlung Nr. 35 zur geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen, mit der die Allgemeine Empfehlung Nr. 19aktualisiert wird.
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Oktober 2020 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (COM(2020)0682).
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmaßnahmen, COM(2021)0093 vom 4. März 2021.
Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79).