Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Cabo Verde ***
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Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Abkommens – im Namen der Union – zwischen der Europäischen Union und der Republik Cabo Verde zur Änderung des Abkommens zur Erleichterung der Erteilung von Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt für Bürger der Republik Kap Verde und der Europäischen Union (05034/2021 – C9-0116/2021 – 2020/0319(NLE))
– unter Hinweis auf den Entwurf eines Beschlusses des Rates (05034/2021),
– unter Hinweis auf den Entwurf eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Cabo Verde zur Änderung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Kap Verde zur Erleichterung der Erteilung von Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt für Bürger der Republik Kap Verde und der Europäischen Union (05034/2021),
– unter Hinweis auf das vom Rat gemäß Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 218 Absatz 6 Unterabsatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterbreitete Ersuchen um Zustimmung (C9-0116/2021),
– gestützt auf Artikel 105 Absätze 1 und 4 und Artikel 114 Absatz 7 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Empfehlung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0264/2021),
1. gibt seine Zustimmung zu dem Abschluss des Abkommens;
2. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Republik Cabo Verde zu übermitteln.
Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/465/JI des Rates im Hinblick auf dessen Angleichung an die EU-Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten ***I
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Beschluss des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 über Rücküberweisung des Gegenstands an den zuständigen Ausschuss zur Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen auf der Grundlage des nicht geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/465/JI des Rates im Hinblick auf dessen Angleichung an die EU-Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten (COM(2021)0020 – C9-0005/2021 – 2021/0008(COD))(1)
Beschluss nach Artikel 59 Absatz 4 Unterabsatz 4 der Geschäftsordnung (A9-0236/2021).
Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen: Angleichung an die EU-Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten ***I
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Beschluss des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 über Rücküberweisung des Gegenstands an den zuständigen Ausschuss zur Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen auf der Grundlage des nicht geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/41/EU im Hinblick auf deren Angleichung an die EU-Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten (COM(2021)0021 – C9-0006/2021 – 2021/0009(COD))(1)
Beschluss nach Artikel 59 Absatz 4 Unterabsatz 4 der Geschäftsordnung (A9-0237/2021).
Abkommen EU/Korea über bestimmte Aspekte von Flugdiensten ***
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Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss – im Namen der Europäischen Union – des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Korea über bestimmte Aspekte von Flugdiensten (05210/2021 – C9-0120/2021 – 2019/0044(NLE))
– unter Hinweis auf den Entwurf eines Beschlusses des Rates (05210/2021),
– unter Hinweis auf den Entwurf eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Korea über bestimmte Aspekte von Flugdiensten (15082/2019),
– unter Hinweis auf das vom Rat gemäß Artikel 100 Absatz 2 und Artikel 218 Absatz 6 Unterabsatz 2 Buchstabe a Ziffer v und Artikel 218 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterbreitete Ersuchen um Zustimmung (C9‑0120/2021),
– gestützt auf Artikel 105 Absätze 1 und 4 und Artikel 114 Absatz 7 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Empfehlung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (A9‑0251/2021),
1. gibt seine Zustimmung zum Abschluss des Abkommens;
2. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Republik Korea zu übermitteln.
Eine neue China-Strategie der EU
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu einer neuen China-Strategie der EU (2021/2037(INI))
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 12. März 2019 mit dem Titel „EU-China – Strategische Perspektiven“ (JOIN(2019)0005),
– unter Hinweis auf den 1995 eingeleiteten Dialog zwischen der EU und China über Menschenrechte sowie auf dessen 37. Gesprächsrunde am 1. und 2. April 2019 in Brüssel,
– unter Hinweis auf die 2003 begründete strategische Partnerschaft zwischen der EU und China,
– unter Hinweis auf die strategische Agenda 2020 für die Zusammenarbeit EU-China,
– unter Hinweis auf die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union vom Juni 2016,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2020/1998(1) des Rates und den Beschluss (GASP) 2020/1999(2) des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 28. Juli 2020 zu Hongkong,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Menschenrechtslage in China, insbesondere vom 17. Dezember 2020 zu Zwangsarbeit und der Lage der Uiguren im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang(3), vom 18. April 2019 zu China und insbesondere zur Lage religiöser und ethnischer Minderheiten(4), vom 4. Oktober 2018 zu willkürlichen Massenfestnahmen von Uiguren und Kasachen im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang(5), vom 12. September 2018 zu dem Stand der Beziehungen zwischen der EU und China(6), vom 15. Dezember 2016 zum Fall der tibetisch-buddhistischen Larung-Gar-Akademie und zum Fall Ilham Tohti(7),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen und Empfehlungen zu Hongkong, insbesondere vom 19. Juni 2020 zu dem Gesetz der VR China über die nationale Sicherheit in Bezug auf Hongkong und dem notwendigen Eintreten der EU für Hongkongs hohes Maß an Autonomie(8), vom 21. Januar 2021 zur Unterdrückung der demokratischen Opposition in Hongkong(9) und vom 13. Dezember 2017 an den Rat, die Kommission und die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu Hongkong, 20 Jahre nach der Übergabe an China(10),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2020 zur Überprüfung der Handelspolitik der EU(11),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Mai 2021 zu chinesischen Gegensanktionen gegen Einrichtungen der EU und gegen MdEP und nationale Abgeordnete(12),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 zum Thema „Konnektivität und die Beziehungen zwischen der EU und Asien“(13),
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und andere Menschenrechtsverträge und -instrumente der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes,
– unter Hinweis auf das Protokoll von 2014 zum Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über Zwangsarbeit von 1930, das von China bislang nicht unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) und das Übereinkommen von Paris, das am 4. November 2016 in Kraft trat,
– unter Hinweis auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS), das am 10. Dezember 1982 abgeschlossen wurde und seit dem 16. November 1994 in Kraft ist,
– unter Hinweis auf den Bericht der vom NATO-Generalsekretär eingesetzten Reflexionsgruppe vom 25. November 2020 mit dem Titel „NATO 2030: United for a New Era“ (Die NATO 2030: geeint in ein neues Zeitalter),
– unter Hinweis auf den 14. Fünfjahresplans Chinas und der Grundsätze des „doppelten Wirtschaftskreislaufs“ und „sicherer Lieferketten“,
– unter Hinweis auf Artikel 36 der Verfassung der Volksrepublik China, in dem allen Bürgern das Recht auf Religionsfreiheit garantiert wird, und auf Artikel 4, in dem die Rechte der nationalen Minderheiten verankert sind,
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für internationalen Handel,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9‑0252/2021),
A. in der Erwägung, dass die EU in ihrem Strategischen Rahmen für Menschenrechte und Demokratie erklärt, die EU werde die Menschenrechte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit „in ausnahmslos allen Bereichen ihres auswärtigen Handelns“ fördern und „die Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Beziehungen zu sämtlichen Drittländern einschließlich ihrer strategischen Partner stellen“;
B. in der Erwägung, dass China durch sein starkes Wirtschaftswachstum und seine bestimmende außenpolitische Agenda, insbesondere seine Investitionsstrategie, seine Strategien „Going Global“ und „Made in China 2025“ sowie die Initiative der neuen Seidenstraße („One Belt, One Road“), eine stärkere globale Rolle sowohl als Wirtschaftsmacht als auch als außenpolitischer Akteur zukommt, was die EU vor ernsthafte politische, wirtschaftliche, sicherheitspolitische und technologische Herausforderungen stellt, was wiederum erhebliche und dauerhafte Folgen für die Weltordnung hat und eine Bedrohung für den regelbasierten Multilateralismus und demokratisch zentrale Werte darstellt;
C. in der Erwägung, dass die Volksrepublik China ein kommunistischer Zentralstaat mit Einparteiensystem ist, der von der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) regiert wird und dem Marxismus-Leninismus verpflichtet ist; in der Erwägung, dass es als solcher demokratische Werte wie individuelle Freiheit, Redefreiheit und Religionsfreiheit nicht teilt;
D. in der Erwägung, dass China zunehmend eine globalere Rolle anstrebt, da der chinesische Präsident Xi Jinping in seinem Bericht auf dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei im Jahr 2017 öffentlich geschworen hat, dass China bis 2049 im Hinblick auf die vereinte nationale Stärke und den internationalen Einfluss eine globale Führungsrolle einnehmen wird;
E. in der Erwägung, dass die langjährige demokratische Tradition in Hongkong, Macau und Taiwan zeigt, dass die Demokratie vom chinesischen Volk wertgeschätzt wird;
F. in der Erwägung, dass die chinesischen Behörden in Macau in diesem Sommer 21 Kandidaten, von denen die meisten Mitglieder pro-demokratischer Bewegungen sind, von der Teilnahme an der nächsten Parlamentswahl ausgeschlossen haben, nachdem sie Feierlichkeiten anlässlich des Jahrestag des Massakers auf dem Tiananmen-Platz verboten und Medienorganisationen zu einer chinafreundlichen redaktionellen Ausrichtung gedrängt hatten;
G. in der Erwägung, dass China für eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, mit denen sich das Land über seine bilateralen und multilateralen Verpflichtungen in diesen Bereichen hinwegsetzt; in der Erwägung, dass China dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen regelmäßig Resolutionen vorgelegt hat, mit denen es darauf abzielt, die „Souveränität, Nichteinmischung und gegenseitige Achtung“ zu grundlegenden, nicht verhandelbaren Grundsätzen zu machen, denen eine höhere Bedeutung zukommt als der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte von Einzelpersonen; in der Erwägung, dass China die systematische Verfolgung der Uiguren, der Tibeter, der Mongolen und anderer ethnischer Minderheiten, der Menschenrechtsverteidiger, der sozial engagierten Bürger, der religiösen Gruppen, der Journalisten und der Petenten und Demonstranten gegen Ungerechtigkeiten sowie die zunehmende Unterdrückung aller abweichenden und oppositionellen Stimmen, insbesondere in Hongkong, betreibt; in der Erwägung, dass Maßnahmen des guten Willens und unverbindliche Zusagen nicht ausgereicht haben, um das Engagement Chinas für die Werte zu erhöhen, die für die EU grundlegend sind;
H. in der Erwägung, dass die jüngste Ausreise ausländischer Korrespondenten aus China und die Einstufung des Clubs der Auslandskorrespondenten als „illegale Organisation“ durch die chinesischen Behörden der jüngste der vielen und zunehmenden Fälle ist, in denen ausländische Journalisten schikaniert und behindert und damit schließlich aus China vertrieben werden; in der Erwägung, dass dies Teil des Versuchs ist, eine öffentliche Debatte über China in der ganzen Welt zu unterdrücken und zu diktieren, welche Äußerungen und Diskussionen weltweit zulässig sind, und dass dieser Versuch als Teil einer totalitären Bedrohung zu betrachten ist;
I. in der Erwägung, dass im Lichte der jüngsten Entwicklungen und der von China ausgehenden weltweiten Herausforderungen die Grenzen der bestehenden China-Strategie der EU aufgezeigt wurden, die nunmehr aktualisiert werden muss;
J. in der Erwägung, dass das Parlament die Kommission aufgefordert hat, mit der Vorstudie und der Folgenabschätzung zu beginnen, damit die Verhandlungen mit Taiwan so bald wie möglich formell aufgenommen werden können;
K. in der Erwägung, dass sich seit dem Beginn der Kampagne „Hartes Durchgreifen gegen gewalttätigen Terrorismus“ der chinesischen Regierung 2014 die Lage der Uiguren und weiterer in erster Linie muslimischer ethnischer Minderheiten im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang rapide verschlechtert hat; in der Erwägung, dass über eine Million Menschen in Internierungslagern, den sogenannten „Einrichtungen zur politischen Umerziehung“ oder „Schulungseinrichtungen“, inhaftiert sind, in denen Uiguren systematischer Zwangsarbeit, Folter, Verschwindenlassen, Massenüberwachung, kultureller und religiöser Auslöschung, Zwangssterilisierung von Frauen, sexueller Gewalt, Verletzungen reproduktiver Rechte und Trennung von Familien ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass im Rahmen einer rechtlichen Analyse die Schlussfolgerung gezogen wurde, dass diese Straftaten nach dem internationalen Rechtsrahmen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und möglicherweise sogar als Völkermord zu bewerten sind; in der Erwägung, dass verschiedene nationale Parlamente Standpunkte in diesem Sinne angenommen haben;
L. in der Erwägung, dass es der EU durch die globale Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte möglich ist, restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen, darunter Staaten und nichtstaatliche Akteure, zu verhängen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen und -missbrauch verantwortlich sind bzw. daran beteiligt sind oder damit in Verbindung stehen; in der Erwägung, dass am 22. März 2021 vier chinesische Personen und eine Einrichtung, die unmittelbar für schwere Menschenrechtsverletzungen im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang verantwortlich sind, in die Liste der natürlichen und juristischen Personen aufgenommen wurden, die diesen restriktiven Maßnahmen unterliegen; in der Erwägung, dass China als Reaktion auf diese Maßnahmen Gegensanktionen gegen zehn europäische Einzelpersonen und vier Einrichtungen, darunter fünf Mitglieder des Europäischen Parlaments und zwei institutionelle Einrichtungen der EU – den Unterausschuss für Menschenrechte des Europäischen Parlaments und das Politische und Sicherheitspolitische Komitee des Rates der Europäischen Union – sowie gegen zwei europäische Wissenschaftler, zwei Denkfabriken in Deutschland und die Stiftung Alliance of Democracies in Dänemark verhängt hat; in der Erwägung, dass es den chinesischen Sanktionen an rechtlichen Begründungen und Rechtsgrundlagen fehlt und dass sie sich nicht nur gegen die betroffenen Personen und Einrichtungen, sondern gegen die Europäische Union als Ganzes richten; in der Erwägung, dass die Sanktionen eindeutig einen Versuch darstellen, die EU davon abzuhalten, ihre Tätigkeit fortzusetzen und gegen Menschenrechtsverletzungen in China vorzugehen;
1. empfiehlt dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) und dem Rat:
a)
eine entschlossenere, umfassendere und konsistentere China-Strategie der EU zu entwickeln, mit der sich alle Mitgliedstaaten identifizieren können und mit der die Beziehungen zu China im Interesse der EU als Ganzes gestaltet werden, in deren Mittelpunkt die Verteidigung unserer Werte steht und mit der eine regelbasierte multilaterale Ordnung gefördert wird; betont, dass in der Strategie die Vielschichtigkeit der Beziehungen der EU zu China berücksichtigt werden muss; hebt hervor, dass China ein Kooperations- und Verhandlungspartner für die EU, aber in einer zunehmenden Anzahl von Bereichen auch ein wirtschaftlicher Konkurrent und Systemrivale ist;
b)
vorzuschlagen, dass diese Strategie auf sechs Säulen basiert:
1)
offener Dialog und Zusammenarbeit hinsichtlich globaler Herausforderungen,
2)
verstärktes Engagement für universelle Werte, internationale Normen und Menschenrechte,
3)
Analyse und Identifizierung von Bedrohungen, Schwächen und Herausforderungen,
4)
Aufbau von Partnerschaften mit gleichgesinnten Partnern,
5)
Förderung offener strategischer Autonomie, auch in Handels- und Investitionsbeziehungen,
6)
Verteidigung und Förderung grundlegender europäischer Interessen und Werte durch Umwandlung der EU in einen wirksameren geopolitischen Akteur;
Offener Dialog und Zusammenarbeit hinsichtlich globaler Herausforderungen
2. fordert den HR/VP auf, dafür zu sorgen, dass in der neuen China-Strategie der EU ein auf Grundsätzen und Interessen basierender Dialog mit China über globale Herausforderungen vorgesehen wird, etwa über die Menschenrechte – indem im Rahmen dieser neuen China-Strategie der EU eine ambitionierte, ganzheitliche und ergebnisorientierte EU-Strategie für Menschenrechte in China entwickelt wird –, sowie über die Umwelt und den Klimawandel, nukleare Abrüstung, die Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Pandemie, die Bekämpfung der weltweiten Gesundheitskrise sowie die Reform bestimmter multilateraler Organisationen; fordert, dass dieser Dialog von den Grundsätzen und Interessen der EU geleitet wird und dass dabei die Kernziele des außenpolitischen Engagements der EU verfolgt werden; betont, dass die gute Zusammenarbeit zwischen beiden Partnern hilfreich sein wird, um diese weltweiten Probleme zu bewältigen; bekräftigt, dass China ein wichtiger Partner für die EU bleibt;
3. unterstützt einen stärkeren Dialog und eine engere Zusammenarbeit mit China in den Bereichen Frieden und Sicherheit; stellt fest, dass es wichtig ist, mit China zusammenzuarbeiten, unter anderem wenn es darum geht, zu verhindern, dass Afghanistan erneut eine Ausgangsbasis für Terroristen wird, und Nordkorea davon abzuhalten, sein Atomprogramm fortzusetzen; befürwortet, in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe, Umweltfragen, Luft- und Raumfahrt, Wissenschaft, Technologie und Innovationen Zusammenarbeit anzustreben und dabei uneingeschränkt auf der Freiheit der Forschung zu bestehen; betont, dass diese Dialoge und diese Kooperation auf einer gemeinsamen Verpflichtung zu Offenheit und einer transparenten, gerechten und ausgewogenen Zusammenarbeit im Rahmen eines regelbasierten internationalen Systems beruhen müssen, wobei darauf zu achten ist, dass die europäischen Interessen und Werte gewahrt bleiben und Europa seine Fähigkeit ausbaut, mit China zu konkurrieren, wo immer dies erforderlich ist;
4. weist darauf hin, dass es in einigen Bereichen der Zusammenarbeit, wie z. B. IKT, Luft- und Raumfahrt, Technologien mit doppeltem Verwendungszweck gibt, die gegen chinesische Bürger und gegen den Westen eingesetzt werden können;
5. betont, wie wichtig es ist, Chinas Engagement für die Bekämpfung des Klimawandels und anderer Umweltprobleme durch die Stärkung der Partnerschaft zwischen der EU und China in diesem Bereich zu fördern; betont, dass sichergestellt werden muss, dass sowohl China als auch die EU ihre jeweiligen Verpflichtungen nach dem Übereinkommen von Paris einhalten; betont, dass es wichtig ist, dass die EU ein CO2-Grenzausgleichssystem einführt; weist darauf hin, dass China in den letzten drei Jahrzehnten seine Kohlenstoffemissionen verdreifacht hat und nun 27 % der weltweiten Treibhausgase ausstößt; betont, dass für eine Kohärenz zwischen Chinas angekündigten globalen Ambitionen im Kampf gegen den Klimawandel und den Umweltauswirkungen seiner Investitionsstrategien im In- und Ausland gesorgt werden muss; fordert die chinesische Regierung auf, auf den Export ihrer Kohlekapazitäten in Drittländer zu verzichten, insbesondere im Rahmen der Initiative der neuen Seidenstraße;
6. fordert die jährliche Durchführung und regelmäßige Überwachung von ergebnisorientierten Menschenrechtsdialogen und fordert eine solide Leistungsbewertung der Fortschritte bei bilateralen Dialogen im Allgemeinen, um sicherzustellen, dass dieser Austausch echte positive Ergebnisse für die Menschenrechte und die Menschenrechtsverteidiger in China hervorbringt; fordert, dass die Ergebnisse des Benchmarkings sowie Fortschritte, Stagnation oder Verschlechterung transparent diskutiert werden; fordert, dass die Menschenrechte regelmäßig auf höchster politischer Ebene zur Sprache gebracht werden, sowohl auf den Gipfeltreffen zwischen der EU und China als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten; fordert darüber hinaus einen Schatten-Menschenrechtsdialog, an dem Diplomaten der EU und der Mitgliedstaaten, Vertreter der chinesischen Diaspora, freie und unabhängige nichtstaatliche Organisationen, Akademiker und Gesetzgeber beteiligt sind, um das chinesische System besser zu verstehen und bessere Strategien zur Beeinflussung der Menschenrechtsentwicklung in China zu erarbeiten; hebt hervor, dass diese Menschenrechtsdialoge die folgenden Themen umfassen müssen, aber nicht darauf beschränkt sein dürfen: Medien- und Pressefreiheit, Minderheitenrechte, auch in den Gebieten Xinjiang, Innere Mongolei und Tibet, und freier Zugang zu diesen Gebieten, einschließlich für Diplomaten und Journalisten, die Lage von Hongkong, Redefreiheit, Arbeitnehmerrechte, Versammlungsfreiheit, Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie der allgemeine Zustand der Rechtsstaatlichkeit in China; begrüßt die Ernennung eines neuen EU-Sonderbeauftragten für die Förderung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der Europäischen Union und fordert, dass der neue Sonderbeauftragte aktiv an der Unterstützung der Notlage aller religiösen Gruppen und Körperschaften, u. a. Muslimen, Christen und Buddhisten, die auf dem chinesischen Festland und in Hongkong verfolgt werden, beteiligt wird; fordert die betreffenden EU-Organe auf, in diesen Menschenrechtsdialogen Einzelfälle anzusprechen; ist nach wie vor tief besorgt über die anhaltende Inhaftierung des schwedischen Staatsbürgers und Verlegers Gui Minhai; fordert die EU und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sich auf höchster Ebene für die sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen einzusetzen; äußert sich besorgt über die systematischen Menschenrechtsverletzungen in China und verurteilt alle Fälle von willkürlichen Verhaftungen sowie der Unterdrückung des freien Informationsflusses und der Meinungsfreiheit;
7. fordert die EU auf, mit China einen Dialog über mögliche Wege zur transparenten Verbesserung der Fähigkeiten zur Erstreaktion auf Infektionskrankheiten – u. a. Erkennung, Risikokartierung und Frühwarnsysteme –, die das Potenzial haben, sich zu Epidemien oder Pandemien zu entwickeln, aufzunehmen, um eine bessere weltweite Vorsorge zur Reaktion auf Pandemien sicherzustellen; fordert China ferner auf, die unabhängige und transparente Untersuchung der Ursprünge und der Ausbreitung von SARS-COV-2 zu ermöglichen;
8. unterstützt die Ausweitung der Kontakte zwischen den Völkern beider Seiten sowie den gegenseitigen Studentenaustausch, legt den Mitgliedstaaten jedoch nahe, die Auswirkungen der Einmischung der chinesischen Regierung in die akademische Freiheit aufmerksamer zu überwachen;
Verstärktes Engagement für universelle Werte, internationale Normen und Menschenrechte
9. verurteilt die grundlosen und willkürlichen Sanktionen aufs Schärfste, die von den chinesischen staatlichen Stellen verhängt wurden und einen Angriff auf die Redefreiheit, die Freiheit der Lehre und das internationale Eintreten und Verständnis für die universellen Menschenrechte darstellen; fordert die chinesischen staatlichen Stellen nachdrücklich auf, diese ungerechtfertigten Vergeltungsmaßnahmen aufzuheben; ist der Auffassung, dass durch diese von den chinesischen staatlichen Stellen verhängten Sanktionen das Vertrauen weiter geschwächt und die bilaterale Zusammenarbeit behindert wird;
10. betont, dass mit der Prüfung und Ratifizierung des umfassenden Investitionsabkommens zwischen der EU und China erst begonnen werden kann, wenn die chinesischen Sanktionen gegen MdEP und EU-Organe aufgehoben wurden;
11. hebt in diesem Zusammenhang seine Entschließung vom 20. Mai 2021 zu chinesischen Gegensanktionen hervor; fordert die Kommission auf, im Einklang mit der Entschließung des Parlaments vom 20. Mai 2021 zu chinesischen Gegensanktionen und gemäß Artikel 21 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel und die Debatte um das umfassende Investitionsabkommen zwischen der EU und China zu nutzen, um den Schutz der Menschenrechte und die Unterstützung der Zivilgesellschaft in China zu verbessern; fordert China nachdrücklich auf, konkrete Maßnahmen zur Beendigung anderer Menschenrechtsverletzungen in China zu ergreifen, z. B. gegen Zwangsarbeit und systematische Verfolgung von Uiguren und anderen muslimischen turksprachigen Minderheitengruppen, Tibetern, Christen und anderen religiösen Gemeinschaften und Kirchen, und seine internationalen Verpflichtungen gegenüber Hongkong gemäß der Gemeinsamen Erklärung Großbritanniens und Chinas und dem Grundgesetz Hongkongs einzuhalten, indem die geplanten Reformen des Wahlsystems der Stadt ausgesetzt und demokratiebefürwortende Abgeordnete und Aktivisten freigelassen werden; fordert China ferner auf, das Grundgesetz von Macau, das bis 2049 in Kraft sein wird, und die Bestimmungen der gemeinsamen Erklärung Chinas und Portugals(14) zu achten, die jegliche Einmischung in die Wahlprozesse des Landes und die Arbeitsweise der Medien verhindern;
12. betont, dass das Parlament die Menschenrechtslage in China, einschließlich in Hongkong, berücksichtigen würde, bevor es seinen Standpunkt festlegt; erklärt sich erneut sehr besorgt über die verschiedenen Menschenrechtsverletzungen in China; weist erneut darauf hin, dass die uneingeschränkte Achtung der universellen Werte ungeachtet der Unterschiede zwischen beiden Systemen von wesentlicher Bedeutung ist;
13. fordert China auf, sich an internationale Standards zu halten, auch in Bezug auf seine Einwirkung auf das Klima, die Umwelt, die biologische Vielfalt, die Armut, die Gesundheit, die Arbeitnehmerrechte und die Menschenrechte; fordert China nachdrücklich auf, im Rahmen der Förderung von nachhaltigem Handel und nachhaltiger Entwicklung konkrete Maßnahmen zur Ratifizierung und Umsetzung der vier noch ausstehenden grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte zu ergreifen; bedauert, dass mehrere internationale Unternehmen, insbesondere in der Bekleidungs- und Textilwirtschaft, einem umfangreichen und weit verbreiteten Boykott ausgesetzt sind, nachdem sie ihre Besorgnis über die Berichte über Zwangsarbeit in Xinjiang zum Ausdruck gebracht und die Entscheidung getroffen haben, in ihrer Lieferkette die Beziehungen mit Xinjiang zu unterbrechen, und verurteilt aufs Schärfste den politischen Druck, den die chinesische Regierung auf sie ausübt; fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) erneut auf, die Beratung für Unternehmen in Bezug auf die Lieferketten zügig abzuschließen, mit Hinweisen für Unternehmen zu den Risiken, denen sie durch den Einsatz uigurischer Zwangsarbeit ausgesetzt sind, und mit Unterstützung bei der schnellen Suche nach alternativen Bezugsquellen;
14. betont, dass sichergestellt werden muss, dass die geltenden Binnenmarktvorschriften sowie ein etwaiger Rahmen für die Sorgfaltspflicht oder ein Verbot der Einfuhr von Gütern aus Zwangsarbeit effizient und wirksam genutzt werden, um auf dem EU-Binnenmarkt tätige Unternehmen, die direkt oder indirekt an Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang beteiligt sind, vom EU-Binnenmarkt auszuschließen; fordert ferner europäische Unternehmen in China auf, im Rahmen ihrer unternehmerischen Verantwortung eine gründliche Prüfung auf den Einsatz von Zwangsarbeit in ihren Lieferketten vorzunehmen;
15. fordert die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte nachdrücklich auf, unabhängige Untersuchungen über angeblichen Völkermord, angebliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der in verschiedenen Regionen Chinas durchgeführten Zwangsarbeitsprogramme, einzuleiten; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, solche Untersuchungen politisch zu unterstützen und internationale Akteure für deren Unterstützung zu gewinnen; fordert die chinesischen staatlichen Stellen auf, zu den entsprechenden Regionen einen freien, zweckmäßigen und ungehinderten Zugang zu gewähren; ist äußerst besorgt über Berichte über Arbeitsprogramme in Tibet, die von den chinesischen Behörden auch als „Berufsausbildungslager“ bezeichnet werden; fordert China auf, nach nationalem und internationalem Recht seinen Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte, auch der Rechte der Minderheiten in Xinjiang, in Tibet und in der Inneren Mongolei, nachzukommen;
16. verurteilt den Umstand, dass die Meinungs-, Vereinigungs- und Pressefreiheit in China stark eingeschränkt sind; bedauert, dass viele Journalisten, die nun im Exil leben, politisch verfolgt wurden; fordert China auf, dafür Sorge zu tragen, dass alle Journalisten ihre Arbeit frei, ohne Hindernisse und Angst vor Repressalien ausüben können; betont, dass die Presse- und Medienfreiheit sichergestellt werden muss; fordert die EU auf, die freie Meinungsäußerung und die freien Medien in China zu unterstützen, indem sie einen Europäischen Fonds für demokratische Medien einrichtet, um unabhängigen Journalismus zu fördern;
17. fordert die Kommission nachdrücklich auf, den vorgeschlagenen Rahmen für eine obligatorische Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte vorzulegen und die Bemühungen zu unterstützen, im Rahmen der Vereinten Nationen die Einführung eines ähnlichen Instruments zu erreichen;
18. fordert die Kommission auf, gegenüber den chinesischen staatlichen Stellen ihre Besorgnis über die neue Verordnung 15 zum Ausdruck zu bringen, mit der religiöse Menschen und deren Religionsführer weiter eingeschränkt werden;
19. fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, das Maßnahmenpaket, das nach der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong im Juli 2020 vereinbart wurde, vollständig umzusetzen und ihre Asyl-, Migrations-, Visums- und Aufenthaltspolitik für Bürgerinnen und Bürger Hongkongs zu überprüfen; fordert den HR/VP und den Rat auf, die Schlussfolgerungen zu Hongkong zu bewerten und zu aktualisieren; fordert gegebenenfalls gezielte Maßnahmen im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte, um gegen die Repressionen in Hongkong vorzugehen; fordert außerdem, dass China das im Juni 2020 über Hongkong verhängte Nationale Sicherheitsgesetz aufhebt; fordert die Mitgliedstaaten, in denen weiterhin Auslieferungsverträge mit China und Hongkong in Kraft sind, auf, Auslieferungen von Personen auszusetzen, wenn der betroffenen Person durch die Auslieferung die Gefahr von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung droht, wenn der betreffenden Person politisch motivierte Anklagen drohen, wenn dadurch gezielt gegen ethnische Minderheiten, Vertreter der demokratiebefürwortenden Opposition in Hongkong und Dissidenten im Allgemeinen vorgegangen wird und wenn dies zu den Verpflichtungen der EU nach der Europäischen Menschenrechtskonvention in Widerspruch stünde;
20. empfiehlt, dass die Führungsspitzen der EU und der Mitgliedstaaten Einladungen zu den Olympischen Winterspielen in Peking ausschlagen, wenn sich die Menschenrechtslage in China und Hongkong nicht bessert und vor der Veranstaltung kein hochrangiger Menschenrechtsgipfel bzw. -dialog zwischen der EU und China mit konkreten Ergebnissen stattfindet;
21. bedauert Chinas Unterstützung für die repressivsten Regime in der Welt, insbesondere in Syrien, dem Iran und Nordkorea, aber auch in Venezuela und Kuba;
Analyse und Identifizierung von Bedrohungen, Schwächen und Herausforderungen
22. ist der Ansicht, dass durch die neue China-Strategie der EU die notwendigen Instrumente und Daten bereitgestellt werden sollten, um die von China ausgehenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Bedrohungen – u. a. durch seine Initiative der neuen Seidenstraße, seine Strategie des „Doppelten Wirtschaftskreislaufs“, seinen 14. Fünfjahresplan sowie seine Strategien „Made in China 2025“, „China Standards 2035“ und „16+1“, einschließlich seiner militärischen Modernisierung und seines militärischen Kapazitätsaufbaus – sowie deren Auswirkungen auf die offene strategische Autonomie der EU und auf die multilaterale, regelbasierte Ordnung zu bewältigen; stellt fest, dass es dringend notwendig ist, den politischen Willen und die Ressourcen für die Umsetzung der Konnektivitätsstrategie der EU sicherzustellen; fordert eine bessere Koordination zwischen der Konnektivitätsstrategie der EU und dem „Blue Dot Network“, um eine nachhaltige Alternative zur Initiative der neuen Seidenstraße zu schaffen; begrüßt, dass die Führungsspitzen der G7 vereinbart haben, mit der Initiative „Build Back Better World (B3W)“ für einen weltweit besseren Wiederaufbau eine Partnerschaft als Alternative zu Chinas Initiative der neuen Seidenstraße zu entwickeln; fordert die Mitgliedstaaten und Organe auf, die Initiative anzunehmen und sich daran zu beteiligen;
23. fordert die Kommission auf, eine EU-weite und nach Mitgliedstaaten – möglichst sowohl auf nationaler als auch auf subnationaler Ebene – aufgeschlüsselte Prüfung der Abhängigkeit der EU von China in bestimmten strategisch wichtigen und kritischen Wirtschaftszweigen, einschließlich Arzneimittelversorgung, in Auftrag zu geben, die ausgehend von der aktuellen Analyse der Kommission mit dem Titel „Strategic dependencies and capacities“ (Strategische Abhängigkeiten und Kapazitäten) (SWD(2021)0352) vorgenommen werden sollte, in der Pläne dargelegt sind, wie Gefahren durch nicht gewünschte Abhängigkeiten verringert und die Beziehungen zu China insgesamt, die möglichst auf Wechselseitigkeit beruhen, ausgeglichen sein und mit den Werten und strategischen Prioritäten der EU in Einklang stehen sollten, aufrechterhalten werden können;
24. fordert die Kommission und den Rat auf, Mechanismen auszuarbeiten, um diesen Bedrohungen auf kohärente Weise zu begegnen, insbesondere indem sie:
a)
die Einheit der EU auf der Ebene der Mitgliedstaaten, die erforderlich ist, um die neue China-Strategie der EU ordnungsgemäß umsetzen zu können, sicherstellen; alle Mitgliedstaaten dazu auffordern, die Grundwerte der EU zu achten;
b)
aufbauend auf dem EU-Instrumentarium für nationale, regionale und lokale Maßnahmen zur Risikominderung im Einklang mit den demokratischen Werten mit gleichgesinnten Partnern weltweite Normen für die neue Generation von Technologien – wie z. B. 5G- und 6G-Netze – entwickeln und sicherstellen, dass Unternehmen, die die Sicherheitsstandards nicht erfüllen, von der Entwicklung von 5G- und 6G-Netzen ausgeschlossen werden;
c)
die Fähigkeiten der EU zur Verwirklichung des Ziels der globalen Führungsmacht stärken, auch durch Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern;
d)
vor Veranstaltungen mit Bezug zur Initiative der neuen Seidenstraße für die institutionelle Koordinierung zwischen der Kommission, dem Rat und dem EAD sorgen und mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen der an der Initiative beteiligten Akteure mit der Politik und den Interessen der EU im Einklang stehen und dass dabei die Grundwerte der EU geachtet werden; betont in diesem Zusammenhang, dass vor jeder Veranstaltung mit Bezug zur Initiative der neuen Seidenstraße Konsultationen auf EU-Ebene stattfinden müssen, z. B. im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Handelspolitik und des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees auf Ratsebene, um sicherzustellen, dass die EU-Mitgliedstaaten mit einer Stimme sprechen; betont, dass im Rahmen der Initiative der neuen Seidenstraße internationalen Standards entsprochen werden muss; hebt hervor, dass die Projekte im Rahmen der Initiative der neuen Seidenstraße genau beobachtet werden müssen, auch im Hinblick auf ihre negativen politischen Auswirkungen in der EU;
e)
wichtige Infrastrukturverträge in den Mitgliedstaaten und Beitrittsländern überwachen, um sicherzustellen, dass diese mit den Rechtsvorschriften der EU sowie mit den strategischen Interessen der EU – wie in der China-Strategie der EU festgelegt – im Einklang stehen; kritische Infrastruktur vor dem Einfluss von Drittstaaten schützen, da dadurch die Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen der EU und ihrer Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden könnten;
25. betont, dass das bilaterale und unkoordinierte Engagement einiger Mitgliedstaaten gegenüber China und das Versäumnis, die Kommission bei der Unterzeichnung von Absichtserklärungen mit Drittstaaten zu informieren, kontraproduktiv und schädigend für die globale Position der EU und den Verhandlungsvorteil ist, den die EU-Mitgliedstaaten haben, wenn sie als Union und nicht als unabhängige staatliche Akteure handeln; fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, keine derartigen Absichtserklärungen zu unterzeichnen, ohne den Rat und die Kommission zu konsultieren; fordert die Einrichtung eines Koordinierungsmechanismus auf EU-Ebene, der sich mit solchen Fragen befasst; weist erneut auf Artikel 24 EUV hin, in dem es heißt, dass die „Mitgliedstaaten […] die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität“ unterstützen und dass sie „sich jeder Handlung [enthalten], die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden könnte“;
26. ist der Ansicht, dass die Umsetzung der China-Strategie der EU und der nationalen politischen Strategien und Maßnahmen in Bezug auf China zwischen den Organen der EU, den Mitgliedstaaten, den verschiedenen Generaldirektionen der Kommission und dem Europäischen Parlament regelmäßig koordiniert werden sollte, um für eine umfassende und kohärente Politik zu sorgen, bei der vermieden wird, dass die einzelnen Politikbereiche ausschließlich für sich genommen betrachtet werden; ist der Auffassung, dass die Politik auch mit regionalen und lokalen Akteuren abgestimmt werden sollte, die Verbindungen zu China aufbauen und pflegen;
27. erklärt sich besorgt darüber, dass europäische Unternehmen von einer steigenden Zahl von Fällen hybrider Angriffe, chinesischer Industriespionage und Cyberdiebstahl betroffen sind; betont, wie wichtig es ist, die privaten und öffentlichen Cyberkapazitäten zu stärken; fordert eine engere Zusammenarbeit und die Einrichtung eines Systems, mit dem den böswilligen Handlungen Chinas im Cyberraum ein Ende bereitet wird, einschließlich Cyberangriffen, erzwungener Technologietransfers, Cyberspionage und Cyberdiebstahl des geistigen Eigentums; betont, dass eine engere Zusammenarbeit mit den NATO- und G7-Staaten gefördert werden muss, um von China ausgehende hybride Bedrohungen, einschließlich Cyberangriffen, und Desinformationskampagnen zu bekämpfen, auch indem den Mitgliedstaaten erlaubt wird, auf freiwilliger Basis gemeinsame Gegenmaßnahmen einzuleiten, selbst wenn die Angriffe nicht so schwerwiegend sind, dass auf ihrer Grundlage Artikel 5 des NATO-Vertrags oder Artikel 42 Absatz 7 EUV zur Anwendung gebracht werden könnten;
28. fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu fördern und zu koordinieren, mit denen darauf abgezielt wird, Chinas ausländischer Finanzierung unserer demokratischen Prozesse entgegenzuwirken, auch der Strategie der Vereinnahmung von Eliten und der Technik der Kooptierung hochrangiger Beamter und ehemaliger EU-Politiker;
29. ist besorgt über den unverhohlenen und zuweilen aggressiven diplomatischen Druck der chinesischen staatlichen Stellen, z. B. auf den Präsidenten des tschechischen Senats; betont, dass sich die Organe der EU in keiner Weise dem Druck, Bedrohungen oder der Zensur vonseiten Chinas beugen dürfen; ist besorgt über unangemessenen Druck durch chinesische Beamte auf Forscher und Akademiker, die in der EU an China betreffenden Themen arbeiten, auch über die Aktivitäten der Konfuzius-Institute in der EU;
Aufbau von Partnerschaften mit gleichgesinnten Partnern
30. fordert den HR/VP auf, die Maßnahmen der EU mit gleichgesinnten Partnern zum Schutz der Menschenrechte und zur Unterstützung der Bevölkerung in China, Hongkong und Macau sowie der chinesischen Diaspora in der ganzen Welt sowie zur Verteidigung der liberalen Demokratie in der Welt, insbesondere in Hongkong und Taiwan, zu koordinieren, um China zur Achtung des Völkerrechts, des Rechts auf öffentliche Kundgebungen als Mittel zur Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, der Freiheit der Schifffahrt, einschließlich im Süd- und Ostchinesischen Meer, und des Überflugs sowie der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zu bewegen; betont ferner, dass bei solchen Partnerschaften und multilateralen Kooperationen mit gleichgesinnten Partnern allen in der neuen China-Strategie der EU skizzierten Faktoren und Maßnahmen Rechnung getragen werden sollte;
31. erklärt sich äußerst besorgt über Chinas entschlossene Expansionspolitik im Südchinesischen Meer, im Ostchinesischen Meer und in der Meerenge von Taiwan, insbesondere über Chinas anhaltende militärische Provokationen gegenüber Taiwan; betont, dass der Status quo in der Meerenge von Taiwan und die Freiheit der Schifffahrt im indopazifischen Raum von entscheidender Bedeutung für die EU und ihre Mitgliedstaaten sind; bekräftigt seine Ablehnung von einseitigen Handlungen, die zu einer Eskalation der Spannungen und zu einer Änderung des Status quo führen könnten; befürwortet eine konstruktive Entwicklung der Beziehungen zwischen China und Taiwan; betont, dass gegen den Willen der Bürger Taiwans keine Änderungen der Beziehungen zwischen China und Taiwan erfolgen dürfen; weist darauf hin, dass sich Japan und die Vereinigten Staaten über ein neues chinesisches Gesetz besorgt erklärt haben, mit dem Schiffe der chinesischen Küstenwache ermächtigt werden, Waffen gegen ausländische Schiffe einzusetzen, die in Bereiche eindringen, die China als sein Hoheitsgebiet betrachtet; fordert die EU auf, diesen Angelegenheiten sowohl in der neuen China-Strategie der EU als auch in der EU-Strategie für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum Rechnung zu tragen und den multilateralen diplomatischen Austausch zu intensivieren, um eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten und Kontroversen im Einklang mit dem Völkerrecht, einschließlich des SRÜ, zu erreichen;
32. fordert die Mitgliedstaaten auf, in eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen demokratischen und gleichgesinnten Partnern wie den Vereinigten Staaten, Kanada, dem Vereinigten Königreich, Japan, Indien, Südkorea, Australien, Neuseeland und Taiwan zu investieren; fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, der strategischen Partnerschaft mit dem ASEAN und der Afrikanischen Union Vorrang einzuräumen und sie zu stärken;
33. hält es für äußerst wichtig, dass die EU mit der US-Regierung auf der Grundlage unserer gemeinsamen Geschichte, Werte und Interessen im Rahmen eines transatlantischen Dialogs über China, auch auf parlamentarischer Ebene, eine ambitionierte und dynamische transatlantische Beziehung entwickelt und fördert; hebt hervor, wie wichtig die Partnerschaft zwischen der EU und den USA ist, wenn es darum geht, die vereinte Stärke der liberalen Demokratien weltweit zu erhalten und unter Beweis zu stellen, u. a. durch unsere Arbeit in multilateralen Organisationen; betont in diesem Zusammenhang, dass der neue Dialog über China zwischen der EU und den USA einer der Mechanismen für die Förderung unserer gemeinsamen Interessen und den Umgang mit unseren bestehenden Differenzen sowie für die Reform multilateraler Organisationen im Rahmen der regelbasierten Ordnung sein sollte; ist der Auffassung, dass die EU die operative Autonomie und Widerstandsfähigkeit der EU gegenüber externen Bedrohungen weiter stärken sollte;
34. betont, dass es wichtig ist, dass die EU gegenüber der sich verändernden Rolle und dem wachsenden Einfluss Chinas in multilateralen Organisationen, unter anderem in den VN, deren zweitgrößter Geldgeber China ist, wachsam bleibt und für eine bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und gleichgesinnten Partnern bei der Bündelung der Kräfte der liberalen Demokratien weltweit sorgt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken; weist darauf hin, dass die chinesische Regierung mit ihrem stärkeren Engagement in internationalen und multilateralen Einrichtungen wie den Vereinten Nationen, der Welthandelsorganisation (WTO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Interpol, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, der Internationalen Fernmeldeunion und der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), einschließlich Normungsorganisationen, darauf abzielt, Normen, Standards und Gepflogenheiten im Sinne von Chinas langfristiger geopolitischer Strategie und seinen wirtschaftlichen Interessen weltweit umzugestalten; bedauert, dass mit der innerchinesischen Zensur, die jetzt unter anderem in den Vereinten Nationen ausgeübt wird, darauf abgezielt wird, Verfahren zu manipulieren, um die Prüfung der Handlungsweisen Chinas auf ein Minimum zu beschränken, insbesondere im Fall der Situation der muslimischen Volksgruppe der Uiguren und anderer muslimischer turksprachiger Minderheiten; fordert die EU auf, mit gleichgesinnten Partnern zusammenzuarbeiten, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken;
35. weist darauf hin, dass China von den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zwar die meisten Friedenstruppen bereitstellt, sich aber weigert, Teile von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen und die Säule der Schutzverantwortung anzunehmen; betont, dass die EU die Schutzverantwortung in ihr außenpolitisches Handeln integriert hat;
36. fordert eine stärkere Zusammenarbeit der EU mit der NATO hinsichtlich der chinesischen Sicherheitsherausforderungen; unterstützt den Vorschlag der NATO, eine politische Strategie für eine Welt zu entwickeln, in der China eine globale Großmacht sein wird; fordert, dass diese Strategie an verschiedenen Szenarien für die Entwicklung der Beziehungen zu China ausgerichtet wird, einschließlich der Möglichkeit einer weiteren Verschlechterung der Sicherheit im Südchinesischen Meer; fordert einen Dialog und eine Koordinierung mit den Ländern des Quadrilateralen Sicherheitsdialogs; begrüßt die Bemühungen der NATO, die sicherheitspolitischen Auswirkungen der zunehmenden physischen Präsenz Chinas in der Arktis und in Afrika genau zu überwachen; empfiehlt, bei der Ausarbeitung des Strategischen Kompasses der EU und der Überprüfung des strategischen Konzepts der NATO ausreichend die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO bei sicherheitspolitischen Herausforderungen im Zusammenhang mit China zu berücksichtigen;
37. begrüßt die Absicht des Rates, die strategische Ausrichtung, die Präsenz und die Maßnahmen der EU im indopazifischen Raum zu verstärken, indem eine neue EU-Strategie für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum sowie eine neue Strategie für die Vernetzung auf den Weg gebracht werden; weist darauf hin, dass eine solche neue Strategie mit der China-Strategie der EU im Einklang stehen sollte;
38. hält es für wichtig, dass die Kommission rechtzeitig umfassende Berichte über die umfassende regionale Wirtschaftspartnerschaft (RCEP, Regional Comprehensive Economic Partnership) – das weltweit größte Freihandelsabkommen – vorlegt, um die Entwicklungen vor Ort zu bewerten; interessiert sich besonders für die Auswirkungen auf die strategischen Interessen der EU bei Themen wie der Standardsetzung im asiatisch-pazifischen Raum sowie den Bestimmungen zu den Ursprungsregeln; stellt fest, dass die EU zwar nicht Vertragspartei der umfassenden regionalen Wirtschaftspartnerschaft ist, das Abkommen aber Auswirkungen auf die EU haben wird; hebt hervor, dass es im Rahmen der umfassenden regionalen Wirtschaftspartnerschaft keine Bestimmungen über Handel und Nachhaltigkeit gibt, darunter Arbeits- und Sozialstandards sowie Klima- und Umweltziele;
39. erinnert im Zusammenhang mit der regionalen Dynamik an die Bedeutung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Taiwan, auch in Fragen betreffend Multilateralismus und WTO, Technologie und Gesundheitswesen sowie der unerlässlichen Zusammenarbeit bei kritischen Gütern wie Halbleitern; stellt fest, dass Taiwan Vollmitglied der WTO ist; fordert die Kommission und den Rat erneut nachdrücklich auf, auf ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan hinzuarbeiten und dringend mit der Folgenabschätzung, der öffentlichen Konsultation und der Vorstudie mit den taiwanesischen Behörden zu beginnen;
40. fordert die Kommission nachdrücklich auf, konkrete Vorschläge und Maßnahmen vorzulegen, um die uneingeschränkte Teilnahme Taiwans als Beobachter an den Sitzungen, Mechanismen und Tätigkeiten der WHO, der ICAO und des UNFCCC zu erleichtern;
Förderung offener strategischer Autonomie, auch in Handels- und Investitionsbeziehungen
41. betont, dass Konditionalität für Investitionen und Handel allein nicht ausreicht, um dem chinesischen Anspruch zu begegnen; ist der Ansicht, dass die EU ihre strategische Autonomie erhöhen sollte, indem sie sich mit anderen Dimensionen der Beziehungen zwischen der EU und China befasst, insbesondere mit der digitalen und technologischen Souveränität; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass in Innovation und Forschung investiert werden muss und dass unter anderem in Bereichen wie Mikrochips und Halbleiterproduktion, Abbau Seltener Erden, Cloud-Computing und Telekommunikationstechnologie eine wettbewerbsfähige und souveräne Industriestrategie entwickelt werden muss, um die Abhängigkeit der EU von China zu verringern, wobei stets darauf abgezielt werden sollte, eine bessere Koordinierung dieser Politik mit der Politik anderer gleichgesinnter liberaler Demokratien zu erreichen und gleichzeitig das Potenzial für eine gemeinsame Bündelung von Ressourcen und die Schaffung neuer Synergien zu ermitteln;
42. stellt fest, dass China 2020 vor dem Hintergrund der COVID‑19-Pandemie erstmals der größte Handelspartner der EU im Warenhandel war und dass sich die Handelsbilanz zu Lasten der EU weiter verschlechtert hat; erinnert jedoch daran, dass die USA immer noch der wichtigste Partner der EU sind, was den Handel mit Waren und Dienstleistungen zusammen angeht; ist der Ansicht, dass Chinas wirtschaftlicher Aufschwung und prognostiziertes Wachstum erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Weltwirtschaft im nächsten Jahrzehnt haben werden; betont, dass das Niveau der gegenseitigen Investitionen aus verschiedenen Gründen hinter dem Potenzial zurückbleibt, und erkennt die wirtschaftlichen Möglichkeiten an, die in der Region bestehen; ist der Auffassung, dass das Volumen des Handels zwischen China und der EU einen regelbasierten und werteorientierten Rahmen erfordert, der in internationalen Normen verankert sein muss; betont, dass die Achtung der Menschenrechte eine Voraussetzung für die Aufnahme von Handels- und Investitionsbeziehungen mit der EU ist, und fordert China nachdrücklich auf, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und sich zur Achtung der Menschenrechte zu verpflichten;
43. unterstreicht die Schlüsselrolle des Europäischen Parlaments in der gemeinsamen Handelspolitik der EU, bei internationalen Verhandlungen sowie bei der Überwachung, Kontrolle, Ratifizierung und Überwachung der Umsetzung von Handels- und Investitionsabkommen; betont, dass der Ausschuss für internationalen Handel rechtzeitig und ordnungsgemäß konsultiert werden muss, und fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, einen kontinuierlichen Dialog zu führen und ausführlich über die Entwicklungen im Rahmen der bilateralen Handels- und Investitionsagenda EU-China zu berichten;
44. betont, dass die strategischen Handels- und Investitionsbeziehungen der EU zu China wichtig sind, und fordert die Mitgliedstaaten und Organe der EU auf, gegenüber China mit einer Stimme zu sprechen und koordiniert aufzutreten; ist der Ansicht, dass Investitionsinitiativen im Format „16+1“ weder die Einheit der EU untergraben noch kontraproduktiv für die Bemühungen sein dürfen, mit einer Stimme zu sprechen;
45. fordert die Kommission auf, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten der EU in strategischen Sektoren wie kritischen Rohstoffen, von denen einige ausschließlich in China vorkommen, zu analysieren, und betont, dass die Widerstandsfähigkeit der europäischen Lieferketten dringend gestärkt werden muss; fordert Anstrengungen zur Diversifizierung und Konsolidierung des Zugangs der EU zu den wichtigsten strategischen Ressourcen, die für den Antrieb der beiden Wachstumsmotoren der EU benötigt werden, mit besonderem Schwerpunkt auf den 30 Elementen, die in der vierten, 2020 aktualisierten Liste der kritischen Rohstoffe enthalten sind; erinnert an das übergeordnete Ziel der EU, ihre offene strategische Autonomie im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik aufzubauen; bekräftigt die zunehmende Bedeutung der Verknüpfung von Handel und Sicherheit in der internationalen Handelspolitik der EU;
46. fordert mehr Transparenz, Kohärenz und Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten in Fragen im Zusammenhang mit bilateralen Investitionsprojekten und -vereinbarungen, insbesondere in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen in strategische Vermögenswerte und kritische Infrastrukturen; lenkt die Aufmerksamkeit auf die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Einflussnahme aus dem Ausland auf der Ebene der Mitgliedstaaten; erinnert daran, wie wichtig es ist, die EU-Verordnung über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in Zukunft zu stärken, um sicherzustellen, dass alle potenziellen Investitionen, die eine Bedrohung für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung in der EU darstellen könnten, insbesondere durch staatlich kontrollierte Unternehmen, blockiert werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit den Leitlinien der Kommission vom März 2020 umgehend einen nationalen Überprüfungsmechanismus einzuführen, wenn sie noch nicht über einen solchen verfügen;
47. ist davon überzeugt, dass die bilateralen Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und China von strategischer Bedeutung sind und auf Regeln beruhen sollten, wobei das multilaterale Handelssystem und das Prinzip der Gegenseitigkeit im Mittelpunkt stehen sollten; bekräftigt, dass es zwar besorgniserregende Tendenzen in Richtung einer wirtschaftlichen Entkopplung gibt, dass aber in den gesamten Handels- und Investitionsbeziehungen eine entschlossenere Durchsetzung und Einhaltung von Verpflichtungen erforderlich ist; fordert China auf, sich aktiver und verantwortungsvoller in die WTO und andere multilaterale Initiativen einzubringen und seine Wirtschaftskraft dem Entwicklungsstand anzupassen und sich uneingeschränkt an alle seine Verpflichtungen im Rahmen der WTO und auf internationaler Ebene zu halten; fordert die Kommission und die chinesischen staatlichen Stellen auf, bei der Reform des WTO-Regelwerks eng zusammenzuarbeiten, um eine nachhaltigere Entwicklung zu fördern, den ökologischen Wandel und die digitale Revolution zu fördern und Stabilität und Rechtssicherheit für den internationalen Handel zu schaffen;
48. ist besorgt über die zunehmend unausgewogenen bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und China; betont, dass eine Neugewichtung und einheitlichere Wettbewerbsbedingungen für die Interessen der EU von entscheidender Bedeutung sind; vertritt die Auffassung, dass China und die EU trotz der Unterschiede zwischen ihren jeweiligen Wirtschaftssystemen gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und eine fruchtbare Beziehung aufbauen müssen; hebt in diesem Zusammenhang die laufenden Arbeiten der EU zur Stärkung ihres Handelsinstrumentariums hervor und erkennt gleichzeitig an, dass ein offener Dialog über gemeinsame Herausforderungen wie den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel aufrechterhalten werden muss; betont, dass die EU dringend ihr Spektrum autonomer Maßnahmen vervollständigen muss, darunter eine strengere EU-Verordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen, Rechtsvorschriften über Subventionen aus Drittstaaten, die den Binnenmarkt verzerren, die rasche Annahme eines durchsetzungsfähigen und wirksamen Instruments für das internationale Beschaffungswesen, Maßnahmen zur Ausfuhr von Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen, ein Paket nachhaltiger Rechtsvorschriften zur Unternehmensführung und Rechtsvorschriften über die Lieferkette mit verbindlichen Sorgfaltspflichten, die auch ein Einfuhrverbot für durch Zwangsarbeit hergestellte Güter vorsehen sollten; ist der Auffassung, dass gegebenenfalls zusätzliche gezielte Maßnahmen im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte in Betracht gezogen werden sollten;
49. bekräftigt seine tiefe Besorgnis über die zahlreichen Hindernisse, mit denen europäische Unternehmen beim Zugang zum chinesischen Markt und bei ihrer Tätigkeit auf diesem Markt konfrontiert sind; ist besorgt darüber, dass Chinas Strategie des „Doppelten Wirtschaftskreislaufs“, auf die in seinem 14. Fünfjahresplan Bezug genommen wird, das Geschäftsumfeld für EU-Unternehmen weiter verschlechtern wird; hebt erneut seine besondere Besorgnis über die marktverzerrenden Praktiken hervor, wie z. B. – aber nicht nur – Industriesubventionen, die Begünstigung chinesischer Staatsunternehmen, den Diebstahl geistigen Eigentums, erzwungene Technologietransfers und Datenlokalisierung, industrielle Überkapazitäten in Sektoren wie Stahl und das damit verbundene Exportdumping, andere unfaire Handelspraktiken und die insgesamt zunehmende politische Einmischung in das Unternehmensumfeld, auch im Privatsektor; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Zusammenarbeit innerhalb der WTO mit gleichgesinnten Partnern zu intensivieren, um ein gemeinsames Konzept zur Bekämpfung dieser unlauteren chinesischen Handelspraktiken zu entwickeln; begrüßt den Dialog zwischen der EU und den USA über China als Mittel zur Zusammenarbeit in Bereichen wie Gegenseitigkeit, Multilateralismus, marktverzerrende Praktiken und Wirtschaft sowie in anderen strukturellen Fragen, bei denen die Koordinierung zwischen der EU und den USA einen Mehrwert erbringen kann; ist überzeugt von der entscheidenden Bedeutung einer angemessenen Information über die gesetzlichen und regulatorischen Entwicklungen auf dem chinesischen Markt, da dieser undurchsichtig und staatlich gesteuert ist; erinnert in diesem Zusammenhang an die Bedeutung häufiger und offener Gespräche mit den Organen der Europäischen Union, der Handelskammer der Europäischen Union in China und allen unseren Partnern vor Ort;
50. hält es für angebracht, speziell die negativen handelsbezogenen Auswirkungen und mögliche Abhilfemaßnahmen für Verzerrungen zu erörtern, die durch die weltweiten Überkapazitäten bei Stahl und Aluminium verursacht werden, sowie die Bedeutung des Vorgehens gegen Industriesubventionen innerhalb der WTO; fordert China nachdrücklich auf, sich wieder an der Arbeit des globalen Forums für Stahlüberkapazitäten zu beteiligen, um Überkapazitäten zu beseitigen und gleiche Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen; stellt fest, dass die jährliche Rohstahlproduktion Chinas trotz der Pläne Chinas, veraltete Produktionsstätten zu schließen und die Produktion zu modernisieren, seit vier Jahren einen Rekord erreicht hat; fordert die chinesischen staatlichen Stellen auf, ihre Zusagen zur Verringerung der Rohstahlproduktion einzuhalten;
51. erinnert in diesem Zusammenhang an die Zusammenhänge zwischen Handel, Patenten und Normen; ist der Ansicht, dass die Normung und die normativen Elemente eines zunehmenden internationalen Wettbewerbs für die Handelspolitik der EU von wesentlicher Bedeutung sind und eine der wichtigsten Säulen ihrer strategischen Industriepolitik sein sollten; erinnert daran, dass die Normung ein Bereich ist, in dem China Berichten zufolge einen anderen, eigenen Weg einschlagen könnte; hebt hervor, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von Fälschungen für die Bemühungen der EU zum Schutz der kommerziellen Aspekte des geistigen Eigentums oberste Priorität haben; ist besorgt darüber, dass ein erheblicher Anteil der in die EU gelangenden nachgeahmten und unerlaubt hergestellten Waren sowohl wert- als auch mengenmäßig nach wie vor aus China stammt; unterstreicht, dass das Abkommen zwischen der EU und China über geografische Angaben einen ersten Schritt im Kampf gegen Fälschungen darstellt und fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zum Schutz des geistigen Eigentums der EU, auch in Bezug auf Patente, zu verstärken; ist besorgt über die sich abzeichnende Praxis, dass chinesische Gerichte die weltweite Zuständigkeit für die Festlegung von fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Lizenzbedingungen für standardessentielle Patente beanspruchen und Unternehmen daran hindern, ihre Entscheidungen anzufechten; unterstreicht, dass diese Praxis darauf hinausläuft, dass chinesische Unternehmen keinen fairen Preis für die Nutzung von standardessentiellen Patenten zahlen und die europäische Forschung gefährdet; fordert die Kommission auf, in dieser Frage mit den chinesischen Staatsorganen zusammenzuarbeiten; fordert, dass den Verstößen in den Bereichen Digitalisierung und Kommunikation innerhalb aller einschlägigen Gremien, einschließlich der Internationalen Fernmeldeunion der Vereinten Nationen, zusammen mit gleichgesinnten Partnern der EU, insbesondere den USA, mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird; fordert mehr politische Diskussionen über die Auswirkungen chinesischer Initiativen wie „Made in China 2025“ oder, was zunehmend an Bedeutung gewinnt, „China Standards 2035“; ist vor diesem Hintergrund besorgt über Chinas zunehmenden digitalen Autoritarismus und seine Bemühungen, sein digitales Steuerungsmodell in der ganzen Welt zu fördern; betont die Notwendigkeit, das WTO-Abkommen über den elektronischen Handel im Rahmen der auf einer gemeinsamen Erklärung beruhenden Initiative abzuschließen, um ein grundlegendes Maß an Offenheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen mit China zu fördern;
52. fordert eine verstärkte Aufmerksamkeit für europäische KMU, die Handels- und Investitionsbeziehungen mit China unterhalten, und begrüßt die Unterstützung der Kommission für KMU-freundliche Initiativen wie unter anderem das Portal „Access2Markets“, das Selbstbewertungsinstrument zur Einhaltung der Ursprungsregeln (ROSA) oder den KMU-Helpdesk zu Fragen der Rechte des geistigen Eigentums in China;
53. nimmt den grundsätzlichen Abschluss des umfassenden Investitionsabkommens zwischen der EU und China auf politischer Ebene zur Kenntnis und erkennt gleichzeitig die Bemühungen der Kommission an, Mängel im Zusammenhang mit Asymmetrien beim Marktzugang, gleichen Wettbewerbsbedingungen und nachhaltiger Entwicklung durch regelbasiertes Engagement zu beheben; weist jedoch darauf hin, dass Handelsbeziehungen nicht in einem Vakuum stattfinden;
54. fordert die Kommission auf, das Parlament zu konsultieren, bevor sie Schritte im Hinblick auf den Abschluss und die Unterzeichnung des umfassenden Investitionsabkommens unternimmt; fordert China nachdrücklich auf, konkrete Schritte zur Ratifizierung und Umsetzung der grundlegenden IAO-Übereinkommen Nr. 29 und Nr. 105 über Zwangsarbeit zu unternehmen; betont, dass China sich auch verpflichtet hat, die ratifizierten IAO-Übereinkommen wirksam umzusetzen und auf die Ratifizierung anderer „aktueller“ grundlegender IAO-Übereinkommen hinzuarbeiten;
55. stellt fest, dass 26 EU-Mitgliedstaaten herkömmliche bilaterale Investitionsabkommen mit China haben;
56. weist jedoch darauf hin, dass das umfassende Investitionsabkommen allein nicht alle Probleme lösen kann, die unsere wirtschaftlichen und politischen Beziehungen beeinträchtigen, und daher im Kontext eines gestärkten und durchsetzungsfähigeren EU-Instrumentariums einseitiger Maßnahmen betrachtet werden muss; betont, dass das Europäische Parlament das Abkommen, einschließlich des Abschnitts über nachhaltige Entwicklung, eingehend prüfen würde;
57. betont, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung und eine wirksame Durchsetzung entscheidende Faktoren für den Nutzen und den Erfolg des Abkommens bei der Beseitigung struktureller Asymmetrien in den Handels- und Investitionsbeziehungen sein würden; hebt die Rolle und Relevanz eines strukturierten und häufigen Austauschs mit dem Büro des Leitenden Handelsbeauftragten der Kommission bei den Bemühungen um die Bewertung der zukünftigen Umsetzung des umfassenden Investitionsabkommens hervor, sofern dieses angenommen wird; verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der parlamentarischen Diplomatie bei der Erleichterung des gegenseitigen Verständnisses, der transparenten Kommunikation und des ehrlichen Dialogs und bekräftigt diese;
58. begrüßt das Inkrafttreten des Abkommens zwischen der EU und China über geografische Angaben und bekräftigt, wie wichtig seine wirksame Umsetzung und Durchsetzung auf den Märkten beider Parteien ist; begrüßt die vorgesehene Ausweitung des derzeitigen Abkommens zwischen der EU und China über geografische Angaben auf weitere 350 Bezeichnungen als geografische Angaben auf beiden Seiten; unterstreicht, dass diese begrenzte Vereinbarung über geografische Angaben als Modell und Grundlage für zukünftige Vereinbarungen über geografische Angaben dienen könnte; hebt die entscheidende Rolle hervor, die der Leitende Handelsbeauftragte bei der Überwachung und Verbesserung der Einhaltung des Abkommens spielen wird; fordert den Leitenden Handelsbeauftragten auf, umgehend zu reagieren, falls das Abkommen nicht ordnungsgemäß umgesetzt wird;
59. hebt hervor, dass China noch einen weiten Weg zurücklegen muss, um eine freie Marktwirtschaft zu werden, da der Staat großen Einfluss auf die Wirtschaft und auf die Entscheidungen der Unternehmen in Bezug auf Preise, Kosten, Produktion und Betriebsmittel ausübt; fordert China daher auf, für seine Unternehmen und für die ausländischen Firmen, die in dem Land tätig sind, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sie sich stärker öffnen können;
60. fordert eine Aufstockung der Mittel für Projekte zur Bereitstellung von 5G und die Erforschung von 6G-, KI- (künstliche Intelligenz) und Big-Data-Technologien, um die künftige Netzsicherheit und eine größere digitale Souveränität sicherzustellen, die für die Digitalisierung und das Wirtschaftswachstum, aber auch für das Aufschließen zu China im Technologiebereich und die Beseitigung der Risiken, denen die NATO-Mitglieder und ihre Partner durch die Integration der 5G-Technologie Chinas in die Telekommunikationsnetze ausgesetzt sein könnten, von entscheidender Bedeutung sein wird, da durch solche Maßnahmen künftig die Demokratie ausgehöhlt werden könnte; fordert ferner eine koordinierte Cybersicherheitsstrategie der EU und eine Ausweitung der Kapazitäten der Mitgliedstaaten in diesem Bereich, unter anderem, um den Schutz vor Bedrohungen der kritischen Infrastruktur der EU, die von Drittländern, einschließlich China, ausgehen, zu stärken;
61. betont, wie wichtig es ist, im Rahmen von Partnerschaften mit wichtigen strategischen Partnern, die die liberalen und demokratischen Werte der EU teilen, an der Regulierung von KI und an einem ethischen und zivilrechtlichen Haftungsrahmen für KI-Systeme und verwandte Technologien zu arbeiten, mit dem menschenzentrierte und datenschutzrechtlich unbedenkliche Innovationen gefördert werden; betont, dass Systeme zur Bewertung des sozialen Verhaltens nicht im Einklang mit den Grundwerten der EU stehen; betont, dass die EU die Rechte des Einzelnen wahren muss; betont daher, dass solche Maßnahmen und Überwachungsinstrumente unter keinen Umständen in der EU eingesetzt werden sollten; hebt daher hervor, dass die EU Maßnahmen ergreifen muss, um der grenzüberschreitenden Reichweite der digitalen Unterdrückung Grenzen zu setzen und ihr zu begegnen;
Verteidigung und Förderung grundlegender europäischer Interessen und Werte durch Umwandlung der EU in einen wirksameren geopolitischen Akteur
62. ist der Ansicht, dass die EU weiterhin darauf hinarbeiten sollte, zu einem leistungsfähigeren geopolitischen Akteur zu werden, indem sie für ein einheitlicheres geopolitisches Vorgehen ihrer Mitgliedstaaten sorgt, ihre strategische Autonomie und Kapazität fördert und mit den USA und anderen gleichgesinnten Partnern zusammenarbeitet;
63. betont, dass der Erfolg der Europäischen Nachbarschaftspolitik entscheidend für die Fähigkeit der EU ist, die Rolle eines globalen Akteurs zu übernehmen; warnt vor dem zunehmenden Einfluss Chinas in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU, auch in Bewerberländern; fordert einen strategischen Ansatz auf EU-Ebene, um mittels Investitionen, Darlehen und Geschäftstätigkeiten in Nachbarländern, insbesondere im westlichen Balkan, gegen chinesische Maßnahmen vorzugehen; fordert insbesondere, dass die EU aktiv tätig wird, um diesen Ländern eine tragfähige Alternative zu chinesischen Investitionen zu bieten;
64. weist darauf hin, dass die EU ihre Instrumente zur eigenen Verteidigung stärken, ihre Fähigkeit zum Schutz ihrer Interessen im Ausland ausbauen, eine aktivere, einheitlichere und strategischere Rolle in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft übernehmen und sicherstellen sollte, dass die Mitgliedstaaten in ihrem geopolitischen Ansatz vereint handeln;
65. ist der Ansicht, dass im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas ein Forum für die Debatte über das auswärtige Handeln der EU, z. B. über Fragen in Verbindung mit dem Schutz der Menschenrechte, und für eine Diskussion über Möglichkeiten zum Erreichen strategischer Autonomie geboten werden sollte; betont, dass erörtert werden muss, wie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU verbessert und gestärkt werden kann, etwa im Wege der Erteilung eines stärkeren Mandats für den HR/VP, damit er in außenpolitischen Angelegenheiten im Namen der EU handeln oder in bestimmten außenpolitischen Angelegenheiten die notwendigen Schritte zur Einführung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit unternehmen kann; fordert, die Verteidigungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken, um die europäischen Fähigkeiten bei der strategischen Verteidigung zu erhöhen, und eine eigenständige Europäische Verteidigungsunion zu schaffen, zu der auch die militärischen Kapazitäten Europas zählen würden;
66. weist darauf hin, dass der EAD mit einem Mandat und den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden muss, um chinesische Desinformationsmaßnahmen zu überwachen und zu bekämpfen, wozu auch die Einrichtung einer StratCom Task Force „Fernost“ gehört, die sich mit Desinformationen aus China befasst; fordert China auf, von verdeckten Maßnahmen zur Manipulation des öffentlichen Diskurses in der EU abzusehen; fordert die Kommission auf, ein EU-weites Regulierungssystem zu entwickeln, um zu verhindern, dass Medienunternehmen, die von Regierungen von Drittländern finanziert oder kontrolliert werden, europäische Medienunternehmen erwerben, damit die unabhängige und freie Medienberichterstattung in der EU erhalten bleibt; schlägt vor, chinesischsprachige Medien in Europa zu diversifizieren, indem die Zusammenarbeit zwischen europäischen Medien und internationalen Partnern – wie Taiwan – gefördert wird; betont weiterhin, dass die fachlichen Kapazitäten in Bezug auf China im EAD und in der Kommission im Allgemeinen dringend erheblich ausgebaut werden müssen;
67. weist darauf hin, dass unabhängige chinabezogene Studien und Forschungsarbeiten an Universitäten, in Denkfabriken, in Forschungseinrichtungen und an Schulen in der gesamten EU wichtig sind, die frei von finanzieller Unterstützung oder der Einflussnahme Chinas sind und in deren Rahmen die akademische Integrität und Redefreiheit sichergestellt werden; fordert die EU daher auf, ein Programm zur Finanzierung chinabezogener Forschungstätigkeiten und chinesischer Sprachkurse in der EU zu entwickeln;
68. weist darauf hin, dass es notwendig ist, Programme für das Studium der chinesischen Kultur, Sprache und Politik einzuführen, die von den Programmen der Kommunistischen Partei Chinas unabhängig sind, beispielsweise durch engere Kontakte mit taiwanischen Universitäten und der taiwanischen Gesellschaft;
69. fordert die Kommission auf, das rasch wachsende Interesse Chinas an der Arktis und sein Engagement dort zu berücksichtigen und in ihre Strategie einzubeziehen; fordert die Bereitschaft, die Freiheit der Schifffahrt auf der arktischen nördlichen Seeroute sicherzustellen; nimmt die Investitionen Chinas in die Forschung und die strategische Infrastruktur in der Arktis zur Kenntnis; weist darauf hin, dass die EU vermeiden sollte, in dieser wichtigen Region an Einfluss zu verlieren;
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70. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und zur Information der Regierung der Volksrepublik China zu übermitteln.
Gemeinsame Erklärung Chinas und Portugals vom 13. April 1987 zu Macao.
Ausrichtung der politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland
230k
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Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Ausrichtung der politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland (2021/2042(INI))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland, insbesondere die Entschließungen vom 18. September 2014 zur Lage in der Ukraine und zum Sachstand in den Beziehungen zwischen der EU und Russland(1), vom 11. Juni 2015 zu der strategischen militärischen Lage im Schwarzmeerraum nach der rechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland(2), vom 16. März 2017 zu den ukrainischen Gefangenen in Russland und der Lage auf der Krim(3), vom 14. Juni 2018 zu den besetzten Hoheitsgebieten Georgiens zehn Jahre nach der Invasion durch Russland(4), 23. November 2016 zu dem Thema „Strategische Kommunikation der EU, um gegen sie gerichteter Propaganda von Dritten entgegenzuwirken“(5), vom 12. März 2019 zum Stand der Beziehungen zwischen der EU und Russland(6), vom 19. September 2019 zur Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas(7), vom 19. Dezember 2019 zum russischen Gesetz über ausländische Agenten(8), vom 17. September 2020 zur Lage in Russland: Vergiftung von Alexei Nawalny(9), vom 21. Januar 2021 zur Festnahme von Alexei Nawalny(10), vom 29. April 2021 zu Russland, dem Fall Alexei Nawalny, dem militärischen Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine und den von Russland orchestrierten Anschlägen in der Tschechischen Republik(11) und vom 10. Juni 2021 zur Einstufung deutscher NGOs als „unerwünschte Organisationen“ durch Russland und die Festnahme von Andrei Piwowarow(12),
– unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Konvention des Europarates zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
– unter Hinweis auf die Mitgliedschaft der Russischen Föderation im Europarat sowie in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den daraus ergebenden Zusagen und Verpflichtungen,
– unter Hinweis auf die restriktiven Maßnahmen der EU als Antwort auf die Krise in der Ukraine, die seit 2014 in Kraft sind,
– unter Hinweis auf das Maßnahmenpaket für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, das am 12. Februar 2015 in Minsk angenommen und unterzeichnet und am 17. Februar 2015 durch die Resolution 2202 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen als Ganzes bestätigt wurde,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) der EU vom 14. März 2016, insbesondere die Vereinbarung über die fünf Leitprinzipien der EU-Politik gegenüber Russland, und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24. und 25. Mai 2021 zu Russland und vom 24. Juni 2021 über Außenbeziehungen,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 16. Juni 2021 mit dem Titel „Die Beziehungen zwischen der EU und Russland – zurückdrängen, einschränken und zusammenarbeiten“ (JOIN(2021)0020),
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10. Juni 2020 mit dem Titel „Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 – Fakten statt Fiktion“ (JOIN(2020)0008),
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der internationalen Krim-Plattform vom 23. August 2021,
– gestützt auf Artikel 118 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9-0259/2021),
A. in der Erwägung, dass Russland ein fester Bestandteil Europas und der größte Nachbar der EU ist und dass es starke historische Verflechtungen sowie kulturelle und menschliche Verbindungen zwischen Russland und EU-Mitgliedstaaten gibt; in der Erwägung, dass Russland durch seine Politik und das Verhalten seiner Staatsorgane die unmittelbare Nachbarschaft der EU direkt beeinträchtigt; in der Erwägung, dass trotz der 2014 verhängten Sanktionen die EU immer noch der größte Handelspartner Russlands und Russland der fünftgrößte Handelspartner der EU ist; in der Erwägung, dass die EU der größte Investor in Russland ist;
B. in der Erwägung, dass das Parlament zwischen dem russischen Volk und dem russischen Regime von Präsident Putin als stagnierende autoritäre Kleptokratie, angeführt von einem Präsidenten auf Lebenszeit, umgeben von einem Kreis von Oligarchen unterscheidet; in der Erwägung, dass sich die in dieser Empfehlung vorgeschlagenen kritischen Maßnahmen an das Regime von Präsident Putin und seine kriminellen Handlungen und antidemokratischen politischen Maßnahmen richten, während darauf hingewiesen wird, dass es dringend erforderlich ist, die russischen Bürgerinnen und Bürger zu erreichen und ihnen zu zeigen, dass die Europäische Union bereit ist, sich ihrer Anliegen anzunehmen;
C. in der Erwägung, dass das hauptsächliche Interesse der EU darin besteht, Freiheit, Stabilität und Frieden auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus zu erhalten, die durch die aggressive Politik der russischen Staatsorgane bedroht werden, die eine der größten Herausforderungen für die strategische und außenpolitische Agenda der EU darstellt;
D. in der Erwägung, dass Russland eine demokratische Zukunft haben kann; in der Erwägung, dass die russischen Bürgerinnen und Bürger – wie alle Menschen – nach den universellen Werten der Freiheit und der Demokratie streben; in der Erwägung, dass die EU dem russischen Volk konkrete Vorschläge für eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit vorlegen sollte;
E. in der Erwägung, dass im Rahmen der EU-Strategie gegenüber Russland zwei Hauptziele miteinander kombiniert werden müssen: erstens, die außenpolitische Aggressivität und inländischen Unterdrückungsmaßnahmen des Kremls zu unterbinden, und zweitens, mit dem russischen Volk in Kontakt zu treten und ihm zu helfen, eine andere Zukunft aufzubauen, von der alle Völker des europäischen Kontinents profitieren würden, auch das russische Volk;
F. in der Erwägung, dass die Beziehungen der Union zur Russischen Föderation auf den Grundsätzen des Völkerrechts, den Gründungsprinzipien der OSZE, der Demokratie und der friedlichen Beilegung von Konflikten und guten nachbarschaftlichen Beziehungen beruhen müssen; in der Erwägung, dass die derzeitige russische Regierung ihre Geringschätzung dieser Grundsätze unter Beweis gestellt hat; in der Erwägung, dass Russland internationale Institutionen, in erster Linie die Vereinten Nationen und die OSZE, missbraucht, um weltweit Gerechtigkeit und die Beilegung von Konflikten zu verhindern;
G. in der Erwägung, dass Russland 2019 in den Europarat zurückgekehrt ist, aber Menschenrechtsverstöße immer noch weit verbreitet sind, und dass sich das Land nach wie vor weigert, den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nachzukommen;
H. in der Erwägung, dass die Außenpolitik von Präsident Putin eindeutig aggressiv und revisionistisch ist, da er als Verteidiger russischer Interessen gesehen werden möchte und versucht, die Kontrolle auf Gebiete auszuweiten, die er als seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verloren erachtet; in der Erwägung, dass zu den Zielen des Regimes von Präsident Putin unter anderem Folgendes gehört: seine Autorität als Großmacht geltend zu machen; die Einmischung des Regimes in den Nachfolgestaaten der UdSSR und darüber hinaus zu verstärken; die Souveränität mächtiger Staaten über das Recht auf Souveränität anderer Staaten zu stellen; das Konzept des Schutzes ethnischer Russen im Ausland als Rechtfertigung für hybride Kriegsführung und Desinformation zu nutzen; Gebiete mit eingefrorenen Konflikten als strategisches Element für die Einmischung in die betroffenen Länder zu nutzen und diese Länder so daran zu hindern, sich der EU und der NATO anzunähern; Energieressourcen und illegale Geldwäschepraktiken als Instrumente für Manipulation und Erpressung zu nutzen; das Modell der liberalen Demokratie zu untergraben und Russland als moralisch überlegen und den Westen als moralisch unterlegen darzustellen; die Demokratie, die demokratische Opposition und das Recht des russischen Volkes auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken; in der Erwägung, dass das Regime von Präsident Putin insbesondere Multilateralismus und die auf Rechtsstaatlichkeit beruhende internationale Ordnung ablehnt, das Völkerrecht, einschließlich die in der Charta der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki von 1975 und der OSZE-Charta von Paris von 1990 verankerten Grundsätze missachtet, wie unter anderem mit den Verfassungsänderungen im Jahr 2020 unter Beweis gestellt wurde, deren Annahmevorgang von der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) als „offensichtlich verfehlt“ eingestuft wurde und sowohl gegen russisches Recht als auch gegen seine Verpflichtungen gegenüber der OSZE verstieß; in der Erwägung, dass Russland mehr als tausend Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht umgesetzt hat;
I. in der Erwägung, dass das gegenwärtige russische Regime seine Außenpolitik mit Verletzungen der Menschenrechte der eigenen Bevölkerung und aggressivem Verhalten, auch mit folgenden Mitteln, fortsetzt: großflächige Militärübungen und Truppenmassierungen; rechtswidrige Besetzung und Annexion der Krim; Verletzung der territorialen Integrität und Destabilisierung der Ukraine, Georgiens und der Republik Moldau; Unterstützung schwelender Konflikte und Nichteinhaltung des jeweiligen Waffenstillstands in Georgien und der Ukraine; mutmaßliche Terrorakte im Hoheitsgebiet von EU-Mitgliedstaaten wie Tschechien; Cyberangriffe und Angriffe gegen sensible Infrastruktureinrichtungen in EU-Mitgliedstaaten; Verletzungen des Völkerrechts; Einmischung in Wahlen und Verletzungen der Hoheitsgewässer und des Luftraums anderer Staaten im Ostsee- und im Schwarzmeerraum; in der Erwägung, dass das Versäumnis der EU, angemessen auf die verschiedenen russischen Aggressionen gegen Georgien seit denen im Jahr 2008 zu reagieren, Russland dazu veranlasst hat, aggressive militärische und politische Kampagnen sowohl in seiner Nachbarschaft als auch darüber hinaus fortzusetzen und dadurch die auf Regeln beruhende internationale Ordnung und Stabilität in Europa und anderswo zu schwächen und zu untergraben;
J. in der Erwägung, dass die russische Regierung in der Nähe zu EU-Grenzen, in der Enklave Kaliningrad, nach wie vor Angriffswaffen lagert und Truppen stationiert;
K. in der Erwägung, dass Russland mit seinem derzeitigen Regime laut jüngster Bewertung der NATO-Reflexionsgruppe eine langfristige Bedrohung für die europäische Sicherheit darstellt; in der Erwägung, dass Russland im Norden des Landes neue Militärbasen errichtet und alte Militärbasen modernisiert hat; in der Erwägung, dass Russland seine Nordflotte zu einem Militärbezirk aufgewertet, verschiedene Teile seiner Streitkräfte vergrößert und das Konzept der Bastionsverteidigung zum Schutz seiner strategischen Fähigkeiten wieder aufgegriffen hat; in der Erwägung, dass die Enhanced Forward Presence (verstärkte Vornepräsenz) der NATO an der Ostflanke eine wichtige abschreckende Wirkung gehabt hat, um Russland von destabilisierenden Aktivitäten abzuhalten, auch vom Ausbau der militärischen Präsenz im westlichen Militärbezirk; in der Erwägung, dass der Zusammenbruch der Rüstungskontrolle mit Russland (Ausstieg aus dem INF-Vertrag und dem Vertrag über den Offenen Himmel) und die fehlenden Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags sowie die Ablehnung des neuen Vertrags über das Verbot von Kernwaffen durch Russland eine große Gefahr für die Sicherheit der Unionsbürgerinnen und -bürger darstellen; in der Erwägung, dass dies mit einer gefährlichen Modernisierung der atomaren und konventionellen Waffensysteme Russlands und ihrer Trägersysteme sowie der Einführung destabilisierender Technologien (nuklearfähige Hyperschallraketen, Torpedos usw.) einhergeht;
L. in der Erwägung, dass das Kreml-Regime insbesondere im März und April 2021 seine Militärpräsenz an der Ost- und Nordgrenze der Ukraine zu Russland erheblich ausgebaut hat und dass dies der größte Aufmarsch russischer Streitkräfte seit 2014 ist; in der Erwägung, dass das Kreml-Regime das Durchfahrtsrecht für Kriegs- und Handelsschiffe anderer Länder durch Teile des Schwarzen Meers in Richtung der Meerenge von Kertsch ausgesetzt hat, was einen Verstoß gegen die Schifffahrtsrechte darstellt, die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das auch von Russland unterzeichnet wurde, garantiert werden;
M. in der Erwägung, dass Russland dem unrechtmäßigen und verwerflichen Regime von Aljaksandr Lukaschenka in Belarus konsequente politische und wirtschaftliche Unterstützung leistet; in der Erwägung, dass Präsident Putins politische und wirtschaftliche Investitionen in den Fortbestand des Lukaschenka-Regimes der alleinige Grund dafür sind, dass Aljaksandr Lukaschenka die brutale Verfolgung des belarussischen Volkes, das die Achtung der Menschenrechte, freie und transparente Wahlen, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit fordert, weiter fortführen kann; in der Erwägung, dass die jüngsten politischen Entwicklungen in Belarus und Russland zahlreiche gemeinsame Merkmale aufweisen, und die Abläufe in beiden Ländern sich gegenseitig sehr stark beeinflussen; in der Erwägung, dass Proteste gegen das autoritäre Regime und die Forderung nach Veränderungen in Belarus ähnliche Bestrebungen der Menschen in Russland befeuern; in der Erwägung, dass die Staatsorgane im Kreml vor der bevorstehenden Wahl zur Duma im September 2021 die Unterdrückung von politischen Oppositionellen weiter verstärken, indem sie die Möglichkeit der Teilnahme einschränken und verweigern und bestimmte Oppositionspolitiker daran hindern, sich zur Wahl zu stellen, und dabei den politischen Wettbewerb zerstören, indem sie die Gelegenheit, eine faire Wahl abzuhalten, zunichte machen, wie es auch die Diktatur in Belarus im August 2020 gemacht hatte;
N. in der Erwägung, dass Präsident Putins Russland seine Bemühungen fortsetzt, EU-Beitrittskandidatenländer und assoziierte Länder der Östlichen Partnerschaft zu destabilisieren und damit den Zweck verfolgt, den Prozess der euroatlantischen Integration zu behindern oder aufzuhalten; in der Erwägung, dass durch die Ausgabe russischer Reisepässe die Zahl der russischen Staatsangehörigen gesteigert und faktisch die Hoheit Russlands auf besetzte und abtrünnige Gebiete wie Transnistrien, Südossetien, Abchasien, den Donbas und die Halbinsel Krim ausgedehnt werden soll; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen Völkerrechtsverletzungen darstellen;
O. in der Erwägung, dass mit den russischen Verfassungsreformen von 2020 die Geschichte des Zweiten Weltkriegs revidiert wurde, wodurch die Geschichte der UdSSR gesäubert und Russland zu einem Nachfolgestaat der UdSSR ernannt, das Recht der Intervention auf internationaler Ebene zur Verteidigung russischer Landsleute eingeführt und Diskussionen über die Rückgabe von Russland beanspruchter Gebiete an ausländische Staaten verboten wurden;
P. in der Erwägung, dass die EU die Position Russlands zu und sein Engagement in Afghanistan genau beobachten sollte, da Russland versucht, den Rückzug des Westens zu seinen Gunsten zu nutzen und das aus dem Rückzug resultierende Machtvakuum zu füllen;
Q. in der Erwägung, dass die Strategie der Ausgabe russischer Reisepässe durch Russland auch auf EU-Mitgliedstaaten abzielt, in denen die doppelte Staatsbürgerschaft zulässig ist; in der Erwägung, dass die EU-Mitgliedstaaten, die sich die Regelung der sogenannten goldenen Pässe zu eigen gemacht haben, es den Kreml-Getreuen ermöglichen, mit Geldern, die sie dem russischen Volk gestohlen haben, europäische Lebensqualität zu genießen und in der EU Korruption zu verbreiten;
R. in der Erwägung, dass Russland das feindselige Konzept der „Russischen Welt“ umsetzt, um seiner Einmischung in ausländischen Staaten zur Verteidigung russischer Landsleute den Weg zu ebnen; in der Erwägung, dass das Konzept der „Russischen Welt“ über staatliche Medien wie Russia Today und Sputnik in den Muttersprachen der EU-Mitgliedstaaten verbreitet wird; in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie von der Propagandamaschinerie des Kreml benutzt wird, um den Graben zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu vergrößern, die EU als pandemiebedingt handlungsunfähig darzustellen, Zweifel über die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassenen Impfstoffe zu säen, bei den Menschen in der EU Stimmung gegen Impfungen zu verbreiten, und das Russland-Image, vor allem durch Werbung für den Impfstoff Sputnik V, in den Augen der EU-Bevölkerung zurechtzurücken;
S. in der Erwägung, dass zahlreiche nichtstaatliche Organisationen und radikale Gruppen, darunter auch politische Bewegungen, finanzielle Unterstützung aus Russland erhalten;
T. in der Erwägung, dass Russland nach wie vor in mehreren Teilen der Welt, auch im Westbalkanraum, in Zentralasien, im Nahen Osten, in Nordafrika, in Subsahara-Afrika, in Lateinamerika und in der Arktis aktiv ist; in der Erwägung, dass die russische Regierung paramilitärische Einheiten (die „Wagner-Gruppe“) einsetzt, um diktatorische Regime in aller Welt zu unterstützen und die EU und die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zu untergraben, Konflikte zu entschärfen und Frieden und Stabilität zu fördern; in der Erwägung, dass sich im Westbalkanraum, in dem neue mögliche EU-Mitgliedstaaten liegen, insbesondere in Serbien, eine starke russische Präsenz zeigt; in der Erwägung, dass der russische Militärgeheimdienst (GRU) 2016 in Montenegro an Versuchen beteiligt war, die Macht im Parlament des Landes zu übernehmen, den Ministerpräsidenten zu ermorden, eine prorussische und NATO-feindliche Regierung zu installieren und den Beitritt des Landes zur NATO zu verhindern;
U. in der Erwägung, dass im Hinblick auf die EU russische Geheimdienstbeamte im aktiven Dienst im Auftrag des Kreml-Regimes an der Sprengung von zwei Munitionsdepots im Jahr 2014 beteiligt waren, bei der zwei tschechische Bürger ums Leben kamen und hohe Sachschäden verursacht wurden; in der Erwägung, dass dieselben GRU-Agenten 2018 für den versuchten Mord an Sergei und Julija Skripal im Vereinigten Königreich mit dem waffenfähigen Nervengift Nowitschok verantwortlich waren; in der Erwägung, dass für den Mordversuch an Emilian Gebrew, dem Eigentümer einer Waffenfabrik, und zwei weiteren Personen in Bulgarien im Jahr 2015 sowie für den 2019 in Berlin von russischen Agenten begangenen Mord an Selimchan Changoschwili ebenfalls GRU-Agenten verantwortlich gemacht wurden; in der Erwägung, dass rechtswidriges Handeln vonseiten des Kreml-Regimes im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik, Bulgariens sowie vieler anderer Mitgliedstaaten, des Vereinigten Königreichs und von Ländern der Östlichen Partnerschaft eine schwerwiegende Verletzung der Souveränität dieser Länder darstellt; in der Erwägung, dass das Kreml-Regime mit Blick auf Untersuchung der betreffenden Verbrechen nicht kooperativ ist und den Hauptverdächtigen Schutz gewährt;
V. in der Erwägung, dass es zu bedauern ist, dass die russischen Staatsorgane ihr Land willentlich oder unfreiwillig in die Abhängigkeit von China bringen, aus der es sich nur schwer wieder lösen können wird, was die Russische Föderation und den gesamten europäischen Kontinent nur zu schwächen vermag und insbesondere es den chinesischen Staatsorganen ermöglicht, ihre Präsenz und ihren Einfluss in Zentralasien und Sibirien auszuweiten;
W. in der Erwägung, dass der Kreml seine Desinformationen, Propaganda und hybriden Eingriffe in die innenpolitischen Angelegenheiten und demokratischen Abläufe der EU fortsetzt, was eine Bedrohung für die Grundwerte der EU – Demokratie, Gleichstellung, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte – darstellt und dazu geeignet ist, politische Maßnahmen der nationalen Regierungen zu untergraben, verleumderische Gerüchte zu verbreiten und das Image des Westens als Feind zu vermitteln, Hass, Intoleranz und Sowjetnostalgie zu fördern, die Geschichte sowjetischer Verbrechen neu zu schreiben und letztendlich die Kluft zwischen Russland und Europa, insbesondere mit den Ländern, die früher Teil des kommunistischen Blocks waren, zu vergrößern; in der Erwägung, dass die Institutionen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, Einrichtungen von strategischer Bedeutung und demokratische Prozesse wie Wahlen ständiges Ziel russischer Cyberangriffe sind; in der Erwägung, dass die höchsten Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche das Putin-Regime unterstützen; in der Erwägung, dass nach russischem Recht die Unterdrückung religiöser Gruppen, die als Extremisten gelten, zulässig ist; in der Erwägung, dass die jüngsten Erkenntnisse über die engen und regelmäßigen Kontakte zwischen russischen Amtsträgern, einschließlich Mitgliedern des Föderalen Dienstes für Sicherheit, und Vertretern einer Gruppe katalanischer Sezessionisten in Spanien eingehend untersucht werden müssen; in der Erwägung, dass sich dies als weiteres Beispiel dafür erweisen könnte, dass Russland sich in den Mitgliedstaaten einmischt und ständig Versuche unternimmt, jedweden Sachverhalt, durch dessen Aufgreifen es der Destabilisierung der EU im Innern Vorschub leisten kann, für sich auszunutzen;
X. in der Erwägung, dass die Sanktionen des Westens gegen Russland, die sinkenden Einnahmen aus der Ausfuhr fossiler Brennstoffe, eine wettbewerbsfeindliche Wirtschaft, hohe Militärausgaben und inländische Sozialtransferzahlungen in Kombination dazu geführt haben, dass Russland in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist; in der Erwägung, dass Russland im Korruptionswahrnehmungsindex 2020 auf Platz 129 von 180 Ländern steht, da massive Korruption auf Staatsebene die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen beeinträchtigt, die weiterhin unterfinanziert sind, z. B. das öffentliche Gesundheitswesen, das während der Pandemie von besonderer Bedeutung ist; in der Erwägung, dass fast 19 Millionen Russinnen und Russen unter der Armutsgrenze leben;
Y. in der Erwägung, dass die von der russischen Regierung unter anderem gegen den Präsidenten des Europäischen Parlaments David Sassoli, die Vizepräsidentin der Kommission Věra Jourová und Beamte sechs weiterer Mitgliedstaaten verhängten Sanktionen inakzeptabel und grundlos sind, da sie jeglicher rechtlicher Begründung entbehren; in der Erwägung, dass die russische Regierung auch eine Liste „unfreundlicher Staaten“ genehmigt hat, auf der sich auch Tschechien und die USA befinden;
Z. in der Erwägung, dass es sich bei über 60 % der EU-Einfuhren aus Russland im Jahr 2019 um Energieerzeugnisse handelte; in der Erwägung, dass die EU die Abhängigkeit ihrer Wirtschaft, insbesondere in der Energiebranche, von russischen Gaslieferungen an EU-Märkte, die derzeit bei 48 % liegt und tendenziell noch weiter ansteigen wird, senken muss; in der Erwägung, dass der europäische Grüne Deal ein maßgebliches Instrument für die geopolitische Sicherheit der EU ist und dass bei der Umsetzung des Grünen Deals laut Prognosen der Kommission bis 2030 mit einer drastischen Senkung der Öl- und Erdgaseinfuhren der EU zu rechnen wäre, wobei ein Rückgang der Öleinfuhren um 78–79 % und Erdgaseinfuhren um 58–67 % im Vergleich zu Zahlen für 2015 zu erwarten stünde;
AA. in der Erwägung, dass der Gasverbrauch in der EU so hoch ist wie nie zuvor und die Kapazität der derzeitigen Erdgasfernleitung Nord Stream derzeit nicht vollständig ausgeschöpft wird; in der Erwägung, dass die polarisierende Entscheidung einiger Mitgliedstaaten für den Bau von Nord Stream 2 nicht mit den Werten der Solidarität und des Vertrauens in der Energieunion vereinbar ist; in der Erwägung, dass Nord Stream 2 nicht mit den Zielen des europäischen Grünen Deals vereinbar ist, die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um mindestens 55 % zu senken und bis 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freizusetzen;
AB. in der Erwägung, dass die EU Russland auffordern sollte, freien und ungehinderten Zugang zu den sogenannten Trophäenarchiven zu gewähren, die 1944 und 1945 aus von der UdSSR besetzten Gebieten nach Moskau verbracht wurden, und auch zu den historischen Archiven und Artefakten, die vom Russischen Reich aus europäischen Ländern entwendet wurden und derzeit in Russland aufbewahrt werden;
AC. in der Erwägung, dass die Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit das Herzstück einer resilienten demokratischen Gesellschaft bilden;
AD. in der Erwägung, dass die Russische Föderation nicht nur eine externe Bedrohung für die Sicherheit Europas darstellt, sondern auch das eigene Volk unterdrückt; in der Erwägung, dass sich die Lage in Russland aufgrund der zunehmenden Unterdrückung demokratischer Kräfte innerhalb Russlands durch Präsident Putin dramatisch verschlechtert, wodurch die Kritiker im eigenen Land, die politische Opposition und Aktivisten, die gegen Korruption kämpfen, zum Schweigen gebracht, ihre Versammlungsfreiheit eingeschränkt und ihre Aktivitäten sowie diejenigen der russischen Zivilgesellschaft eingeschränkt werden sollen, wofür als eines von vielen Beispielen die Verhaftung von mehr als 11 000 friedlichen Demonstranten durch russische Staatsorgane nur zwei Wochen nach der Festnahme von Alexei Nawalny dient, womit sich die Gesamtzahl der seit Januar 2021 inhaftierten Russinnen und Russen auf über 15 000 beläuft; in der Erwägung, dass Russland weiterhin eigene Bürgerinnen und Bürger unrechtmäßig inhaftiert und gezielt gegen Oppositionsführer, unabhängige Journalisten, Demonstranten und Menschenrechtsverteidiger vorgeht; in der Erwägung, dass in Russland unverändert schreckliche Haftbedingungen herrschen und dass Inhaftierte Folter, Drangsalierung und körperlichen Übergriffen ausgesetzt sind;
AE. in der Erwägung, dass es das Kreml-Regime mit der Verabschiedung der Gesetze über ausländische Agenten und unerwünschte Organisationen zulässt, dass Einzelpersonen, Vereinigungen und Medien stigmatisiert werden und dadurch gegen ihre Menschenrechte und Meinungs- und Vereinigungsfreiheit verstoßen wird, die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, sich in der russischen Zivilgesellschaft zu engagieren und ihren Beitrag zu leisten, eingeschränkt werden und ihre persönliche Freiheit gefährdet wird; in der Erwägung, dass das Kreml-Regime die Gesetze zu Ausdehnung der Einschränkungen für Personen oder Einrichtungen, die „ausländische Agenten“ oder „unerwünschte ausländische Organisationen“ unterstützen, noch weiter verschärft hat, sodass aktive Mitglieder der Zivilgesellschaft, nichtstaatliche Organisationen im Bereich der Menschenrechte sowie die Opposition systematisch von der Teilnahme an der Parlamentswahl 2021 in Russland ausgeschlossen wurden; in der Erwägung, dass insbesondere mit neuen Rechtsvorschriften, die im Dezember 2020 und Januar 2021 verabschiedet wurden, die Zahl der Einzelpersonen und Gruppen, die zu „ausländischen Agenten“ erklärt werden können, die Definition der „finanziellen Unterstützung aus dem Ausland“ und die Anforderungen bezüglich der Kennzeichnung von Materialien erweitert wurden; in der Erwägung, dass im Mai 2021 vorgelegte neue Gesetzentwürfe dem Ziel dienen, die Wirkung des Gesetzes über „unerwünschte“ Organisationen auszuweiten und potenzielle Kandidaten für die Wahl zum russischen Parlament rückwirkend mit Verboten zu belegen; in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane weiterhin Menschen wegen angeblicher Mitgliedschaft in Gruppen, die nach dem allzu breit gefassten Gesetz Russlands zur Bekämpfung des Extremismus als extremistisch eingestuft wurden, strafrechtlich verfolgen; in der Erwägung, dass die Entscheidung der russischen Staatsorgane, die Antikorruptionsstiftung, der Alexei Nawalny vorsteht, als extremistische Organisation einzustufen, grundlos und diskriminierend ist und nur dem Ziel der Zerstörung der Möglichkeiten der Opposition, sich wirksam an Wahlkämpfen zu beteiligen, dient;
AF. in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane laut der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ derzeit nahezu 400 politische Häftlinge gefangen halten und damit gegen die Verpflichtungen der Russischen Föderation nach Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und Artikel 23 des Schlussdokuments der Wiener Tagung am 5. Januar 1989 der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verstoßen;
AG. in der Erwägung, dass es im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte eine Reihe von versuchten und vollzogenen Morden an Gegnern des Regimes und unabhängigen Journalisten innerhalb Russlands oder auf ausländischem Boden gab, darunter die Anschläge auf Anna Politkowskaja, Boris Nemzow, Alexander Litwinenko, Sergei und Julija Skripal, Sergei Protasanow, Pjotr Wersilow, Wladimir Kara-Mursa, Alexei Nawalny, Selimchan Changoschwili usw.; in der Erwägung, dass die Verantwortlichen für diese Verbrechen immer noch nicht identifiziert sind und infolge anhaltender Unterdrückung abweichender Meinungen in der Gesellschaft durch die Straflosigkeit der Polizei- und Sicherheitskräfte sowie durch die mangelnde Bereitschaft der Justiz, die wirklichen Täter dieser Verbrechen zu verfolgen, Vorschub geleistet wird; in der Erwägung, dass Vertreter der Opposition systematisch verbalen Angriffen, der Ablenkung dienenden persönlichen Verleumdungskampagnen und der Herabsetzung ihrer Menschenwürde vonseiten der Regierung oder regierungsnaher Medien ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass im Bericht der Parlamentarischen Versammlung der OSZE zur Ermordung von Boris Nemzow die Schlussfolgerung gezogen wurde, dass die Bekämpfung der Straffreiheit im Kern nicht an den Fähigkeiten der russischen Strafverfolgungsbehörden, sondern am fehlenden politischen Willen scheitert; in der Erwägung, dass im Bericht der Parlamentarischen Versammlung der OSZE darauf hingewiesen wird, dass eine vollständige Untersuchung des Mordes ein erster Schritt zur Bekämpfung des Klimas der Straflosigkeit in Russland wäre;
AH. in der Erwägung, dass durch die unrechtmäßigen Verfassungsänderungen nicht nur die Beschränkung der Amtszeit von Präsident Putin bis 2024 aufgehoben, sondern auch das Recht auf ein faires Verfahren in Russland weiter abgebaut wurden, unter anderem dadurch, dass dem Präsidenten die Befugnis erteilt wurde, die Richter des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichts zu nominieren sowie die Ernennung aller auf Föderationsebene tätigen Richter und die Entlassung hochrangiger, auf Föderationsebene tätiger Richter einzuleiten;
AI. in der Erwägung, dass die Medienfreiheit in Russland rasch abnimmt, da die russische Regierung ihre jahrelange Kampagne zur Ausmerzung der Zivilgesellschaft und einer unabhängigen Presse beschleunigt hat, indem sie Organisationen wie Meduza, Radio Free Europe/Radio Liberty, VTimes, For Human Rights, dem Europäischen Demokratiefonds und Open Russia mit schwerwiegenden legislativen, regulatorischen und bürokratischen Belastungen droht, den Zugang zu allen Finanzierungsquellen, die nicht unter der Kontrolle der Regierung und ihrer Verbündeten stehen, konsequent verhindert und ihre Gegner als „ausländische Agenten“ oder „unerwünscht“ bezeichnet, um diese Gruppen und die hohen journalistischen und menschenrechtsbezogenen Prinzipien, für die sie stehen und ohne die Russland nicht demokratisch, wohlhabend und frei sein kann, zu diskreditieren; in der Erwägung, dass sich der Medienraum in Russland in Staatseigentum befindet und vom Staat kontrolliert wird, es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, die wenigen verbliebenen unabhängigen Medien finanziell zu kämpfen haben und verfolgt werden, einschließlich körperlicher Angriffe und der Inhaftierung ihrer Mitarbeiter; in der Erwägung, dass in Russland seit 1992 58 Journalisten ermordet wurden; in der Erwägung, dass das Gesetz für das „souveräne Internet“ der Regierung die Möglichkeit gibt, unerwünschte Inhalte im Internet zu sperren; in der Erwägung, dass die freie und unabhängige Arbeit der Organisationen der Zivilgesellschaft und der Medien ein Eckpfeiler einer demokratischen und auf Rechtsstaatlichkeit beruhenden Gesellschaft ist;
AJ. in der Erwägung, dass die Möglichkeiten einer unparteiischen Wahlbeobachtung in Russland im vergangenen Jahrzehnt immer geringer geworden sind, da fehlende Bestimmungen über eine direkte Akkreditierung von als Wahlbeobachter fungierenden Bürgerinnen und Bürgern diese dazu zwingen, im Namen von Kandidaten oder der Medien zu handeln, und daher im Widerspruch zum Konzept der unabhängigen Wahlüberprüfung durch die Zivilgesellschaft als solches stehen und auch nicht den internationalen Normen entsprechen; in der Erwägung, dass Russland in dem Bericht „Freedom in the World 2021“ in die Kategorie „nicht freier“ Staaten eingestuft wurde; in der Erwägung, dass die Grundfreiheiten der Bürgerinnen und Bürger in Russland beschränkt werden und das Wahlumfeld kontrolliert wird und das russische Volk durch umständliche bürokratische Verfahren, die Bürgerinnen und Bürger zwecks Erhalt einer Genehmigung durchlaufen müssen, und durch Polizeigewalt während friedlicher Proteste von der Teilnahme an öffentlichen Protesten abgehalten wird;
AK. in der Erwägung, dass diese innenpolitischen Entwicklungen mögliche weitere Verschlechterungen um die Parlamentswahl in Russland im September 2021 herum vorausahnen lassen und zu weiterer Unterdrückung der politischen Opposition in Russland führen können, einschließlich Verletzungen der Menschenrechte; in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane die wichtigsten Akteure der Opposition für den Wahlkampf zur Parlamentswahl inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt haben; in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane Oppositionskandidaten anhaltend unterdrücken, indem sie die Registrierungsverfahren missbrauchen und politische Gegner und Organisationen der Zivilgesellschaft gezielt auf den Straßen und vor Gericht mit fingierten Vorwürfen konfrontieren, wodurch es schlicht unmöglich ist, die Parlamentswahl im September 2021 als fair zu bezeichnen, da das Regime in Russland durch dieses Vorgehen den politischen Wettbewerb und die pluralistische Demokratie zerstört;
AL. in der Erwägung, dass deshalb berechtigte Zweifel bestehen, dass die kommende Parlamentswahl frei und fair sein wird;
AM. in der Erwägung, dass das Parlament bei zahlreichen Gelegenheiten seine Besorgnis über den Zustand der Demokratie, das systematische Versagen bei der Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Grundrechte und -prinzipien, den schrumpfenden Raum für unabhängige und kritische Akteure und die Angriffe auf die Freiheit der Medien in Russland zum Ausdruck gebracht hat; in der Erwägung, dass die unaufhörlich zunehmende systemische Unterdrückung der Opposition in Russland durch den Kreml der gesamten internationalen Gemeinschaft die Augen geöffnet hat, und in der Erwägung, dass die EU gegen die Unterdrückung vorgehen und eine einheitliche Antwortstrategie entwickeln muss, wenn sie ihr Ansehen wahren will; in der Erwägung, dass die EU insbesondere im Vorfeld und nach der Parlamentswahl 2021 stärkeren Druck auf das Kreml-Regime ausüben muss, um das Recht der russischen Bevölkerung auf freie Wahlen zu verteidigen, bei denen alle politischen Parteien gleichen Zugang und gleiche Chancen erhalten sollten;
AN. in der Erwägung, dass die LGBTI+-Gemeinschaft in verschiedenen Teilen der Russischen Föderation weitreichender Diskriminierung einschließlich Belästigung, Folter, Freiheitsentzug und Ermordung ausgesetzt ist, und in der Erwägung, dass die Lage in Tschetschenien besonders gefährlich ist, das 2017 seine gegen LGBTI+-Personen gerichtete Säuberungsaktion begonnen und Dutzende Menschen inhaftiert und gefoltert hat, wobei mindestens zwei Personen getötet wurden, während viele andere Zuflucht im sicheren Ausland suchten; in der Erwägung, dass die bestehenden Rechtsvorschriften eine öffentliche Diskussion über „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ verbieten; in der Erwägung, dass nach unrechtmäßigen Verfassungsänderungen Gesetze verabschiedet wurden, mit denen die Rechte von LGBTI+-Menschen beeinträchtigt werden, wie das Recht zu heiraten und Kinder zu haben;
AO. in der Erwägung, dass die offizielle Reaktion auf weitverbreitete geschlechtsbezogene und häusliche Gewalt in Russland weiterhin bedenkliche Lücken aufweist, wozu auch ausreichender Schutz und Rechtsbehelfe für die Opfer zählen; in der Erwägung, dass der Gesetzentwurf zu häuslicher Gewalt, der im November 2019 vorgelegt wurde, keine umfassende Definition von häuslicher Gewalt enthält; in der Erwägung, dass Anfang 2020 das Parlament der Überarbeitung des Gesetzentwurfs eine niedrigere Priorität zugewiesen hat und die Überarbeitung weiterhin aussteht; in der Erwägung, dass der russische Bürgerbeauftragte auf einen sprunghaften Anstieg häuslicher Gewalt während der COVID-19-Pandemie hinwies und bei den gemeldeten Fällen während der Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr eine Verdoppelung zu verzeichnen war; in der Erwägung, dass mit der Strategie der EU in Bezug auf Russland konsequent zunehmende Diskriminierung und Ungleichheit der Geschlechter sowie die Rechte von Frauen, der LGBTI+-Gemeinschaft und anderer Minderheiten in Russland in Angriff genommen sollte;
AP. in der Erwägung, dass Russlands Umwandlung in eine Demokratie von herausragendem Interesse für die EU ist, was die geopolitische Sicherheit anbelangt, und in der Erwägung, dass das Russland von Präsident Putin nach wie vor die größte Herausforderung für die europäische Sicherheit darstellt;
AQ. in der Erwägung, dass das Parlament in seinen Entschließungen vom 17. September 2020, 21. Januar 2021 und 29. April 2021 von Josep Borrell, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, eine Überprüfung der Politik der EU gegenüber Russland gefordert hat, einschließlich der fünf 2016 vereinbarten Leitprinzipien, und betont hat, dass die künftigen Beziehungen der EU zu Russland vom Tempo des demokratischen Wandels Russlands (bzw. dessen Ausbleiben) abhängen würden; in der Erwägung, dass es die Organe der EU auch aufgefordert hat, einen neuen umfassenden strategischen Ansatz auszuarbeiten, bei dem davon ausgegangen wird, dass jeder Dialog mit Russland auf der Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte beruhen muss;
AR. in der Erwägung, dass mit der aktualisierten EU-Strategie verschiedenen Szenarien, möglichen Entwicklungen und klaren Antworten auf Russlands Verstöße gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte Rechnung getragen werden sollte, einschließlich wirksamen Instrumenten gegen Russlands Einmischung und Desinformation sowie, soweit möglich, einem selektiven Engagement. in der Erwägung, dass das Parlament den Rat ebenfalls aufgefordert hat, sofort mit den Vorbereitungen zu beginnen und eine EU-Strategie für künftige Beziehungen zu einem demokratischen Russland anzunehmen, die auch ein breites Angebot an Anreizen und Bedingungen für die Stärkung von Tendenzen hin zu Freiheit und Demokratie im Inland enthält;
AS. in der Erwägung, dass durch die fünf Leitprinzipien der EU für die Beziehungen zu Russland weitere Aggressionen des Kremls gegen die Ukraine verhindert wurden, dass sie jedoch keine Aussage im Hinblick auf die Unterdrückung des russischen Volks durch Präsident Putin enthalten; in der Erwägung, dass die fünf Leitprinzipien der EU für die Beziehungen zu Russland weiterhin als funktioneller Rahmen gelten, dass aber zusätzlich eine wirkliche Strategie darüber erforderlich ist, wie die Ziele der EU in Bezug auf Russland erreicht werden können, unter anderem auch, wie dafür gesorgt werden kann, dass der feindseligen Politik des Kreml entgegengewirkt und der Kreml von einer weiteren Aggression gegen die Nachbarstaaten Russlands abgehalten wird und dass im Ausland – auch durch Stellvertreter und Söldner – durchgeführte Maßnahmen Russlands mit spürbareren Konsequenzen für Russland einhergehen; in der Erwägung, dass es bekanntlich keine Aussicht auf wesentliche positive Entwicklungen in Bezug auf die aktuelle russische Führung gibt und daher die fünf Leitprinzipien ergänzt werden sollten, um die Unterdrückung des russischen Volks durch Präsident Putin und die umfassenderen destabilisierenden Aktivitäten des Kremls einzudämmen;
AT. in der Erwägung, dass die neue EU-Strategie auf den Grundsätzen „zurückdrängen, eindämmen und sich engagieren“ beruhen sollte, die darauf abzielen, die Fähigkeit der EU zu stärken, die Bedrohungen durch den Kreml zu bekämpfen, insbesondere in der Region der Östlichen Partnerschaft, einschließlich Belarus, sowie in Russland selbst, indem die Menschenrechte verteidigt werden und Russlands Umwandlung in eine Demokratie gemäß dem Grundsatz „Demokratie an erster Stelle“ unterstützt wird; in der Erwägung, dass das übergeordnete Hauptziel der EU darin bestehen sollte, die Beziehungen zur Russischen Föderation so zu gestalten, dass der Frieden, die Stabilität, die Sicherheit, der Wohlstand, die Souveränität und die territoriale Integrität aller Länder in der EU und in ihrer Nachbarschaft gewahrt werden, das Völkerrecht geachtet wird, und die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit als Leitprinzipien bestehen bleiben; in der Erwägung, dass die jüngsten Entwicklungen in Russland gezeigt haben, dass die Strategie der EU für Russland deutlich vorausschauender gestaltet sein und ein klar definiertes Ziel mit Hinblick auf das „Engagement“ haben sollte, das nicht nur auf das klassische „selektive Engagement“ mit dem Kreml ausgelegt sein sollte, sondern vielmehr auf ein „strategisches Engagement“ mit der russischen Zivilgesellschaft, um Russlands Umwandlung in eine Demokratie zu unterstützen;
AU. in der Erwägung, dass in der Strategie der EU für Russland das Eintreten für Freiheit und Demokratie im Mittelpunkt stehen sollte; in der Erwägung, dass eine solche Strategie den Sicherheitsinteressen der EU entsprechen und durch sie Russland ein konstruktiver Dialog angeboten werden sollte; in der Erwägung, dass eine konstruktive Beziehung nach wie vor im Interesse sowohl der EU als auch Russlands und ihrer Bevölkerung wäre; in der Erwägung, dass immer noch die Möglichkeit der Zusammenarbeit besteht, um gemeinsame Interessen zu pflegen, Probleme zu lösen und strategische Herausforderungen anzugehen, wie Klimapolitik oder Bekämpfung von Terrorismus, während die Werte der Menschenrechte, der Rechtstaatlichkeit und Demokratie gefördert werden und sichergestellt wird, dass jede künftige Stärkung der bilateralen Beziehungen von der Bedingung abhängig ist, dass die Russische Föderation ihre eigenen Verpflichtungen in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie im Einklang mit ihrer Verfassung und ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt;
AV. in der Erwägung, dass die EU sich gleichzeitig darauf konzentrieren muss, ihre Glaubwürdigkeit in Bezug auf ihr werteorientiertes Verhalten bei internen Angelegenheiten zu bewahren, indem sie deutlich direkter und ehrlicher für Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte eintritt, denn Polizeigewalt, veraltete Strafgesetze und die Ablehnung von Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in einigen Mitgliedstaaten schaden ihrem Ruf und ihrer Glaubwürdigkeit im Ausland; in der Erwägung, dass die EU außerdem gegenüber allen Partnern vergleichbare Erwartungen zum Ausdruck bringen muss, indem sie Verstöße gegen das Völkerrecht anprangert, konsequent harte Konsequenzen zieht und bei der Beurteilung solcher Verstöße nicht mit zweierlei Maß misst;
AW. in der Erwägung, dass die Geschlossenheit der Mitgliedstaaten der EU die beste Strategie ist, um Russland davon abzuhalten, destabilisierende und subversive Maßnahmen in Europa durchzuführen; in der Erwägung, dass die EU, wenn es darum geht, festzulegen, wie ihre aktualisierte Strategie koordiniert werden sollte – insbesondere in strategischen Bereichen wie der Europäischen Verteidigungsunion, der Europäischen Energieunion, der Cyberabwehr, dem Cyberterrorismus und den strategischen Kommunikationsmitteln – einheitlicher vorgehen sollte, da die Politik Russlands ihr gegenüber lange Zeit darin bestand, in einem Versuch, eine innere Spaltung der EU hervorzurufen und zu verstärken, die Organe der EU außen vor zu lassen und bilaterale Beziehungen zu Mitgliedstaaten den Vorrang zu geben; in der Erwägung, dass ein konstruktiver Dialog mit den russischen Staatsorganen eine engere Zusammenarbeit und Einigkeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie eine stärkere, entschlossenere Reaktion auf Provokationen und Aggressionen jeglicher Art aus Moskau erfordern wird, um ein Gleichgewicht zwischen Entschlossenheit und Dialogbereitschaft in Bezug auf Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse herzustellen;
AX. in der Erwägung, dass die EU-Strategie für Russland das Land auf seinem Weg zur Demokratie unterstützen sollte, indem erstens gegen diejenigen innerhalb des Kremls und in seinem unmittelbaren Umfeld, die dazu bereit sind, Wahlen durch Betrug oder Bestechung für sich zu entscheiden oder andere schwere Verbrechen gegen die Menschenrechte und die Werte der Demokratie zu begehen, sowohl innerhalb Russlands als auch in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU vorgegangen wird und gezielte Strafsanktionen gegen sie verhängt werden, zweitens den Staaten der Östlichen Partnerschaft durch eine ambitionierte Integrationspolitik der Union und durch die Stärkung der strategischen Verantwortung und der geopolitischen Führungskapazitäten der EU, die für die Umsetzung einer solchen Politik erforderlich sind, zum Erfolg verholfen wird und drittens eine Strategie des Engagements mit der pro-demokratischen Gesellschaft in Russland umgesetzt wird, um einen Weg für zukünftige Beziehungen mit einem demokratischen Russland aufzuzeigen;
AY. in der Erwägung, dass der Kreml erfolgreiche, wohlhabende und demokratische östliche Nachbarländer der EU als Bedrohung für die Stabilität des Regimes von Präsident Putin ansieht, weil dies der russischen Bevölkerung die Vorzüge einer „Soft Power“ vor Augen führen könnte; in der Erwägung, dass die Demokratisierung der östlichen Nachbarländer der EU daher von entscheidender Bedeutung für die Interessen dieser Länder und der EU sowie die künftige Demokratisierung Russlands ist; in der Erwägung, dass das wahre Ziel des Kremls in Bezug auf die Konflikte in dieser Region darin besteht, die Übergabe der Macht durch demokratischen Wandel zu delegitimieren, die erfolgreiche Entwicklung dieser Staaten zu unterbinden, die liberale Demokratie zu diskreditieren und Russlands eigenes Machtsystem zu exportieren;
AZ. in der Erwägung, dass die EU eine langfristige Strategie für Russland verfolgen sollte, die auf der Annahme beruht, dass das russische – wie auch das ukrainische und belarussische – Volk sein Land in eine Demokratie verwandeln kann; in der Erwägung, dass Russlands Umwandlung zurück in eine Demokratie vom Willen des russischen Volkes abhängig sein wird; in der Erwägung, dass die EU bereit sein muss, die Russinnen und Russen in ihrem Verlangen nach dem Leben in einem demokratischen Land zu unterstützen;
BA. in der Erwägung, dass die Funktion der EU als globaler Akteur und die außenpolitischen Befugnisse der EU-Institutionen gestärkt werden sollten;
1. empfiehlt, dass der Rat, die Kommission und der Vizepräsident der Kommission und Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Politik der EU gegenüber Russland, einschließlich der fünf Leitprinzipien, überprüfen und eine umfassende EU-Strategie gegenüber Russland ausarbeiten, die auf folgenden Grundsätzen und Maßnahmen beruht:
Abschreckungsmaßnahmen in Anbetracht der von Russland ausgehenden Bedrohung – Maßnahmen gegen die sicherheitspolitische Bedrohung
a)
die EU muss ihre Außenpolitik grundlegend reformieren, um ihre Ambitionen als einflussreicher globaler Akteur und ihre Fähigkeit, rechtzeitig Entscheidungen zu treffen und entschlossene Maßnahmen im Bereich der Außenpolitik zu ergreifen, glaubwürdig unter Beweis zu stellen, unter anderem durch eine Ausweitung der Zuständigkeiten des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) und des im Namen der EU handelnden VP/HR, indem sie den Grundsatz der Einstimmigkeit in außenpolitischen Angelegenheiten aufhebt und ihre Kapazitäten für die strategische Vorausschau und strategische Maßnahmen ausbaut; die EU sollte außerdem ihre Funktion als globaler Akteur wie auch die Kapazitäten der EU-Organe stärken, damit Russland die sogenannte Bilateralisierung der Beziehungen mit der EU nicht fortsetzen kann, denn Brüssel sollte die einzige Hauptstadt sein, wo Entscheidungen über die Beziehungen zwischen der EU und Russland getroffen werden;
b)
die EU sollte gemeinsam mit der NATO und internationalen Partnern abschreckend auf Russland einwirken, um den Frieden und die Stabilität in Europa und darüber hinaus aufrechtzuerhalten, auch durch die Stärkung der eigenen Verteidigungskapazitäten und indem sie Druck auf die russischen Staatsorgane ausübt, sich nicht in der östlichen und südlichen Nachbarschaft der Union einzumischen; die EU sollte insbesondere – auch vor EU-Organisationen und internationalen Organisationen wie der OSZE oder den Vereinten Nationen – fordern, dass sich Russland zur Beilegung der anhaltenden Konflikte und Verhinderung künftiger Konflikte verpflichtet, beginnend mit der Rückgabe der besetzten und illegal annektierten Gebiete in der Region der Östlichen Partnerschaft in Übereinstimmung mit den international anerkannten Grenzen und der Achtung der demokratischen Entscheidungen von Ländern bezüglich Fragen zur EU, zum euro-atlantischen Raum und zur Demokratie;
c)
die EU und insbesondere die Mitgliedstaaten sollten ihre im Rahmen der EU und der NATO eingegangenen Verpflichtungen zur kollektiven Verteidigung einhalten; weist erneut darauf hin, dass die EU und die NATO sich gemeinsamen Herausforderungen für die Sicherheit, gemeinsamen Interessen der Verteidigung und der gleichen immer anspruchsvolleren Sicherheitsumgebung zu stellen haben und dass eine starke transatlantische Partnerschaft für Sicherheit und Verteidigung durch die NATO somit unabdingbar ist, während die EU gleichzeitig einen Weg hin zu strategischer Autonomie verfolgt; die EU muss ihre Bemühungen um den Aufbau echter europäischer Verteidigungskräfte als Teil einer gestärkten NATO intensivieren, um zu militärischen Fähigkeiten und Kräften beizutragen, die stärker auf Wirksamkeit, Einsatzfähigkeit, Interoperabilität und Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, damit sie als starker und vertrauenswürdiger internationaler Akteur wahrgenommen wird, der in der Lage ist, den Frieden zu erhalten;
d)
die EU sollte sich mit der jüngsten Strategie für die nationale Sicherheit der Russischen Föderation befassen, in der die antiwestliche Stoßrichtung der russischen Außenpolitik formell verankert ist und die grundlegende und systemische Unvereinbarkeit der soziopolitischen Systeme Russlands und des Westens hervorgehoben wird;
e)
die EU muss die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste der Mitgliedstaaten verstärken, um feindselige Handlungen Russlands systematisch offenzulegen, Russland für diese feindseligen Handlungen verantwortlich zu machen und Russland derentwegen in Misskredit zu bringen sowie insbesondere russische Spezialkräfte wirksamer daran zu hindern, Terroranschläge auf dem Gebiet der EU durchzuführen, und sie muss weiterhin zusammen mit ihren strategischen Partnern an neuen Maßnahmen arbeiten, um den vom Kreml finanzierten Terrorismus zu bekämpfen; die EU sollte außerdem in Projekte investieren, mit denen ihre Sicherheit und ihre gemeinsamen militärischen, Cyber- und Energiekapazitäten sowie die Koordinierung der Spionageabwehrbemühungen der Mitgliedstaaten gestärkt werden;
f)
die EU sollte bereit sein, ihren Einfluss geltend zu machen, und fordern, dass Russland vom Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen wird, um die russischen Staatsorgane von weiterem aggressivem Verhalten abzuhalten, und sie sollte darauf vorbereitet sein, die Öl- und Gaseinfuhren aus Russland stufenweise zu beenden, wenn die russischen Staatsorgane weiterhin Mitgliedstaaten bedrohen bzw. militärische Maßnahmen gegen Länder der Östlichen Partnerschaft in der Nachbarschaft durchführen;
g)
die EU muss auch die vollständige Synchronisierung der Stromnetze der Mitgliedstaaten mit dem europäischen Verbundsystem als beste langfristige Antwort auf das Problem der Energieabhängigkeit der EU von Russland verfolgen und sollte ferner der Ausweitung der Tätigkeit der Kernenergieunternehmen Russlands in der EU entgegentreten und Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass Strom aus dem von Rosatom erbauten Kernkraftwerk Astrawez und weiteren zukünftigen Projekten wie dem Kernkraftwerk Kaliningrad (Baltijskaja AES; KKW Neman, Nemanskaja AES) auf dem Binnenmarkt verkauft wird;
h)
im Einklang mit der Energiepolitik und ihren Interessen muss die EU eine klare Strategie ausarbeiten und umsetzen, wie ihre Abhängigkeit von russischem Gas und Erdöl und anderen Rohstoffen (insbesondere Eisen/Stahl, Aluminium und Nickel) beendet werden kann, und sie muss, zumindest während der Amtszeit von Präsident Putin, ihre Energieunabhängigkeit steigern; in diesem Sinne sollte die EU eine ambitionierte und entschiedene Ökologisierungsagenda aufrechterhalten und als vorrangiges geopolitisches Ziel die schnelle Umsetzung des europäischen Grünen Deals verfolgen, der Maßnahmen wie die CO2-Abgabe der EU zur Verhinderung der Verlagerung von CO2-Emissionen und Initiativen zur Dekarbonisierung sowie zur Entwicklung einer umweltfreundlichen Wasserstoffindustrie umfasst; die EU muss ferner sofort neue Baumaßnahmen durchführen, z. B. Kapazitäten für den Umkehrfluss schaffen und zusätzliche länderübergreifende Infrastruktur zwischen den Mitgliedstaaten errichten; die EU muss daneben die Diversifizierung der Energieversorgung vorantreiben, unter anderem durch die Entwicklung neuer Kapazitäten für Flüssiggaseinfuhren und Initiativen zur Förderung der Energiewende und zur Dekarbonisierung, die schnell an Zugkraft gewinnen und mit denen die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen verringert werden könnten, wodurch der Dominanz Russlands in der Energieversorgung auf dem europäischen Kontinent ein Ende gesetzt werden könnte; vor diesem Hintergrund sollte der Bau der Erdgasfernleitung Nord Stream 2, der der europäischen Solidarität entgegensteht und die Gefahr birgt, die Vorherrschaft Russlands sowie die Abhängigkeit der EU von russischem Gas zu erhöhen und Ukraine der Böswilligkeit Russlands auszusetzen, sofort eingestellt werden und sollte die Erdgasfernleitung unter den gegenwärtigen Umständen auch nach der Fertigstellung nicht in Betrieb genommen werden;
i)
in Anbetracht der jüngsten russischen Energiestrategie für das Jahr 2035, in der eine Steigerung der Gasausfuhrkapazitäten durch Fernleitungen in Richtung Westen vorgesehen ist, müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten die Umsetzung des europäischen Grünen Deals beschleunigen;
Maßnahmen gegen die derzeitige von Russland ausgehende Bedrohung und gegen die Einmischung Russlands in der EU und den Ländern der östlichen Nachbarschaft
j)
die EU muss weiterhin die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Länder der Östlichen Partnerschaft innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen unterstützen und die direkte und indirekte Beteiligung Russlands an bewaffneten Konflikten und Truppenmassierungen innerhalb oder an den Grenzen zur Region der Östlichen Partnerschaft, seine rechtswidrige Besetzung und Annexion der Krim und die faktische Besetzung bestimmter Teile der Gebiete Donezk und Luhansk sowie die Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts – offensichtlich erkennbar an den jüngsten Inhaftierungen des ersten stellvertretenden Vorsitzenden des Meclis des krimtatarischen Volkes, Nariman Celâl, und vier weiterer Wortführer der Krimtataren, nämlich Aziz Ahtemov, Asan Ahtemov, Şevket Üseinov und Eldar Odamanov – in den besetzten oder annektierten Territorien verurteilen; die EU sollte deutlich machen, dass erst dann eine Rückkehr zu „business as usual“ in Betracht gezogen werden kann, wenn Russland seine aggressive Politik und die hybride Kriegführung gegen die EU-Mitgliedstaaten und die Länder der Östlichen Partnerschaft der EU anhält und die territoriale Integrität Georgiens, Moldaus und der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen wiederhergestellt ist; die EU sollte daher dafür sorgen, dass die Sanktionen in Kraft bleiben, bis Russland die jeweiligen Bedingungen für ihre Aufhebung erfüllt, und sie sollte auch in Erwägung ziehen, sie um einen Zeitraum von einem Jahr statt sechs Monaten – wie es derzeit der Fall ist – zu verlängern;
k)
die EU sollte auch künftig daran mitwirken, das Konsultations- und Koordinierungsformat der internationalen Krim-Plattform weiterzuentwickeln, um die vorübergehende Besetzung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch die Russische Föderation friedlich zu beenden und die Kontrolle der Ukraine über das Gebiet unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts wiederherzustellen;
l)
die EU muss die europäischen Bestrebungen der Nachbarländer würdigen und Russlands Politik der Einflusssphären ablehnen; die EU sollte ferner anerkennen, dass ihr eine strategische Verantwortung für die Stabilität und Entwicklung in der Region der Östlichen Partnerschaft zukommt, und sollte weiterhin fordern, dass sich Russland konstruktiv am Normandie-Prozess beteiligt und seine internationalen Verpflichtungen, insbesondere im Rahmen der Minsker Vereinbarungen und des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, umsetzt; die EU sollte ihre Beteiligung, auch durch die an dem Normandie-Format beteiligten EU-Mitgliedstaaten, für die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen fortsetzen und in dieser Frage die Möglichkeiten einer transatlantischen Zusammenarbeit sondieren; die EU sollte den Umfang ihrer Sanktionen ausweiten, dass auch die Ausgabe russischer Reisepässe und die Organisation rechtswidriger Wahlen auf der Krim erfasst werden und dass Russland für die Verhinderung der Umsetzung der Minsker Abkommen und die Blockierung der Gespräche im Normandie-Format einen höheren Preis zahlen muss; die EU sollte diese Maßnahmen mit den USA, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Japan und weiteren Partnern abstimmen, um ihren Umfang auszuweiten und ihre Wirksamkeit zu erhöhen;
m)
die EU sollte außerdem entschlossene Maßnahmen ergreifen, um Russland davon abzuhalten, die bestehenden EU-Sanktionen zu umgehen; zu diesem Zweck sollte die EU ihre geltenden Vorschriften überprüfen und überarbeiten, um verschiedene Schlupflöcher zu schließen, damit die Sanktionen wirksamer werden und dazu führen, dass Russland einen erheblich höheren Preis für sein hybrides aggressives Vorgehen zahlen muss;
n)
die EU muss Druck auf die Russische Föderation ausüben, damit sie alle Bestimmungen des von der EU vermittelten Waffenstillstandsabkommens vom 12. August 2008 vorbehaltlos erfüllt, insbesondere die Verpflichtung, ihre Streitkräfte vollständig aus den besetzten Gebieten Georgiens abzuziehen;
o)
die EU sollte, um das revisionistische Verhalten von Präsident Putin gegenüber seinen Nachbarn abzuwehren, mit dem Ziel, die Widerstandsfähigkeit der Institutionen, Volkswirtschaften und Gesellschaften der Länder der Östlichen Partnerschaft zu stärken und ihre politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zu vertiefen, und um ihre Arbeit für die Annäherung dieser Länder an die EU zu intensivieren, eine neue, klare Strategie für ein langfristiges Engagement für die Länder der Östlichen Partnerschaft vorschlagen;
p)
mit der Solidarität der EU mit den Ländern der Östlichen Partnerschaft sollte darauf abgezielt werden, das Vertrauen in die EU als verlässlicher Partner in Sicherheitsangelegenheiten zu stärken, beispielsweise durch eine stärkere Mitwirkung an der friedlichen Beilegung von Konflikten; die EU sollte dafür sorgen, dass die Sicherheitsdimension der Länder der Östlichen Partnerschaft auch im Strategischen Kompass angemessen berücksichtigt wird und sollte ferner in Erwägung ziehen, eine Reihe von Sicherheitspaketen – Rahmen für eine verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Militär, Nachrichtendienste und Cyberraum – mit ausgewählten Staaten in der Nachbarschaft der EU wie mit der Ukraine, Moldau und Georgien auf den Weg zu bringen, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken; die EU sollte die Koordination in Sicherheitsfragen mit diesen Ländern nicht nur im Lichte einer möglichen Erweiterung der NATO betrachten, sondern bei ihrer Einschätzung der sicherheitspolitischen Herausforderungen vor Ort ambitioniert sein und, in Abstimmung mit internationalen Partnern, in Erwägung ziehen, befreundeten Ländern der Östlichen Partnerschaft im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen Verteidigungswaffen zur Verfügung zu stellen; die EU sollte ferner die Zusammenarbeit mit befreundeten Ländern der Östlichen Partnerschaft durch die Europäische Verteidigungsagentur und in Bereichen wie der Informations- und Cyberabwehrfähigkeit, dem Austausch von Erkenntnissen und der Intensivierung gemeinsamer Militärmanöver stärken;
q)
die EU sollte mit der NATO zusammenarbeiten und ihr derzeitiges Engagement im Schwarzmeerraum zu nutzen und ausweiten sowie insbesondere – durch einen die gesamte Gesellschaft umfassenden Ansatz – eine engere Verzahnung mit diesen Partnern herbeiführen, um für einen sicheren und stabilen Schwarzmeerraum zu sorgen;
r)
die EU sollte ferner angesichts des Auftretens Russlands im Westbalkanraum besorgt sein, wozu staatlich unterstützte Desinformation und die Schaffung von politischen und militärischen Verbindungen zu regionalen politischen Eliten gehören; die EU sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass die Einmischung des Kreml in Wahlen und die Unterstützung demokratiefeindlicher Kräfte im Westbalkanraum nach wie vor besonders in denjenigen Ländern ein Problem sind, die auch NATO-Mitglieder sind;
s)
die EU muss ferner darauf reagieren, dass Präsident Putin das Regime von Aljaksandr Lukaschenka und seine brutale Unterdrückung der Menschen in Belarus offen unterstützt und bei den hybriden Angriffen gegen die demokratischen Kräfte in Belarus mit ihm zusammenarbeitet; die EU muss deshalb feststellen, dass der Kreml auf diese Weise die Souveränität und Demokratiebemühungen von Belarus direkt bedroht, und muss klarstellen, dass sie, wenn Russland seine gegenwärtige Politik in Belarus fortsetzt, weitere harte Maßnahmen einführen muss, um Russland in Schach zu halten und von weiteren Maßnahmen abzuschrecken, denn mit der Verteidigung der Demokratie in Belarus unterstützt sie auch die Demokratie in Russland; die EU sollte Russlands Verstrickung in die hybriden Maßnahmen des Lukaschenka-Regimes gegen die EU offenlegen, zu denen auch der Einsatz von Migranten als Instrument zur Destabilisierung des Westens zählt, und den Kreml für diese feindlichen und barbarischen Handlungen zur Rechenschaft ziehen;
t)
die EU muss ihre Hausaufgaben machen und verhindern, dass mit den hybriden Eingriffen und Geldwäschepraktiken des Kreml Einfluss auf die Elite in Politik und Wirtschaft in der EU genommen wird, wenn sie das russische Volk auf seinem Weg zur Demokratie wirksam unterstützen will;
u)
die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten klarstellen, dass sie unter keinen Umständen Versuche Russlands akzeptieren werden, sich Belarus einzuverleiben, da diese Eingliederung dem Willen des belarussischen Volkes nicht entspräche und von einem dazu nicht legitimierten Machthaber ausgehandelt würde;
v)
stellt fest, dass immer mehr internationale Akteure, darunter Russland, Strategien für hybride Kriegführung umsetzen, auch gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten; betont, dass diese Handlungen besonders destabilisierend und gefährlich sind, da so die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischt werden, Demokratien destabilisiert werden und in den Köpfen derjenigen, auf die diese Handlungen abzielen, Zweifel gesät wird; deshalb müssen die EU und die Mitgliedstaaten in Abstimmung mit der NATO und deren Partnern – auch den Ländern der Östlichen Partnerschaft, die über einmalige Erfahrung und Kenntnisse in diesem Zusammenhang verfügen – die Beobachtung und Analyse der russischen hybriden Kriegführung verstärken (einschließlich manipulativen Desinformationskampagnen, Cyberangriffen, Spionage und Einmischung in Wahlen); sie sollten insbesondere dringend dafür sorgen, dass ausreichende Ressourcen, Mitarbeiter und Instrumente eingesetzt werden, die in der Lage sind, russische hybride Bedrohungen und Einflussnahme zu erkennen, zu analysieren, zu verhindern, zu bekämpfen und zu unterbinden; das oben Gesagte ist von besonderer Bedeutung in Bezug auf Versuche, das europäische Aufbauwerk durch Polarisierung und Spaltung demokratischer Gesellschaften über Desinformation zu untergraben und demokratiefeindliche, populistische, extremistische, meist rechtsgerichtete oder linksradikale Parteien, Bewegungen und nichtstaatliche Organisationen oder politische separatistische Kräfte in ganz Europa zu unterstützen und zu finanzieren, auch im Cyberraum und über soziale Medien und Medien wie Russia Today und Sputnik; dabei kommt politischen Parteien in der EU, die bereitwillig von den Finanzmitteln profitieren, die die Russische Föderation im Gegenzug dafür bereitstellt, dass diese Parteien die Politik Russlands im Europäischen Parlament und in anderen Einrichtungen politisch und in anderer Form unterstützen, und mit denen die Russische Föderation darauf abzielt, den Interessen und Werten der EU zu schaden, eine moralische und politische Verantwortung zu;
w)
in diesem Sinne muss die EU eine koordinierte und allumfassende Abwehrstrategie ausarbeiten, zu der auch Maßnahmen zum Schutz der eigenen Medienlandschaft und die systematische Beobachtung der Inhalte zählen, die von russischen und mit Russland verbundenen Medien und Internetprovidern stammen (sei es in russischer oder einer anderen Sprache), ohne dabei die Pressefreiheit einzuschränken; als Teil dieser Strategie sollte die EU Russland jedes Mal, wenn es hybride Angriffe gegen die EU und die Mitgliedstaaten ausführt, zur Rechenschaft ziehen, die Widerstandsfähigkeit gegen Cyberangriffe erhöhen und die Kapazitäten der East StratCom Task Force aufstocken, da Desinformationen auch im EU-Raum abgedeckt werden müssen; die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten mutiger und besser koordiniert verhältnismäßig reagieren, um solchen Angriffen zu begegnen, etwa durch die Ausweisung russischer Diplomaten auf EU-Ebene als Antwort auf die Ausweisung von Diplomaten einzelner Mitgliedstaaten durch die russischen Staatsorgane;
x)
zudem sollte die EU für eine rasche Umsetzung der eingehenden Vorschläge des Sonderausschusses des Europäischen Parlaments zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich der Desinformation, sorgen;
Engagement in Russland und selektiver Dialog mit dem Kreml zur Vorbereitung des Wandels in Russland, auch durch bereichsspezifische Zusammenarbeit
y)
im Rahmen des Engagements in Russland sollte sich die EU in zwei Richtungen bewegen: auf der einen Seite bedingter selektiver Dialog mit den Staatsorganen des Kreml und den Regierungen der Föderationssubjekte und auf der anderen Seite strategische Zusammenarbeit mit der russischen Zivilgesellschaft, die nach Demokratie in Russland strebt, aber auch unabhängige Zusammenarbeit mit regionalen und lokalen Akteuren; in der EU-Strategie gegenüber Russland dürfen Kontakte zu den Staatsorganen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der EU liegt und dadurch das Bekenntnis der EU zu Menschenrechten und demokratischen Zielen nicht unterlaufen wird, da es nach wie vor wichtig für die EU ist, Wege zu finden, um die gegenwärtigen Spannungen zu deeskalieren, indem Maßnahmen ermittelt werden, mit denen die Transparenz erhöht und die Gefahr von Missverständnissen und Fehleinschätzungen verringert wird;
z)
die EU sollte insbesondere ihre institutionelle Zusammenarbeit mit Russland in internationalen Organisationen und bei multilateralen Verträgen wie den Vereinten Nationen, der OSZE, dem Arktischen Rat oder dem Europarat fortsetzen, um dringliche regionale und globale Angelegenheiten anzugehen, sich der Prävention und Beilegung von Konflikten zu widmen und ergänzende oder gemeinsame Interessen zu fördern, etwa bei Umweltthemen und dem ökologischen Wandel in Russland und in der EU, dem Vertrag über den Offenen Himmel, bei nuklearer Abrüstung, Rüstungsabbau und Rüstungskontrolle, Fragen zur Arktis und der Umsetzung des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans (Atomvereinbarung mit dem Iran) und mit Blick auf die Lage im Nahen Osten, in Libyen und in Afghanistan; die EU sollte ihre selektive Zusammenarbeit mit Russland in regionalen und globalen Angelegenheiten nutzen, um Russland fest in der multilateralen Zusammenarbeit und der auf Regeln beruhenden internationalen Ordnung zu verankern und es so davon abzuhalten, die Sicherheit und den Wohlstand, auch in der EU und in der europäischen Nachbarschaft, zu bedrohen; die EU sollte bei der Zusammenarbeit mit Russland bei seinem ökologischen Wandel speziell den europäischen Grünen Deal und ihre Klimaziele heranziehen, insbesondere um die Dekarbonisierung zu beschleunigen, die trotz der Ratifizierung des Übereinkommens von Paris immer noch zunehmenden CO2-Emissionen in Russland zu verringern, die Energieeffizienz zu erhöhen und die Nutzung erneuerbarer Energieträger zu erweitern, wofür es in Russland ein riesiges Potenzial gibt; die EU kann auch mit einer Stärkung des Bewusstseins für den Klimawandel helfen, das sich in Russland erst langsam verbreitet;
aa)
die EU, ihre Mitgliedstaaten und Russland sollten eine gute Zusammenarbeit in der Arktis im Rahmen der Politik der Nördlichen Dimension aufrechterhalten, da dies von größter Bedeutung für die konstruktive Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel in der Arktis ist und so verhindert werden kann, dass auch in dieser Region militärische Spannungen entstehen;
ab)
die Zusammenarbeit sollte jedoch in bestimmten konkreten Bereichen keine Zugeständnisse in Bezug auf Werte zur Folge haben, und die EU sollte nie die geostrategischen Folgen und Interessen ihrer Partner außer Acht lassen; so muss die EU dafür sorgen, dass das weitere Engagement in Russland an die Zusage des Kreml geknüpft sein wird, seine interne Aggression gegen das eigene Volk zu beenden, die systematische Unterdrückung der Opposition und die Einschüchterung und die Folter politischer Gefangener zu beenden, Rechtsvorschriften, die nicht mit den internationalen Normen vereinbar sind, aufzuheben oder zu ändern, wie die gegen ausländische Agenten oder sogenannte extremistische oder unerwünschte Organisationen, die Unterdrückung von Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere der Organisationen, die gegen die Korruption kämpfen und die Menschenrechte in Russland verteidigen, zu beenden und seine externe Aggression gegen die Nachbarländer einzustellen; als Bestandteil davon muss die EU Russland auch gemahnen, dass die Festnahme von politischen Gegnern gegen seine internationalen Verpflichtungen verstößt, und darauf bestehen, dass die Justiz entpolitisiert und das Recht auf ein faires Verfahren und Zugang zu Rechtsbeistand sichergestellt werden muss; anders gesagt, wenn die EU versucht, Gespräche mit dem Kreml aufzunehmen, muss sie klar definierte rote Linien vorgeben, zu denen auch die umfassende Achtung der Souveränität und territorialen Integrität von Partnerländern zählt, und sie darf nicht nur zu dem Zweck mit Russland zusammenarbeiten, die Gesprächskanäle offen zu halten; die EU sollte sich nicht um ein große Geschäfte mit dem Kreml zum beiderseitigen Nutzen bemühen, wenn der Kreml dabei freie Hand im Inland und in seiner Zone privilegierter Interessen (Ukraine, Belarus usw.) anstrebt; die EU muss unmissverständlich klarmachen, dass sie keine Interessen anderer Länder für bessere Beziehungen mit Moskau opfern wird;
ac)
die EU sollte ferner die Russische Föderation nachdrücklich auffordern, die von der internationalen Gemeinschaft aufgeworfenen dringenden Fragen umgehend anzugehen und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen ihr Nowitschok-Programm umgehend, uneingeschränkt und vollständig offenzulegen; die EU sollte insbesondere die Rolle Russlands in Zusammenhang mit dem Abschuss des Flugs MH17 im Jahr 2014 verurteilen und die Russische Föderation auffordern, uneingeschränkt bei der Untersuchung von schweren internationalen Straftaten, Zwischenfällen und Tragödien zu kooperieren, beispielsweise dem Abschuss des Flugs MH17 der Malaysia Airlines und anderen neueren Zwischenfällen, bei denen russische Nachrichtendienste auf dem Gebiet von EU-Mitgliedstaaten und von Ländern der Östlichen Partnerschaft, auch Belarus, beteiligt waren;
ad)
die EU sollte ihre mehrmals gegenüber den russischen Staatsorganen geäußerte Forderung bekräftigen, das Wrack und die Flugschreiber der polnischen Regierungsmaschine Tu-154, die im April 2010 bei Smolensk abstürzte, an Polen zu übergeben;
Engagement zur Unterstützung der Demokratie – Gegenmaßnahmen in Form von Sanktionen, Finanzkontrollen und internationalen Ermittlungen
ae)
die EU muss in Zusammenarbeit mit den USA und anderen gleichgesinnten Partnern ein Bündnis zur weltweiten Verteidigung der Demokratie aufbauen und stärken und ein Instrumentarium zur Verteidigung der Demokratie vorschlagen, das gemeinsame Maßnahmen in Bezug auf Sanktionen, Maßnahmen gegen illegale Finanzströme, Vorschriften über die Konditionalität der wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützung, internationale Ermittlungen und eine ambitionierte Agenda zur Unterstützung von Freiheit und Demokratie, Menschenrechtsverteidigern und Verfechtern der Demokratie umfassen sollte; mit der Agenda der EU sollte ferner für ein Gegengewicht zu den Anstrengungen Russlands und Chinas zur Schwächung der Demokratie weltweit und Destabilisierung der europäischen Ordnung gesorgt werden;
af)
die EU sollte einen zentralen Rahmen zur Bekämpfung von illegalen Finanzströmen aufbauen, ihren Rahmen gegen Geldwäsche weiter stärken und seine konsequente Umsetzung sicherstellen, die intensivere Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden unterstützen und eine EU-Behörde für Finanzkontrollen schaffen, um die EU und ihre Mitgliedstaaten besser davor zu schützen, dass Russland und andere autoritäre Regime zu subversiven politischen Zwecken illegale Finanzpraktiken betreiben und sich einmischen, was eine Bedrohung der Sicherheit und Stabilität Europas darstellt;
ag)
die EU muss insbesondere die Aufnahme Russlands in eine Liste von Drittländern mit einem hohen Geldwäscherisiko in Erwägung ziehen, mit der dazu beigetragen werden soll, dass die EU alle verdächtigen Finanzströme des russischen Regimes und seiner Stellvertreter besser kontrollieren kann; die EU sollte ferner ihr Bankensystem stärken und einen Rechtsrahmen zur Bekämpfung der finanziellen Einflussnahme Russlands auf die demokratischen Prozesse in der EU und den Mitgliedstaaten erstellen, einschließlich der Strategie der Vereinnahmung von Eliten und die Technik der Kooptierung hochrangiger Beamter und ehemaliger europäischer Politiker; mit einem solchen Rahmen sollte die Transparenz der Gelder der russischen Elite gesteigert werden, die in der EU angelegt oder ausgegeben werden, und dazu beigetragen werden, auf die Finanzierung politischer Parteien, politischer Bewegungen und politischer Kampagnen sowie Investitionen in strategische Infrastruktur und strategische Einrichtungen – auch Hochschulen und politische Denkfabriken – durch russische Akteure zu reagieren und diese zu verhindern, da bei diesen Investitionen die Gefahr besteht, dass eine Abhängigkeit bestimmter Wirtschaftszweige von Russland geschaffen oder verstärkt wird, und sie als Einfallstor für russische Spionage und Sicherheitsbedrohungen dienen können; in diesem Sinne sollte die EU ferner russische Vermögenswerte mit Sanktionen belegen, mit denen direkt und indirekt Einfluss auf die demokratischen Prozesse sowie die Mitgliedstaaten und Länder der Östlichen Partnerschaft genommen wird; parallel dazu sollten die nationalen Regierungen und die internationalen Organisationen Untersuchungen über versteckte Vermögenswerte der wichtigsten Mitglieder der russischen Staatsführung und Oligarchen durchführen und diese Zahlen veröffentlichen;
ah)
die EU sollte so bald wie möglich wirksame Rechtsmittel schaffen, um die grenzübergreifende Korruption und die damit verbundene Geldwäsche zu bekämpfen, insbesondere, wenn es um Korruption und illegale Finanzpraktiken von russischer Seite geht, und sie sollte viel stärker auf das Instrument der Einziehung von Vermögenswerten ohne vorhergehende Verurteilung zurückgreifen, um die Kleptokratie des Kreml wirksamer in den Griff zu bekommen; in diesem Sinne dürfen die russischen Staatsorgane russischen Organisationen der Zivilgesellschaft und russischen nichtstaatlichen Organisationen nicht systematisch die Mittel zur Korruptionsbekämpfung vorenthalten; die EU sollte ferner Kapazitäten aufbauen, um die Ströme schmutzigen Geldes aus Russland aufzudecken und um die versteckten Reichtümer und Vermögenswerte offenzulegen, die sich in den EU-Mitgliedstaaten im Besitz von Autokraten des russischen Regimes und korrupten Oligarchen befinden; die Institutionen der EU sollten bei den halbjährlichen Anhörungen des Europäischen Parlaments zum Zustand der Demokratie in Russland regelmäßig über diese Fälle berichten; in diesen Berichten sollten die Namen der wichtigsten Mitglieder der Gefolgschaft von Präsident Putin genannt werden;
ai)
bei der Bekämpfung illegaler Geldströme aus Russland durch die EU sollte Geldströmen aus Belarus besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, da Autokraten und korrupte Oligarchen zwischengeschaltet werden; in den Sonderberichten der Institutionen der EU an das Parlament sollte das Problem der finanziellen Einmischung Russlands in Belarus, auch in strategischen Bereichen, behandelt werden und Informationen über Vermögenswerte der Gefolgschaft von Aljaksandr Lukaschenka und korrupten Oligarchen enthalten sein;
aj)
die EU sollte die Manipulation von Informationen durch Russland und seine Versuche, sich in demokratische Prozesse auf der Ebene der Union und in ihren Mitgliedstaaten einzumischen, als Anlass zum Handeln nehmen und prüfen, welche Instrumente erforderlich sind, um sich diesen Vorgängen zu widersetzen und dagegen vorzugehen, und diese Instrumente dann auch tatsächlich einsetzen;
ak)
im Einklang mit dem Grundsatz „Demokratie an erster Stelle“ sollte die EU die Voraussetzung der Konditionalität in ihren Beziehungen zu Russland stärken, indem sie den Dialog oder Abkommen mit Russland über Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte und der Medienfreiheit und zur Abhaltung freier Wahlen als stärkeres Erfordernis für den Dialog unterhält; die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten auch ihre Investitionsförderungs- und Wirtschaftskooperationsprojekte überarbeiten, beginnend mit Nord Stream 2 und dem Bau der von Rosatom errichteten Kernkraftwerke, und sie sollte ihre Bemühungen zur Eindämmung strategischer Investitionen des Kreml verstärken, die häufig aus den EU-Mitgliedstaaten über die Finanzflüsse von russischen Oligarchen und Unternehmen stammen, die gegründet wurden, um Russlands böswilliges Eingreifen und die Verbreitung von Korruption in Europa zu finanzieren; diesbezüglich sollte die EU dem Rechtsinstitut der doppelten Staatsangehörigkeit besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen und darauf drängen, dass Bulgarien und Malta ihre Regelung der „goldenen Pässe“ abschaffen; die EU sollte ferner keine gemeinsamen Transaktions- oder Geschäftsvorhaben ohne vorherige sorgfältige Prüfung der politischen Gegebenheiten in Bezug auf Transparenz, Korruption und politische Auswirkungen umsetzen, denn solche Projekte sollten die Solidarität der Mitgliedstaaten der EU untereinander oder mit Nachbarn der EU nicht gefährden, weder in Russland noch in der EU Korruptionsgeflechten zugutekommen oder negative Auswirkungen auf die Menschenrechte oder die Umwelt haben;
al)
gleichzeitig sollte die EU den Grundsatz „Demokratie an erster Stelle“ bei ihrer Neubewertung der finanziellen Unterstützungsprogramme für Russland und der Investitionen in Russland anwenden, wobei zu den Maßnahmen auch die Überarbeitung der Darlehensmandate der Finanzinstitute der EU gehören sollte; in diesem Sinne sollte die EU ihre Kooperation mit Russland in verschiedenen außenpolitischen Formaten beurteilen und Russlands Einhaltung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Europarat überprüfen;
am)
die EU sollte neue Mittel schaffen, um effektiver die Freilassung politischer Gefangener zu fordern; die EU sollte fordern, dass die russischen Staatsorgane alle aus politischen Gründen unrechtmäßig in Haft befindlichen Personen, darunter Alexei Nawalny, Alexei Pitschugin, Juri Dmitrijew, und alle anderen Personen freilassen, die von der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ nach den Kriterien der in der Entschließung 1900/2012 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates als politische Gefangene bezeichnet werden; die EU muss jede Gelegenheit nutzen, um die russischen Staatsorgane auf diese und andere Verstöße im Bereich der Meinungsfreiheit aufmerksam zu machen, insbesondere bei Drangsalierung, Verfolgung und physischen Angriffen gegen politische und zivilgesellschaftliche Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger in Russland; die EU sollte eindringlich die Beendigung dieser Verletzungen und die Aufnahme von Ermittlungen verlangen und Russland nachdrücklich auffordern, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen;
an)
die Institutionen der EU müssen regelmäßig in den Anhörungen vor dem Parlament über die Situation von politischen Gefangenen in Russland berichten, enge Kontakte mit russischen Dissidenten, nichtstaatlichen Organisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidigern und unabhängigen Medien in Russland aufbauen und ihnen verbesserte finanzielle Unterstützung bereitstellen, und ständig über die Namen und die Haftbedingungen der politischen Aktivisten in Russland auf dem Laufenden sein; die Mitgliedstaaten sollten ferner davon absehen, Abschiebungen und Ausweisungen von politischen Gegnern und Asylsuchenden nach Russland, wo ihr Leben oder körperliche Unversehrtheit in Gefahr wäre, zu genehmigen oder zu ermöglichen; die EU sollte ferner bei Bedarf die Ausstellung von Notfallvisa erleichtern und Behelfsunterkünfte in den Mitgliedstaaten bereitstellen;
ao)
die EU sollte ferner die Lage der Menschenrechte in Russland genau verfolgen, auch durch die Beobachtung von Gerichtsverfahren gegen Organisationen der Zivilgesellschaft, Oppositionspolitiker und Aktivisten durch die Delegation der EU in Russland und die Botschaften der Mitgliedstaaten; die EU sollte ferner ihre globale Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte erweitern und sie im Fall von Menschenrechtsverletzungen in allen von eingefrorenen Konflikten betroffenen Gebieten oder rechtswidrig besetzten Territorien der Länder der Östlichen Partnerschaft anwenden; parallel dazu sollte die EU in allen externen Politikbereichen ihre Verpflichtung zur durchgängigen Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung umsetzen und die Themen der grundlegenden Menschenrechte, einschließlich des Kampfs gegen geschlechtsbezogene Gewalt, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Hasskriminalität, Polizeigewalt und andere Formen der Diskriminierung gegen Minderheiten und durch Förderung von Gleichheit der Geschlechter sowie der Rechte von Frauen, der LGBTI+-Gemeinschaft und anderer Minderheiten in Russland fördern; die EU sollte nach Möglichkeit jenen helfen, die in Russland leben und unterdrückt werden, besonders denen, die aufgrund von Alter, Religion, rassistischer Zuschreibung, ethnischer Herkunft, Zugehörigkeit zu einer sprachlichen oder gesellschaftlichen Gruppe, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Ausdrucksform, Geschlechtsidentität oder aus anderen Gründen diskriminiert werden; die EU sollte sich in Russland auch in Bezug auf die Behandlung von Frauenrechtsverteidigern, die Vertretung von Frauen in der Politik und öffentlichen Verwaltung, Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte in Russland engagieren; die EU sollte ferner die Verfolgung, willkürliche Verhaftung und Folter von LGBTI+-Personen in zahlreichen Teilen der Russischen Föderation verurteilen, die fortbestehende Notwendigkeit von Untersuchungen betonen und die sofortige Freilassung aller in solcher Situation gehaltener Gefangenen, insbesondere in Tschetschenien, fordern; die EU sollte den Schwerpunkt auf die fortgesetzte Verwendung des Verbots von „Werbung für Homosexualität“ als Rechtfertigung für strafrechtliche Verfolgung legen; die EU sollte mit der Unterstützung der Mitgliedstaaten die Asylantragsverfahren für diese Gefangene gemäß Unionsrecht und nationalem Recht vereinfachen;
ap)
die EU sollte ihre Fähigkeit verbessern, Sanktionen gegen die russischen Staatsorgane, russische Oligarchen und Gefolgsleute von Präsident Putin und Mitglieder ihrer Familien wegen Verletzungen der Menschenrechte oder systematischen Unterdrückung demokratischer Kräfte, Minderheiten, religiöser Gruppen und LGBTI+-Gruppen in Russland vorzubereiten und zu verhängen; zu diesem Zweck sollte sie die Beschlussfassung zentralisieren, indem sie in Fällen von Korruption oder Verletzung der Menschenrechte automatisch Sanktionen verhängt und die Einführung von Abstimmungsregeln mit qualifizierter Mehrheit im Rat bei anderen Menschenrechtsverletzungen prüft; die EU sollte ferner dringend Antikorruptionsregeln eventuell nach dem Vorbild der globalen Antikorruptionsregeln des Vereinigten Königreichs annehmen, um die aktuellen globalen Sanktionsregelungen der EU im Bereich der Menschenrechte zu ergänzen, und sollte im Fall einer weiteren Eskalation Sanktionen in Betracht ziehen, die auf die Finanzierung der Nachrichtendienste, des Militärs und der Öl- und Gaswirtschaft abzielen; sollte dies der Fall sein, könnte die EU einen neuen Sanktionsmechanismus erarbeiten, bei dem die Fortsetzung feindlicher Handlungen seitens der Russischen Föderation eine unionsweite Verringerung der Energieeinfuhren von Lieferanten in Russland um einen bestimmten Prozentsatz auslösen würde und gleichzeitig die Mitgliedstaaten dabei unterstützt würden, die Lücke durch Maßnahmen zu füllen, die mit dem europäischen Grünen Deal im Einklang sind; dabei sollte betont werden, dass die Verringerung jährlich automatisch um denselben Prozentsatz ansteigen würde, bis die Russische Föderation ihre feindlichen Handlungen rückgängig macht;
aq)
die EU sollte Konsultationen mit nichtstaatlichen Organisationen durchführen, um Informationen zu sammeln, die für die Sanktionspolitik von Nutzen sind, damit diese Organisationen sie bei der Vorbereitung und Untersuchung von Fällen umfassend unterstützen können; empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch im Bereich der Spionageabwehr unverzüglich zu intensivieren, damit heimliche russische Netze in der EU aufgedeckt und zerschlagen werden;
ar)
die EU sollte über eine Plattform zur Bekämpfung der Straflosigkeit und eines EU-Justizzentrums (EU Justice Hub) internationale Untersuchungen über die vom Regime von Präsident Putin gegen das russische Volk und die vom Lukaschenka-Regime in Belarus begangenen Verbrechen initiieren und zu diesen Untersuchungen beitragen; im Rahmen dieser Untersuchungen sollte die EU eine Arbeitsgruppe aus Beratern einrichten, die nationale und internationale Ermittlungen, Gerichtsverfahren und die Einrichtung von EU-Gerichten unterstützt, und dem Parlament regelmäßig über den Stand der politischen Freiheiten in Russland Bericht erstattet;
as)
die EU sollte ferner Bemühungen um Strafverfahren gegen russische militärische und paramilitärische Gruppen in nationalen und internationalen Hoheitsgebieten anregen und unterstützen, die sich Verstößen und Straftaten, auch Kriegsverbrechen, gegen Zivilisten während Einsätzen in vielen Ländern, wie beispielsweise Syrien, der Zentralafrikanischen Republik und Libyen, schuldig gemacht haben;
at)
die EU sollte überdies eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Ermordung des Oppositionsführers Boris Nemzow fordern und die Täter entsprechend den Empfehlungen der OSZE und des Europarats vor Gericht bringen;
au)
die EU sollte zudem die ungerechtfertigten Sanktionen gegen Amtsträger der EU aufs Schärfste verurteilen und die russischen Staatsorgane auffordern, sie unverzüglich zurückzunehmen;
av)
die EU muss bereit sein, das russische Parlament nicht anzuerkennen und mit Nachdruck die Suspendierung Russlands in internationalen Organisationen mit parlamentarischen Versammlungen – insbesondere in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates – zu fordern, wenn festgestellt werden sollte, dass die Parlamentswahl 2021 in Russland von Betrug geprägt war und unter Verstoß gegen demokratischer Grundsätze und das Völkerrecht durchgeführt wurde; die EU sollte außerdem die Versuche von Präsident Putin, auf der Grundlage der Verfassungsänderungen im Jahr 2020, die das Europäische Parlament als „widerrechtlich beschlossen“ bewertet hat, über das Ende seines derzeitigen und letzten Präsidentschaftsmandats am 7. Mai 2024 hinaus weiter im Amt zu bleiben, verurteilen;
aw)
die EU sollte die russische Regierung und die Staatsduma auffordern, den Rechtsrahmen für Wahlen, auch in Bezug auf Wahlbeobachtung, zu ändern, um Pluralismus und freie und faire Wahlen entsprechend internationalen Normen zu fördern und um faire Wettbewerbsbedingungen für Oppositionskandidaten zu schaffen;
ax)
gleichzeitig sollten die Mitgliedstaaten alle möglichen Maßnahmen ergreifen, um die Teilnahme ihrer Bürgerinnen und Bürger als internationale Beobachter bei der Parlamentswahl 2021 auf der besetzten Krim zu verhindern, die dort von Russland unrechtmäßig abgehalten wird; in diesem Zusammenhang sollten das Parlament und die nationalen Parlamente von sämtlichen Tätigkeiten absehen, die fälschlicherweise als internationale Beobachtung angesehen werden könnten, und Sanktionen gegen derartige Tätigkeiten einführen; überdies sollte die EU die rechtswidrige Organisation dieser Wahl und weiterer Wahlen durch Russland auf der besetzten Krim sowie in den besetzten Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk verurteilen und die Ergebnisse nicht anerkennen;
Engagement zur Unterstützung der Demokratie – Unterstützung einer demokratischen Gesellschaft in Russland
ay)
die EU sollte ihren Willen zum Ausdruck bringen, mit der Annahme und der Veröffentlichung einer „Botschaft an das russische Volk“ die Beziehungen zu den Menschen der Russischen Föderation zu verbessern;
az)
die EU sollte verschiedene mögliche Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der EU und Russland und auch innerhalb Russlands berücksichtigen; die EU sollte insbesondere eine Vision und Strategie für ihre künftigen Beziehungen zu einem freien, wohlhabenden, friedlichen und demokratischen Russland verfolgen, das uneingeschränkt dem Völkerrecht, seinen internationalen Verpflichtungen und Grundsätzen gutnachbarschaftlicher Beziehungen verpflichtet ist; eine solche Strategie sollte ein umfassendes Angebot mit Bedingungen und Anreizen, darunter Visaliberalisierung, Freihandelsinvestitionen und Modernisierungsprogramme, sowie eine strategische Partnerschaft umfassen, unter anderem mit dem Ziel, die Stabilität des Kontinents und die uneingeschränkte Achtung der internationalen Grenzen sicherzustellen; die EU sollte auch die potenziellen Vorteile vermitteln, die sie als Gegenleistung für einen demokratischen Wandel Russlands unter der Bedingung zu bieten bereit ist, dass Russland ein kooperierendes und vollwertig demokratisches Staatsführungssystem einführt, in dem die Menschenrechte, Grundfreiheiten, das Völkerrecht und das internationale regelbasierte System geachtet werden, sowie als Gegenleistung für eine grundlegende Umstellung der gegenwärtigen Außenpolitik und des Verhaltens Russlands auf internationaler Ebene;
ba)
die EU sollte die russische Zivilgesellschaft unterstützen und direkte persönliche Kontakte zwischen Bürgerinnen und Bürgern der EU und Russlands fördern, da insbesondere russische Bürgerinnen und Bürger weltweit die größte Gruppe sind, die Schengen-Visa erhalten, die meisten davon für mehrmalige Einreisen und mit mehrjähriger Gültigkeit; sie sollte folglich erwägen, die Visagebühren und Barrieren für russische Bürgerinnen und Bürger zu senken und eine wirksame Informationskampagne durchzuführen, um zu zeigen, dass die EU Menschen aus Russland willkommen heißt; die EU sollte auch ihre Schul-, Hochschul- und Kulturaustauschprogramme mit Russland erweitern und das Angebot von Praktika und Direktanwerbungsgelegenheiten für hoch- und geringqualifizierte Arbeitskräfte aus Russland in Erwägung ziehen; die EU muss Alternativen für Menschen, die aus politischen Gründen aus Russland auswandern, schaffen und erweitern, damit sie in der EU unter geschützten und rechtssicheren Bedingungen leben können; die EU sollte daneben ihre finanzielle und technische Hilfestellung für Gewerkschaften, unabhängige Medien, nichtstaatliche Organisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft und für Kapazitätsaufbaumaßnahmen im zivilgesellschaftlichen Bereich Russlands deutlich erhöhen: die EU sollte außerdem geisteswissenschaftliche Studiengänge an Hochschulen der EU unterstützen, mit denen Russinnen und Russen und insbesondere russische Studierende auf ein Engagement für den demokratischen Wandel ihres Landes vorbereitet werden;
bb)
die EU sollte eine umfassende Liste verfügbarer Instrumente für den Austausch mit der demokratischen Gesellschaft in Russland annehmen, in der Vorschläge enthalten sein können, die viele russische zivilgesellschaftliche Organisationen erarbeitet haben;
bc)
die EU sollte sich der russischsprachigen Propaganda und den Desinformationskampagnen des Regimes von Präsident Putin in der EU, den Ländern der Östlichen Partnerschaft und in Russland gegenübertreten, indem sie unabhängige Journalisten und Medienunternehmen stärkt und unterstützt, die eine Alternative zur Desinformation des Kreml bieten, und die Einrichtung eines freien russischsprachigen Fernsehsenders, der rund um die Uhr sendet, unterstützen; die EU sollte zudem unabhängige Medien, Journalisten und Blogger in Russland unterstützen, um alternative Quellen und Kanäle zu stärken, die nicht vom Kreml kontrolliert werden;
bd)
die EU muss den Druck auf unabhängige Medien bekämpfen, auch durch die Einrichtung eines europäischen Fonds für demokratische Medien, der unabhängige Medien weltweit – auch in Russland – unterstützt; die EU muss außerdem mehr tun, um unabhängige Journalisten und Medienunternehmen zu unterstützen und zu stärken, die eine Alternative zur Desinformation des Kreml bieten, ohne die Russland nicht demokratisch, erfolgreich und frei sein kann; in diesem Zusammenhang sollte die EU angesichts der beschwerlichen und untauglichen sogenannten Gesetze gegen ausländische Agenten, die die russischen Staatsorgane zur Unterdrückung der Redefreiheit und unabhängiger Journalisten in Kraft gesetzt haben, unabhängige Medienunternehmen wie Meduza und Radio Free Europe/Radio Liberty unterstützen;
be)
die parlamentarische Delegation im parlamentarischen Kooperationsausschuss EU-Russland sollte damit beauftragt werden, Personen von Interesse zu identifizieren, die eine führende Rolle in der Gesellschaft spielen und die offen für die Aufnahme eines konstruktiven und ständigen Dialogs und die Aufstellung einer Agenda für öffentliche Kontakte mit der russischen Zivilgesellschaft, Russlands Hochschulen, wichtigen wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen, nichtstaatlichen Organisationen, politischen Bewegungen und künstlerischen und intellektuellen Kreisen wären;
bf)
die EU muss in den Blick nehmen, dass die Beliebtheit Josef Stalins in der russischen Bevölkerung auf das bisher höchste Niveau während der Ära Wladimir Putins angestiegen ist und 70 % der Gesellschaft davon überzeugt sind, dass Stalin in der russischen Geschichte eine positive Rolle gespielt hat; die EU sollte erkennen, dass dies auf Putins Politik der „Stalinisierung des Bewusstseins der Massen“ und die Repressionsmaßnahmen gegen unabhängige Historiker zurückzuführen ist; die EU muss darauf bestehen, dass die Archive der UdSSR für Wissenschaftler und Forscher geöffnet werden und dass Einzelheiten zu den Völkermorden der Stalinisten an Russen und anderen Völkern der UdSSR und ihrer Satellitenstaaten – auch die Akten über die als „Razzia von Augustów“ bekannte verbrecherische Militäroperation – veröffentlicht werden;
bg)
die Vereinten Nationen haben den Internetzugang zu einem Menschenrecht erklärt, und die EU sollte in diesem Zusammenhang die Versuche des Kreml verurteilen, den Zugang der russischen Bevölkerung zum Internet zu sperren, zu kontrollieren, zu zensieren oder gar die russische Bevölkerung vom Internet abzukoppeln; die EU muss die globalen IT-Unternehmen auffordern, diesen undemokratischen Bestrebungen Rechnung zu tragen, wenn sie eine Tätigkeit auf dem russischen Markt in Erwägung ziehen;
bh)
die EU sollte letztendlich einen verbindlichen Rechtsrahmen schaffen, damit sie entschlossen auf Kampagnen reagieren kann, mit denen die Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt werden sollen, einschließlich gezielter Maßnahmen gegen diejenigen, die für diese Kampagnen verantwortlich sind; die EU sollte auch wirksame Strategien im Bereich der Digitalpolitik entwickeln, um technologische Standards und das offene Internet zur Unterstützung freier Räume und Beschränkung von Unterdrückungstechnologien einzusetzen; die EU sollte daher quelloffene Technologien, Dienste für sichere Kommunikation, dezentralisierte Plattformen und neue attraktive Plattformen der sozialen Medien mit niedrigschwelligem Zugang und geschützter Privatsphäre für die russische Bevölkerung unterstützen und gleichzeitig globale technologische Datenschutzvorgaben um die Schaffung ethischer und rechtlicher Normen erweitern, die eine Signalwirkung für die Förderung des Schutzes der Grundrechte haben, wobei auf ein internationales Verbot von Massenüberwachungstechnologien und invasiven Bürgerbewertungssystemen hingearbeitet werden und das Verbot autonomer Waffensysteme verlangt werden soll;
Engagement zur Unterstützung der russischen Bevölkerung und Demokratie – Erfolg der Östlichen Partnerschaft als Quelle der Inspiration für die Bevölkerung Russlands
bi)
die EU sollte die Östliche Partnerschaft mit dem Ziel der Förderung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundfreiheiten und Menschenrechte sowie der regionalen Zusammenarbeit und gutnachbarschaftlicher Beziehungen weiter unterstützen; insbesondere könnte die EU zur Vorbereitung auf eine neue Dynamik der europäischen Integration der östlichen Nachbarschaft der EU und zur Unterstützung der erfolgreichen Entwicklung von auf die EU ausgerichteten Ländern der Östlichen Partnerschaft, die als gutes Beispiel dienen und einen Anreiz für die russische Bevölkerung, die Demokratie zu unterstützen, darstellen könnten, in der bevorstehenden Konferenz zur Zukunft Europas eine verbesserte Kooperationsstrategie vorschlagen; die EU sollte den Ländern der Östlichen Partnerschaft dementsprechend eine realistische Perspektive für ihre Aufnahme in die EU bieten und so ihre Motivation aufrechterhalten, weitere Reformen vorzunehmen;
bj)
die EU sollte die Ukraine, Georgien, Moldau, Armenien, Aserbaidschan und Belarus bei der Erfüllung der politischen, demokratischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Kriterien, auf denen die EU-Verträge und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union beruhen, weiter unterstützen;
bk)
zudem sollte die EU auf eine ambitionierte Strategie für die Integration der Länder der Östlichen Partnerschaft drängen, die ein Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen haben; damit motiviert die EU die Länder der Östlichen Partnerschaft, die ein Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen haben, Reformen durchzuführen, auch indem ihnen ein Modell der „Teilhabe an allem außer an den Institutionen“ angeboten wird, mit dem sie alle Vorteile der Integration in die EU erhalten, wie Zugang zu gemeinsamen politischen Maßnahmen der EU, zu den Finanzressourcen der EU und zur EU-Gerichtsbarkeit, während die Türen für eine künftige Aufnahme offen bleiben;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, den Regierungen und Parlamenten der Länder der Östlichen Partnerschaft und der G7-Länder, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.
Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten *
185k
54k
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (COM(2021)0282 – C9-0205/2021 – 2021/0137(NLE))
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an den Rat (COM(2021)0282),
– gestützt auf Artikel 148 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Rat angehört wurde (C9-0205/2021),
– gestützt auf Artikel 82 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A9-0262/2021),
1. billigt den Vorschlag der Kommission in der geänderten Fassung;
2. fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag gemäß Artikel 293 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union entsprechend zu ändern;
3. fordert den Rat auf, es zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen;
4. fordert den Rat auf, es erneut anzuhören, falls er beabsichtigt, den Vorschlag der Kommission entscheidend zu ändern;
5. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Vorschlag der Kommission
Geänderter Text
Abänderung 1 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 2
(2) Die Union bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes. Bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen hat die Union gemäß Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung zu tragen.
(2) Die Union bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes. Bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen hat die Union gemäß Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung von inklusiven Arbeitsmärkten, einem hohen Beschäftigungsniveau, Tarifverhandlungen und angemessenen Löhnen, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung unter besonderer Berücksichtigung schutzbedürftiger Gruppen, insbesondere Kinder, Menschen mit Behinderungen, Alleinerziehende, ethnische Minderheiten wie z. B. Angehörige der Roma, LGBTIQA+-Personen, Menschen, die in abgelegenen Regionen leben, und ältere Menschen, sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung zu tragen.
Abänderung 2 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 5
(5) Im Europäischen Semester werden die verschiedenen Instrumente in einem übergreifenden Rahmen für integrierte multilaterale Koordinierung und Überwachung der wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen zusammengeführt. Im Europäischen Semester werden ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Fairness und Stabilität angestrebt und die Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte sowie ihres Überwachungsinstruments, dem sozialpolitischen Scoreboard, einbezogen. Außerdem ist eine enge Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, der Zivilgesellschaft und anderen Interessenträgern vorgesehen. Auch die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung wird unterstützt. Die Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik der Union und der Mitgliedstaaten sollte auf den Übergang Europas zu einer klimaneutralen, ökologisch nachhaltigen und digitalen Wirtschaft abgestimmt sein, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit führen, angemessene Arbeitsbedingungen gewährleisten, Innovationen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit fördern sowie Ungleichheiten und regionale Unterschiede abbauen.
(5) Im Europäischen Semester werden die verschiedenen Instrumente in einem übergreifenden Rahmen für die integrierte multilaterale Koordinierung und Überwachung der wirtschafts-, beschäftigungs-, sozial- und umweltpolitischen Maßnahmen zusammengeführt. Im Europäischen Semester sollten ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Fairness und Stabilität angestrebt und die Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte sowie ihres Überwachungsinstruments, des sozialpolitischen Scoreboards, umfassender einbezogen werden. Außerdem ist eine enge Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, der Zivilgesellschaft und anderen Interessenträgern vorgesehen. Auch die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung, insbesondere die Gleichstellung von Frauen und Männern, wird unterstützt. Die Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik der Union und der Mitgliedstaaten sollte auf den Übergang Europas zu einer klimaneutralen, sozial inklusiven, ökologisch nachhaltigen und digitalen Wirtschaft abgestimmt sein, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit führen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und widerstandsfähige Sozialsysteme gewährleisten, Innovationen, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Investitionen in die Jugend fördern sowie Ungleichheiten, regionale Unterschiede und Armut abbauen. Es ist dringend notwendig, für qualitativ hochwertige und nachhaltige Beschäftigung zu sorgen, wozu auch Initiativen zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen bei Telearbeit, zum Recht auf Nichterreichbarkeit, zu Eltern- und Betreuungsurlaub, zu den Rechten von Plattformbeschäftigten, zu einem allgemeinen Rechtsrahmen für die Vergabe von Unteraufträgen mit erhöhter Transparenz und Empfehlungen zur Haftung, zu Gesundheit und Sicherheit sowie zur Stärkung der Rolle von Tarifverhandlungen gehören.
Abänderung 3 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 6
(6) Klimawandel und umweltbezogene Herausforderungen, Globalisierung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Telearbeit, Plattformwirtschaft und demografischer Wandel werden die europäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften verändern. Die Union und ihre Mitgliedstaaten sollten zusammenarbeiten, um diese strukturellen Herausforderungen wirksam anzugehen und die bestehenden Systeme entsprechend anzupassen, wobei die enge Verflechtung der Volkswirtschaften, Arbeitsmärkte und einschlägigen Strategien der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen ist. Dies erfordert abgestimmte, ehrgeizige und wirksame politische Maßnahmen sowohl auf Ebene der Union als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten im Einklang mit den Bestimmungen des AEUV und den Unionsvorschriften zur wirtschaftspolitischen Steuerung. Zu solchen politischen Maßnahmen sollten eine Ankurbelung nachhaltiger Investitionen, eine erneuerte Verpflichtung zu angemessen gestaffelten Reformen zur Förderung des Wirtschaftswachstums, der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, der Produktivität, angemessener Arbeitsbedingungen, des sozialen und territorialen Zusammenhalts, der Aufwärtskonvergenz und der Widerstandsfähigkeit sowie die Wahrnehmung haushaltspolitischer Verantwortung gehören. Sie sollten sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite ansetzen und ökologische, beschäftigungspolitische und soziale Auswirkungen berücksichtigen.
(6) Klimawandel und umweltbezogene Herausforderungen, Globalisierung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Telearbeit, Plattformwirtschaft und demografischer Wandel verändern die europäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften.Während Telearbeit als ein Schritt hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben angesehen werden kann und zuvor ausgeschlossenen Arbeitnehmergruppen den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht, birgt sie auch die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Arbeitszeit und privater Zeit verwischen, und kann negative Auswirkungen auf die Grundrechte der Arbeitnehmer und ihre physische und psychische Gesundheit haben. Die Union und ihre Mitgliedstaaten sollten zusammenarbeiten, um diese strukturellen Herausforderungen wirksam anzugehen und die bestehenden Systeme entsprechend anzupassen, wobei die enge Verflechtung der Volkswirtschaften, Arbeitsmärkte und einschlägigen Strategien der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen ist. Dies erfordert abgestimmte, ehrgeizige und wirksame politische Maßnahmen unter Einbeziehung der Sozialpartner sowohl auf Ebene der Union als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten im Einklang mit den Bestimmungen des AEUV, der europäischen Säule sozialer Rechte und den Unionsvorschriften zur wirtschaftspolitischen Steuerung. Zu solchen politischen Maßnahmen sollten eine Ankurbelung nachhaltiger Investitionen, eine erneuerte Verpflichtung zu angemessen gestaffelten Reformen zur Förderung des Wirtschaftswachstums, der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, der Produktivität, menschenwürdiger Arbeitsbedingungen, des sozialen und territorialen Zusammenhalts, der Aufwärtskonvergenz und der Widerstandsfähigkeit sowie die Wahrnehmung haushaltspolitischer und sozialer Verantwortung gehören. Sie sollten sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite ansetzen und ökologische, beschäftigungspolitische und soziale Auswirkungen berücksichtigen. Im Anschluss an die Erklärung der EU-Finanzministerinnen und ‑minister zum Stabilitäts- und Wachstumspakt angesichts der COVID‑19-Krise vom 23. März 2020, in der eine vorübergehende Abweichung vom Stabilitäts- und Wachstumspakt (allgemeine Ausweichklausel) angekündigt wurde, und die Mitteilung der Kommission vom 2. Juni 2021 mit dem Titel „Wirtschaftspolitische Koordinierung im Jahr 2021: Überwindung von COVID-19, Unterstützung der Erholung und Modernisierung unserer Wirtschaft“, in der darauf hingewiesen wird, dass die Ausweichklausel auch 2022 angewandt und voraussichtlich 2023 deaktiviert werden soll, sollten die Mitgliedstaaten das Potenzial der allgemeinen Ausweichklausel in vollem Umfang nutzen, um Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden oder denen es an Liquidität mangelt, zu unterstützen, wobei das Augenmerk insbesondere auf Kleinstunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen zu richten ist, und um Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen zu sichern und in die Menschen und die Sozialsysteme zu investieren. Darüber hinaus sollten das mögliche Risiko für die öffentlichen Finanzen, das aufgrund der Verlängerung besteht, sowie die mit einer für das Jahr 2023 erwarteten Deaktivierung einhergehenden möglichen negativen sozialen Folgen im Voraus bewertet werden.
Abänderung 4 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 8
(8) Am 8. Mai 2021 erkannten die Führungsspitzen der EU auf dem Sozialgipfel in Porto(20) die europäische Säule sozialer Rechte als ein grundlegendes Element der Erholung an, deren Umsetzung die Bemühungen der Union um einen digitalen, grünen und fairen Übergang verstärken und einen Beitrag zur Verwirklichung der sozialen und wirtschaftlichen Aufwärtskonvergenz sowie zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen leisten werde. Sie betonten, dass die soziale Dimension, der soziale Dialog und die aktive Einbeziehung der Sozialpartner im Mittelpunkt einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft stünden. Nach Ansicht der Mitgliedstaaten bietet der von der Kommission vorgelegte Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte eine nützliche Orientierungshilfe für die Umsetzung der Säule, einschließlich in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen, Gesundheit und Sozialschutz. Sie begrüßten die neuen EU-Kernziele für 2030 in den Bereichen Beschäftigung (78 % der 20-64-Jährigen sollen erwerbstätig sein), Kompetenzen (60 % aller Erwachsenen sollen jedes Jahr an Fortbildungen teilnehmen) und Armutsbekämpfung (Verringerung der Zahl der betroffenen Menschen um mindestens 15 Millionen, darunter fünf Millionen Kinder) sowie das überarbeitete sozialpolitische Scoreboard, da sie dazu beitrügen, die Fortschritte bei der Umsetzung der Grundsätze der Säule sozialer Rechte als Teil des Prozesses der Koordinierung der Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Semesters zu überwachen. Darüber hinaus merkten die Mitgliedstaaten an, dass es mit der schrittweisen Erholung Europas von der COVID-19-Pandemie zur Priorität werde, Arbeitsplätze nicht mehr nur zu schützen, sondern neue zu schaffen und ihre Qualität zu verbessern. Ihrer Auffassung nach wird die Umsetzung der Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte ausschlaggebend sein, um die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen für alle im Rahmen einer inklusiven Erholung zu gewährleisten. Abschließend betonten die Mitgliedstaaten, wie wichtig eine genaue Verfolgung der Fortschritte – auch auf höchster Ebene – sei, die bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und der EU-Kernziele für 2030 erzielt würden.
(8) Am 8. Mai 2021 erkannten die Führungsspitzen der EU auf dem Sozialgipfel in Porto(20) die europäische Säule sozialer Rechte als ein grundlegendes Element der Erholung an, deren Umsetzung die Bemühungen der Union um einen digitalen, grünen und fairen Übergang verstärken und einen Beitrag zur Verwirklichung der sozialen und wirtschaftlichen Aufwärtskonvergenz sowie zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen leisten werde. Sie betonten, dass die soziale Dimension, der soziale Dialog und die aktive Einbeziehung der Sozialpartner im Mittelpunkt einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft stünden. Nach Ansicht der Mitgliedstaaten bietet der von der Kommission vorgelegte Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte eine nützliche Orientierungshilfe für die Umsetzung der Säule, einschließlich in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen, Gesundheit und Sozialschutz. Sie begrüßten die neuen EU-Kernziele für 2030 in den Bereichen Beschäftigung (78 % der 20–64-Jährigen sollen erwerbstätig sein), Kompetenzen (60 % aller Erwachsenen sollen jedes Jahr an Fortbildungen teilnehmen) und Armutsbekämpfung (Verringerung der Zahl der betroffenen Menschen um mindestens 15 Millionen, darunter fünf Millionen Kinder) sowie das überarbeitete sozialpolitische Scoreboard, da sie dazu beitrügen, die Fortschritte bei der Umsetzung der Grundsätze der Säule sozialer Rechte als Teil des Prozesses der Koordinierung der Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Semesters zu überwachen. Darüber hinaus merkten die Mitgliedstaaten an, dass es mit der schrittweisen Erholung Europas von der COVID-19-Pandemie zur Priorität werde, Arbeitsplätze nicht mehr nur zu schützen, sondern neue zu schaffen und ihre Qualität zu verbessern. Ihrer Auffassung nach wird die Umsetzung der Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte ausschlaggebend sein, um die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen für alle im Rahmen einer inklusiven Erholung zu gewährleisten. Abschließend betonten die Mitgliedstaaten, wie wichtig eine genaue Verfolgung der Fortschritte, die bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und der EU-Kernziele für 2030 erzielt würden, – auch auf höchster Ebene – sei.Die Mitgliedstaaten sollten eine faire Mobilität und die Übertragbarkeit von Rechten und Ansprüchen durch einen besseren Schutz mobiler Arbeitnehmer, einschließlich Grenzgängern und Saisonkräften, wirksamere Arbeitsaufsichtsbehörden und die Einführung wirksamer digitaler Lösungen sicherstellen.
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20 Europäischer Rat, Erklärung von Porto, 8. Mai 2021.
20 Europäischer Rat, Erklärung von Porto, 8. Mai 2021.
Abänderung 5 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 8 a (neu)
(8a) Obdachlosigkeit ist eine der extremsten Formen sozialer Ausgrenzung, die sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der betroffenen Personen auswirkt, ebenso wie auf ihren Zugang zu Beschäftigung und anderen wirtschaftlichen und sozialen Dienstleistungen. Das Europäische Parlament, die Kommission, nationale, regionale und lokale Behörden sowie Organisationen der Zivilgesellschaft auf Unionsebene haben vereinbart, die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit ins Leben zu rufen. Mit dem letztendlichen Ziel, Obdachlosigkeit bis 2030 auszumerzen, haben sie sich verpflichtet, den Grundsatz „Housing first“ umzusetzen, die Prävention von Obdachlosigkeit zu fördern sowie Obdachlosen Zugang zu angemessenem, sicherem und erschwinglichem Wohnraum und Unterstützungsdiensten zu verschaffen, die hierzu erforderlichen politischen Maßnahmen einzuführen und für eine angemessene finanzielle Unterstützung durch die EU und die Mitgliedstaaten zu sorgen.
Abänderung 6 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 9
(9) Reformen des Arbeitsmarkts, einschließlich der nationalen Lohnfestsetzungsmechanismen, sollten sich nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten des sozialen Dialogs richten, damit gerechte Löhne sichergestellt werden, die einen angemessenen Lebensstandard und ein nachhaltiges Wachstum ermöglichen. Sie sollten auch den notwendigen Spielraum für eine umfassende Berücksichtigung sozioökonomischer Aspekte vorsehen, einschließlich Verbesserungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen, Erwerbstätigenarmut, Bildung und Kompetenzen, öffentliche Gesundheit, Inklusion und Realeinkommen. Die Mitgliedstaaten und die Union sollten dafür sorgen, dass die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf Gesellschaft, Beschäftigung und Wirtschaft abgefedert werden und dass sich der Wandel fair und sozial gerecht vollzieht. Es gilt, die wirtschaftliche Erholung zu konsolidieren und die Bemühungen um eine inklusive und widerstandsfähige Gesellschaft zu stärken, in der die Menschen geschützt und in die Lage versetzt werden, den Wandel zu antizipieren und zu bewältigen, und in der sie sich aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben beteiligen können. Wie in der Empfehlung der Kommission zu einer wirksamen aktiven Beschäftigungsförderung (EASE) nach der COVID-19-Krise hervorgehoben wird, ist ein kohärentes Bündel aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen mit befristeten Einstellungs- und Übergangsanreizen, Kompetenzstrategien und besseren Arbeitsvermittlungsdiensten erforderlich, um Arbeitsmarktübergänge zu unterstützen.
(9) Reformen des Arbeitsmarkts, einschließlich der nationalen Lohnfestsetzungsmechanismen, sollten sich nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten des sozialen Dialogs richten, damit gerechte Löhne sichergestellt werden, die einen angemessenen Lebensstandard und ein nachhaltiges Wachstum ermöglichen. Sie sollten auch den notwendigen Spielraum für eine umfassende Berücksichtigung sozioökonomischer Aspekte vorsehen, einschließlich Verbesserungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen, Erwerbstätigenarmut, Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Bildung und Kompetenzen, öffentliche Gesundheit, Inklusion und Realeinkommen. Daher sollten die Mitgliedstaaten die Rolle der Sozialpartner achten und stärken, die Ausweitung des Geltungsbereichs von Tarifverhandlungen unterstützen und einen hohen Grad an gewerkschaftlicher Organisation und Zugehörigkeit zu Arbeitgeberverbänden fördern, um so eine inklusive und sozial ausgewogene Erholung zu bewirken. Die Mitgliedstaaten und die Union sollten dafür sorgen, dass die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf Gesellschaft, Beschäftigung und Wirtschaft abgefedert werden und dass sich der Wandel fair und sozial gerecht vollzieht. Es gilt, die wirtschaftliche Erholung zu konsolidieren und die Bemühungen um eine inklusive und widerstandsfähige Gesellschaft zu stärken, in der die Menschen geschützt werden und in die Lage versetzt werden, den Wandel zu antizipieren und zu bewältigen, und in der sie sich aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben beteiligen können. Wie in der Empfehlung der Kommission zu einer wirksamen aktiven Beschäftigungsförderung (EASE) nach der COVID-19-Krise hervorgehoben wird, ist ein kohärentes Bündel aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen mit befristeten Anreizen für Einstellungen und Übergangskompetenzen, der Validierung und dem Erwerb von Kompetenzen und besseren Arbeitsvermittlungsdiensten erforderlich, um Arbeitsmarktübergänge zu unterstützen. Es ist eine gründliche Evaluierung der einzelstaatlichen Maßnahmen und Unterstützungsstrategien erforderlich, die zur Milderung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zum Einsatz gekommen sind, um Lehren aus ihnen ziehen zu können und mögliche Instrumente für den zukünftigen Einsatz zu erkennen.
Abänderung 7 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 10
(10) Diskriminierung in all ihren Formen sollte bekämpft, die Gleichstellung der Geschlechter gewährleistet und die Beschäftigung junger Menschen unterstützt werden. Zugangsmöglichkeiten und Chancen sollten für alle sichergestellt und Armut und soziale Ausgrenzung – auch von Kindern – sollten abgebaut werden, insbesondere indem für gut funktionierende Arbeitsmärkte sowie angemessene und inklusive Sozialschutzsysteme gesorgt wird und Hindernisse für die Teilhabe an der allgemeinen und beruflichen Bildung und am Arbeitsmarkt beseitigt werden; dies schließt auch Investitionen in frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung und in digitale Kompetenzen ein. Ein zeitnaher und gleichberechtigter Zugang zu erschwinglichen langfristigen Pflege- und Gesundheitsdiensten, einschließlich Prävention und Förderung der Gesundheitsversorgung, ist angesichts der COVID-19-Krise und im Kontext alternder Gesellschaften von besonderer Bedeutung. Das Potenzial von Menschen mit Behinderungen, zu Wirtschaftswachstum und sozialer Entwicklung beizutragen, sollte stärker genutzt werden. Da an den Arbeitsplätzen in der Union neue Wirtschafts- und Geschäftsmodelle Einzug halten, ändern sich auch die Beschäftigungsverhältnisse. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass in diesen Beschäftigungsverhältnissen, die im Zuge der neuen Arbeitsformen entstehen, das europäische Sozialmodell aufrechterhalten und weiter gestärkt wird.
(10) Diskriminierung in all ihren Formen sollte beseitigt, die Gleichstellung der Geschlechter gewährleistet und die Beschäftigung junger Menschen gefördert werden. Zugangsmöglichkeiten und Chancen sollten für alle sichergestellt und Armut und soziale Ausgrenzung– auch von Kindern– sollten beseitigt werden, insbesondere indem für gut funktionierende Arbeitsmärkte sowie angemessene und inklusive Sozialschutzsysteme gesorgt wird und Hindernisse für die Teilhabe an der allgemeinen und beruflichen Bildung und am Arbeitsmarkt beseitigt werden; dies schließt auch Investitionen in frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung, in digitale Kompetenzen und in lebenslanges Lernen ein. Die Mitgliedstaaten sollten die Investitionen in nachhaltige, hochwertige Arbeitsplätze erhöhen und einen umfassenden Ansatz verfolgen, um Kinder aus der Armut herauszuführen und Eltern von Kindern in Not zu unterstützen. Die Europäische Kindergarantie sollte in sämtliche Politikbereiche einbezogen werden und die Finanzierung der Kinderrechte sollte Vorrang haben, wobei die bestehenden Strategien und Mittel der Union für konkrete Maßnahmen zur Beseitigung von Kinderarmut und sozialer Ausgrenzung voll ausgeschöpft werden sollten. Ein zeitnaher und gleichberechtigter Zugang zu erschwinglichen langfristigen Pflege- und Gesundheitsdiensten, einschließlich Prävention, nicht zuletzt von Problemen im Bereich der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz, und Förderung der Gesundheitsversorgung, ist angesichts der COVID-19-Krise und im Kontext alternder Gesellschaften von besonderer Bedeutung. Das Potenzial von Personen mit Behinderungen, zu Wirtschaftswachstum und sozialer Entwicklung beizutragen, sollte stärker genutzt werden. Da an den Arbeitsplätzen in der Union neue Wirtschafts- und Geschäftsmodelle Einzug halten, ändern sich auch die Beschäftigungsverhältnisse. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass in diesen Beschäftigungsverhältnissen, die im Zuge der neuen Arbeitsformen entstehen, das europäische Sozialmodell weiter gestärkt wird und gleichzeitig die Arbeitnehmerrechte, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, einschließlich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, menschenwürdiger Lohn und eine gute Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sichergestellt werden.
Abänderung 8 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 12
(12) Die Mitgliedstaaten sollten REACT-EU(21), in dessen Rahmen die Kohäsionsfonds bis 2023 aufgestockt werden, den Europäischen Sozialfonds Plus, die neue Aufbau- und Resilienzfazilität(22) und andere Unionsfonds, einschließlich des Fonds für einen gerechten Übergang und InvestEU, in vollem Umfang nutzen, um Beschäftigung, soziale Investitionen, soziale Inklusion, Barrierefreiheit, Möglichkeiten der Weiterqualifizierung und Umschulung der Arbeitskräfte, lebenslanges Lernen und hochwertige allgemeine und berufliche Bildung für alle, einschließlich digitaler Kompetenzen und Qualifikationen, zu fördern. Auch wenn sich die integrierten Leitlinien an die Mitgliedstaaten und die Union richten, sollten sie in Partnerschaft mit allen nationalen, regionalen und lokalen Behörden und unter enger Einbeziehung von Parlamenten sowie Sozialpartnern und Vertretern der Zivilgesellschaft umgesetzt werden.
(12) Die Mitgliedstaaten sollten REACT-EU(21), in dessen Rahmen die Kohäsionsfonds bis 2023 aufgestockt werden, den Europäischen Sozialfonds Plus, die neue Aufbau- und Resilienzfazilität(22) und andere Unionsfonds, einschließlich des Fonds für einen gerechten Übergang und InvestEU, in vollem Umfang nutzen, um Beschäftigung, soziale Investitionen, soziale Inklusion, Barrierefreiheit, Möglichkeiten der Weiterqualifizierung und Umschulung der Arbeitskräfte, lebenslanges Lernen und hochwertige allgemeine und berufliche Bildung für alle, einschließlich digitaler Kompetenzen und Qualifikationen, zu fördern. Die Mitgliedstaaten sollten auch den überarbeiteten Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer, der durch die Verordnung (EU) 2021/691 des Europäischen Parlaments und des Rates22a eingerichtet wurde, in vollem Umfang nutzen, um Personen zu unterstützen, die infolge der COVID-19-Krise entlassen wurden. Auch wenn sich die integrierten Leitlinien an die Mitgliedstaaten und die Union richten, sollten sie in Partnerschaft mit allen nationalen, regionalen und lokalen Behörden und unter enger Einbeziehung von Parlamenten sowie Sozialpartnern und Vertretern der Zivilgesellschaft umgesetzt werden.
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21 Verordnung (EU) 2020/2221 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Dezember 2020 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 in Bezug auf zusätzliche Mittel und Durchführungsbestimmungen zur Unterstützung der Krisenbewältigung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und ihrer sozialen Folgen und der Vorbereitung einer grünen, digitalen und stabilen Erholung der Wirtschaft (REACT-EU) (ABl. L 437 vom 28.12.2020, S. 30).
21 Verordnung (EU) 2020/2221 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Dezember 2020 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 in Bezug auf zusätzliche Mittel und Durchführungsbestimmungen zur Unterstützung der Krisenbewältigung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und ihrer sozialen Folgen und der Vorbereitung einer grünen, digitalen und stabilen Erholung der Wirtschaft (REACT-EU) (ABl. L 437 vom 28.12.2020, S. 30).
22 Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17).
22 Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17).
22a Verordnung (EU) 2021/691 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 über den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer (EGF) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1309/2013 (ABl. L 153 vom 3.5.2021, S. 48).
Abänderung 9 Vorschlag für einen Beschluss Erwägung 13 a (neu)
(13a) In seiner legislativen Entschließung vom 10. Juli 2020 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten forderte das Europäische Parlament eine Überarbeitung der Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Anbetracht der COVID-19-Pandemie und ihrer sozialen und beschäftigungspolitischen Folgen, um besser auf die Krise reagieren zu können. Es ist wichtig, dass die Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten entsprechend überarbeitet werden. Zur Stärkung der demokratischen Entscheidungsfindung sollte das Europäische Parlament gleichberechtigt mit dem Rat an der Festlegung der integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung mitwirken.
Gerechte Arbeitsbedingungen, Rechte und soziale Sicherung für auf Online-Plattformen beschäftigte Arbeitnehmer – Neue Beschäftigungsformen im Zusammenhang mit der digitalen Entwicklung
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu dem Thema „Gerechte Arbeitsbedingungen, Rechte und soziale Sicherung für auf Online-Plattformen beschäftigte Arbeitnehmer – Neue Beschäftigungsformen im Zusammenhang mit der digitalen Entwicklung“ (2019/2186(INI))
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten(1),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union(2),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen(3),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO)(4),
– unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte,
– unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates vom 8. November 2019 zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige(5),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 24. Oktober 2019 zu dem Thema „Die Zukunft der Arbeit: Die Europäische Union unterstützt die Erklärung zum hundertjährigen Jubiläum der IAO“(6),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 13. Juni 2019 zu dem Thema „Die Arbeitswelt im Wandel: Überlegungen zu neuen Arbeitsformen sowie deren Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten“(7),
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 15. Dezember 2020 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (COM(2020)0825),
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 15. Dezember 2020 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Gesetz über digitale Märkte) (COM(2020)0842),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 4. März 2021 mit dem Titel „Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte“ (COM(2021)0102),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Eine europäische Datenstrategie“ (COM(2020)0066),
– unter Hinweis auf das Weißbuch der Kommission vom 19. Februar 2020 mit dem Titel „Künstliche Intelligenz – ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen“ (COM(2020)0065),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. Januar 2020 mit dem Titel „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ (COM(2020)0014),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 2. Juni 2016 mit dem Titel „Europäische Agenda für die kollaborative Wirtschaft“ (COM(2016)0356),
– unter Hinweis auf das Konsultationspapier der Kommission vom 24. Februar 2021 mit dem Titel „Erste Phase der Konsultation der Sozialpartner gemäß Artikel 154 AEUV zu möglichen Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen bei der Plattformarbeit“ (C(2021)1127),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 mit Empfehlungen an die Kommission zum Recht auf Nichterreichbarkeit(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2020 zu einem starken sozialen Europa für gerechte Übergänge(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Oktober 2020 zu der Beschäftigungs- und Sozialpolitik des Euro-Währungsgebiets 2020(10),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2020 mit Empfehlungen an die Kommission zu dem Rahmen für die ethischen Aspekte von künstlicher Intelligenz, Robotik und damit zusammenhängenden Technologien(11),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2020 mit Empfehlungen an die Kommission zum Gesetz über digitale Dienste: Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarkts(12),
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 10. Juli 2020 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten(13),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Oktober 2019 zu der Beschäftigungs- und Sozialpolitik des Euro-Währungsgebiets(14),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2017 zu einer europäischen Säule sozialer Rechte(15),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2017 zu einer Europäischen Agenda für die kollaborative Wirtschaft(16),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2017 zu Online-Plattformen im digitalen Binnenmarkt(17),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2017 zu Arbeitsbedingungen und prekären Beschäftigungsverhältnissen(18),
– unter Hinweis auf das Mandatsschreiben von Kommissionsmitglied Nicolas Schmit vom 10. September 2019 und auf das Arbeitsprogramm der Kommission für 2021,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 18. September 2020 zu dem Thema „Faire Beschäftigungsbedingungen in der Plattformökonomie“,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen vom 5. Dezember 2019 zu dem Thema „Ein europäischer Rahmen für die Regulierung der kollaborativen Wirtschaft“,
– unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über die Digitalisierung vom Juni 2020(19),
– unter Hinweis auf die Empfehlung Nr. 198 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) betreffend das Arbeitsverhältnis,
– unter Hinweis auf die Studie der Kommission vom 13. März 2020 mit dem Titel „Study to gather evidence on the working conditions of platform workers“ (Studie zur Erhebung von Daten über die Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten),
– unter Hinweis auf den Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der Kommission mit dem Titel „The changing nature of work and skills in the digital age“ (Der Wandel der Arbeit und der Kompetenzen im digitalen Zeitalter),
– unter Hinweis auf den JRC-Bericht der Kommission mit dem Titel „Platform Workers in Europe“ (Plattformbeschäftigte in Europa),
– unter Hinweis auf die von der Generaldirektion Interne Politikbereiche am 11. September 2020 veröffentlichte Studie mit dem Titel „The platform economy and precarious work“ (Die Plattformwirtschaft und prekäre Arbeitsverhältnisse)(20),
– unter Hinweis auf die von der Generaldirektion Interne Politikbereiche am 7. Dezember 2017 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Der soziale Schutz der Arbeitnehmer in der Plattformwirtschaft“(21),
– unter Hinweis auf den Cedefop-Bericht vom 24. September 2020 mit dem Titel „Developing and matching skills in the online platform economy“ (Entwicklung und Abstimmung von Kompetenzen in der Online-Plattformwirtschaft),
– unter Hinweis auf den Kurzbericht des Cedefop vom 30. Juli 2020 mit dem Titel „Online arbeiten und lernen in Coronavirus-Zeiten“,
– unter Hinweis auf die Eurofound-Studie vom 24. September 2018 mit dem Titel „Employment and working conditions of selected types of platform work“ (Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen ausgewählter Arten von Plattformarbeit),
– unter Hinweis auf den Eurofound-Kurzbericht vom 23. September 2019 mit dem Titel „Plattformarbeit: Optimierung des Potenzials bei gleichzeitiger Wahrung der Standards?“,
– unter Hinweis auf den Eurofound-Forschungsbericht vom 21. September 2020 mit dem Titel „Back to the future: Policy pointers from platform work scenarios“ (Zurück in die Zukunft: Empfehlungen für die Politik anhand von Szenarien der Plattformarbeit),
– unter Hinweis auf den Eurofound-Webspeicher für die Plattformwirtschaft(22),
– unter Hinweis auf die Studie der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) vom 7. November 2017 mit dem Titel „Schutz von Arbeitnehmern in der Online-Plattformwirtschaft: Ein Überblick über Regulierungs- und Strategieentwicklungen in der EU“,
– unter Hinweis auf den Bericht der IAO vom 23. Februar 2021 mit dem Titel „World Employment and Social Outlook 2021: The role of digital labour platforms in transforming the world of work“ (Weltweiter Beschäftigungs- und Sozialausblick 2021: Die Rolle digitaler Arbeitsplattformen bei der Umgestaltung der Arbeitswelt,
– unter Hinweis auf den Bericht der IAO vom 20. September 2018 mit dem Titel „Digital labour platforms and the future of work: Towards decent work in the online world“ (Digitale Arbeitsplattformen und die Zukunft der Arbeit: Auf dem Weg zu menschenwürdiger Arbeit in der Online-Welt),
– unter Hinweis auf die Erklärung zum hundertjährigen Bestehen der IAO für die Zukunft der Arbeit vom 21. Juni 2019,
– unter Hinweis auf den Geschlechtergleichstellungsindex 2020 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit,
– unter Hinweis auf die Berichte von „Data & Society“ vom Februar 2019 mit dem Titel „Workplace Monitoring & Surveillance“ (Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz) und dem Titel „Algorithmic Management in the Workplace“ (Algorithmisches Management am Arbeitsplatz),
– unter Hinweis auf die von der Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst am 23. Dezember 2020 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Data subjects, digital surveillance, AI and the future of work“ (Datensubjekte, digitale Überwachung, KI und die Zukunft der Arbeit)(23),
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Verkehr und Tourismus,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A9-0257/2021),
A. in der Erwägung, dass sich der Begriff „Plattformbeschäftigte“ auf Einzelpersonen bezieht, die über eine digitale Arbeitsplattform mit einem größeren oder geringeren Maß an Kontrolle Arbeiten ausführen oder Dienstleistungen erbringen; in der Erwägung, dass der Begriff dementsprechend sowohl Arbeitnehmer als auch wirkliche Selbstständige umfassen kann;
B. in der Erwägung, dass sich der Begriff „digitale Arbeitsplattform“ auf ein Unternehmen bezieht, das mit einem größeren oder geringeren Maß an Kontrolle Abrufdienste vermittelt oder anbietet, die von Einzelpersonen oder Firmenkunden angefordert und direkt oder indirekt von Einzelpersonen erbracht werden, unabhängig davon, ob diese Dienste vor Ort oder online erbracht werden;
C. in der Erwägung, dass sich „Plattformarbeit“ auf die Arbeit und die Dienstleistungen bezieht, die von Plattformbeschäftigten auf Abruf und gegen Entgelt – unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus, der Art der digitalen Arbeitsplattformen (vor Ort oder online) oder dem erforderlichen Qualifikationsniveau – ausgeführt und erbracht werden;
D. in der Erwägung, dass es an ausreichenden und aktuellen europaweiten Daten über die Plattformarbeit mangelt, und in der Erwägung, dass die Methodik der Datenerhebung in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, was es schwierig macht, das Ausmaß der Plattformarbeit und die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer zu bestimmen; in der Erwägung, dass ein weiteres Wachstum der Plattformarbeit auf dem Arbeitsmarkt als sehr wahrscheinlich angesehen wird;
E. in der Erwägung, dass Plattformarbeit Arbeitsplätze schaffen, die Auswahlmöglichkeiten vergrößern, zusätzliches Einkommen generieren und die Hindernisse für den Eintritt in den Arbeitsmarkt abbauen kann; in der Erwägung, dass Plattformarbeit die Flexibilität und die Optimierung von Ressourcen erleichtern kann und sowohl den Menschen, die auf oder über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, als auch den Kunden Chancen bietet und die Abstimmung von Angebot und Nachfrage bei Dienstleistungen ermöglicht; in der Erwägung, dass Innovation bei digitalen Werkzeugen eine Voraussetzung für Plattformarbeit ist und in Krisenzeiten und beim Wiederaufbau zum Wachstum beitragen kann; in der Erwägung, dass Plattformarbeit Vorteile für Studierende und diejenigen bieten kann, die Studium und Arbeit gleichzeitig miteinander verbinden möchten, und dass sie jungen Menschen, die weder arbeiten noch eine Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren (NEET), und Menschen mit niedrigerem Qualifikationsniveau Zugang zu Beschäftigung verschafft;
F. in der Erwägung, dass die Plattformarbeit keineswegs auf die Beförderung von Personen oder die Lieferung von Lebensmitteln beschränkt werden kann, da sie auch berufliche Aufgaben, Haushaltsaufgaben und Kleinstaufgaben umfasst;
G. in der Erwägung, dass Plattformarbeit den Zugang zum Arbeitsmarkt durch moderne Formen der Beschäftigung erleichtert und die Entwicklung von Technologien fördert, um die Nutzung von Plattformen zu erleichtern und sie sowohl den Unternehmen als auch den Verbrauchern näher zu bringen;
H. in der Erwägung, dass die Plattformarbeit auch Bedenken in Bezug auf prekäre und schlechte Arbeitsbedingungen, den fehlenden oder erschwerten Zugang zu angemessenem sozialen Schutz, unlauteren Wettbewerb, nicht angemeldete Erwerbstätigkeit, fragmentierte und unvorhersehbare Einkommen und Arbeitszeiten, fehlende Streitbeilegungsmechanismen, Dequalifizierung und fehlende Aufstiegsmöglichkeiten sowie einen Mangel an Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz, insbesondere für geringqualifizierte Plattformbeschäftigte vor Ort und Arbeitnehmer, die Kleinstaufgaben ausführen, hervorgerufen hat, wie im Zuge der COVID-19-Krise erneut hervorgehoben wurde; in der Erwägung, dass durch die falsche Einstufung von Arbeitnehmern als Selbstständige zu dieser Lage beigetragen wird;
I. in der Erwägung, dass die COVID-19-Krise dazu gedient hat, die Rolle der Plattformbeschäftigten bei der Sicherstellung der Geschäftskontinuität für Tausende von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der gesamten EU hervorzuheben, indem sie eine dringend benötigte Schnittstelle zwischen Schlüsselbranchen wie Lebensmittel und Verkehr und den Verbrauchern bilden, und dass das Plattformmodell einigen Plattformbeschäftigten ein kontinuierliches Einkommen ermöglicht hat; in der Erwägung, dass mehr als 60 % der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger angeben, dass sie auch nach der COVID-19-Krise nicht beabsichtigen, auf die Nutzung von Online-Diensten zu verzichten, einschließlich beispielsweise der Möglichkeit, Mahlzeiten online zu bestellen(24); in der Erwägung, dass unter nicht normgerechten Regelungen beschäftigte Arbeitnehmer einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind als unter normgerechten Regelungen beschäftigte Arbeitnehmer(25) und dass insbesondere Plattformbeschäftigte aufgrund der Merkmale der von ihnen ausgeübten Arbeit häufig Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt sind, wie etwa Radfahrer, die ungeschützte Verkehrsteilnehmer sind und häufig bei ungünstigen und schwierigen Witterungsverhältnissen sowie unter Geschwindigkeits- und Effizienzdruck arbeiten; in der Erwägung, dass Plattformarbeit nicht zu prekären Beschäftigungsverhältnissen, Unsicherheit oder Gesundheits- und Sicherheitsrisiken führen sollte; in der Erwägung, dass die Plattformbeschäftigten, die aufgrund der Pandemie Einkommensverluste hinnehmen mussten, häufig keinen Anspruch auf Maßnahmen zur Einkommensunterstützung hatten, was ihren mangelnden Zugang zum sozialen Schutz verdeutlicht; in der Erwägung, dass Plattformbeschäftigte, die vor Ort arbeiten, ein erhöhtes Risiko haben, sich mit COVID-19 zu infizieren;
J. in der Erwägung, dass durch die vorstehend genannten Risiken das gesamte europäische Modell der sozialen Marktwirtschaft und die Ziele der europäischen Säule sozialer Rechte gefährdet werden könnten, wenn die Risiken nicht entsprechend angegangen werden; in der Erwägung, dass durch den technologischen Fortschritt auch Lösungen für die Anpassung des europäischen Sozialmodells an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts geboten werden könnten;
K. in der Erwägung, dass digitale Arbeitsplattformen im Jahr 2019 weltweit einen Umsatz von mindestens 52 Mrd. USD erzielt haben; in der Erwägung, dass sich rund 70 % der erzielten Einnahmen auf nur zwei Länder konzentrierten, nämlich die Vereinigten Staaten (49 %) und China (22 %), während der Anteil in Europa (11 %) und anderen Regionen (18 %) wesentlich geringer war(26);
L. in der Erwägung, dass Plattformarbeit unterschiedliche Gegebenheiten umfasst und durch ein hohes Maß an Heterogenität bei den ausgeübten Tätigkeiten gekennzeichnet ist; in der Erwägung, dass es verschiedene Kategorien von Plattformarbeit – z. B. online oder vor Ort – gibt, die ein hohes oder niedriges Qualifikationsniveau erfordern, pro Aufgabe oder pro Stunde vergütet werden und als Neben- oder Hauptbeschäftigung ausgeübt werden, und dass die Profile von Plattformbeschäftigten und die Arten von Plattformen stark variieren; in der Erwägung, dass nach Angaben von Eurofound(27) im Jahr 2017 die Arbeit vor Ort in den Bereichen freiberufliche Dienstleistungen, Lieferdienste, Personenbeförderung und Haushaltsdienstleistungen die am weitesten verbreiteten Merkmale der Plattformarbeit in ausgewählten Mitgliedstaaten darstellten;
M. in der Erwägung, dass die meisten Plattformbeschäftigten noch eine zusätzliche Arbeitsstelle oder Einkommensquelle haben; in der Erwägung, dass Plattformbeschäftigte in der Regel schlecht bezahlt werden, wobei einige wenige ein relativ gutes Einkommen erzielen; in der Erwägung, dass die Arbeitnehmer in der Plattformwirtschaft tendenziell jünger sind und einen höheren Bildungsstand als die breite Bevölkerung aufweisen(28);
N. in der Erwägung, dass Plattformbeschäftigte in der Regel unabhängig von ihrer tatsächlichen Beschäftigungslage als formal selbstständig eingestuft werden, obwohl sie häufig nicht über das für Selbständige charakteristische Maß an beruflicher Unabhängigkeit verfügen; in der Erwägung, dass daher viele Plattformbeschäftigte nicht in den Genuss des gleichwertigen sozialen Schutzes, der Arbeitnehmerrechte oder der Gesundheitsschutz- und Sicherheitsvorschriften kommen, die ein Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat bietet; in der Erwägung, dass digitale Arbeitsplattformen in derartigen Fällen keine Sozialabgaben abführen; in der Erwägung, dass ein kleiner Teil der Plattformbeschäftigten den Status eines Arbeitnehmers oder eines Leiharbeitnehmers hat; in der Erwägung, dass zahlreiche gerichtliche Entscheidungen und Verwaltungsentscheidungen, auch von staatlichen Gerichten in höchster Instanz und vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), in Bezug auf Plattformarbeit vor Ort, insbesondere in den Bereichen Transport und Lebensmittellieferung in einer Reihe von Mitgliedstaaten, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Plattformen und Plattformbeschäftigten auf der Grundlage ihrer Tätigkeiten und ihrer Verbindung zu ihrer Plattform mit den daraus resultierenden Rechten und Ansprüchen bestätigt haben; in der Erwägung, dass die Arbeitnehmer über einfache Mittel verfügen sollten, um ihren Beschäftigungsstatus zu klären und zu bekräftigen, und dass sie nicht verpflichtet sein sollten, ihre Rechte durch Gerichtsverfahren geltend zu machen;
O. in der Erwägung, dass durch die falsche Einstufung einiger Plattformbeschäftigter als Selbstständige bei der Plattformarbeit Unsicherheit verursacht und den Arbeitnehmern ihr Zugang zu Arbeitnehmerrechten, sozialem Schutz, Ansprüchen und der Anwendung der einschlägigen Vorschriften verwehrt wird; in der Erwägung, dass immer mehr Bereiche wie Lieferung, Verkehr, Humanressourcen, Gesundheit, Kinderbetreuung, persönliche und haushaltsbezogene Dienstleistungen und Tourismus in Zukunft von Plattformarbeit oder ähnlichen Beschäftigungsmustern und der Digitalisierung betroffen sein dürften; in der Erwägung, dass die Entwicklung digitaler Technologien in vielen Branchen, insbesondere im Online-Handel und bei Online-Dienstleistungen, mit Chancen und Risiken für Unternehmen und Arbeitnehmer verbunden ist;
P. in der Erwägung, dass neue Formen der Arbeit nachhaltig und fair bleiben sollten und dass die Plattformarbeit von den Werten der Union, der Ethik und einem auf den Menschen ausgerichteten Ansatz geleitet werden sollte, bei dem die digitale Technologie ein Werkzeug bleibt; in der Erwägung, dass es diesbezüglich im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel von größter Bedeutung ist, alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger mit digitalen Kompetenzen auszustatten;
Q. in der Erwägung, dass ein hohes Maß an Flexibilität als einer der größten Vorteile der Plattformarbeit geschätzt wird;
R. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Ansätze entwickelt haben, was zu fragmentierten Vorschriften und Initiativen geführt hat, die sich aufgrund der daraus resultierenden Unsicherheit negativ auf Arbeitnehmer, Unternehmen, einschließlich Plattformen, und Verbraucher auswirken; in der Erwägung, dass eine Gesetzgebungsinitiative auf europäischer Ebene erforderlich ist, um die daraus resultierende Rechtsunsicherheit zu überwinden, die Rechte, die Arbeitsbedingungen und den Zugang der Plattformbeschäftigten zum sozialen Schutz sicherzustellen und zu verbessern, das Innovationspotenzial nachhaltiger Plattformarbeitsmodelle zu fördern und für gleiche Wettbewerbsbedingungen mit „traditionellen“ Wirtschaftsakteuren zu sorgen; in der Erwägung, dass die meisten Plattformen in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU tätig sind und häufig nicht in dem Land ansässig sind, in dem die von ihren Arbeitnehmern verrichteten Tätigkeiten stattfinden;
S. in der Erwägung, dass es keine Definition des Begriffs „Arbeitnehmer“ auf europäischer Ebene gibt, während im Rahmen der Rechtsprechung des EuGH Kriterien für die Bestimmung des Status eines Arbeitnehmers und eines Selbstständigen festgelegt wurden; in der Erwägung, dass die Merkmale der Beschäftigung, die eine Anerkennung als Arbeitsverhältnis oder als Arbeitsvertrag ermöglichen, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind und in die nationale Zuständigkeit fallen; in der Erwägung, dass ein besonderer „dritter Status“ für Plattformbeschäftigte den Wettbewerb zwischen digitalen Arbeitsplattformen und Unternehmen der traditionellen Wirtschaft, insbesondere KMU, weiter verzerren würde und mit den nationalen Einstufungen von Arbeitnehmern und wirklichen Selbstständigen in den Mitgliedstaaten nicht vereinbar wäre, was unvorhersehbare rechtliche, administrative und juristische Folgen hätte und die Gefahr einer Segmentierung des Arbeitsmarktes mit sich brächte; in der Erwägung, dass Plattformbeschäftigte abhängig von ihrer tatsächlichen Lage entweder als Arbeitnehmer oder als wirkliche Selbstständige eingestuft werden und in den Genuss ihrer jeweiligen Rechte und Bedingungen kommen sollten; in der Erwägung, dass eine widerlegbare Vermutung eines Arbeitsverhältnisses in Verbindung mit der Umkehr der Beweislast die korrekte Einstufung von Plattformbeschäftigten erleichtern würde, was bedeutet, dass in Fällen, in denen Arbeitnehmer die Einstufung ihres Beschäftigungsstatus in gerichtlichen Verfahren oder Verwaltungsverfahren anfechten, die Partei, bei der geltend gemacht wird, dass es sich um den Arbeitgeber handelt, beweisen muss, dass kein Arbeitsverhältnis gemäß den nationalen Definitionen, wie sie in den Rechtsvorschriften oder Tarifverträgen des jeweiligen Mitgliedstaats festgelegt sind, besteht; in der Erwägung, dass die widerlegbare Vermutung eines Arbeitsverhältnisses nicht zu einer automatischen Einstufung aller Plattformbeschäftigten als Arbeitnehmer führen darf;
T. in der Erwägung, dass die Anwendung der bestehenden Bestimmungen, insbesondere der Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen und der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, sichergestellt werden sollte;
U. in der Erwägung, dass KMU das Rückgrat der europäischen Wirtschaft sind und 99 % aller Unternehmen in der EU ausmachen;
V. in der Erwägung, dass durch Plattformarbeit geschlechtsspezifische Diskrepanzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wie das Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern und die Geschlechtertrennung in Berufen oder Branchen, reproduziert werden(29); in der Erwägung, dass Plattformarbeit eine Möglichkeit sein kann, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen; in der Erwägung, dass jedoch die Vertretung von Frauen und Männern bei den verschiedenen Arten von Dienstleistungen und Plattformen unterschiedlich ist, wobei Männer in der Plattformarbeit mit höherer Arbeitsautonomie stärker vertreten sind und Frauen eher eine prekärere Plattformarbeit mit eingeschränkter Arbeitsautonomie verrichten; in der Erwägung, dass Menschen mit erheblichen Betreuungs- und Familienpflichten daher benachteiligt sind, was insbesondere für Frauen negative Folgen haben dürfte(30); in der Erwägung, dass weibliche Plattformbeschäftigte, insbesondere Fahrerinnen und Frauen, die Reinigungs- und Pflegedienstleistungen in Privatwohnungen erbringen, dem Risiko ausgesetzt sind, Opfer von sexueller Belästigung und geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden(31), und möglicherweise davon absehen, dies zu melden, weil es keine Meldeinstrumente gibt, sie keinen Kontakt zu einem Vorgesetzten haben oder sie negative Bewertungen und den Verlust künftiger Arbeit befürchten;
W. in der Erwägung, dass Plattformarbeit seit ihrer Entstehung ein wachsendes Phänomen ist, das durch die Entwicklung digitaler Technologien in den letzten Jahren erleichtert wurde und Arbeitnehmern, Kunden und Unternehmen neue Möglichkeiten und Optionen in Bezug auf Ort, Zeit, Flexibilität und Häufigkeit ihrer Beziehungen, einschließlich der Arbeit und der Erbringung von Dienstleistungen, bietet; in der Erwägung, dass dem globalen Bericht der IAO zufolge für die Mehrheit der vor Ort tätigen Arbeitnehmer und ein Drittel der online tätigen Arbeitnehmer die Arbeit auf digitalen Arbeitsplattformen die Haupteinkommensquelle darstellt, wobei der Anteil in Entwicklungsländern und bei Frauen höher ist(32); in der Erwägung, dass sie in der EU dennoch nach wie vor einen kleinen Anteil am allgemeinen Arbeitsmarkt ausmacht, wobei schätzungsweise 11 % der Erwerbstätigen in der EU mindestens einmal Dienstleistungen über Vor-Ort- oder Online-Arbeitsplattformen erbracht haben und 1,4 % von ihnen dies 2019 als Haupttätigkeit ausübten(33); in der Erwägung, dass die Vorteile der Digitalisierung breit und gerecht zwischen Plattformen, Arbeitnehmern, Kunden und der Gesellschaft insgesamt aufgeteilt werden müssen; in der Erwägung, dass strenge Schutzmaßnahmen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die Plattformarbeit menschenwürdige Arbeitsbedingungen bietet und eine Segmentierung des Arbeitsmarktes verhindert;
X. in der Erwägung, dass Plattformen, die als Arbeitgeber auftreten, alle ihre Verpflichtungen als Arbeitgeber beachten und ihre bereichsspezifischen Zuständigkeiten einhalten müssen;
Y. in der Erwägung, dass digitale Arbeitsplattformen Instrumente wie mobile Anwendungen, Algorithmen und KI als Teil ihres Geschäftsmodells nutzen, um Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen und Arbeitnehmer in unterschiedlichem Umfang zu führen; in der Erwägung, dass das algorithmische Management neue Herausforderungen für die Zukunft der Arbeit mit sich bringt und zu Machtungleichgewichten und Undurchsichtigkeit bei der Beschlussfassung sowie zu technologiegestützter Kontrolle und Überwachung führen kann, die diskriminierende Gepflogenheiten verschärfen und Risiken für die Privatsphäre, die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer und die Menschenwürde nach sich ziehen könnten(34); in der Erwägung, dass das algorithmische Management vollständig transparent sein und unter menschlicher Aufsicht stehen muss, damit die Arbeitnehmer in der Lage sind, Entscheidungen erforderlichenfalls mittels wirksamer Verfahren anzufechten, und dass es nicht auf voreingenommenen Datensätzen in Bezug auf das Geschlecht, die ethnische Herkunft oder die sexuelle Ausrichtung beruhen darf, um jegliches Risiko der Diskriminierung bei den Ergebnissen zu verhindern; in der Erwägung, dass schutzbedürftigere Gruppen wie etwa Frauen, Minderheiten und Menschen mit Behinderungen ein höheres Risiko für eine voreingenommene Bewertung haben(35);
Z. in der Erwägung, dass die Frage der unbezahlten Arbeit in der Arbeitsumgebung der Plattformen besonders heikel ist;
AA. in der Erwägung, dass die Gründung von Genossenschaften ein wichtiges Instrument für die Bottom-up-Organisation der Plattformarbeit darstellen und den Wettbewerb zwischen den Plattformen fördern könnte;
AB. in der Erwägung, dass ein großer Bedarf an integrierten Verkehrslösungen besteht, die auf einer breiten Palette von Dienstleistungen beruhen, wobei das System und nicht seine Bestandteile in den Vordergrund gestellt wird, und in der Erwägung, dass Plattformen eine Rolle bei der Erleichterung von Mobilität als Dienstleistung (MaaS), Logistik als Dienstleistung (LaaS) und kollaborativer Mobilität spielen können; in der Erwägung, dass durch eine derartige Digitalisierung große Chancen für die Schaffung eines nachhaltigen, innovativen und multimodalen Verkehrssektors, auch durch Innovationen im öffentlichen Verkehr, eröffnet werden könnten; in der Erwägung, dass ein zukunftsorientierter Rahmen für Plattformunternehmen auch potenzielle Umwelt- und Gesundheitsbelange berücksichtigen und die Effizienz der Mobilität maximieren muss, und in der Erwägung, dass daher eine eingehende Bewertung der Umweltauswirkungen von Plattformen in den Bereichen Verkehr und Tourismus vorgenommen werden sollte, da nicht genug über ihre positiven und negativen Auswirkungen bekannt ist;
AC. in der Erwägung, dass durch die Vervielfachung der digitalen Vermittlungsplattformen und der kollaborativen Plattformen der Personen- und Güterverkehr grundlegend verändert wird, insbesondere durch die Bereitstellung neuer Dienstleistungen für Unternehmen und Einzelpersonen, die Entwicklung des multimodalen Verkehrs, die Verbesserung der Konnektivität in abgelegenen Gebieten, die Verbesserung der städtischen Mobilität oder auch die Optimierung der Verkehrsflussregelung;
AD. in der Erwägung, dass Hochgeschwindigkeits-Konnektivität – über drahtlose Verbindungen und Standverbindungen – für die weitere Entwicklung digitalisierter Verkehrsdienste von wesentlicher Bedeutung sind; in der Erwägung, dass die EU die Regulierungsstandards für die Nutzung digitaler Dienste und Produkte festlegt, wie sie es mit der DSGVO und der europäischen Digitalstrategie getan hat, aber bei der Schaffung von Wettbewerbsbedingungen für neue digitale Unternehmen und Plattformen, die sich in der EU entwickeln und wachsen sollen, zurückliegt;
Europäischer Rechtsrahmen
1. stellt fest, dass der derzeitige europäische Rahmen nicht zufriedenstellend ist, und bedauert, dass die Rechtsinstrumente der EU auf viele Plattformbeschäftigte nicht angewandt werden, da sie falsch eingestuft werden, und dass sie den neuen Gegebenheiten in der Arbeitswelt nicht hinreichend Rechnung tragen; betont, dass die Arbeitsbedingungen aller Plattformbeschäftigten, die über digitale Arbeitsplattformen tätig sind, einschließlich der wirklichen Selbstständigen, verbessert werden müssen; ist besorgt darüber, dass diese Fragmentierung viele Plattformbeschäftigte in eine rechtlich prekäre Lage bringen könnte, was dazu führt, dass diese Beschäftigten weniger oder stärker eingeschränkte Rechte genießen, als sie allen Beschäftigten garantiert werden sollten; ist der Ansicht, dass eine unzureichende Regulierung zu unterschiedlichen Auslegungen führen könnte, was zu Unvorhersehbarkeit führt, die sich wiederum negativ auf Unternehmen und Beschäftigte auswirkt;
2. stellt fest, dass die Begriffe „Beschäftigter“ und „Selbstständiger“ nicht in allen Mitgliedstaaten einheitlich definiert sind; stellt ferner fest, dass die Trennlinie zwischen diesen beiden Begriffen bei neuen Arbeitsformen manchmal unscharf ist und dass einige Selbstständige oder Beschäftigte daher Gefahr laufen, falsch eingestuft zu werden und nicht in den Genuss der ihnen gemäß ihrem Status zustehenden Rechte zu kommen; vertritt daher die Auffassung, dass Beschäftigte digitaler Plattformen dieselben Rechte und denselben Zugang zu Sozialschutz haben sollten wie nicht bei Plattformen tätige Beschäftigte derselben Kategorie, wobei die Vielfalt der nationalen Arbeitsmarktmodelle, die Autonomie der Sozialpartner und die nationalen Zuständigkeiten uneingeschränkt zu achten sind;
3. betont darüber hinaus, dass Plattformbeschäftigte, die in verschiedenen Mitgliedstaaten arbeiten oder eine reguläre Beschäftigung mit Plattformarbeit in verschiedenen Mitgliedstaaten kombinieren, für dieselbe Arbeit völlig unterschiedlichen Regelungen unterliegen können;
4. ist der Ansicht, dass diese Rechtsunsicherheit zum Wohle von Beschäftigten, Unternehmen, einschließlich Plattformen, und Verbrauchern dringend angegangen werden muss; ist der Ansicht, dass bei jedem Vorschlag die Heterogenität von Plattformen und Plattformbeschäftigten sowie die unterschiedlichen nationalen Arbeitsgesetze, Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme und die Notwendigkeit nachhaltiger Modelle für digitale Arbeitsplattformen anerkannt werden müssen und der Status von Plattformbeschäftigten, die wirkliche Selbstständige sind, zu achten ist; ist der Auffassung, dass es einen europäischen Rahmen geben sollte, der auf einer umfassenden Folgenabschätzung und der Konsultation mit einschlägigen Akteuren beruht und Plattformbeschäftigte schützt, indem ihnen menschenwürdige Arbeitsbedingungen geboten werden, während zugleich prekäre Formen der Plattformarbeit angegangen werden, und der durch nationale Rechtsvorschriften oder Tarifverträge ergänzt werden könnte; betont, dass mit den Rechtsetzungsinitiativen der EU die Innovation, die Schaffung neuer Geschäftsmodelle, Genossenschaften, Start-up-Unternehmen und KMU sowie menschenwürdige Arbeitsplätze gefördert werden sollten; betont, dass die Möglichkeiten und flexiblen Arbeitsregelungen, die digitale Arbeitsplattformen bieten, weiterhin bestehen sollten, sofern sie sich nicht nachteilig auf den sozialen Schutz und die Rechte der Beschäftigten auswirken;
5. weist darauf hin, dass Fälle falscher Einstufungen am häufigsten bei digitalen Arbeitsplattformen auftreten, die die Bedingungen und die Vergütung der Plattformarbeit direkt oder mit Hilfe eines Algorithmus strikt regeln; fordert die Kommission auf, in ihren künftigen Vorschlag eine widerlegbare Vermutung eines Arbeitsverhältnisses für alle Plattformbeschäftigten im Einklang mit den nationalen Definitionen, die in den jeweiligen Rechtsvorschriften oder Tarifverträgen der Mitgliedstaaten festgelegt sind, aufzunehmen, um die korrekte Einstufung von Plattformbeschäftigten zu erleichtern, in Kombination mit der Umkehr der Beweislast und möglichen zusätzlichen Maßnahmen; betont, dass somit die Partei, bei der geltend gemacht wird, dass es sich um den Arbeitgeber handelt, nachweisen muss, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt, wenn Plattformbeschäftigte die Einstufung ihres Beschäftigungsstatus in gerichtlichen Verfahren bei einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anfechten; betont, dass die widerlegbare Vermutung eines Arbeitsverhältnisses nicht dazu führen darf, dass automatisch alle Plattformbeschäftigten als Beschäftigte eingestuft werden; ist der Auffassung, dass die Einstufung von Beschäftigten sich auf Fakten stützen sollte, die die tatsächliche Arbeitsleistung betreffen, und auf Kriterien, die mit den nationalen Rechtsvorschriften im Einklang stehen, und nicht auf die Beschreibung des Verhältnisses durch die Parteien; betont, dass mit einer derartigen widerlegbaren Vermutung sichergestellt wird, dass Beschäftigte, die wirkliche Selbstständige sind, dies bleiben können und weiterhin über Plattformen auf Arbeit zugreifen können; fordert die Kommission ferner auf, klarzustellen, dass die Einführung eines neuen sogenannten dritten Status der EU zwischen Beschäftigten und Selbstständigen nicht in Betracht zu ziehen ist, da dies nicht zur Lösung der derzeitigen Probleme beitragen würde und die Gefahr birgt, dass bereits unklare Begriffe weiter verwischt werden, und im Einklang mit dem nationalen Recht sicherzustellen, dass jeder Plattformbeschäftigte entweder als Beschäftigter oder als Selbstständiger eingestuft wird;
6. betont, dass die Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene bei weitem nicht mit der Geschwindigkeit mithalten kann, mit der sich der digitale Wandel entwickelt, was zu einem Mangel an Regulierung in Bezug auf neue Beschäftigungsmethoden führt, mit direkten Auswirkungen auf die Rechte der Beschäftigten und das Funktionieren von Online-Plattformen;
7. betont, dass jede Regulierung in Bezug auf Online-Plattformen angesichts der bestehenden Unterschiede zwischen den Plattformen, von der Anzahl der Beschäftigten bis hin zum Umfang, in dem sie die Rechte der Beschäftigten abdecken, das Subsidiaritätsprinzip und die unterschiedlichen Ansätze der Mitgliedstaaten achten sowie dem Test der Zeit und dem digitalen Wandel standhalten muss;
8. begrüßt die Absicht der Kommission, bis Ende 2021 einen Vorschlag für eine Rechtsetzungsinitiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten vorzulegen, die in dem Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte angekündigt wurde und der eine zweistufige Anhörung der Sozialpartner vorausgegangen ist; fordert die Kommission auf, für den Fall, dass die Sozialpartner nicht den Wunsch äußern, das in Artikel 155 AEUV vorgesehene Verfahren einzuleiten, und auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus den öffentlichen Anhörungen einen Vorschlag für eine Richtlinie zu Plattformbeschäftigten vorzulegen, um die Rechte aller Plattformbeschäftigten sicherzustellen und die Besonderheiten von Plattformarbeit anzugehen, um für faire und transparente Arbeitsbedingungen zu sorgen, ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld sicherzustellen, Zugang zu angemessenem und transparentem sozialen Schutz zu bieten sowie zu dem Vereinigungsrecht, dem Recht, unter anderem Gewerkschaften zu gründen, diesen frei beizutreten und sich durch sie vertreten zu lassen und Tarifverträge auszuhandeln, Zugang zu Ausbildung und Fähigkeiten zu bieten, Datenschutz im Einklang mit der DSGVO und eine transparente, ethische und nicht diskriminierende algorithmische Verwaltung sicherzustellen und zugleich für gleiche Wettbewerbsbedingungen in allen Mitgliedstaaten zu sorgen und ein berechenbares und stabiles Geschäftsumfeld zu schaffen, das Investitionen und Innovation fördert;
9. fordert die Kommission auf, den Status digitaler Arbeitsplattformen entweder als Arbeitgeber, (Zeit-)Arbeitsvermittler oder Vermittler in Verbindung mit ihrem Tätigkeitsbereich anzuerkennen, um sicherzustellen, dass alle Verpflichtungen, die mit einem bestimmten Status verbunden sind, unter anderem in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge, Verantwortung für Gesundheit und Sicherheit, Haftung für Einkommensteuerzahlungen, Sorgfaltspflicht und soziale Verantwortung von Unternehmen, erfüllt werden und gleiche Wettbewerbsbedingungen mit anderen in dieser Branche tätigen Unternehmen gewahrt werden können;
10. betont, dass es notwendig ist, mithilfe einer Richtlinie besser gegen Scheinselbstständigkeit vorzugehen, um auch Plattformbeschäftigte abzudecken, die beruhend auf der tatsächlichen Arbeitsleistung und nicht auf der Beschreibung des Verhältnisses durch die Parteien die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverhältnis erfüllen;
11. betont, dass sich die wesentlichen Auswirkungen von Online-Plattformen nicht auf die Vorteile beschränken, die den Verbrauchern geboten werden, sondern dass es sich vielmehr um weitreichende Auswirkungen handelt, die die gesamte Lieferkette, einschließlich Lieferanten, Herstellern, Vertriebsunternehmen und Verbrauchern, betreffen und entsprechend berücksichtigt werden müssen, wenn die Gesetzgebung diskutiert wird;
Faire und transparente Arbeitsbedingungen
12. fordert die Kommission auf, bei der Prüfung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
–
sicherzustellen, dass die Rahmen für Tarifverhandlungen ordnungsgemäß funktionieren und wirksam sind, und
–
das Verbot von Ausschließlichkeitsklauseln besser umzusetzen und im Einklang mit der Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen dafür zu sorgen, dass alle Plattformbeschäftigten für verschiedene Plattformen arbeiten dürfen (Multi-Apping) und nicht aufgrund dessen benachteiligt werden;
–
die Übertragbarkeit von Zertifizierungen und Kompetenzen sicherzustellen und die Interoperabilität von Bewertungen über Plattformen hinweg zu fördern;
–
die Rechte im Fall einer Einschränkung, Sperre oder Kündigung durch die Plattform zu verbessern, indem sichergestellt wird, dass alle Plattformbeschäftigten das Recht auf eine vorherige begründete Erklärung und, falls diese angefochten wird, ein Recht auf Gegendarstellung und auf wirksame und unparteiische Streitbeilegung haben mit der Möglichkeit, erneut für Regelkonformität zu sorgen oder die Erklärung zu widerlegen, auch im Fall kollektiver Ansprüche;
–
den derzeitigen Mangel an Transparenz zu beheben, indem unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen im Einklang mit der Richtlinie (EU) 2016/943(36), insbesondere der Erwägungen 13 und 18 sowie der Artikel 3 und 5, die Bereitstellung wesentlicher Informationen sichergestellt wird, was die Arbeitsbedingungen, die Regeln für die Zusammenarbeit, die Methode zur Berechnung des Preises oder der Gebühr, die Zuweisung von Aufgaben und die Transparenz im Fall einer Änderung der Bedingungen und Verfahren für eine vorübergehende oder dauerhafte Deaktivierung, der gegebenenfalls eine Konsultation vorausgehen sollte, anbelangt; ist der Ansicht, dass die vorstehend genannte Mitteilung den Beschäftigten und ihren Vertretern im Einklang mit den bestehenden europäischen und nationalen Rechtsvorschriften über Arbeitnehmerrechte auf klare, umfassende und leicht zugängliche Weise zugänglich gemacht werden sollte;
–
bei der Verwendung von KI die Transparenz von Plattformen in Bezug auf die Art, wie die KI verwendet wird, und die algorithmischen Parameter, die die Arbeitsbedingungen beeinflussen, insbesondere im Hinblick auf die Verteilung von Aufgaben, Bewertungen und Interaktionen, sowie die Bereitstellung verständlicher und aktueller Informationen über die Funktionsweise des Algorithmus im Hinblick auf die Art und Weise der Zuweisung von Aufgaben, der Vergabe von Bewertungen, des Deaktivierungsverfahrens und der Preisgestaltung sicherzustellen; zu berücksichtigen, dass Algorithmen immer unter menschlicher Aufsicht stehen müssen und dass ihre Entscheidungen rechenschaftspflichtig, anfechtbar und gegebenenfalls reversibel sein müssen;
–
die Möglichkeit zu prüfen, plattforminterne, optionale und leicht zugängliche Funktionen zu schaffen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, einander auf private und sichere Weise zu ermitteln und miteinander zu kommunizieren, wenn sie dies wünschen;
13. fordert die Kommission auf, zu prüfen, inwieweit die geltenden Vorschriften der Union auf den digitalen Arbeitsmarkt anwendbar sind, und sicherzustellen, dass sie ordnungsgemäß umgesetzt und durchgesetzt werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und anderen einschlägigen Interessenträgern auf eigene Initiative und vorausschauend zu bewerten, ob geltende Rechtsvorschriften, etwa Systeme der sozialen Sicherheit, modernisiert werden müssen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten und gleichzeitig den Schutz der Arbeitnehmer sicherzustellen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Systeme der sozialen Sicherheit aufeinander abzustimmen, um die Übertragbarkeit von Leistungen und die Zusammenrechnung der berücksichtigten Zeiträume gemäß den Rechtsvorschriften der Union und den nationalen Rechtsvorschriften sicherzustellen;
Eine gesunde und sichere Arbeitsumgebung
14. betont, dass Plattformbeschäftigte größeren Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt sein können, sowohl bei der Plattformarbeit vor Ort (z. B. Verkehrsunfälle oder körperliche Verletzungen durch Maschinen oder Chemikalien) als auch bei der Online-Plattformarbeit (z. B. im Zusammenhang mit der Ergonomie von Computerarbeitsplätzen), die sich nicht nur auf die körperliche Gesundheit beschränken, sondern sich auch auf die psychosoziale Gesundheit auswirken können, wobei unvorhersehbare Arbeitszeiten, die Intensität der Arbeit, ein wettbewerbsorientiertes Umfeld (Bewertungssysteme, Arbeitsanreize durch Prämien), Informationsüberlastung und Isolation als aufkommende Risikofaktoren gelten; betont, dass in dem Vorschlag der Kommission im Einklang mit dem europäischen Rechtsrahmen für Gesundheitsschutz und Sicherheit auf den Gesundheitsschutz und die Sicherheit von Plattformbeschäftigten am Arbeitsplatz eingegangen werden muss, und dass es ihnen ermöglicht werden muss, im Einklang mit der Umsetzung der Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über die Digitalisierung ihre Rechte, einschließlich des Rechts auf Nichterreichbarkeit, wahrzunehmen, ohne deshalb benachteiligt zu werden; betont, dass alle Plattformbeschäftigten vor Ort mit angemessener persönlicher Schutzausrüstung ausgestattet sein müssen und dass für diejenigen, die im Transport- und Lieferbereich tätig sind, eine Unfallversicherung sichergestellt sein muss; hebt hervor, dass digitale Arbeitsplattformen Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen, um Plattformbeschäftigte vor Gewalt und Belästigung, einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt, zu schützen, und wirksame Meldemechanismen einrichten müssen;
15. ist der Auffassung, dass alle Plattformbeschäftigten bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten Anspruch auf Entschädigung haben sollten und dass sie sozialen Schutz, einschließlich einer Kranken- und Invaliditätsversicherung, erhalten sollten; begrüßt in diesem Zusammenhang die Initiativen einiger digitaler Arbeitsplattformen, in einem ersten Schritt Versicherungen anzubieten sowie Maßnahmen im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz bereitzustellen, bis ein rechtlicher Rahmen geschaffen ist, und betont, dass Tarifverträge in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag leisten können;
Angemessener und transparenter sozialer Schutz
16. ist der festen Überzeugung, dass die formale und wirksame Abdeckung, Angemessenheit und Transparenz der Systeme des sozialen Schutzes für alle Beschäftigten, einschließlich der Selbstständigen, gelten sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlung des Rates vom 8. November 2019 zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige vollständig und unverzüglich umzusetzen und Maßnahmen zu treffen, um den Sozialschutz von Plattformbeschäftigten sicherzustellen; fordert die Kommission auf, die diesbezüglichen Fortschritte der Mitgliedstaaten im Rahmen der länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters zu prüfen;
17. weist darauf hin, dass der soziale Schutz ein solidarisches Sicherheitsnetz ist, das nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt von Nutzen ist; betont, dass Plattformbeschäftigte bei der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen und der Qualifizierung für Sozialversicherungsleistungen vor besonderen Herausforderungen stehen, was sich wiederum auf ihre künftigen Aussichten und die finanzielle Tragfähigkeit und Solidarität der Sozialversicherungssysteme auswirkt; vertritt die Auffassung, dass Plattformbeschäftigte im Einklang mit ihrem Status Zugang zu allen Zweigen der sozialen Sicherheit haben sollten; weist insbesondere darauf hin, wie wichtig es ist, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zu Sozialschutz für selbstständige Plattformbeschäftigte , einschließlich Personen, die von einem Status in einen anderen wechseln oder beide Status haben, sicherstellen und erforderlichenfalls ausweiten, um die Übertragbarkeit erworbener sozialer Rechte und Ansprüche und für Systeme, die Leistungen bei Mutterschaft und gleichwertige Elternleistungen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Unfällen, Langzeitpflege, Invalidität und Krankheit, Gesundheitsleistungen und Altersleistungen umfassen, sicherzustellen;
Recht auf Vertretung und Kollektivverhandlungen
18. stellt fest, dass es sich bei der Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf Kollektivverhandlungen um Grundrechte für alle Beschäftigten handelt, und ist der Ansicht, dass mit einer Richtlinie über Plattformbeschäftigte sichergestellt werden sollte, dass diese Rechte wirksam sind, vollständig angewandt und durchgesetzt werden; ist besorgt über das Auftreten unausgewogener und asymmetrischer Beziehungen zwischen digitalen Arbeitsplattformen und Beschäftigten, die häufig nicht über die individuelle Verhandlungsmacht verfügen, um gerechte Arbeitsbedingungen auszuhandeln; stellt ferner fest, dass es auch praktische Probleme gibt, wie das Fehlen gemeinsamer Kommunikationsmittel und Möglichkeiten, online oder persönlich zusammenzutreffen, was eine kollektive Vertretung in der Praxis verhindern kann; weist darauf hin, dass innovative Konzepte das Potenzial bieten, mithilfe digitaler Lösungen neue Wege für sozialen Dialog und Organisation zu eröffnen; fordert die Kommission auf, solche Hindernisse in ihrem Vorschlag anzugehen; betont, dass Plattformbeschäftigte und Plattformen angemessen organisiert und vertreten sein müssen, um den sozialen Dialog und die Kollektivverhandlungen zu erleichtern;
19. hebt hervor, dass genossenschaftliche Rechtsformen ein wichtiges Instrument für die von unten nach oben ausgerichtete Organisation von Plattformarbeit sein könnten, was sich auch positiv auf die interne Demokratie und die Ermächtigung der Arbeitnehmer auswirken kann;
20. bedauert die rechtlichen Schwierigkeiten bei der kollektiven Vertretung von Plattformbeschäftigten und ist sich bewusst, dass Soloselbstständige generell als „Unternehmen“ gelten und als solche dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen unterliegen; nimmt in diesem Zusammenhang die von der Kommission veröffentlichte Folgenabschätzung in der Anfangsphase zur Kenntnis(37), sowie die Initiative zur Beseitigung dieses Hindernisses, die zusätzlich zu der Rechtsetzungsinitiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten geplant ist, wobei bestehende Tarifverhandlungssysteme geachtet werden; vertritt die Auffassung, dass das Wettbewerbsrecht der EU die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, einschließlich der Festlegung der Vergütung, und des sozialen Schutzes von soloselbstständigen Plattformbeschäftigten durch Kollektivverhandlungen nicht behindern darf, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, klarzustellen, dass Tarifverträge nicht in den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts fallen, um sicherzustellen, dass sie sich gewerkschaftlich organisieren und Tarifverhandlungen führen können, und um ein besseres Gleichgewicht der Verhandlungsmacht und einen faireren Binnenmarkt sicherzustellen;
Ausbildung und Fähigkeiten
21. hebt die Bedeutung von Schulungen hervor und betont, dass insbesondere digitale Arbeitsplattformen Schulungen für Plattformbeschäftigte in der Nutzung ihrer Website oder der Anwendung, in Bezug auf die ausgeführten Aufgaben und im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz bereitstellen sollten; betont ferner, dass Plattformbeschäftigten, insbesondere den geringer qualifizierten, von den Plattformen Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen zur Qualifizierung und Umschulung angeboten werden sollte, mit denen sie ihre Beschäftigungsfähigkeit und ihre berufliche Laufbahn verbessern können; fordert die Erleichterung der Anerkennung, Validierung und Übertragbarkeit von erworbenen Kenntnissen im Bereich des nicht formalen und informellen Lernens, aber auch bei der Anerkennung der Fähigkeiten, die im Rahmen der Plattformarbeit erworben wurden; ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass Plattformbeschäftigten, die an einer derartigen Fortbildung teilgenommen haben, eine Art „Erfahrungsbescheinigung“ ausgestellt werden sollte, die auf individuelle Lernkonten hochgeladen werden könnte; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, die Aus- und Weiterbildung von Plattformbeschäftigten in den anstehenden Vorschlägen für ein europäisches Konzept für Microcredentials und individuelle Lernkonten zu berücksichtigen; weist auf einige strategische Partnerschaften hin, die von Plattformen eingerichtet wurden, um den Zugang zu Schulungen für Plattformbeschäftigte sicherzustellen (z. B. Sprachkurse, personalisiertes Coaching und Video-Coaching), damit sie die nächsten Schritte in ihrer beruflichen Laufbahn unternehmen können; ist der Meinung, dass derartige bewährte Verfahren auf allen Plattformen und in allen Branchen durchgängig angewandt werden sollten;
22. betont, dass digitale Kompetenzen äußerst wichtig sind; ist der Auffassung, dass Investitionen in die berufliche Ausbildung und das lebenslange Lernen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass Beschäftigte die geeigneten Kompetenzen für das digitale Zeitalter erhalten; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung an den digitalen Arbeitsmarkt anzupassen, um digitale Kompetenzen und Fähigkeiten sowie das Unternehmertum zu fördern; hebt hervor, dass die Arbeitsplattformwirtschaft sich bisher vor allem in städtischen Gebieten entwickelt hat; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, um gegen die digitale Kluft vorzugehen und den Zugang zu digitalen Diensten für alle sicherzustellen; betont vor diesem Hintergrund, dass der Ausbau von 5G-Breitbandnetzen im ländlichen Raum wichtig ist;
23. betont, dass im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten sichergestellt werden muss, dass Plattformbeschäftigte den gleichen Zugang zum lebenslangen Lernen haben wie Beschäftigte in der traditionellen Wirtschaft, und dass dabei die Innovation bestärkt, wettbewerbsfähiges und integratives Wachstum gefördert und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen sichergestellt werden müssen;
Algorithmen und Datenverwaltung
24. ist der Ansicht, dass der Einsatz von Algorithmen bei der Arbeit für alle Beschäftigten transparent, nicht diskriminierend, vertrauenswürdig und ethisch vertretbar sein sollte; betont, dass die algorithmische Transparenz und die Nichtdiskriminierung für die Zuweisung und Verteilung von Aufgaben, die Preisfestlegung, die Werbung, Bewertungen und Interaktionen gelten sollten; weist ferner darauf hin, dass algorithmische Verwaltungsfunktionen, insbesondere die Zuweisung von Aufgaben, Bewertungen, Deaktivierungsverfahren und die Preisgestaltung, sowie Änderungen daran verständlich erklärt und auf klare und aktuelle Weise vermittelt werden und Teil des sozialen Dialogs sein sollten, wobei Geschäftsgeheimnisse im Einklang mit der Richtlinie (EU) 2016/943, insbesondere den Erwägungen 13 und 18 sowie den Artikeln 3 und 5 zu achten sind; betont, dass alle algorithmischen Entscheidungen ethisch vertretbar, rechenschaftspflichtig, anfechtbar und gegebenenfalls reversibel sein müssen, und betont, dass regelmäßige Kontrollen durch die zuständigen Behörden in dieser Hinsicht wichtig sind, um zu verhindern, dass KI fehlerhafte Ergebnisse liefert; bekräftigt, dass alle algorithmischen Entscheidungen, wie in Artikel 22 Absatz 1 der DSGVO festgelegt, mit dem Recht vereinbar sein müssen, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, was bedeutet, dass es eine menschliche Aufsicht geben muss; betont, dass Anreizverfahren, wie Sonderboni, oder bestrafende Praktiken, etwa solche, bei denen sich Bewertungen auf die Arbeitszeit auswirken oder die Zuweisung von weniger Arbeit zur Folge haben, nicht zu riskantem Verhalten oder Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, auch in Bezug auf die psychische Gesundheit, führen dürfen; vertritt die Auffassung, dass es sich bei diskriminierungsfreien Algorithmen um Algorithmen handelt, bei denen geschlechtsspezifische, rassistische und sonstige soziale Verzerrungen im Hinblick auf die Auswahl und Behandlung verschiedener Gruppen vermieden und Ungleichheiten und Stereotypen nicht verstärkt werden;
25. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen angemessenen Schutz der Rechte und des Wohlergehens von Plattformbeschäftigten, etwa der Nichtdiskriminierung, der Privatsphäre, der Autonomie und der Menschenwürde, bei der Nutzung von KI und algorithmischer Verwaltung, einschließlich Prognose- und Kennzeichnungsinstrumenten zur Vorhersage des Verhaltens, Echtzeitüberwachung von Fortschritten, Leistungs- und Zeiterfassungssoftware, automatisierter Verhaltensstupser und unzulässiger Überwachungspraktiken, sicherzustellen; betont, dass Beschäftigte immer informiert und konsultiert werden sollten, bevor derartige Instrumente und Verfahren eingesetzt werden; ist der Auffassung, dass die Schulung der Entwickler von Algorithmen in den Bereichen Ethik, Transparenz und Antidiskriminierung gefördert werden sollte;
26. ist besorgt über die unzureichende Wahrung der Rechte des geistigen Eigentums für kreative Werke von selbstständigen Plattformbeschäftigten und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dieses Problem anzugehen und eine ordnungsgemäße Durchsetzung der geltenden Rechtsvorschriften sicherzustellen;
27. ist der Ansicht, dass Beschäftigte über Kundenbewertungen informiert werden sollten; betont, dass Beschäftigte das Recht haben sollten, eine Nichtzahlung anzufechten und diese Anfechtung durch einen Mitarbeiter der Plattform überprüfen zu lassen;
28. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass die Wartezeit und die Bereitschaft auf der Plattform für Plattformbeschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, als Arbeitszeit gilt;
29. weist darauf hin, dass im Rahmen aller Online-Plattformen dafür gesorgt werden muss, dass das EU-Recht, unter anderem im Bereich Nichtdiskriminierung und Datenschutz uneingeschränkt geachtet wird; betont, dass Plattformbeschäftigte und mit deren Zustimmung ihre Vertreter vollen Zugang zu allen Daten haben sollten, die ihre eigenen Aktivitäten betreffen, verstehen sollten, wie ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden, über jede Einstufung oder Bewertung des Beschäftigten durch die Plattform, die dessen Beschäftigungs- oder Arbeitsbedingungen beeinflussen könnte, informiert werden und das Recht haben sollten, ihre Bewertungen zu exportieren; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Plattformbeschäftigte das in den Artikeln 20 und 88 der DSGVO verankerte wirksame Recht auf Datenübertragbarkeit haben; ist der Ansicht, dass die Möglichkeit eines übertragbaren Zertifikats für Fähigkeiten, Rückmeldungen von Kunden und Reputationsbewertungen, das einander ähnliche Plattformen untereinander anerkennen, geprüft werden sollte;
30. weist darauf hin, dass der Charakter von Plattformarbeit und das Fehlen eines festgelegten Arbeitsplatzes zur Untervermietung von Arbeitskonten und nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit führen können; ist der Meinung, dass zuverlässige Verfahren zur Verifizierung der Identität des Plattformnutzers sichergestellt sein sollten, ohne dass es verpflichtend ist, biometrische Daten zu verarbeiten;
31. hebt hervor, dass potenzielle Effizienzvorteile von Online-Arbeitsplattformen gegenüber dem traditionellen Arbeitsmarkt auf einem fairen Wettbewerb beruhen sollten; betont, dass im Hinblick auf die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen der Arbeitsplattform und traditionellen Unternehmen, insbesondere KMU, die Plattformwirtschaft wie jede andere Wirtschaft Steuern und Sozialbeiträge zahlen und die Arbeits- und Sozialgesetzgebung einhalten muss; hebt hervor, dass die entsprechenden Maßnahmen erforderlichenfalls angepasst werden müssen;
32. verlangt von der Kommission, dafür zu sorgen, dass Plattformbeschäftigte und alle Beschäftigten in ähnlichen Beschäftigungsformen, die durch technologische Innovationen ermöglicht werden, in die Vorschläge zur Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer (European social security number, ESSN) einbezogen werden und dass die Regeln für eine faire Mobilität in diskriminierungsfreier Weise auf Plattformarbeit angewendet werden;
33. stellt fest, dass die Arbeitsplattformwirtschaft für soziale Zwecke genutzt werden kann; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sozialwirtschaftliche Modelle in der Arbeitsplattformwirtschaft zu fördern und sich diesbezüglich über bewährte Verfahren auszutauschen, da sich soziale Unternehmen während der COVID-19-Krise als widerstandsfähig erwiesen haben;
Weitere Empfehlungen
34. weist darauf hin, dass eine beträchtliche Anzahl von Plattformen an der Umsetzung interner Regelungen und Programme arbeitet, um ein sichereres Umfeld für ihre Arbeitnehmer zu schaffen, und ist der Ansicht, dass solche Verfahren durch EU-Maßnahmen und nationale Maßnahmen in diesem Bereich bestärkt werden sollten; fordert die Kommission auf, in Erwägung zu ziehen, nach einer eingehenden Folgenabschätzung ein europäisches Gütesiegel einzuführen, das Plattformen verliehen würde, die bewährte Verfahren für Plattformbeschäftigte umsetzen, damit Nutzer, Arbeitnehmer und Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen können, und das Plattformen mit guten Arbeitsbedingungen auf der Grundlage von Tarifverträgen und einem hohen Maß an Transparenz hervorheben würde;
35. weist darauf hin, dass die Daten über die Anzahl der Plattformbeschäftigten sowie deren Verteilung auf die einzelnen Sektoren immer noch lückenhaft sind; fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten robuste und vergleichbare Daten über Plattformbeschäftigte zu erheben, um eine genauere Vorstellung vom Ausmaß der Aktivität digitaler Arbeitsplattformen zu erhalten und das Wissen über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Plattformbeschäftigten, u. a. ihre soziale Absicherung und ihre Einkommensspanne, zu vertiefen;
36. fordert die nationalen öffentlichen Arbeitsverwaltungen und das Netzwerk des Europäischen Portals zur beruflichen Mobilität (EURES) auf, in Bezug auf die von den Arbeitsplattformen gebotenen Möglichkeiten besser zu informieren;
37. fordert die Mitgliedstaaten auf, Anreize für innovative Formen der Plattform zu fördern, die im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten stehen, und fordert die Kommission auf, hochwertige Arbeitsbedingungen in ihrem bevorstehenden Rechtsrahmen zur Geltung kommen zu lassen und für die Beibehaltung der Flexibilität bei gleichzeitiger Wahrung der Arbeitnehmerrechte zu sorgen;
38. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass Plattformbeschäftigte die Möglichkeit haben, Arbeitsaufträge abzulehnen, die einen Zeitpunkt außerhalb der Referenzstunden und ‑tage betreffen oder über die sie nicht im Einklang mit der Mindestankündigungsfrist informiert wurden, ohne dass ihnen aufgrund dieser Ablehnung negative Konsequenzen drohen;
39. fordert zugleich die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, innovative, wirksame und gesellschaftlich vorteilhafte grenzüberschreitende Lösungen in Erwägung zu ziehen, mit denen für Sozialschutz gesorgt wird;
40. betont, dass die Gewährleistung der Achtung der Arbeitnehmerrechte ein wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Tourismuspolitik ist; hebt die immer wichtigere Rolle digitaler Plattformen und der Datenerfassung in der Tourismusbranche hervor; betont daher, dass die Erhebung von Daten zu Plattformbeschäftigten eine grundlegende Rolle bei der Verwirklichung wirklich nachhaltiger Tourismusprojekte spielen wird, mit denen zum einen sichergestellt wird, dass Investitionen und Arbeitsplätze im Bereich Tourismus lokalen Gemeinschaften und Arbeitnehmern zugutekommen, und zum anderen eine gerechte Verteilung der Gewinne ermöglicht wird;
41. weist darauf hin, dass Frauen nur 22 % der Arbeitnehmer im Verkehrssektor ausmachen und auch eine Minderheit der Plattformbeschäftigten im Verkehrs- und Tourismussektor stellen, wobei es vereinzelte Hinweise darauf gibt, dass weibliche Plattformbeschäftigte im Verkehrssektor zu schlechteren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen tätig sind als ihre männlichen Kollegen;
o o o
42. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Studie – „The platform economy and precarious work“ (Die Plattformwirtschaft und prekäre Arbeitsverhältnisse), Europäisches Parlament, Generaldirektion Interne Politikbereiche, Fachabteilung A – Wirtschaft, Wissenschaft und Lebensqualität, 11. September 2020.
Studie – „Der soziale Schutz der Arbeitnehmer in der Plattformwirtschaft“, Europäisches Parlament, Generaldirektion Interne Politikbereiche, Fachabteilung A – Wirtschaft, Wissenschaft und Lebensqualität, 7. Dezember 2017.
Studie – „Data subjects, digital surveillance, AI and the future of work“ (Datensubjekte, digitale Überwachung, KI und die Zukunft der Arbeit), Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, Referat Wissenschaftliche Vorausschau, 23. Dezember 2020.
Howard, J., Nonstandard work arrangements and worker health and safety (Nicht normgerechte Arbeitsregelungen und Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer), American Journal of Industrial Medicine, Band 60, Ausgabe 1, 2016, S. 1–10.
IAO, „World Employment and Social Outlook 2021“ (Weltweiter Beschäftigungs- und Sozialausblick 2021), „The role of digital labour platforms in transforming the world of work“ (Die Rolle digitaler Arbeitsplattformen bei der Umgestaltung der Arbeitswelt), S. 20.
21 Studie – „Der soziale Schutz der Arbeitnehmer in der Plattformwirtschaft“, Europäisches Parlament, Generaldirektion Interne Politikbereiche, Fachabteilung A – Wirtschaft, Wissenschaft und Lebensqualität, 7. Dezember 2017, S. 34, https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2017/614184/IPOL_STU(2017)614184_EN.pdf.
25 IAO, „World Employment and Social Outlook 2021: The role of digital labour platforms in transforming the world of work“ (Weltweiter Beschäftigungs- und Sozialausblick 2021: Die Rolle digitaler Arbeitsplattformen bei der Umgestaltung der Arbeitswelt), S. 22.
26 Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission, „Platform workers in Europe: Evidence from the COLLEEM survey“ (Plattformbeschäfigte in Europa: Beweise aus der COLLEEM-Erhebung) (2018) und „New evidence on platform workers in Europe: Results from the second COLLEEM survey“ (Neue Erkenntnisse über Plattformbeschäftigte in Europa: Ergebnisse der zweiten COLLEEM-Erhebung) (2020).
27 „Workplace Monitoring & Surveillance“ (Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz), „Data & Society“, Mateescu, A., Nguyen, A., Erläuterungen: Februar 2019.
Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1).
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu dem Thema „Fischer für die Zukunft: eine neue Generation von Arbeitskräften für die Fischerei gewinnen und Arbeitsplätze in Küstengemeinschaften schaffen“ (2019/2161(INI))
– gestützt auf Artikel 3 Absätze 2 und 3 des Vertrags über die Europäische Union, Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben a, d und k sowie die Artikel 9, 153 und 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– gestützt auf Artikel 349 AEUV,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. Oktober 2017 mit dem Titel „Eine verstärkte und erneuerte Partnerschaft mit den Gebieten in äußerster Randlage der EU“ (COM(2017)0623),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2017/159 des Rates vom 19. Dezember 2016 zur Durchführung der Vereinbarung über die Durchführung des Übereinkommens über die Arbeit im Fischereisektor von 2007 der Internationalen Arbeitsorganisation, die am 21. Mai 2012 zwischen dem Allgemeinen Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Europäischen Union (COGECA), der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) und der Vereinigung der nationalen Verbände von Fischereiunternehmen in der Europäischen Union (Europêche) geschlossen wurde(1),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik(2),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 25. September 2019 zum Thema „Die soziale Dimension der Fischerei“ (Sondierungsstellungnahme)(3),
– unter Hinweis auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ),
– unter Hinweis auf das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS-Übereinkommen),
– unter Hinweis das Übereinkommen über die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen zur Errichtung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO),
– unter Hinweis auf das Internationale Übereinkommen von Torremolinos von 1977 über die Sicherheit von Fischereifahrzeugen,
– unter Hinweis auf das Torremolinos-Protokoll von 1993 und das Übereinkommen von Kapstadt von 2012 zur Aktualisierung und Änderung des Übereinkommens von Torremolinos,
– unter Hinweis auf das Internationale Übereinkommen von 1995 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst für Personal an Bord von Fischereifahrzeugen (STCW-F-Übereinkommen),
– unter Hinweis auf das Fischerei-Rundschreiben Nr. 966 der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von 2001 mit dem Titel „Safety at sea as an integral part of fisheries management“ (Sicherheit auf See als integraler Bestandteil der Fischereiwirtschaft),
– unter Hinweis auf den Bericht der FAO mit dem Titel „The State of World Fisheries and Aquaculture 2020“ (Der weltweite Zustand der Fischerei und Aquakultur 2020),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen Nr. 188 der IAO von 2007 über die Arbeit im Fischereisektor,
– unter Hinweis auf die Freiwilligen Leitlinien der IMO von 2005 für den Entwurf, den Bau und die Ausrüstung kleiner Fischereifahrzeuge,
– unter Hinweis auf den Bericht von Europêche, COGECA „Fischerei“ und der ETF vom Dezember 2000 mit dem Titel „Mutual Recognition of Certificates in the Sea Fishing Sector in Europe“ (Gegenseitige Anerkennung von Zertifikaten im Bereich der Seefischerei in Europa) (der Bénodet-Bericht),
– unter Hinweis auf den jährlichen Überblick der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) über Unfälle und Vorkommnisse auf See für das Jahr 2019,
– unter Hinweis auf den Bericht des Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschusses für die Fischerei (STECF) vom 26. September 2019 mit dem Titel „Social data in the EU fisheries sector“ (Sozialdaten in der Fischereibranche der EU) (STECF 19-03),
– unter Hinweis auf den Jahreswirtschaftsbericht 2019 des STECF über die Fischereiflotte der EU (STECF 19-06) und den Jahreswirtschaftsbericht 2020 des STECF über die Fischereiflotte der EU (STECF 20-06),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der im Juli 2018 veröffentlichten Studie der Fachabteilung Struktur- und Kohäsionspolitik des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Training of Fishers“ (Ausbildung von Fischern),
– unter Hinweis auf die im Oktober 2020 veröffentlichte eingehende Analyse der Fachabteilung Wirtschaft, Wissenschaft und Lebensqualität des Parlaments mit dem Titel „The scope of EU labour law: Who is (not) covered by key directives?“ (Der Anwendungsbereich des EU-Arbeitsrechts: Wer wird von den wichtigsten Richtlinien (nicht) erfasst?),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 27. Februar 2014 zu spezifischen Maßnahmen in der Gemeinsamen Fischereipolitik für die Entwicklung der Rolle der Frauen(4),
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten,
– unter Hinweis auf den Bericht des Fischereiausschusses (A9-0230/2021),
A. in der Erwägung, dass mit der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) dafür gesorgt werden muss, dass Fischerei und Aquakultur auf lange Sicht sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig sind, und dass dieses Ziel weiterhin verfolgt werden muss, um die Attraktivität der Branche für die Arbeitskräfte zu erhalten; in der Erwägung, dass zur Erreichung der sozialen Nachhaltigkeit die Arbeitsbedingungen, die Gesundheit und Sicherheit, die Ausbildung, die soziale Inklusion und ein angemessener Lebensstandard in die Fischereipolitik integriert und durch die Fischereipolitik verbessert werden sollten; in der Erwägung, dass in vielen Fischereigemeinden und -regionen der EU die soziale Bedeutung der Bereiche Fischerei und Aquakultur ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Beitrag überwiegt;
B. in der Erwägung, dass die Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit und die durch die COVID-19-Pandemie verursachten Handels- und Marktstörungen die Fischer in ganz Europa getroffen haben; in der Erwägung, dass die Fischer trotz der Sicherheitsrisiken und der niedrigen Fischpreise den Fischfang fortgesetzt und hochwertige Lebensmittel geliefert haben; in der Erwägung, dass Fischer während der COVID-19-Krise als grundlegende Arbeitskräfte ermittelt wurden, die systemrelevante Berufe ausüben, in deren Rahmen eine wichtige Nahrungsmittelversorgung sichergestellt wird; in der Erwägung, dass die Organe der EU ihnen als entscheidende Berufsgruppen besondere Aufmerksamkeit widmen müssen, nicht nur wegen ihrer Rolle, sondern auch wegen ihrer Bedeutung in Bezug auf die Ernährungssicherheit in der Union;
C. in der Erwägung, dass die Fischerei in ganz Europa in den letzten Jahren erhebliche strukturelle Veränderungen und Umstrukturierungen mit starken Reduzierungen der Flotten erfahren hat, die sowohl für die Fischer als auch für die Fischereigemeinden soziale Folgen haben; in der Erwägung, dass es zunehmend notwendig ist, das Bewusstsein zu schärfen, und in der Erwägung, dass der sozialen Dimension der Fischerei mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, beispielsweise durch die Bewertung der sozialen Auswirkungen im Rahmen der Folgenabschätzungen der politischen Vorschläge im Zusammenhang mit der GFP;
D. in der Erwägung, dass ein ganzheitlicher Ansatz für die verschiedenen Strategien der EU, einschließlich der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, erforderlich ist;
E. in der Erwägung, dass auch der demografische Wandel in Europa berücksichtigt werden muss;
F. in der Erwägung, dass durch den derzeitigen Mangel an systematischen umfassenden Daten und regelmäßigen wissenschaftlichen Analysen zu den sozialen Aspekten der GFP die Gestaltung der Fischereipolitik beeinträchtigt wird; in der Erwägung, dass mit diesen Daten die Fischerei als erfolgreiche Berufslaufbahn und als Möglichkeit, zu den Lebensgrundlagen der Küstengemeinschaften beizutragen, gefördert werden könnte und junge Menschen für diesen Beruf gewonnen werden könnten;
G. in der Erwägung, dass mit der Fischerei, einschließlich der Aquakultur, weltweit Milliarden von Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt werden, und in der Erwägung, dass diese Branche nach Angaben der FAO eine wichtige Beschäftigungs- und Einkommensquelle für den Lebensunterhalt von 10 bis 12 % der Weltbevölkerung darstellt; in der Erwägung, dass darüber hinaus schätzungsweise 140 Millionen weitere Arbeitsplätze mit dem Rest der Wertschöpfungskette der Fischerei, insbesondere mit der Verarbeitung und dem Verkauf von Fischereierzeugnissen, verbunden sind;
H. in der Erwägung, dass dem Bericht des STECF 19-03 zufolge der Anteil der Frauen an der Gesamtbeschäftigung in der Flotte der kleinen Küstenfischerei in der gesamten EU 5,4 % im Vergleich zu 1,9 % in der Flotte der industriemäßigen Fischerei und 2,3 % in der Hochseefischereiflotte beträgt; in der Erwägung, dass Frauen jedoch die Mehrheit der Arbeitskräfte bei bestimmten Fangtätigkeiten oder der Bewirtschaftung von Halbkulturen stellen, etwa dem Sammeln von Meeresfrüchten zu Fuß, und in der Erwägung, dass wichtige Arbeiten, die von Frauen zur Aufrechterhaltung anderer Tätigkeiten wie Eindosen und Verarbeitung, Verpackung, Netzherstellung sowie Entladen und Reinigen von Fisch („neskatillas“) verrichtet werden, nicht erfasst werden; in der Erwägung, dass zwischen den Mitgliedstaaten eine Datenlücke besteht, bei der die Arbeit der Frauen und ihr bedeutender Beitrag zu der Branche – der nach wie vor nicht ausreichend anerkannt wird – außer Acht gelassen werden;
I. in der Erwägung, dass den jüngsten Angaben von Eurostat(5) zufolge im Jahr 2017 insgesamt etwa 180 000 Menschen im Fischereiwesen der EU beschäftigt waren, von denen etwa ein Drittel im Teilsektor Aquakultur tätig war; in der Erwägung, dass von dieser Gesamtzahl 41 000 Personen in Spanien, 29 000 Personen in Italien, 21 000 Personen in Griechenland, 20 000 Personen in Frankreich und 14 700 Personen in Portugal im Primärsektor der Fischerei beschäftigt waren; in der Erwägung, dass Italien, Griechenland und Portugal im Jahr 2017 zwar nur 11 % der Fischereiproduktion der EU ausmachten, auf diese drei Mitgliedstaaten jedoch 35,9 % der Beschäftigung entfielen; in der Erwägung, dass Spanien, Frankreich und Portugal in diesem Zusammenhang Mitgliedstaaten mit Gebieten in äußerster Randlage sind, was ihre maritime Dimension vergrößert, und in der Erwägung, dass in diesen Gebieten der Fischerei eine wesentliche sozioökonomische Rolle zukommt;
J. in der Erwägung, dass aus den von Eurostat(6) im Jahr 2019 veröffentlichten statistischen Daten hervorgeht, dass im Jahr 2018 in der Branche Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei insgesamt 14,4 % der Arbeitnehmer 65 Jahre oder älter waren, und in der Erwägung, dass dies der Wirtschaftszweig ist, in dem die meisten Erwerbstätigen dieser Altersgruppe beschäftigt sind; in der Erwägung, dass der Anteil der Arbeitnehmer in dieser Altersgruppe seit 2008 zwar kontinuierlich zurückgegangen ist, die tatsächliche Zahl der Beschäftigten in dieser Altersgruppe jedoch nicht im gleichen Maße abgenommen hat;
K. in der Erwägung, dass der Fischerei eine Schlüsselrolle bei der Versorgung der Allgemeinheit mit Fisch und bei der Ausgewogenheit der Lebensmittelbilanz in den Mitgliedstaaten und in der EU zukommt, und in der Erwägung, dass die Fischerei eine wichtige Rolle für das sozioökonomische Wohlergehen der Küstengemeinschaften, die lokale Entwicklung, die Beschäftigung, die Erhaltung und Schaffung von vor- und nachgelagerten Wirtschaftstätigkeiten und die Bewahrung lokaler kultureller Traditionen spielt;
L. in der Erwägung, dass es notwendig ist, den deutlichen Unterschieden zwischen den Flotten, Flottensegmenten, Zielarten, Fanggeräten, der Produktivität, den Verbrauchspräferenzen und dem Fischverzehr je Einwohner in den Mitgliedstaaten sowie den besonderen Merkmalen der Fischerei Rechnung zu tragen, die sich aus ihrer gesellschaftlichen Struktur, den Vermarktungsformen und den strukturellen und natürlichen Ungleichheiten zwischen den Fischereiregionen ergeben;
M. in der Erwägung, dass die Erhebung von Sozialindikatoren für die Fischereiflotte, die Aquakultur und die Fischverarbeitungsindustrie der EU durch die Verordnung (EU) 2017/1004 zur Einführung einer Rahmenregelung der Union für die Erhebung, Verwaltung und Nutzung von Daten im Fischereisektor und Unterstützung wissenschaftlicher Beratung zur Durchführung der GFP eingeführt wurde; in der Erwägung, dass ab 2018 alle drei Jahre soziale Variablen erhoben werden sollen, darunter: Beschäftigung nach Geschlecht, Vollzeitbeschäftigung nach Geschlecht, nicht entlohnte Arbeitskräfte nach Geschlecht, Beschäftigung nach Alter, Beschäftigung nach Bildungsstand, Beschäftigung nach Staatsangehörigkeit, Beschäftigung nach Beschäftigungsstatus, nationale Vollzeitbeschäftigung insgesamt;
N. in der Erwägung, dass dem Bericht des STECF (19-03) über Sozialdaten in der Fischereibranche der EU zufolge im Jahr 2017 rund 150 000 Menschen in der Fischereiflotte der EU beschäftigt waren, wobei etwa 99 000 Personen in Vollzeit beschäftigt waren; in der Erwägung, dass die meisten Arbeitnehmer in der Fischereiflotte der EU Männer waren (96 %), während der Anteil der Frauen 4 % betrug; in der Erwägung, dass den gemeldeten Altersdaten zufolge die Altersklasse der 40- bis 64-Jährigen den größten Anteil (58 %) der in der Fischereiflotte der EU beschäftigten Personen ausmachten, gefolgt von der Altersklasse der 25- bis 39-Jährigen (26 %), während weitere 7 % der beschäftigten Personen über 65 Jahre alt waren, 5 % der Beschäftigten der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen angehörten und das Alter von 4 % der Fischer unbekannt war; in der Erwägung, dass es erhebliche Unterschiede in den Altersstrukturen in den Mitgliedstaaten gab: in Estland waren 31 % der Fischer über 65 Jahre alt, während in vielen anderen Mitgliedstaaten dieselbe Kategorie nur einen sehr geringen Anteil an der Anzahl der Beschäftigten in der Fischerei ausmacht (1 % in Belgien und Deutschland und 2 % in Finnland);
O. in der Erwägung, dass im Jahr 2017 52 % der in der Fischereiflotte der EU beschäftigten Personen ein niedriges Bildungsniveau aufwiesen, gefolgt von 24 % mit einem mittleren und 4 % mit einem höheren Niveau; in der Erwägung, dass das Bildungsniveau für einen relativ hohen Anteil der Beschäftigten in der Fischereibranche (20 % der Beschäftigten) unbekannt war, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass diese Frage als heikel angesehen werden kann; in der Erwägung, dass das Bildungsniveau in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist, wobei lediglich 1 % der portugiesischen Fischer über ein hohes Bildungsniveau verfügte, während die entsprechende Zahl in Schweden bei 21 % lag;
P. in der Erwägung, dass im Jahr 2017 die meisten Beschäftigten in der Fischereiflotte der EU Staatsangehörige des Landes waren, in dem sie arbeiteten (86 %), gefolgt von Drittstaatsangehörigen/EWR-Staatsangehörigen (8 %), Beschäftigten, deren Staatsangehörigkeit unbekannt war (3 %), Staatsangehörigen anderer EU-Länder (3 %) und EWR-Staatsangehörigen (0,1 %); in der Erwägung, dass der Anteil der Staatsangehörigen, die in den Flotten der einzelnen Mitgliedstaaten arbeiteten, sehr unterschiedlich war, wobei 27 % der in der irischen Flotte beschäftigten Personen nicht irische Staatsangehörige und 36 % der in der belgischen Flotte beschäftigten Personen nicht belgische Staatsangehörige waren, wohingegen 94 % der in der italienischen Flotte beschäftigten Personen gebürtige Italiener waren, 99 % der in der portugiesischen Flotte beschäftigten Personen portugiesische Staatsangehörige und alle in der bulgarischen Flotte beschäftigten Personen gebürtige Bulgaren waren;
Q. in der Erwägung, dass im Jahr 2017 61 % der in der Fischereiflotte der EU beschäftigten Personen Angestellte und 36 % Reeder waren, wobei der Beschäftigungsstatus in den einzelnen Mitgliedstaaten stark variierte (in der belgischen Flotte stellten Angestellte 100 % der Beschäftigten dar und in der schwedischen Flotte waren es lediglich 28 %);
R. in der Erwägung, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten und der Wirtschaftspartner der EU in der Fischwirtschaft dennoch häufig auf die Einkommensunsicherheit in einigen Segmenten der Fischereitätigkeit verweisen, die ein Faktor für das mangelnde Interesse junger Menschen an der Fischereitätigkeit ist, was eine Tendenz darstellt, die in den letzten Jahren zugenommen hat und zu zusätzlichen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Tätigkeiten sowie zu Problemen im Zusammenhang mit dem Verlust von Arbeitsplätzen in den Küstengemeinschaften führt;
S. in der Erwägung, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten und der Wirtschaftspartner der EU in der Fischwirtschaft dennoch häufig auf das mangelnde Interesse junger Menschen an der Fischereitätigkeit hinweisen, was einen Umstand darstellt, der erstmals vor mindestens zwei Jahrzehnten zur Kenntnis genommen wurde und zusätzliche Schwierigkeiten in dem gesamten Wirtschaftszweig verursacht und die sozialen Probleme in den Küstengemeinschaften des Kontinents und den Überseegebieten verschärft;
T. in der Erwägung, dass die besonderen Merkmale und ständigen strukturellen Beschränkungen der Gebiete in äußerster Randlage anerkannt und berücksichtigt werden müssen; betont, dass die Fischerei eine wichtige Rolle für die sozioökonomische Lage, die Beschäftigung und die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts dieser Gebiete spielt und dass in der nachhaltigen blauen Wirtschaft Potenzial für Beschäftigungswachstum besteht; hebt hervor, dass die Gebiete in äußerster Randlage aufgrund ihrer geografischen Lage eine privilegierte Position bei der Überwachung und Kontrolle der Küsten- und Meeresgebiete einnehmen und für die Bemühungen der EU zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU-Fischerei) genutzt werden sollten;
U. in der Erwägung, dass im Rahmen der IUU-Verordnung(7) der EU lediglich illegal gefangener Fisch berücksichtigt und nicht dafür gesorgt wird, dass der Fischfang, der mit schwerwiegenden Verstößen gegen die Arbeitnehmerrechte und der Verletzung grundlegender Menschenrechte an Bord von Fischereifahrzeugen in Verbindung gebracht wird, ebenfalls untersagt wird;
V. in der Erwägung, dass nach Angaben der FAO die Fischer für ihr Überleben auf ihre Schiffe angewiesen sind und die Risiken je nach Fangart, Fanggründen und Wetterlage, Schiffsgröße, mitgeführter Ausrüstung und Aufgaben der einzelnen Fischer unterschiedlich sind; in der Erwägung, dass auf größeren Schiffen die Fanggeräte und andere schwere Ausrüstungen ein erhebliches Risiko bergen, dass die Besatzung getötet oder verletzt wird, während auf kleinen Schiffen das Risiko des Kenterns beim Einholen eines großen Fangs, des Überflutens bei schwerer See oder des Auflaufens durch ein größeres Schiff beträchtlich sein kann; in der Erwägung, dass daher mit den verschiedenen Fischereitätigkeiten und Schiffsgrößen unterschiedliche Sicherheitsrisiken verbunden sind;
W. in der Erwägung, dass in Bezug auf Unfälle und Vorkommnisse auf See Fischereifahrzeuge von allen Seefahrzeugen am häufigsten verloren gehen, obwohl die Fischerei nicht zu den Tätigkeiten gehört, die die meisten Unfälle verursachen; in der Erwägung, dass im Jahr 2018 ein Anstieg der Zahl der Vorkommnisse im Zusammenhang mit Fischereifahrzeugen um 40 % zu verzeichnen war;
X. in der Erwägung, dass in der Fischwirtschaft jedes Jahr 32 000 Menschen ihr Leben verlieren, ganz zu schweigen von den Tausenden von Opfern, die von sehr oder weniger schweren Unfällen betroffen sind; in der Erwägung, dass ferner – worauf auch die Berufsverbände hingewiesen haben – in den letzten Jahren ein besorgniserregender Anstieg der Berufskrankheiten bei denjenigen zu verzeichnen war, die diese mühsame Arbeit verrichten;
Y. in der Erwägung, dass es sich bei der Fischerei letztlich um eine beschwerliche Tätigkeit handelt, die mit erheblichen Risiken für die Gesundheit und Sicherheit der in diesem Bereich beschäftigten Personen verbunden ist; in der Erwägung, dass die IAO dieses Problem in einem Übereinkommen aus dem Jahr 2007 anerkannt und die Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben, aufgefordert hat, für sichere und gesunde Arbeitsbedingungen in dieser Branche zu sorgen;
Z. in der Erwägung, dass die Zahl der Vorfälle zwar zugenommen hat, die Zahl der durch Unfälle und Vorkommnisse auf Fischereifahrzeugen verursachten Todesfälle jedoch eine rückläufige Tendenz aufweist, wobei die überwiegende Mehrheit der Vorfälle auf menschliche Faktoren zurückzuführen ist (62,4 %) und Systemversagen/Mängel an der Ausrüstung die zweithäufigste Ursache für die Vorfälle (23,2 %) darstellen; in der Erwägung, dass die drei am häufigsten gemeldeten Faktoren, die zu Unfällen auf Fischereifahrzeugen im Zusammenhang mit menschlichen Handlungen beitragen, mangelndes Sicherheitsbewusstsein, mangelnde Kenntnisse und unangemessene Arbeitsmethoden der Besatzungsmitglieder sind; in der Erwägung, dass all diese Faktoren nicht getrennt von den Einnahmen aus der Fischerei behandelt werden können;
AA. in der Erwägung, dass im Jahr 2019 64,9 % der Boote der Fischereiflotte der EU-28 mindestens 25 Jahre alt waren(8) und das Durchschnittsalter der Flotte insgesamt 29,9 Jahre betrug(9), was bedeutet, dass ein sehr großer Teil der Flotte alt ist und nicht die besten Betriebs- und Sicherheitsbedingungen bieten kann, was die Risiken erhöht und den Betrieb beschwerlicher macht;
AB. in der Erwägung, dass Sicherheitsfragen – die Fischereitätigkeit gilt allgemein als ein riskanter Beruf –, die beschwerliche Arbeit auf Fischereifahrzeugen mit unvorhersehbaren Einkünften und das Fehlen von Garantien für eine stabile und regelmäßige Entlohnung wesentliche Faktoren für das mangelnde Interesse jüngerer Menschen an der Fischerei sind, wodurch der Generationenwechsel in der Fischerei und die Zukunft der Fischwirtschaft insgesamt gefährdet werden;
AC. in der Erwägung, dass die fehlende Standardisierung bei der Zertifizierung und der Grundausbildung von Fischern sowie die unzureichende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung der Zertifizierung und der Grundausbildung von Fischern zwar bereits vor zwei Jahrzehnten als Hindernis ermittelt wurde, das Problem jedoch noch nicht gelöst wurde;
AD. in der Erwägung, dass die Ergebnisse der wirtschaftlichen Leistung der EU-Flotte im Allgemeinen auf Einkommensverbesserungen und einen jährlichen Anstieg der Gewinne und der Durchschnittseinkommen der Fischer seit 2013 hinweisen, wenn die Flotte als Ganzes betrachtet wird; in der Erwägung, dass diese Trends bei einer detaillierten Analyse nach Mitgliedstaaten, Meeresbecken und Fischereiflotte, je nach Art der Flotte und den zur Verfügung stehenden Quoten, nicht absolut allgemeingültig sind und sich insbesondere nicht in den Trends bei der Flotte der kleinen Küstenfischerei der EU widerspiegeln;
AE. in der Erwägung, dass sich der Zustand der Fischbestände in der EU zwar im Allgemeinen verbessert, die Zahl der Fischereifahrzeuge, die Fangkapazität und die von der Branche direkt geschaffenen Arbeitsplätze dem Jahreswirtschaftsbericht des STECF für das Jahr 2019 zufolge jedoch Jahr für Jahr stetig abnehmen;
AF. in der Erwägung, dass ein erheblicher Anteil der Fischer in einigen Mitgliedstaaten ein geringes und unregelmäßiges Einkommen bezieht, was sie in eine instabile Lage bringt und ihnen keinen ausreichenden sozialen Schutz bietet; in der Erwägung, dass dies ein weiterer Faktor ist, der die Attraktivität der Fischerei für junge Menschen verringert;
AG. in der Erwägung, dass die Frage, die in dem im Jahr 2000 veröffentlichten Bénodet-Bericht mit dem Titel „Fish comes from the sea, but where will future fishermen come from?“ (Fische kommen aus dem Meer, aber woher werden die künftigen Fischer kommen?) aufgeworfen wurde, zwei Jahrzehnte später in einer ausführlicheren Weise umformuliert werden kann, und zwar in „Fish comes from the sea, and fishers are guardians of fish and the sea, but how will we be able to replenish them and where will future fishers come from?“ (Fische kommen aus dem Meer, und die Fischer sind die Hüter der Fische und des Meeres, aber wie können wir einen Generationenwechsel herbeiführen, und woher werden die künftigen Fischer kommen?);
AH. in der Erwägung, dass auch hervorgehoben werden sollte, welche Möglichkeiten zur Verbesserung des Lebensstandards durch die Meeresfischerei geschaffen wurden und auch weiterhin geschaffen werden können;
AI. in der Erwägung, dass junge Menschen, die sich als Fischer selbstständig machen möchten, auf erhebliche Hindernisse stoßen, insbesondere im Zusammenhang mit dem System der Zuteilung von Fangmöglichkeiten und dessen Auswirkungen auf den Preis von Fischereifahrzeugen;
AJ. in der Erwägung, dass die Kommission dem Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2022 einen Bericht über die Umsetzung der GFP vorlegen muss;
Verbesserung der Informationen und Entwicklung eines genaueren Profils der Erwerbspersonen in der Fischerei
1. betont, dass die Art und Weise verbessert werden muss, wie Informationen über die Erwerbspersonen im Produktionsbereich der Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse sowie in der gesamten Wertschöpfungskette regelmäßig und systematisch auf der Ebene der EU und nach Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt gesammelt und zur Verfügung gestellt werden;
2. weist darauf hin, dass mit der Aggregation statistischer Daten innerhalb des weit gefassten Bereichs „Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei“ Situationen und Veränderungen mit negativen Auswirkungen für jeden dieser Bereiche verborgen oder verschleiert werden können; hebt hervor, dass sie alle zwar Bereiche der Primärproduktion sind, die Tätigkeiten jedoch nicht miteinander verbunden sind und – im Falle der Fischerei – nicht einmal in derselben Umgebung oder demselben geografischen Gebiet stattfinden;
3. bekräftigt, dass es – wie bei der Bewirtschaftung von Beständen und Lebensräumen – für die Verwaltung und Überwachung der sozialen Entwicklungen in dieser Branche, insbesondere der Beschäftigungsentwicklung, von wesentlicher Bedeutung ist, über die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verfügen – die auf zuverlässigen, aktuellen Daten mit ausgedehnten Zeitreihen in harmonisierter Weise in allen Mitgliedstaaten beruhen –, ohne die es nicht möglich sein wird, eine der drei Säulen der Nachhaltigkeit, die im Rahmen der GFP befürwortet werden – nämlich die soziale Säule –, zu verfolgen und vollständig umzusetzen;
4. weist darauf hin, dass die von verschiedenen Stellen zur Verfügung gestellten Informationen offenbar einen Anstieg des Alters der Besatzungen von Fischereifahrzeugen der EU belegen, dass jedoch wie bei der Bewirtschaftung der Fischerei und der Anpassung der durchgeführten Maßnahmen die Steuerung, die Überwachung und die Durchführung der Maßnahmen nach geografischem Gebiet, Fischereiflotten und nach verwendetem Fanggerät differenziert erfolgen sollten;
5. fordert die Kommission, insbesondere Eurostat, und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Beschäftigungstrends zu berücksichtigen, und zwar nicht nur in Bezug auf die Gesamtzahl der Arbeitsplätze, sondern auch in Bezug auf das Ausbildungsniveau, das Geschlecht und die Altersstruktur der im Bereich der Fischerei und Aquakultur und, wenn möglich, auch in der Wertschöpfungskette der Fischerei und Aquakultur tätigen Erwerbspersonen, wobei diesbezüglich Daten zu erstellen sind, die ähnlich detailliert sind wie die Daten, die für die Überwachung der Wirtschaftstätigkeit und der Leistung der Branche in besonderer Weise vorhanden sind;
6. begrüßt den ersten Bericht des STECF über Sozialdaten in der Fischereibranche der EU, der einen umfassenden Überblick über die im Rahmen der EU-Rahmenregelung für die Datenerhebung erhobenen Sozialdaten bietet; betont, dass auf die Schlussfolgerungen dieses ersten Berichts eingegangen werden muss, und fordert daher, dass im Rahmen künftiger Berichte des STECF über Sozialdaten die bestehenden Sozialindikatoren ausgefeilt werden, was eine angemessene Definition der Personen erfordert, die als Teil der Arbeitskräfte in der Fischerei zu betrachten sind, sowie neue Elemente für die Analyse mit der Integration von Indikatoren im Zusammenhang mit übergreifenden sozialen Zielen innerhalb der GFP, insbesondere in Bezug auf Arbeitnehmerschutz, allgemeine und berufliche Bildung, Einkommen und Sicherheit, und einen angemessenen geografischen Maßstab einbezogen werden, der unter der Länderebene liegt, wobei das Erfordernis, die regionalen und sogar lokalen Gegebenheiten zu kennen, zu berücksichtigen ist;
7. begrüßt, dass das Statistische Amt der EU, Eurostat, in Zusammenarbeit mit den statistischen Ämtern Portugals, Spaniens und Frankreichs und ihrer jeweiligen Gebiete in äußerster Randlage eine Website mit Daten über die Gebiete in äußerster Randlage eingerichtet hat(10); bedauert jedoch, dass angesichts der Bedeutung der Tätigkeit für das Wirtschaftsgefüge dieser Gebiete diese Website nach wie vor keine Daten über die Fischerei enthält; fordert die Kommission und insbesondere Eurostat nachdrücklich auf, fundierte und aktuelle Daten über die blaue Wirtschaft und über die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt in der Fischerei, die Entwicklung des durchschnittlichen Verdienstes der Fischer, ihr Ausbildungsniveau, die Beteiligung nach Geschlecht und Altersgruppe sowie Daten über den Umfang und die Leistung dieser Tätigkeiten in den Gebieten in äußerster Randlage zu sammeln;
Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord zur Erhöhung der Sicherheit
8. hebt hervor, dass sich die Sicherheitsbedingungen an Bord, insbesondere auf größeren Schiffen, zwar verbessert haben, die Zahl der von der EMSA im Jahr 2018 registrierten Vorkommnisse und Unfälle im Vergleich zum Vorjahr jedoch um 40 % gestiegen ist, obwohl die Zahl der Todesopfer in den letzten Jahren stetig zurückgegangen ist;
9. erinnert daran, dass die EMSA lediglich für das Eingreifen und die Erhebung von Daten im Zusammenhang mit Unfällen und Vorkommnissen auf See zuständig ist, an denen Fischereifahrzeuge mit einer Länge von mehr als 15 m beteiligt sind, oder in Fällen, in denen Fischereifahrzeuge mit einer Länge von weniger als 15 m an Unfällen mit Schiffen beteiligt sind, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/18/EG(11) fallen, und dass daher Unfälle und Vorkommnisse, an denen Fischereifahrzeuge beteiligt sind, mit Sicherheit zahlreicher sind, als aus den in den Jahresberichten der EMSA verfügbaren Aufzeichnungen hervorgeht;
10. weist darauf hin, dass die IUU-Fischerei in den Meeresgebieten der EU einen unlauteren Wettbewerb für die europäischen Fischer darstellt;
11. fordert die Kommission auf, die nationalen Stellen beim Erwerb von Systemen zu unterstützen, um IUU-Fischerei ermitteln und melden zu können;
12. weist darauf hin, dass berufliche maritime Tätigkeiten, insbesondere die Fischerei, im Allgemeinen als risikoreich und gefährlich angesehen werden und dass diese Lage dadurch verschärft wird, dass 85 % der EU-Schiffe Fischereifahrzeuge der kleinen Küstenfischerei (mit einer Gesamtlänge von weniger als 12 m) sind und daher größeren Risiken ausgesetzt sind, die durch ungünstige Wetterbedingungen und den Einsatz an küstennahen Orten verursacht werden;
13. betont, dass es für Fischereifahrzeuge der kleinen Küstenfischerei schwieriger ist, Schutzräume bereitzustellen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wobei die Risiken auch mit dem fortgeschrittenen Alter eines erheblichen Teils dieser Flotte zusammenhängen; hebt hervor, dass diese Fischereifahrzeuge besonders anfällig für schwerwiegende meteorologische Ereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel sind; betont, dass nachhaltige und koordinierte Maßnahmen auf allen Ebenen sowie politische Maßnahmen erforderlich sind, die auf die Abschwächung der Folgen des Klimawandels und die Erhöhung der Anpassungsfähigkeit an die Folgen des Klimawandels, die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und gleichzeitig die Sicherstellung der Sicherheitsbedingungen für die Fischer abzielen;
14. weist darauf hin, dass die Küstenregionen und insbesondere die Gebiete in äußerster Randlage seit jeher auf die Fischerei angewiesen sind, dass sie bereits von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und finanzielle Unterstützung erhalten sollten, um diese Folgen abzumildern, sich an sie anzupassen und sie zu bekämpfen, Arbeitsplätze in der Fischerei zu konsolidieren und eine nachhaltige blaue Wirtschaft mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu entwickeln;
15. betont, dass trotz der auf internationaler Ebene und der Ebene der EU unternommenen Bemühungen zur Verbesserung der Sicherheitsbedingungen an Bord von Schiffen, insbesondere von Fischereifahrzeugen, die internationalen Übereinkommen, in denen die Regelungen und Systeme zum Schutz von Schiffen und Personen an Bord festgelegt sind, vor allem für größere Schiffe gelten, wenngleich es in zahlreichen Mitgliedstaaten nationale Vorschriften über Maßnahmen zum Schutz und zu den Lebensbedingungen auf kleineren Schiffen gibt;
16. ist besorgt über die Ausnahmeregelungen, die in internationalen Übereinkommen für Schiffe der kleinen Fischerei in Bezug auf nicht verbindliche Arbeits- und Sicherheitsnormen gewährt werden, was dazu führen kann, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die in bestimmten Flottensegmenten und zwischen den Mitgliedstaaten tätigen Fischer insgesamt ungünstiger sind; fordert daher die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, rasche und konzertierte Maßnahmen zu ergreifen, um ähnliche Standardbedingungen anzuwenden und alle Fischereifahrzeuge dabei zu unterstützen, diese zu befolgen, da sie grundlegende Pfeiler der Wirtschaft und der Identität kleiner Küstengemeinschaften sind;
17. bekräftigt, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord nicht getrennt von den Sicherheitsbedingungen betrachtet werden können; vertritt die Ansicht, dass mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord von Fischereifahrzeugen und einer angemessenen Modernisierung der Fischereifahrzeuge nicht nur die Sicherheitsbedingungen verbessert werden, unter denen Fischereieinsätze durchgeführt werden, sondern auch die Ruhepausen und Erholungszeiten, was sich unmittelbar auf ihre Sicherheit auswirkt, da ein großer Teil der Unfälle und Vorkommnisse auf Fischereifahrzeugen nach wie vor auf menschliches Versagen zurückzuführen ist, unabhängig davon, ob dieses Versagen durch mangelnde Kenntnisse oder Ausbildung oder durch Müdigkeit verursacht wird;
18. ist der Auffassung, dass die Gewährleistung eines barrierefreien und angepassten Arbeitsumfelds, auch im Bereich der Fischerei und der Aquakultur, mit Blick auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sowohl aktiver und ehemaliger Fischer als auch anderer Arbeitnehmer in der Fischwirtschaft, die unter Behinderungen leiden, zu einer stärkeren sozialen Inklusion führen und dazu beitragen würde, mehr Anreize für die Generierung von Einkommen in dem Bereich und in Fischereigemeinschaften zu schaffen;
19. weist darauf hin, dass Seeleute, einschließlich Fischer, häufig vom Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Rahmens der EU und der einzelnen Mitgliedstaaten ausgeschlossen sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass viele Vorschriften nicht für die tatsächlichen Tätigkeiten dieser Arbeitnehmer gelten; weist darauf hin, dass – da es nicht möglich ist, allgemeine arbeitsrechtliche Regelungen anzuwenden, da das Einkommen der Fischer davon abhängt, was sie nach Maßgabe der ihnen zugeteilten Quoten fischen – sichergestellt werden muss, dass eine Reihe grundlegender Voraussetzungen im Zusammenhang mit den arbeitsrechtlichen Vorschriften in maßgeschneiderter Weise und unter gebührender Berücksichtigung der vorstehend genannten Umstände und der besonderen Merkmale des Sektors der Küsten- und handwerklichen Fischerei für Seeleute und insbesondere für Fischer, die oftmals auch Eigentümer ihrer Fischereifahrzeuge sind, bereitgestellt werden;
20. verweist auf das Recht der Fischer, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Tarifverhandlungen als Mittel zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu nutzen;
21. weist darauf hin, dass die Fischerei je nach dem verwendeten Fanggerät, der Größe des Schiffes, dem Einsatzgebiet und den Witterungsverhältnissen unterschiedliche Risikofaktoren im Zusammenhang mit den Arbeits- und Lebensbedingungen, die an Bord geboten sein müssen, darstellt;
22. verweist auf die Schritte, die auf internationaler Ebene unternommen wurden, insbesondere im Rahmen des Torremolinos-Protokolls (1993) und des Übereinkommens von Kapstadt (2012) zur Änderung und Verbesserung des Internationalen Übereinkommens von Torremolinos über die Sicherheit von Fischereifahrzeugen (1977), das als Mittel zur Regelung der Sicherheit von Fischereifahrzeugen geschaffen wurde, und weist darauf hin, dass dieses Übereinkommen trotz der Verringerung der Anforderungen im Jahr 2012 nach wie vor nicht in Kraft ist, und fordert alle Mitgliedstaaten, die das Internationale Übereinkommen von Torremolinos über die Sicherheit von Fischereifahrzeugen noch nicht ratifiziert haben, nachdrücklich auf, dies zu tun; weist darauf hin, dass das Protokoll durch die Richtlinie 97/70/EG des Rates über eine harmonisierte Sicherheitsregelung für Fischereifahrzeuge von 24 Meter Länge und mehr(12) in Unionsrecht umgesetzt wurde;
23. begrüßt die Ausarbeitung der Freiwilligen Leitlinien der IMO von 2005 für den Entwurf, den Bau und die Ausrüstung kleiner Fischereifahrzeuge; weist jedoch darauf hin, dass sie als freiwillige Leitlinien nur als Orientierungshilfe dienen können und dass es weder eine rechtliche Verpflichtung noch eine Standardisierung von Grundnormen für Fischereifahrzeuge der kleinen Küstenfischerei gibt; betont, dass einige Mitgliedstaaten Vorschriften über den Bau und die Sicherheit von kleinen Fischereifahrzeugen sowie die Lebensbedingungen an Bord solcher Fahrzeuge erlassen haben, und empfiehlt, diese Vorschriften auf EU-Ebene zu harmonisieren;
24. weist erneut darauf hin, dass das Endziel der GFP darin besteht, die Fischereitätigkeit sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten; hebt hervor, dass die Verbesserung des Lebensstandards der Fischer mit besseren Arbeits- und Sicherheitsbedingungen eines der Elemente ist, um die Beschäftigung und die Entwicklung der Küstengemeinschaften zu fördern, junge Menschen anzuziehen und den Generationenwechsel zu erreichen, der für das Überleben dieser Tätigkeit, mit der auch gesunde Lebensmittel geliefert werden, von wesentlicher Bedeutung ist;
25. betont, dass die erfolgreiche Bewältigung aktueller Entwicklungen wie der Ausweitung der Offshore-Energieerzeugung, der wirksamen Umsetzung von Meeresschutzgebieten und der vollständigen Durchsetzung der Anlandeverpflichtung die Attraktivität der Branche für junge Generationen beeinflussen kann; fordert die Mitgliedsstaaten nachdrücklich auf, EU-Mittel bereitzustellen, um Arbeitsplätze zu unterstützen, eine nachhaltige Fischerei zu fördern und die Gleichstellung der Geschlechter in dem Wirtschaftszweig voranzubringen;
26. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, dafür zu sorgen, dass an Bord von Fischereifahrzeugen unabhängig von ihrer Größe die bestmöglichen Sicherheits-, Arbeits- und Lebensbedingungen gelten;
27. weist die Mitgliedstaaten erneut darauf hin, dass die Frist für die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/159, mit der das IAO-Übereinkommen Nr. 188 in den Rechtsrahmen der Union eingebunden wird, auf den 15. November 2019 festgesetzt worden war; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten angesichts der Vielzahl selbstständiger Fischer in der EU und angesichts dessen, dass die Mehrheit von ihnen nicht von der Richtlinie erfasst wird, das IAO-Übereinkommen Nr. 188 ratifizieren müssen, um einen fairen Wettbewerb zwischen allen Fischern sicherzustellen;
28. fordert die Mitgliedstaaten auf, das IAO-Übereinkommen Nr. 188 dringend zu ratifizieren, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Fischereiunternehmen weltweit sicherzustellen, insbesondere in Anbetracht der starken internationalen Dimension der Fischereibranche; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, damit es in nationales Recht umgesetzt und wirksam angewandt werden kann, und gegebenenfalls die Kontrollbefugnis und die Befugnis zur Ausstellung von Bescheinigungen angesichts der in einigen Ländern bestehenden Probleme bei der Koordinierung dieser Befugnisse an Klassifizierungsgesellschaften zu delegieren;
29. fordert die Kommission nachdrücklich auf, schnellstmöglich einen Vorschlag für eine ergänzende Richtlinie über Kontrollvorschriften und Durchführungsbestimmungen vorzulegen, wie dies für die Seeschifffahrt bereits geschehen ist, um ein harmonisiertes Inspektionssystem zu schaffen;
30. betont, dass den erschwerten Arbeitsbedingungen von Fischern bei der Konzipierung von Mechanismen der sozialen Sicherung Rechnung getragen werden muss, indem beispielsweise das Recht, früher als der durchschnittliche Arbeitnehmer ohne jegliche Benachteiligungen in den Ruhestand zu treten, gewährleistet wird;
31. begrüßt, dass mit dem neuen Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF) ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Arbeits-, Lebens- und Sicherheitsbedingungen auf Fischereifahrzeugen der EU geleistet werden wird, und dass diese Bedingungen verbessert werden können, ohne die Fangkapazität zu erhöhen, wobei den Fischereifahrzeugen der Küstenfischerei und der kleinen Küstenfischerei besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist; betont, dass der EMFAF zur Nachhaltigkeit der Fischerei und der blauen Wirtschaft beiträgt und damit einen Beitrag zur Umsetzung des Ziels der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung Nr. 14 leistet;
32. fordert, dass in die Gemeinsame Fischereipolitik neben den Umweltzielen übergreifende soziale Ziele aufgenommen werden, wobei anerkannt wird, dass das Wohlergehen von Arbeitnehmern an Bord von Fischereifahrzeugen für die Zukunft des Wirtschaftszweigs von entscheidender Bedeutung ist;
33. unterstreicht den eindeutigen Widerspruch zwischen der GFP und den Anforderungen, die in der Sozialgesetzgebung festgelegt sind, wie etwa in dem IAO-Übereinkommen Nr. 188, das durch die Richtlinie (EU) 2017/159 in EU-Recht umgesetzt wurde; betont, dass gemäß diesen Rechtstexten ein Erfordernis für mehr Platz an Bord besteht, was für Schiffe mit einer Länge von 24 Metern oder mehr zwingend vorgeschrieben ist, während die Fischereiwirtschaft daran gehindert wird, den Platz an Bord zu vergrößern; betont den Widerspruch zwischen dem Erfordernis, dass die Mitgliedstaaten die im IAO-Übereinkommen Nr. 188 festgelegten Normen einhalten müssen, und den Vorschriften der GFP, mit denen die Einhaltung dieser Verpflichtung unmöglich gemacht wird; fordert die Kommission nachdrücklich auf, alternative Formeln für die Berechnung der Fangkapazität im Rahmen des EMFAF zu ermitteln, und bekräftigt, dass eine Erhöhung der Schiffstonnage zugelassen werden sollte, wenn das zusätzliche Volumen zur Verbesserung der Sicherheit und des Komforts der Besatzungen nötig ist (auch bekannt als soziale Tonnage oder Sicherheitstonnage), und dass diese Maßnahmen förderfähig sein sollten; betont, dass der Platz an Bord, der für Küche, Kabinen, Toiletten oder Freizeitbereiche bestimmt ist, in keinem Zusammenhang mit der Fähigkeit eines Schiffs steht, Fisch aufzuspüren, zu fangen und zu lagern, und somit nichts mit der Fangkapazität zu tun hat;
34. weist darauf hin, dass das Durchschnittsalter der europäischen Flotte 23 Jahre beträgt und dass kleine Fischereifahrzeuge sogar über 40 Jahre alt sein können; hebt hervor, dass der künftige EMFAF eine Strategie für die Modernisierung der Flotte beinhalten sollte, ohne dass dabei die Fangkapazität erhöht wird;
35. besteht ferner darauf, dass regelmäßig eine Beobachtung stattfindet und auf EU-Ebene einheitliche und systematische statistische Informationen über Vorkommnisse und Unfälle bereitgestellt werden, an denen Schiffe beteiligt sind, die nicht unter die Richtlinie 2009/18/EG fallen, da nur durch die Überwachung und Bewertung der Entwicklung dieser Zahlen nach geografischen Gebieten, Flotten und eingesetzten Fanggeräten Lösungen gefunden werden können, mit denen Verbesserungen ermöglicht werden und das Auftreten solcher Unfälle, insbesondere bei lokalen Fischereifahrzeugen und Fischereifahrzeugen der Küstenfischerei, verringert und verhindert wird;
36. schlägt vor, dass die Kommission in diesem Zusammenhang die Ausweitung des Auftrags der EMSA prüft, um ihr die zusätzliche Fähigkeit zu verleihen, diese Überwachung durchzuführen und diesbezüglich regelmäßig Informationen vorzulegen;
37. ist ferner der Auffassung, dass andere Bedingungen geschaffen werden müssen, um die Fischereitätigkeit aufrechtzuerhalten und für einen Generationenwechsel in diesem Bereich zu sorgen, unter anderem durch Investitionen in die Modernisierung der Hafeninfrastruktur;
Verbesserung der Ausbildung und Sicherstellung der Anerkennung der Ausbildung auf der EU-Ebene
38. betont, dass der Bénodet-Bericht, in dem die Probleme im Zusammenhang mit dem mangelnden Interesse junger Menschen an der Fischereitätigkeit aufgezeigt und die Vielfalt und Komplexität der Ausbildungs- und Zertifizierungssysteme für Fischer in den einzelnen Mitgliedstaaten hervorgehoben wurden, in Vergessenheit geraten zu sein scheint und dass zwei Jahrzehnte später keine nennenswerten Fortschritte erzielt worden sind; hebt das Erfordernis einer Harmonisierung und Typgenehmigung der Anforderungen und Verfahren im Hinblick auf die Ausbildung in der Schifffahrt und in der Fischerei auf der Ebene der EU sowie der Verfahren und Anforderungen für die Einschiffung hervor;
39. weist darauf hin, dass die Freizügigkeit von Arbeitskräften zwischen den Mitgliedstaaten und sogar aus Drittländern in die EU zunimmt und dass der mögliche Generationenwechsel der Arbeitskräfte in der Fischerei, der sich daraus ergeben könnte, nach wie vor durch die fehlende Standardisierung der Ausbildungs- und Zertifizierungssysteme für Fischer beeinträchtigt wird; betont, dass für diese Systeme auf der Ebene der EU eine Typgenehmigung erforderlich ist und dass die Systeme mit den Anforderungen des STCW-Übereinkommens und des STCW-F-Übereinkommens in Einklang gebracht werden müssen;
40. hebt hervor, dass durch diesen Umstand der freie Personenverkehr eindeutig untergraben wird, der ein Grundprinzip der EU darstellt und in vielen Bestimmungen der Verträge zum Ausdruck kommt;
41. weist darauf hin, dass es selbst dann, wenn ein Fischer aus einem Drittland die Anerkennung seiner beruflichen Befähigungsnachweise in einem bestimmten Mitgliedstaat erlangt, schwierig ist, ihm mit dieser Anerkennung den Zugang zu der gleichen Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat zu erleichtern;
42. betont, dass in anderen Bereichen der maritimen Tätigkeit – sowohl in der Freizeit- als auch in der Berufsfischerei – bedeutende Entwicklungen in Richtung auf eine internationale Anerkennung der Ausbildung, unabhängig davon, in welchem Land sie erworben wurde, stattgefunden haben, und dass es nur einer verstärkten Zusammenarbeit bedarf, um die Grundausbildung anzuerkennen, die von Schulen oder Bildungseinrichtungen vermittelt wird, die Teil der international anerkannten nationalen Bildungssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten oder Drittländer sind;
43. stellt fest, dass die IMO im Rahmen des STCW-F-Übereinkommens von 1995 eine Reihe grundlegender Normen für die Ausbildung und die Sicherheitsbedingungen, einschließlich Mindestanforderungen an die Sicherheitsausbildung für alle Arten und Größen von Fischereifahrzeugen, festlegt; weist darauf hin, dass dieses Übereinkommen zwar seit September 2012 in Kraft ist, aber nur in den Ländern gilt, die es ratifiziert haben; fordert alle Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, nachdrücklich auf, dieses Übereinkommen zu ratifizieren;
44. weist darauf hin, dass durch die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen und durch Zertifikate für die maritime Sicherheit innerhalb der EU die Mobilität der Arbeitskräfte erhöht wird und die Attraktivität der Berufe in der Seefahrt für junge Generationen gesteigert wird; ist der Auffassung, dass die Anerkennung von Zertifikaten keinen übermäßigen finanziellen und bürokratischen Aufwand erfordern sollte;
45. stellt fest, dass die Europäische Union zwar das Torremolinos-Protokoll von 1993 durch die Richtlinie 97/70/EG und das Übereinkommen über die Arbeit im Fischereisektor von 2007 durch die Richtlinie (EU) 2017/159 in ihren Besitzstand umgesetzt hat, dass sie aber im Hinblick auf die Sicherheitsausbildung bisher nicht so rasch oder energisch gehandelt hat; weist darauf hin, dass sich der Beschluss (EU) 2015/799(13) zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, Vertragspartei des STCW-F-Übereinkommen zu werden oder dem STCW-F-Übereinkommen beizutreten, als unwirksam erwiesen hat, da die Ratifizierungs- und Beitrittsraten unter den Mitgliedstaaten nach wie vor niedrig sind; weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten durch die Richtlinie (EU) 2017/159 verpflichtet werden, Rechtsvorschriften über die Ausbildung und Zertifizierung von Fischern zu verabschieden; betont daher, dass die Rechtsvorschriften der Union über die Sicherheitsausbildung für Fischer über die Bestimmungen des STCW-F-Übereinkommens hinausgehen sollten, indem zudem Standards für alle Fischereifahrzeuge mit einer Länge von weniger als 24 Metern eingeführt werden, die den Großteil der Fischereiflotte der Union ausmachen; fordert die Kommission auf, einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Umsetzung des STCW-F-Übereinkommens in den Besitzstand der Union vorzulegen, um die Umsetzung international vereinbarter Mindeststandards zur Gewährleistung der Sicherheit für die Fischerei auf See in die Rechtsvorschriften der EU zu vollenden;
46. weist darauf hin, dass der Erwerb von praktischen Kenntnissen und praktischer Berufserfahrung zwar eine solide Grundlage darstellt, die in einer Reihe von Mitgliedstaaten für die Ausbildung von Fischern nach wie vor gültig ist, dass aber eine formale Zertifizierung, bei der auch die praktische Erfahrung berücksichtigt wird, jedoch die einzige Möglichkeit ist, eine angemessene Anerkennung der erforderlichen Kenntnisse sicherzustellen; weist ferner darauf hin, dass die formale Zertifizierung nicht nur eine Form der Aufwertung des persönlichen Status der Fischer, sondern auch eine Form der sozialen Anerkennung dieser beruflichen Tätigkeit darstellt;
47. betont, wie wichtig es ist, Arbeitnehmern in der Fischwirtschaft, insbesondere jungen Menschen, und an einer solchen Arbeit interessierten Personen, einen fairen und inklusiven Zugang zu Beratung, hochwertigen Praktika sowie beruflicher Aus- und Weiterbildung bereitzustellen, sodass sie in die Lage versetzt werden, sich an neue Marktentwicklungen anzupassen, beispielsweise wenn es um ökologisch erzeugte Lebensmittel, kurze Lieferketten, spezialisierten Tourismus sowie den Verkauf von und die Werbung für lokale Produkte durch den Einsatz neuer Technologien geht; bekräftigt, dass eine angemessene und spezifische Ausbildung und Schulung von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es darum geht, junge Menschen dazu anzuspornen, Tätigkeiten im Bereich der Küstenfischerei und die damit im Zusammenhang stehenden Traditionen fortzusetzen;
48. regt an, eine Vereinigung junger europäischer Fischer zu gründen, um den Generationenwechsel in der Fischerei zu fördern und junge Fischer und ihre Organisationen in der gesamten Union zu vertreten und zusammenzubringen; fordert die Kommission auf, die Mobilisierung von Haushaltsmitteln für die Durchführung von Vorhaben zur Erreichung dieses Ziels zu unterstützen;
49. weist darauf hin, dass zwar Mittel der EU in Bildungseinrichtungen und Schulen investiert wurden, die mit der fortgeschrittenen beruflichen Weiterbildung und Zertifizierung im Bereich der blauen Wirtschaft im Zusammenhang stehen, dass jedoch die Fischerei als ältester Wirtschaftszweig der blauen Wirtschaft nach wie vor Schwierigkeiten hat, in diesen Einrichtungen aufgenommen zu werden, außer im Rahmen regionaler oder nationaler Ausbildungs- oder Schulungsprogramme, wobei die erworbene Ausbildung auf der Ebene der EU nicht anerkannt wird; betont, dass die Standardisierung und die Typgenehmigung für die Ausbildung im Bereich Fischerei in der EU und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten vorangetrieben werden müssen; spricht sich zu diesem Zweck dafür aus, dass die Mittel des EMFAF und des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) in vollem Umfang genutzt werden;
50. begrüßt, dass der Europäische Sozialfonds (ESF) in großem Umfang zur Wiederbelebung von Küstengebieten und ländlichen Gebieten eingesetzt wurde; weist darauf hin, dass Fischer bei der Fortsetzung ihrer Laufbahn an Land unterstützt werden sollten, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund von Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt oder anderweitigen Faktoren nicht weiter auf See arbeiten können; ist davon überzeugt, dass mit EU-Fonds, insbesondere dem ESF, ihr reibungsloser beruflicher Übergang unterstützt werden sollte, auch durch lebenslanges Lernen;
51. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gemeinsame Grundlagen für ein einheitliches Ausbildungs- und Zertifizierungssystem für die verschiedenen Kategorien von Fischern zu schaffen, das eine zügige Anerkennung der in einem bestimmten Mitgliedstaat erworbenen Zertifizierung auf der Ebene der EU ermöglicht; ist der Auffassung, dass dies ein Verfahren für die Anerkennung von außerhalb der Union erworbenen Zertifizierungen umfassen sollte, das mit dem europäischen System zur Anerkennung der Ausbildung vereinbar ist und die Freizügigkeit der Fischer innerhalb der EU erleichtert;
52. stellt fest, dass mit der Richtlinie 2005/36/EG(14) über die Anerkennung von Berufsqualifikationen kein einheitliches Ausbildungs- und Zertifizierungsniveau für alle Fischer festgelegt und die Freizügigkeit der Fischer zwischen den Mitgliedstaaten behindert wird; weist darauf hin, dass die Kommission bislang keine besonderen Vorschriften nach Maßgabe des STCW-F-Übereinkommens für die Anerkennung der Befähigungsnachweise der Fischer vorgeschlagen hat, obwohl die Union besondere, unterschiedliche Regeln für die Anerkennung der Befähigungsnachweise der Seefahrer auf der Grundlage des STCW-F-Übereinkommens eingeführt hat; fordert die Kommission daher auf, spezifische Maßnahmen für die Anerkennung der Befähigungsnachweise der Fischer im Einklang mit den Bestimmungen des STCW-F-Übereinkommens vorzuschlagen, und zwar nicht nur für europäische Fischer, sondern auch für Bürger aus Drittländern, die das STCW-F-Übereinkommen ratifiziert haben oder diesem beigetreten sind;
53. weist darauf hin, dass mit dem EMFAF zwar zur vollständigen Umsetzung der GFP beigetragen werden soll, dass aber zur Erreichung dieses Ziels die Fischer angemessen ausgebildet werden und entsprechende Zertifizierungen erhalten müssen, sodass ein Teil der Mittel für die Ausbildung und Zertifizierung der derzeitigen und künftigen Fischer vorgesehen werden muss; betont, dass der durch den EMFF bedingte Verwaltungsaufwand zu Einschränkungen bei der Verwendung der Mittel für die Ausbildung, insbesondere für Kleinfischer, geführt hat und dass mit dem neuen EMFAF diese Schwierigkeiten überwunden werden müssen, damit ein wirksamer Beitrag zur Ausbildung der Besatzungen geleistet werden kann;
54. hebt hervor, dass sichergestellt werden muss, dass die Ausführungsdaten des EMFAF und des ESF+ genaue Angaben zu den Haushaltsmitteln enthalten, die jeder Mitgliedstaat zur Deckung des regionalen Bedarfs in Bezug auf Bildung, Ausbildung, Beschäftigung und Inklusion verwendet;
55. weist darauf hin, dass zwar immer mehr Anforderungen erfüllt werden müssen, um an Bord eines Schiffes arbeiten zu können, das Ausbildungsangebot jedoch knapp ist, was mitunter dazu führt, dass Schiffe nicht auslaufen können, da die Besatzung an der obligatorischen Ausbildung an Land teilnehmen muss; fordert die EU auf, durch die Förderung von Fernkursen mit neuen Technologien einen Beitrag zur Beschleunigung der Kurse und zur Erleichterung der Teilnahme an Schulungstagen zu leisten;
56. betont, dass Wissen und Innovation von wesentlicher Bedeutung sind, um sicherzustellen, dass die Fischerei auf intelligente, widerstandsfähige und nachhaltige Weise wächst;
57. weist darauf hin, dass es angesichts der neuen Arbeitsplätze, die in der blauen Wirtschaft, der Kreislaufwirtschaft sowie dem Fischerei- und Gastronomietourismus entstehen können, interessant wäre, eine prädiktive Berufsausbildung im Hinblick auf diese neuen Arbeitsplätze und den entsprechenden Ausbildungsbedarf zu entwickeln, wie dies in der Schifffahrtsbranche ins Auge gefasst wurde;
Sicherstellung der Gleichstellung der Geschlechter beim Zugang zu und bei der Beschäftigung in dieser Branche
58. hebt hervor, dass aus den verfügbaren statistischen Daten zwar hervorgeht, dass der Anteil der Frauen an den in der produktiven Fischerei Beschäftigten lediglich 12 % beträgt, dass jedoch viele Fischereifahrzeuge, insbesondere Fischereifahrzeuge der kleinen Küstenfischerei, in vielen Fällen als kleine Familienunternehmen betrieben werden, in denen die gesamte notwendige logistische und administrative Unterstützung auf informeller Basis von Frauen geleistet wird, die offiziell keiner anderen Beschäftigung nachgehen;
59. hebt hervor, dass sichergestellt werden muss, dass Fischer Zugang zu Ausbildung und Zertifizierung haben, insbesondere im Falle der saisonalen Beschäftigung und der Teilzeitbeschäftigung;
60. weist darauf hin, dass es Mitgliedstaaten gibt, in denen eine solche informelle Nebentätigkeit keinerlei Ansprüche in Bezug auf Lohn, soziale Unterstützung, Rente oder Ansprüche im Zusammenhang mit arbeitsbedingten Erkrankungen für die beteiligten Frauen mit sich bringt und dass im Falle einer Betriebsunfähigkeit, einer vorübergehenden Einstellung oder endgültigen Einstellung des Betriebs der Schiffe nur die offiziell anerkannten Arbeitskräfte Anspruch auf soziale Unterstützung haben, wodurch die bestehenden Ungleichheiten zwischen den Arbeitnehmern noch verstärkt werden; betont, dass die Mitgliedstaaten die Arbeit dieser Frauen vollständig professionalisieren müssen, indem sie den Stellenwert dieser Frauen anerkennen und sie in die nationalen Sozialschutzsysteme einbeziehen;
61. hebt hervor, dass bei Maßnahmen zur Anwerbung junger Menschen für die Fischerei ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern sichergestellt und die Rolle von Frauen in der gesamten Fischwirtschaft, angefangen beim Fischfang über das Schiffsmanagement bis hin zur Aquakultur und zur Vermarktung und Verarbeitung von Fischereierzeugnissen, sowie ihre Rolle in Wissenschaft und Verwaltung berücksichtigt werden müssen;
62. fordert die Kommission auf, Initiativen in die Wege zu leiten, um die Arbeit von Frauen in der Fischerei zu würdigen und das gleiche Entgelt für Frauen und Männer sicherzustellen; weist darauf hin, dass in der Gleichstellungsstrategie für den Zeitraum 2020–2025 vorgesehen ist, dass mit den einschlägigen EU-Fonds Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt und der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben unterstützt und Investitionen in Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen gefördert werden und dass weibliches Unternehmertum vorangebracht und gegen die Geschlechtertrennung vorgegangen wird;
63. vertritt die Ansicht, dass es keinen Grund dafür gibt, Frauen von dem Zugang zu diesem Beruf auszuschließen oder ihnen den Zugang zu erschweren, wie die steigende Zahl von weiblichen Besatzungsmitgliedern und Kapitäninnen von aktiven Fischereifahrzeugen zeigt; stellt fest, dass es erfreulicherweise eine Reihe besonders aktiver Verbände gibt, die die in der Fischerei beschäftigten Frauen vertreten, insbesondere in den Fischereibeiräten der EU und in den Branchenverbänden;
64. begrüßt, dass in einigen EU-Ländern Frauenverbände im Bereich der Fischerei gegründet wurden; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die Förderung und den Aufbau neuer Verbände zu unterstützen, um Frauen mehr Sichtbarkeit und Unterstützung zu bieten;
65. ist der Auffassung, dass die Rolle der Frauen in der Fischerei zwar häufig informell ist, dass sie jedoch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht anerkannt und die in diesem Bereich beschäftigten Frauen angemessen vergütet werden müssen; weist darauf hin, dass bessere Informationen in Bezug auf ihre Tätigkeiten und Maßnahmen zur Verbesserung ihres Status und zur Erhöhung ihrer Sichtbarkeit dazu beitragen werden, nicht nur ihre persönliche und soziale Aufwertung zu fördern, sondern auch ihre Rolle in der Fischerei zu entmystifizieren;
66. ist der Ansicht, dass die derzeitigen Vorschriften für die Berechnungen der Kapazität den Zugang von Frauen zu der Branche gefährden, da getrennte Kabinen, Toiletten und Duschen erforderlich sind, um ihre Privatsphäre und ihr Wohlbefinden sicherzustellen;
67. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifikationen von Frauen zu ergreifen, die in der blauen Wirtschaft, insbesondere in der Fischerei, dem Meeresfrüchtesektor, der Aquakultur und der Konservenindustrie tätig sind, und die offizielle Anerkennung ihres Beitrags zur Lieferkette vom Meer zur Industrie zu fördern; hält es ferner für notwendig, dafür zu sorgen, dass mit den Mitteln aus dem EMFAF im Rahmen des Zeitraums 2021–2027 und darüber hinaus ein wesentlicher Beitrag zur Gleichbehandlung von Frauen in der Meeres- und Fischereiwirtschaft geleistet wird, indem die Mittel insbesondere für Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lebens-, Arbeits- und Sicherheitsbedingungen an Bord von Fischereifahrzeugen vorgesehen werden und dafür gesorgt wird, dass die hierfür erforderlichen Änderungen vorgenommen werden;
Förderung des Berufs des Fischers und des Generationenwechsels in diesem Bereich
68. weist darauf hin, dass die EU als größter Binnenmarkt für Fischereierzeugnisse nur 6 % der weltweiten Gesamtfangmenge ausmacht und in hohem Maße von Einfuhren von Fischerei- und Aquakulturerzeugnissen aus Drittländern abhängig ist; weist darauf hin, dass ein Teil dieser Einfuhren von Unternehmen und Schiffen in europäischem Besitz stammt;
69. stellt fest, dass die Normen der GFP zu den strengsten Normen gehören und einen wichtigen Beitrag zur ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit leisten und dass die in den letzten Jahrzehnten erzielten Fortschritte – auch wenn es noch viel Raum für Verbesserungen gibt – die Möglichkeit einer besseren Fischerei aufzeigen, indem einerseits zur Nachhaltigkeit der Fischbestände und der Lebensräume und andererseits zur Erhöhung des Einkommens der Fischer und Schiffseigner beigetragen wird;
70. betont, dass die Förderung hoher Standards in Bezug auf die ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Fischwirtschaft neben anderen Faktoren der Schlüssel ist, um eine neue Generation von Fischern anzuziehen und um für langfristige wirtschaftliche Stabilität in der Branche zu sorgen;
71. fordert die EU auf, für den Schutz des Lebens im Meer die Bedeutung von Maßnahmen wie etwa die Verlegung künstlicher Riffe in ihre ausschließlichen Wirtschaftszonen zu prüfen;
72. betont, dass die kontinuierliche Kürzung der Unterstützung der EU für die Branche im Rahmen der aufeinanderfolgenden mehrjährigen Finanzrahmen und insbesondere die Kürzung der Mittel zur Unterstützung der Fischerei und der gemeinsamen Marktorganisation ein Faktor ist, der zur Verschlechterung der Lage der Branche beigetragen hat; bekräftigt daher, dass die finanzielle Unterstützung der EU für den Bereich Fischerei erheblich aufgestockt werden muss;
73. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Unterstützungsmechanismen und -mittel, einschließlich der Finanzierung, beizubehalten und zu verstärken, damit die Angebotskonzentration gefördert werden kann, indem u. a. die Gründung und der Betrieb von Erzeugerorganisationen vor allem in der kleinen Küstenfischerei und der handwerklichen Fischerei wirksam unterstützt werden;
74. betont, dass im Rahmen von operativen Programmen Erzeugerorganisationen – durch die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Unterstützung – darin bestärkt werden müssen, ihre Erzeugnisse direkt zu vermarkten und innerhalb der Wertschöpfungskette zu arbeiten, um den Wert ihrer Erzeugung zu steigern und den Mehrwert der Fischereierzeugnisse zu erhöhen;
75. fordert die Kommission auf, in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Mechanismen zur Unterstützung der kleinen Fischerei, der handwerklichen Fischerei und der Küstenfischerei zu schaffen und umzusetzen, mit denen es ermöglicht wird, die spezifischen Probleme in diesem Teil der Branche anzugehen;
76. betont, dass Inlandsmärkte für traditionelle Erzeugnisse von besonderer Qualität geschaffen werden müssen, die durch Messen, kleine Unternehmen und das Gaststättengewerbe unterstützt werden sollten, da dies den Mehrwert der lokalen Erzeugnisse erhöhen und die lokale Entwicklung fördern würde;
77. fordert die Kommission auf, verstärkte Mechanismen zu prüfen, mit denen die Vermarktung verarbeiteter Fischereierzeugnisse mit größerer Wertschöpfung gefördert werden kann, vor allem bei Konserven, wie es auch bei bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnissen der Fall ist, und Programme zu prüfen, mit denen die Fischereierzeugnisse der EU extern gefördert werden können, insbesondere im Hinblick auf ihre Verbreitung bei internationalen Wettbewerben und Messen;
78. weist darauf hin, dass die Fischerei von zentraler Bedeutung für die sozioökonomische Lage, die Beschäftigung und die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in den Gebieten in äußerster Randlage ist, deren Volkswirtschaften von ständigen strukturellen Zwängen betroffen sind und die wenige Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Diversifizierung haben; ist daher der Auffassung, dass die Unterstützung der EU für die Fischerei in diesen Gebieten beibehalten und verstärkt werden muss, um insbesondere die durch die äußerste Randlage bedingten zusätzlichen Kosten für den Absatz bestimmter Fischereierzeugnisse aus einigen Gebieten in äußerster Randlage auszugleichen; weist auf die Besonderheiten der Wertschöpfungsketten der Fischerei in den Gebieten in äußerster Randlage hin und ist der Ansicht, dass es besonderer Unterstützung bedarf, damit diese Ketten gestärkt und der Zugang zu den Märkten erleichtert wird, was nicht nur durch die Wiedereinführung eines Programms zur Lösung der spezifisch auf Abgelegenheit und Insellage zurückzuführenden Probleme (POSEI) im Bereich Fischerei, sondern auch durch die Einführung eines Programms „POSEI Verkehr“ erreicht werden könnte, das auf die Errichtung und den Betrieb bestimmter Handelsrouten ausgerichtet ist;
79. betont, dass die Kontinuität der Fischereitätigkeit, der Generationenwechsel und eine größere gesellschaftliche Anerkennung dieser Branche und ihrer Bedeutung für die nachhaltige Versorgung der Europäerinnen und Europäer mit gesunden Nahrungsmitteln, die aus Lebensräumen mit gutem Umweltzustand, sichergestellt werden muss;
80. unterstreicht den bedeutenden Beitrag der Fischer zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, sowohl durch ihre direkte Beteiligung an der Erhebung von Daten über die Fischereitätigkeit als auch durch ihre Zusammenarbeit mit der in der Wissenschaft tätigen Personen bei der Bereitstellung zusätzlicher Informationen über den Zustand der Meeresumwelt, der Arten und Lebensräume und deren Erhaltung für wissenschaftliche Zwecke;
81. stellt fest, dass die Ausbildung von Fischern eine wichtige Rolle dabei spielen kann, die Beteiligung an und den Beitrag der Fischerei zum Schutz der Natur fortzusetzen, indem sie die Anwendung und den Einsatz nachhaltigerer Fangtechniken im Einklang mit den Zielen der GFP für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen unterstützt;
82. weist darauf hin, dass es von entscheidender Bedeutung ist, das marine Forschungs- und Innovationspotenzial in den Gebieten in äußerster Randlage zu entwickeln, um das Wachstum der blauen Wirtschaft in diesen Gebieten anzukurbeln; fügt hinzu, dass durch eine stärkere Beteiligung der Gebiete in äußerster Randlage an internationalen Forschungsnetzen, die ihre Universitäten einbeziehen, und die Kenntnis ihrer einzigartigen Merkmale den Gebieten in äußerster Randlage dabei geholfen werden kann, ihre Innovationssysteme zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, Anstrengungen zu unternehmen, um diese Gebiete mit angemessenen Mitteln auszustatten, damit ihre biologische Vielfalt effizient untersucht und genutzt werden kann;
83. unterstreicht das Ziel der gemeinsamen Fischereipolitik, die selektive Fischerei zu fördern, und das Ziel der EU, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen; hebt die Fortschritte im Hinblick auf eine emissionsarme Kutterflotte und innovative Fangtechniken hervor, die sowohl zur Erreichung des Ziels für 2050 als auch zur Erreichung des Ziels der Selektivität beitragen; fordert die Kommission auf, diese Entwicklungen zu fördern und ihnen Vorrang einzuräumen, um der Branche durch Innovation eine Perspektive zu bieten;
84. weist darauf hin, dass der Schiffbau und die Wissenschaft gemeinsam einen so genannten „Triple zero“-Ansatz (Dreifache-Null-Ansatz) entwickeln: „keine Emissionen, keine Abfälle, keine Unfälle an Bord“, bei dem die europäische Flotte, einschließlich der in der handwerklichen Fischerei eingesetzten Schiffe, von hauptsächlich wirtschaftlichen Schiffskonstruktionen zu kreislauforientierten, effizienteren und nachhaltigeren Schiffskonstruktionen übergehen kann;
85. stellt fest, dass die Fischer mit der entsprechenden Ausbildung und den entsprechenden spezifischen Fähigkeiten einen noch größeren Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt leisten könnten, indem sie Umweltdaten an Ort und Stelle erheben und erfassen und die durch Fernbeobachtung mit Satelliten und anderen Instrumenten gewonnenen Daten verifizieren; hebt die wichtige Rolle hervor, die Universitäten und Meeresforschungszentren in Zusammenarbeit mit maritimen Schulen bei der Ausbildung von Fischern spielen, um diesem Bedarf gerecht zu werden; betont, dass im Jahr 2019 die EU-Flotte, die aus über 81 000 Fischereifahrzeugen aller Größen bestand, eine beispiellose Anzahl von Plattformen zur Verfügung gestellt hat, die nahezu täglich stetig Daten über die Fischerei und andere Meeresdaten sammelte; weist darauf hin, dass dies eine Einrichtung ist, die mit entsprechenden Anreizen für die Erhebung von noch mehr Daten über die Meere Europas und der Welt genutzt werden kann und sollte; fordert die offiziellen wissenschaftlichen Beratungsgremien für die Fischerei – wie den Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) oder den STECF– nachdrücklich auf, die von der Flotte der EU erhobenen Daten stärker zu nutzen;
86. weist darauf hin, dass durch die Einbeziehung junger Menschen und den Generationenwechsel nicht nur die Kontinuität der ältesten Tätigkeit im Rahmen der blauen Wirtschaft sichergestellt wird, sondern auch die Bevölkerung in den Küstenregionen und den umliegenden ländlichen Gebieten geschützt wird, wodurch das kulturelle Erbe zahlreicher Küstengemeinschaften erhalten wird; ist der Auffassung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass die jüngeren Generationen besser informiert und für Fragen der Nachhaltigkeit mit neuen Erkenntnissen sowie für die Notwendigkeit sensibilisiert werden, dass alle zur Bewältigung und Bekämpfung des Klimawandels beitragen, der die Meeres- und Küstengebiete des gesamten Planeten am stärksten in Mitleidenschaft zieht;
87. vertritt die Ansicht, dass die Fischerei für mehr junge Menschen attraktiver wäre, wenn dieser Bereich mit anderen aufstrebenden Branchen, z. B. dem Tourismus, verbunden und durch diese aufstrebenden Branchen ergänzt werden würde; fordert in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten und ihre Gebiete mit Nachdruck auf, den Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit dem Fischereitourismus als Einkommensquelle zu verringern; fordert die Kommission ferner auf, im Rahmen der bestehenden Programme der EU Substitutionslinien für die Wiederherstellung des materiellen und immateriellen Erbes im Zusammenhang mit den verschiedenen maritimen Tätigkeiten zu fördern, die Identität der Küstengemeinschaften zu bewahren und ihre Nutzung für den Tourismus zu optimieren;
88. stellt fest, dass der Umweltschutz für junge Menschen in Europa zunehmend von Belang ist; betont, wie wichtig die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischerei ist, um junge Fischer zu gewinnen; fordert, dass schonender Fischfang nicht nur als Mittel zur Verringerung der Auswirkungen der Fischerei auf die Meeresumwelt, sondern auch zur Gewinnung neuer Generationen von Fischern gefördert wird;
89. weist darauf hin, dass der Fischereitourismus erhebliches ungenutztes Potenzial birgt;
90. betont, wie wichtig es für die nachhaltige Entwicklung und den Schutz der Meeresumwelt ist, dass die Fischer in die gemeinschaftliche und gemeindenahe maritime Raumplanung einbezogen werden;
91. hebt hervor, wie wichtig das Wissen über die Meere ist, in dessen Rahmen die digitale Kompetenz und die Digitalisierung der Fischereitätigkeit gefördert werden muss; betont, dass trotz der verbesserten Fähigkeiten älterer Nutzer Softwareanwendungen für jüngere Generationen einfacher und intuitiver sind, wenn es darum geht, Daten im Rahmen der neuen Fischereikontrollverordnung, die derzeit überarbeitet wird, zu erheben und zu erfassen oder neue Anwendungen und Ausrüstungen zur Verbesserung der Sicherheit, der Arbeitsbedingungen und des Wohlbefindens der Fischer auf See einzusetzen;
92. begrüßt die strategischen Veränderungen in der EU, insbesondere den grünen und den digitalen Wandel, in deren Zuge dazu beigetragen werden muss, bestehende Arbeitsplätze zu schützen und neue und hochwertige Arbeitsplätze in Gebieten zu schaffen, die stark von der Fischerei abhängig sind, und ihre wirtschaftliche Entwicklung weiter anzukurbeln; hebt hervor, wie wichtig es ist, die traditionellen Berufe in der Fischerei zu erhalten, und zwar mit einem ausgewogenen Übergang, um zu verhindern, dass der Mehrwert der von älteren Fischern erworbenen Erfahrung verloren geht; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Systeme des lebenslangen Lernens einzurichten, um Kompetenzen auf den neuesten Stand zu bringen und Chancen für alle Altersgruppen zu schaffen;
93. weist darauf hin, dass durch Verbesserungen des Erhaltungszustands der Fischbestände die Produktivität und das Durchschnittseinkommen der Fischer erhöht wurde sowie die Kohlenstoffemissionen und andere Treibhausgase verringert wurden; stellt fest, dass die Fischer zunehmend am Einsammeln der Abfälle im Meer beteiligt sind, einschließlich, aber nicht nur verlorener oder aufgegebener Fanggeräte, und dass ihr diesbezüglicher ökologischer Beitrag anerkannt, gefördert und angemessen vergütet werden sollte; betont in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, die Förderung der Schaffung neuer Tätigkeiten und zusätzlicher Einkommensquellen im Zusammenhang mit dem Einsammeln von Abfällen im Meer und der Umsetzung der europäischen Strategie für Kunststoffe in einer Kreislaufwirtschaft in Erwägung zu ziehen;
94. hebt hervor, dass die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände und die Festlegung von Fangquoten im Einklang mit dem Ziel der Wiederherstellung und Erhaltung von Fischbeständen über dem Niveau der Biomasse, die den höchstmöglichen Dauerertrag erbringen kann, von entscheidender Bedeutung sind, um ein wirtschaftliches Umfeld zu schaffen, in dem sich junge Menschen sicher genug fühlen, die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um Fischer zu werden;
95. betont, dass die Mitgliedstaaten die wirtschaftlichen Anreize und die Hafeninfrastruktur schaffen müssen, die für das ordnungsgemäße Sammeln und Recycling von Abfällen und Kunststoffen, die von jungen Fischern gefangen werden, erforderlich sind, was ihnen im Gegenzug neben ihrer Haupttätigkeit auch einen wirtschaftlichen Nutzen bringen kann;
96. fordert die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 über die GFP bei der Zuteilung der ihnen zur Verfügung stehenden Fangmöglichkeiten auch altersbezogene Kriterien heranzuziehen;
97. begrüßt, dass mit dem neuen EMFAF für den Zeitraum 2021–2027 jungen Fischern beim ersten Erwerb eines Fischereifahrzeugs oder eines Fischereiunternehmens Hilfe und Unterstützung geboten wird; hebt hervor, dass es notwendig ist, junge Menschen nicht nur für die Fischereitätigkeiten auf See, sondern auch für das Management von Fischereiunternehmen und die Aquakultur zu gewinnen, um so den Generationenwechsel in der gesamten Branche sicherzustellen; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Generationenwechsel zu fördern, indem sie Hindernisse beseitigen und Menschen unterstützen, die eine Berufslaufbahn in der Fischwirtschaft beginnen möchten, und sich mit den Problemen wie den anfänglichen hohen Kosten der Unternehmensgründung, den Verfahren für die Zuteilung von Fangmöglichkeiten, der Einkommensunsicherheit, der Gleichstellung der Geschlechter und der Unsicherheit in Bezug auf die Dauer einer Erwerbslaufbahn zu befassen;
98. bekräftigt das Erfordernis, als Mittel zum Schutz der Einkommen aus der Fischerei der Branche und ihren Arbeitnehmern einen angemessenen wirtschaftlichen und sozialen Ausgleich zu gewähren, um die auferlegten Maßnahmen zur Erhaltung der Ressourcen oder die Unterstützung bei der vorübergehenden Einstellung der Fischerei zum Zwecke der Ressourcenbewirtschaftung auszugleichen; schlägt zu diesem Zweck vor, dass im Rahmen des EMFAF die Einrichtung eines Lohnausgleichsfonds unterstützt wird, mit dem alle Einkommensverluste ausgeglichen und die Zeiträume abgedeckt werden, in denen kein Fischfang erlaubt ist, und dass diese Zeiträume in Bezug auf die Altersrente und andere Sozialversicherungsansprüche als Erwerbszeiten gelten müssen; unterstützt ferner, dass ein garantierter Mindestlohn eingeführt wird;
99. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Bemühungen zur Förderung des sozialen Dialogs zwischen den Parteien zu unterstützen, insbesondere folgende Maßnahmen: a) Ausbildung von jungen Unternehmern in der Fischereibranche, b) Fortbildung und Ausbau der Kompetenzen auf dem Gebiet der nachhaltigen Fischerei, c) Sensibilisierung für bewährte Fischereigepflogenheiten, d) Sicherheit und Schutz des menschlichen Lebens auf See, e) Gesundheit und Sicherheit der Arbeitskräfte an Bord;
100. weist darauf hin, dass Investitionen in den Generationenwechsel weiterhin eine Priorität für die EU sein sollten, dass einer der wichtigsten Errungenschaften unseres gemeinsamen Aufbauwerks die Nahrungsmittelautarkie ist und dass die allmähliche Alterung der in der Fischerei beschäftigten Personen ein wirkliches Risiko darstellt;
101. vertritt die Ansicht, dass der kleinen Fischerei, die nicht nur im Hinblick auf die biologische Bewirtschaftung der Ressourcen, sondern auch aus sozioökonomischer Sicht potenziell weniger Raubbau betreibt und nachhaltiger ist, besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung zuteilwerden sollte;
102. weist darauf hin, dass der Generationenwechsel, der Fischer umfasst, die gut ausgebildet sind und Kenntnisse über die neuesten Technologien, Verfahren und Möglichkeiten zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Ressourcen besitzen, auch eine Möglichkeit für die EU darstellt, um einen Beitrag zu der weltweiten Bewegung zur Bekämpfung, Verringerung und Beseitigung der IUU-Fischerei zu leisten;
103. vertritt die Ansicht, dass der Generationenwechsel und die Diversifizierung der Tätigkeiten weiterhin eine Herausforderung darstellen und dass im Rahmen des EMFAF Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Berufsbildung und die berufliche Laufbahn zu fördern sowie die Einkommen und die Arbeitsplatzsicherheit zu erhöhen;
104. weist darauf hin, dass das Erfordernis, das Image der Branche, das auch die Rolle der Frauen umfasst, und die Arbeits-, Lebens- und Sicherheitsbedingungen auf den Fischereifahrzeugen zu verbessern, um neue Generationen zu gewinnen, sowie die Notwendigkeit, die Verfahren zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise im Bereich der Fischerei angesichts der Hindernisse für die Freizügigkeit von Fischern zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern, und der Bedarf an Arbeitskräften in diesem Bereich, Faktoren sind, die die Einstellung von Fischern aus Drittländern fördern, die in bestimmten Fällen illegal beschäftigt sind;
105. vertritt im Einklang mit der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur sozialen Dimension der Fischerei die Auffassung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, allgemeine Grundsätze und operative Leitlinien für faire Arbeitsmarktdienstleistungen in der Fischerei zu entwickeln, da Fischer aus Drittländern für die Aufrechterhaltung der Tätigkeit in dieser Branche in mehreren Regionen wichtig sind; betont in diesem Zusammenhang, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die Leitlinien zur menschenwürdigen Beschäftigung von Wanderarbeitern in der Fischerei , die 2020 von den europäischen Sozialpartnern in der Fischerei erarbeitet wurden, fördern sollten;
106. fordert die Kommission und den Rat der Europäischen Union auf, die Handelspolitik zu nutzen, um sicherzustellen, dass vergleichbare ökologische und soziale Nachhaltigkeitsstandards sowohl für europäische als auch für nichteuropäische Akteure gelten und dass auf dem Binnenmarkt nur Erzeugnisse zugelassen werden, die diese Standards erfüllen; stellt fest, dass die EU andernfalls das falsche Signal an die internationale Gemeinschaft senden würde, dass nämlich diejenigen belohnt werden, die sich am wenigsten für die Nachhaltigkeit der Fischbestände und die faire Behandlung der Fischer einsetzen;
107. bringt seine Besorgnis angesichts der Lage der Fischer zum Ausdruck, denen in der Praxis die Ausübung ihres Wahlrechts verwehrt wird, auch bei der Wahl zum Europäischen Parlament, weil sie sich auf See befinden; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Besatzungsmitglieder, die Unionsbürger sind und sich auf See befinden, bei den verschiedenen Wahlen auch wirklich ihre Stimme abgeben können;
108. weist darauf hin, dass die kleine Küstenfischerei den Fischern eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ermöglichen kann, und betont daher, wie wichtig es ist, einen Regelungsrahmen zu fördern, mit dem die kleine Fischerei geschützt wird;
109. fordert, dass neue Programme für den sozialen Zusammenhalt eingesetzt werden; begrüßt Pilotprojekte für ein Grundeinkommen in den Küstengebieten der EU, die das niedrigste BIP pro Kopf aufweisen, auch in den Gebieten in äußerster Randlage;
110. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Öffentlichkeit in Europa, insbesondere die jüngeren Generationen, einschließlich Schulen und Arbeitsvermittlungsagenturen, für die Bedeutung der Fischereitätigkeit als Karrierechance zu sensibilisieren; betont ferner den Beitrag der Fischer zur Nahrungsmittelversorgung in Europa, zum Schutz und zur Erhaltung der Ozeane und der marinen Tier- und Pflanzenwelt sowie zur Gestaltung der Kultur und der Lebensweise der Küstengemeinschaften, wodurch das Vorurteil widerlegt wird, dass Fischer räuberisch agieren und lediglich an der Ausbeutung der Ressourcen interessiert sind, ohne dabei an die Zukunft zu denken;
111. erinnert daran, dass die europäischen Flotten in Bezug auf Sicherheit, Arbeitsbedingungen, qualifizierte Arbeitsplätze, Schutz der Umwelt und der biologischen Vielfalt und Minimierung ihres Umweltfußabdrucks weltweit die höchsten Standards erfüllen, dass sie ihr Engagement für diese Priorität unter Beweis gestellt haben, indem sie die Entwicklung neuer Kontrolltechnologien durch die kontinuierliche Anpassung an neue und anspruchsvolle Vorschriften unterstützt und gefördert haben, und dass die GFP, auch wenn in der europäischen Politik noch Verbesserungen vorgenommen werden, seit Jahrzehnten dem Erfordernis eines wissenschaftlich geleiteten Artenmanagements Rechnung trägt;
112. bestärkt die Kommission darin, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und ihren Küstenregionen eine angemessene Strategie zur Förderung der europäischen Fischerei auszuarbeiten, die mit einer angemessenen finanziellen Unterstützung einhergeht, auch für Arten, für die eine geringere Nachfrage besteht und die einen geringeren Handelswert haben, um ihren Wert zu steigern und gleichzeitig die Konzentration des Aufwands auf Arten zu verhindern, die einen höheren Wert haben und daher eher überfischt werden;
113. hebt hervor, wie wichtig es ist, verstärkt in Forschung, Modernisierung und Innovation zu investieren, was jungen Fischern und Küstengemeinschaften zugutekommen würde;
114. betont, dass die Dekarbonisierung der Fischereiflotte, die derzeit zu 100 % von fossilen Brennstoffen abhängig ist, gefördert und unterstützt werden muss, damit die Fischereibranche einen wirksamen Beitrag zum europäischen Grünen Deal leisten kann und der Zugang jüngerer Generationen zur Fischereibranche mittels innovativer Initiativen unterstützt werden kann;
115. erkennt Fischer als Lieferanten von Lebensmitteln und Arbeitnehmer in systemrelevanten Funktionen an, die auch während Katastrophenereignissen wie der COVID-19-Pandemie weiterhin die täglichen Anlandungen in einem herausfordernden Umfeld sichergestellt haben; hebt die beträchtlichen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie das Erfordernis hervor, dass die Mitgliedstaaten ausreichende EU-Mittel zuweisen müssen, um die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der Fischwirtschaft und in der blauen Wirtschaft zu unterstützen;
116. weist auf die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU auf die Fischwirtschaft hin, insbesondere in den Küstenregionen der betroffenen Fischereiflotten; ist der Ansicht, dass von diesen Auswirkungen nicht nur Fischereifahrzeuge und ihre Besatzung, sondern ganze Gemeinden und die Beschäftigung in diesen Gebieten betroffen sein werden;
117. hebt seinen Standpunkt hervor, dass bei dem Generationenwechsel die Ziele des europäischen Grünen Deals und das Erfordernis, den digitalen Wandel auch in der blauen Wirtschaft sicherzustellen, berücksichtigt werden müssen; stellt fest, dass dies nicht nur bedeutet, junge Menschen für die Fischerei zu gewinnen, sondern auch dafür zu sorgen, dass sie sachkundig und angemessen ausgebildet sind, ihnen attraktive berufliche Perspektiven und die Möglichkeit zu bieten, ihre persönliche Lage zu verbessern – insbesondere durch die Verbesserung ihres Einkommens und die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Einkommen – und zum Zusammenhalt ihrer lokalen Gemeinschaften beizutragen, insbesondere in den am stärksten isolierten Küstenregionen und in den Regionen mit geringeren Beschäftigungsmöglichkeiten, und sie in die Lage zu versetzen, sich für den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wandel in diesen Gebieten einzusetzen, während gleichzeitig die Rolle der Frauen in dieser Branche durch verbesserte Mobilitäts- und Beschäftigungsmöglichkeiten in der gesamten EU gestärkt wird, ohne dass es zu Schwierigkeiten oder Beschränkungen bei der Anerkennung ihrer Fähigkeiten und ihrer Ausbildung kommt; vertritt die Ansicht, dass der Generationenwechsel nicht zu einem Konflikt zwischen den Generationen führen darf und Fischer aller Altersgruppen einbeziehen sollte, um für ein Gleichgewicht beim grünen und digitalen Wandel zu sorgen und sicherzustellen, dass der Erfahrungsschatz nicht verloren geht;
118. weist darauf hin, dass die nächste Generation europäischer Fischer nicht nur die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Fischereibranche der EU stärken wird, sondern auch zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung in Europa in den kommenden Jahren beitragen wird;
119. fordert die Kommission nachdrücklich auf, in ihrem nächsten Bericht über die Umsetzung der GFP auf die in dieser Entschließung dargelegten Aspekte und Forderungen einzugehen;
120. kommt zu dem Schluss, dass wir mit dieser Entschließung die einmalige Gelegenheit haben, diejenigen zu würdigen, die die Zukunft der europäischen Fischereibranche – die von strategischer Bedeutung ist – darstellen, und Europa den einzuschlagenden Weg zu zeigen: mehr junge Fischer, besserer Fischfang und bewährte Verfahren;
o o o
121. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, dem Ausschuss der Regionen sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 des Rates vom 29. September 2008 über ein Gemeinschaftssystem zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei, zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1936/2001 und (EG) Nr. 601/2004 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 1093/94 und (EG) Nr. 1447/1999, ABl. L 286 vom 29.10.2008, S. 1.
Basierend auf dem Verhältnis der Anzahl der Schiffe, die älter als 25 Jahre sind, zur Gesamtzahl der Schiffe: https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do
Beschluss (EU) 2015/799 des Rates vom 18. Mai 2015 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, im Interesse der Europäischen Union Vertragspartei des Internationalen Übereinkommens der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst für Personal an Bord von Fischereifahrzeugen zu werden (ABl. L 127 vom 22.5.2015, S. 20).
Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22).
Pläne und Vorgehen zur Beschleunigung eines Übergangs zu Innovationen ohne die Verwendung von Tieren in der Forschung, bei vorgeschriebenen Versuchen und in der Bildung
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Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu den Plänen und dem Vorgehen zur Beschleunigung eines Übergangs zu Innovationen ohne die Verwendung von Tieren in der Forschung, bei vorgeschriebenen Versuchen und in der Bildung (2021/2784(RSP))
– gestützt auf die Artikel 13 und 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere(1),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) und zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur („REACH-Verordnung“)(2),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates(3),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten(4),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Mai 2018 zu einem weltweiten Verbot von Tierversuchen für kosmetische Mittel(6),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 15. März 2021 zu dem Thema „Strategie der Union für nachhaltige Chemikalien: Zeit für Ergebnisse“ (6941/21),
– unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 5. Februar 2020 mit dem Titel „Bericht 2019 über die statistischen Daten über die Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Jahren 2015–2017“ (COM(2020)0016),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 30. September 2020 über einen neuen Europäischen Forschungsraum (EFR) für Forschung und Innovation (COM(2020)0628),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 25. November 2020 über eine Arzneimittelstrategie für Europa (COM(2020)0761),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 mit dem Titel „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019)0640),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Die Stunde Europas – Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen“ (COM(2020)0456),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juli 2020 zu der Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien(7),
– unter Hinweis auf die Eurobarometer-Sonderumfrage Nr. 340 zu Wissenschaft und Technologie,
– unter Hinweis auf den zweiten Zwischenbericht über die Online-Konsultation zur Zukunft Europas und die wichtigsten Schlussfolgerungen aus den Bürgerdialogen und Bürgerkonsultationen,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 3. Juni 2015 über die Europäische Bürgerinitiative „Stop Vivisection“ (C(2015)3773),
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass in der Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere das letztendliche Ziel festgelegt ist, „Verfahren mit lebenden Tieren […] vollständig zu ersetzen, sobald dies wissenschaftlich möglich ist“, und betont wird, dass der Einsatz von Tieren zu derartigen Zwecken nur dann erwogen werden sollte, wenn es keine tierversuchsfreie Methode gibt; in der Erwägung, dass sich die Gesamtzahl der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere seit Inkrafttreten dieser Richtlinie laut den jüngsten Daten von 2018 jedoch kaum verändert hat;
B. in der Erwägung, dass die Richtlinie Transparenz bei der Verwendung von Tieren in der Wissenschaft vorsieht und für die Verwendung von Tieren in allen Disziplinen gilt, angefangen bei der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung und die Entwicklung von Arzneimitteln bis hin zur Unbedenklichkeitsprüfung von Chemikalien; in der Erwägung, dass es noch immer an Transparenz mangelt; in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben und dass alle branchenspezifischen Rechtsvorschriften, etwa jene über Arzneimittel, Lebensmittel oder Chemikalien, mit den Zielen der Richtlinie im Einklang stehen müssen, was bedeutet, dass die Verwendung lebender Tiere nur erfolgen sollte, wenn keine geeigneten Alternativen verfügbar sind; in der Erwägung, dass diese Anpassung notwendig ist, um die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen;
C. in der Erwägung, dass die bisherigen Tierversuche zu Fortschritten bei der Entwicklung von Behandlungsmethoden für Krankheiten beim Menschen sowie von Medizinprodukten, Anästhetika und sicheren Impfstoffen, einschließlich Impfstoffen gegen das Virus SARS-CoV-2, beigetragen und auch für die Gesundheit von Tieren von Bedeutung waren;
D. in der Erwägung, dass im Jahr 2017 in 9,58 Millionen Fällen eine Meldung über die Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken abgegeben wurde; in der Erwägung, dass der am häufigsten angegebene Zweck die Forschung (69 %) war, dann folgten als Zweck die Verwendung zur Erfüllung vorgeschriebener Anforderungen (23 %) und die Routineproduktion (5 %); in der Erwägung, dass es sich bei den meisten der zu vorgeschriebenen Zwecken durchgeführten Versuchen um die Prüfung von Humanarzneimitteln (61 %) ging, dann folgte die Prüfung von Tierarzneimitteln (15 %) und von Industriechemikalien (11 %)(8); in der Erwägung, dass in einigen Teilen der EU nichtmenschliche Primaten für derartige Versuche verwendet werden und dass jedes Jahr viele andere Tierarten für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden; in der Erwägung, dass in einem einzigen Jahr bis zu 12 Mio. Tiere für Tierversuche gezüchtet und getötet werden, ohne tatsächlich in Versuchen verwendet zu werden(9);
E. in der Erwägung, dass das Spektrum tierversuchsfreier Modelle immer größer wird, woran das damit verbundene Potenzial deutlich wird, das Verständnis von Krankheiten zu verbessern und die Entdeckung wirksamer Behandlungsmethoden zu beschleunigen; in der Erwägung, dass dieses Spektrum beispielsweise die neuartige Organchiptechnologie, ausgefeilte Computersimulationen, 3D-Kulturen menschlicher Zellen zur Erprobung von Arzneimitteln und andere moderne Modelle und Technologien umfasst;
F. in der Erwägung, dass die Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission (JRC) eine Reihe von Berichten erstellt hat, in denen fortgeschrittene tierversuchsfreie Modelle in sieben Krankheitsfeldern aufgeführt und beschrieben werden und deren Ziel es ist, die Entwicklung dieser Technologien zu beschleunigen; in der Erwägung, dass die Initiativen der EU in den Bereichen Forschung, Innovation und Bildung allerdings vollständig mit den in diesen Prüfungen ermittelten Prioritäten im Einklang stehen sollten;
G. in der Erwägung, dass die offizielle Förderung tierversuchsfreier Methoden zwar ein Alleinstellungsmerkmal der EU ist, es jedoch bürokratische Hürden für ihre Akzeptanz gibt, ihre Anwendung nicht hinreichend durchgesetzt wird und ihre Entwicklung nach wie vor nicht angemessen finanziert wird;
H. in der Erwägung, dass die Unionsbürgerinnen und ‑bürger stets ihre Unterstützung dafür zum Ausdruck gebracht haben, der Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke ein Ende zu setzen;
I. in der Erwägung, dass in der Kommission die Generaldirektion Umwelt, die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU, die Generaldirektion Forschung und Innovation und die Generaldirektion Gemeinsame Forschungsstelle alle für unterschiedliche Bereiche im Zusammenhang mit der Tierforschung bzw. Tierversuchen zuständig sind, es jedoch keinen formellen Koordinierungsmechanismus gibt, mit dem für ein konkretes, schlüssiges und auf Synergieeffekte setzendes Konzept gesorgt wird, das auf die vollständige Ersetzung von Tierversuchen ausgerichtet ist;
J. in der Erwägung, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Strategien eingeführt haben, um Tierversuche tatsächlich zu verringern und zu ersetzen, die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) aber noch nicht über eine solche Strategie verfügt und erklärt hat, dass sofortige gezielte Investitionen erforderlich sind, um wirksame tierversuchsfreie Methoden der prädiktiven Toxikologie zu entwickeln und die Verwirklichung rechtlicher Vorgaben unmittelbar voranzubringen;
K. in der Erwägung, dass sich das wegweisende Verbot von Tierversuchen für kosmetische Mittel positiv auf das Tierwohl in der EU ausgewirkt hat und an diesem Beispiel erfolgreich gezeigt wurde, dass ein allmählicher Verzicht auf Tierversuche möglich ist, ohne die Entwicklung der Kosmetikbranche zu gefährden; in der Erwägung, dass jedoch noch immer gesetzliche Anforderungen gelten, derentwegen auch künftig Tierversuche durchgeführt werden, in denen untersucht wird, wie sich ausschließlich für kosmetische Mittel verwendete chemische Inhaltsstoffe auf die Arbeitnehmer, die mit diesen Stoffen arbeiten, und auf die Umwelt auswirken; in der Erwägung, dass durch die Festlegung klarer Fristen für die allmähliche Abschaffung derartiger Versuche in der EU die Innovation in Unternehmen aus der EU dennoch vorangetrieben wurde und diese Festlegung von der Öffentlichkeit unterstützt wird;
L. in der Erwägung, dass die Ersetzung von Tierversuchen durch fortschrittliche tierversuchsfreie Methoden notwendig ist, um die hochgesteckten gesundheits- und umweltpolitischen Ziele der Kommission zu verwirklichen, die im Aufbauplan NextGenerationEU und im europäischen Grünen Deal festgelegt sind, und dass anerkannten tierversuchsfreien Alternativen Vorrang eingeräumt werden muss, sofern diese Alternativen bereits verfügbar sind;
M. in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten nationale Durchführungsvorschriften erlassen haben, mit denen für ein hohes Schutzniveau für Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, gesorgt wird, während andere Mitgliedstaaten nur die Mindestanforderungen der Richtlinie 2010/63/EU anwenden;
1. fordert die Kommission auf, die Koordinierung zu verbessern, um das in der Richtlinie 2010/63/EU festgelegte Ziel zu verwirklichen, indem sie eine hochrangige dienststellenübergreifende Arbeitsgruppe einrichtet, an der alle wichtigen Generaldirektionen und Agenturen beteiligt sind, mit den Mitgliedstaaten und den einschlägigen Interessenträgern zusammenzuarbeiten, um einen unionsweiten Aktionsplan auszuarbeiten, damit die Versuche an lebenden Tieren für wissenschaftliche und vorgeschriebene Zwecke nach Maßgabe des Grundsatzes der Verringerung, Verbesserung und Vermeidung rascher tatsächlich eingestellt werden, sobald dies wissenschaftlich möglich ist und ohne das Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Umwelt zu senken, während zugleich die Entwicklung der alternativen tierversuchsfreien Methoden, Technologien und Instrumente, die für diese Umstellung erforderlich sind, beschleunigt wird; betont, dass ein klarer und ambitionierter Zeitplan und eine Liste von Etappenzielen festgelegt werden sollten, um Anreize für Fortschritte zu schaffen;
2. hebt hervor, dass die Verwendung von Tieren in der Forschung in erheblichem Maße zu Fortschritten bei der Behandlung vieler Krankheiten beim Menschen beigetragen hat und auch für die Gesundheit von Tieren von Bedeutung war, und betont, dass die allmähliche Einstellung der Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke zwar das letztendliche Ziel ist, aber tierversuchsfreie Methoden noch nicht in allen Bereichen der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stehen; betont zudem, dass es Fälle gibt, in denen Tierversuche noch erforderlich sind, um wissenschaftliche Erkenntnisse bei der langen Suche nach wirksamen Behandlungsverfahren für bestimmte Krankheiten zu gewinnen, da bislang keine tierversuchsfreien Alternativen zur Verfügung stehen; betont, dass laut der Feststellung der Gemeinsamen Forschungsstelle eine starke Abhängigkeit von Tierversuchen Fortschritte in bestimmten Gebieten bei der Erforschung von Krankheiten behindern kann(10), wenn mithilfe von sich auf Tiere stützenden Modellen wesentliche Merkmale von Krankheiten des Menschen nicht erfasst werden, und ist der Ansicht, dass der Übergang zu alternativen Modellen neue Durchbrüche ermöglichen könnte; stellt überdies fest, dass in Ermangelung tierversuchsfreier Methoden durchgeführte Tierversuche nur unter optimalen Bedingungen erfolgen dürfen, durch die Schmerzen, Angst und Leiden so gering wie möglich gehalten werden und das Wohlergehen der betroffenen Tiere geschützt wird;
3. unterstreicht, dass der Aktionsplan ambitionierte und erreichbare Vorgaben, Ziele zur Verringerung von Tierversuchen und Zeitpläne enthalten sollte, die im Rahmen des übergeordneten Ziels der Verringerung und Vermeidung von Tierversuchen festgelegt werden, um Anreize für Veränderungen zu setzen, dass er konkrete und koordinierte Maßnahmen umfassen sollte, die um Indikatoren ergänzt werden, wie sie auch in anderen Politikbereichen der EU angewandt werden, und dass die EU-Statistikdatenbank ALURES als Bezugspunkt verwendet werden sollte, um zu erreichen, dass die Zahl der in der Union für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere tatsächlich und dauerhaft sinkt;
4. betont, dass in dem Plan unter anderem Vorschläge für eine bessere Umsetzung und Durchsetzung der vorhandenen Initiativen mit einem gut funktionierenden System von Kontrollen vorgelegt werden sollten;
5. hebt hervor, dass der Europäische Forschungsraum vertieft werden muss und dass der Plan auf der bislang in der Union durchgeführten Forschung aufbauen und Mechanismen für eine bevorzugte Mittelzuweisung bei der Verwendung tierversuchsfreier Methoden bei allen Initiativen der Union in den Bereichen Forschung und Innovation umfassen sollte, da diese alternativen Methoden zusätzliche Kosten mit sich bringen und höhere Investitionen erfordern; weist daher darauf hin, dass im Rahmen von Horizont Europa mehr und gezieltere Mittel für fortschrittliche tierversuchsfreie Modelle bereitgestellt werden müssen; fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, ausreichende Mittel für die mittel- bis langfristige Finanzierung bereitzustellen, damit rasch alternative Versuchsmethoden entwickelt, validiert und eingeführt werden können, durch die Tierversuche, insbesondere in Bezug auf wesentliche toxikologische Endpunkte, ersetzt werden; fordert die Kommission auf, ihrer Verpflichtung zur Zusammenfassung von Stoffen und zur Verwendung allgemeiner Risikobewertungen als wichtiges Mittel zum besseren Schutz der Gesundheit des Menschen und zur Verringerung von Tierversuchen uneingeschränkt nachzukommen;
6. fordert die Kommission nachdrücklich auf, in Absprache mit den einschlägigen Agenturen, insbesondere der ECHA und der EFSA, Ziele hinsichtlich einer Verringerung durch eine stärker vorausschauende Umsetzung der bestehenden Verordnungen über die Sicherheit von Chemikalien und anderen Produkten festzulegen und die Verwirklichung dieser Ziele durch die Verwendung einer vollständig vernetzten und interoperablen EU-Datenbank für chemische Sicherheit voranzubringen; weist darauf hin, dass gemäß Artikel 13 der REACH-Verordnung die Anforderungen an die Prüfmethode aktualisiert werden müssen, sobald Methoden ohne Tierversuche zur Verfügung stehen;
7. betont, dass die Privatwirtschaft konkret in das Vorhaben einbezogen werden kann, insbesondere Unternehmen, die auf tierversuchsfreie Modelle umstellen wollen, aber auch Start-up-Unternehmen, die diese Modelle entwickeln und optimieren, indem sie an Ansätzen mitwirken, die auf die Zusammenarbeit ausgerichtet sind und mit denen Tierversuche schrittweise eingestellt werden; ist der Ansicht, dass staatliche Stellen eine Koordinierungsfunktion übernehmen und in einen aufgeschlossenen und konstruktiven Dialog mit dem Wirtschaftszweig eintreten müssen, um von der Basis ausgehende Lösungen zu ermöglichen; fordert einen besser koordinierten, branchenübergreifenden und unionsweiten Ansatz in allen Mitgliedstaaten und allen Agenturen der EU, darunter auch über die branchenübergreifende Europäische Partnerschaft für die Förderung von Alternativkonzepten zu Tierversuchen;
Aus- und Weiterbildung
8. fordert die Kommission nachdrücklich auf, mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um Maßnahmen zur Ausbildung, Schulung und Umschulung von Wissenschaftlern, Forschern und Technikern in Bezug auf die Verwendung fortschrittlicher Modelle ohne Tierversuche und zur Weitergabe bewährter Verfahren Vorrang einzuräumen und Sachverständige für die Bewertung der Sicherheit sowie die Akteure, die an der Bewertung von Projektvorschlägen und der Zuweisung von Finanzmitteln beteiligt sind, für anerkannte Modelle ohne Tierversuche zu sensibilisieren;
9. hebt hervor, dass im Bereich Aus- und Weiterbildung anhaltende Bemühungen erforderlich sind, um in den Laboren und bei den zuständigen Behörden für eine möglichst umfassende Kenntnis der Alternativen und Verfahren zu sorgen;
10. hebt hervor, dass akademische Einrichtungen ihrer entscheidenden Aufgabe gerecht werden müssen, wenn es darum geht, Alternativen für Tierversuche in Wissenschaftsdisziplinen zu fördern und neue Erkenntnisse und Verfahren zu verbreiten, die zur Verfügung stehen, aber nicht immer umfassend genutzt werden;
11. betont, dass die Validierung und Akzeptanz alternativer Verfahren in internationalen Strukturen beschleunigt und der Wissenstransfer sichergestellt werden muss und dass Drittstaaten, in denen sich Wissenschaftler dieser alternativen Verfahren möglicherweise nicht bewusst sind und Versuchseinrichtungen möglicherweise nicht über die notwendige Forschungsinfrastruktur verfügen, finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden muss;
o o o
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Bericht 2019 über die statistischen Daten über die Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Jahren 2015–2017, S. 16 (COM(2020)0016). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0016&from=DE
Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Durchführung der Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 7 (SWD(2020)0015). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0015
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 mit Empfehlungen an die Kommission über die Festlegung von geschlechtsspezifischer Gewalt als neuer Kriminalitätsbereich gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV (2021/2035(INL))
– gestützt auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union,
– gestützt auf Artikel 8, Artikel 10, Artikel 19, Artikel 83 Absatz 1 und Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere auf Artikel 1 bis 4, 6 bis 8, 10 bis 12, 21, 23 bis 26, 47 und 49,
– unter Hinweis auf die länderspezifischen Monitoringberichte der Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025“,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. Juni 2020 mit dem Titel „EU-Strategie für die Rechte von Opfern (2020–2025)“,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020–2025“,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 25. November 2020 mit dem Titel „EU-Aktionsplan für die Gleichstellung (GAP) III – eine ehrgeizige Agenda für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau im auswärtigen Handeln der EU“,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. März 2021 mit dem Titel „EU-Kinderrechtsstrategie“,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. April 2021 über die Strategie der EU zur Bekämpfung des Menschenhandels 2021–2025,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates(1),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/99/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Europäische Schutzanordnung(2),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI(3),
– unter Hinweis auf das fünfte Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen: „Gleichstellung der Geschlechter“,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Empfehlung Nr. 33 des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau vom 3. August 2015 zum Zugang der Frauen zur Justiz,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Empfehlung Nr. 35 des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau vom 14. Juli 2017 über geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen, mit der die Allgemeine Empfehlung Nr. 19 des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau aktualisiert wird,
– unter Hinweis auf die Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung“ aus dem Jahr 2014,
– unter Hinweis auf den 2021 veröffentlichten Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte mit dem Titel „Kriminalität, Sicherheit und Opferrechte“,
– unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt,
– unter Hinweis auf die Erklärung und die Aktionsplattform von Peking, die am 15. September 1995 auf der vierten Weltfrauenkonferenz angenommen wurden, sowie auf die entsprechenden Abschlussdokumente, die im Rahmen der UN-Sondertagungen Peking +5 (2000), +10 (2005), Peking +15 (2010) und Peking +20 (2015) angenommen wurden,
– unter Hinweis auf das Glossar des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen,
– unter Hinweis auf die auf der 65. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau vom 15. bis 26. März 2021 vereinbarten Schlussfolgerungen,
– unter Hinweis auf die Bestimmungen der Rechtsinstrumente der Vereinten Nationen im Bereich der Menschenrechte, insbesondere in Bezug auf die Rechte der Frauen, und auf andere Instrumente der Vereinten Nationen zur Gewalt gegen Frauen, einschließlich der Erklärung der Vereinten Nationen über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen vom 20. Dezember 1993,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. April 2011 zu den Prioritäten und Grundzügen einer neuen EU-Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen(4);
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Februar 2014 mit Empfehlungen an die Kommission zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2017 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt durch die Europäische Union(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zur Erfahrung von Gegenreaktionen gegen die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter in der EU(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2020 zu der De-facto-Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in Polen(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 zu der geschlechtsspezifischen Sichtweise in der COVID-19-Krise und der Zeit danach(10),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Januar 2021 zu der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter(11),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Februar 2021 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer(12),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Februar 2021 zu anstehenden Herausforderungen mit Blick auf die Frauenrechte in Europa: mehr als 25 Jahre nach der Erklärung und Aktionsplattform von Peking(13),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zu Frauen, Frieden und Sicherheit vom 10. Dezember 2018,
– unter Hinweis auf das 2020 veröffentlichte Kurzdossier der Vereinten Nationen mit dem Titel „COVID-19 and Ending Violence Against Women and Girls“ (COVID-19 und die Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen)(14),
– unter Hinweis auf das Rechtsgutachten des Generalanwalts beim Gerichtshof der Europäischen Union zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. März 2021, mit dem die Rechtsunsicherheit geklärt werden soll, ob und wie die Union das Übereinkommen schließen und ratifizieren kann(15),
– gestützt auf die Artikel 47 und 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die gemeinsamen Beratungen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter gemäß Artikel 58 der Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (A9-0249/2021),
A. in der Erwägung, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern ein zentraler Wert der Union ist, der in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankert und in Artikel 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (die „Charta“) anerkannt ist; in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein Grundrecht ist, das in den Verträgen und in der Charta verankert ist; in der Erwägung, dass die Beendigung der männlichen Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine Grundvoraussetzung dafür ist, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen;
B. in der Erwägung, dass in Artikel 8 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgelegt ist, dass die Union bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinwirkt, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern;
C. in der Erwägung, dass geschlechtsbezogene Gewalt sowohl online als auch offline und der fehlende Zugang zu angemessenem Schutz die schwerwiegendste Erscheinung geschlechtsspezifischer Diskriminierung sind und eine Verletzung der in der Charta verankerten Grundrechte darstellen, wie das Recht auf Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit, das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit, das Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens;
D. in der Erwägung, dass der Rat gemäß Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 3 AEUV je nach Entwicklung der Kriminalität einen Beschluss erlassen kann, in dem andere Bereiche besonders schwerer Kriminalität bestimmt werden, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben;
E. in der Erwägung, dass der Rat bei der Annahme eines solchen Beschlusses gemäß Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 3 AEUV einstimmig nach Zustimmung des Europäischen Parlaments beschließt;
F. in der Erwägung, dass das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) und das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Übereinkommen von Istanbul“) geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen als Gewalt gegen eine Frau definieren, weil sie eine Frau ist, oder als Gewalt, von der Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind; in der Erwägung, dass „Gewalt gegen Frauen“ jeden Akt der Gewalt gegen Frauen bezeichnet, der physische, sexuelle, psychische oder wirtschaftliche Schäden oder Leiden bei Frauen verursacht oder verursachen kann, einschließlich der Androhung solcher Gewaltakte, von Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsberaubung, ob im öffentlichen oder im Privatleben;
G. in der Erwägung, dass auch LGBTIQ+-Personen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Geschlechtsidentität, des Ausdrucks ihrer Geschlechtlichkeit und ihrer Geschlechtsmerkmale Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sind;
H. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen körperliche Gewalt, psychische Gewalt, Zwangsheiraten, sexuelle Gewalt einschließlich „korrigierender“ Vergewaltigung und sexueller Belästigung, Genitalverstümmelung bei Frauen und intersexuellen Personen, Zwangssterilisation von trans- und intersexuellen Personen, sogenannte „Ehrenstraftaten“, Konversionstherapien, Hetze im Internet und außerhalb, Mobbing und Belästigung, sozioökonomische Entbehrungen und Gewalt umfasst, die innerhalb der Familie und/oder im häuslichen Umfeld stattfindet;
I. in der Erwägung, dass Geschlecht gemäß dem Übereinkommen von Istanbul als „die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht“, definiert ist, was daran erinnert, dass die Ursache vieler Formen von Gewalt gegen Frauen Machtungleichheiten zwischen Frauen und Männern sind;
J. in der Erwägung, dass der Ausdruck „in all ihrer Vielfalt“ in dieser Entschließung verwendet wird, um zu verdeutlichen, dass Frauen, Männer und nicht binäre Menschen unter heterogene Kategorien fallen, unter anderem in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, ethnische oder soziale Herkunft, Sprache, Religion oder Weltanschauung, politische oder sonstige Anschauungen, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt, Behinderung, Alter, sexuelle Ausrichtung, Geschlechtsidentität, Ausdruck der Geschlechtlichkeit oder Geschlechtsmerkmale, Gesundheitszustand, Familienstand oder Migrationsstatus oder Flüchtlingsstatus; in der Erwägung, dass damit auch das Bestreben zum Ausdruck gebracht werden soll, niemanden zurückzulassen und ein geschlechtergerechtes Europa für alle zu schaffen; in der Erwägung, dass ohne einen bereichsübergreifenden Ansatz keine wirklichen Fortschritte hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter erzielt werden können;
K. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt in geschlechtsspezifischen Stereotypen, heteropatriarchalischen Strukturen und Machtasymmetrien sowie strukturellen und institutionellen Ungleichheiten verwurzelt ist; in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt alle Bereiche der Gesellschaft betrifft;
L. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt und LGBTI+-Personen trifft, ausgelöst durch das Bedürfnis, diejenigen zu bestrafen, die die gesellschaftlichen Normen in Bezug auf die Hierarchie der Geschlechter, den Ausdruck der Geschlechtlichkeit und die binären Geschlechtersysteme durchbrechen; in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt darauf abzielt, die Ungleichheit der Geschlechter zu etablieren, durchzusetzen oder zu zementieren und die Geschlechternormen und Stereotype zu verstärken;
M. in der Erwägung, dass das EIGE Femizid als die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts definiert; in der Erwägung, dass es verschiedene Formen des Femizids gibt, beispielsweise den Mord an Frauen infolge von Gewalt in Paarbeziehungen, die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität, des Ausdrucks ihrer Geschlechtlichkeit und ihrer Geschlechtsmerkmale sowie die Genitalverstümmelung bei Frauen und intersexuellen Personen und sogenannte Ehrenmorde; in der Erwägung, dass Femizid der extreme Ausdruck der bestehenden Formen von Gewalt an Frauen ist und einen ultimativen Gewaltakt darstellt, der in einem Kontinuum der Gewalt erfolgt; in der Erwägung, dass viele Arten des Femizids nicht in den offiziellen Zahlen berücksichtigt werden und unsichtbar bleiben;
N. in der Erwägung, dass körperliche, sexuelle oder psychologische Gewalt in der Partnerschaft ernste Auswirkungen auf Kinder hat und dass Missbrauch von kommenden Generationen weitergeführt wird, da Kinder, die Zeugen von Gewalt in der Partnerschaft gegen ihre Mutter oder gegen einen ihrer Elternteile werden, mit höherer Wahrscheinlichkeit später im Leben selbst derartige Gewalt erleben – sowohl als Opfer als auch als Täter; in der Erwägung, dass Rechtsvorschriften zum Schutz der Würde des Kindes und zur Anerkennung des Kindes als Opfer in diesen Fällen eine entscheidende Rolle für den Opferschutz von Frauen und Kindern spielen; in der Erwägung, dass die Rechtsvorschriften in Bezug auf das Sorgerecht so gestaltet werden müssen, dass Gewalttäter in Paarbeziehungen kein Sorgerecht erhalten können;
O. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt viele Arten von Gewalt umfasst, darunter Gewalt in Paarbeziehungen und häusliche Gewalt; in der Erwägung, dass das EIGE häusliche Gewalt ähnlich wie das Übereinkommen von Istanbul als alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt definiert, die in der Familie oder im häuslichen Bereich ungeachtet der biologischen oder rechtlichen familiären Verbindungen oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte;
P. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt und sexuelle Belästigung im Internet naturgemäß grenzübergreifender Art sind; in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark von Gewalt in Form von Gewalt im Internet, einschließlich Belästigung im Internet, Cybermobbing, Cyberstalking, sexistischer Hassrede, nicht einvernehmlicher Offenlegung sexueller Darstellungen, Doxing, Identitätsdiebstahl oder Hacking betroffen sind;
Q. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine der häufigsten Verletzungen der Rechte der Frau in Europa ist; in der Erwägung, dass aus den von der Union durchgeführten Umfragen hervorgeht, dass jede dritte Frau in der Union (also 62 Millionen Frauen) seit dem Alter von 15 Jahren körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren hat und jede zweite Frau (55 %) Opfer sexueller Belästigung geworden ist; in der Erwägung, dass laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit fast ein Drittel (27 %) der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren, die in einer Beziehung sind, eine Form der körperlichen und/oder sexuellen Gewalt seitens ihres Partners erlebt hat; in der Erwägung, dass laut der WHO 38 % aller Morde an Frauen weltweit von ihrem Partner begangen werden;
R. in der Erwägung, dass es an aktualisierten, umfassenden und vergleichbaren aufgeschlüsselten Daten über alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt in der Union mangelt; in der Erwägung, dass der Mangel an vergleichbaren Daten auch ein Ergebnis der fehlenden Harmonisierung der Definitionen in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt ist; in der Erwägung, dass umfassende und vergleichbare aufgeschlüsselte Daten unerlässlich sind, um geschlechtsspezifische Gewalt und ihre Ursachen zu dokumentieren; in der Erwägung, dass die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ihre jüngste Erhebung über Gewalt gegen Frauen im Jahr 2014 veröffentlicht hat, und in der Erwägung, dass die neuesten Zahlen nicht vorliegen;
S. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt den europäischen Gesellschaften erhebliche Kosten verursacht, sei es in Bezug auf entgangene Wirtschaftsleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Gesundheits-, Rechts- und Sozialdienstleistungen sowie spezialisierter Dienste; in der Erwägung, dass den höchsten Preis jedoch die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zahlen, die dauerhaft mit den emotionalen Narben dieser traumatischen Erlebnisse leben müssen; in der Erwägung, dass das Handeln der Union vom Wohlergehen der Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geleitet werden sollte;
T. in der Erwägung, dass die Auswirkungen der COVID-19-Krise zu einer dramatischen Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt geführt haben, insbesondere von Gewalt in der Partnerschaft, einschließlich physischer und psychischer Gewalt, Kontrolle durch Zwang und Online-Gewalt; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten des WHO-Regionalbüros für Europa einen Anstieg der Notrufe von Frauen um 60 % gemeldet haben, die Gewalt seitens ihres Partners ausgesetzt waren; in der Erwägung, dass es für Opfer von Gewalt in der Partnerschaft durch Ausgangsbeschränkungen schwieriger geworden ist, Hilfe zu suchen, da sie häufig mit ihren Peinigern eingeschlossen sind und nur begrenzten Zugang zu Unterstützungsdiensten haben und da unzureichende Unterstützungsstrukturen und -ressourcen eine bereits bestehende „Schattenpandemie“ noch verschärft haben;
U. in der Erwägung, dass Bildung eine zentrale Rolle dabei spielt, geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern, insbesondere indem die negativen sozialen Normen, die dieses Phänomen fördern, in Frage gestellt und Jugendliche befähigt werden, solche Handlungen zu erkennen, anzugehen und zu verhindern;
V. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt in der EU weiterhin nicht ausreichend gemeldet wird; in der Erwägung, dass zwei Drittel der Opfer geschlechtsspezifische Gewalt den Behörden nicht melden(16);
W. in der Erwägung, dass laut dem EIGE eine sekundäre Viktimisierung oder Reviktimisierung vorliegt, wenn das Opfer weiteren Schaden erleidet, jedoch nicht unmittelbar durch die Straftat, sondern aufgrund der Art und Weise, in der die Institutionen mit dem Opfer umgehen; in der Erwägung, dass sekundäre Viktimisierung laut dem EIGE beispielsweise durch wiederholte Begegnungen des Opfers mit dem Täter, durch wiederholte Befragungen zu denselben Fakten, durch die Verwendung unangemessener Sprache oder durch unsensible Kommentare von Personen, die mit dem Opfer in Kontakt kommen, verursacht werden kann;
X. in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt von Personen in Machtpositionen ausgehen kann, beispielsweise in Gefängnissen, psychiatrischen Einrichtungen, Hafteinrichtungen, Wohlfahrtseinrichtung und Flüchtlingslagern; in der Erwägung, dass Situationen wie Überfüllung, hohe Stressniveaus und mangelnde Privatsphäre ebenfalls zu geschlechtsspezifischer Gewalt führen können; in der Erwägung, dass, wenn gewährleistet wird, dass Polizeibeamte besonders geschult werden, damit sie über die persönlichen Kompetenzen dahingehend verfügen, allen Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erlebt haben, aufmerksam zuzuhören, ihnen Verständnis entgegenzubringen und sie zu respektieren, sie dabei helfen können, das Problem der nicht ausreichenden Meldungen und der Reviktimisierung anzugehen und für eine sicherere Umgebung für Opfer geschlechtsspezifische Gewalt zu sorgen;
Y. in der Erwägung, dass es unerlässlich ist, den erschwinglichen und sicheren Zugang zu einem unabhängigen Justizsystem sicherzustellen, um eine sicherere Umgebung für alle Opfer geschlechtsspezifische Gewalt zu fördern; in der Erwägung, dass für eine wirksame Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt Schulungsprogramme für Personen erarbeitet werden müssen, die beruflich damit in Berührung kommen (Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Beschäftigte im Gesundheitswesen, Bedienstete in der Strafverfolgung, im Justizsystem Beschäftigte usw.), damit sie in der Lage sind, geschlechtsspezifische Gewalt zu erkennen, anzugehen und darauf zu reagieren;
Z. in der Erwägung, dass die Verurteilungsquoten bei Gewalttaten gegen Frauen, insbesondere bei sexueller Gewalt einschließlich Vergewaltigung und sexueller Belästigung, in allen Mitgliedstaaten inakzeptabel niedrig sind, woran deutlich wird, dass es systemische Defizite in Bezug auf die Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden bei geschlechtsspezifischer Gewalt gibt, und in der Erwägung, dass dies wiederum zu einer weit verbreiteten Kultur der Straflosigkeit und zu einer ernsthaften Beeinträchtigung der Gleichstellung der Geschlechter und der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt führt;
AA. in der Erwägung, dass sexuelle Gewalt Teil eines Kontinuums geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt ist, das eng mit den anhaltenden Ungleichheiten und allgemeinen Angriffen auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen zusammenhängt;
AB. in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul in Europa das umfassendste Instrument ist, um bestimmte Formen männlicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie häusliche Gewalt zu bekämpfen; in der Erwägung, dass mit dem Übereinkommen von Istanbul ein umfassender Rahmen für rechtliche und politische Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Gewalt, zur Unterstützung der Opfer und zur Bestrafung der Täter geschaffen wird;
AC. in der Erwägung, dass Desinformationskampagnen zur Untergrabung der Gleichstellung der Geschlechter auch Fortschritte bei der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen blockieren, wie im Zusammenhang mit dem Übereinkommen von Istanbul festgestellt wurde, was in einigen Mitgliedstaaten zu öffentlichem Widerstand und bedauerlichen politischen Entscheidungen führt;
AD. in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet und von 21 ratifiziert wurde; in der Erwägung, dass Bulgarien, Lettland, Litauen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn das Übereinkommen von Istanbul noch nicht ratifiziert haben; in der Erwägung, dass Polen bekanntgegeben hat, aus dem Übereinkommen von Istanbul austreten zu wollen; in der Erwägung, dass mit dem Austritt der Türkei aus dem Übereinkommen von Istanbul ein negativer Präzedenzfall geschaffen wurde; in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul von der Union noch nicht ratifiziert wurde;
AE. in der Erwägung, dass die Verletzungen der Rechte von Frauen ein internationales, europaweites und grenzüberschreitendes Phänomen sind; in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen in Europa und andere Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt aufgrund von unterschiedlichen nationalen Rechtsrahmen sowie Schutz- und Präventionsmechanismen nicht in der gesamten Union gleichermaßen vor Gewalt geschützt werden;
AF. in der Erwägung, dass das Vorgehen der Union zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen und anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt erfordert, dass die Kommission mehrere parallele Wege legislativer und nicht legislativer Art beschreitet, indem sie unter anderem vorschlägt, geschlechtsspezifische Gewalt als Kriminalitätsbereich zu bestimmen, der die Kriterien gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV erfüllt, und zugleich eine Richtlinie über geschlechtsspezifische Gewalt mit diesem Artikel als Rechtsgrundlage vorschlägt;
AG. in der Erwägung, dass die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt eine Hauptpriorität der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter und des auswärtigen Handelns der Union ist; in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Arbeitsprogramm für 2021 einen neuen Legislativvorschlag zur Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt auf der Grundlage der Artikel 82, 83 und 84 AEUV angekündigt hat sowie einen spezifischen Vorschlag zur Ausweitung der in Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV enthaltenen Liste von Bereichen besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension auf alle Formen von Hasskriminalität und Hetze; in der Erwägung, dass die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt zu den Prioritäten der Präsidentin der Kommission gehört(17);
Ursachen und Auswirkungen geschlechtsspezifischer Gewalt und Sicherstellung eines ganzheitlichen Ansatzes bei ihrer Prävention
1. verurteilt alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, etwa Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit oder von Geschlechtsmerkmalen, womit verschiedene Gewalttaten im Internet und außerhalb gemeint sind, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden führen oder führen können;
2. betont, dass die geschlechtsspezifische Gewalt, die Frauen und Mädchen in der gesamten Union erleiden, einschließlich Gewalt in der Partnerschaft, körperlicher, sexueller, wirtschaftlicher und psychischer Gewalt, Kontrolle durch Zwang und Online-Gewalt, infolge der Ausgangsbeschränkungen und der Maßnahmen zur physischen Distanzierung während der COVID-19-Pandemie in besorgniserregendem Ausmaß zugenommen hat, was zu einem dringenden Bedarf an Unterstützungsdiensten für diese Opfer geführt hat;
3. betont nachdrücklich, dass die Definition von „Frauen“ Mädchen unter 18 Jahren einschließen muss, wenn es um die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geht;
4. prangert Femizid als die extremste Form geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen an; betont, dass Femizid eine sehr schwere Menschenrechtsverletzung ist und dass die Union einen Plan zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt, zur Erkennung von Gefahrensituationen sowie zur Unterstützung und zum Schutz von Opfern ausarbeiten sollte;
5. betont, dass Gewalt gegen Frauen und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt noch immer totgeschwiegen werden und das Ergebnis einer fortbestehenden Ausprägung historischer Ungleichheiten beim Zugang zu und der Verteilung von Macht und Ressourcen sind, die zur Beherrschung und Diskriminierung von Frauen durch Männer sowie zu Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen geführt haben, was erhebliche Auswirkungen auf die Opfer, ihre Familien und Gemeinschaften hat;
6. begrüßt die #MeToo-Bewegung, die die Stimme der Frauen symbolisiert und die Mauer des Schweigens durchbricht, die sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt gegen Frauen in all ihrer Vielfalt in allen Altersschichten und Bereichen und an allen Orten umgibt; verurteilt, dass in einigen Ländern Opfer sexueller Belästigung und sexueller Gewalt vermehrt wegen Verleumdung angeklagt und sogar verurteilt werden, wodurch eine abschreckende Wirkung und eine Reviktimisierung entstehen und Frauen, die es wagen, sich zu äußern, zum Schweigen gebracht werden;
7. räumt ein, dass dank des zäh geführten feministischen Kampfs gegen die weltweite Unterdrückung von Frauen und Mädchen Fortschritte hin zur Gleichstellung erzielt wurden;
8. hebt hervor, dass die Lage durch soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten und erhebliche Kürzungen bei den verfügbaren Mitteln, insbesondere in Krisenzeiten, und die sich daraus ergebenden Lohn- und Rentenunterschiede, die zur Feminisierung der prekären Beschäftigung und prekäreren Lebensbedingungen für Frauen geführt haben, noch verschärft wird; betont, dass diese Ungleichheiten und Machtungleichgewichte bereichsübergreifender und globaler Art sind, im gesamten Gebiet der Union bestehen und sich nicht auf einzelne Mitgliedstaaten beschränken;
9. betont, dass starre Geschlechternormen, die auf patriarchalischen Stereotypen beruhen, zur Diskriminierung und Unterwerfung von Frauen, einschließlich lesbischer, bisexueller, transsexueller und intersexueller Frauen, beitragen, dazu führen, dass alle, die nicht diesen Normen entsprechen, verstärkt geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind, und dazu beitragen, dass die Gewalt, unter der schwule, bisexuelle und intersexuelle Männer leiden, nicht wahrgenommen wird;
10. betont, wie wichtig es ist, den gleichgestellten Status und die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen und zwischen Jungen und Mädchen durch Bildung zu thematisieren und zu fördern sowie Vorurteile und geschlechtsspezifische Stereotypen, die zu schädlichen sozialen Geschlechternormen führen, zu beseitigen; bedauert die hohe Zahl gewalttätiger Zwischenfälle, die sich gegen Frauen in all ihrer Vielfalt, einschließlich lesbischer, bisexueller und transsexueller Frauen, sowie gegen transsexuelle, intersexuelle und nichtbinäre Personen richten;
11. unterstreicht die vielfältigen psychischen Auswirkungen, die geschlechtsspezifische Gewalt auf die Opfer hat, darunter Stress, Gefühle von Unsicherheit und Schutzlosigkeit, Konzentrationsprobleme, Angstzustände, Panikattacken, soziale Isolation, geringes Selbstwertgefühl, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, mangelndes Vertrauen und fehlendes Gefühl der Kontrolle sowie Angst oder sogar Selbstmordgedanken; hebt hervor, dass es wichtig ist, für die Opfer derartiger Straftaten psychische Betreuung bereitzustellen, die häufig auch von nichtstaatlichen Organisationen und Akteuren der Zivilgesellschaft angeboten wird;
12. erinnert daran, dass geschlechtsspezifische Gewalt auch soziale, wirtschaftliche und demokratische Auswirkungen hat, wie mangelnden Zugang zu Beschäftigung, Isolation, Rückzug aus dem öffentlichen Leben sowie materielle und finanzielle Entbehrung, durch die die benachteiligte Lage von Frauen verschärft wird; betont, dass die Ausübung geschlechtsspezifischer Gewalt als eine Form der Kontrolle von Frauen durch Zwang dient, wodurch die Gleichstellung der Geschlechter, die soziale Mobilität, die Stärkung der wirtschaftlichen Stellung und die Ausübung ihrer Rechte als Unionsbürgerinnen, einschließlich ihrer uneingeschränkten bürgerlichen Teilhabe und der freien Lebensentfaltung ohne Gewalt, verhindert werden;
13. hebt die negativen wirtschaftlichen Folgen hervor, die geschlechtsspezifische Gewalt und die dadurch verursachten psychischen Probleme für Opfer haben können, auch in Bezug auf ihre Fähigkeit, sich eine Arbeit zu suchen, und die finanzielle Belastung, der sie ausgesetzt sind, wenn sie rechtliche Schritte ergreifen, und weist darauf hin, dass die geschätzten jährlichen Kosten, die der Gesellschaft durch geschlechtsspezifische Gewalt entstehen (290 Mrd. EUR, wobei zwischen 49 Mrd. EUR und 89,3 Mrd. EUR auf Cybermobbing und Cyberstalking entfallen), die geschätzten jährlichen Kosten der in Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV aufgeführten besonders schweren Straftaten übersteigen(18);
14. betont, dass das Übereinkommen von Istanbul der internationale Standard und ein Schlüsselinstrument für die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt bleibt, da damit ein ganzheitlicher und koordinierter Ansatz verfolgt wird, bei dem die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt gestellt und die Probleme aus einer Vielzahl von Perspektiven beleuchtet werden; bekräftigt seine Forderung, die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul durch die Union auf der Grundlage eines breit angelegten Beitritts abzuschließen, und hebt die Bedeutung der Ratifizierung durch Bulgarien, Lettland, Litauen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn hervor; weist mit Besorgnis darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten versuchen, Desinformationen über das Übereinkommen von Istanbul zu verbreiten, etwa indem sie die Existenz geschlechtsspezifischer Gewalt leugnen; verurteilt, dass diese Desinformationen in Europa Fuß fassen und dadurch dazu beitragen, den Schutz der Rechte von Frauen zu erschweren;
15. weist darauf hin, dass das Übereinkommen von Istanbul als Mindeststandard für die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt verstanden werden sollte und dass die Union in diesem Zusammenhang noch entschlossenere und wirksamere legislative Maßnahmen verfolgen sollte; weist darauf hin, dass derartige neue legislative Maßnahmen in jedem Fall mit den durch das Übereinkommen von Istanbul festgelegten Rechten und Pflichten in Einklang stehen sollten und die Ratifizierung des Übereinkommens ergänzen sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen der Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu berücksichtigen und ihre nationalen Rechtsvorschriften zu verbessern, um sie stärker mit den Bestimmungen des Übereinkommens von Istanbul in Einklang zu bringen, und so für eine ordnungsgemäße Umsetzung und Durchsetzung zu sorgen;
16. verurteilt, dass der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt durch Angriffe auf die Rechte von Frauen und Mädchen und die Gleichstellung der Geschlechter negativ beeinflusst wird; verurteilt die Tätigkeiten von Anti-Gender- und Anti-Feminismus-Bewegungen in Europa und weltweit, die die Rechte von Frauen und LGBTIQ+-Personen, einschließlich sexueller und reproduktiver Rechte, systematisch angreifen und darauf abzielen, bestehende Gesetze zu deren Schutz aufzuheben, wodurch sie die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit gefährden; verurteilt alle vorsätzlich verbreiteten Desinformationen über das Übereinkommen von Istanbul und sonstige Instrumente und Initiativen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in der Union, durch die der Schutz von Frauen vor Gewalt behindert wird; fordert die Kommission mit Nachdruck auf, sicherzustellen, dass durch zivilgesellschaftliche Organisationen, die von der Union unterstützt und finanziert werden, keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gefördert wird;
17. fordert die Kommission auf, die Mittel für die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt im Rahmen des Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“, wozu auch die Unterstützung von Hilfsorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind, zählt, zu erhöhen und langfristig zu sichern; bekräftigt, wie wichtig es ist, die erzielten Fortschritte anhand von Referenzwerten und Indikatoren zu erfassen;
18. betont, dass bei der rechtlichen Definition geschlechtsspezifischer Gewalt und dem Umgang damit erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen; weist darauf hin, dass legislative Maßnahmen der Union gegen geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich der Richtlinie 2012/29/EU, der Richtlinie 2011/36/EU und der Richtlinie 2011/99/EU, dadurch stark behindert werden;
19. betont, wie wichtig vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind; stellt fest, dass derartige Maßnahmen eine klarere Ausrichtung im gesamten Justizwesen sowie in Schulen und im Gesundheitswesen erfordern, um dem Risiko von Gewalt vorzubeugen oder dieses zu minimieren;
20. fordert nachdrücklich Maßnahmen, mit denen die zugrundeliegenden Ursachen geschlechtsspezifischer Ungleichheiten angegangen werden, unter anderem zum Vorgehen gegen Sexismus, patriarchalische Geschlechtsnormen, Stereotype und Werte; bedauert, dass es an Forschung und Kenntnissen mangelt, die die Grundlage für eine wirksame Politik und Rechtsetzung zur Verhütung geschlechtsspezifischer Gewalt bilden; fordert daher das EIGE und Eurostat auf, als Wissenszentrum für Gewalt gegen Mädchen in der Union zu agieren; betont, dass die Gewalt von Männern gegen Frauen mit der Gewalt von Jungen gegen Mädchen beginnt; ist daher der Ansicht, dass vorbeugende Maßnahmen frühzeitig beginnen müssen; betont, dass die Gleichstellung der Geschlechter einen zentralen Platz in der Bildung einnehmen muss, und fordert Bildungsmaßnahmen, die sich an junge Menschen richten und mit ihnen umgesetzt werden, einschließlich altersgerechter Informationen, einer umfassenden Sexualerziehung, des Aufbaus gewaltfreier Beziehungen, Schulungen in feministischer Selbstverteidigung im Rahmen der Umsetzung von Artikel 12 Absatz 6 des Übereinkommens von Istanbul und des Absatzes 125 Buchstabe g des strategischen Ziels D.1 der Aktionsplattform von Peking, und allgemeinere Maßnahmen zur Bekämpfung von Segregation, geschlechtsspezifischen Ungleichheiten und Diskriminierung;
21. betont, dass Angriffe auf die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter häufig ein Aspekt einer allgemeinen Verschlechterung der Lage der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte sind, und fordert daher die Kommission und den Rat auf, Verletzungen der Rechte von Frauen und von LGBTI+-Personen bei laufenden Verfahren gemäß Artikel 7 EUV zu berücksichtigen;
22. betont, dass unionsweite Sensibilisierungskampagnen erforderlich sind, die Informationen umfassen, mit denen junge Unionsbürger in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Auswirkungen von geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet und außerhalb aufgeklärt werden sollen, wodurch die Anstrengungen, sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen in allen Bereichen frei und sicher leben können, unterstützt würden;
23. fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass geschlechtsspezifische Gewalt in allen nationalen Lehrplänen wirksam behandelt wird; begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine unionsweite Kampagne zum Thema Geschlechterstereotypen, der in der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter enthalten ist, und ihre Zusage, dass „Jungen und Mädchen bereits im frühen Kindesalter im Sinne der Gleichberechtigung erzogen werden und der Aufbau gewaltfreier Beziehungen unterstützt wird“, was ein wesentliches Element wirksamer Vorbeugung ist;
24. betont, dass es wichtig ist, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beim Thema geschlechtsspezifische Gewalt zu fördern, da Mitgliedstaaten mit erfolgreichen Strategien dadurch die Möglichkeit erhalten, ihre Erfahrungen im Zuge des Austauschs bewährter Verfahren weiterzugeben;
25. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die regelmäßige Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit von hochwertigen, aufgeschlüsselten Daten über alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt auf der Ebene der Union und der Mitgliedstaaten zu verbessern und die Datenerfassungssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten durch die Zusammenarbeit mit Eurostat, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und dem EIGE zu harmonisieren; ist der Auffassung, dass hochwertige Daten wesentlich sind, um eindeutige und messbare Ziele in Bezug auf die Beseitigung von geschlechtsspezifischer Gewalt festlegen zu können; begrüßt die Ankündigung einer neuen unionsweiten Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte über die Verbreitung und Dynamik aller Formen von Gewalt gegen Frauen;
26. betont, dass mit Blick auf ein besseres Verständnis geschlechtsspezifischer Gewalt innerhalb der Union sichergestellt werden muss, dass bei der Datenerhebung im Rahmen von Strafverfolgungseinsätzen mindestens die folgenden Kategorien berücksichtigt werden: a) Geschlecht des Opfers, b) Geschlecht des Täters, c) Beziehung zwischen Opfer und Täter, d) Vorhandensein einer Dimension sexueller Gewalt, e) Vorliegen eines geschlechtsspezifischen Motivs für die Gewalt und f) sonstige soziodemografische Merkmale, die für eine intersektionale Analyse von Bedeutung sind; betont, dass zusätzlich zu diesen Daten allgemeine Daten über die Anzahl der Beschwerden, die Anzahl und Art der erlassenen Schutzanordnungen, die Quote der Beschwerdeabweisungen und -widerrufungen, die Verfolgungs- und Verurteilungsquote, die benötigte Zeit für die Erledigung der Rechtssachen sowie Angaben über gegen Täter ergangene Urteile und die Wiedergutmachung, einschließlich Entschädigung, die Opfern geleistet wurde, und über die bei Notrufstellen oder Gesundheits- und Sozialdiensten, die sich mit Fällen von Gewalt gegen Frauen und Stichprobenerhebungen befassen, gemeldeten Vorfälle benötigt werden;
Befassung mit allen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt
27. betont, dass gezielte Rechtsvorschriften und politische Maßnahmen mit einem bereichsübergreifenden Ansatz erforderlich sind, um die Lage von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt anzugehen, die sich überschneidende Formen der Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit oder von Geschlechtsmerkmalen und aus sonstigen Gründen wie der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, politischer oder sonstiger Anschauungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Ausrichtung, des Gesundheitszustands, des Familienstands oder des Migrationsstatus oder Flüchtlingsstatus erfahren; betont, dass in der Politikgestaltung und Rechtsetzung spezifische und messbare Verpflichtungen ergänzt werden müssen, auch in Bezug auf Gruppen, die durch das Unionsrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs der Europäischen Union vor Diskriminierung geschützt sind;
28. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, bei ihrer Arbeit zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt sicherzustellen, dass alle legislativen und nichtlegislativen Initiativen auf die Beseitigung aller Formen geschlechtsspezifischer Gewalt ausgerichtet sind, was konkret insbesondere Frauen in ihrer gesamten Vielfalt und Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen aufgrund der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit oder von Geschlechtsmerkmalen einschließt; weist darauf hin, dass das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten bereits nachdrücklich aufgefordert hat, Rechtsvorschriften und politische Maßnahmen anzunehmen, mit denen Konversionstherapien, die Genitalverstümmelung bei Frauen, Mädchen und intersexuellen Personen sowie Praktiken der Zwangsterilisation verboten werden;
29. betont, dass geschlechtsspezifische Gewalt eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte und -würde ist, die in Form von psychischer, körperlicher, sexueller und wirtschaftlicher Gewalt auftreten kann und die unter anderem Femizid, Gewalt in der Partnerschaft, sexuelle Belästigung, Online-Gewalt, Stalking, Vergewaltigung, Früh- und Zwangsehen, Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen, sogenannte Verbrechen im Namen der „Ehre“, Zwangsabtreibungen, Zwangssterilisationen, sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel, institutionelle Gewalt, Gewalt zweiter Ordnung, indirekte Gewalt und sekundäre Viktimisierung umfasst;
30. weist darauf hin, dass Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind, und betont, wie wichtig ein geschlechtersensibler Ansatz beim Thema Menschenhandel ist;
31. verurteilt die Phänomene der Gewalt zweiter Ordnung, d. h. körperliche oder psychische Gewalt und Repressalien gegenüber Personen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt unterstützen, sowie deren Demütigung und Verfolgung; betont, dass diese Handlungen die Verhütung und Aufdeckung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und die Unterstützung von Frauen, die geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind, sowie deren Erholung beeinträchtigen;
32. ist zutiefst besorgt angesichts der Art, des Ausmaßes und der Schwere geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt; begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Internationale Arbeitsorganisation kürzlich das Übereinkommen Nr. 190 über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt angenommen hat, und fordert die Mitgliedstaaten auf, es umgehend zu ratifizieren und umzusetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten ferner auf, den bestehenden Rahmen angemessen zu vervollständigen, damit dieser wirksame Maßnahmen zur Unterbindung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz sowie vorbeugende Maßnahmen, einen wirksamen Zugang zu geschlechtergerechten, sicheren und wirkungsvollen Beschwerde- und Streitbeilegungsverfahren, Schulungen, Sensibilisierungskampagnen, psychologische Unterstützungsdienste und Rechtsbehelfe umfasst;
33. beharrt darauf, dass Online-Gewalt, einschließlich sexueller und psychischer Belästigung im Internet, Cybermobbing, Cyberstalking, der nicht einvernehmlichen Offenlegung sexueller Darstellungen, sexistischer Hetze im Internet und neuer Formen von Belästigung im Internet wie „Zoombombing“ oder Bedrohungen im Internet, eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt ist;
34. bedauert, dass Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark von Online-Gewalt betroffen sind und dass diese immer häufiger auftritt; verweist darauf, dass geschlechtsspezifische Online-Gewalt ein Kontinuum der Gewalt außerhalb des Internets darstellt und nicht getrennt von dieser betrachtet werden kann, da beides miteinander verknüpft ist; betont, dass Online-Gewalt die Fortschritte im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter zunichtezumachen droht und ihre Opfer zum Schweigen gebracht werden, was sich negativ auf die demokratischen Grundsätze der Union auswirkt; bedauert, dass Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, z. B. Politikerinnen, Journalistinnen, Künstlerinnen oder Aktivistinnen, oft zu Opfern geschlechtsspezifischer Online-Gewalt werden, wobei darauf abgezielt wird, sie davon abzuhalten, im öffentlichen Leben und in Entscheidungsprozessen präsent zu sein;
35. hebt den grenzüberschreitenden Charakter der Online-Gewalt hervor, deren Täter Plattformen oder Mobiltelefone nutzen, die in anderen Mitgliedstaaten als dem, in dem sich das Opfer befindet, angemeldet sind oder dort gehostet werden; hebt hervor, dass die Union einen koordinierten Ansatz verfolgen muss, um mit dem Ziel, geschlechtsspezifische Gewalt im Internet unter vollständiger Wahrung der Grundrechte zu bekämpfen, leicht zugängliche Werkzeuge für zeitnahe Meldungen, wirksame Mechanismen zur Entfernung von Inhalten und die wirksame Zusammenarbeit zwischen Online-Plattformen und den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten zu verbessern;
36. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um alle Formen der Gewalt im Internet, von denen Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind, unter anderem mittels entsprechender Schulungen für Strafverfolgungsbeamte zu beseitigen, und konkret gegen die Zunahme dieser Form von Gewalt während der COVID-19-Pandemie vorzugehen;
37. verweist darauf, dass die Verletzung sexueller und reproduktiver Rechte, einschließlich sexueller Gewalt sowie von Gewalt und schädlichen Praktiken in der Gynäkologie und bei der Geburtshilfe, eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie gegen transsexuelle und nichtbinäre Personen darstellt, wie dies auch in der Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen zum Ausdruck kommt, und die Gleichstellung der Geschlechter behindert;
38. fordert die Kommission auf, in ihren Vorschlägen für zusätzliche Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Formen geschlechtsspezifischer Gewalt den regelmäßigen Austausch von bewährten Verfahren im Bereich der sexuellen und reproduktiven Rechte zwischen den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern zu fördern;
39. hebt hervor, dass auch Reproduktionszwang und die Verweigerung von sicheren und legalen Versorgungsleistungen bei Abtreibungen eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt darstellen; betont, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt festgestellt hat, dass durch restriktive Abtreibungsgesetze und die mangelhafte Umsetzung die Menschenrechte von Frauen verletzt werden; betont, dass die Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen sowie deren Möglichkeit, freie und unabhängige Entscheidungen über ihren eigenen Körper und ihr eigenes Leben zu treffen, Voraussetzungen für ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit, für die Gleichstellung der Geschlechter und für die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt sind; verurteilt aufs Schärfste die Angriffe auf die Rechte der Frauen und auf die Gleichstellung der Geschlechter in der Union, insbesondere die Rückschläge im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit der Frauen und ihrer damit verbundenen Rechte sowie das De-facto-Verbot von sicheren und legalen Abtreibungen in Polen;
40. bedauert die offenkundigen Mängel im Strafverfolgungssystem, die zu einer niedrigen Verurteilungsquote in Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen und zu einer Straffreiheit für die Täter führen; fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Definitionen von „sexueller Gewalt“ und „Vergewaltigung“ in ihrer nationalen Gesetzgebung dahingehend zu ändern, dass sie im Einklang mit dem Übereinkommen von Istanbul auf fehlender Zustimmung beruhen;
41. ist besorgt über die Sexualisierung von Kindern und insbesondere die Sexualisierung von Mädchen durch Männer; hält es für unerlässlich, den Schutz, der im Rahmen der strafrechtlichen Vorschriften über Sexualstraftaten gegenüber Kindern geboten wird, zu verbessern, insbesondere in Fällen, in denen der Täter im Zusammenhang mit dem Alter des Kindes fahrlässig gehandelt hat;
42. betont, dass bei Frauen und Mädchen mit Behinderungen die Wahrscheinlichkeit, dass sie verschiedene Formen von Gewalt erfahren, zwei- bis fünfmal höher ist; betont, dass die Union als Vertragspartei des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wahrung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten von Frauen und Mädchen mit Behinderungen sicherzustellen; weist darauf hin, dass die Union ihre Bemühungen in diese Richtung voranbringen sollte, und zwar unter anderem durch die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul;
43. betont, dass Frauen, die Minderheiten angehören, und insbesondere Roma-Frauen und muslimische Frauen, einschließlich jener, die religiöse Kleidung tragen, unverhältnismäßig stark von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, vor allem im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz und im Internet; hebt hervor, dass geschlechtsspezifische Gewalt gegen Roma-Frauen und muslimische Frauen mit einem bereichsübergreifenden Ansatz bekämpft werden sollte, bei dem die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Verbindung mit der Diskriminierung aufgrund der Religion und der ethnischen Zugehörigkeit berücksichtigt wird;
44. stellt fest, dass sich die Kommission mit der besonderen Situation des Schutzes von Migrantinnen vor geschlechtsspezifischer Gewalt befassen muss, insbesondere in jenen Fällen von Gewalt in der Partnerschaft, in denen der Aufenthaltsstatus des Opfers vom Zusammenleben mit einem Partner oder vom Familienstand abhängt, und erinnert daran, dass gemäß der Richtlinie 2012/29/EU alle Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt Zugang zu angemessenem Schutz, zu Unterstützungsdiensten und zu wirksamen Rechtsbehelfen sowie das Recht haben müssen, Informationen zu erhalten und sich an Strafverfahren zu beteiligen, und dass alle Rechte ohne Diskriminierung, auch in Bezug auf den Aufenthaltsstatus, gelten müssen;
45. betont, dass in den meisten der in Europa derzeit geltenden Einwanderungs- und Flüchtlingsgesetzen die Schutzbedürftigkeit von Migrantinnen und weiblichen Flüchtlingen nicht berücksichtigt wird, was unter anderem dazu führt, dass Frauen auf der Flucht verstärkt geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind und mit unsicheren Aufnahmebedingungen, unzureichenden Schutzmaßnahmen und dem fehlenden Zugang zur Justiz für Migranten in der Union konfrontiert sind;
46. ist der Ansicht, dass Gewalt in der Partnerschaft nicht nur ein Verbrechen gegen das Opfer selbst darstellt, sondern auch als Verbrechen gegen Kinder, die zu Zeugen der Gewalt werden, angesehen werden sollte, und zwar auch aufgrund der langfristigen negativen Auswirkungen auf das Wohlergehen und die Entwicklung dieser Kinder; verurteilt, dass Kinder von Männern, die Gewalt in der Partnerschaft ausüben, häufig Opfer von Misshandlungen werden, mit dem Ziel, Macht und Gewalt gegen die Mutter auszuüben – ein Phänomen, das als indirekte Gewalt bezeichnet wird und als Form der geschlechtsspezifischen Gewalt anzusehen ist;
Schutz, Unterstützung und Wiedergutmachung
47. fordert die Mitgliedstaaten auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Unterstützung und Wiedergutmachung für Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt und für alle Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie deren Schutz vor jeder Form der Gewalt zu fördern und sicherzustellen; verweist darauf, dass diese Maßnahmen angemessen und ganzheitlich sein sollten, dass sie rechtzeitig ergriffen werden müssen und der Schwere des erlittenen Schadens entsprechen sollten und dass dabei den Bedürfnissen von Opfern von sich überschneidenden Formen der Diskriminierung und Gewalt gebührend Rechnung getragen werden sollte;
48. fordert die Mitgliedstaaten auf, das Übereinkommen von Istanbul einzuhalten, indem sie Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen für Frauen bereitstellen, die auf einem geschlechtsspezifischen Verständnis von Gewalt gegen Frauen und Gewalt in der Partnerschaft beruhen und deren Schwerpunkt auf den Menschenrechten und der Sicherheit des Opfers liegt, um institutionelle Gewalt zu verhindern, der Opfer aufgrund von Gesetzen oder Verwaltungs- bzw. Durchsetzungspraktiken ausgesetzt sind, bei denen die Geschlechterperspektive nicht berücksichtigt wird bzw. nicht in ausreichendem Ausmaß Wissen und angemessene Verfahren zum Einsatz kommen, was zu Straffreiheit für die Täter sowie zu Reviktimisierung führen kann;
49. fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass in Fällen von Gewalt in der Partnerschaft auch Kinder als Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt angesehen werden und dass ihre Würde und Sicherheit an erster Stelle stehen; begrüßt in diesem Zusammenhang Gesetze, nach denen es einen Straftatbestand darstellt, wenn Kinder Gewalt in engen Beziehungen miterleben müssen; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, sicherzustellen, dass Rechtsvorschriften in Bezug auf das Sorgerecht mit diesem Grundsatz im Einklang stehen und der gewalttätige Elternteil in der Partnerschaft dementsprechend kein Sorgerecht erhalten kann;
50. hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt – auch in Krisenzeiten – angemessene Unterstützung und Dienste zur Verfügung stehen, die an ihre spezifischen Bedürfnisse angepasst sind; verweist in diesem Zusammenhang darauf, wie wichtig es ist, unabhängige Organisationen der Zivilgesellschaft und Organisationen, die Frauenhäuser betreiben, zu unterstützen, da sie über das nötige Fachwissen verfügen, um den Schutz von Frauen sicherstellen zu können;
51. fordert die Mitgliedstaaten auf, für Opfer – auch in ländlichen Gebieten – den Zugang zu Unterstützungsdiensten und grundlegenden Diensten, einschließlich zu Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, sicherzustellen; unterstützt nachdrücklich die Zugänglichkeit der öffentlichen Dienste in jeder Phase des Wiedergutmachungsverfahrens – insbesondere im Zusammenhang mit einer grundlegenden psychologischen und rechtlichen Unterstützung und der Unterstützung bei der Suche eines Arbeitsplatzes;
52. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, Maßnahmen zur Sensibilisierung zu ergreifen und dafür zu sorgen, dass die Informationen für Opfer und Täter geschlechtsspezifischer Gewalt in allen Sprachen der Union verfügbar sind, damit sichergestellt ist, dass die Rechte der Opfer bei der Ausübung ihres Grundrechts auf Freizügigkeit innerhalb der Union geachtet werden;
53. fordert die Mitgliedstaaten in Anbetracht des strukturellen Kontextes von Diskriminierung und Ungleichheiten auf, sich verstärkt darum zu bemühen, sicherzustellen, dass Opfer gleichberechtigten Zugang zur Justiz und zu einem unabhängigen Justizsystem haben, das allen Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt physisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell zur Verfügung steht, und dass die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt gestellt werden, um Diskriminierung, Traumatisierung oder Reviktimisierung während gerichtlicher, medizinischer und polizeilicher Verfahren zu vermeiden, indem die Geschlechterperspektive während des gesamten Verfahrens durchgängig berücksichtigt wird;
54. hebt mit Besorgnis hervor, dass die meisten Mitgliedstaaten noch immer Schwierigkeiten mit der vollständigen oder korrekten Umsetzung bzw. der praktischen Anwendung der Richtlinie 2012/29/EU haben, wie auch aus der Strategie der Kommission für die Rechte von Opfern hervorgeht, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie mit der gebotenen Sorgfalt vollständig und korrekt umzusetzen;
55. betont, dass die Tatsache, dass das Problem des mangelnden Vertrauens von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt in die Strafverfolgungsbehörden und das Justizsystem nicht angegangen wird, in erheblichem Maße dazu beiträgt, dass geschlechtsspezifische Gewalt nicht ausreichend gemeldet wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Ressourcen und die Ausbildung von Fachleuten und Strafverfolgungsbeamten, einschließlich Richtern, Staatsanwälten, Justizbediensteten, forensischer Sachverständiger und sonstiger Fachkräfte, die mit Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt befasst sind, zu verbessern; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Möglichkeit zu prüfen, Fachgerichte zu diesem Zweck einzurichten; ist davon überzeugt, dass es dazu beitragen wird, das Problem der Dunkelziffer und der Reviktimisierung anzugehen und für eine sicherere Umgebung für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu sorgen, wenn sichergestellt wird, dass Polizeibeamte und Richter über mehr Wissen und persönliche Kompetenzen dahingehend verfügen, allen Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt aufmerksam zuzuhören, ihnen Verständnis entgegenzubringen und sie zu respektieren;
56. fordert alle Mitgliedstaaten auf, das Übereinkommen von Istanbul vollständig einzuhalten, indem sie Therapieprogramme für die Menschen, die geschlechtsspezifische Gewalt und häusliche Gewalt ausüben, annehmen, um weitere Gewalt zu verhindern, indem sie Erkenntnisse in Bezug auf die der geschlechtsspezifischen Gewalt zugrunde liegenden destruktiven Geschlechternormen, asymmetrischen Machtverhältnisse und Werte bereitstellen und indem sie gewährleisten, dass die Sicherheit und die Menschenrechte der Opfer im Vordergrund stehen;
57. betont, dass sichergestellt werden muss, dass alle Opfer konfliktbezogener geschlechtsspezifischer Gewalt Zugang zur Justiz – und auch zu hochwertigem Rechtsbeistand – haben und dass all diejenigen, die geschlechtsspezifische konfliktbezogene Straftaten gegenüber Frauen und Mädchen, aber auch gegenüber Männern und Jungen begehen, uneingeschränkt zur Rechenschaft gezogen werden, indem – insbesondere durch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs – rechtliche Verfahren auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene ausgelöst werden;
58. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinien 2011/99/EU, 2012/29/EU und 2011/36/EU vollständig umzusetzen;
59. hebt hervor, dass es dadurch, dass es keinen Rechtsakt der Union zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gibt und zwischen den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten Unterschiede bestehen, zu unterschiedlichen Schutzniveaus für Opfer kommt;
60. begrüßt die Zusage der Kommission, die Auflistung der Kriminalitätsbereiche in Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV um Hassverbrechen und Hetze zu erweitern; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die sexuelle Ausrichtung, die Geschlechtsidentität, die geschlechtliche Ausdrucksform sowie Geschlechtsmerkmale als speziell von diesem Artikel abgedeckte Diskriminierungsgründe aufzunehmen; erachtet diese Maßnahme als unerlässlich, um den Schutz von LGBTIQ+-Personen in der Union sicherzustellen;
61. weist darauf hin, wie wichtig es ist, die Schulungsmöglichkeiten, die den Mitgliedstaaten über verschiedene Programme der Union sowie über die Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zur Verfügung stehen, vollständig zu nutzen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, regelmäßig wirksame Fortbildungen anzubieten, die auch die Geschlechter- und die Menschenrechtsperspektive sowie internationale Normen umfassen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Opfer vor und während eines Gerichtsverfahrens das Recht auf einen hochwertigen öffentlichen Rechtsbeistand haben;
62. begrüßt die Zusage der Kommission, 2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt vorzulegen, um die Standards des Übereinkommens von Istanbul umzusetzen; betont, dass diese neue Richtlinie die bestehenden und künftigen legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen ergänzen muss, um ein einheitliches Vorgehen der Union im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter sowie letztendlich die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul zu erreichen; fordert die Union daher erneut auf, das Übereinkommen von Istanbul zu ratifizieren; erinnert ferner an die Zusage der Präsidentin der Kommission, die Kriminalitätsbereiche gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV um spezifische Formen geschlechtsspezifischer Gewalt zu erweitern;
Nächste Schritte auf der Ebene der Union
63. betont, dass geschlechtsspezifische Gewalt – sowohl im Internet als auch außerhalb davon – eine besonders schwere Straftat und eine weitverbreitete Verletzung der Grundrechte und Grundfreiheiten in der Union darstellt, gegen die mit größerer Effizienz und Entschlossenheit auf einer gemeinsamen Grundlage vorgegangen werden muss; betont, dass geschlechtsspezifische Gewalt das Resultat gesellschaftlicher und systemischer struktureller Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern ist, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen; weist insbesondere auf die wachsenden Anti-Gender-, Anti-LGBTIQ+- und Anti-Feminismus-Bewegungen hin, die gut organisiert sind und einen grenzüberschreitenden Charakter haben; vertritt zudem die Auffassung, dass die grenzüberschreitende Dimension der geschlechtsspezifischen Online-Gewalt und die enormen individuellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen geschlechtsspezifischer Gewalt in allen Mitgliedstaaten belegen, dass geschlechtsspezifische Gewalt in ihren vielfältigen Dimensionen auf einer gemeinsamen Grundlage der Union bekämpft werden muss;
64. fordert die Union auf, sich dringend mit der Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt während der COVID-19-Pandemie zu befassen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, ein Protokoll der Union zu geschlechtsspezifischer Gewalt in Krisenzeiten auszuarbeiten und an die Opfer gerichtete Schutzangebote wie Beratungsstellen, sichere Unterkünfte und Gesundheitsdienste als in den Mitgliedstaaten bereitgestellte „grundlegende Dienste“ darin aufzunehmen, um in Zeiten von Krisen wie der COVID-19-Pandemie geschlechtsspezifischer Gewalt vorzubeugen und Opfer von Gewalt zu unterstützen;
65. betont, dass durch die Annahme regionaler und internationaler Instrumente, etwa des Übereinkommens von Istanbul, der Erklärung der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und weiterer Resolutionen der Vereinten Nationen, ebenfalls deutlich wird, dass alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt auf einer gemeinsamen Grundlage bekämpft werden müssen;
66. betont, dass sich die besondere Notwendigkeit, Gewalt gegen Frauen und Mädchen und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, auch aus dem Erfordernis ergibt, Mindestvorschriften zur Definition von Straftaten und Strafen, einschließlich einer gemeinsamen Definition von geschlechtsspezifischer Gewalt, sowie Mindestvorschriften zu den zentralen Problemen der Prävention, der Dunkelziffer, des Opferschutzes, der Unterstützung und der Wiedergutmachung sowie der strafrechtlichen Verfolgung von Tätern festzulegen; hebt hervor, dass die Ansätze und das Engagement der Mitgliedstaaten im Bereich der Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt sehr unterschiedlich sind und dass ein gemeinsamer Ansatz daher auch zur Strafverfolgung bei grenzüberschreitenden Einsätzen beitragen würde;
67. fordert die Kommission auf, entsprechend den in der Anlage aufgeführten Empfehlungen einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates auf der Grundlage von Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 3 AEUV vorzulegen, in dem geschlechtsspezifische Gewalt als neuer Kriminalitätsbereich bestimmt wird, der die in dem genannten Artikel festgelegten Kriterien erfüllt; fordert die Kommission ferner auf, diesen neuen Kriminalitätsbereich als Rechtsgrundlage für eine ganzheitliche, opferzentrierte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet und außerhalb davon heranzuziehen;
68. fordert die Kommission auf, eine umfassende Richtlinie über geschlechtsspezifische Gewalt vorzuschlagen, mit der die Standards des Übereinkommens von Istanbul und weitere internationale Standards wie die Empfehlungen des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu geschlechtsspezifischer Gewalt umgesetzt werden und die zumindest die folgenden Elemente enthält:
Präventionsmaßnahmen, auch durch geschlechtersensible und bereichsübergreifende Bildungsprogramme, die sich sowohl an Mädchen als auch an Jungen richten, und Stärkung der Position von Frauen und Mädchen,
Unterstützungsdienste, Schutzmaßnahmen und Wiedergutmachung für Opfer,
Maßnahmen zur Bekämpfung aller Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, der geschlechtlichen Ausdrucksform oder von Geschlechtsmerkmalen –, geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet sowie sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs,
Mindeststandards für die Strafverfolgung,
einen opferorientierten, bereichsübergreifenden Ansatz,
die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass in Fällen, in denen es zu geschlechtsspezifischer Gewalt gekommen ist, das Sorgerecht für Kinder bzw. die Besuchsrechte angemessen geprüft werden, indem die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt der innerstaatlichen Rechtsvorschriften gestellt werden,
Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Informationen in allen relevanten Sprachen zur Verfügung stehen, sowie
Maßnahmen zur Sicherstellung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und des Austauschs von bewährten Verfahren, Informationen und Erfahrungen;
69. fordert die Kommission auf, eine Koordinatorin/einen Koordinator für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt zu ernennen;
o o o
70. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügten Empfehlungen der Kommission und dem Rat zu übermitteln.
ANLAGE ZUR ENTSCHLIESSUNG:
BESCHLUSS DES RATES
über die Bestimmung geschlechtsspezifischer Gewalt als Kriminalitätsbereich, der die Kriterien des Artikels 83 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfüllt
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und insbesondere Artikel 83 Absatz 1,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zustimmung des Europäischen Parlaments,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein zentraler Wert der Europäischen Union und ein in den Verträgen verankertes und in Artikel 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (die „Charta“) anerkanntes Grundprinzip der EU. Das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ist ein Grundrecht, das in den Verträgen und in der Charta verankert ist. Die Beendigung der männlichen Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine Grundvoraussetzung dafür, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen.
(2) In Artikel 8 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist festgelegt, dass die EU bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinwirkt, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.
(3) Der Rat kann gemäß Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 3 AEUV je nach Entwicklung der Kriminalität einen Beschluss fassen, in dem Bereiche zusätzlich zu den in Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV festgelegten Bereichen besonders schwerer Kriminalität bestimmt werden, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben.
(4) Bei der Annahme eines solchen Beschlusses gemäß Artikel 83 Absatz 1 Unterabsatz 3 AEUV fasst der Rat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einen einstimmigen Beschluss.
(5) Gemäß dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) und dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Übereinkommen von Istanbul“) wird geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen als Gewalt definiert, die sich gegen eine Frau richtet, weil sie eine Frau ist, oder als Gewalt, von der Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind. Gemäß dem Übereinkommen von Istanbul ist „Gewalt gegen Frauen“ definiert als „jede gegen Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller, psychologischer oder wirtschaftlicher Schaden oder Leid zugefügt wird oder zugefügt werden kann, einschließlich der Androhung derartiger Handlungen, der Nötigung und der willkürlichen Freiheitsberaubung, gleichviel ob im öffentlichen oder im privaten Bereich“.
(6) Auch Lesben, Schwule, bi-, trans- und intersexuelle und queere Personen (LGBTIQ+) sind aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Geschlechtsidentität, des Ausdrucks ihrer Geschlechtlichkeit und ihrer Geschlechtsmerkmale Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt.
(7) Geschlechtsspezifische Gewalt gegen LGBTIQ+ umfasst körperliche Gewalt, psychische Gewalt, Zwangsheiraten, sexuelle Gewalt einschließlich „korrigierender“ Vergewaltigung und sexueller Belästigung, Genitalverstümmelung bei Frauen und intersexuellen Personen, Zwangssterilisation von trans- und intersexuellen Personen, sogenannte „Ehrenstraftaten“, Konversionstherapien, Hetze im Internet und außerhalb, Mobbing und Belästigung, sozioökonomische Entbehrungen und Gewalt, die innerhalb der Familie bzw. im häuslichen Umfeld aufgrund der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit und der Geschlechtsmerkmale der Opfer stattfindet.
(8) Geschlechtsspezifische Gewalt ist in geschlechtsspezifischen Stereotypen, heteropatriarchalischen Strukturen und Machtasymmetrien sowie strukturellen und institutionellen Ungleichheiten verwurzelt. Geschlechtsspezifische Gewalt betrifft alle Bereiche der Gesellschaft.
(9) Gemäß dem Übereinkommen von Istanbul ist das soziale Geschlecht als „die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht“ definiert, was daran erinnert, dass viele Formen von Gewalt gegen Frauen in Machtungleichheiten zwischen Frauen und Männern begründet sind.
(10) Geschlechtsbezogene Gewalt sowohl im Internet als auch außerhalb und der fehlende Zugang zu angemessenem Schutz sind die schwerwiegendste Erscheinung geschlechtsspezifischer Diskriminierung und stellen eine Verletzung der in der Charta verankerten Grundrechte dar, wie des Rechts auf Menschenwürde, des Rechts auf Leben, des Rechts auf körperliche und geistige Unversehrtheit, des Verbots von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, des Verbots der Sklaverei und Zwangsarbeit, des Rechts auf Freiheit und Sicherheit sowie des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
(11) Geschlechtsspezifische Gewalt, sowohl im Internet als auch außerhalb, ist eine schwere Straftat und eine weit verbreitete Verletzung von Grundrechten in der EU, gegen die mit größerer Effizienz und gemäß einer gemeinsamen Grundlage vorgegangen werden muss.
(12) Die Annahme regionaler und internationaler Instrumente wie dem Übereinkommen von Istanbul, der Erklärung der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und anderer Resolutionen der Vereinten Nationen zeigt die Notwendigkeit, alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen.
(13) Die besondere Notwendigkeit, Gewalt gegen Frauen und Mädchen und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, ergibt sich auch aus der Notwendigkeit, Mindestregeln für die Bestimmung von Straftaten und Sanktionen, einschließlich einer gemeinsamen Definition von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie Mindestvorschriften zu den zentralen Problemen der Prävention, der unzureichenden Meldungen, des Opferschutzes, der Unterstützung und der Wiedergutmachung sowie der strafrechtlichen Verfolgung von Tätern festzulegen. Die Ansätze und das Ausmaß des Engagements der Mitgliedstaaten für die Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt unterscheiden sich erheblich, sodass ein gemeinsamer Ansatz auch zur Strafverfolgung bei grenzüberschreitenden Einsätzen beitragen würde.
(14) Geschlechtsspezifische Gewalt erfüllt die Kriterien, um als neuer Kriminalitätsbereich gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV bestimmt zu werden,
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
Artikel 1
Geschlechtsspezifische Gewalt wird hiermit als Kriminalitätsbereich bestimmt, der die Kriterien des Artikels 83 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfüllt.
Artikel 2
Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
EPRS, Zwischenbewertung des europäischen Mehrwerts (EAVA) zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt, S. 35.
Gewaltsames Vorgehen der Regierung gegen Protestierende und Bürger in Kuba
145k
52k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu dem gewaltsamen Vorgehen der Regierung gegen Protestierende und Bürger in Kuba (2021/2872(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Kuba, insbesondere die Entschließungen vom 10. Juni 2021 zu den Menschenrechten und der politischen Lage in Kuba(1), vom 28. November 2019 zu Kuba und dem Fall José Daniel Ferrer(2) und vom 5. Juli 2017 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss – im Namen der Europäischen Union – des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kuba andererseits(3),
– unter Hinweis auf das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Kuba, das am 12. Dezember 2016 unterzeichnet wurde und seit dem 1. November 2017 vorläufig angewandt wird(4),
– unter Hinweis auf den formellen Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Kuba, der im Rahmen des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der EU und Kuba geführt wird, insbesondere auf den dritten Dialog, der am 26. Februar 2021 stattfand,
– unter Hinweis auf die am 29. Juli 2021 im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu den jüngsten Ereignissen in Kuba,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie andere internationale Menschenrechtsverträge und ‑instrumente,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Kuba unterzeichnet hat,
– unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen das Verschwindenlassen, in dem sofortige Maßnahmen gefordert und die kubanischen Staatsorgane nachdrücklich aufgefordert werden, sich zu den 187 vermissten Personen zu äußern,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, vom 16. Juli 2021, in der Kuba aufgefordert wird, die festgehaltenen Demonstranten freizulassen,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IAMRK) und ihrer Sonderberichterstatter vom 15. Juli 2021,
– unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zu Menschenrechtsverteidigern und jene in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung – online und offline,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union(5), insbesondere auf Artikel 12 zur Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit,
– unter Hinweis auf die von der kubanischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OCDH) an den EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, Eamon Gilmore, gerichtete Beschwerde vom 8. September 2021 zur Unterdrückung von Demonstranten,
– unter Hinweis auf die Verfassung und das Strafgesetzbuch Kubas,
– unter Hinweis auf das Gesetzesdekret Nr. 35 über Telekommunikations-, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die Nutzung des radioelektrischen Spektrums und die Resolution Nr. 105 aus dem Jahr 2021 über die Regulierung des nationalen Interventionsmodells zur Reaktion auf Cybersicherheitsvorfälle in der Republik Kuba,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass am 11. Juli 2021 tausende Kubaner in mehr als 40 Städten auf die Straßen gingen, um friedlich gegen den chronischen Mangel an Arzneimitteln und sonstigen grundlegenden Gütern, den im Allgemeinen schlechten Umgang mit der COVID-19-Pandemie und die systematischen Beschränkungen der Menschenrechte, insbesondere der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, durch die kubanischen Staatsorgane zu protestieren; in der Erwägung, dass dies seit dem „Maleconazo“-Protest im Jahr 1994 die größten Proteste in Kuba waren;
B. in der Erwägung, dass die kubanischen Staatsorgane mit extremer Gewalt und Unterdrückung gegen die Demonstranten und Menschenrechtsverteidiger vorgingen; in der Erwägung, dass der Präsident Miguel Díaz-Canel alle Regierungsanhänger, einschließlich Sondereinheiten wie den „Boinas negras“ (Schwarze Barette) – eine Eliteeinheit der revolutionären Streitkräfte – aufgefordert hat, gegen die friedlichen Demonstranten vorzugehen, wodurch sich die Gewalt verschärfte, Hunderte Zivilisten verletzt wurden und es zu polizeilichen Durchsuchungen, Verhaftungen von Demonstranten in ihrem Zuhause und Polizeigewalt kam;
C. in der Erwägung, dass die kubanischen Staatsorgane neue Methoden der Unterdrückung eingesetzt haben, wie die Aussetzung, Überwachung, Zensur und Kontrolle der Telekommunikationsdienste unter Verstoß gegen internationale Menschenrechtsnormen, um die von ihnen begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen zu kontrollieren und zu vertuschen; in der Erwägung, dass die kubanischen Staatsorgane die Menschenrechte, etwa das Recht auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung, ohne Diskriminierung aufgrund der politischen Ansichten schützen und sicherstellen müssen und unter Achtung der Grundsätze der Rechtmäßigkeit, des Ausnahmecharakters, der Verantwortung und der Notwendigkeit die Menschenrechtsnormen achten müssen;
D. in der Erwägung, dass der Rechtsrahmen Kubas über die Verfahren und die Bedingungen für den Erhalt der erforderlichen Genehmigungen zur Nutzung des nationalen radioelektrischen Spektrums mit dem Gesetzesdekret Nr. 35 aktualisiert wurde und Telekommunikationsbetreibern Verpflichtungen zur Aussetzung der Nutzung, zum Abfangen und zur Kontrolle von Nutzern und zur Weitergabe ihrer Informationen an die kubanischen Staatsorgane auferlegt wurden; in der Erwägung, dass das Dekret international als rechtswidrig anerkannt ist; in der Erwägung, dass mit der Resolution Nr. 105 umfassende Regelungen über Cybersicherheitsvorfälle eingeführt wurden, durch die ein Rechtsrahmen für die strafrechtliche Verfolgung von Einzelpersonen für ein breites Spektrum an Anschuldigungen geschaffen wurde und die Auferlegung von Sanktionen, die Beschlagnahme von Mobiltelefonen und Computern und die Durchsuchung von Wohnungen ermöglicht wurde und durch die es der Regierung sogar erlaubt wurde, als Vermittler Strafverfahren für Straftaten, die derzeit im Strafgesetzbuch aufgeführt werden und deren Definitionen international als illegal anerkannt sind, einzuleiten; in der Erwägung, dass das Gesetzesdekret Nr. 370, das ebenfalls nach der Annahme der neuen Verfassung von 2019 in Kraft trat, die freie Meinungsäußerung in sozialen Netzwerken einschränkt;
E. in der Erwägung, dass die Regierung mehrere Tage lang das Internet abgeschnitten hat, sodass es den Bürgern nicht möglich war, öffentlich über die erlittenen Repressionen und Menschenrechtsverletzungen zu berichten; in der Erwägung, dass der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez den Versuch der Vereinigten Staaten, das Internetsignal auf der Insel wiederherzustellen, als „Aggression“ bezeichnete;
F. in der Erwägung, dass die IAMRK und die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte die Unterdrückung durch den kubanischen Staat und die Anwendung von Gewalt als Reaktion auf friedliche Demonstrationen verurteilt haben, außerdem die unverzügliche Freilassung aller, die inhaftiert wurden, gefordert haben und die kubanische Regierung nachdrücklich aufgefordert haben, die zugrunde liegenden sozialen Probleme im Rahmen eines Dialogs anzugehen;
G. in der Erwägung, dass die kubanische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am 5. September 2021 berichtet hat, dass seit den Protesten am 11. Juli 2021 1 306 Personen, darunter 27 Minderjährige, vermisst wurden oder inhaftiert waren; in der Erwägung, dass aus anderen Berichten nichtstaatlicher Organisationen, etwa von Prisoners Defenders, hervorgeht, dass mehr als 5 000 Menschen während dieser Zeit inhaftiert waren, wobei Vorwürfe über willkürliche Inhaftierungen, Isolationshaft, Verschwindenlassen, den Einsatz krimineller Persönlichkeiten zur Kriminalisierung der Teilnahme an Protesten, Folter, Misshandlung, Überwachung, Hausarreste und Gewalt gegen Demonstranten erhoben wurden; in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen über das Verschwindenlassen am 15. Juli 2021 in 187 Fällen sofortige Maßnahmen gemäß Artikel 30 des Übereinkommens zum Schutz vor dem Verschwindenlassen eingeleitet hat (offizielle sofortige Maßnahmen AU Nr. 1200 bis 1386/2021); in der Erwägung, dass Kuba die sechstgrößte Zahl sofortiger Maßnahmen in Bezug auf das Verschwindenlassen verzeichnet, die seit 2017 weltweit ergriffen werden mussten, obwohl das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit inzwischen vollständig in Kraft ist;
H. in der Erwägung, dass unter den Inhaftierten zahlreiche Aktivisten, Journalisten und Anführer politischer Oppositionsbewegungen wie José Daniel Ferrer, Vorsitzender der Unión Patriótica de Cuba (Patriotische Union Kubas), waren, deren Aufenthaltsort noch immer unbekannt ist, sowie Lehrkräfte, Studierende und Künstler wie Luis Manuel Otero Alcántara des Movimiento San Isidro; in der Erwägung, dass die Polizei den Tod von Diubis Laurencio Tejeda bestätigt hat, der während der Proteste in Havanna von hinten erschossen wurde;
I. in der Erwägung, dass die Sacharow-Preisträger nach wie vor unter systematischen repressiven Handlungen leiden, darunter willkürliche Inhaftierungen, Razzien und Belagerungen ihrer Häuser, Aggression und willkürliche Geldstrafen, die sowohl von der kubanischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte als auch von dem kubanischen Zentrum für Menschenrechte verzeichnet wurden; in der Erwägung, dass die Damas de Blanco (Damen in Weiß) in den letzten drei Monaten 318 derartiger repressiver Maßnahmen erfahren haben, 60 im Juni, 142 im Juli und 116 im August; in der Erwägung, dass der Sacharow-Preisträger Guillermo Fariñas Hernández im Einklang mit den vorstehenden Informationen von Menschenrechtsorganisationen erklärt hat, dass er seit Jahren monatlichen systematischen Repressionen ausgesetzt ist, dass seine Telefonate überwacht werden, dass er nach Verlassen seiner Wohnung systematisch nur wenige hundert Meter entfernt verhaftet wird und dass er allein im September dreimal willkürlich inhaftiert wurde, das letzte Mal am 8. September 2021;
J. in der Erwägung, dass viele summarische Gerichtsverfahren und Strafen für verschiedene Arten von Straftaten, darunter Terrorismus, Störung der öffentlichen Ordnung, Missachtung, Anstiftung zur Begehung von Straftaten und Verbreitung einer Epidemie, ohne Mindestgarantien für ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren erhielten; in der Erwägung, dass mehrere der festgenommenen Personen als politische Gefangene gelten;
K. in der Erwägung, dass mehr als 8 000 Personen ohne zurechenbare Straftat inhaftiert sind und 2 500 weitere aus demselben Grund zu Zwangsarbeit verurteilt wurden, wobei die Anklage bei allen in der „sozialen Gefährlichkeit vor der Begehung einer Straftat“ bestand und sich allein auf ihr „beobachtetes mit den Normen der sozialistischen Moral im Widerspruch stehendes Verhalten“ stützt (Artikel 72 bis 84 des Strafgesetzbuchs Kubas);
L. in der Erwägung, dass das Parlament am 5. Juli 2017 seine Zustimmung zu dem Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit unter der Voraussetzung erteilt hat, dass in Kuba deutliche Verbesserungen in den Bereichen Menschenrechte und Demokratie erzielt werden; in der Erwägung, dass das Parlament wiederholt die Menschenrechtsverletzungen in Kuba verurteilt und auf die Verstöße gegen Artikel 1 Absatz 5, Artikel 2 Buchstabe c sowie die Artikel 5, 22 und 43 des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit hingewiesen hat; in der Erwägung, dass in Kuba bisher keine konkreten Fortschritte in Bezug auf die im Abkommen enthaltenen allgemeinen Grundsätze und Ziele der Verbesserung der Menschenrechtslage gemacht wurden, sondern das kubanische Regime im Gegenteil die Unterdrückung verstärkt und häufiger gegen die Arbeitnehmer- und Menschenrechte verstoßen hat und die Zahl der politischen Gefangenen gestiegen ist; in der Erwägung, dass das wichtigste Ziel des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit, die Grundfreiheiten in Kuba zu verbessern, nicht erreicht wurde;
M. in der Erwägung, dass der kubanische Staat nach wie vor systematisch gegen die Arbeitnehmer- und Menschenrechte seines Gesundheitspersonals verstößt, das im Ausland für medizinische Missionen eingesetzt wird, was nach Angaben der Vereinten Nationen moderner Sklaverei entspricht;
N. in der Erwägung, dass das Parlament den Europäischen Auswärtigen Dienst in seiner Entschließung vom 10. Juni 2021 darauf hingewiesen hat, dass die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den politischen Dialogen und den Kooperationsprojekten im Rahmen des Abkommens ein wesentlicher Bestandteil des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit ist und dass der seit der Unterzeichnung des Abkommens bestehende Missstand umgehend behoben werden sollte, dass die Zivilgesellschaft vom Zugang zu Mitteln für die Zusammenarbeit und/oder von der Beteiligung an dem Abkommen ausgeschlossen ist und sich hingegen ausschließlich Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist oder die von ihm kontrolliert werden, am Abkommen beteiligen dürfen und Zugang zu Mitteln für die Zusammenarbeit erhalten;
O. in der Erwägung, dass im Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit eine sogenannte Menschenrechtsklausel enthalten ist, bei der es sich um ein wesentliches Standardelement von internationalen Übereinkommen der EU handelt, wodurch möglich wird, das Abkommen bei Menschenrechtsverletzungen auszusetzen;
P. in der Erwägung, dass die OCDH formell die Anwendung der neuen Sanktionsregelung der Europäischen Union für die an den schweren Menschenrechtsverletzungen in Kuba beteiligten natürlichen Personen oder staatlichen Einrichtungen beantragt hat;
1. verurteilt aufs Schärfste die extreme Gewalt und Unterdrückung von Demonstranten, Menschenrechtsverteidigern, unabhängigen Journalisten, Künstlern, Dissidenten und führenden Mitgliedern der politischen Opposition durch die kubanische Regierung nach den Demonstrationen vom 11. Juli 2021; bedauert den Verlust von Menschenleben und spricht den Angehörigen sein Beileid aus;
2. fordert die kubanischen Staatsorgane auf, der Unterdrückung ein Ende zu setzen, alle politischen Gefangenen, Gefangenen aus Gewissensgründen und Personen, die willkürlich inhaftiert wurden, nur weil sie friedlich von ihrem Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht haben, freizulassen und für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren zu sorgen; verurteilt, dass die Regierung als Reaktion auf diese Demonstrationen die Spezialeinheit der Polizei „Boinas negras“ und ziviler Truppen entsandt hat, die dem Aufruf von Präsident Miguel Díaz-Canel gefolgt sind, „die Revolution zu verteidigen“;
3. bedauert, dass die kubanischen Staatsorgane die zahlreichen Inhaftierungen nach den Demonstrationen vom 11. Juli 2021 genutzt haben, um die legitimen und friedlichen demokratischen Forderungen der kubanischen Bevölkerung zu kriminalisieren, sich wieder die Kontrolle anzueignen, erneut Angst und Schrecken unter der Bevölkerung zu verbreiten und einige der charismatischsten Oppositionsmitglieder des Landes zum Schweigen zu bringen;
4. fordert, dass die Menschenrechte der Sacharow-Preisträger geachtet werden, die unter ständigen Repressionen leiden, und verurteilt die willkürliche Verhaftung von José Daniel Ferrer, der mehr als zwei Monate lang in Haft saß, von seiner Familie isoliert wurde und dessen Aufenthaltsort unbekannt ist;
5. betont, dass sich die kubanischen Staatsorgane unbedingt die Forderungen nach bürgerlichen und politischen Rechten sowie nach Freiheit und Demokratie anhören und darauf reagieren müssen und dass ein alle Seiten einbeziehender nationaler Dialog über einen Prozess der Modernisierung und Demokratisierung des Landes aufgenommen werden muss, damit alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden können, um dringend notwendige interne Wirtschaftsreformen durchzuführen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bevölkerung geachtet werden und wirksam auf die COVID-19-Pandemie reagiert wird;
6. ist zutiefst besorgt angesichts der Erkenntnis, zu der die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen in ihren Berichten Nr. 12/2017, Nr. 55/2017, Nr. 64/2017, Nr. 59/2018, Nr. 66/2018, Nr. 63/2019 und Nr. 4/2020 in Bezug auf die willkürliche Freiheitsberaubung in Kuba kommt, aus denen hervorgeht, dass es in Kuba ein systematisches Problem willkürlicher Inhaftierungen gibt;
7. verurteilt die mangelnde Achtung der in den universellen Menschenrechtskonventionen verankerten Menschenrechte und Freiheiten, vor allem der Versammlungs-, der Presse- und der Meinungsfreiheit sowohl online als auch offline, durch die kubanischen Staatsorgane sowie die Unterdrückung jeglicher Form der demokratischen Meinungsäußerung und das Fehlen von Räumen für eine pluralistische politische Teilhabe; fordert die EU auf, dies öffentlich zu verurteilen; missbilligt das kürzlich verabschiedete Gesetzesdekret Nr. 35 und die Resolution Nr. 105, die umfassende rechtliche Möglichkeiten bieten, die Teilnahme von Einzelpersonen an rechtmäßigen friedlichen Demonstrationen unter Strafe zu stellen, indem Kontrolle über Telekommunikationsmittel ausgeübt wird, wodurch der Weg für neue Methoden der Unterdrückung geebnet wird; fordert die kubanischen Staatsorgane auf, den Rechtsrahmen im Einklang mit dem Völkerrecht zu aktualisieren und das Gesetzesdekret Nr. 35 sowie alle anderen Rechtsvorschriften, mit denen die Grundfreiheiten der Bürger eingeschränkt werden, aufzuheben;
8. ist besorgt darüber, dass die Haftbedingungen unzumutbar sind und es nach wie vor an den Voraussetzungen fehlt, die Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz bieten; fordert, dass die Inhaftierten Zugang zu fairen Gerichtsverfahren haben, von unabhängigen medizinischen Gutachtern untersucht werden, angemessene Nahrung und Wasser erhalten sowie Telefongespräche führen und regelmäßig Besuche von Familienangehörigen, Freunden, Journalisten und Diplomaten erhalten dürfen; fordert wirksame strafrechtliche und administrative Ermittlungen, um die für Folter und Misshandlungen Verantwortlichen zu ermitteln, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen;
9. fordert die kubanischen Staatsorgane auf, den Empfehlungen der IAMRK und der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte nachzukommen und einen konstruktiven Dialog mit der echten Zivilgesellschaft aufzunehmen; fordert Kuba auf, der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über die Lage von Menschenrechtsverteidigern und unabhängigen Menschenrechtsorganisationen umgehend Zugang zum Land zu gewähren, damit sie die Menschenrechtslage dokumentieren und die bevorstehenden Gerichtsverfahren gegen die Hunderten von Aktivisten und gewöhnlichen Kubanern, die nach wie vor inhaftiert sind, überwachen und verfolgen können; fordert die EU auf, die Gerichtsverfahren zu verfolgen und die politischen Gefangenen im Gefängnis zu besuchen;
10. bedauert, dass sich die Lage der Demokratie trotz des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit nicht verbessert hat und dass sich die Lage der Menschenrechte in Kuba nur noch weiter verschlechtert hat; betont, dass Kuba seit dem Inkrafttreten des Abkommens systematisch gegen die grundlegenden Bestimmungen des Abkommens verstoßen hat; bedauert zutiefst das mangelnde Engagement und die mangelnde Bereitschaft des kubanischen Regimes, sich um auch nur minimale Fortschritte in Richtung von Veränderungen oder offenen Kanälen zu bemühen, durch die eine Reform des Regimes möglich würde;
11. betont, dass kubanische und unabhängige europäische Organisationen der Zivilgesellschaft entgegen dem Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit systematisch daran gehindert wurden, an den Menschenrechtsdialogen zwischen Kuba und der Europäischen Union teilzunehmen, die Teil des umfassenderen Menschenrechtsdialogs gemäß dem Abkommen sind, etwa an dem Menschenrechtsdialog vom 26. Februar 2021; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass alle Organisationen der Zivilgesellschaft bei jedem Dialog zwischen der Europäischen Union und der kubanischen Zivilgesellschaft uneingeschränkt einbezogen und bei allen Finanzierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden müssen;
12. bekräftigt seine nachdrückliche Unterstützung für alle Menschenrechtsverteidiger in Kuba und ihre Arbeit; fordert die EU-Delegation und die Vertretungen der Mitgliedstaaten in dem Land auf, bei ihren Kontakten mit den kubanischen Staatsorganen die echte und unabhängige Zivilgesellschaft deutlich stärker zu unterstützen und alle verfügbaren Instrumente zu nutzen, um die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern zu fördern;
13. ist der Ansicht, dass sich die jüngsten repressiven Maßnahmen der kubanischen Staatsorgane gegen Bürger in die Reihe der anhaltenden und systematischen Maßnahmen gegen Gefangene aus Gewissensgründen, Menschenrechtsverteidiger, Dissidenten, Oppositionelle, Aktivisten der Zivilgesellschaft, Künstler und Journalisten einfügen, die allesamt weitere Verstöße gegen das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit darstellen;
14. weist darauf hin, dass im Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit eine Menschenrechtsklausel enthalten ist, bei der es sich um ein wesentliches Standardelement von internationalen Übereinkommen der EU handelt, wodurch möglich wird, das Abkommen bei Menschenrechtsverletzungen auszusetzen; fordert die Europäische Union auf, Artikel 85 Absatz 3b anzuwenden und angesichts der Verstöße der kubanischen Regierung gegen das Abkommen eine unverzügliche Sitzung des Gemischten Ausschusses einzuberufen, da es sich hierbei um einen „besonders dringenden Fall“ handelt;
15. fordert den Rat auf, die Bestimmungen des EU-Magnitski-Gesetzes(6) anzuwenden und möglichst bald Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die für Menschenrechtsverletzungen in Kuba verantwortlich sind;
16. bedauert zutiefst, dass die kubanischen Staatsorgane den Delegationen des Parlaments die Einreise nach Kuba verweigern, obwohl das Parlament dem Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zugestimmt hat; fordert die Staatsorgane auf, den Delegationen umgehend die Einreise in das Land zu gestatten;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Regierung und der Nationalversammlung der Volksmacht Kubas, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten zu übermitteln.
Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und ‑verstöße (ABl. L 410 I vom 7.12.2020, S. 1).
Der Fall des Menschenrechtsverteidigers Ahmad Mansur in den VAE
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zum Fall des Menschenrechtsverteidigers Ahmad Mansur in den Vereinigten Arabischen Emiraten (2021/2873(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), insbesondere seine Entschließung vom 4. Oktober 2018 zu den VAE, insbesondere zur Lage des Menschenrechtsverteidigers Ahmad Mansur(1),
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP), Josep Borrell, vom 10. Dezember 2020 im Rat (Auswärtige Angelegenheiten), in der er die Ansicht vertrat, die Menschenrechte gehörten zur DNA der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 1. Januar 2019 zum Fall von Ahmad Mansur,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen vom 12. Juni 2018, in der die sofortige Freilassung des inhaftierten Menschenrechtsverteidigers Ahmad Mansur gefordert wird, und vom 7. Mai 2019, in der seine Haftbedingungen verurteilt werden,
– unter Hinweis auf die Arabische Charta der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Kooperationsvereinbarung von 2018 zwischen den VAE und dem EAD,
– unter Hinweis auf die jüngste Runde des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und den VAE, die am 9. Juni 2021 in virtuellem Format stattfand, und das zweite Treffen zwischen hohen Beamten des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit der VAE und des EAD, das am 3. März 2021 virtuell stattfand,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die beide von den VAE unterzeichnet wurden,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf die globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Leitlinien der Europäischen Union zu Menschenrechtsverteidigern,
– unter Hinweis auf die EU-Leitlinien in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung,
– unter Hinweis auf die EU-Leitlinien über Folter und andere grausame Behandlung,
– unter Hinweis darauf, dass Ahmad Mansur im Jahr 2015 mit dem renommierten Martin-Ennals-Preis für Menschenrechtsverteidiger ausgezeichnet wurde,
– unter Hinweis darauf, dass Ludschain al-Hathlul im Jahr 2020 von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats mit dem Václav-Havel-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet wurde,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Ahmad Mansur am 29. Mai 2018 nach einem grob unfairen Verfahren vom Berufungsgericht in Abu Dhabi wegen seines Einsatzes für die Menschenrechte zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde; in der Erwägung, dass das Urteil am 31. Dezember 2018 vom Obersten Föderalen Gericht der VAE bestätigt wurde; in der Erwägung, dass er außerdem mit einer Geldstrafe in Höhe von 1 Million Dirham (232 475 EUR) belegt wurde und dass er nach seiner Freilassung für einen Zeitraum von drei Jahren unter Überwachung gestellt wird;
B. in der Erwägung, dass das Ministerium der VAE für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit am 29. März 2017 erklärte, dass das Büro für Internetkriminalität der Staatsanwaltschaft die Festnahme von Ahmad Mansur angeordnet habe, da er über das Internet falsche und irreführende Informationen verbreitet habe, mit denen er auf die Ausbreitung von Antipathie und Sektierertum abgezielt habe; in der Erwägung, dass aus anderen Erklärungen der VAE-Behörden hervorging, dass der einzige Grund für seine Inhaftierung die von ihm im Internet verbreiteten Ansichten waren; in der Erwägung, dass die Anklagen gegen ihn auf angeblichen Verstößen gegen das Gesetz der VAE über Cyberkriminalität aus dem Jahr 2012 beruhen; in der Erwägung, dass er nach Angaben der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und von Human Rights Watch ausschließlich wegen seines Eintretens für die Menschenrechte verurteilt wurde, u. a. weil er über Ungerechtigkeiten in seinem Land getwittert, an Webinaren zu Menschenrechten teilgenommen und Nachrichten an Nichtregierungsorganisationen (NRO), die im Bereich der Menschenrechte tätig sind, geschickt hat;
C. in der Erwägung, dass Ahmad Mansur seit seiner Verhaftung im März 2017 im al-Sadr-Gefängnis in Abu Dhabi in Einzelhaft gehalten wird, wo ihm die Grundversorgung vorenthalten wird und ihm seine Rechte als Häftling nach dem Recht der VAE und internationalen Menschenrechtsnormen, einschließlich der Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen, verweigert werden; in der Erwägung, dass ihm jede Form des Kontakts mit anderen Häftlingen und seiner Familie untersagt wird, abgesehen von vier 30-minütigen Besuchen seiner Frau und begrenzten Telefonaten mit seiner Mutter und seiner Frau; in der Erwägung, dass er im Jahr 2019 zweimal in den Hungerstreik getreten ist, um die Achtung seiner Grundrechte als Gefangener einzufordern;
D. in der Erwägung, dass die Behörden der VAE die Rechte von Ahmad Mansur seit mehr als zehn Jahren durch willkürliche Verhaftung und Inhaftierung, Todesdrohungen, körperliche Angriffe, staatliche Überwachung und unmenschliche Behandlung in der Haft verletzen;
E. in der Erwägung, dass die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über die Lage von Menschenrechtsverteidigern erklärt hat, dass die Bedingungen und die Behandlung, denen die Menschenrechtsverteidiger Ahmad Mansur, Mohammed al-Roken und Nasser Bin Ghaith aus den VAE ausgesetzt sind, wie etwa die lange Einzelhaft, gegen Menschenrechtsstandards verstoßen und möglicherweise Folter darstellen;
F. in der Erwägung, dass eine Gruppe von Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen die Regierung der VAE aufgefordert hat, Ahmad Mansur freizulassen, und seine Festnahme als unmittelbaren Übergriff auf die legitime Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern in den VAE bezeichnet hat;
G. in der Erwägung, dass Ahmad Mansur vor seiner letzten Verhaftung im Jahr 2017 allgemeine und direkte Wahlen in den VAE und die Verleihung von Gesetzgebungsbefugnissen an den Föderalen Nationalrat, ein Beratungsgremium der Regierung, forderte; in der Erwägung, dass er auch ein Online-Forum namens Al-Hiwar al-Emarati (der Dialog in den Emiraten) verwaltete, in dem die Politik der VAE kritisiert wurde;
H. in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Rechtsanwälte und Lehrer, die sich zu politischen und Menschenrechtsfragen in den VAE äußern, systematisch verfolgt werden; in der Erwägung, dass der Staat insbesondere seit 2011 verstärkt gegen die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit vorgeht; in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger und ihre Familienangehörigen Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen, längerer willkürlicher Inhaftierung, Folter, gerichtlichen Schikanen und unfairen Gerichtsverfahren, Reiseverboten, physischer und digitaler Überwachung und willkürlicher Entlassung sind;
I. in der Erwägung, dass es die vage und zu weit gefasste Definition des Begriffs „Terrorismus“ im Recht der VAE ermöglicht, ein breites Spektrum friedlicher und legitimer Aktivitäten als terroristisch einzustufen;
J. in der Erwägung, dass die VAE ausgeklügelte Spionagesoftware einsetzen, um Aktivisten und andere abweichende Stimmen ins Visier zu nehmen; in der Erwägung, dass Ahmad Mansur mit Spionagesoftware des israelischen Unternehmens NSO Group ausspioniert wurde; in der Erwägung, dass in den Pegasus-Enthüllungen vom Juli 2021 berichtet wurde, dass die Behörden der VAE die NSO-Spionagesoftware gegen eine Reihe von Zielpersonen, auch gegen Menschenrechtsverteidiger in den VAE und im Ausland, einsetzen; in der Erwägung, dass Ludschain al-Hathlul, eine prominente saudische Frauenrechtlerin, ebenfalls Opfer von Cyberangriffen der VAE-Behörden wurde, die sich in ihren E-Mail-Account einhackten, bevor sie verhaftet und zwangsweise nach Saudi-Arabien überstellt wurde;
K. in der Erwägung, dass Frauen in den VAE nach wie vor einer Reihe von diskriminierenden Gesetzen und Praktiken ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass zu den Verstößen gegen die Rechte der Frauen die Entführung und Geiselnahme von saudischen und Frauen und Frauenrechtsaktivistinnen aus den VAE, der Mangel an Ermittlungen und Rechenschaftspflicht bei mutmaßlichen Verbrechen gegen Frauen, einschließlich des sexuellen Übergriffs auf die britische Staatsangehörige Caitlin McNamara, bei dem der beschuldigte Täter nicht verfolgt oder zur Rechenschaft gezogen wurde, die systematische Diskriminierung von Frauen, die Ausbeutung von Wanderarbeitnehmerinnen, der Sexhandel und die sexuelle Sklaverei gehören;
L. in der Erwägung, dass das Kafala-System (Sponsoring) in den VAE nach wie vor als fester Bestandteil der Gesellschafts- und Rechtsordnung angewandt wird; in der Erwägung, dass Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen zufolge die unmenschlichen Praktiken der VAE gegenüber ausländischen Arbeitnehmern, die 80 % der Bevölkerung des Landes ausmachen, allgegenwärtig sind und diese Verstöße während des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie noch zugenommen haben; in der Erwägung, dass Unternehmen und Baufirmen in Vorbereitung auf die bevorstehende Weltausstellung Expo 2020 in Dubai, die von Oktober 2021 bis März 2022 stattfinden soll, Arbeitnehmer dazu zwingen, nicht übersetzte Dokumente zu unterzeichnen, ihre Pässe konfiszieren, sie extremen Arbeitszeiten unter unsicheren Wetterbedingungen aussetzen und sie in unhygienischen Unterkünften unterbringen;
M. in der Erwägung, dass die VAE und die EU ein gegenseitiges bilaterales Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht für Kurzaufenthalte unterzeichnet haben, durch das Bürger der VAE von der Schengen-Visumspflicht befreit werden;
N. in der Erwägung, dass die EU der wichtigste Geldgeber für die Interpol-Programme zur justiziellen Zusammenarbeit ist; in der Erwägung, dass der Generalinspekteur des Innenministeriums der VAE, Generalmajor Ahmed Nasser al-Raisi, ein Kandidat für den Posten des Präsidenten von Interpol ist;
O. in der Erwägung, dass die VAE mehrere zentrale Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen nicht ratifiziert haben, insbesondere den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und seine Fakultativprotokolle zur Abschaffung der Todesstrafe und gegen Folter sowie das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen;
P. in der Erwägung, dass die EU die VAE als Partner betrachtet, auch in den Bereichen der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen; in der Erwägung, dass die EU und die VAE seit 2013 zweimal jährlich einen Menschenrechtsdialog führen und dass der 10. Menschenrechtsdialog zwischen der EU und den VAE, der am 9. Juni 2021 stattfand, eine Gelegenheit bot, mit den staatlichen Stellen der VAE Fragen, die Anlass zu Bedenken geben, zu erörtern;
1. verurteilt erneut aufs Schärfste die Inhaftierung von Ahmad Mansur und allen anderen Menschenrechtsverteidigern in den VAE, die nur deshalb in Haft sind, weil sie ihre grundlegenden Menschenrechte wahrgenommen haben, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit, das Recht auf friedliche Versammlung und Redefreiheit sowohl online als auch offline, die nicht nur in den allgemeinen Menschenrechtsinstrumenten, sondern auch in der Arabischen Charta der Menschenrechte verankert sind; bedauert zutiefst die Diskrepanz zwischen den Behauptungen der VAE, ein tolerantes und die Rechte respektierendes Land zu sein, und der Tatsache, dass ihre eigenen Menschenrechtsverteidiger unter harten Bedingungen inhaftiert sind;
2. bekräftigt seine Forderung nach der unverzüglichen und bedingungslosen Freilassung von Ahmad Mansur, Mohammed al-Roken und Nasser bin Ghaith, sowie weiterer Menschenrechtsverteidiger, politischer Aktivisten und friedlicher Dissidenten;
3. fordert die staatlichen Stellen der VAE nachdrücklich auf, bis zu ihrer Freilassung sicherzustellen, dass Ahmad Mansur und alle anderen Gefangenen im Einklang mit den Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen behandelt werden; fordert insbesondere, dass Mansur aus der Einzelhaft entlassen wird, dass alle Gefangenen regelmäßig Besuch von Anwälten und Familienangehörigen erhalten und angemessen medizinisch versorgt werden, dass Experten der Vereinten Nationen und internationaler nichtstaatlicher Organisationen die Möglichkeit erhalten, Mansur und andere Gefangene zu besuchen und die Haftbedingungen zu überwachen, und dass alle Foltervorwürfe gründlich untersucht werden;
4. äußert seine tiefe Besorgnis über die anhaltenden Berichte, einschließlich der im Juli 2021 veröffentlichten durchgesickerten Briefe, wonach Ahmad Mansur weiterhin unter schlimmen Bedingungen in Einzelhaft gehalten wird; weist die staatlichen Stellen der VAE darauf hin, dass eine lange und unbefristete Einzelhaft der Folter gleichkommt; fordert die staatlichen Stellen der VAE auf, allen Inhaftierten, auch Gefangenen aus Gewissensgründen, ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess zu garantieren; fordert die Staatsorgane nachdrücklich auf, das Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus, das Gesetz über Cyberkriminalität und das Bundesgesetz Nr. 2 aus dem Jahr 2008, die wiederholt zur Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern herangezogen werden, zu ändern, damit sie den internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen;
5. fordert die staatlichen Stellen der VAE auf, die Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern einzustellen und das Reiseverbot für Menschenrechtsverteidiger unverzüglich aufzuheben; besteht darauf, dass die staatlichen Stellen gewährleisten, dass Menschenrechtsverteidiger in den VAE ihre legitimen Menschenrechtsaktivitäten unter allen Umständen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes ohne Angst vor Repressalien und frei von allen Einschränkungen, einschließlich gerichtlicher Schikanen, ausüben können;
6. fordert den VP/HR auf, den Fall Ahmad Mansur genau zu verfolgen, um seine sofortige Freilassung und die anderer Menschenrechtsverteidiger sicherzustellen; fordert den VP/HR insbesondere auf, Gefängnisbesuche bei Menschenrechtsverteidigern während seines bevorstehenden Besuchs in den VAE zu beantragen und bei Treffen mit den Behörden der VAE öffentlich und privat ihre sofortige und bedingungslose Freilassung zu fordern; fordert den EAD auf, dem Parlament über die bisher von der EU-Delegation und den Mitgliedstaaten in Abu Dhabi ergriffenen Maßnahmen zur angemessenen Unterstützung von Ahmad Mansur Bericht zu erstatten;
7. fordert alle Mitgliedstaaten angesichts der internen Repression in den VAE nachdrücklich auf, im Einklang mit der Verordnung (EU) 2021/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 über eine Regelung der Union für die Kontrolle der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Hilfe, der Durchfuhr und der Verbringung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck(2), den Verkauf und die Ausfuhr von Überwachungstechnologien in die VAE sowie deren Wartung und Modernisierung auszusetzen, wenn keine konkreten und messbaren Maßnahmen zur Behebung dieser Missstände ergriffen werden;
8. fordert den EAD auf, gezielte Maßnahmen der EU gegen diejenigen vorzuschlagen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen in den VAE verantwortlich sind, einschließlich der Verfolgung von Ahmad Mansur und anderen Menschenrechtsverteidigern, im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte; bekräftigt, dass alle Sanktionsverfahren faktengestützt sein müssen und nur eingeleitet werden dürfen, wenn konkrete Menschenrechtsverletzungen festgestellt werden können;
9. fordert die EU auf, aussagekräftige Zielvorgaben im Bereich Menschenrechte und eine Liste von Einzelfällen für ihren Menschenrechtsdialog mit den VAE anzunehmen und zu veröffentlichen, um eine echte und ergebnisorientierte Diskussion über Menschenrechte zu ermöglichen;
10. fordert die EU auf, eine Debatte über Menschenrechte, insbesondere über die Lage von Menschenrechtsverteidigern, als ständigen Punkt auf die Tagesordnung des jährlichen Gipfeltreffens zwischen der EU und dem Golf-Kooperationsrat zu setzen;
11. äußert seine Besorgnis darüber, dass die Behörden der VAE Berichten zufolge die Spähsoftware der NSO Group für die unrechtmäßige Überwachung der Mobiltelefone von Hunderten von Personen im Vereinigten Königreich, darunter Anwälte, Akademiker und ein Parlamentarier, eingesetzt haben; fordert den VP/HR auf, von den Behörden der VAE Klarstellungen zu diesen Berichten zu verlangen, auch im Hinblick auf mögliche Angriffe auf EU-Bürger oder Einzelpersonen im Hoheitsgebiet der EU, und dem Parlament Bericht zu erstatten;
12. weist darauf hin, dass die EU 2015 mit den VAE ein Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht für Kurzaufenthalte unterzeichnet hat; fordert die Kommission auf, dem Parlament über die Vereinbarkeit dieses Abkommens mit den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften Bericht zu erstatten, insbesondere was die Berücksichtigung der Menschenrechte und Grundfreiheiten als Kriterium für die Befreiung von der Visumpflicht betrifft; fordert die Kommission und den Rat auf, dem Parlament über die Fortschritte in diesem Bereich Bericht zu erstatten;
13. fordert die Mitglieder der Generalversammlung von Interpol und insbesondere die EU-Mitgliedstaaten auf, die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Generalmajor Nasser Ahmed al-Raisi vor der Wahl des Präsidenten der Organisation am 23. bis 25. November 2021 gebührend zu prüfen; nimmt die von der Zivilgesellschaft geäußerten Bedenken hinsichtlich seiner Kandidatur und der möglichen Auswirkungen auf das Ansehen des Organs zur Kenntnis;
14. fordert die internationalen Unternehmen, die die Expo 2020 Dubai unterstützen, auf, ihr Sponsoring zurückzuziehen, um ihre Missbilligung der Menschenrechtsverletzungen in den VAE zu signalisieren, und fordert die Mitgliedstaaten auf, sich nicht an der Veranstaltung zu beteiligen;
15. bedauert zutiefst die Rolle der staatlichen Stellen der VAE bei der Auslieferung der Frauenrechtlerin Ludschain al-Hathlul an Saudi-Arabien, wo sie wegen der Verteidigung der Frauenrechte inhaftiert, gefoltert und verfolgt wurde;
16. bringt seine Besorgnis über die Lage der Frauen in den VAE trotz einiger Fortschritte zum Ausdruck und fordert die staatlichen Stellen auf, das Personenstandsgesetz zu reformieren, um Frauen gleiche Rechte zu gewähren und sicherzustellen, dass Frauen in den Emiraten ihre Staatsangehörigkeit gleichberechtigt an ihre Kinder weitergeben können;
17. begrüßt das Moratorium der VAE für Hinrichtungen seit 2017; fordert die VAE auf, den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das dazugehörige Protokoll zur Abschaffung der Todesstrafe zu ratifizieren;
18. unterstützt den in der Kooperationsvereinbarung vorgesehenen kontinuierlichen und verstärkten Dialog zwischen der EU, ihren Mitgliedstaaten und den VAE über Fragen von beiderseitigem Interesse; ist der Auffassung, dass regelmäßige interparlamentarische Treffen zwischen dem Parlament und seinen Partnern in der Golfregion ein wichtiges Forum für die Entwicklung eines konstruktiven und offenen Dialogs über alle problematischen Themen, einschließlich Menschenrechten, Sicherheit und Handel, sind;
19. fordert die Einführung strengerer Transparenzregeln in Bezug auf Lobbytätigkeiten ausländischer Organisationen gegenüber den Organen der EU;
20. fordert, dass diese Entschließung ins Arabische übersetzt wird;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Regierung und dem Parlament der Vereinigten Arabischen Emirate, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und den Regierungen der Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrates zu übermitteln.
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Kenia, insbesondere die Entschließungen vom 30. April 2015(1) und vom 18. Mai 2017 zum Flüchtlingslager von Dadaab(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. März 2021 zu einer neuen Strategie EU-Afrika – eine Partnerschaft für nachhaltige und inklusive Entwicklung(3),
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Republik Kenia und der Europäischen Union vom 21. Juni 2021,
– unter Hinweis auf die im Namen der EU abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 17. Mai 2021 anlässlich des Internationalen Tags gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Oktober 2019 zu der Lage von LGBTI-Personen in Uganda(4),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 10. Mai 2021 mit dem Titel „Das Horn von Afrika: Eine geostrategische Priorität der EU“,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Regierung von Kenia und des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) vom 29. April 2021 mit dem Titel „Dadaab and Kakuma Refugee Camps Roadmap“ (Fahrplan für die Flüchtlingslager Dadaab und Kakuma),
– unter Hinweis auf die Erklärung des UNHCR vom 25. März 2021 zu der Lage von LGBTIQ+-Flüchtlingen im Lager Kakuma,
– unter Hinweis auf die Botschaft des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 17. Mai 2021 anlässlich des Internationalen Tags gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020–2025“ (COM(2020)0698),
– unter Hinweis auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 5 und die Artikel 21, 24, 29 und 31 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 10 und 215 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in denen die EU und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet werden, in ihren Beziehungen zur übrigen Welt die allgemeinen Menschenrechte und den Schutz von Menschen zu wahren und zu fördern und bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen restriktive Maßnahmen zu erlassen,
– unter Hinweis auf die Werte der Menschenwürde, der Gleichheit und der Solidarität, die in dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 verankert sind,
– unter Hinweis auf Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, in der das Recht anerkannt wird, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen,
– unter Hinweis auf den Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika (EUTF Afrika),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/947 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juni 2021 zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt(5),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 25. März 2020 mit dem Titel „EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020–2024“ (JOIN(2020)0005),
– unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf den umfassenden Rahmenplan des UNHCR für Flüchtlingshilfemaßnahmen,
– unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Kenias vom 8. April 2021, mit der die Schließung der Flüchtlingslager Dadaab und Kakuma vorübergehend blockiert wurde,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 23. September 2020 mit dem Titel „Ein neues Migrations- und Asylpaket“ (COM(2020)0609),
– unter Hinweis auf den Globalen Pakt der Vereinten Nationen für Flüchtlinge,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Kenia nach Äthiopien die zweitgrößte Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Afrika beherbergt; in der Erwägung, dass sich die Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Kenia nach Angaben des UNHCR am 31. Mai 2021 in Kakuma, Dadaab und anderen städtischen Gebieten auf 519 989 belief;
B. in der Erwägung, dass sich das Lager Kakuma im County Turkana befindet, einem der ärmsten Countys Kenias; in der Erwägung, dass die Lebensbedingungen in dem Lager dem UNHCR zufolge katastrophal sind und sich stetig verschlechtern, wobei extreme Armut, schlechte Wohnverhältnisse und eine mangelhafte Infrastruktur zu verzeichnen sind und es an Wasser, Sanitäreinrichtungen, Arzneimitteln und Stromversorgung mangelt; in der Erwägung, dass sowohl die lokale Bevölkerung als auch die Flüchtlinge unter einem gravierenden Nahrungsmittel- und Wassermangel leiden und es ihnen an lebensnotwendigen Gütern fehlt; in der Erwägung, dass die ohnehin bereits alarmierende humanitäre Lage in dem Lager und in dem County, in dem es sich befindet, durch die COVID-19-Pandemie zusätzlich verschärft wurde;
C. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechts- und die Sicherheitslage im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia exponentiell verschlechtert haben; in der Erwägung, dass häufig bewaffnete Raubüberfälle, Diebstähle, Vergewaltigungen und Tötungen gemeldet werden, wobei Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen und LGBTIQ+-Personen der Gewalt am stärksten ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass diese Angriffe derzeit untersucht werden;
D. in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen in dem Lager verschiedenen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt sind, meist Vergewaltigungen; in der Erwägung, dass geflüchtete Mädchen, Neuankömmlinge und alleinstehende Frauen, die Haushaltsvorstände sind, diesbezüglich besonders gefährdet sind; in der Erwägung, dass die Vergewaltigungen von männlichen Flüchtlingen aus dem Lager, Mitgliedern der örtlichen Gemeinschaft und/oder dem Sicherheitspersonal begangen werden; in der Erwägung, dass in dem Lager auch andere Formen der Gewalt wie Kinderehen und Zwangsheirat, Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen und Gewalt in der Partnerschaft verbreitet sind;
E. in der Erwägung, dass am 15. März 2021 im Block 13 des Abschnitts 3 des Lagers Kakuma zwei Flüchtlinge Verbrennungen zweiten Grades erlitten, als sie im Schlaf Opfer eines Brandanschlags mit einem Molotowcocktail wurden; in der Erwägung, dass eines der Opfer, der ugandische Flüchtling Chriton Atuhwera, schließlich seinen Verletzung erlag; in der Erwägung, dass immer mehr Flüchtlinge, die der LGBTIQ+-Gemeinschaft angehören, angegriffen und verletzt werden und viele von ihnen aus dem Flüchtlingslager in ein Gebiet fliehen müssen, in dem sie ungeschützt sind und sich nicht rechtmäßig aufhalten dürfen;
F. in der Erwägung, dass zwar in den kenianischen Rechtsvorschriften einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden, dass Kenia jedoch das einzige Land in der Region ist, in dem Flüchtlinge aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität aufgenommen werden; in der Erwägung, dass etwa 300 der im Flüchtlingslager Kakuma registrierten Flüchtlinge und Asylsuchenden der LGBTIQ+-Gemeinschaft angehören, wobei die meisten von ihnen dem UNHCR zufolge berichtet haben, dass sie in der Gemeinschaft im Lager Kakuma in Frieden leben können;
G. in der Erwägung, dass es sich der weltweiten Überprüfung der Internationalen Vereinigung der Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (ILGA) von 2020 zufolge bei fast der Hälfte der Länder, in denen Homosexualität rechtswidrig ist, um Länder in Afrika handelt; in der Erwägung, dass Homosexualität in lediglich 22 der 54 afrikanischen Nationen legal ist;
H. in der Erwägung, dass die in vielen afrikanischen Staaten geltenden LGBTIQ+-feindlichen Rechtsvorschriften auf die Kolonialzeit zurückgehen;
I. in der Erwägung, dass einige Flüchtlinge, die der LGBTIQ+-Gemeinschaft angehören, im März 2020 das UNHCR aufgrund der in Kenia herrschenden Feindseligkeiten ihnen gegenüber darum ersucht haben, in ein anderes Land umgesiedelt zu werden; in der Erwägung, dass in den vergangenen Monaten über 30 LGBTIQ+-Personen aufgrund der von ihnen vorgebrachten Sicherheitsbedenken und nach einer sorgfältigen Bewertung der Gegebenheiten vor Ort durch das UNHCR aus dem Abschnitt 3 des Lagers Kakuma in andere Bereiche umgesiedelt wurden; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seinem Mandat für den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Neuansiedlungsrahmens der Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 516/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates gefordert hat, dass im Laufe der Zeit Anstrengungen unternommen werden, damit die umgesiedelten Personen gerecht auf die Mitgliedstaaten verteilt werden, und dass diese Anstrengungen – wie vom UNHCR angegeben – mit Maßnahmen einhergehen sollten, mit denen verbindliche internationale Regeln im Hinblick auf die gemeinsame weltweite Verantwortung zur Umsiedlung von Personen, die eine Umsiedlung benötigen, festgelegt werden;
J. in der Erwägung, dass die kenianische Regierung und Human Rights Watch im November 2020 bestätigt haben, dass die Zahl der Angriffe auf LGBTIQ+-Personen während der COVID-19-Pandemie exponentiell gestiegen ist, wobei auch die Gewalt im Allgemeinen zugenommen hatte;
K. in der Erwägung, dass nach wie vor bei Weitem nicht alle LGBTIQ+-Personen, die umgesiedelt werden müssten, die kenianischen Flüchtlingslager im Zuge einer Umsiedlung verlassen können; in der Erwägung, dass das Verfahren durch die COVID-19-Pandemie verlangsamt wurde; in der Erwägung, dass dem UNHCR zufolge seit 2019 etwa 235 Flüchtlinge mit diesem Profil für eine Umsiedlung vorgeschlagen wurden, von denen 48 % das Land verlassen haben;
L. in der Erwägung, dass ungeachtet des Umstands, dass das UNHCR und seine Partner entsprechende Einrichtungen vorbereitet hatten, um auf die Pandemie zu reagieren, 65 % der in Lagern lebenden Flüchtlinge angaben, seit dem Ausbruch der Pandemie weniger Zugang zu Gesundheitseinrichtungen zu haben als vor dem Ausbruch im März 2020, was hauptsächlich auf die Angst vor Ansteckung und den akuten Mangel an medizinischem Personal zurückzuführen ist; in der Erwägung, dass lediglich 3 % der kenianischen Bevölkerung vollständig gegen COVID-19 geimpft sind; in der Erwägung, dass die Impfkampagne in kenianischen Flüchtlingslagern am 30. März 2021 anlief, wobei 2 000 Dosen an das Lager Kakuma vergeben wurden;
M. in der Erwägung, dass die kenianische Regierung in den letzten Jahrzehnten mehrfach Versuche unternommen hat, das Lager zu schließen; in der Erwägung, dass der kenianische Innenminister dem UNHCR am 24. März 2021 ein 14-tägiges Ultimatum für die Ausarbeitung eines Plans für die Schließung der Lager Dadaab und Kakuma stellte; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof Kenias die Schließung am 8. April 2021 vorübergehend um 30 Tage aufschob; in der Erwägung, dass sich das UNHCR und die kenianische Regierung am 29. April 2021 auf einen Fahrplan für eine spätere Schließung der Lager Kakuma und Dadaab bis zum 30. Juni 2022 geeinigt haben; in der Erwägung, dass der Fahrplan unter anderem die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer in Sicherheit und Würde, die Ausreise in Drittländer im Rahmen verschiedener Regelungen und alternative Aufenthaltsmöglichkeiten in Kenia für bestimmte Flüchtlinge aus Ländern der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) vorsieht;
N. in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen zwar die Bedenken der Regierung nachvollziehen und sich bewusst sind, dass Flüchtlingslager keine langfristigen Lösungen für Vertreibung sein sollten, dass internationale Organisationen und Menschenrechtsorganisationen jedoch gewarnt haben, dass eine abrupte und ungeordnete Schließung zu einer humanitären Katastrophe führen würde und dass Zwangsrückführungen gegen das Völkerrecht verstoßen würden; in der Erwägung, dass die Flüchtlinge im Lager Kakuma im Allgemeinen in Angst davor leben, abgeschoben zu werden;
O. in der Erwägung, dass das Horn von Afrika trotz seiner schier unermesslichen natürlichen Ressourcen eine der ärmsten Regionen der Welt ist; in der Erwägung, dass die Ernährungssicherheit äußerst problematisch ist und dass Millionen von Menschen, die in dieser Region leben, unter Unterernährung leiden und von Hunger bedroht sind; in der Erwägung, dass Dürren und bewaffnete Konflikte die beiden Hauptgründe dafür sind, dass Menschen in der Region, auch in Kenia, vertrieben werden, was im globalen Aktionsplan von Nairobi, der auf dem Gipfeltreffen der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung (IGAD) am 26. März 2017 angenommen wurde, hervorgehoben wird; in der Erwägung, dass eine freiwillige Rückkehr für die meisten Flüchtlinge im Lager Kakuma angesichts von Konflikten wie dem in Somalia und Äthiopien sowie der Gewalt vor und nach den Wahlen in Uganda und Tansania aus Gründen der Sicherheit und Würde nicht zu rechtfertigen ist; in der Erwägung, dass Kenia seit Ende 2019 von einer Kombination beispielloser Bedrohungen betroffen ist und zudem stark unter den Folgen des Klimawandels zu leiden hat, wobei das Land von der größten Wüstenheuschreckenplage der vergangenen 60 Jahre und während der Regenzeit von Überschwemmungen heimgesucht wurde und erheblich von den Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie betroffen ist;
P. in der Erwägung, dass der Nothilfe-Treuhandfonds der EU (EUTF) für Afrika, der am 12. November 2015 auf dem Gipfeltreffen in Valletta unterzeichnet wurde, dazu dienen soll, gegen die grundlegenden Ursachen von Destabilisierung, Vertreibung und irregulärer Migration vorzugehen, indem Krisenfestigkeit, wirtschaftliche Perspektiven, Chancengleichheit, Sicherheit und Entwicklung gefördert werden; in der Erwägung, dass die EU auf die lebenswichtigen Grundbedürfnisse von Flüchtlingen, die in kenianischen Flüchtlingslagern untergebracht sind, eingeht; in der Erwägung, dass der EU-Treuhandfonds für Afrika im Rahmen des Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit eingerichtet wurde und im Einklang mit dem vorrangigen Ziel der EU-Entwicklungspolitik stehen muss, das nach wie vor in der „Bekämpfung der Armut“ besteht;
Q. in der Erwägung, dass die EU seit 2012 humanitäre Hilfe in Höhe von mehr als 200 Mio. EUR geleistet und 286 Mio. EUR aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) für den Zeitraum 2014–2020 bereitgestellt hat, wobei der Schwerpunkt auf der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Ernährungssicherheit, der Stärkung der Resilienz und dem Institutionenaufbau sowie insbesondere der Bildung liegt; in der Erwägung, dass die Asylsuchenden in Kenia zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse vollständig auf humanitäre Hilfe angewiesen sind; in der Erwägung, dass die Umsetzung von EU-Programmen in Kenia durch das neue Finanzierungsinstrument „NDICI/Europa in der Welt“ fortgesetzt wird;
R. in der Erwägung, dass die EU im Jahr 2021 15 Mio. EUR für humanitäre Projekte in Kenia, die in erster Linie der Unterstützung von Flüchtlingen dienen, und seit 2016 im Rahmen des Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika 45 Mio. EUR für Flüchtlinge und Aufnahmegemeinschaften in Kenia bereitgestellt hat; in der Erwägung, dass die EU in den Flüchtlingslagern Kakuma und Dadaab weiterhin die Bereitstellung grundlegender lebensrettender Hilfe unterstützt, etwa im Hinblick auf Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, die Behandlung von Unterernährung, Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH), Schutz und Bildung;
1. bringt seine tiefe Besorgnis angesichts der humanitären Lage und der Berichte über anhaltende Gewalt im Lager Kakuma zum Ausdruck; verurteilt den Brandanschlag, der am 15. März 2021 im Abschnitt 3 des Flüchtlingslagers Kakuma mit einem Molotowcocktail gegen zwei LGBTIQ+-Flüchtlinge verübt wurde; ist zutiefst besorgt über die ständigen Drohungen im Flüchtlingslager Kakuma gegen Einzelpersonen, die der LGBTIQ+-Gemeinschaft angehören; weist darauf hin, dass in den vergangenen Monaten mehr als 30 Personen dringend umgesiedelt wurden;
2. fordert die kenianischen Behörden nachdrücklich auf, dieses Verbrechen weiter zu untersuchen und vollständig aufzuklären und die Verantwortlichen nach kenianischem Recht und im Hinblick auf die internationalen Menschenrechtsnormen zur Rechenschaft zu ziehen;
3. erkennt an, dass Kenia eine wichtige, konstruktive Rolle spielt, und verweist auf die schwierige Situation in der Region, die von regionalen Krisen und Konflikten geprägt ist; erkennt ferner an, dass das Flüchtlingslager Kakuma von erheblicher Bedeutung für tausende Flüchtlinge und Asylsuchende in den Grenzregionen Kenias ist, u. a. die am stärksten Gefährdeten unter ihnen, insbesondere diejenigen, die der LGBTIQ+-Gemeinschaft angehören, Menschen, die in ihren Herkunftsländern kriminalisiert werden oder denen sogar die Todesstrafe droht;
4. begrüßt die Zusammenarbeit, die das kenianische Sekretariat für Flüchtlingsfragen (RAS), das UNHCR und andere Partner im Laufe der Jahre geleistet haben, wenn es um den Schutz aller Flüchtlinge ging; betont jedoch, dass die derzeitige Lage im Lager Kakuma langfristig untragbar ist und eine wirksame, koordinierte Reaktion der kenianischen Regierung, der Regierungen in der Region und der internationalen Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit, einschließlich der EU, erfordert; nimmt zur Kenntnis, dass in diesem Zusammenhang kürzlich der Fahrplan für die Flüchtlingslager Dadaab und Kakuma angenommen wurde;
5. fordert die kenianische Regierung auf, die Flüchtlingslager Kakuma und Dadaab zumindest so lange aufrechtzuerhalten, bis sich die Lage in der Region stabilisiert hat; fordert die kenianische Regierung nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschenrechte der Flüchtlinge geachtet werden, wenn Entscheidungen getroffen werden, die sie betreffen; betont, dass finanzielle Unterstützung der EU für Drittstaaten im Bereich der Aufnahme von Flüchtlingen kein Ersatz für die Verantwortung sein sollte, die die EU trägt, wenn es um die Aufnahme und Neuansiedlung eines angemessenen Anteils der Menschen geht, die internationalen Schutz benötigen;
6. fordert die kenianische Regierung, das UNHCR und die internationale Gemeinschaft auf, sich zu verpflichten, zusammenzuarbeiten und alternative, dauerhafte, angemessene und auf Rechten beruhende Lösungen zu erarbeiten, die den Grundsätzen der gemeinsamen Verantwortung sowie den Zielen des Globalen Pakts für Flüchtlinge entsprechen; empfiehlt, dass dies die Umsiedlung einer erheblichen Zahl an Flüchtlingen, die internationalen Schutz benötigen, in der EU umfassen sollte, damit die Maßnahmen Wirkung entfalten;
7. betont, dass es eines stärker integrierten und umfassenderen regionalen Konzepts für den Umgang mit Flüchtlingen bedarf und dass Kenia und seine Nachbarländer in Angelegenheiten, die die Politik, Sicherheit, humanitäre Fragen und Entwicklung betreffen, stärker zusammenarbeiten müssen, damit gegen die eigentlichen Ursachen von Vertreibung vorgegangen wird; fordert ein angemessenes Maß an Sicherheit in Flüchtlingslagern und legt der kenianischen Regierung nachdrücklich nahe, die Sicherheit im Lager Kakuma und den Schutz der Flüchtlinge, insbesondere der am stärksten gefährdeten Gruppen, zu verstärken; fordert die Strafverfolgungsbehörden und die übrigen staatlichen Stellen in Kenia auf, dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge geschützt und sicher sind;
8. fordert die kenianische Regierung und das UNHCR auf, dafür Sorge zu tragen, dass das Rückführungsprogramm uneingeschränkt im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen und Kenias innerstaatlicher Verantwortung umgesetzt wird; beharrt darauf, dass etwaige Rückführungen ins Herkunftsland freiwillig, sicher, nachhaltig und unter menschenwürdigen Bedingungen erfolgen und auf Rechten beruhen müssen, wobei die Flüchtlinge Zugang zu objektiven, neutralen und sachdienlichen Informationen darüber haben, was passiert, falls sie sich nicht freiwillig melden;
9. äußert ernstzunehmende Besorgnis über die Lage am Horn von Afrika, insbesondere im Hinblick auf Armut und Ernährungsunsicherheit; fordert die Kommission auf, die humanitäre Nothilfe bereitzustellen, die benötigt wird, um das Flüchtlingsproblem und die Hungersnot in der Region zu bewältigen; fordert, dass die von der EU und den Mitgliedstaaten am Horn von Afrika bereitgestellte Hilfe vorrangig verwendet wird, um gegen Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, und gegen die Probleme im Zusammenhang mit erheblichen Ungleichheiten, Armut, chronischer Unterernährung, Zugang zu Gesundheits- und öffentlichen Diensten, insbesondere der Versorgung im Bereich der reproduktiven Gesundheit, vorzugehen und die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen;
10. fordert die EU auf, das Problem der Ernährungsunsicherheit und der unzureichenden Befriedigung grundlegender Bedürfnisse im Lager Kakuma anzugehen, einschließlich des Zugangs zu Wasser, Sanitäreinrichtungen, Gesundheits- und Stromversorgung, und zwar nicht nur über ausschließlich für Flüchtlinge bereitgestellte Unterstützung, sondern auch durch Unterstützung für nationale Entwicklungsprogramme, die nachweislich Entwicklungsfortschritte zeitigen und regelmäßig bewertet werden;
11. betont, dass die zunehmende Instabilität in der Region der sicheren Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer im Weg steht; fordert die EU auf, in Zusammenarbeit mit der internationalen Gebergemeinschaft weiterhin verstärkt als vermittelnder Partner aufzutreten und die nachhaltige und langfristige sozioökonomische Entwicklung in der Region zu fördern, damit ein förderliches und sicheres Umfeld für eine freiwillige Rückkehr und die Wiedereingliederung von Flüchtlingen geschaffen wird;
12. fordert verstärkte Maßnahmen zum Schutz von Vertriebenen, die der LGBTIQ+-Gemeinschaft angehören, und mehr Solidarität seitens der internationalen Gemeinschaft, was die globale Reaktion auf den Umsiedlungsbedarf betrifft, da dieser nach wie vor weitaus größer ist als die tatsächliche Zahl verfügbarer Plätze;
13. fordert die Kommission auf, dem Parlament regelmäßig über die Umsetzung und Planung des Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika Bericht zu erstatten, und fordert, dass die Kommission mit Unterstützung der Agentur für Grundrechte eine spezifische Folgenabschätzung zu seinen Auswirkungen auf die Menschenrechte durchführt; fordert die Kommission auf, das Ergebnis dieser Folgenabschätzungen rechtzeitig dem Europäischen Parlament vorzulegen, auch im Rahmen der Arbeitsgruppen Finanzierungsinstrumente für Außenmaßnahmen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Entwicklungsausschusses;
14. fordert die EU auf, weiterhin eng mit der kenianischen Regierung, dem UNHCR und der breiteren internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, damit Lösungen für die anhaltende Flüchtlingskrise in der Region erarbeitet werden; fordert die EU auf, die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte in Kenia zu verbessern;
15. weist darauf hin, dass in der Europäischen Union Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung als Kriterium für Asylanträge und die Gewährung von Asyl gilt; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, diesen Grundsatz zu befolgen; fordert die EU und insbesondere die EU-Delegationen und den EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte auf, in ihrem Dialog mit allen afrikanischen Nationen, die Homosexualität nach wie vor kriminalisieren, und allgemeiner in ihrem Dialog mit allen Ländern, in denen LTBTIQ+-Personen häufig verfolgt oder Opfer von Gewalt werden, den Maßnahmenkatalog für LGBTI-Personen und die entsprechenden Leitlinien tatsächlich uneingeschränkt anzuwenden;
16. fordert mit Nachdruck, dass die EU-Delegation in Kenia weiterhin die Lage gefährdeter Personen, ganz konkret von LGBTIQ+-Personen und schwarzafrikanischen Frauen, genau überwacht und zivilgesellschaftliche Organisationen, Menschenrechtsaktivisten und LGBTIQ+-Personen vor Ort aktiv unterstützt;
17. fordert die EU nachdrücklich auf, nicht in ihren Bemühungen nachzulassen, sowohl die kenianische Regierung als auch die Afrikanische Union davon zu überzeugen, ihr Vorgehen gegenüber LGBTIQ+-Personen zu überdenken, und weist darauf hin, dass ihre Haltung LGBTIQ+-Personen auf die eine oder andere Weise der Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung aussetzen kann, die gegen die gesetzlich festgeschriebenen Werte der Gleichheit und des gleichwertigen Schutzes verstößt;
18. erinnert die staatlichen Stellen Kenias an ihre Verpflichtung, das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung zu achten, wie es in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verankert ist, und an ihre Verpflichtungen im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte gemäß der Afrikanischen Charta und anderen internationalen und regionalen Instrumenten für die Menschenrechte, u. a. dem Cotonou-Abkommen und insbesondere dessen Artikeln 8 und 96; fordert die kenianische Regierung nachdrücklich auf, unter allen Umständen für die körperliche Unversehrtheit und das psychische Wohlbefinden aller Flüchtlinge zu sorgen, und zwar unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder ihrem Ausdruck der Geschlechtlichkeit;
19. fordert die internationale Gemeinschaft auf, dafür Sorge zu tragen, dass die COVID-19-Impfprogramme auch für Flüchtlinge gelten; betont, dass es für die Flüchtlinge wie auch für die Gemeinschaften, die sie aufnehmen, von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Flüchtlinge nationale Dienste in Anspruch nehmen können und in nationale Entwicklungspläne integriert werden, und dass dies im Einklang mit der Zusage in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung steht, dass niemand zurückgelassen wird;
20. bekräftigt, dass eine Entwicklung der Region ohne eine Verbesserung der Sicherheitslage nicht möglich ist; betont jedoch nachdrücklich, dass Mittel für die wirtschaftliche, menschliche und soziale Entwicklung in der Region eingesetzt werden müssen, wobei besonderes Gewicht auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entwicklung gelegt werden sollte, die in dem Beschluss über den Treuhandfonds ermittelt wurden; weist darauf hin, dass Mittel aus dem EEF und der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) ausschließlich für Entwicklungsziele verwendet werden sollten;
21. betont, dass ein beträchtlicher Anteil des Instruments „NDICI/Europa in der Welt“ an zivilgesellschaftliche Organisationen in Drittstaaten wie Kenia fließen sollte, damit Unterstützung bereitgestellt wird und die Rechte von Migranten geschützt und überwacht werden; fordert die EU auf, dafür Sorge zu tragen, dass ein erheblicher Teil der Programmplanung über dieses Instrument für die Verbesserung der Menschenrechte und des internationalen Schutzes für Flüchtlinge, gerade in Kenia, vorgesehen ist;
22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, dem Präsidenten des kenianischen Parlaments, der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung (IGAD), den Regierungen der Mitgliedstaaten der IGAD, der Afrikanischen Union, dem Panafrikanischen Parlament und der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zu übermitteln.
Umsetzung der EU-Anforderungen für den Austausch von Steuerinformationen
205k
63k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zur Umsetzung der EU-Anforderungen für den Austausch von Steuerinformationen: Fortschritte, Erkenntnisse und zu überwindende Hindernisse (2020/2046(INI))
– unter Hinweis auf die Artikel 4 und 14 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– unter Hinweis auf Artikel 113 und 115 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG(1) (im Folgenden „DAC“),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1286/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Festlegung eines Aktionsprogramms zur Verbesserung der Funktionsweise der Steuersysteme in der Europäischen Union für den Zeitraum 2014-2020 (Fiscalis 2020) und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1482/2007/EG(2),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2014/107/EU des Rates vom 9. Dezember 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung(3),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2015/2376 des Rates vom 8. Dezember 2015 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung(4),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2016/881 des Rates vom 25. Mai 2016 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung(5),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2016/2258 des Rates vom 6. Dezember 2016 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des Zugangs von Steuerbehörden zu Informationen zur Bekämpfung der Geldwäsche(6),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen(7),
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 15. Juli 2020 für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (DAC7) (COM(2020)0314),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 2. Juni 2020 zur Zukunft der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung in der EU,
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 10. März 2021 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung(8),
– unter Hinweis auf die Folgenabschätzung der Kommission in der Anfangsphase vom 23. November 2020 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU im Hinblick auf Maßnahmen zur Stärkung der bestehenden Vorschriften und zur Erweiterung des Rahmens für den Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung auf Kryptowerte und E-Geld,
– unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 18. Dezember 2017 über die Anwendung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (COM(2017)0781),
– unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 17. Dezember 2018 mit dem Titel „Überblick über und Bewertung der Statistiken und Informationen betreffend den automatischen Austausch im Bereich der direkten Steuern“ (COM(2018)0844),
– unter Hinweis auf die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 12. September 2019 zur Bewertung der Richtlinie 2011/16/EU des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (SWD(2019)0327),
– unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr. 03/2021 des Europäischen Rechnungshofs mit dem Titel „Austausch von Steuerinformationen in der EU: solide Grundlage, bei der Umsetzung hapert es jedoch“,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. März 2019 zu Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung(9),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 7. Mai 2020 zu einem Aktionsplan für eine umfassende Politik der Union zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (C(2020)2800),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 15. Juli 2020 mit dem Titel „Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie“ (COM(2020)0312),
– unter Hinweis auf die von seiner Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst veröffentlichte Studie mit dem Titel „Implementation of the EU requirements for tax information exchange“(10),
– unter Hinweis auf den Aktionsplan der OECD zu Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) vom 19. Juli 2013,
– unter Hinweis auf den Bericht der OECD vom 9. Dezember 2020 mit dem Titel „Peer Review of the Automatic Exchange of Financial Account Information 2020“,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 18. September 2020 zum Thema „Wirksame und koordinierte Maßnahmen der EU zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuervermeidung, Geldwäsche und Steueroasen“(11),
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e und Anlage 3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12. Dezember 2002 zum Verfahren für die Genehmigung zur Ausarbeitung von Initiativberichten,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9-0193/2021),
A. in der Erwägung, dass die EU mit unfairen oder aggressiven Steuerpraktiken konfrontiert ist, wie etwa der Tatsache, dass den Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund von Steuerhinterziehung und Gewinnverlagerung durch multinationale Unternehmen jährlich zwischen 160 und 190 Mrd. EUR(12) entgehen; in der Erwägung, dass das Ausmaß dieses Verlusts angesichts der Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftskrise, mit der die Union derzeit konfrontiert ist und zu kämpfen hat, beträchtlich ist; in der Erwägung, dass die Steuerzahler in der EU im Jahr 2016 1,5 Billionen EUR offshore hielten, was zu einem durchschnittlichen Verlust an Steuereinnahmen in Höhe von 46 Mrd. EUR in der EU infolge von Steuerhinterziehung durch Einzelpersonen führte(13); in der Erwägung, dass diese Beträge nur ein Teil des allgemeinen Problems der Steuervermeidung durch Einzelpersonen und Unternehmen sind und dass dieser Wert den nationalen Haushalten unrechtmäßig vorenthalten wird und daher eine zusätzliche Belastung für die Steuerzahler darstellt, die die Vorschriften einhalten;
B. in der Erwägung, dass sich die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden im Hinblick auf eine wirksamere Eindämmung von Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerbetrug in den letzten Jahren sowohl auf EU-Ebene als auch weltweit erheblich verbessert hat, insbesondere aufgrund des 2014 angenommenen Gemeinsamen Meldestandards der G20 und der OECD;
C. in der Erwägung, dass wiederholte Enthüllungen durch investigative Journalisten wie LuxLeaks, Panama Papers, Paradise Papers, die Cum-Ex-/Cum-Cum-Skandale und zuletzt OpenLux zu einer stärkeren Sensibilisierung geführt haben und die EU veranlasst haben, ihr Instrumentarium zur Bekämpfung von Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug weiterzuentwickeln; in der Erwägung, dass die OpenLux-Enthüllungen gezeigt haben, dass der Austausch von Steuerinformationen qualitativ hochwertiger sein und Ergebnisse liefern muss;
D. in der Erwägung, dass in der DAC, die im Januar 2013 in Kraft trat und die Richtlinie 77/799/EWG des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern ersetzte, die Regeln und Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beim Informationsaustausch zwischen den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten, insbesondere für den automatischen Austausch von Informationen über Einkommen und Vermögenswerte, festgelegt sind;
E. in der Erwägung, dass die DAC anschließend fünfmal geändert wurde, um den Anwendungsbereich des automatischen Informationsaustauschs schrittweise auf Informationen über Finanzkonten und damit verbundene Einkünfte (DAC2), Steuervorbescheide mit grenzübergreifender Wirkung (ACBR) und Vorabvereinbarungen (APA) (DAC3) sowie länderbezogene Berichte (CbCR), die von multinationalen Unternehmen eingereicht wurden (DAC4), auszuweiten, Steuerbehörden Zugang zu Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer zu gewähren, die im Rahmen der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche (AML) erhoben wurden (DAC5), und schließlich den Anwendungsbereich des automatischen Informationsaustauschs auf grenzübergreifende Steuerplanungsmodelle auszuweiten und verbindliche Offenlegungsregelungen für Finanzintermediäre einzuführen (DAC6);
F. in der Erwägung, dass die Bestimmungen für den automatischen Informationsaustausch im Rahmen der DAC1 bis DAC4 zwischen Januar 2015 und Juni 2017 in Kraft getreten sind und ihre ersten Auswirkungen bewertet werden können, während es noch zu früh ist, die Auswirkungen der Bestimmungen der DAC5 und der DAC6 zu bewerten, die erst im Januar 2018 bzw. Juli 2020 in Kraft getreten sind;
G. in der Erwägung, dass die Kommission im Juli 2020 eine weitere Änderung vorgeschlagen hat, um den Anwendungsbereich des automatischen Informationsaustauschs unter anderem auf über digitale Plattformen erzielte Erträge auszuweiten (DAC7), und eine weitere Änderung angekündigt hat, um den Zugang zu Informationen über Kryptoanlagen zu ermöglichen (DAC8); in der Erwägung, dass eine solche Überarbeitung eine Gelegenheit sein könnte, den Rahmen für den Informationsaustausch insgesamt zu verbessern;
H. in der Erwägung, dass der Rat seine Verhandlungen über mehrere Überarbeitungen der DAC, darunter der aktuelle DAC7-Vorschlag, abgeschlossen hat, ohne den Standpunkt des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen, wobei er entgegen den Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit und der Rolle des Europäischen Parlaments in einem Konsultationsprozess gemäß Artikel 115 AEUV gehandelt hat;
I. in der Erwägung, dass aufgrund der Schwierigkeiten des Rates bezüglich der Einigung über die von der Kommission vorgeschlagenen Verbesserungen keine ausreichenden Lösungen für globale Steuerfragen gefunden wurden;
J. in der Erwägung, dass nach wie vor einige Unstimmigkeiten zwischen den internationalen und europäischen Standards bestehen, insbesondere in Bezug auf die Frist für die Übermittlung von Steuerinformationen; in der Erwägung, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten aggregierte CbCR-Informationen im Rahmen von Maßnahme 13 des BEPS-Aktionsplans veröffentlicht;
K. in der Erwägung, dass die Union Abkommen mit Drittländern wie Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und der Schweiz unterzeichnet hat, um sicherzustellen, dass den Mitgliedstaaten der DAC2 gleichwertige Informationen übermittelt werden; in der Erwägung, dass spätere Fassungen der DAC nicht Gegenstand ähnlicher Abkommen waren;
L. in der Erwägung, dass nur sehr begrenzte Informationen über die Umsetzung der DAC1 bis DAC4 öffentlich verfügbar sind, wobei es kaum quantitative Informationen über den Austausch von Informationen über länderbezogene Berichterstattung im Rahmen der DAC4 gibt und quantitative Informationen über die Umsetzung des DAC auf Ebene der Mitgliedstaaten rar sind;
M. in der Erwägung, dass das Parlament den Grundsatz der nationalen Steuerhoheit uneingeschränkt achtet;
N. in der Erwägung, dass die verfügbaren Informationen zeigen, dass der Informationsaustausch im Rahmen der DAC1- und DAC2-Bestimmungen für den automatischen Informationsaustausch seit dem Inkrafttreten erheblich zugenommen hat und dass die Mitgliedstaaten zwischen 2015 und Mitte 2017 im Rahmen der DAC1-Bestimmungen etwa 11 000 Nachrichten, die sich auf fast 16 Millionen Steuerzahler und auf Einnahmen und/oder Vermögenswerte im Wert von über 120 Mrd. EUR bezogen, und seit 2018 im Rahmen der DAC2 etwa 4 000 Nachrichten über rund 8,3 Millionen Konten mit einem Gesamtwert von fast 2,9 Billionen EUR ausgetauscht haben;
O. in der Erwägung, dass die Bestimmungen über den automatischen Informationsaustausch im Rahmen der DAC3 zu einem erheblichen Anstieg der gemeldeten ACBR und APA im Vergleich zum vorherigen Zeitraum geführt haben, als sie nur selten und spontan geteilt wurden, obwohl eine rechtsverbindliche Anforderung zur Weitergabe vieler ACBR und APA seit 1977 besteht, zumal 2017 17 652 ACBR/APA gemeldet wurden gegenüber nur 2 529 im Jahr 2016, 113 im Jahr 2015 und 11 im Jahr 2014; in der Erwägung, dass der Erfolg nicht allein an dem Anstieg der gemeldeten Steuervorbescheide mit grenzübergreifender Wirkung (ACBR) und Vorabvereinbarungen (APA) gemessen werden kann, wie dies in den „LuxLetters“-Enthüllungen deutlich geworden ist;
P. in der Erwägung, dass es in der Verantwortung des Parlaments – gemeinsam mit dem Rat – liegt, eine politische Kontrolle über die Kommission, einschließlich ihrer Durchsetzungs- und Umsetzungspolitik, auszuüben, wie in Artikel 14 EUV festgelegt ist, und in der Erwägung, dass dies einen angemessenen Zugang zu einschlägigen Informationen erfordert; in der Erwägung, dass die Kommission gemäß Artikel 17 Absatz 8 EUV gegenüber dem Europäischen Parlament verantwortlich sein muss;
Q. in der Erwägung, dass die Kommission insgesamt 73 Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, hauptsächlich in Verbindung mit Verzögerungen bei der Umsetzung der DAC durch die Mitgliedstaaten, und dass mit Stand Januar 2021 noch zwei Vertragsverletzungsverfahren anhängig sind; in der Erwägung, dass die verzögerte oder unzureichende Umsetzung der DAC durch die Mitgliedstaaten mehrere Vertragsverletzungsverfahren rechtfertigte und dass dies der Grund für den Standpunkt des Parlaments bezüglich einer strikten Kontrolle der Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften im Steuerbereich und insbesondere der Bestimmungen der DAC durch die Kommission ist;
R. in der Erwägung, dass die OECD im Jahr 2014 mit ihrem Gemeinsamen Meldestandard (CRS) einen globalen Standard für den automatischen Informationsaustausch geschaffen hat und sich mehr als 100 Länder weltweit verpflichtet haben, den automatischen Informationsaustausch für Finanzkonten ab 2021 anzuwenden;
S. in der Erwägung, dass das Parlament anerkennt, dass es keine Gesetzgebungsbefugnis im Bereich der direkten Steuern und nur eine begrenzte Gesetzgebungsbefugnis im Bereich der indirekten Steuern hat;
T. in der Erwägung, dass parallel zum DAC-Rahmen den Kapazitäten und der Bereitschaft der Steuerverwaltungen, die Einhaltung der Vorschriften zu erleichtern, die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte und dass der Rahmen den Interessen der Steuerzahler dienen sollte;
U. in der Erwägung, dass die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung ein Instrument sein muss, um die koordinierte Arbeit der nationalen Steuerverwaltungen zu verbessern, wobei jedoch folgende Aspekte berücksichtigt werden müssen: i) Aufstockung der Ressourcen der Steuerverwaltungen (in den Bereichen Personal, Finanzen und Infrastruktur – hauptsächlich digitale Infrastruktur); ii) Schutz der Rechte der Steuerzahler wie Datenschutz; iii) Schutz von Berufs- und Betriebsgeheimnissen, mit hohen Cybersicherheitsstandards beim Informationsaustausch; iv) Verringerung des Verwaltungsaufwands und der Bürokratie für Steuerzahler und Unternehmen; v) Förderung höherer Leistungsstandards für die Steuerverwaltungen mit strengeren Fristen für die Einhaltung der europäischen Vorschriften; und vi) Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen mit einfacheren und schnelleren Möglichkeiten, die Einhaltung der Verwaltungsanforderungen sicherzustellen;
V. in der Erwägung, dass die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise enorme fiskal- und haushaltspolitische Anstrengungen der Regierungen erforderlich gemacht hat, auch in Form von Beihilfen für Unternehmen; in der Erwägung, dass die Begünstigten einer solchen Unterstützung ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden müssen, etwa durch eine angemessene Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden, um einen umfassenden Austausch von Steuerinformationen sicherzustellen;
W. in der Erwägung, dass die Wirksamkeit des Austauschs von Steuerinformationen weniger von der Menge der ausgetauschten Daten als vielmehr von deren Qualität abhängt; in der Erwägung, dass die Qualität und Vollständigkeit der Daten daher von wesentlicher Bedeutung sind, um den größtmöglichen Nutzen aus dem DAC-Rahmen zu ziehen; in der Erwägung, dass der Mangel an öffentlich zugänglichen Informationen über die quantitativen Daten des Informationsaustauschs im Rahmen der DAC1 bis DAC4 die demokratische Kontrolle der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments erheblich erschwert;
X. in der Erwägung, dass die zunehmend digitalisierte und globalisierte Wirtschaft komplexe und herausfordernde Aspekte umfasst, beispielsweise digitale Anlagen und Kryptoanlagen, dass es allerdings wichtig ist, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Steuerverwaltungen in diesem Bereich zu verstärken; in der Erwägung, dass eine klare Definition von Kryptoanlagen im Einklang mit den laufenden Arbeiten innerhalb der OECD und der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung” (FATF) wichtig wäre, um den Kampf gegen Steuerhinterziehung zu verstärken und eine faire Besteuerung zu fördern; in der Erwägung, dass die Verbreitung von Kryptowährungen ein aktuelles Thema ist und bei allen Bemühungen um eine verstärkte Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf der Grundlage der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden sollte;
Y. in der Erwägung, dass die Steuerpolitik im Mittelpunkt der nationalen Fiskal- und Steuerhoheit steht und nationale Zuständigkeiten repräsentiert; in der Erwägung, dass alle wichtigen Entscheidungen auf europäischer Ebene auf der strikten Achtung der zwischenstaatlichen Logik beruhen müssen, die diesen Bereich der europäischen Integration regelt; in der Erwägung, dass wichtige Entscheidungen über eine weitere Integration in diesem Bereich stets unter Achtung der Verträge, der nationalen Zuständigkeiten und der nationalen Fiskal- und Steuerhoheit getroffen werden müssen; in der Erwägung, dass das Parlament dem Ziel zustimmt, innovative Lösungen in Steuerangelegenheiten zu finden, wobei der institutionelle Rahmen, den wir beibehalten wollen, berücksichtigt wird;
Z. in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung ein Instrument sein muss, um die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung durch Einzelpersonen und Unternehmen durch verbesserte Kommunikationskanäle und wirksame Verfahren für den Austausch von Informationen zu verbessern;
AA. in der Erwägung, dass die aufeinanderfolgenden Überarbeitungen der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung zeigen, dass dies ein Aspekt von andauerndem Interesse für die Mitgliedstaaten und die politischen Entscheidungsträger in Europa ist, dass sich die europäischen Instrumente allmählich und schrittweise zu einer Logik einer engeren Zusammenarbeit hin entwickeln und dass sich die Bürger des Mehrwerts europäischer Lösungen bei der Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit der Besteuerung, vor allem bei der Bekämpfung von Steuerumgehung, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, bewusst sind;
AB. in der Erwägung, dass der Austausch von Informationen über Einkommen und Veräußerungsgewinne von Einzelpersonen, insbesondere in Bezug auf Immobilien, durch die Nutzung von Mantelgesellschaften untergraben wird;
AC. in der Erwägung, dass im derzeitigen Rechtsrahmen nicht automatisch ein Austausch über die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmensanteilen stattfindet;
AD. in der Erwägung, dass Family Offices häufig grenzüberschreitend große Vermögenswerte halten, entweder durch das direkte Eigentum an Unternehmen oder durch eng gehaltene Investmentgesellschaften(14); in der Erwägung, dass solche Finanzinstitute Interessenkonflikten unterliegen können, was zu der unzuverlässigen Meldung von Steuerinformationen beiträgt; in der Erwägung, dass nicht realisierte Veräußerungsgewinne auf Vermögenswerte, die von Einzelpersonen in gering besteuerten Unternehmen im Ausland gehalten werden, von den nationalen Steuersystemen kaum überhaupt erfasst werden; in der Erwägung, dass beide Faktoren vermögenden Personen die Anhäufung von Vermögen auf der Grundlage eines niedrig besteuerten Einkommens ermöglicht, während die Mittelschicht Vermögen nur auf der Grundlage vollständig besteuerter Einkünfte aufbauen kann;
AE. in der Erwägung, dass ein ordnungsgemäß funktionierender und wirksamer Rahmen für den Austausch von Informationen den Druck auf die Haushalte in allen Mitgliedstaaten mildern kann;
Abdeckung und Berichterstattungsanforderungen
1. begrüßt, dass sich die EU-Organe den Informationsaustausch kontinuierlich verbessern und seinen Umfang erweitern, und so Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung einzudämmen, einschließlich des jüngsten Vorschlags zur DAC7 sowie der Pläne für die DAC8; stellt jedoch fest, dass der Anwendungsbereich des DAC-Rahmens zwar stetig erweitert wurde, dass aber zu wenig Aufmerksamkeit darauf gerichtet wurde, im gleichen Maße auch die Qualität und Vollständigkeit der Daten zu verbessern;
2. hebt hervor, dass sich der Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden sowohl auf globaler als auch auf EU-Ebene erheblich verbessert hat; weist darauf hin, dass DAC2, DAC3, DAC4, DAC6 und DAC7 in direktem Zusammenhang mit der Arbeit auf OECD-Ebene stehen; ist der Auffassung, dass die auf globaler Ebene vereinbarten Maßnahmen einen Mindeststandard für die EU darstellen;
3. stellt jedoch fest, dass eine bessere Umsetzung und Anwendung der Vorschriften durch die Steuerbehörden erforderlich sind, um das Risiko der unterlassenen Meldung von Einkünften zu minimieren, und fordert daher die Kommission auf, für eine bessere Durchsetzung der Vorschriften zu sorgen; stellt jedoch fest, dass einige Arten von Einkünften und Vermögenswerten nach wie vor vom Anwendungsbereich ausgenommen sind, was die Gefahr birgt, dass steuerliche Verpflichtungen umgangen werden; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob die folgenden Informationen über Eigentumsverhältnisse, Einkommen und nichtfinanzielle Vermögenswerte in den automatischen Informationsaustausch aufgenommen werden müssen und wie das am besten geschehen kann, sowie entsprechende konkrete Vorschläge zu unterbreiten: a) die wirtschaftlichen Eigentümer von Immobilien und Gesellschaften; b) Veräußerungsgewinne im Zusammenhang mit Immobilien und Kapitalerträge im Zusammenhang mit Finanzanlagen (einschließlich Fremdwährungshandel), insbesondere um Möglichkeiten zu finden, wie die Steuerbehörden besser informiert werden können, sodass sie die realisierten Wertzuwächse ermitteln können; c) Dividendeneinkünfte von Unternehmen, deren Anteile nicht in einem Bankdepotkonto verwahrt werden; (d) nichtfinanzielle Vermögenswerte wie Bargeld, Kunst, Gold oder andere Wertsachen, die sich in Freihäfen, Zolllagern oder Tresorfächern befinden; e) Eigentum an Jachten und Privatjets; und f) Konten bei größeren Peer-to-Peer-Kreditplattformen, Crowdfunding- und ähnlichen Plattformen;
4. stellt fest, dass die Wirksamkeit der DAC1 dadurch stark eingeschränkt wird, dass die Mitgliedstaaten nur verpflichtet sind, mindestens zwei Einkommenskategorien zu melden; nimmt die vor kurzem vorgenommene Änderung zur Kenntnis, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle verfügbaren Informationen zu mindestens vier Einkommenskategorien in Bezug auf Besteuerungszeiträume ab 2024 auszutauschen; fordert die Kommission auf, die Berichterstattung über alle in den Anwendungsbereich fallenden Einkommens- und Vermögenskategorien nach einer Folgenabschätzung verbindlich vorzuschreiben; fordert die Mitgliedstaaten auf, wirksame und zugängliche Register für die Zwecke des Informationsaustausches zu entwickeln; stellt fest, dass solche Bestrebungen auch der inländischen Steuererhebung zugutekommen werden;
5. nimmt die Herausforderung bei der Erfassung von Informationen über E-Geld bzw. Kryptowerte und die Schwierigkeit zur Kenntnis, sie in den automatischen Informationsaustausch einzubeziehen lassen, weil sie von Vermittlern unabhängig sind; fordert die Schaffung eines umfassenden Rahmens, um Informationen über E-Geld und Kryptowerte einzuholen;
6. stellt fest, dass die Definition von meldenden Finanzinstituten (FI) und Arten von Konten, die gemäß der DAC2 gemeldet werden müssen, die Gefahr von Umgehung und erhöhtem Verwaltungsaufwand birgt; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob man die Berichtspflichten auf andere relevante Arten von FI ausweiten und gegebenenfalls einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten muss, ohne dadurch den bürokratischen Aufwand zu erhöhen, und gleichzeitig die Einstufung von eng gehaltenen verwalteten Investmentunternehmen als FI zu überdenken, die Definition ausgeschlossener Konten zu überprüfen und die Schwellenwerte für bereits bestehende Konten von Rechtsträgern zu streichen; weist darauf hin, dass mit Hilfe entsprechender IT-Systeme eine Praxis ohne Ausnahmen und ohne Schwellenwerte zu weniger Bürokratie beitragen kann; fordert die Kommission auf, die Verpflichtung zu prüfen, dass FI in Fällen, in denen keine Informationen zu melden sind, Nullmeldungen abgegeben werden, mit dem Ziel, den bürokratischen Aufwand zu verringern;
7. stellt fest, dass die DAC3 bestimmte „tote Winkel“ enthält und ungewollte negative Auswirkungen haben könnte, etwa dass Steuerverwaltungen Steuervorbescheide mit grenzübergreifender Wirkung nicht auszutauschen, wenn diese zu vorteilhaft sind, oder dass Steuerverwaltungen auf informelle Vereinbarungen zurückgreifen, um einen Austausch zu vermeiden, wie die Praxis der Schattensteuerbescheide in Form von „Informationsschreiben" in Luxemburg gezeigt hat; bedauert, dass vermögende Privatpersonen bevorzugt behandelt werden; fordert daher, dass der Anwendungsbereich des Informationsaustauschs gemäß der DAC3 auf informelle Vereinbarungen, nicht im Voraus erfolgte Vereinbarungen (z. B. Vereinbarungen nach der Transaktion oder nach Abgabe der Meldungen), Vorabvereinbarungen über die Verrechnungspreisgestaltung und Steuervorbescheide mit grenzübergreifender Wirkung, natürliche Personen und Vorbescheide, die noch gültig sind, aber vor 2012 erlassen, geändert oder erneuert wurden, ausgeweitet wird; bedauert, dass entsprechende frühere Forderungen des Europäischen Parlaments bisher ignoriert wurden; bedauert, dass DAC3-Einträge von den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten noch nicht in großem Umfang genutzt werden; rät, dass Steuerverwaltungen, in denen ein Unternehmen steuerlich präsent ist, das von einem in den Anwendungsbereich von DAC3 fallenden Steuervorbescheid profitiert, eine spezielle Mitteilung übermittelt werden sollte;
8. bedauert, dass bilaterale und multilaterale Vorabvereinbarungen über die Verrechnungspreisgestaltung (APA) von dem Informationsaustausch im Rahmen von DAC3 ausgeschlossen sind, wenn ein entsprechendes internationales Steuerabkommen ihre Offenlegung nicht zulässt; fordert die Mitgliedstaaten auf, bestehende internationale Steuerabkommen, die die Offenlegung von APA nicht zulassen, erneut zu verhandeln und derartige internationale Steuerabkommen in Zukunft abzulehnen;
9. bedauert, dass die zusammenfassenden Informationen im zentralen Verzeichnis zu Steuervorbescheiden mit grenzübergreifender Wirkung und Vorabvereinbarungen über die Verrechnungspreisgestaltung oft so kurz sind, dass sie nur mit Hilfe zusätzlich angeforderter Informationen verwendet werden können; fordert die Kommission auf, Leitlinien dafür zu entwickeln, was die Steuerverwaltungen als Zusammenfassung – mit allen relevanten direkten und indirekten steuerlichen Auswirkungen wie die effektiven Steuersätze – bereitstellen sollten;
10. missbilligt die Praxis der Schattensteuervorbescheide in Luxemburg, wie sie in den „LuxLetters“-Enthüllungen aufgedeckt wurde, die dazu führt, dass informelle Vereinbarungen nicht, wie gemäß der DAC3 vorgeschrieben, gemeldet werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, dringend einen möglichen Verstoß Luxemburgs und anderer Mitgliedstaaten mit ähnlichen Praktiken gegen die Anforderungen der DAC3 zu prüfen und gegebenenfalls Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten;
11. begrüßt, dass eine große Anzahl von Ländern, darunter viele Mitgliedstaaten, anonymisierte und aggregierte Informationen veröffentlichen, die, wie im Rahmen von DAC4 oder des Aktionspunkts 13 des BEPS-Aktionsplans gefordert, aus den länderspezifischen Berichten stammen; bedauert, dass eine geringe Zahl von Mitgliedstaaten diese Informationen nicht in internationalen Datenbanken veröffentlicht; fordert diesbezüglich ein harmonisiertes Vorgehen und beharrt darauf, dass die Kommission diese Forderung bei der zukünftigen Überarbeitung der DAC einbezieht;
12. empfiehlt, den Umfang der von multinationalen Unternehmen bereitgestellten Informationen, die mehrere Unternehmen in ein und demselben Rechtsraum besitzen, zu überarbeiten, um die Qualität der Informationen zu verbessern und gleichzeitig übermäßige Befolgungskosten zu vermeiden;
13. stellt fest, dass die Kohärenz der verpflichtenden Offenlegung im Rahmen der DAC6 durch die Mehrdeutigkeit der Auslegung zentraler Merkmale durch einzelne Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird; fordert daher mehr Klarheit bei der Formulierung der Prüfung des wichtigsten Nutzens ("Main benefit"-Test) für die Kennzeichen der Kategorien A und B;
14. weist darauf hin, dass die DAC-Bestimmungen für jedes Unternehmen gelten, das den Berichtspflichten unterliegt; weist jedoch darauf hin, dass im Hinblick auf Compliance erhebliche Unterschiede zwischen dem Vorgehen multinationaler Unternehmen und dem Vorgehen von KMU bestehen, was bei künftigen Überarbeitungen der DAC berücksichtigt werden muss; hat daher Verständnis dafür, dass die Kosten für Compliance, die KMU entstehen, und der Verwaltungsaufwand gesenkt werden müssen;
15. weist darauf hin, dass die europäischen Vorschriften zur Verwaltungszusammenarbeit die nationalen Vorschriften nicht ersetzen, sondern vielmehr Mindeststandards für den Informationsaustausch und kooperative Maßnahmen darstellen;
16. erkennt an, dass zur Verbesserung der Ziele der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung der Schwerpunkt nicht auf neue gesetzliche Regelungen gelegt werden sollte, sondern darauf, bestehende Lücken bei der Umsetzung und Überwachung zu schließen;
Sorgfaltspflichten und wirtschaftliches Eigentum
17. stellt fest, dass die ausgetauschten Informationen zwar umfangreich, doch von begrenzter Qualität sind; begrüßt die Empfehlungen des Europäischen Rechnungshofs (EuRH); stellt fest, dass Gemeinschaftskonten den FI gewisse Schwierigkeiten bereiten, und ist besorgt darüber, dass ungenaue oder veraltete Informationen von FI über den Steuersitz und Missbrauch durch mehrfache Steueransässigkeit dazu führen können, dass der Informationsaustausch dort, wo dies erforderlich wäre, nicht funktioniert; bedauert die Verwendung von goldenen Visa und goldenen Reisepässen, um den Informationsaustausch zu umgehen, und fordert erneut, all diese geltenden Regelungen auslaufen zu lassen; fordert die Kommission auf, ihr Vertragsverletzungsverfahren auf alle Mitgliedstaaten auszuweiten, die goldene Visa anbieten; fordert strengere Durchsetzungsverfahren auf Ebene der Mitgliedstaaten und die Einrichtung innerstaatlicher Sanktionssysteme bei unrichtigen oder unvollständigen Meldungen mit einer wirksamen abschreckenden Wirkung; fordert die Kommission auf, Vor-Ort-Besuche in den Mitgliedstaaten vorzusehen und die Wirksamkeit ihrer Überwachungsprogramme zu bewerten; fordert die Mitgliedstaaten auf, ein System für Kontrollen der Qualität und Vollständigkeit der DAC-Daten, regelmäßige Rückmeldungen zu den erhaltenen Informationen und Berichte an die Kommission über die Zweckmäßigkeit von Interventionen einzurichten, um die künftige Entscheidungsfindung zu verbessern, sowie Verfahren für die Prüfung der meldenden Verpflichteten in Bezug auf die Qualität und Vollständigkeit der übermittelten Daten; erkennt an, dass die zwischen den Mitgliedstaaten über die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung ausgetauschten Informationen und die damit verknüpfen Systeme vertraulich sind;
18. weist darauf hin, dass keine Sanktionen für FI vorgesehen sind, die entweder keine oder falsche oder unrichtige Angaben machen, und dass die Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 25a der DAC2 im Bereich der Besteuerung wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für berichtende Rechtsträger anwenden sollten; bedauert, dass die Kommission die Höhe oder die abschreckende Wirkung der Sanktionen in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht bewertet und dass die Kommission diesbezüglich keine Richtwerte zum Vergleich oder zur Orientierung vorgibt; fordert einheitlichere und wirksamere Sanktionen mit abschreckender Wirkung für Verstöße;
19. empfiehlt die Aufnahme einer Kennzeichnung, aus der ersichtlich ist, dass unterschiedliche Kontoinhaber zu einem gemeinsamen Konto gehören, damit es nicht zu Doppelmeldungen kommt und Kontosalden leichter genau festgestellt werden können; empfiehlt ferner, dass Rechtsträger den Eigentumsanteil jedes Kontoinhabers aufzeichnen und darauf hinweisen könnten, wenn ein Konto von Eigentümern aus verschiedenen Staaten gehalten wird;
20. stellt fest, dass mit DAC5 den Steuerbehörden Zugang zu Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer ermöglicht wurde, die gemäß den Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche erhoben wurden; stellt fest, dass mit der fünften Geldwäscherichtlinie (AMLD5) der Raum für Interaktion zwischen der Bekämpfung der Geldwäsche und DAC erweitert wurde und dass die AMLD5 bis zum 10. Januar 2020 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollte; stellt ferner fest, dass die Wirksamkeit der DAC daher in hohem Maße von den auf Ebene der Mitgliedstaaten geltenden Geldwäscherichtlinien abhängt; stellt fest, dass die Wirksamkeit der DAC durch die fehlerhafte Umsetzung dieser Richtlinien, die mangelnde wirksame Durchsetzung und die verbleibenden Schwachstellen im Rahmen der Maßnahmen gegen Geldwäsche beeinträchtigt wird, wie i) die Tatsache, dass die wirtschaftliche Eigentümer nicht für einzelne Konten ermittelt werden, die über aktive nichtfinanzielle Stellen (NFE) gehalten werden, ii) das Fehlen von Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer von Immobilien und Lebensversicherungsverträgen, iii) das Fehlen vernetzter nationaler Register, insbesondere Immobilienregister für wirtschaftliches Eigentum, und iv) das Fehlen gemeinsamer Definitionen für wirtschaftliche Eigentümer, die Sorgfaltspflicht und Steuervergehen;
21. bedauert den derzeitigen Stand der Umsetzung der vierten Geldwäscherichtlinie in den Mitgliedstaaten(15) und dass die Kommission im Dezember 2020 gegen acht Mitgliedstaaten und im Februar 2021 gegen drei Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat(16), stellt fest, dass die Frist für die Umsetzung dieser Bestimmungen am 27 Juni 2017 endete; bedauert ferner, dass im Zusammenhang mit der fünften Geldwäscherichtlinie(17), deren Frist für die Umsetzung am 10. Januar 2020 endete, Vertragsverletzungsverfahren gegen 16 Mitgliedstaaten eingeleitet wurden(18);
22. stellt mit Besorgnis fest, dass bei der jüngsten Bewertung der Maßnahmen der Länder zur Bekämpfung von Geldwäsche, die von der FATF durchgeführt wurde, die 18 in die Bewertung einbezogenen Mitgliedstaaten(19) in Bezug auf die wichtigsten Wirksamkeitsindikatoren nicht gut abgeschnitten haben und dass beispielsweise bei der Reihung im Hinblick auf die angemessene Anwendung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche die meisten untersuchten Mitgliedstaaten mit einem „mäßigen” oder „niedrigen” Wirksamkeitsgrad bewertet wurden und nur Spanien mit einem „erheblichen” Wirksamkeitsgrad bewertet wurde und kein Mitgliedstaat einen „hohen” Wirksamkeitsgrad erreichte(20);
23. stellt fest, dass immer komplexere Strukturen genutzt werden, um die eigentlichen wirtschaftlichen Eigentümer zu verschleiern und damit die wirksame Umsetzung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche zu vereiteln; nimmt ferner die Schwachstellen zur Kenntnis, die bei den OpenLux-Enthüllungen zutage getreten sind; ist der Ansicht, dass es keinen Schwellenwert für die Meldung der wirtschaftlichen Eigentümer geben sollte; weist darauf hin, dass unter Festlegung entsprechender Sicherheitsvorkehrungen mit Blick auf die wirtschaftlichen Eigentümer von Trusts das gleiche Maß an Transparenz herrschen sollte wie bei Unternehmen, die unter die fünfte Geldwäscherichtlinie fallen;
24. fordert die Kommission auf, zu gegebener Zeit eine Bewertung der Wechselwirkung zwischen der Bekämpfung der Geldwäsche und der DAC vorzulegen;
Rechtliche und praktische Herausforderungen
25. stellt fest, dass die Kommission die Umsetzung der DAC-Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten überwacht; weist jedoch darauf hin, dass sie bisher weder direkte und wirksame Maßnahmen ergriffen hat, um die mangelnde Qualität der zwischen den Mitgliedstaaten übermittelten Daten zu beheben, noch Besuche in den Mitgliedstaaten durchgeführt hat, noch die Wirksamkeit der Sanktionen sichergestellt hat, die von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die DAC-Bestimmungen in Bezug auf die Berichterstattung verhängt werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, ihre diesbezüglichen Tätigkeiten zu intensivieren und direkte und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die unzureichende Qualität der von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten zu beheben, ihre Leitlinien für die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der DAC-Rechtsvorschriften, zur Durchführung von Risikoanalysen und zur Verwendung der erhaltenen Steuerinformationen weiterzuentwickeln und Vertragsverletzungsverfahren einzusetzen, wobei unter anderem die Überprüfungen des Globalen Forums(21) und der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ zu nutzen sind; fordert die Kommission auf, bei den anstehenden Überprüfungen des DAC-Rahmens der Verbesserung der Datenqualität Priorität einzuräumen;
26. stellt mit Besorgnis fest, dass in der Evaluierung der Kommission für 2019 hervorgehoben wurde, dass die Mitgliedstaaten beim Informationsaustausch oft nicht über die Mindestanforderungen der DAC hinausgehen, was zu dem Cum-Ex-/Cum-Cum-Steuerbetrugsskandal beigetragen hat; stellt insbesondere fest, dass die Mitgliedstaaten nicht ausreichend durch geeignete Mechanismen, wie z. B. einen spontanen Austausch, zusammengearbeitet haben, um andere betroffene Mitgliedstaaten vor solchen Modellen zu warnen; stellt ferner fest, dass nur eine kleine Minderheit der Mitgliedstaaten über vollständige Informationen über alle sechs Einkommens- und Kapitalkategorien im Rahmen der DAC1 verfügt; unterstreicht die Notwendigkeit eines wirksameren, vollständigeren und häufigeren Austauschs;
27. stellt mit Besorgnis fest, dass das Globale Forum kürzlich die rechtliche Umsetzung des Gemeinsamen Meldestandards (CRS)(22), der in der EU als DAC2 bezeichnet wird, bewertet hat, und stellt fest, dass nicht alle Mitgliedstaaten – laut der Begutachtung durch das Globale Forum – die Anforderungen vollständig erfüllen; fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten genau zu überwachen und Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, bis alle Mitgliedstaaten die Vorschriften vollständig erfüllen; sieht der Begutachtung der praktischen Durchsetzung des CRS durch das Globale Forum erwartungsvoll entgegen und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich gewissenhaft auf diesen Prozess vorzubereiten;
28. bedauert, dass die Mitgliedstaaten die von ihnen übermittelten Informationen nur selten mit einer vom Sitzland des jeweiligen Steuerpflichtigen ausgestellten Steuer-Identifikationsnummer verknüpfen; stellt fest, dass offenbar nur Litauen und Irland über eine vom Empfängerland anerkannte Steuer-Identifikationsnummer verfügen(23); stellt außerdem fest, dass die Weitergabe gültiger Steuer-Identifikationsnummern für effiziente Verfahren zum Austausch von Informationen von entscheidender Bedeutung ist; weist darauf hin, dass auch die Steuer-Identifikationsnummern von Kapitalgesellschaften gemeldet werden sollten, um den Abgleich steuerlich relevanter Informationen weiter zu erleichtern; weist erneut darauf hin, dass bei sämtlichen Maßnahmen zur Erleichterung der Identifizierung von Steuerpflichtigen die Grundrechte, insbesondere das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz, geachtet werden müssen;
29. begrüßt, dass in der DAC7 festgelegt ist, dass die Steuer-Identifikationsnummer des Sitzmitgliedstaats für die DAC1 und die DAC2 einbezogen werden muss, um den Datenabgleich und die Identifizierung zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern, da eine korrekte Identifizierung der Steuerpflichtigen für einen wirksamen Informationsaustausch zwischen den Steuerverwaltungen von wesentlicher Bedeutung ist; ist besorgt, dass große Mengen an Informationen nicht mit den relevanten Steuerpflichtigen abgeglichen und nicht ausreichend genutzt werden, was zu Steuerausfällen führt;
30. fordert die Kommission auf, in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein Instrument zur Validierung von Steuer-Identifikationsnummern zu schaffen; weist darauf hin, dass dieses Validierungsinstrument die Wirksamkeit der Berichterstattung von Finanzinstituten deutlich erhöhen und damit die Befolgungskosten für diese Institute senken würde; fordert die Kommission auf, nach einer ordnungsgemäßen Analyse und Folgenabschätzung die Schaffung einer europäischen Steuer-Identifikationsnummer zu überprüfen; fordert die Mitgliedstaaten auf, für eine systematischere Analyse der nicht abgeglichenen DAC1- und DAC2-Daten zu sorgen und Verfahren für die systematische Risikoanalyse der erhaltenen Informationen einzuführen;
31. stellt fest, dass der Informationsaustausch auf Anfrage häufig für unvollständig befunden wurde und weitere Klarstellungen erforderlich waren; bedauert, dass die Behörden im Rahmen des Informationsaustauschs auf Anfrage die entsprechenden Informationen oft erst bis zu sechs Monate oder noch später nach dem Datum des Eingangs der Anfrage bereitstellen; stellt mit Bedauern fest, dass es keine Fristen für einen etwaigen weiteren Austausch gibt, was zu weiteren Verzögerungen führen kann; fordert die Kommission auf, diese Bestimmungen, auch für Folgeanfragen, auf höchstens drei Monate zu ändern; schlägt vor, der Kommission das Mandat zu erteilen, den Grad der Kooperationsbereitschaft von Drittländern systematisch zu bewerten; fordert die Kommission auf, die Hinweise darauf, dass der Informationsaustausch auf Anfrage mit einer Reihe von Drittländern, darunter der Schweiz, nicht zufriedenstellend ist, zu überprüfen;
32. bedauert, dass ein Mitgliedstaat, Malta, bei der Peer-Review des Globalen Forums für den Informationsaustausch auf Anfrage eine Gesamtbewertung von „teilweise konform“ erhalten hat, was bedeutet, dass der Standard für den Informationsaustausch nur teilweise umgesetzt wird, was wiederum erhebliche praktische Auswirkungen nach sich zieht(24); weist darauf hin, dass 19 Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Informationen über Eigentum und Identität“ nicht ganz erfüllen(25); weist darauf hin, dass sechs Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Buchhaltungsinformationen“ nicht ganz erfüllen(26); weist darauf hin, dass fünf Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Bankinformationen“ nicht ganz erfüllen(27); weist darauf hin, dass sieben Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Zugang zu Informationen“ nicht ganz erfüllen(28); weist darauf hin, dass drei Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Rechte und Schutzbestimmungen“ nicht ganz erfüllen(29); weist darauf hin, dass fünf Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Mechanismen für den Informationsaustausch“ nicht ganz erfüllen(30); weist darauf hin, dass drei Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Vertraulichkeit“ nicht ganz erfüllen(31); weist darauf hin, dass drei Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Rechte und Schutzbestimmungen“ nicht ganz erfüllen(32); weist darauf hin, dass neun Mitgliedstaaten die Anforderungen im Bereich „Qualität und Rechtzeitigkeit der Antworten“ nicht ganz erfüllen(33); weist daraufhin, dass insgesamt lediglich bei acht Mitgliedstaaten keine wesentlichen Mängel festgestellt wurden(34); bedauert, dass in 18 Mitgliedstaaten wesentliche Mängel festgestellt wurden(35); bedauert zutiefst, dass einige Mitgliedstaaten bei bestimmten Themen wie Eigentums- und Identitätsinformationen eine niedrige Bewertung erhalten; fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der nächsten Peer-Review die Bewertung „konform“ zu erreichen; stellt fest, dass die unzureichende Leistung der Mitgliedstaaten die Glaubwürdigkeit der EU bei der internationalen Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung ernsthaft untergräbt; erwartet, dass die Kommission alle rechtlichen und nicht rechtlichen Instrumente einsetzt, um dafür zu sorgen, dass die Rechtsvorschriften umgehend ordnungsgemäß umgesetzt werden; fordert die Kommission auf, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, bis alle Mitgliedstaaten die Vorschriften vollständig erfüllen; fordert daher die Mitgliedstaaten auf, sich voll und ganz verpflichten, die DAC-Zielen zu verwirklichen und die bewährten Verfahren für den Informationsaustausch zu übernehmen;
33. begrüßt den Vorschlag der Kommission in der DAC7, den Standard der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ zu klären, der im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch auf Anfrage angewandt werden muss, und fordert die Kommission auf, Leitlinien zu erstellen, um einen standardisierten Ansatz und eine effektivere Nutzung der Bestimmungen für den Informationsaustausch auf Anfrage sicherzustellen;
34. begrüßt, dass die Kommission den Mitgliedstaaten verschiedene Instrumente zur Entwicklung eines Informationsaustauschs und von bewährten Verfahren sowie IT-Unterstützung zur Verfügung gestellt hat, vor allem durch das Programm „Fiscalis 2020“; betont, dass der Austausch von bewährten Verfahren weiter gefördert werden muss und Leitlinien für die Nutzung von Informationen ausgearbeitet werden müssen, insbesondere in Bezug auf die DAC3 und die DAC4;
35. stellt fest, dass die Verwendung von Informationen gemäß der DAC für andere als steuerliche Angelegenheiten eine vorherige Genehmigung des übermittelnden Mitgliedstaats erfordert, die nicht immer erteilt wird, obwohl diese Informationen nützlich sein könnten, um die Effizienz von strafrechtlichen und anderen Ermittlungen zu erhöhen, und obwohl sie für gewöhnlich auf gerechtfertigten Gründen beruht; beharrt darauf, dass die Verwendung der im Einklang mit der DAC ausgetauschten Informationen für andere Zwecke als Steuerangelegenheiten stets zugelassen werden sollte, wenn dies nach dem Recht des empfangenden Mitgliedstaats in Bezug auf Rechtsdurchsetzung zulässig ist; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, sich uneingeschränkt zu hohen Standards bei der Achtung der Grundrechte der Bürger als Steuerzahler zu verpflichten;
36. bedauert, dass der Rat die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen der DAC7 abgeschwächt hat, insbesondere in Bezug auf gemeinsame Prüfungen und Gruppenanfragen; fordert den Rat auf, seinen derzeitigen Standpunkt zu revidieren und die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen wie vorgeschlagen anzunehmen; stellt fest, dass die Anzahl der Gruppenanfragen sehr begrenzt ist, da lediglich fünf Mitgliedstaaten 2017 eine oder mehrere Gruppenanfragen übermittelt wurden; fordert die Kommission auf, ein Standardformular für Gruppenanfragen auszuarbeiten und es in die entsprechende Durchführungsverordnung aufzunehmen(36); weist erneut darauf hin, dass im Hinblick auf diese Möglichkeit sowie für gleichzeitige Kontrollen Mitarbeiter der Steuerbehörden eine wesentliche Schulung in den Bereichen ausländische Steuergesetzgebung, Fremdsprachen, Spezialisierung und zwischenmenschliche Fähigkeiten erhalten müssen, damit entsprechende Ergebnisse erzielt werden können;
37. erkennt den Mehrwert des Austauschs bewährter Verfahren und der ständigen Unterstützung durch die Kommission bei der Befähigung nationaler Steuerverwaltungen an; hebt die besondere Rolle hervor, die das Programm „Fiscalis 2020“ in dieser Hinsicht spielt; weist erneut darauf hin, dass die nationalen Steuerverwaltungen dennoch eine erhebliche Verstärkung ihrer personellen, finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen benötigen; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, ausreichende Investitionen in die nationalen Steuerverwaltungen sicherzustellen; sieht den Ergebnissen der neuen Fiscalis-Projektgruppe zum Einsatz fortgeschrittener Analysen zur Messung der Datenqualität innerhalb eines gemeinsamen Rahmens erwartungsvoll entgegen;
38. nimmt die Feststellungen des EuRH(37) zur Kenntnis, wonach in Bezug auf die Überwachung, die Gewährleistung der Datenqualität und die Nutzung der erhaltenen Informationen mehr getan werden kann, um den Austausch von Steuerinformationen effektiver zu gestalten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Feststellungen des EuRH bei der künftigen Arbeit am DAC-Rahmen zu berücksichtigen;
Zugang zu Daten und Überwachung
39. stellt mit großer Besorgnis fest, dass es nicht genügend Anhaltspunkte gibt, um die Qualität der Berichterstattung im Rahmen der DAC1- und DAC2-Bestimmungen zu beurteilen, da nur wenige Mitgliedstaaten systematisch Qualitätsprüfungen der im Rahmen der DAC1 und der DAC2 ausgetauschten Daten durchführen; stellt mit großer Besorgnis fest, dass zu wenige Daten gemeldet werden und die gemeldeten Daten nicht ausreichend genutzt werden; stellt ferner fest, dass die Wirksamkeit des Systems kaum überwacht wird; bedauert, dass die öffentlich zugänglichen Daten über den Informationsaustausch gemäß den Bestimmungen der DAC nicht ausreichen, um die Entwicklung des Informationsaustauschs und seine Wirksamkeit angemessen zu bewerten;
40. stellt fest, dass es keinen gemeinsamen EU-Rahmen für die Überwachung der Leistung und der Ergebnisse des Systems gibt, wodurch das Risiko steigt, dass die gemeldeten Daten unvollständig oder ungenau sind; stellt darüber hinaus fest, dass nur wenige Mitgliedstaaten Verfahren zur Prüfung der von den Finanzinstituten im Rahmen der DAC2 vorgelegten Informationen eingerichtet haben und anwenden;
41. bedauert, dass die Kommission nach Ansicht des EuRH die Umsetzung dieser Rechtsvorschriften nicht proaktiv überwacht, keine ausreichenden Leitlinien bereitstellt und die Ergebnisse und Auswirkungen des Systems nicht misst; ist zutiefst besorgt darüber, dass nur einer der fünf vom EuRH geprüften Mitgliedstaaten Kontrollen der Datenqualität durchgeführt hat, die nur in Form von manuellen Kontrollen einer begrenzten Datenstichprobe erfolgten und nicht als systematischer Prozess durchgeführt wurden;
42. weist darauf hin, dass die Übereinstimmungsquoten zeigen, dass große Mengen an Informationen nicht genutzt werden, da sie nicht mit den relevanten Steuerpflichtigen abgeglichen werden, und dass die Mitgliedstaaten keine weiteren Prüfungen der nicht abgeglichenen Daten vornehmen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen gemeinsamen Rahmen zur Messung der Wirkung und des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der DAC schaffen und den Austausch im Rahmen der DAC vollständig überprüfbar und von der Herkunft bis zur Verwendung der Daten nachvollziehbar zu machen, indem jeder Datensatz mit einer Auftraggeberkennung versehen wird; fordert die Kommission auf, eine jährliche Zusammenfassung der von den Mitgliedstaaten erhaltenen Informationen zu veröffentlichen und dabei den Rechten der Steuerpflichtigen Rechnung zu tragen und Diskretion zu wahren; weist jedoch darauf hin, dass dieser Bericht jedoch aggregierte und detaillierte Daten enthalten muss, damit das Parlament eine angemessene demokratische Kontrolle durchführen kann; stellt fest, dass die der Kommission übermittelten Informationen nicht als streng vertraulich zu betrachten sind, wenn die Informationen nicht einzelnen Steuerpflichtigen zugeordnet werden können; bekräftigt, dass die Kommission berechtigt sein sollte, Berichte und Dokumente zu erstellen und zu veröffentlichen, indem sie die ausgetauschten Informationen in anonymisierter Form verwendet, um dem Recht der Steuerpflichtigen auf Vertraulichkeit Rechnung zu tragen und der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001(38) über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gerecht zu werden;
43. fordert die Kommission auf, jährlich anonymisierte und aggregierte Statistiken zu den länderbezogenen Berichten für alle Mitgliedstaaten zu veröffentlichen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die eingegangenen länderspezifischen Berichte den zuständigen Dienststellen der Kommission zu übermitteln;
44. betont, dass die von der Kommission im Jahr 2019 durchgeführte Evaluierung gezeigt hat, dass die Wirksamkeit des DAC-Rahmens einheitlich überwacht werden muss; fordert die Mitgliedstaaten auf, der Kommission jährlich die Statistiken, Steuereinnahmen und alle anderen für eine ordnungsgemäße Beurteilung der Wirksamkeit des gesamten Austauschs relevanten Informationen zu übermitteln; fordert in Bezug auf den Informationsaustausch auf Anfrage, dass die übermittelten Informationen nach Ländern aufgeschlüsselt werden, wobei die Datenschutzvorschriften einzuhalten sind; fordert die Kommission auf, die Wirksamkeit des Informationsaustauschs weiterhin ordnungsgemäß zu überwachen und zu bewerten, und fordert daher eine neue umfassende Bewertung bis Januar 2023;
45. betont, dass die Steuerverwaltungen die digitalen Wandel und dessen Potenzial, zu einer effizienteren Zuordnung von Informationen beizutragen und Befolgungskosten und unnötige Bürokratie zu reduzieren, voll ausschöpfen sollten; betont, dass dies mit einer Aufstockung der finanziellen, personellen und IT-Ressourcen für die Steuerverwaltungen einhergehen muss;
Kohärenz mit anderen Bestimmungen
46. erkennt an, dass die DAC-Bestimmungen weitgehend mit dem gemeinsamen Meldestandard der OECD übereinstimmen und starke Überschneidungen aber auch maßgebliche Unterschiede zum US-amerikanischen Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten („Foreign Account Tax Compliance Act – FATCA“) aufweisen;
47. bedauert die fehlende Gegenseitigkeit im Rahmen des FATCA; stellt fest, dass die Vereinigten Staaten für Nicht-US-Bürger zu einem wichtigen Faktor in Bezug auf Finanzgeheimnisse werden; stellt fest, dass es zwei große Schlupflöcher gibt, und zwar, dass ausschließlich Informationen zu US-Vermögenswerten weitergegeben werden und dass keine Informationen zum wirtschaftlichen Eigentum weitergegeben werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, innerhalb des OECD-Rahmens neue Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten aufzunehmen, um in einem gemeinsam vereinbarten und gestärkten CRS-Rahmen uneingeschränkte Gegenseitigkeit zu erreichen; betont, dass dies zu erheblichen Fortschritten führen würde und für die Finanzinstitute niedrigere Befolgungskosten und einen deutlich geringeren bürokratischen Aufwand bedeuten würde; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Verhandlungen über Steuerabkommen der Vereinten Nationen aufzunehmen;
48. beklagt die Nebenwirkungen, die der FATCA noch immer auf so genannte zufällige Amerikaner hat; bedauert, dass bis heute keine dauerhafte Lösung auf europäischer Ebene gefunden wurde;
49. stellt fest, dass mögliche Reibungspunkte zwischen dem DAC-Rahmen und den Verordnungen (EU) 2016/679(39) und (EU) 2018/1725(40) vorhanden sind; betont, dass die Datenverarbeitung gemäß den DAC-Bestimmungen zu dem ausschließlichen Zweck erfolgt, dem allgemeinen öffentlichen Interesse im Bereich der Besteuerung in den Mitgliedstaaten zu dienen, nämlich der Eindämmung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung, der Sicherung der Steuereinnahmen und der Förderung einer gerechten Besteuerung;
50. unterstützt die Aufforderung des Rates an die Kommission, zu prüfen, inwieweit es möglich wäre, den Umfang der den Steuerbehörden nach der Richtlinie 2011/16/EU des Rates zur Verfügung stehenden Instrumenten an die spezifischen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates(41) anzugleichen;
51. begrüßt die an die Richtlinie 2014/107/EU angelehnten Vereinbarungen über einen automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten mit Drittländern, wie Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und der Schweiz; fordert eine Evaluierung der Umsetzung einer solchen Vereinbarung und fordert daher eine Evaluierung in Anbetracht des bestehenden CRS-Abkommens; fordert darüber hinaus ähnliche Vereinbarungen für DAC3 und DAC5, DAC6 und DAC7;
Abschließende Bemerkungen
52. fordert die Kommission nachdrücklich auf, so bald wie möglich eine umfassende Überarbeitung des DAC-Rahmens auf der Grundlage der Vorschläge des Parlaments und einer breit angelegten Konsultation vorzulegen; fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, in dieser Angelegenheit eine Aussprache mit dem Parlament zu führen; bedauert, dass der Rat wiederholt Beschlüsse gefasst hat, mit denen die Vorschläge der Kommission zur Stärkung des DAC-Rahmens abgeschwächt wurden;
53. bedauert zutiefst, dass sich alle Mitgliedstaaten – mit Ausnahme Finnlands und Schwedens – geweigert haben, dem Parlament Zugang zu den einschlägigen Daten zur Bewertung der Umsetzung der DAC-Bestimmungen zu gewähren; bedauert, dass die Kommission dem Parlament keinen Zugang zu den entsprechenden in ihrem Besitz befindlichen Daten gewährt hat; ist der Ansicht, dass das Parlament dadurch faktisch daran gehindert wird, seine Funktion der politischen Kontrolle über die Kommission gemäß Artikel 14 und Artikel 17 Absatz 8 EUV wahrzunehmen; stellt fest, dass dieser Umsetzungsbericht daher erhebliche Mängel aufweist; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, sich nicht weiter zu weigern, die einschlägigen Dokumente im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001, die unmittelbar anwendbar ist, und mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gemäß Artikel 13 Absatz 2 EUV dem Parlament zugänglich zu machen; fordert das Parlament auf, alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zu nutzen, um sicherzustellen, dass es alle Dokumente erhält, die für eine vollständige Bewertung der Umsetzung der DAC erforderlich sind;
54. versteht die DAC in Steuerfragen als eine zwischenstaatliche Dimension der europäischen Integration; weist jedoch darauf hin, dass die Steuerpolitik bei der Erfüllung der strategischen Ziele der EU, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Steuerbetrug und -hinterziehung usw., von struktureller Bedeutung ist; missbilligt die Haltung des Rates bezüglich der aufeinanderfolgenden Überarbeitungen der DAC, die auf der ständigen Abschwächung der Vorschläge der Kommission und der Missachtung der Standpunkte des Parlaments beruht; fordert den Rat auf, seine Haltung gegenüber dem Parlament in Steuerfragen und insbesondere bei den Überarbeitungen der DAC auf den Prüfstand zu stellen; fordert den Rat nachdrücklich auf, den Zugang zu relevanten Informationen über die Umsetzung der DAC zu gewähren, um eine angemessene demokratische Kontrolle durch das Parlament zu gewährleisten;
55. ist sich bewusst, dass mit der DAC auf zweierlei abgezielt wird, und zwar Betrug mit Hilfe von Informationsaustausch aufzudecken sowie Betrüger abzuschrecken, indem die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass sie ermittelt werden, wobei sie nicht ungestraft davonkommen; erkennt an, dass es schwieriger ist, eine derartige abschreckende Wirkung zu quantifizieren, fordert die Kommission jedoch auf, diesen Aspekt der DAC bei ihren künftigen Bewertungen weiter zu berücksichtigen;
o o o
56. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Studie „Implementation of the EU requirements for tax information exchange“, Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, Direktion Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert, Referat Ex-post-Bewertung, 4. Februar 2021.
Dover, R. et al: „Bringing transparency, coordination and convergence to corporate tax policies in the European Union, Part I: Assessment of the magnitude of aggressive corporate tax planning“, Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, Referat Europäischer Mehrwert, September 2015.
Europäische Kommission, Generaldirektion Steuern und Zollunion, Taxation Papers, Working Paper Nr. 76, „Estimating International Tax Evasion by Individuals“, September 2019, https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/2019-taxation-papers-76.pdf
Abschlussbericht, Ecorys, „Monitoring the amount of wealth hidden by individuals in international financial centres and impact of recent internationally agreed standards on tax transparency on the fight against tax evasion“.
Stand vom 25. November 2020. Vgl. die Website der Europäischen Kommission zur 4. Geldwäscherichtlinie (AMLD IV) – Stand der Umsetzung: https://ec.europa.eu/info/publications/anti-money-laundering-directive-4-transpositi onstatus_en
Informationen nach Stand vom 22. Dezember 2020: Dänemark, Estland, Irland, Italien, Luxemburg, Rumänien, Slowakei und Tschechien (vgl. die Website der Europäischen Kommission: https://ec.europa.eu/info/strategy/decision-making-process_de). Im Februar 2021 wurden drei weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, Portugal und Rumänien eingeleitet. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/inf_21_441
Stand vom 25. November 2020. Vgl. die Website der Europäischen Kommission zur 4. Geldwäscherichtlinie (AMLD IV) – Stand der Umsetzung: https://ec.europa.eu/info/publications/anti-money-laundering-directive-5-transpositi%20onstatus_de
Informationen nach Stand vom 22. Dezember 2020: Belgien, Estland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Vgl. die Website der Europäischen Kommission: https://ec.europa.eu/info/strategy/decision-making-process_de
Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung”, Bewertungen im Rahmen der 4. Runde, November 2020, Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern.
Durchführungsverordnung (EU) 2015/2378 der Kommission vom 15. Dezember 2015 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2011/16/EU des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1156/2012 (ABl. L 332 vom 18.12.2015, S. 19).
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).
Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (ABl. L 268 vom 12.10.2010, S. 1).
Die Lage in Afghanistan
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zur Lage in Afghanistan (2021/2877(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Afghanistan,
– unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1368 (2001), 1373 (2001), 2210 (2015), 2344 (2017), 2513 (2020) und 2593 (2021),
– unter Hinweis auf den Plan für ein gemeinsames Vorgehen Afghanistans und der EU in Migrationsfragen vom 2. Oktober 2016,
– unter Hinweis auf das Kooperationsabkommen vom 18. Februar 2017 über Partnerschaft und Entwicklung zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Islamischen Republik Afghanistan andererseits(1),
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 24. Juli 2017 mit dem Titel „Elemente einer EU-Strategie für Afghanistan“ (JOIN(2017)0031),
– unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters im Namen der Europäischen Union vom 17. August 2021 zu Afghanistan,
– unter Hinweis auf die Rede der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, anlässlich der Dringlichkeitssitzung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen vom 24. August 2021,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Staats- und Regierungschefs der G7 vom 24. August 2021 zu Afghanistan,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Rates (Justiz und Inneres) vom 31. August 2021 zur Lage in Afghanistan,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse des gemeinsamen Treffens der EU, der NATO und der G7 zu Afghanistan,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Taliban vom 7. September 2021 zu der Einsetzung einer Übergangsregierung in Afghanistan,
– unter Hinweis auf die internationale Geberkonferenz der Vereinten Nation zu Afghanistan vom 13. und 14. September 2021 in Genf,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidenten der Kommission (HR/VP) Josep Borrell vom 3. September 2021 anlässlich der Pressekonferenz nach dem informellen Treffen der Außenminister (Gymnich-Treffen),
– unter Hinweis auf den Abschluss des Abzugs der Streitkräfte der Vereinigten Staaten aus Afghanistan am 30. August 2021,
– unter Hinweis auf die Leitlinien der EU für die Förderung und den Schutz der Rechte des Kindes, die Leitlinien der EU zu Kindern und bewaffneten Konflikten und die Leitlinien der EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und das dazugehörige Protokoll von 1967,
– unter Hinweis auf die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen von 1951,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau aus dem Jahr 1979,
– unter Hinweis auf den globalen Pakt der Vereinten Nationen für sichere, geordnete und reguläre Migration und den globalen Pakt der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, der auf die am 19. September 2016 einstimmig von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten folgte,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Afghanistan während der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren das wichtigste Rückzugsgebiet mit dem operativen Hauptquartier internationaler Terrororganisationen und insbesondere von Al-Qaida war, die für zahlreiche barbarische Terroranschläge auf Zivilisten in Asien, Afrika, Australien, Europa und Amerika und für den Terroranschlag mit den meisten Todesopfern in der Menschheitsgeschichte am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten, bei dem fast 3 000 Menschen aus über 90 Ländern getötet wurden, verantwortlich waren;
B. in der Erwägung, dass der barbarische Angriff auf die Vereinigten Staaten vor 20 Jahren zu der Resolution 1368 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und 2001 zu einem Militäreinsatz unter Führung der USA in Afghanistan geführt hat, der den Sturz der Taliban sowie die Zerschlagung bzw. den Niedergang von Al-Qaida und anderen dschihadistischen Organisationen weltweit herbeigeführt hat, wobei die erzielten Fortschritte nun stark gefährdet sind;
C. in der Erwägung, dass sich die NATO nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf Artikel 5 ihres Gründungsvertrags berufen hat, das einzige Mal überhaupt, dass die NATO ihre Bestimmungen zur kollektiven Verteidigung in Kraft gesetzt hat, wobei mehr als 40 Länder zur Sicherheit des Landes beigetragen haben und sich Dutzende weitere Staaten und Organisationen, einschließlich der EU, gemäß den anschließenden Resolutionen der Vereinten Nationen für die Stabilisierung des Landes eingesetzt haben;
D. in der Erwägung, dass die NATO und ihre Bündnispartner seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 in Afghanistan präsent waren; in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten im April 2021 nach dreijährigen Verhandlungen mit den Taliban angekündigt haben, ihre Truppen bis zum 11. September 2021 vollständig abzuziehen; in der Erwägung, dass der Abzug der Truppen der NATO und der Bündnispartner im August 2021 abgeschlossen wurde;
E. in der Erwägung, dass die Taliban daraufhin rasch in von der Regierung kontrolliertes Gebiet vordrangen; in der Erwägung, dass die afghanische Armee und die Sicherheitskräfte des Landes keine wirksame Verteidigung bewerkstelligen konnten und Präsident Aschraf Ghani aus dem Land floh; in der Erwägung, dass die Taliban die vollständige Kontrolle über das Land gewonnen und erneut das Islamistische Emirat Afghanistan ausgerufen haben;
F. in der Erwägung, dass im August 2021 unter Federführung der USA mehr als 110 000 Menschen aus Afghanistan evakuiert wurden, und zwar ohne Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft; in der Erwägung, dass es den Vereinigten Staaten und der internationalen Gemeinschaft gelungen ist, im August 2021 innerhalb von zwei Wochen mehr als 120 000 gefährdete Afghanen, örtliche Bedienstete diplomatischer Vertretungen und von Militärkontingenten, sowie ausländische Staatsangehörige über den Luftweg in Sicherheit zu bringen; in der Erwägung, dass schätzungsweise 150–170 000 Afghanen, die in den letzten zwei Jahrzehnten mit der internationalen Gemeinschaft zusammengearbeitet haben, zurückgelassen wurden und somit in Lebensgefahr sind;
G. in der Erwägung, dass die Taliban am 7. September 2021 die Bildung einer Übergangsregierung unter der Führung von Mohammed Hassan Achund, dem Chef des Taliban-Führungsrates, angekündigt haben, wozu weder Frauen noch Personen, die nicht den Taliban angehören, eingeladen wurden; in der Erwägung, dass der Übergangsregierung der Taliban Personen angehören, die für terroristische Handlungen verantwortlich sind, darunter ehemalige Häftlinge, Personen, die Sanktionen der Vereinten Nationen unterliegen, und eine Person, die auf der Fahndungsliste der meistgesuchten Verbrecher des FBI steht; in der Erwägung, dass zahlreiche Mitglieder der Übergangsregierung der Taliban Inhaber eines von Pakistan ausgestellten Reisepasses sind; in der Erwägung, dass diese Regierung die ethnischen und religiösen Minderheiten des Landes stark diskriminiert;
H. in der Erwägung, dass die Übergangsregierung der Taliban gebildet wurde, ohne das Versprechen der Taliban hinsichtlich einer inklusiven Regierung einzuhalten; in der Erwägung, dass das Ministerium für Frauenangelegenheiten aufgelöst wurde; in der Erwägung, dass die Taliban keine kontinuierliche Beteiligung von Frauen an Führungspositionen in Afghanistan vorsehen, dass sie Frauen in Führungspositionen sowie Amtsträgerinnen und Aktivistinnen verfolgen und tödliche Gewalt einsetzen, um Proteste für Frauenrechte aufzulösen; in der Erwägung, dass die begründete Befürchtung besteht, dass das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, das für Kinderehen und Zwangsehen, häusliche Gewalt und zahlreiche andere Formen der Misshandlung von Frauen strafrechtliche Sanktionen vorsieht, aufgehoben wird;
I. in der Erwägung, dass die Übergangsregierung der Taliban ein landesweites Verbot von Protesten erlassen und mit einem harten Vorgehen gegen freie Medien begonnen hat, einschließlich der Inhaftierung von Journalisten und Übergriffen gegen diese sowie neuen Beschränkungen der Medienarbeit; in der Erwägung, dass die Taliban Propaganda einsetzen, um Hass gegen den Westen und die EU zu schüren;
J. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage rasch verschlechtert; in der Erwägung, dass die Liste der schutzbedürftigen und gefährdeten Personen den Großteil der Bevölkerung umfasst, u. a. Frauen, Mädchen, die LGBTI+-Gemeinschaft, ethnische und religiöse Minderheiten wie insbesondere die schiitischen Hasara, Mitglieder der Zivilgesellschaft, Akademiker, Journalisten, Rechtsanwälte, Richter, Künstler, Politiker und Beamte der früheren afghanischen Regierung; in der Erwägung, dass Frauen in bewaffneten Konflikten seit jeher als Kriegswaffe Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt und sexueller Gewalt werden;
K. in der Erwägung, dass Berichten zufolge Menschen gezielt Opfer von Schikane, Gewalt und Vergeltungsmorden durch die Taliban werden; in der Erwägung, dass die meisten Frauen daran gehindert werden, an ihren Arbeitsplatz oder an Universitäten und Schulen zurückzukehren; in der Erwägung, dass im Land insbesondere gegen die nur aus Männern bestehende Regierung und ihre Pläne, die Rechte der Frauen zu beschneiden und Frauen vom öffentlichen Leben, u. a. von sportlichen Aktivitäten, auszuschließen, Proteste ausgebrochen sind; in der Erwägung, dass die Taliban die Demonstrationen und den örtlichen Widerstand insbesondere im Pandschschir-Tal mit Gewalt niedergeschlagen haben;
L. in der Erwägung, dass das Land vor einer drohenden humanitären Katastrophe steht; in der Erwägung, dass ein gravierender Mangel an Lebensmitteln, Wasser und Arzneimitteln besteht; in der Erwägung, dass 18,4 Millionen Menschen in Afghanistan humanitäre Hilfe benötigen, darunter 14 Millionen, die bereits unter Ernährungsunsicherheit litten; in der Erwägung, dass die Kommission angekündigt hat, die humanitäre Hilfe für Menschen, die noch im Land sind, sowie für Flüchtlinge auf über 200 Mio. EUR aufzustocken;
M. in der Erwägung, dass die Krise in Afghanistan vor allem eine Tragödie für das afghanische Volk ist, aber auch eine Bedrohung der Sicherheit der EU darstellt; in der Erwägung, dass die EU die notwendigen Schlussfolgerungen aus diesem kollektiven Versagen ziehen und sich auf seine Folgen für ihre Sicherheit vorbereiten sollte, wozu möglicherweise auch eine erhöhte Terrorgefahr gehört; in der Erwägung, dass sich Dschihadisten auf der ganzen Welt durch die Machtübernahme der Taliban ermutigt fühlen;
N. in der Erwägung, dass Afghanen seit Jahren aus ihrem Land fliehen und vor allem in den Nachbarländern, aber auch in Europa Zuflucht suchen; in der Erwägung, dass die Zahl der Afghanen, die nach Europa einwandern, zunehmen könnte;
O. in der Erwägung, dass die Kommission weder die Maßnahmen zur Evakuierung europäischer Staatsangehöriger und afghanischer Bürger, die für die EU und ihre Mitgliedstaaten tätig sind, koordiniert hat, noch in der Lage war, eine echte europäische Luftbrücke einzurichten; in der Erwägung, dass die Evakuierung von EU-Bürgern und gefährdeten fluchtwilligen Afghanen noch nicht abgeschlossen ist und Einigkeit zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten sowie einen Kommunikationskanal mit den Taliban erfordert;
P. in der Erwägung, dass die Kommunikation mit den Taliban keinesfalls zur Aufhebung der bestehenden Sanktionen gegen ihre Mitglieder führen darf;
Q. in der Erwägung, dass der internationale Flughafen von Kabul teilweise wieder in Betrieb ist, die Landgrenzen Afghanistans aber schwer bewacht werden, wozu die Taliban Grenzübergangsstellen eingerichtet haben; in der Erwägung, dass Millionen Afghanen weiterhin im Land sind und nicht ausreisen können;
R. in der Erwägung, dass das Land nach wie vor äußerst unsicher ist; in der Erwägung, dass der regionale Ableger des sogenannten Islamischen Staates, der Islamische Staat Provinz Chorasan, sich zu dem Bombenanschlag auf den Flughafen vom 26. August 2021 bekannt hat, der etwa 170 Todesopfer forderte;
S. in der Erwägung, dass die Taliban mit internen Spaltungen und Widerstand vonseiten anderer extremistischer und kompromissloser Gruppierungen in Afghanistan konfrontiert sind; in der Erwägung, dass das Regime nun auch Zugang zu Militärausrüstung hat, die von den afghanischen und alliierten Streitkräften zurückgelassen wurde; in der Erwägung, dass diese Waffen problemlos in die Hände anderer international als terroristische Vereinigungen eingestufter Gruppierungen wie dem Islamischen Staat, Al-Qaida und ihren Verbündeten gelangen könnten;
T. in der Erwägung, dass Afghanistan eines der am stärksten von Hilfe abhängigen Länder der Welt ist, d. h. etwa 18 Millionen Menschen, also die Hälfte der Bevölkerung, dauerhaft Hilfe benötigen, und ein Drittel der Bevölkerung unter Ernährungsunsicherheit leidet; in der Erwägung, dass allein in diesem Jahr mehr als 600 000 Afghanen – 80 % davon Frauen und Kinder – innerhalb des Landes aus ihren Heimatorten vertrieben wurden; in der Erwägung, dass insgesamt etwa 5 Millionen Afghanen innerhalb Afghanistans vertrieben wurden und rund 2,2 Millionen afghanische Flüchtlinge bereits in Nachbarländern leben; in der Erwägung, dass die Auszahlung der humanitären Hilfe wegen der Kontrolle durch die Taliban erheblich behindert wird;
U. in der Erwägung, dass im Jahr 2021 bislang 760 000 Afghanen aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt sind, was die Kapazitäten der bestehenden Dienste beeinträchtigt und Bedenken hinsichtlich ihrer Wiedereingliederung und ihrer Lebensbedingungen hervorgerufen hat; in der Erwägung, dass die Kommission angekündigt hat, die humanitäre Hilfe für die Menschen, die noch im Land sind oder fliehen, auf über 200 Mio. EUR aufzustocken;
V. in der Erwägung, dass in Afghanistan seit 2001 nachweislich Fortschritte bei den Rechten von Frauen und Mädchen erzielt wurden, unter anderem in Bezug auf den Zugang zu Bildung, die Gesundheitsversorgung und die Teilhabe am sozialen und politischen Leben; in der Erwägung, dass diese Verbesserungen die wohl größte Errungenschaft in der jüngsten Entwicklung des Landes sind; in der Erwägung, dass diese partiellen Fortschritte nun infolge der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ernsthaft bedroht sind;
W. in der Erwägung, dass die Taliban internationale Anerkennung, Legitimität und Unterstützung anstreben und öffentlich erklärt haben, dass sie Frauen im Rahmen des islamischen Rechts Freiheit gewähren werden, was durch zunehmende Berichte über die Einführung restriktiver Praktiken in ganz Afghanistan und Angriffe auf Frauen, Wissenschaftler, Menschenrechtsverteidiger, Medienschaffende und Beamte widerlegt wird; in der Erwägung, dass Berichte darüber vorliegen, dass die Taliban Personen aufspüren, die für die frühere Regierung tätig waren, und dann Rachemorde verüben;
X. in der Erwägung, dass über 75 % des Staatshaushalts und mehr als 95 % des Militärhaushalts Afghanistans von der internationalen Gemeinschaft stammen;
Y. in der Erwägung, dass die jüngste Welle der COVID-19-Pandemie im Land, der Mangel an Impfstoffen und medizinischen Hilfsgütern, die Dürre und der bevorstehende Winter die gegenwärtige sozioökonomische und humanitäre Krise wahrscheinlich noch weiter verschärfen dürften; in der Erwägung, dass die logistische Situation und die Sicherheitslage durch die COVID-19-Pandemie zusätzlich verschärft werden;
1. bedauert die gewaltsame Machtergreifung der Taliban in Afghanistan und weigert sich, deren derzeitige Regierung des Landes anzuerkennen; bringt seine große Besorgnis über die Zukunft Afghanistans zum Ausdruck, da die Taliban die Macht über das Land übernommen haben und radikales Scharia-Recht durchsetzen, wodurch dem afghanischen Volk die grundlegenden Rechte und Freiheiten entzogen werden, die es in den vergangenen 20 Jahren hatte; spricht den Opfern der anhaltenden Gewalttaten und Terroranschläge und ihren Familien sein tief empfundenes Beileid und seine Unterstützung aus;
2. spricht den Familien und Freunden der Angehörigen der Streitkräfte und Zivilpersonen, die in den letzten 20 Jahren in Afghanistan ihr Leben verloren haben, sein aufrichtiges Beileid aus;
3. bringt seine tiefe und aufrichtige Solidarität mit Afghanen zum Ausdruck, die aus dem Land geflohen sind oder sich noch dort aufhalten; weist wiederholt darauf hin, dass dies in allererster Linie eine humanitäre Krise und Menschenrechtskrise ist, in der die Sicherheit, Unversehrtheit und die Rechte der Menschen in Afghanistan jederzeit Vorrang haben müssen;
4. ist zutiefst besorgt über die humanitäre Krise, Wirtschaftskrise und Flüchtlingskrise, die sich in Afghanistan abzeichnen; ist der Ansicht, dass die sichere, friedliche und demokratische Zukunft Afghanistans eine umfassende, in Verhandlungen erzielte politische Einigung erfordert; bekräftigt seinen fortdauernden Einsatz für einen Friedensprozess und Wiederaufbau in der Zeit nach dem Konflikt unter afghanischer Führung und Verantwortung, was der einzige glaubwürdige Weg zu Frieden, Sicherheit und Entwicklung ist, bei denen alle Seiten einbezogen werden und die von Dauer sind;
5. bedauert, dass der politische Prozess und die militärische Planung, die zum Abzug der US-Truppen aus Afghanistan geführt haben, einseitig und ohne ausreichende Abstimmung mit den NATO-Verbündeten durchgeführt wurden; bedauert, dass während der Rettungsoperation in Kabul zwischen den EU-Mitgliedstaaten keine Zusammenarbeit oder Koordinierung stattfand, insbesondere im Hinblick auf die Kommunikation mit den USA, was dazu führte, dass die meisten Botschaften von der Eroberung Kabuls durch die Taliban völlig überrascht wurden; ist der Ansicht, dass eine bessere Abstimmung untereinander geholfen hätte, das anschließende Chaos und die verzweifelte Lage zu verhindern, und dass damit effizientere Verfahren ermöglicht worden wären, die es den zur Ausreise berechtigten Personen ermöglicht hätten, den Flughafen auf geordnete und berechenbare Weise zu erreichen;
6. bedauert die mangelnde Kommunikation zwischen den USA und den europäischen Ländern und fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Kommission auf, den Prozess kritisch zu bewerten und diese Bewertung dem Parlament bis Ende dieses Jahres vorzulegen;
7. dankt allen Soldatinnen und Soldaten, Männern und Frauen in Uniform, humanitären Hilfskräften und Entwicklungshelfern, Diplomaten und Ortskräften, die in Afghanistan gearbeitet haben und zum Teil noch dort arbeiten, für ihren Mut; würdigt die zahlreichen Opfer, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf ein friedlicheres und sichereres Afghanistan hingearbeitet haben;
8. bringt seine tiefe Enttäuschung über den raschen Zusammenbruch der staatlichen Strukturen Afghanistans zum Ausdruck, die nicht in der Lage oder gewillt waren, der Taliban-Offensive standzuhalten, die von der Eroberung der ersten Provinzhauptstadt bis zum Einmarsch in Kabul zehn Tage dauerte; bringt seine Enttäuschung über die gescheiterte Führung von Präsident Aschraf Ghani und seine Entscheidung, aus Afghanistan zu fliehen, zum Ausdruck; fordert eine Untersuchung der Vorwürfe, dass Präsident Ghani und andere Vertreter der politischen Elite möglicherweise Gelder aus dem afghanischen Staatshaushalt veruntreut haben;
Ein Aufruf zur Beendigung der Gewalt
9. ist entsetzt über mutmaßliche Verstöße, darunter Hinrichtungen von Zivilisten und Mitgliedern der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte, die Rekrutierung von Kindersoldaten, die Unterdrückung friedlicher Proteste, und abweichender Meinungen, die Einschränkungen der Menschenrechte, insbesondere von Frauen und Mädchen, Menschenrechtsverteidigern, LGBTI+-Personen, religiösen und ethnischen Minderheiten, Journalisten, Schriftstellern, Wissenschaftlern und Künstlern; fordert die Taliban nachdrücklich auf, diese Praktiken unverzüglich einzustellen und unter anderem insbesondere das Recht afghanischer Frauen auf Bildung, Arbeit, Sport, Bewegungsfreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu wahren;
10. betont, dass Berichte über sämtliche Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht dokumentiert, transparent und zügig untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen; unterstützt in diesem Zusammenhang die Anwendung der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (Magnitski-Rechtsakt der EU); erwartet, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass auf der bevorstehenden 48. ordentlichen Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen eine Resolution mit einem soliden Mandat zur Entsendung einer Erkundungsmission nach Afghanistan angenommen wird;
11. fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, für die Annahme einer Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Verlängerung der Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) zu sorgen, die am 17. September 2021 ausläuft;
Bessere Koordinierung der Evakuierungsmaßnahmen
12. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, zusammenzuarbeiten, um die weitere Evakuierung von EU-Bürgern und gefährdeten Afghanen zu ermöglichen, insbesondere durch die Nutzung verfügbarer sicherer Korridore; weist darauf hin, dass die EU erwartet, dass die Taliban dies ermöglichen; bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass der Schwerpunkt auf besonders gefährdete Gruppen von Frauen gelegt werden muss, darunter alle Frauen und Mädchen sowie Menschenrechtsverteidiger, LGBTI+-Personen, religiöse und ethnische Minderheiten, Journalisten, Schriftsteller, Wissenschaftler, Ortskräfte und Künstler;
13. fordert die Kommission und den EAD auf, bestehende und künftige Schutzmaßnahmen in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten umzusetzen bzw. zu konzipieren und die geplanten Schutzmaßnahmen im Hinblick auf mögliche künftige Notfälle, die diese Maßnahmen erforderlich machen, festzulegen; ist der Ansicht, dass die Kategorie der Ortskräfte mindestens das gesamte Personal umfassen sollte, das für die EU oder für von der EU finanzierte Projekte tätig war;
Fortsetzung der Unterstützung afghanischer Frauen und Mädchen
14. bekundet seine Solidarität mit den Frauen und Menschenrechtsverteidigern, die in ganz Afghanistan gegen die Machtübernahme des Landes durch die Taliban protestieren und in einer freien, stabilen, friedlichen und vielfältigen Gesellschaft leben wollen;
15. bedauert zutiefst, dass 20 Jahre Fortschritt im Bereich der Rechte von Frauen und Mädchen und im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter nun ernstlich bedroht sind; bekräftigt seinen Standpunkt, dass dieser Fortschritt sorgsam gewahrt und beobachtet werden muss; betont, dass das Recht auf Bildung und Beschäftigung, der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, der Schutz der Grundrechte, der Zugang zu Gesundheitsversorgung und uneingeschränkte Teilhabe an der Entscheidungsfindung im lokalen und nationalen politischen, öffentlichen und sozialen Leben zentrale Forderungen der internationalen Gemeinschaft im Dialog mit den Taliban sein müssen;
16. betont, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass Frauen und junge Menschen, die Afghanistan verlassen haben, ihren Bildungsweg in anderen Ländern fortsetzen können; regt an, innovative Wege zu erkunden, um afghanische Frauen und junge Menschen weiter zu stärken, insbesondere durch die Bereitstellung von Stipendien für ein Studium an europäischen Schulen und Hochschulen;
Tiefe Besorgnis über die De-facto-Regierung der Taliban
17. erklärt sich zutiefst besorgt darüber, dass ausschließlich Männer zu Mitgliedern der aus 33 Mullahs bestehenden Übergangsregierung ernannt wurden und viele von ihnen auf den Sanktionslisten der USA und der Vereinten Nationen stehen und wegen terroristischer Aktivitäten gesucht werden; nimmt mit größter Besorgnis zur Kenntnis, dass Siradschuddin Haqqani, dessen Verbindungen zu terroristischen Aktivitäten ausführlich belegt sind, zum Innenminister ernannt wurde und dass an der De-facto-Regierung der Taliban mehrere Personen beteiligt sind, die auf den Sanktionslisten der Vereinten Nationen stehen;
18. fordert, dass eine repräsentative und gewählte Regierung eingesetzt wird, an der Frauen und Personen, die Minderheiten angehören, sinnvoll mitwirken können; weist erneut darauf hin, dass die langfristige Entwicklung Afghanistans von der Rechenschaftspflicht, der verantwortungsvollen Staatsführung und dauerhaft sicheren Lebensverhältnissen für die Menschen abhängt, wozu auch die Verringerung der Armut und die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten, der Zugangs zu Sozial- und Gesundheitsdiensten sowie Bildung und der Schutz der Grundfreiheiten und Menschenrechte zählen;
19. betont seine langfristige Unterstützung für glaubwürdige, freie, faire und transparente Wahlen im Einklang mit den internationalen Normen und befürwortet Wahlbeobachtungsmissionen in dem Land;
Operative Kontakte erforderlich, aber keine offizielle Anerkennung der De-facto-Regierung
20. stellt fest, dass für logistische, organisatorische und humanitäre Fragen operative Kontakte mit der neuen De-facto-Regierung der Taliban erforderlich sind, um für humanitäre Hilfe für Zivilisten in Not und sicheres Geleit für ausländische Staatsangehörige und Afghanen, die das Land verlassen wollen, zu sorgen; weist darauf hin, dass diese Kontakte derzeit strikt auf die entsprechenden Zwecke beschränkt bleiben sollten; betont, dass die Bedingungen für die politische Anerkennung der De-facto-Machthaber der Taliban, die die Macht mit militärischen Mitteln an sich gerissen haben und derzeit die Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre zunichtemachen, nicht erfüllt sind;
21. weist darauf hin, dass es für die EU ein kritischer Gradmesser für jede Art von Beziehung zu den Taliban sein wird, ob die Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre, insbesondere in den Bereichen Frauenrechte und Mädchenbildung, erhalten bleiben und ob sichergestellt wird, dass Afghanistan nicht zu einem Rückzugsort für dschihadistische und andere terroristische Gruppierungen verkommt, die dann von afghanischem Hoheitsgebiet aus Terroranschläge verüben oder planen; stellt erneut fest, dass die Taliban von der internationalen Gemeinschaft nicht anhand öffentlicher Erklärungen, sondern anhand ihres konkreten Handelns vor Ort zu beurteilen sind;
22. fordert die Kommission nachdrücklich auf, zügig eine Untersuchung gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der APS-Verordnung(2) einzuleiten, um die für Afghanistan geltenden Präferenzregelungen im Rahmen der Initiative „Alles außer Waffen“ auszusetzen;
23. erachtet es als sehr wichtig, die Präsenz der EU vor Ort wieder aufzunehmen, sobald es nach Maßgabe der sicherheitspolitischen und politischen Bedingungen möglich ist;
24. fordert, dass eine Reise einer Delegation der Organe der EU nach Kabul organisiert wird, sobald die Umstände es gestatten, sodass sich die Teilnehmer ein Bild von der humanitären Lage, der Lage in Bezug auf Migration, Wirtschaft und Sicherheit und dem Zustand der Rechte von Frauen und Minderheiten in Afghanistan verschaffen können;
Sicherstellung, dass Afghanistan nicht zu einem neuen Rückzugsort terroristischer Organisationen wird
25. verurteilt aufs Schärfste den tödlichen Terroranschlag vom 26. August 2021, der von dem Ableger des Islamischen Staates Provinz Chorasan am Abbey Gate des Internationalen Flughafens Kabul und am Hotel Baron verübt wurde und bei dem mehr als 170 Menschen, darunter 13 Angehörige der US-Streitkräfte, ums Leben kamen und mehr als 200 Personen verletzt wurden;
26. besteht darauf, dass die Taliban und die Regierung der Islamischen Republik Afghanistan ihren Verpflichtungen zur Terrorismusbekämpfung nachkommen müssen, wozu auch gehört, dass Al-Qaida, der IS und andere Terrorgruppen und Terroristen daran gehindert werden, von Afghanistan aus die Sicherheit anderer Länder zu bedrohen oder zu gefährden, indem sie den Angehörigen dieser Gruppen keine Zuflucht bieten und sie daran hindern, Kämpfer zu rekrutieren und auszubilden und sich Finanzmittel zu beschaffen; gibt zu bedenken, dass es zu internationalen Sanktionen und der Isolation der Taliban kommen wird, wenn nicht gegen diese Gruppen vorgegangen wird;
27. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sämtliche Erkenntnisse, die durch ihre militärische Präsenz und die Präsenz von Angehörigen ihrer Strafverfolgungsorgane in Afghanistan gewonnen wurden, aufzubewahren und weiterzugeben, insbesondere biometrische Daten, die für die Unterstützung der Mitgliedstaaten und von Drittstaaten bei der Identifizierung zurückkehrender ausländischer Kämpfer sehr wichtig sind; hebt hervor, dass die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung von wesentlicher Bedeutung ist, wenn es gilt, ein der Sicherheit förderliches Umfeld in Afghanistan zu schaffen; fordert alle einschlägigen Partner nachdrücklich auf, ihre Anstrengungen zur Zerschlagung sämtlicher Terrorismusfinanzierungsnetze zu intensivieren; betont, dass im Strategischen Kompass der EU, in dem die militärischen Bedrohungen der EU und ihre Zielvorstellungen für die kommenden Jahre skizziert werden, der unmittelbaren terroristischen Bedrohung in Afghanistan infolge der Machtübernahme durch die Taliban deutlich Rechnung getragen werden muss; fordert die europäischen Nachrichtendienste nachdrücklich auf, regelmäßig aktualisierte Bedrohungsanalysen verstärkt auszutauschen, um die gemeinsame Nutzung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse und die institutionelle Zusammenarbeit zu verbessern;
28. weist erneut darauf hin, dass die Herstellung von und der Handel mit Opium eine wichtige Einkommensquelle für die Taliban sind und die damit verbundenen Auswirkungen weit über die Grenzen Afghanistans hinausgehen; ist besorgt angesichts des unmittelbar drohenden Risikos, dass infolge der Instabilität im Land der illegale Drogenhandel und der Handel mit Waffen, die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung zunehmen;
29. fordert eine gründliche Registrierung und entsprechende Sicherheitsüberprüfungen der Personen, die aus der Region evakuiert werden, sowie einen verstärkten Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten, den USA und Europol, um möglichen Sicherheitsbedrohungen durch Terrorismus und organisierte Kriminalität vorzubeugen;
30. verurteilt, dass die Taliban und ihre Verbündeten Kulturstätten irreparabel beschädigt haben, und befürchtet nach wie vor, dass infolge der Instabilität der internationale Schmuggel und Diebstahl des Kulturerbes zunehmen werden, was zur Finanzierung verstärkter Aktivitäten von Terrororganisationen in der Region genutzt werden könnte; fordert nachdrücklich, dass kulturelle Artefakte aus Afghanistan in Europa digitalisiert werden, damit Schmuggelgut besser erkannt werden kann, und fordert ein vollumfängliches vorübergehendes Verbot der Einfuhr von Kulturgütern aus Afghanistan, um den Taliban und ihren Verbündeten die Möglichkeit zu nehmen, aus dem Schmuggel von Kulturgütern Profit zu schlagen;
Weitere Aufstockung der humanitären Hilfe
31. würdigt die Arbeit internationaler Organisationen und lokaler und internationaler nichtstaatlicher Organisationen, die trotz der Sicherheitsrisiken für die afghanische Bevölkerung im Einsatz sind und ihr Hilfe und Unterstützung leisten; fordert die Taliban auf, für die Sicherheit lokaler und internationaler Organisationen der Zivilgesellschaft, nichtstaatlicher und humanitärer Organisationen, einschließlich ihres weiblichen Personals, zu sorgen, was für die Bereitstellung wichtiger Hilfsdienste für afghanische Frauen und Mädchen unentbehrlich ist; betont, dass die humanitären Helferinnen frei und ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen arbeiten können müssen;
32. fordert, dass die humanitäre Hilfe weiter aufgestockt und diese Hilfe mit den Agenturen der Vereinten Nationen und nichtstaatlichen Organisationen abgestimmt wird, darunter auch die Schaffung humanitärer Korridore für die Versorgung mit Nahrungsmittelhilfe, Wasser, Sanitäreinrichtungen und Arzneimitteln; begrüßt den Beschluss der Kommission, die humanitäre Hilfe für Afghanistan von über 50 Mio. EUR auf über 200 Mio. EUR aufzustocken; begrüßt, dass die internationale Gemeinschaft unlängst Mittel in Höhe von 1 Mrd. EUR für die Bevölkerung Afghanistans zugesagt hat, und fordert die Kommission auf, sich maßgeblich dafür einzusetzen, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe in vollem Umfang gedeckt wird;
33. bekräftigt, dass den unmittelbaren Bedürfnissen afghanischer Frauen und Mädchen, insbesondere derjenigen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, im Rahmen der humanitären Hilfe Vorrang eingeräumt werden muss; betont, dass es von entscheidender Bedeutung ist, die Gefährdung durch geschlechtsbezogene Gewalt zu mindern und den Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu grundlegenden Hygieneartikeln sicherzustellen;
34. besteht darauf, dass die EU Politiker und engagierte Mitglieder der Zivilgesellschaft aus Afghanistan, die sich für die Menschenrechte und Grundwerte einsetzen und von denen sich nunmehr viele im Exil befinden, weiterhin direkt unterstützt, damit sie sich weiter dafür einsetzen können, die Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre zu erhalten und die Reformen in Afghanistan fortzusetzen;
35. betont, dass die finanzielle Unterstützung der EU über die staatlichen Stellen davon abhängig ist, dass die Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre, insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen, erhalten bleiben und darauf aufgebaut wird; fordert nachdrücklich, dass die Taliban diese Errungenschaften respektieren und sich zu deren Erhaltung verpflichten, was sie bislang unterlassen haben; betont, dass die EU sicherstellen sollte, dass humanitäre Hilfe für bedürftige afghanische Zivilisten über die einschlägigen internationalen Organisationen und nichtstaatliche Organisationen weitergegeben wird, und hebt hervor, dass die EU darauf bestehen sollte, dass die Taliban den lokalen und internationalen nichtstaatlichen Organisationen sicheren und ungehinderten Zugang gewähren; unterstreicht, dass die Taliban die Bereitstellung und Auszahlung humanitärer Hilfe an die Bedürftigen nicht behindern dürfen;
36. fordert die Kommission auf, alle laufenden Entwicklungsprojekte in dem Land zu überprüfen, um so möglicherweise festzustellen, welche davon mit lokalen Partnern oder nichtstaatlichen und internationalen Organisationen unter der Bedingung fortgesetzt werden können, dass keine Einmischung des Taliban-Regimes stattfindet, die Beteiligung von Frauen sichergestellt ist, Sicherheitsgarantien für die jeweiligen Entwicklungshelfer gegeben werden und wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption gelten;
Die EU muss sich für eine mögliche Migrations- und Flüchtlingskrise wappnen
37. betont das Grundrecht der afghanischen Bevölkerung, Schutz zu suchen; fordert nachdrücklich, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit die koordinierten Evakuierungen aus dem Land unter der Ägide des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wiederaufgenommen werden, insbesondere durch die Schaffung sicherer Korridore und die dauerhafte Wiederöffnung des internationalen Flughafens in Kabul und der afghanischen Landgrenzen; fordert konkrete Unterstützung für Frauen, Mädchen und gefährdete Personen, die das Land verlassen möchten, damit diese sicher reisen können;
38. betont, dass der größte Teil der afghanischen Flüchtlinge in erster Linie in den Nachbarländern Schutz suchen wird und dass die EU daher planen sollte, die entsprechend aufnahmebereiten Nachbarländer Afghanistans – vorzugsweise über die Vereinten Nationen und ihre Agenturen – sowie internationale Organisationen vor Ort zusätzlich zu unterstützen;
39. weist erneut darauf hin, dass finanzielle und logistische Unterstützung und Hilfe beim Kapazitätsaufbau für die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge und Migranten in Nachbarländern keine Alternative zu einer eigenständigen europäischen Asyl- und Migrationspolitik darstellt; ist der Ansicht, dass die EU ihr neues Migrations- und Asylpaket dringend abschließen und umsetzen muss, um die Migrationsströme wirksamer und auf humanere Weise bewältigen zu können;
40. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, koordinierte europäische Anstrengungen für eine humane Asylpolitik zu unternehmen, bei der die EU ihrer moralischen Verantwortung für Aufnahme und Integration gerecht wird und die Genfer Konvention von 1951 vollständig eingehalten wird; begrüßt das für September geplante Neuansiedlungsforum; betont, dass die Strategie der EU vorrangig eine Ausweitung der Neuansiedlung für die am stärksten gefährdeten und schutzbedürftigen Personen sowie weitere ergänzende Möglichkeiten wie humanitäre Visa und ein eigenes Visaprogramm für afghanische Frauen, die Schutz vor dem Taliban-Regime suchen, beinhalten sollte; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, angesichts der jüngsten Entwicklungen aktuelle und vor Kurzem eingereichte Asylanträge, auch abgelehnte Anträge, neu zu bewerten; hebt hervor, dass es unter keinen Umständen zu Rückführungen nach Afghanistan kommen darf;
41. fordert den Rat auf, die verfügbaren Instrumente wie die Richtlinie über vorübergehenden Schutz(3) und das Katastrophenschutzverfahren der Union zu nutzen, um die Anstrengungen in der gesamten EU zu maximieren und so eine bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und einen sofortigen Zugang zu Schutz zu gewährleisten; fordert die Kommission erneut auf, einen Legislativvorschlag für Visa aus humanitären Gründen zu veröffentlichen, und fordert, dass die Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten gleich verteilt wird;
42. fordert eine verstärkte Zusammenarbeit und Unterstützung für Drittstaaten, damit diesen bei der Bekämpfung krimineller Netzwerke, die an Schleuserkriminalität und Menschenhandel beteiligt sind, geholfen wird; fordert Europol auf, eine Analyse des Kriminalitätsrisikos vorzulegen und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im breiteren Kontext der Entwicklungen in Afghanistan zu verstärken;
43. fordert die Kommission auf, diese Entschließung bei der Programmplanung des Instruments NDICI/Europa in der Welt und bei der Ausarbeitung der einschlägigen Mehrjahresrichtprogramme zu berücksichtigen;
Stärkung der Zusammenarbeit mit den Ländern in der Region um Afghanistan unter Wahrung der grundlegenden Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit
44. stellt fest, dass die derzeitige Lage in Afghanistan der Stabilität in der Region nicht förderlich ist; betont, dass der Abzug des Westens aus Afghanistan ein Vakuum hinterlassen hat, das zu einer zunehmenden Instabilität führt; hebt hervor, dass die Nachbarstaaten und Regionalmächte nun mehr Verantwortung für die Lage in Afghanistan tragen und dass sie verhindern müssen, dass sich die Instabilität über die Grenzen des Landes hinweg ausbreitet; bekräftigt, dass die EU in dieser Hinsicht die Zusammenarbeit mit den Ländern Zentralasiens verstärken muss, insbesondere mit Usbekistan, mit dem die EU derzeit ein Abkommen über eine verstärkte Partnerschaft und Zusammenarbeit aushandelt, sowie mit Tadschikistan; betont, dass durch diese Zusammenarbeit die Verteidigung der Grundwerte und der Rechtsstaatlichkeit durch die EU nicht beeinträchtigt werden darf;
45. ist besorgt über die Sicherheit von besonders gefährdeten afghanischen Staatsangehörigen und denjenigen, die über Landgrenzen in Nachbarländer, insbesondere Pakistan, einreisen; bedauert die mangelnde Koordinierung durch die internationale Gemeinschaft in dieser Hinsicht und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, alle möglichen diplomatischen Hebel in Bewegung zu setzen und alle diplomatischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Zugang zu Landgrenzen, die sichere Durchreise und den Zugang zu diplomatischen Einrichtungen sicherzustellen; betont die zentrale Koordinierungsfunktion der EU-Delegationen in den Nachbarländern bei der Bereitstellung praktischer Hilfe in dieser Hinsicht;
46. weist darauf hin, dass Pakistan Mitgliedern der Taliban viele Jahre lang einen sicheren Unterschlupf gewährt und ihre Sicherheitskräfte unterstützt hat; weist den EAD an, der Führung Pakistans zu vermitteln, dass sie Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in Afghanistan trägt und ihren Einfluss auf die Taliban nutzen muss, damit diese Ziele erreicht werden; und zu prüfen, ob es angesichts der aktuellen Ereignisse Grund gibt, Pakistans Anspruch auf den APS+-Status und die damit verbundenen Vorteile unverzüglich zu überprüfen;
47. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Afghanistan und seine Nachbarländer mit Hilfe des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen sofort beim Aufbau von Asylkapazitäten zu unterstützen und humanitäre Hilfe für die am meisten gefährdeten Menschen zu leisten, um die Region zu stabilisieren und einer weiteren Migrationskrise vorzubeugen;
48. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Unterstützung für die Nachbarländer Afghanistans, die eine große Zahl von Migranten und Flüchtlingen aufgenommen haben, unverzüglich aufzustocken, um sicherzustellen, dass schutzbedürftige Menschen sicher aufgenommen werden und ihnen tragfähige Lebensbedingungen geboten werden;
Ein Weckruf für die Europäische Union – notwendige Reformen
49. ist sich bewusst, dass der Abzug der US-amerikanischen und internationalen Streitkräfte aus Afghanistan Ausdruck eines kollektiven Scheiterns der westlichen Außen- und Sicherheitspolitik und -strategie ist und möglicherweise langfristige nachteilige Folgen nach sich ziehen wird; ist der Ansicht, dass dies kurzfristig die Glaubwürdigkeit des Westens schädigen und eine Vertrauenskrise auslösen wird und dass aus dieser Erfahrung umfassende Lehren für die Zukunft gezogen werden müssen, insbesondere wenn es um Entscheidungen über Art und Mandat militärischer Interventionen geht;
50. bringt seine tiefe Enttäuschung und Besorgnis angesichts der Ineffektivität der USA, der NATO, des EAD und der Organe der Europäischen Union insgesamt zum Ausdruck, die in einem Zeitraum von 20 Jahren die Regierung Ghani, die in Wirklichkeit korrupt und dem Volk fremd war, sowie die Streitkräfte, die sich als ineffektiv erwiesen haben, aufrechterhalten und finanziert haben; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass das kollektive Versagen in Afghanistan einen strategischen Vorteil für nicht dem Westen zuzurechnende Mächte, und Nachbarstaaten, insbesondere Pakistan, sowie China und in geringerem Maße Russland, bedeutet, ohne dass sie die Entwicklung Afghanistans erheblich unterstützt hätten und daran beteiligt gewesen wären; weist darauf hin, dass die afghanischen Staatsorgane in interne politische Machtkämpfe und systemische Korruption verwickelt waren und nicht in der Lage waren, das Problem der schwachen Staatsführung zu überwinden;
51. stellt die Bedeutung einer guten Regierungsführung, der Rechtsstaatlichkeit und der Korruptionsbekämpfung heraus, bei denen in Afghanistan im Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Terror im Land nicht genügend Fortschritte erzielt wurden; ist der Ansicht, dass die EU für den Erfolg der Staatsbildung und der internationalen Menschenrechtsagenda der EU einen integrierten Ansatz für humanitäre Maßnahmen und die Außen-, Entwicklungs-, Menschenrechts-, Sicherheits-, Gleichstellungs- und Handelspolitik verfolgen muss; fordert den Rat, den EAD und die Kommission nachdrücklich auf, so bald wie möglich eine umfassende Strategie für Afghanistan und die umliegenden Länder in der Region, die sich auf die gezogenen Lehren stützt, auszuarbeiten und dem Parlament vorzulegen;
52. ist der Ansicht, dass diese Krise beweist, dass die EU ihre Fähigkeit, autonom zu handeln, erheblich stärken und somit ihre Verteidigungszusammenarbeit intensivieren muss, indem sie Hand in Hand mit der Stärkung der europäischen Säule der NATO eine echte Europäische Verteidigungsunion schafft; ist ferner der Ansicht, dass die EU in militärisches Bewusstsein, Überwachung und Aufklärung, Nachrichtendienste und den strategischen Lufttransport investieren muss; weist darauf hin, dass die Unfähigkeit der europäischen Streitkräfte, einen internationalen Flughafen wie denjenigen in Kabul ohne Unterstützung der USA zu sichern, auf eindrucksvolle Weise zeigt, wie viele Investitionen erforderlich sein werden; begrüßt die Überlegungen, die der Hohe Vertreter unlängst in diesem Zusammenhang angestellt hat, und bekräftigt seine Unterstützung für einen grundlegenden und umfassenden Dialog zwischen den Organen und den Mitgliedstaaten der EU, den nationalen Parlamenten, den europäischen Partnern und der Zivilgesellschaft auf dem weiteren Weg;
53. ist der Ansicht, dass über auswärtige Angelegenheiten der EU gemäß den Verträgen häufiger mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden sollte;
54. fordert den EAD auf, die diplomatische Vertretung der EU in Zentralasien, insbesondere in Tadschikistan, zu stärken, um Informationen aus erster Hand über die Entwicklungen vor Ort zu erhalten; besteht darauf, dass die Lage in Afghanistan, insbesondere in Bezug auf Frauen und Mädchen, ethnische, religiöse und andere schutzbedürftige Gruppen, in den kommenden Wochen und Monaten weiterhin beurteilt und bewertet wird;
55. stellt fest, dass eine enge Zusammenarbeit mit den USA äußerst wichtig ist, wobei der Schwerpunkt auf der Bewältigung zahlreicher Herausforderungen und der Bereitstellung humanitärer Hilfe für die afghanische Bevölkerung liegen muss und die Lehren, die aus den Entwicklungen in Afghanistan gezogen wurden, zu berücksichtigen sind; dankt dem US-Militär für die Unterstützung bei der Evakuierung vom internationalen Flughafen in Kabul und drückt den Familien der dabei ums Leben gekommenen Soldaten sein tief empfundenes Beileid aus;
56. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, den wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen unter uneingeschränkter Achtung des EU-Rechts und der Grundrechte zu gewährleisten, um besser für Migrationsbewegungen aus der Region und irreguläre Einreisen in die EU gewappnet zu sein;
o o o
57. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Sondergesandten der EU für Afghanistan, den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten und dem US-Kongress zu übermitteln.
Verordnung (EU) Nr. 978/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen (ABl. L 303 vom 31.10.2012, S. 1).
Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12).
Die Lage im Libanon
163k
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zur Lage im Libanon (2021/2878(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Libanon, insbesondere seine Entschließung vom 22. Mai 2008 zur Lage im Libanon(1),
– unter Hinweis auf die früheren Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolutionen 1559 (2004), 1701 (2006), 2539 (2020) und 2591 (2021),
– unter Hinweis auf das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits(2),
– unter Hinweis auf den Beschluss 2007/860/EG des Rates vom 10. Dezember 2007 über eine Makrofinanzhilfe der Gemeinschaft für Libanon(3),
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der EU-Wahlbeobachtungsmission im Libanon 2018,
– unter Hinweis auf die im Rahmen der Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon im November 2016, der CEDRE-Konferenz vom 6. April 2018, des Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmens (3RF) des Libanon im Dezember 2020 und der Treffen der Internationalen Unterstützungsgruppe für den Libanon vom 11. Dezember 2019, 23. September 2020 und 19. Mai 2021 vereinbarten Verpflichtungen,
– unter Hinweis auf die Erklärung des für Krisenmanagement zuständigen Mitglieds der Kommission Janez Lenarčič vom 5. August 2020 zur Explosion in Beirut,
– unter Hinweis auf die Internationale Konferenz zur Hilfe und Unterstützung von Beirut und der libanesischen Bevölkerung vom 9. August 2020 und die Konferenz zur Unterstützung der libanesischen Bevölkerung vom 2. Dezember 2020, die von Frankreich und den Vereinten Nationen organisiert wurde,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Internationalen Unterstützungsgruppe für den Libanon vom 23. September 2020,
– unter Hinweis auf die im Namen der EU abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 28. September 2020 zum Rücktritt des designierten Ministerpräsidenten des Libanon,
– unter Hinweis auf den Bericht über den Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmen (3RF) des Libanon, der im Dezember 2020 von der EU, den Vereinten Nationen und der Weltbank angenommen wurde,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 7. Dezember 2020 zum Libanon,
– unter Hinweis auf den „Lebanon Economic Monitor“ (LEM) der Weltbank vom 1. Juni 2021 und die zeitnahe Schadens- und Bedarfsabschätzung in Beirut (RDNA), die von der Weltbankgruppe in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und den Vereinten Nationen erstellt wurden,
– unter Hinweis auf die Erklärungen und Bemerkungen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) Josep Borrell vom 19. Juni 2021 während seines Besuchs in dem Land,
– unter Hinweis auf die Erklärung des VP/HR Josep Borrell vom 16. Juli 2021 zum Rücktritt des designierten Ministerpräsidenten Saad Hariri,
– unter Hinweis auf die Aufforderung des Vorsitzenden des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, David McAllister, und der Vorsitzenden der Delegation für die Beziehungen zu den Maschrik-Ländern, Isabel Santos, vom 16. Juli 2021 an die libanesische politische Führung, einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation nach dem Rücktritt des designierten Ministerpräsidenten zu finden,
– unter Hinweis auf die Pressemitteilung von UNICEF vom 23. Juli 2021 mit dem Titel „Lebanon: Public water system on the verge of collapse, UNICEF warns“ (Libanon: UNICEF warnt vor dem Zusammenbruch des öffentlichen Wasserversorgungssystems),
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 26. Juli 2021 zum Verfahren der Regierungsbildung,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Ko-Vorsitzenden der zweiten Sitzung der Beratenden Gruppe 3RF vom 28. Juli 2021,
– unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2021/1277 des Rates vom 30. Juli 2021 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Libanon(4),
– unter Hinweis auf die Erklärung des VP/HR Josep Borrell vom 3. August 2021 zum ersten Jahrestag der Explosion im Hafen von Beirut,
– unter Hinweis auf die Konferenz zur Unterstützung der libanesischen Bevölkerung, die am 4. August 2021 per Videokonferenz stattfand, und auf die während der Konferenz abgegebene Erklärung des VP/HR Josep Borrell,
– unter Hinweis auf das Schreiben des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 4. August 2021 an den Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Verlängerung des Mandats der Interimstruppe der Vereinten Nationen in Libanon (UNIFIL),
– unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Rates vom 4. August 2021 auf der dritten internationalen Konferenz zur Unterstützung der Menschen im Libanon, die auf die gemeinsame Einladung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und des Präsidenten der Französischen Republik abgehalten wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des EAD vom 7. August 2021, in der der Abschuss von Raketen aus dem Südlibanon verurteilt wird,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres, vom 26. August 2021 zur Verschlechterung der sozioökonomischen Lage im Libanon,
– unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 1/2016 des Assoziationsrates EU-Libanon vom 11. November 2016 über die Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon und den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den im Namen der Europäischen Union in dem durch das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits eingesetzten Assoziationsrat im Hinblick auf eine Verlängerung der Gültigkeit der Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon bis zur Verabschiedung neuer aktualisierter gemeinsamer Dokumente durch die EU und Libanon zu vertretenden Standpunkt (COM(2021)0406),
– unter Hinweis auf die Zwischenfälle von August bis September 2019, vom 14. April 2020, 17. April 2020, 27. Juli 2020, Mai 2021, 20. Juli 2021 und vom 4. bis 6. August 2021, die sich über die Blaue Linie hinweg ereigneten,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung vom 9. Februar 2021 mit dem Titel „Erneuerte Partnerschaft mit der südlichen Nachbarschaft – Eine neue Agenda für den Mittelmeerraum“ (JOIN(2021)0002),
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die derzeitige Lage im Libanon aufgrund der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und gesundheitlichen Krise sowie des Zusammenbruchs der Institutionen äußerst alarmierend und zutiefst besorgniserregend ist; in der Erwägung, dass der Libanon ein enger und wichtiger Partner der Europäischen Union ist; in der Erwägung, dass diese Partnerschaft auf gemeinsamen Interessen, langjährigen historischen und kulturellen Bindungen, einem regelmäßigen politischen und sozialen Dialog und weitreichenden persönlichen Kontakten beruht;
B. in der Erwägung, dass der Libanon über eine dynamische Zivilgesellschaft mit zahlreichen Aktivisten, führenden Vertretern von Gemeinschaften, Akademikern, Künstlern und Jugendgruppen verfügt, die sich mobilisieren und dringende Reformen fordern;
C. in der Erwägung, dass die Lage im Libanon kritisch war und Ende 2019 zu einer Finanzkrise führte; in der Erwägung, dass es bereits am 17. Oktober 2019 zu Massenprotesten kam, die auch als die Oktoberrevolution des Libanon bekannt sind und bei denen die Menschen soziale und wirtschaftliche Rechte, Rechenschaftspflicht, ein Ende der Korruption und den Rücktritt aller politischen Vertreter forderten; in der Erwägung, dass der frühere libanesische Ministerpräsident Saad Hariri am 29. Oktober 2019 den Rücktritt der Regierung ankündigte;
D. in der Erwägung, dass am 4. August 2020 eine verheerende Explosion von Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut mehr als 200 Todesopfer und mehr als 6 500 Verletzte forderte und mehr als 74 000 Häuser beschädigt wurden und somit 300 000 Menschen unmittelbar betroffen waren; in der Erwägung, dass in der Folge der frühere Ministerpräsident Hassan Diab zurücktrat; in der Erwägung, dass ein Jahr nach der Explosion die Untersuchung der Ursachen der Explosion vor allem aufgrund von Korruption noch nicht abgeschlossen ist, und die Verantwortlichen nicht ermittelt und zur Rechenschaft gezogen worden sind; in der Erwägung, dass ein am 3. August 2021 veröffentlichter Bericht von Human Rights Watch sich mit Belegen dafür befasst, dass offizielle Stellen eine Mitschuld an der Explosion trifft; in der Erwägung, dass am 4. August 2021 erneut ein Massenprotest auf den Straßen in Beirut stattfand, bei dem Rechenschaft für die Explosion im Hafen gefordert wurde; in der Erwägung, dass aus enthüllten amtlichen Dokumenten hervorgeht, dass die libanesischen Zoll-, Militär- und Sicherheitsbehörden sowie die Justiz die aufeinanderfolgenden Regierungen in den vergangenen sechs Jahren mindestens zehnmal vor dem gefährlichen Vorrat an explosiven Chemikalien im Hafen von Beirut gewarnt haben, jedoch keine Maßnahmen ergriffen wurden; in der Erwägung, dass die zentralen politischen Persönlichkeiten des Libanon die örtliche Untersuchung der anschließenden Explosion behindert haben, indem Behörden den ersten Untersuchungsrichter absetzten, nachdem er politische Persönlichkeiten zu Befragungen vorgeladen hatte, und den Antrag des zweiten Untersuchungsrichters zur Aufhebung der Immunität von verdächtigten Mitgliedern des Parlaments und zur Befragung von hochrangigen Mitgliedern der Sicherheitskräfte ablehnten;
E. in der Erwägung, dass Korruption eines der größten Probleme ist, die die Entwicklung und den Wohlstand des Libanon behindern sowie die Entfremdung vom politischen System steigern und das Misstrauen gegenüber diesem System schüren; in der Erwägung, dass Korruption weit verbreitet ist und alle Ebenen der Gesellschaft durchdringt, was sich in den globalen und durchschnittlichen Leistungswerten des Landes in den meisten Bereichen der Staatsführung widerspiegelt; in der Erwägung, dass die nationale Korruptionsbekämpfungsbehörde immer noch nicht funktionsfähig ist, da die Ernennung ihrer Kommissare noch aussteht;
F. in der Erwägung, dass im Libanon nach drei designierten Ministerpräsidenten – Mustafa Adib, Saad Hariri und Nadschib Miqati – am 10. September 2021 endlich eine Regierung gebildet wurde; in der Erwägung, dass die neue Regierung dringend das notwendige Paket politischer Maßnahmen für tiefgreifende Reformen vorlegen muss, damit der Libanon die Korruption bekämpfen und seine Stabilität, Einheit, Souveränität, politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität wahren kann;
G. in der Erwägung, dass im Libanon für Mai und Oktober 2022 Kommunal-, Parlaments- bzw. Präsidentschaftswahlen angesetzt sind; in der Erwägung, dass es für alle politisch Verantwortlichen von entscheidender Bedeutung ist, den Wahlzeitplan für 2022 einzuhalten und integrative, transparente und faire Wahlen mit gleichem Zugang zu Wahlkampagnen für alle und Zugang zur Stimmabgabe für alle libanesischen Bürger sicherzustellen, einschließlich derjenigen, die außerhalb des Landes wohnen, wie es das jüngste, 2017 verabschiedete Wahlgesetz erlaubt und wie es die libanesische Verfassung vorsieht; in der Erwägung, dass die Aufsichtskommission für Wahlen nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um ihr Mandat zu erfüllen, was Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Fairness des Wahlkampfs und der für das nächste Jahr geplanten Wahlen aufkommen lässt;
H. in der Erwägung, dass die EU unmittelbar nach der schweren Explosion gemeinsam mit der Weltbank und den Vereinten Nationen eine zeitnahe Schadens- und Bedarfsabschätzung vorgenommen hat, um zu beurteilen, wie sehr die Bevölkerung, Sachwerte, die Infrastruktur und die Bereitstellung von Dienstleistungen betroffen sind; in der Erwägung, dass dabei u. a. festgestellt wurde, dass die Schäden bei 3,8 bis 4,6 Mrd. USD liegen, wobei die Bereiche Wohnraum und Kultur am stärksten betroffen sind, dass die Verluste zwischen 2,9 und 3,5 Mrd. USD liegen, wobei der Bereich Wohnraum am stärksten betroffen ist, gefolgt von Verkehr und Kultur, und dass 1,8 bis 2 Mrd. USD für vorrangige Sanierungs- und Wiederaufbaumaßnahmen benötigt werden, wobei der Bedarf im Verkehrsbereich am höchsten ist, gefolgt von Kultur und Wohnraum; in der Erwägung, dass das wichtigste Ergebnis die Schaffung des Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmens (3RF) ist, der gemeinsam mit der libanesischen Regierung verwaltet wird; in der Erwägung, dass Fortschritte bei den Reformen im Rahmen des 3RF aufgrund des monatelangen Stillstands bei der Regierungsbildung ausblieben; in der Erwägung, dass das größte libanesische Elektrizitätsversorgungsunternehmen „Electricité du Liban“ im Mai 2021 mitteilte, es verfüge nicht mehr über ausreichend Geld, um Brennstoff zu kaufen; in der Erwägung, dass der Libanon sich derzeit an mehrere Länder wendet, um seinen unmittelbaren Energiebedarf zu decken;
I. in der Erwägung, dass trotz der Aussetzung der Rechtsvorschriften über das Bankgeheimnis keine Fortschritte bei der forensischen Prüfung der Zentralbank erzielt wurden; in der Erwägung, dass nach Berichten über eine Schweizer Untersuchung von Transaktionen, an denen der Präsident der Zentralbank, Riad Salama, und sein Bruder beteiligt gewesen sein sollen, die libanesische Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet hat und die französische Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren zu den Vorwürfen der Geldwäsche in Bezug auf Riad Salama eröffnet hat; in der Erwägung, dass der Präsident der Zentralbank alle Vorwürfe bestreitet;
J. in der Erwägung, dass sich die EU durch Wirtschaftshilfe für die Unterstützung der Stabilität und Einheit des Landes einsetzt; in der Erwägung, dass die EU umfangreiche Hilfe zur Bewältigung der unmittelbaren Folgen und zur Deckung der unmittelbaren Bedürfnisse nach der Explosion geleistet hat; in der Erwägung, dass sie 33 Mio. EUR für Soforthilfe und mehr als 250 Rettungskräfte aus den EU-Mitgliedstaaten mobilisiert hat; in der Erwägung, dass die EU dem Libanon allein im Jahr 2021 55,5 Mio. EUR an humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt hat; in der Erwägung, dass im Sommer 2021 weitere 5,5 Mio. EUR freigegeben wurden, um die COVID-19-Maßnahmen des Libanon zu unterstützen; in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten seit 2011 24 Mrd. EUR aufgebracht haben;
K. in der Erwägung, dass die bereits bestehende allgemeine Krise im Libanon, wo Korruption in allen Ebenen der Gesellschaft allgegenwärtig ist, durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft wird; in der Erwägung, dass sowohl gefährdete als auch nicht gefährdete Gruppen stark betroffen sind; in der Erwägung, dass seit Beginn der Pandemie mehr als 610 000 Coronavirus-Fälle und 8 150 Todesfälle im Libanon verzeichnet wurden; in der Erwägung, dass es sich bei den von der Explosion am stärksten betroffenen Stadtteilen um Dschammaisa im Viertel Aschrafija, Mar Michail und Remeil im Viertel Medawar handelte und dass die historische gesellschaftliche Struktur, das gesellschaftliche Gefüge und der gesellschaftliche Zusammenhalt des Libanon dadurch beeinträchtigt werden könnte, dass für jene Menschen, deren Häuser zerstört wurden, heute keine alternativen Unterbringungsmöglichkeiten bestehen;
L. in der Erwägung, dass mit dem Beschluss des Rates vom 30. Juli 2021 ein Rahmen für gezielte Sanktionen gegen Personen und Einrichtungen, die für die Aushöhlung der Demokratie oder der Rechtsstaatlichkeit im Libanon verantwortlich sind, geschaffen wurde; in der Erwägung, dass diese Sanktionen unter anderem ein Verbot der Einreise in die EU und das Einfrieren von Vermögenswerten im Fall einer dauerhaften Behinderung der Regierungsbildung oder der ernsthaften Untergrabung der Abhaltung von Wahlen, im Fall der Behinderung oder Untergrabung der Umsetzung von Vorhaben, die von den libanesischen Behörden gebilligt und von der EU unterstützt werden, um die Rechenschaftspflicht und die verantwortungsvolle Führung, auch im Banken- und Finanzsektor, zu verbessern, oder im Fall von schwerwiegendem finanziellem Fehlverhalten im Zusammenhang mit öffentlichen Mitteln, Handlungen, die unter das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption fallen, und unerlaubter Kapitalausfuhr umfassen;
M. in der Erwägung, dass die Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien der Vereinten Nationen festgestellt hat, dass die Armutsquote pro Kopf zwischen 2019 und 2020 bereits von 28 % auf 55 % gestiegen ist; in der Erwägung, dass sich die Quote der multidimensionalen Armut im Libanon mit einem Anstieg von 42 % im Jahr 2019 auf 82 % im Jahr 2021 fast verdoppelt hat und dass heute 34 % der Bevölkerung von extremer multidimensionaler Armut betroffen sind; in der Erwägung, dass die Arbeitslosenquote auf über 40 % der Erwerbstätigen gestiegen ist und ein zunehmender Anteil der Haushalte Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Nahrung, Wasser und Gesundheitsversorgung hat; in der Erwägung, dass die Weltbank in ihrem „Lebanon Economic Monitor“ von Juni 2021 feststellt, dass der Libanon in einer schweren und anhaltenden wirtschaftlichen Depression steckt, die zu den schwersten Krisen gehören dürfte, die die Welt seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt hat;
N. in der Erwägung, dass der Krieg im benachbarten Syrien viele zur Flucht in den Libanon gezwungen hat, der – neben rund 15 800 beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) registrierten Flüchtlingen äthiopischer, irakischer, sudanesischer und anderer Herkunft sowie etwa 207 700 palästinensischen Flüchtlingen – schätzungsweise 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat; in der Erwägung, dass dem Welternährungsprogramm zufolge im Jahr 2021 22 % der libanesischen Staatsangehörigen, 50 % der Flüchtlinge aus Syrien und 33 % der Flüchtlinge anderer Nationalitäten von Ernährungsunsicherheit betroffen sind; in der Erwägung, dass der Libanon eines von zwei Ländern im Nahen Osten ist, in denen es eine große Zahl von Migranten gibt, die als Hausangestellte arbeiten und die dem Kafala-System unterliegen; in der Erwägung, dass die EU seit 2011 über verschiedene Instrumente, wie den Regionalen Treuhandfonds der Europäischen Union als Reaktion auf die Syrien-Krise und das Europäische Nachbarschaftsinstrument (ENI), 2,4 Mrd. EUR zur Unterstützung syrischer und palästinensischer Flüchtlinge bereitgestellt hat;
O. in der Erwägung, dass die libanesische Regierung im April 2020 einen Wirtschaftsplan gebilligt und ein IWF-Programm auf der Grundlage der erforderlichen Reformen beantragt hat; in der Erwägung, dass die Gespräche mit dem IWF noch nicht abgeschlossen sind; in der Erwägung, dass der Libanon nach Ansicht des IWF dringend umfassende Reformen einleiten muss, um die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen, die Staatsverschuldung umzustrukturieren, das Bankensystem zu sanieren, das soziale Sicherheitsnetz auszuweiten, staatliche Unternehmen zu reformieren und die Staatsführung zu verbessern; in der Erwägung, dass der IWF Sonderziehungsrechte in Höhe von 860 Mio. USD zugewiesen hat, um die erschöpften Reserven des Landes aufzufüllen und seine zahlreichen dringenden Bedürfnisse zu finanzieren; in der Erwägung, dass der Finanzausschuss des libanesischen Parlaments die von der Regierung geplante Gläubigerbeteiligung, die es ermöglicht hätte, die Ersparnisse von 98 % der Bevölkerung durch die Garantie der Vermögenswerte von Bankkonten mit Ersparnissen von weniger als 500 000 USD zu erhalten, abgelehnt hat; in der Erwägung, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) angesichts der Kritik der Mitglieder des Parlaments an dem Wiederaufbauplan drei Erklärungen veröffentlicht hat, in denen er den von der Regierung vorgeschlagenen Plan unterstützte; in der Erwägung, dass die Mitglieder des Parlaments, die den Wiederaufbauplan abgelehnt haben, aufgrund ihrer Beziehungen als Anteilseigner libanesischer Banken oder zu deren Anteilseignern ein persönliches Interesse am Schutz der Interessen dieser Banken haben;
P. in der Erwägung, dass Artikel 534 des libanesischen Strafgesetzbuchs nach wie vor herangezogen wird, um LGBTI-Personen strafrechtlich zu verfolgen und festzunehmen; in der Erwägung, dass in einigen Gebieten des Landes Männer, die im Verdacht stehen, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu führen, routinemäßig festgenommen und auf Polizeirevieren erniedrigend behandelt werden;
Q. in der Erwägung, dass das libanesische Parlament am 30. Juni 2021 ein Gesetz über einen Sonderkredit in Höhe von 556 Mio. USD zur Finanzierung eines Lebensmittelkartensystems verabschiedet hat, das Bargeldhilfe zur Unterstützung der bedürftigsten Familien bereitstellt und das derzeitige Subventionssystem ersetzt; in der Erwägung, dass bei der Einführung der Lebensmittelkarten nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vorgegangen werden sollte;
R. in der Erwägung, dass das Europa-Mittelmeer-Abkommen auf der Achtung der demokratischen Grundsätze und der grundlegenden Menschenrechte beruht, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind, die ein wesentliches Element des Abkommens darstellt;
S. in der Erwägung, dass mit der letzten Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zum Libanon, der Resolution 2591 (2021), die am 30. August 2021 einstimmig angenommen wurde, das Mandat der UNIFIL um ein weiteres Jahr verlängert und erneut auf die Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands im Einklang mit den in der Resolution 1701 (2006) dargelegten Grundsätzen und Aspekten hingewiesen wird;
T. in der Erwägung, dass die Neutralität des Libanon der Schlüssel zu seiner künftigen Stabilität ist; in der Erwägung, dass ein stabiler, uneingeschränkt souveräner, geeinter und demokratischer Libanon für die Stabilität, die Sicherheit und die friedliche Entwicklung des gesamten Nahen Ostens von ausschlaggebender Bedeutung ist; in der Erwägung, dass die vor kurzem gebildete Regierung und ihre Minister politische Unabhängigkeit erlangen und sich jeglicher Einflussnahme von außen durch Länder in der Nachbarschaft des Libanon oder weiter entfernte Länder widersetzen müssen; in der Erwägung, dass Einflussnahmen von außen der Entwicklung und der Stabilität des Libanon abträglich sind; in der Erwägung, dass die Hisbollah nach wie vor wichtige Ministerien in der libanesischen Regierung unter ihrer Kontrolle hat; in der Erwägung, dass die Hisbollah von mehreren EU-Mitgliedstaaten als terroristische Organisation eingestuft wird; in der Erwägung, dass die Hisbollah wiederholt ihre starke ideologische Verbundenheit mit dem Iran unter Beweis gestellt hat, was die libanesische Regierung und ihren dringend benötigten Zusammenhalt destabilisiert;
1. ist der Ansicht, dass die derzeitige Lage im Libanon eine von Menschen verursachte Katastrophe ist, die von einer Handvoll Männern der regierenden politischen Klasse verursacht wurde; nimmt zur Kenntnis, dass nach 13 Monaten politischen Stillstands vor kurzem eine Regierung gebildet wurde; bedauert, dass dem neuen Kabinett nur eine Frau angehört; fordert die libanesische Führung nachdrücklich auf, ihre Versprechen einzuhalten und eine funktionierende Regierung zu bilden, die aufgabenorientiert, glaubwürdig und rechenschaftspflichtig ist, die sich nicht in parlamentarische Differenzen verstrickt und die frei von ausländischem Einfluss ist; ist der Auffassung, dass die Durchsetzung der Rechenschaftspflicht, die Wahrung freier und fairer Wahlen und die Bereitstellung grundlegender öffentlicher Dienste vor jeglichen persönlichen Belangen der politischen Klasse des Libanon Vorrang haben müssen; weist darauf hin, dass die Wahlen im Mai 2022 angesichts des politischen Stillstands und der zunehmend dysfunktionalen staatlichen Institutionen auf keinen Fall verschoben werden dürfen und den internationalen demokratischen Standards der Freiheit, Fairness und Transparenz genügen müssen;
2. fordert die libanesischen Behörden auf, Monate vor den Wahlen die Entsendung einer Wahlbeobachtungsmission oder alternativ, wenn dies für erforderlich erachtet wird, einer Wahlexpertenmission durch den HR/VP zu beantragen; fordert die neue libanesische Regierung auf, die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission aus dem Jahr 2018 in vollem Umfang umzusetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sämtliche technische und finanzielle Unterstützung zu leisten, damit die Wahlen unter den bestmöglichen Bedingungen stattfinden können, und sich um die Sicherstellung der Fairness und Transparenz des gesamten Verfahrens zu bemühen; fordert die neue libanesische Regierung mit Nachdruck auf, die Aufsichtskommission für Wahlen mit allen erforderlichen Mitteln, Mitarbeitern und Ausrüstungen auszustatten, damit sie ihr Mandat in vollem Umfang ausüben kann; fordert eine internationale humanitäre Taskforce unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, um die Durchführung der humanitären Hilfe zu unterstützen und die Verwendung der Mittel zu überwachen; weist darauf hin, dass die Vereinten Nationen einen Rahmen zur Unterstützung von Kandidatinnen und Wählerinnen und damit zur Förderung einer stärkeren Beteiligung von Frauen am politischen Prozess entwickelt haben, und fordert, dass dieser Rahmen in vollem Umfang in die Pläne für die Wahlreform integriert wird;
3. fordert die EU auf, dem Libanon die Entsendung einer umfassenden beratenden Mission der EU zu Verwaltungsfragen anzubieten, um, wie es dringend erforderlich ist, dem sich beschleunigenden Zusammenbruch der öffentlichen Verwaltung und grundlegender Dienstleistungen entgegenzuwirken; fordert die neue Regierung nachdrücklich auf, die wichtigsten Regierungs- und Wirtschaftsreformen, die für eine politische und wirtschaftliche Erholung sorgen werden, zügig umzusetzen, einschließlich einer glaubwürdigen Regulierung wichtiger Wirtschaftssektoren, wie z. B. des Stromsektors;
4. weist darauf hin, dass eine transparente, unabhängige, neutrale und wirksame Untersuchung der Explosion im Hafen von Beirut Priorität hat und sichergestellt werden muss; fordert die libanesischen Behörden nachdrücklich auf, die gerichtlichen Verfahren und die Unabhängigkeit der Justiz zu achten und alle Anstrengungen zu unterstützen, die es ermöglichen, dass gegen die Verantwortlichen für die Entscheidungen, die zu der Explosion im Hafen von Beirut geführt haben, ordnungsgemäß ermittelt wird und sie zur Rechenschaft gezogen werden; fordert eine unabhängige internationale Untersuchungskommission im Libanon, um die Explosion in Beirut im Rahmen der Vereinten Nationen zu untersuchen; besteht darauf, dass diejenigen, die direkt oder indirekt als verantwortlich befunden werden, für die Verluste an Menschenleben und den Schaden, der der libanesischen Bevölkerung zugefügt wurde, zur Rechenschaft gezogen werden müssen;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, angesichts der katastrophalen Bedingungen vor Ort zusätzliche humanitäre Hilfe freizugeben, insbesondere Nahrungsmittelhilfe sowie Krankenhaus- und pharmazeutisches Material, und alternative Energiequellen (u. a. Solarpaneele) für alle Schulen und Krankenhäuser bereitzustellen, die über andere als öffentliche Stellen verteilt werden, etwa über namhafte Nichtregierungsorganisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Glaubensgemeinschaften im Libanon, die in der Lage sind, Reformen durchzuführen; besteht darauf, dass lokale Organisationen der Zivilgesellschaft in die Gestaltung, Planung, Koordinierung, Umsetzung und Bewertung von Hilfsprogrammen für den Libanon einbezogen werden müssen; fordert die Kommission auf, Mechanismen zu finden, mit denen die Kriterien strategisch und flexibel angewandt werden können, um den Organisationen einen raschen Zugang zu den Mitteln zu ermöglichen, damit der unmittelbare Bedarf gedeckt werden kann, wobei der Europäische Konsens über die humanitäre Hilfe und das humanitäre Völkerrecht stets zu beachten ist; hebt hervor, dass die EU-Hilfe streng überwacht werden muss, damit dafür gesorgt werden kann, dass diese Hilfe direkt an die Bedürftigen weitergeleitet wird; bedauert zutiefst das äußerst hohe Maß an Misswirtschaft und mangelnder Finanzaufsicht über die in der Vergangenheit bereitgestellten Mittel;
6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten der EU auf, konstruktiv mit der neuen libanesischen Regierung zusammenzuarbeiten, um die strukturellen und sektoralen Reformen durchzuführen, die erforderlich sind, um eine umfangreiche Makrofinanzhilfe der EU freizugeben, und um ihre Handelsbeziehungen zu stärken, vorausgesetzt, dass bei der Umsetzung der im Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmen vorgesehenen notwendigen Reformen greifbare Fortschritte erzielt werden;
7. fordert die libanesischen Behörden auf, die Gespräche mit dem IWF so bald wie möglich wieder aufzunehmen, damit die Reformen für die notleidenden Menschen im Libanon spürbar werden; fordert die libanesischen Behörden mit Nachdruck auf, die im Rahmen der Wirtschaftskonferenz für Entwicklung durch Reformen mit dem Privatsektor von April 2018 mit Unterstützung der Internationalen Unterstützungsgruppe für den Libanon eingegangenen und von allen politischen Führern des Libanon vereinbarten Verpflichtungen zu erfüllen, die sinnvolle und tiefgreifende Reformen der Wirtschaft und der Staatsführung beinhalten, einschließlich der Wiederherstellung der wirtschaftlichen Stabilität und der Glaubwürdigkeit des Finanzsektors, der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz, der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung der Korruption; fordert die libanesischen Behörden auf, die schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen im Libanon, auch durch soziale Sicherheitsnetze, zu unterstützen; fordert die libanesischen Behörden auf, den Haushaltsplan für 2021 zu genehmigen und den Haushaltsplan für 2022 aufzustellen, der ein starkes Programm für den sozialen Schutz, die Umsetzung des Sofortprogramms für ein soziales Sicherheitsnetz und das nationale Programm zur Bekämpfung der Armut umfassen sollte; fordert die libanesischen Behörden nachdrücklich auf, eine ausreichende Haushaltslinie für die Wahlen im Jahr 2022 vorzusehen;
8. betont, dass der Libanon aufgrund der vollständigen Unterdrückung des Aufstands der syrischen Bevölkerung im Jahr 2011 durch das Assad-Regime den weltweit höchsten Anteil syrischer Flüchtlinge aufgenommen hat; weist auf die besondere Verantwortung des syrischen Regimes für das Fortbestehen dieser dramatischen humanitären Lage hin; weist darauf hin, dass dauerhafte Lösungen für Vertriebene nur mit einer ausreichenden langfristigen Finanzierung und Programmplanung gesichert werden können, sodass Binnenvertriebene und Flüchtlinge auch über den Zyklus des humanitären Programms hinaus unterstützt werden können; weist auf die Schutzbedürftigkeit der syrischen und palästinensischen Flüchtlinge im Libanon hin und betont, dass das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und andere Akteure, die mit Flüchtlingen arbeiten, mit angemessenen, vorhersehbaren und vielschichtigen Mitteln ausgestattet werden müssen, um die umfassende Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen für die Flüchtlingsgemeinschaften im Land sicherzustellen; betont, dass die Zusammenarbeit und der Dialog mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Dienstleistern, die den Flüchtlingen im Land helfen, verstärkt werden müssen;
9. fordert die neue libanesische Regierung und den neuen libanesischen Präsidenten nachdrücklich auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um korrupte Praktiken, einschließlich des Transfers öffentlicher Gelder und von Steuerhinterziehung, zu unterbinden, die volle Unabhängigkeit der künftigen Mitglieder der Nationalen Korruptionsbekämpfungseinrichtung sicherzustellen und die internationale Gemeinschaft über die Mechanismen der Vereinten Nationen und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption um technische Unterstützung zu ersuchen, um sowohl Transparenz als auch uneingeschränkte Rechenschaftspflicht gegenüber der libanesischen Bevölkerung zu gewährleisten; weist darauf hin, dass die EU, die Weltbank und die Vereinten Nationen die Schaffung einer unabhängigen und transparenten Justiz, die Verabschiedung moderner Rechtsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Verabschiedung einer Strategie zur Korruptionsbekämpfung gefordert haben, und prangert die Untätigkeit der aufeinanderfolgenden libanesischen Regierungen in den vergangenen Jahren an;
10. betont, dass die Hisbollah und andere Gruppierungen eine besondere Verantwortung für die Unterdrückung der libanesischen Volksbewegung im Jahr 2019 und die politische und wirtschaftliche Krise des Libanon tragen; fordert alle externen Mächte auf, sich nicht in interne Angelegenheiten des Libanon einzumischen, und fordert, dass die Souveränität und die politische Unabhängigkeit des Landes geachtet werden; fordert alle politischen Gruppierungen in der Regierung nachdrücklich auf, das Sektierertum zu beenden und ohne Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit oder der ethnischen Zugehörigkeit grundlegende Reformen für alle im Libanon lebenden Menschen durchzuführen;
11. ist zutiefst besorgt darüber, dass angesichts der jüngsten und anhaltenden Spannungen an der Südgrenze des Libanon nach wie vor keine Fortschritte im Hinblick auf einen dauerhaften Waffenstillstand und andere wesentliche Bestimmungen der Resolution 1701 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erzielt wurden; bekräftigt seine vollumfängliche Unterstützung für die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und politische Unabhängigkeit des Libanon im Einklang mit der vor kurzem verabschiedeten Resolution 2591 (2021) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen; verweist auf den Standpunkt der EU, dass die einschlägigen Resolutionen 1559 (2005) und 1701 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen uneingeschränkt eingehalten werden müssen;
12. fordert die internationale Gemeinschaft auf, die notwendige finanzielle Unterstützung bereitzustellen, damit die libanesischen Streitkräfte und die internen Sicherheitskräfte ihre wesentliche Funktion der Verhinderung eines weiteren Zusammenbruchs staatlicher Einrichtungen, der Sicherstellung humanitärer Hilfe und der Wahrung von Sicherheit und Stabilität erfüllen können, während gleichzeitig das Recht auf Protest und auf freie Meinungsäußerung gewahrt wird; bekräftigt, dass die Rechenschaftspflicht von Bediensteten des öffentlichen Dienstes von grundlegender Bedeutung ist, und verurteilt jegliche Gewalt gegen Demonstranten;
13. fordert den EAD auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Liste der rechenschaftspflichtigen Behörden im Libanon vorzuschlagen; fordert den Einsatz gezielter Sanktionen auf der Grundlage des vom Rat am 30. Juli 2021 angenommenen Rahmens gegen alle Personen oder Einrichtungen, die die Kriterien dieses Rahmens erfüllen; betont, dass die Einführung gezielter Sanktionen für die Behinderung oder Untergrabung des demokratischen politischen Prozesses eine Option bleibt, die ausgeübt werden könnte, falls die verantwortlichen Akteure im Libanon die Reformen und die Korruptionsbekämpfung weiterhin blockieren; fordert alle EU-Mitgliedstaaten auf, in Bezug auf die neuen gezielten Sanktionen der EU gegen korrupte Führungspersonen und diejenigen, die für die Untergrabung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verantwortlich sind, sowie gegen deren Verbündete im Libanon ausnahmslos und uneingeschränkt zusammenzuarbeiten und diese Sanktionen zu stärken; fordert den EAD und den Rat nachdrücklich auf, dringend ausreichende Mittel bereitzustellen, damit der neue Mechanismus wirksam weiterentwickelt werden kann; fordert die EU-Mitgliedstaaten und ihre Partner wie das Vereinigte Königreich und die Schweiz auf, bei der Bekämpfung der mutmaßlichen Veruntreuung öffentlicher Gelder durch eine Reihe libanesischer Beamter zusammenzuarbeiten; schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten bei ihren nationalen Gerichten Gerichtsverfahren gegen die Eigentümer von unrechtmäßig erworbenem Kapital, das sich in ihrem Hoheitsgebiet befindet, einleiten und die Bemühungen um die Rückgabe der unrechtmäßig erworbenen Gelder an die libanesische Bevölkerung fördern;
14. weist darauf hin, dass das Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Libanesischen Republik einen politischen Dialog zwischen dem Parlament und dem neuen libanesischen Parlament auf der Grundlage der Einrichtung einer politischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen vorsieht, die, wenn die libanesischen Behörden dies wünschen, als zusätzlicher Rahmen dienen kann, um die vor kurzem gebildete Regierung zu unterstützen und die institutionelle Stagnation zu überwinden;
15. bekräftigt seine nachdrückliche Unterstützung für alle Menschenrechtsverteidiger im Libanon und ihre Arbeit; fordert die Zivilgesellschaft sowie die Sozial- und Wirtschaftspartner auf, ihre jeweilige Rolle im Rahmen eines nationalen Dialogs wahrzunehmen, indem sie ihre Bestrebungen zum Ausdruck bringen und Vorschläge für Frieden, Entwicklung und die Zukunft des Landes unterbreiten, und lobt die Initiativen lokaler Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft; ist zutiefst besorgt darüber, dass immer mehr Libanesen abwandern und in der Folge Fachkräfte verlorengehen, was sich auf die für den Wiederaufbau und die Erholung des Libanon wichtigen Humanressourcen und auf das demokratische Leben des Landes auswirkt;
16. fordert den Libanon auf, den notwendigen Schutz vor Zwangsarbeit zu gewährleisten, wie er im nationalen Arbeitsrecht und in den internationalen Menschenrechtsnormen, einschließlich der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, sowie im Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Hausangestellte (Nr. 189 von 2011) verankert ist, um gegen den ausbeuterischen Charakter des Kafala-Systems vorzugehen;
17. bekräftigt seine Unterstützung für die Entschlossenheit der EU, den Libanon bei seiner wirtschaftlichen Umstrukturierung und dem Wiederaufbau seiner Infrastruktur zu unterstützen; fordert die Kommission auf, die langfristigen Fonds zu reformieren und den Strategie- und Wiederaufbauplan für den Libanon im Rahmen der Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon im Rahmen des neuen „Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) – Europa in der Welt“ neu zu formulieren und die Finanzierung zusätzlicher potenzieller Partner in der Zivilgesellschaft in Betracht zu ziehen, insbesondere um durch erneuerbare Energien, u. a. Solarpaneele, dringende Lösungen für die Energieknappheit zu finden;
18. fordert, dass Artikel 534 des libanesischen Strafgesetzbuchs aufgehoben wird und allen Formen der rechtmäßigen und institutionellen Gewalt und Verfolgung von LGBTI-Personen ein Ende bereitet wird; fordert die Abschaffung anderer diskriminierender Rechtsvorschriften wie derjenigen, mit der palästinensischen Flüchtlingen dieselben Rechte wie anderen ausländischen Gebietsansässigen vorenthalten werden;
19. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Unterstützung für die libanesische Impfkampagne zu verstärken, die internationale Unterstützung benötigt, und die Gesundheitskrise im Libanon zu lindern; fordert Unterstützung für die Gehälter des Krankenhauspersonals und den Kauf von medizinischen Hilfsgütern;
20. bekräftigt seine enge Partnerschaft mit dem Libanon und seiner Bevölkerung, die in den gemeinsamen Werten Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte verankert ist; bekräftigt seine Unterstützung für die Entschlossenheit der EU, dem Libanon bei seiner wirtschaftlichen Umstrukturierung zu helfen; gedenkt der Opfer der Explosion im Hafen von Beirut; bekräftigt seine Solidarität mit und seine Unterstützung für die libanesische Zivilgesellschaft, insbesondere Journalisten und Hinweisgeber; fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Unterstützung des Wiederaufbaus und des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs des Libanon fortzusetzen und eine engere Zusammenarbeit mit den Organisationen der Zivilgesellschaft im Land aufzubauen und ihnen mehr Finanzmittel bereitzustellen;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der Arabischen Liga, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer sowie der Regierung und dem Parlament des Libanon zu übermitteln.
Medienfreiheit und weitere Verschlechterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zur Medienfreiheit und der weiteren Verschlechterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen (2021/2880(RSP))
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: „Charta“),
– gestützt auf Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– gestützt auf Artikel 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,
– unter Hinweis auf den begründeten Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates vom 20. Dezember 2017 zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen, der gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV vorgelegt wurde (COM(2017)0835),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten(1),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(2) („Verordnung über den an die Rechtsstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus“),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 zur öffentlichen Diskriminierung von und Hetze gegen LGBTI-Personen sowie zu LGBTI-freien Zonen(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. März 2021 zur Ausrufung der EU zum Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2020 zu den laufenden Anhörungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu Polen und Ungarn(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Oktober 2020 zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2020 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Juni 2021 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zur Festlegung von Leitlinien für die Anwendung der allgemeinen Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(10),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 30. September 2020 mit dem Titel „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2020)0580),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Juli 2021 mit dem Titel „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2021)0700),
– unter Hinweis auf das Schreiben der Menschenrechtskommissarin des Europarats vom 8. März 2021 an den Ministerpräsidenten Polens zu zwei Entwürfen von Gesetzen über die Medienbranche in Polen(11),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 2 EUV „die Werte, auf die sich die Union gründet, […] die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören“, sind;
B. in der Erwägung, dass das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Artikel 47 der Charta den Zugang zu einem unabhängigen Gericht erfordert; in der Erwägung, dass politische Einflussnahme auf die Justiz oder ihre Kontrolle und ähnliche Hindernisse für die Unabhängigkeit einzelner Richter häufig dazu führen, dass die Justiz ihrer Rolle als unabhängige Instanz zur Kontrolle der willkürlichen Machtausübung durch die Exekutive und die Legislative nicht gerecht werden kann;
C. in der Erwägung, dass die Medienfreiheit eine der Säulen und Garantien für eine funktionierende Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit ist; in der Erwägung, dass die Freiheit, der Pluralismus und die Unabhängigkeit der Medien sowie die Sicherheit von Journalisten wesentliche Bestandteile des Rechts auf freie Meinungsäußerung und auf Information verkörpern und für die demokratische Funktionsweise der EU und ihrer Mitgliedstaaten unentbehrlich sind; in der Erwägung, dass der Staat einen Rechts- und Regelungsrahmen annehmen sollte, mit dem die Entwicklung freier, unabhängiger und pluralistischer Medien gefördert wird;
D. in der Erwägung, dass Polen und einige andere Mitgliedstaaten noch nicht alle Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2018/1808 über audiovisuelle Mediendienste umgesetzt haben, insbesondere jene in Bezug auf die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde für den Medienmarkt;
E. in der Erwägung, dass die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle des Europarates im Jahr 2019 zu dem Schluss kam, dass die Unabhängigkeit der polnischen Medienaufsichtsbehörde Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Ernennungsverfahren und der Rechenschaftspflicht gegenüber dem Landesrundfunkrat (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji, KRRiT) aufwirft; in der Erwägung, dass die Informationsstelle auch zu dem Schluss kam, dass der Rat Nationaler Medien (Rada Mediów Narodowych, RMN) keine angemessenen Garantien für die funktionale Unabhängigkeit von politischen Parteien und der Regierung bietet(12);
F. in der Erwägung, dass im Februar 2021 ein Vorhaben zur Erhebung einer Werbesteuer vorgeschlagen und anschließend zurückgezogen wurde, weil die negativen Auswirkungen auf die Freiheit und Pluralität der Medien stark kritisiert worden waren; in der Erwägung, dass am 10. Februar 2021 etwa 45 private Medienunternehmen in Polen aus Protest gegen die vorgeschlagene Werbesteuer für 24 Stunden ihren Betrieb einstellten und stattdessen eine schwarze Titelseite bzw. Leitseite mit einem Slogan und einer Erklärung veröffentlichten und dass etwa 40 Unternehmen in einem offenen Brief an die polnische Staatsführung schrieben, dass einige in Polen tätige Medienunternehmen durch die neue Steuer geschwächt und möglicherweise zur Schließung gezwungen würden, wodurch das Publikum in seiner Auswahl eingeschränkt würde;
G. in der Erwägung, dass der polnische Sejm am 11. August 2021 für einen Gesetzesentwurf gestimmt hat, in dem vorgeschlagen wird, dass lediglich Unternehmen, die mehrheitlich im Eigentum von Unternehmen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum stehen, Sendelizenzen besitzen dürfen; in der Erwägung, dass dieser Gesetzesentwurf am 9. September 2021 vom polnischen Senat abgelehnt wurde, was angesichts der Möglichkeit des polnischen Sejm, diese Entscheidung zu überstimmen, nicht bedeutet, dass das Gesetzgebungsverfahren damit beendet ist;
H. in der Erwägung, dass der Gesetzesentwurf unmittelbar gegen TVN24, ein unabhängiges Medienunternehmen, das zur Discovery-Gruppe mit Sitz in den USA gehört, gerichtet ist; in der Erwägung, dass die Entscheidung über die Verlängerung der Lizenz von TVN24 in Polen noch aussteht, obwohl der Sender im Februar 2020 einen entsprechenden Antrag stellte; in der Erwägung, dass die Medienregulierungsbehörde Polens (KRRiT) ihre Entscheidung über eine neue Rundfunklizenz eigentlich vor Ablauf der derzeitigen Lizenz, d. h. vor dem 26. September 2021, treffen sollte;
I. in der Erwägung, dass die Discovery-Gruppe angesichts der Untätigkeit des KRRiT bei den niederländischen Behörden eine Rundfunklizenz für den Sender TVN24 beantragt und erhalten hat;
J. in der Erwägung, dass Polen in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen im Jahr 2015 noch auf Platz 18 lag und nun, im Jahr 2021, auf Platz 64 – seinen bislang schlechtesten Rang – zurückgefallen ist;
K. in der Erwägung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 7. Mai 2021 entschied, dass das Vorgehen der staatlichen Stellen bei der Ernennung eines Richters, der dem mit dem Fall des klagenden Unternehmens befassten Spruchkörper des Verfassungsgerichtshofs angehörte, zur Folge hatte, dass der Spruchkörper, der den Fall verhandelt hatte, kein „auf Gesetz beruhendes Gericht“ war und dass das dem Kläger zustehende „Recht auf ein faires Verfahren“ verletzt worden war(13);
L. in der Erwägung, dass der EuGH am 2. März 2021 urteilte, dass die aufeinanderfolgenden Änderungen des Gesetzes über den Landesjustizrat (Krajowa Rada Sądownictwa, KRS), die dazu führten, dass die wirksame gerichtliche Kontrolle der Entscheidungen des Landesjustizrats über die Vorlage von Vorschlägen an den Präsidenten für die Ernennung von Kandidaten für Richter am Obersten Gericht (Sąd Najwyższy) abgeschafft wurde, möglicherweise gegen Unionsrecht verstoßen(14);
M. in der Erwägung, dass der Ministerpräsident Polens am 29. März 2021 beim weithin umstrittenen und illegitimen Verfassungsgerichtshof einen Antrag eingereicht hat, er möge prüfen, ob die Bestimmungen des EUV in Bezug auf den Vorrang des Unionsrechts und einen wirksamen Rechtsschutz mit der Verfassung Polens vereinbar seien(15);
N. in der Erwägung, dass der EuGH auf Antrag der Kommission mit Beschluss vom 14. Juli 2021 einstweilige Anordnungen gemäß Artikel 279 AEUV hinsichtlich der Arbeitsweise der Disziplinarkammer (Izba Dyscyplinarna) des Obersten Gerichts Polens und der Aussetzung weiterer Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigen, getroffen hat(16);
O. in der Erwägung, dass der illegitime Verfassungsgerichtshof Polens am 14. Juli 2021 entschied, dass die einstweiligen Anordnungen des EuGH zur Struktur der Gerichte in Polen mit der Verfassung Polens unvereinbar sind(17);
P. in der Erwägung, dass der EuGH am 15. Juli 2021 in seinem Urteil in der Rechtssache C‑791/19(18) entschied, dass die Disziplinarordnung für Richter in Polen mit dem Unionsrecht unvereinbar ist;
Q. in der Erwägung, dass die Kommission Polen am 20. Juli 2021 ein Schreiben übermittelte, in dem sie alle Maßnahmen darlegt, die ergriffen wurden oder beabsichtigt sind, um der Anordnung des Gerichtshofs in vollem Umfang nachzukommen, sowie alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Urteil in vollem Umfang nachzukommen; in der Erwägung, dass die staatlichen Stellen Polens der Kommission am 16. August 2021 antworteten;
R. in der Erwägung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 22. Juli 2021 entschied, dass die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts kein „unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht“ ist und nicht der Norm eines „Rechts auf ein auf Gesetz beruhenden Gerichts“ entspricht, das in Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist; (19)
S. in der Erwägung, dass die Kommission am 7. September 2021 beschloss, ein Aufforderungsschreiben gemäß Artikel 260 Absatz 2 AEUV an Polen zu richten, weil Polen nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um in vollem Umfang dem Urteil des EuGH vom 15. Juli 2021 nachzukommen, in dem festgestellt wurde, dass das polnische Gesetz über die Disziplinarordnung für Richter mit dem Unionsrecht unvereinbar ist;
T. in der Erwägung, dass die Kommission den EuGH am 7. September 2021 ersuchte, Zwangsgelder gegen Polen zu verhängen, um zu erwirken, dass es den einstweiligen Anordnungen des Gerichtshofs vom 14. Juli 2021 hinsichtlich der Arbeitsweise der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts Polens und der Aussetzung weiterer Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigen, nachkommt;
U. in der Erwägung, dass der stellvertretende Justizminister Polens im Juni 2021 bekannt gab, die Regierungskoalition arbeite derzeit einen Entwurf eines Gesetzes aus, mit dem „LGBT-Propaganda“ verboten werden solle;
V. in der Erwägung, dass die Kommission am 14. Juli 2021 beschloss, Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und Polen einzuleiten, die sich auf die Gleichstellung und den Schutz der Grundrechte beziehen und insbesondere als Reaktion auf die Ausrufung von „von LGBT-Ideologie freien Zonen“ zu verstehen sind; in der Erwägung, dass die Dienststellen der Kommission in einem Schreiben vom September 2021(20) die Auffassung vertraten, dass die Wahrung des Grundsatzes des Diskriminierungsverbots bei der Ausführung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds nicht sichergestellt ist, und daher beschlossen, die Änderungen des Programms REACT-EU in Bezug auf die operationellen Regionalprogramme von fünf lokalen Gebietskörperschaften Polens auszusetzen;
W. in der Erwägung, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten in einer Eurobarometer-Blitzumfrage vom August 2021 der Aussage zustimmt, dass die EU den Mitgliedstaaten nur unter der Bedingung Mittel zur Verfügung stellen sollte, dass deren jeweilige Regierung das Rechtsstaatsprinzip und die demokratischen Grundsätze in die Tat umsetzt; in der Erwägung, dass der entsprechende Prozentsatz auch in Polen sehr hoch war (72 %)(21);
Medienfreiheit
1. weist darauf hin, dass das Europäische Parlament in seinen vorangegangenen Entschließungen seine Besorgnis über die zuvor angenommenen und neu vorgeschlagenen Änderungen des polnischen Mediengesetzes zum Ausdruck gebracht hat, mit denen die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zu einer regierungsnahen Einrichtung umgestaltet wird; weist erneut darauf hin, dass nach Artikel 54 der Verfassung Polens das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet und Zensur verboten ist;
2. kritisiert auf das Schärfste den vom Sejm angenommenen Gesetzesentwurf, der auch als „Lex TVN“ bezeichnet wird; ist der Ansicht, dass es sich dabei um einen Versuch handelt, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die kritische Inhalte verbreiten, und dass der Gesetzentwurf ein unmittelbarer Angriff auf den Medienpluralismus ist und zudem einen Verstoß gegen die in der Charta und den Verträgen verankerten Grundrechte, die Rechtsvorschriften über den Unionsbinnenmarkt, internationale Menschenrechtsnormen und das Handelsrecht – etwa die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste – darstellt; legt dem Sejm ausdrücklich nahe, den Beratungen über den Gesetzesentwurf im Senat und der anschließenden Ablehnung des Gesetzesentwurfs durch den Senat Rechnung zu tragen;
3. ist zutiefst besorgt über die weitere Verschlechterung der Medienfreiheit in Polen und die verschiedenen Reformen, die von der Regierungskoalition durchgeführt wurden, um die Vielfalt der Medien zu verringern und kritische Stimmen in den Medien weniger hörbar zu machen; erklärt sich zutiefst besorgt darüber, dass die Übernahme des Medienunternehmens Polska Press durch den staatlich kontrollierten Mineralölkonzern PKN Orlen noch vor dem endgültigen Ergebnis der Beschwerde des polnischen Bürgerbeauftragten gegen die Wettbewerbsbehörde bestätigt wurde; ist zutiefst besorgt über die Änderungen in den Redaktionen, die von der Leitung von PKN Orlen innerhalb des Medienunternehmens Polska Press bereits vorgenommen wurden, obwohl ein Rechtsmittel eingelegt wurde und noch anhängig ist, durch das PKN Orlen vorübergehend daran gehindert wird, seine Rechte als Anteilseigner auszuüben; verurteilt aufs Schärfste die Erklärungen von Amtsträgern von PKN Orlen, in denen das Gerichtsurteil als irrelevant abqualifiziert wurde(22);
4. erklärt sich zutiefst besorgt über die sich verschlechternde Lage in den öffentlichen Medien Polens und deren Versäumnis, ihren öffentlichen Auftrag zu erfüllen, der durch Pluralismus, Unparteilichkeit, Ausgewogenheit und Unabhängigkeit gekennzeichnet ist und eine rechtliche Verpflichtung nach Artikel 21 Absatz 1 des Rundfunkgesetzes von 1992 darstellt;
5. verurteilt aufs Schärfste die anhaltenden Verleumdungskampagnen in den öffentlichen Medien gegen Richter, Journalisten und Politiker, die gegenüber der derzeitigen Regierung kritisch eingestellt sind, wobei auch von Regierungsstellen, Amtsträgern der Regierung, staatlichen Unternehmen oder Personen mit engen Verbindungen zur Regierungskoalition angestrengte SLAPP-Klagen (strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung) Teil dieser Kampagnen sind; fordert die staatlichen Stellen Polens auf, in Zusammenarbeit mit Journalistenverbänden Übergriffe auf Journalisten sowie Gerichtsverfahren, mit denen unabhängige Medien ausgeschaltet oder eingeschüchtert werden sollen, zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten sowie den Zugang zu geeigneten Rechtsmitteln zu gewährleisten;
6. ist der Ansicht, dass bindende Unionsrechtsvorschriften, die unabhängigen Medien und Journalisten einen robusten und konsequenten Schutz vor schikanösen Klagen bieten, mit denen sie in der EU ausgeschaltet bzw. zum Schweigen gebracht oder eingeschüchtert werden sollen, dringend erforderlich sind, um dieser missbräuchlichen Praxis ein Ende zu setzen, und hebt hervor, dass das Europäische Parlament derzeit an einem Initiativbericht zum Thema SLAPP-Klagen arbeitet;
7. begrüßt die jüngste Initiative der Kommission, eine Empfehlung zur Wahrung der Sicherheit von Journalisten in der Europäischen Union zu veröffentlichen; fordert die Kommission auf, den Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit(23) unverzüglich vorzulegen;
8. fordert die Kommission auf, die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sicherzustellen, insbesondere im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Medienregulierungsbehörden, die Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich und die Medienkompetenz; fordert die Kommission auf, in Fällen, in denen die Mitgliedstaaten diese Bestimmungen zweckwidrig oder unvollständig umsetzen, konkret auf Vertragsverletzungsverfahren zurückzugreifen;
9. bekräftigt seine an die staatlichen Stellen Polens gerichtete Forderung, die Empfehlung des Europarates vom 13. April 2016 zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren(24) in vollem Umfang umzusetzen;
10. bekundet seine uneingeschränkte Unterstützung für die friedlichen Proteste gegen die von der Regierung Polens durchgeführten Reformen, durch die die Medienfreiheit in Polen weiter geschwächt wird;
Vorrang des Unionsrechts und Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen
11. begrüßt die jüngsten Initiativen der Kommission in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz; vertritt jedoch die Auffassung, dass rascheres Handeln, wie es vom Europäischen Parlament wiederholt gefordert worden war, dazu beigetragen hätte, die fortgesetzte Aushöhlung der Unabhängigkeit der Justiz in Polen zu verhindern; bekräftigt seine an die Kommission gerichtete Forderung, Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften über den illegitimen Verfassungsgerichtshof und dessen unrechtmäßige Zusammensetzung, die Kammer für außerordentliche Kontrolle des Obersten Gerichts und den Landesjustizrat einzuleiten;
12. ist zutiefst besorgt darüber, dass die staatlichen Stellen Polens unlängst vorsätzlich und systematisch gegen Urteile und Anordnungen des EuGH im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben; fordert die staatlichen Stellen Polens auf, die verschiedenen Urteile des EuGH und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf die Zusammensetzung und Organisation des illegitimen Verfassungsgerichtshofs und der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts zu befolgen, um die Normen der richterlichen Unabhängigkeit zu erfüllen, wozu Polen sich verpflichtet hat;
13. verurteilt erneut die Praxis der Verfolgung und Schikanierung von Richtern, die der Regierung Polens kritisch gegenüberstehen; fordert die Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Zusammensetzung auf, sämtliche Tätigkeiten und die Behandlung sämtlicher Rechtssachen, einschließlich noch anhängiger Fälle, einzustellen und alle Richter, die von dieser Kammer ihres Amtes enthoben wurden, wieder in ihr Amt einzusetzen, auch die Richter, die weiterhin daran gehindert werden, Urteile zu sprechen, obwohl sie bei einem Gericht erfolgreich Berufung gegen ihre Suspendierung durch die Kammer eingelegt haben, da die endgültigen Berufungsurteile in der Folge von den Präsidenten der Gerichte, an denen diese Richter tätig sind, nach wie vor nicht beachtet werden;
14. fordert, dass die Ämter des Generalstaatsanwalts und des Justizministers gemäß den Empfehlungen der Venedig-Kommission getrennt werden(25); hebt die Stellungnahme des Generalanwalts des EuGH in der anhängigen Rechtssache hervor und fordert die Kommission auf, sich schon im Vorfeld stärker für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Dienststellen der Staatsanwaltschaft einzusetzen;
15. bekräftigt die grundlegende Bedeutung des Vorrangs des Unionsrechts als Eckpfeiler des Unionsrechts im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH; weist erneut darauf hin, dass alle Mitgliedstaaten übereingekommen sind, dem Vertrag von Lissabon eine Erklärung zum Vorrang beizufügen; weist darauf hin, dass die Wirkungen dieses Grundsatzes für alle Organe eines Mitgliedstaats bindend sind und dass dies auch durch innerstaatliche Rechtsvorschriften einschließlich verfassungsrechtlicher Bestimmungen nicht verhindert werden kann; verurteilt sämtliche Versuche, diesen Grundsatz auszuhöhlen;
16. fordert den Ministerpräsidenten Polens auf, den Vorrang des Unionsrechts vor innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht infrage zu stellen und seinen bei dem illegitimen Verfassungsgerichtshof anhängigen Antrag zurückzuziehen, die Verfassungsmäßigkeit bestimmter Teile der EU-Verträge zu überprüfen;
17. fordert den Generalstaatsanwalt auf, seinen bei dem illegitimen Verfassungsgerichtshof anhängigen Antrag im Zusammenhang mit der Verfassungsmäßigkeit von Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention zurückzuziehen;
18. fordert die Kommission auf, die Überwachung aller bereits ermittelten Probleme fortzusetzen und einstweilige Anordnungen zu beantragen, wenn der EuGH mit Fällen im Bereich der Justiz befasst wird, und die Verhängung von Zwangsgeldern zu beantragen, wenn Urteilen des EuGH nicht nachgekommen wird;
Weitere Bewertung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen
19. bedauert, dass es seit seiner Entschließung vom 17. September 2020 keinerlei Fortschritte gab und sich die Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen verschlechtert hat und dass die Regierung Polens den darin enthaltenen Empfehlungen nicht Rechnung getragen hat; bekräftigt diese Empfehlungen;
20. nimmt zur Kenntnis, dass Polen und andere an Belarus angrenzende Mitgliedstaaten den Notstand verhängt haben; nimmt mit Besorgnis die humanitäre Lage an der Grenze zur Kenntnis und verurteilt den Versuch der belarussischen Staatsorgane, Migranten und Asylbewerber als politisches Druckmittel und hybride Bedrohung gegen Polen und andere Mitgliedstaaten als Reaktion auf deren Unterstützung für die demokratische Opposition in Belarus zu instrumentalisieren; fordert eine einheitliche Reaktion der EU, um hier Abhilfe zu schaffen; fordert die staatlichen Stellen Polens und der anderen betroffenen Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass das Asyl- und Rückführungsrecht der EU und die internationalen Menschenrechtsnormen auch während des Notstands uneingeschränkt geachtet werden, wozu auch der Zugang zu Asyl und der Zugang von Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft zum Grenzgebiet gehören, und die Leitlinien des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Gremien des Europarats zu berücksichtigen; fordert die Kommission als Hüterin der Verträge auf, für die Einhaltung des geltenden Unionsrechts Sorge zu tragen; fordert die anderen Mitgliedstaaten auf, Solidarität unter Beweis zu stellen und den betroffenen Mitgliedstaaten Unterstützung zu leisten, auch durch Umsiedlung der Asylbewerber;
21. bekräftigt seine in seinen Entschließungen zum Ausdruck gebrachte tiefe Besorgnis über die Versuche der Kriminalisierung der Sexualerziehung in Polen und beharrt darauf, dass eine altersgerechte und nachweisgestützte umfassende Sexual- und Beziehungserziehung von entscheidender Bedeutung ist, um jungen Menschen die Kompetenzen zu vermitteln, die nötig sind, um gesunde, gleichberechtigte, fürsorgliche und sichere Beziehungen einzugehen, die frei von Diskriminierung, Zwang und Gewalt sind;
22. ist beunruhigt über die vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes über die Bildung und bestimmter anderer Gesetze sowie über die angenommenen Änderungen der Verordnung über die Lehraufsicht vom 1. September 2021(26), durch die die Autonomie in der Bildung eingeschränkt würde, indem Befugnisse von der kommunalen Ebene auf zentrale Behörden übertragen, die Kontrolle über die Schulleitung ausgeübt und die Kontrolle nichtstaatlicher Organisationen, die an der Schulbildung mitwirken, verschärft würden;
23. bekräftigt seine tiefe Besorgnis über die Angriffe auf die Rechte der Frauen in Polen, insbesondere über die Rückschläge im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte von Frauen nach dem Urteil des illegitimen Verfassungsgerichtshofs, das am 27. Januar 2021 im Amtsblatt (Dziennik Ustaw) veröffentlicht wurde;
24. begrüßt die Ernennung eines neuen polnischen Beauftragten für Bürgerrechte im Juli 2021, nachdem die Amtszeit seines Vorgängers im September 2020 abgelaufen war;
25. ist besorgt darüber, dass der Rat seit Dezember 2018 nur eine Anhörung nach Artikel 7 Absatz 1 zur Rechtsstaatlichkeit in Polen abgehalten hat; fordert den Rat nachdrücklich auf, konkrete Empfehlungen an Polen zu richten, wie in Artikel 7 Absatz 1 EUV vorgesehen, und Fristen für die Umsetzung dieser Empfehlungen zu setzen; fordert den derzeitigen Ratsvorsitz und die künftigen Ratsvorsitze auf, die Anhörungen zu Polen auf der Tagesordnung des Rates zu belassen; ist besorgt über die Haltung der aufeinanderfolgenden Ratsvorsitze, dem zuständigen Ausschuss im Europäischen Parlament nicht länger über die Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 Bericht zu erstatten, und fordert den Rat nachdrücklich auf, die Berichterstattung so bald wie möglich wieder aufzunehmen;
26. fordert den Rat und die Kommission erneut auf, den Umfang der Anhörungen nach Artikel 7 Absatz 1 EUV auszuweiten, um auch Angelegenheiten im Zusammenhang mit den Grundrechten und der Demokratie zu behandeln und neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen und die Risiken von Verletzungen der Unabhängigkeit der Justiz, des Rechts auf freie Meinungsäußerung einschließlich der Medienfreiheit, der Freiheit der Kunst und der Wissenschaft, der Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Gleichbehandlung – wie vom Europäischen Parlament gefordert – zu bewerten;
27. begrüßt die von der Kommission unternommenen Schritte im Zusammenhang damit, dass einige lokale und regionale Gebietskörperschaften in Polen „von LGBT-Ideologie freie Zonen“ ausgerufen haben, zumal dieses Vorgehen mit den Werten der Union unvereinbar ist, und im Zusammenhang damit, dass das Diskriminierungsverbot bei der Durchführung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds von großer Bedeutung ist; fordert die Kommission auf, in Vertragsverletzungsverfahren auf sämtliche Rechtsgründe zurückzugreifen; fordert die gesamtstaatlichen Stellen sowie die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten auf, jegliche Zusammenarbeit mit den polnischen Gebietskörperschaften einzustellen, die „von LGBT-Ideologie freie Zonen“ ausgerufen haben; fordert die Kommission auf, Anträge auf Finanzierung durch die EU, die von Gebietskörperschaften gestellt werden, die derartige Entschließungen angenommen haben, auch künftig abzulehnen und zu prüfen, wie der Schutz der Endbegünstigten und die Kontinuität ihrer Arbeit sichergestellt werden können, unter anderem dadurch, Alternativen zu regionalen Verwaltungsdienststellen in Betracht zu ziehen, etwa durch die direkte Vergabe von Finanzhilfen an Organisationen der Zivilgesellschaft, die hinsichtlich ihrer Tätigkeit von EU-Mitteln abhängig sind;
28. verurteilt aufs Schärfste, dass SLAPP-Klagen auch gegen Personen eingesetzt werden, die bürgerschaftliches Engagement zeigen und gegen die Entschließungen, in denen eine von der sogenannten LGBTI-Ideologie freie Zone ausgerufen wurde, und gegen die „Regionalen Chartas der Familienrechte“ vorgehen und die Öffentlichkeit entsprechend darüber informieren;
29. bekräftigt seinen Standpunkt zu der Verordnung über den an die Rechtstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus, die am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist und in ihrer Gesamtheit in der Europäischen Union und in allen ihren Mitgliedstaaten für sämtliche Mittel des EU-Haushalts gilt, einschließlich der Mittel, die seither im Rahmen des Aufbauinstruments der EU zugewiesen wurden;
30. weist darauf hin, dass die Verordnung über den an die Rechtstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus eine eindeutige Definition der Rechtsstaatlichkeit enthält, die im Zusammenhang mit den anderen Werten der Union, einschließlich der Grundrechte und des Diskriminierungsverbots, zu verstehen ist; bekundet seine Enttäuschung über die Antwort der Kommission in ihrem Schreiben vom 23. August 2021 an das Europäische Parlament; fordert die Kommission auf, das Verfahren gegen Polen gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung über die Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit umgehend einzuleiten;
31. bringt seine schwerwiegende Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass der Entwurf des Aufbau- und Resilienzplans Polens weder mit der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität(27) noch mit der Charta im Einklang steht; fordert die Kommission und den Rat auf, jede im Entwurf des Aufbau- und Resilienzplans Polens skizzierte Maßnahme sorgfältig zu analysieren und den Plan nur dann zu billigen, wenn festgestellt wurde, dass die staatlichen Stellen Polens sämtliche Urteile des EuGH – insbesondere bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz – umgesetzt haben, und wenn mit dem Plan nicht bewirkt würde, dass mit Mitteln aus dem Unionshaushalt aktiv zu Verstößen gegen die Grundrechte in Polen beigetragen wird;
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32. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Rat, der Kommission, dem Ausschuss der Regionen und dem Europarat zu übermitteln.
Cappello, M. (Hrsg.): The independence of media regulatory authorities in Europe, IRIS Special, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Straßburg 2019.
Poland: Purge of editors begins despite court ruling suspending purchase of Polska Press (Polen: Säuberung in den Redaktionen beginnt, obwohl der Erwerb von Polska Press per Gerichtsurteil ausgesetzt ist), International Press Institute, 30. April 2021.
Empfehlung CM/Rec (2016)4 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren.
Verbesserung von Transparenz und Integrität in den Organen der EU durch die Einsetzung eines unabhängigen Ethikgremiums der EU
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. September 2021 zu der Verbesserung von Transparenz und Integrität in den Organen der EU durch die Einsetzung eines unabhängigen Ethikgremiums der EU (2020/2133(INI))
– unter Hinweis auf die politischen Leitlinien für die nächste Europäische Kommission 2019–2024, die am 10. September 2019 vorgelegt wurden,
– unter Hinweis auf das Mandatsschreiben der Kommissionspräsidentin vom 1. Dezember 2019 an Věra Jourová, designierte Vizepräsidentin mit Zuständigkeit für Werte und Transparenz,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. September 2017 zu Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Organen(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2020 zur Bestandsaufnahme zu den Wahlen zum Europäischen Parlament(2),
– gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere die Artikel 9, 10, 13, 14, 15, 16 und 17,
– gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere die Artikel 223 Absatz 2, 245 und 295,
– unter Hinweis auf den dem Beschluss des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments (im Folgenden „der Wahlakt“) in der geänderten Fassung,
– unter Hinweis auf den Entwurf einer Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über ein verbindliches Transparenzregister,
– unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr. 13/2019 des Europäischen Rechnungshofs zum Ethikrahmen der geprüften EU-Organe,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zum Sonderbericht Nr. 13/2019 des Europäischen Rechnungshofs,
– gestützt auf seinen Beschluss vom 28. September 2005 zur Annahme des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments (2005/684/EG, Euratom)(3),
– gestützt auf die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments, insbesondere auf die Artikel 2, 10 und 11, Artikel 176 Absatz 1, Anhang I, Artikel 1 bis 3, Artikel 4 Absatz 6, Artikel 5 und 6 sowie Anhang II,
– unter Hinweis auf die Jahresberichte des Beratenden Ausschusses zum Verhalten von Mitgliedern,
– unter Hinweis auf die Jahresberichte über die Anwendung des Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission, einschließlich der Stellungnahmen des unabhängigen Ethikausschusses,
– unter Hinweis auf die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten in der gemeinsamen Untersuchung der Beschwerden 194/2017/EA, 334/2017/EA und 543/2017/EA über den Umgang der Kommission mit der Beschäftigung ehemaliger Kommissionsmitglieder und eines ehemaligen Kommissionspräsidenten nach Ablauf ihres Mandats sowie über die Rolle des Ethikausschusses der Kommission,
– unter Hinweis auf die Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) des Europarats und verschiedener nichtstaatlicher Organisationen,
– gestützt auf das Statut der Beamten der Europäischen Union und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union, insbesondere auf die Artikel 11 11a, 12, 12a, 12b, 13, 15, 16, 17, 19, 21a, 22a, 22c, 24, 27 und 40,
– unter Hinweis auf die Zuständigkeiten des Rechtsausschusses des Europäischen Parlament gemäß Anlage VI seiner Geschäftsordnung,
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Rechtsausschusses, des Haushaltskontrollausschusses, des Ausschusses für Wirtschaft und Währung und des Petitionsausschusses,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A9-0260/2021),
A. in der Erwägung, dass im EUV festgelegt ist, dass die „Union […] den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen und Bürger [achtet], denen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit seitens der Organe […] zuteil wird“; in der Erwägung, dass dies bedeutet, dass öffentliche Entscheidungen im Interesse des Gemeinwohls getroffen werden;
B. in der Erwägung, dass mit den Verträgen ein System der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Organen der Union geschaffen wurde, das jedem Organ seine eigene Rolle im institutionellen Gefüge der Union und bei der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben zuweist;
C. in der Erwägung, dass zwar alle EU-Organe das Recht auf Organisationshoheit haben, aber gleichzeitig die höchsten Standards der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erfüllen müssen;
D. in der Erwägung, dass der EUV und der AEUV einen europäischen Ordnungsrahmen auf der Grundlage der Gewaltenteilung vorgeben, in dem für jedes Organ eigene Rechte und Pflichten festgelegt sind;
E. in der Erwägung, dass die Unabhängigkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht der öffentlichen Institutionen und ihrer gewählten Vertreter sowie der Mitglieder und Bediensteten der Kommission von größter Bedeutung für die Förderung des Vertrauens der Bürger sind, das für die rechtmäßige Funktionsweise demokratischer Institutionen erforderlich ist;
F. in der Erwägung, dass die für die EU-Organe geltenden ethischen Standards in vielerlei Hinsicht den für die entsprechenden nationalen Organe geltenden Standards voraus sind, aber bislang nicht in zufriedenstellender Weise durchgesetzt worden sind;
G. in der Erwägung, dass die Durchsetzung des ethischen Rahmens verbessert werden könnte;
H. in der Erwägung, dass das Vertrauen der Bürger in öffentliche Einrichtungen und Entscheidungsprozesse ein Grundpfeiler jeder demokratischen Regierung ist und Vorbildcharakter, Integrität, Transparenz, Rechenschaftspflicht sowie höchste Standards für ethisches Verhalten erfordert;
I. in der Erwägung, dass das Unterlassen unzulässiger Beeinflussung durch Interessenvertreter – unter anderem durch vergütete Tätigkeiten für Mitglieder des Europäischen Parlaments, Geschenke oder Reiseeinladungen, das Wecken von Erwartungen im Hinblick auf eine künftige Beschäftigung nach Beendigung des parlamentarischen Mandats oder der Beendigung des Dienstverhältnisses von Beamten und die unzulässige Nutzung von Informationen oder Kontakten – ausschlaggebend ist, damit sichergestellt ist, dass demokratische Prozesse nicht von privaten Interessen unterwandert und die Rechte der Bürger in vollem Umfang geachtet werden;
J. in der Erwägung, dass die Mängel des derzeitigen Ethikrahmens der EU weitgehend darauf zurückzuführen sind, dass er auf einem selbstregulierenden Ansatz beruht, dass es kein EU-Strafrecht gibt und dass nur unzureichende Ressourcen und Befugnisse zur Überprüfung von Informationen vorhanden sind; in der Erwägung, dass jede Weiterentwicklung des Ethikrahmens der EU auf einer klaren Rechtsgrundlage beruhen muss und dabei die in den Verträgen festgelegte Gewaltenteilung geachtet werden muss; in der Erwägung, dass die Schaffung eines unabhängigen Ethikgremiums dazu beitragen könnte, das Vertrauen in die EU-Organe und deren demokratische Legitimität zu stärken;
K. in der Erwägung, dass infolgedessen Fälle problematischen Verhaltens aufgetreten sind; in der Erwägung, dass alle Fälle von unethischem Verhalten und der unsachgemäße Umgang damit durch die EU-Organe das Vertrauen der europäischen Bürger in die Organe gefährden und stark dazu beitragen, dem Ruf der Europäischen Union zu schaden;
L. in der Erwägung, dass insbesondere das Phänomen des sogenannten „Drehtüreffekts“ dramatisch zunimmt; in der Erwägung, dass viele Kommissionsmitglieder und ein Drittel der Mitglieder des Europäischen Parlaments in der Legislaturperiode 2014 bis 2019 von Organisationen angeworben wurden, die im Europäischen Transparenzregister eingetragen sind; in der Erwägung, dass dieses Phänomen die Gefahr von Interessenkonflikten mit den rechtmäßigen Zuständigkeitsbereichen der Mitgliedstaaten und der EU-Organe, die Gefahr der Offenlegung oder des Missbrauchs von vertraulichen Informationen sowie Risiken, dass ehemalige Mitarbeiter ihre engen persönlichen Kontakte und Freundschaften mit früheren Kollegen für Lobbyingaktivitäten nutzen, birgt.
M. in der Erwägung, dass die derzeitigen Rahmen für ethische Standards auf EU-Ebene auf die Besonderheiten der einzelnen Organe und Einrichtungen der EU zugeschnitten sind, was dazu führt, dass selbst in Bezug auf dasselbe Statut der Beamten der EU in den verschiedenen Organen, Agenturen und Einrichtungen der EU unterschiedliche Verfahren und Durchsetzungsniveaus zur Anwendung kommen, wodurch ein komplexes System entstanden ist, das sowohl für die Unionsbürger als auch für diejenigen, die die Vorschriften einhalten müssen, schwer zu verstehen ist;
N. in der Erwägung, dass der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht Nr. 13/2019 darauf hingewiesen hat, dass es in vielen Bereichen gute Gründe für harmonisierte Ansätze für den Umgang mit ethischen Fragen innerhalb der EU-Organe gibt; in der Erwägung, dass sowohl die Europäische Bürgerbeauftragte als auch der Europäische Rechnungshof wiederholt auf schwerwiegende Versäumnisse in den EU-Organen hingewiesen haben, was deren Strategien zur Verhinderung von Interessenkonflikten anbelangt; in der Erwägung, dass sowohl die Bürgerbeauftragte als auch der Rechnungshof spezifische Bedenken hinsichtlich des Nichtvorhandenseins eines gemeinsamen ethischen Rahmens der EU mit klaren Verfahren und Meldekanälen geäußert haben; in der Erwägung, dass dieses Problem insbesondere die Arbeit der Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat betrifft, der sich mit Interessenkonflikten auf hoher Ebene, Drehtüreffekten und Transparenzvorschriften befassen muss; in der Erwägung, dass die ethischen Vorschriften der EU nicht mit den OECD-Leitsätzen für die Bewältigung von Interessenkonflikten im öffentlichen Dienst im Einklang stehen;
O. in der Erwägung, dass das Beispiel der „Haute Autorité pour la Transparence de la Vie Publique“ in Frankreich zeigt, dass ein zentrales und unabhängiges Gremium, das für die Überwachung und Durchsetzung der für öffentliche Einrichtungen geltenden Ethikregeln und die Sanktionierung ihrer Nichteinhaltung zuständig ist, ein wirkungsvolles und schlagkräftiges Instrument ist, um unethisches Verhalten dauerhaft einzudämmen;
P. in der Erwägung, dass das Gleichgewicht zwischen den den Organen zugewiesenen Befugnissen eine grundlegende Garantie ist, die die Verträge den Unionsbürgern zuspricht;
Q. in der Erwägung, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erarbeitete Meroni-Doktrin die Übertragung von Zuständigkeiten der EU-Organe an externe Einrichtungen ermöglicht, auch von Zuständigkeiten, die noch nicht wahrgenommen werden; in der Erwägung, dass nach Ansicht des EuGH jede Übertragung von Befugnissen begrenzt sein muss und sich nur auf klar definierte Befugnisse beziehen kann, deren Ausübung vollständig der Kontrolle der übertragenden Einrichtungen unterliegen muss und keine Ermessensbefugnis betreffen kann, die eine politische Beurteilung beinhaltet, damit das Gleichgewicht der Befugnisse zwischen den Organen nicht gefährdet wird;
R. in der Erwägung, dass nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung die Organe Befugnisse, die sie nicht selbst haben – etwa, wenn diese Befugnisse durch die Verträge dem Rechnungshof übertragen wurden oder bei den Mitgliedstaaten verblieben sind –, nicht im Wege einer interinstitutionellen Vereinbarung übertragen können;
S. in der Erwägung, dass die Mitglieder des Rechtsausschusses im Zusammenhang mit der Prüfung eventueller Interessenkonflikte bei den designierten Kommissionsmitgliedern im Jahr 2019 auf erhebliche Grenzen des derzeitigen Verfahrens hingewiesen haben; in der Erwägung, dass diese Grenzen den begrenzten Zugang zu Informationen, die mangelnde Zeit für die Prüfung, die fehlenden Untersuchungsbefugnisse und die mangelnde Unterstützung durch Sachverständige umfassen; in der Erwägung, dass nach Artikel 17 Absatz 3 EUV die Mitglieder der Europäischen Kommission „unter Persönlichkeiten ausgewählt [werden], die volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten“;
T. in der Erwägung, dass der bestehende strenge Ethikrahmen für Kommissionsmitglieder weiterentwickelt werden muss, um bestehende Rechtslücken wie das Fehlen eines Statuts der Kommissionsmitglieder zu schließen; in der Erwägung, dass dieser Prozess eng mit der parlamentarischen Kontrolle und Aufsicht verbunden ist; in der Erwägung, dass ein Statut der Kommissionsmitglieder gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ausgearbeitet werden muss und die Kommission einen Vorschlag vorlegen sollte;
U. in der Erwägung, dass sich alle Spitzenkandidaten bei der Europawahl 2019 für die Schaffung eines für alle Organe der EU zuständigen unabhängigen Ethikgremiums ausgesprochen haben; in der Erwägung, dass sich die Präsidentin der Kommission hierfür in ihren politischen Leitlinien ausgesprochen hat;
V. in der Erwägung, dass die Freiheit des Mandats der Mitglieder des Europäischen Parlaments im Interesse der Bürger ist, die sie vertreten;
W. in der Erwägung, dass eine der im EUV festgelegten Hauptfunktionen des Parlaments darin besteht, eine politische Kontrolle auszuüben;
X. in der Erwägung, dass die Mitarbeiter in den Organen unter das Statut der Beamten der Europäischen Union und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union fallen;
1. ist der Ansicht, dass ein einziges unabhängiges Ethikgremium der EU die kohärente und vollständige Umsetzung der Ethikstandards in allen Organen der EU besser sicherstellen könnte, damit öffentliche Entscheidungen im Hinblick auf das Gemeinwohl und das Vertrauen der Bürger in die EU-Organe getroffen werden; schlägt vor, dass eine interinstitutionelle Vereinbarung (IIV) auf der Grundlage von Artikel 295 AEUV geschlossen wird, mit der ein unabhängiges Ethikgremium der EU für das Parlament und die Kommission geschaffen werden soll, das allen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU offensteht, und dass dieses Gremium auch den teilnehmenden Organen, Agenturen und Einrichtungen Schulungen und aktive Orientierungshilfen bietet;
Grundsätze
2. ist der Auffassung, dass bei den Bestimmungen dieser IIV die folgenden Bestimmungen und Grundsätze beachtet werden müssen:
a)
der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, sodass die effiziente und wirksame Nutzung der Mittel der Union sichergestellt ist,
b)
der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und der Grundsatz der Gewaltenteilung,
c)
die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten, wie in Artikel 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt,
d)
die Rechtsstaatlichkeit und wesentliche europäische Grundsätze wie die Unschuldsvermutung, der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit,
e)
das Abgeordnetenstatut und insbesondere die in Artikel 2 dieses Statuts verankerte Mandatsfreiheit,
f)
keine Überschneidungen mit der oder Eingriffe in die Arbeit des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), des Europäischen Bürgerbeauftragten, des Europäischen Rechnungshofes oder des EuGH,
g)
das Untersuchungsrecht des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 226 AEUV;
3. ist der Ansicht, dass sich das Gremium im Rahmen seiner Aufgaben, auch in Bezug auf die Überwachung und Untersuchung, auf die bestehenden Befugnisse der Organe, ihre Mitglieder um Informationen zu ersuchen, oder auf die Zustimmung der nationalen Behörden zum Austausch von Informationen stützen sollte; betont, dass der Präsident des Parlaments, das Kollegium der Kommission oder die jeweilige Behörde eines teilnehmenden Organs bis zu einer möglichen Überarbeitung der Vorschriften für die endgültige Beschlussfassung zuständig bleiben werden;
4. ist der Ansicht, dass das von dem unabhängigen Ethikgremium der EU angewandte Verfahren ein angemessenes Maß an Transparenz sicherstellen und gleichzeitig die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Verfahrensgarantien schützen sollte, und dass die IIV Verfahrensregeln und ein angemessenes Datenschutzprotokoll enthalten sollte, in denen auf den bestehenden Besitzstand der Grundsätze der bestehenden Ethikgremien der EU sowie auf die gemeinsamen Werte der EU (Artikel 2 EUV), das Recht des Betroffenen auf Anhörung und Einlegung von Rechtsmitteln, die Verpflichtung zur Zusammenarbeit und die Veröffentlichungspflichten Bezug genommen wird;
Zuständigkeitsbereich und Mandat
5. ist der Ansicht, dass dem neuen Ethikgremium der EU eine Liste vereinbarter Aufgaben übertragen werden sollte, um im Einklang mit den geltenden Vorschriften Regeln für das ethische Verhalten von Kommissionsmitgliedern, Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Bediensteten der teilnehmenden Organe vor, während und in einigen Fällen nach Ablauf ihrer Amts- bzw. Dienstzeit vorzuschlagen und darüber zu beraten, darunter:
a)
das Statut der Abgeordneten des Europäischen Parlaments (Artikel 2 und 3),
b)
die Geschäftsordnung des Parlaments (Artikel 2, 10 (Absätze 5, 6 und 7) und 11, Artikel 176 Absatz 1, Anhang I (Artikel 1 bis 8) und Anhang II),
c)
die Geschäftsordnung der Kommission (Artikel 9), ihr Verhaltenskodex (Artikel 2 bis 13 und Anhang II), ihr Beschluss vom 25. November 2014 über die Veröffentlichung von Informationen über Treffen zwischen Kommissionsmitgliedern und Organisationen oder selbstständigen Einzelpersonen sowie der gleiche Beschluss für ihre Generaldirektoren,
d)
Artikel 11, 11a, 12, 12a, 12b, 13, 15, 16, 17, 19, 21a, 22, 22a, 22c, 24, 26, 27, 40, 43, 86, 90, 91a und Anhang IX des Statuts der Beamten und der Beschäftigungsbedingungen der sonstigen Bediensteten, die sinngemäß für das gesamte Personal der Agenturen gelten, wenn sie die IIV unterzeichnet haben,
e)
die IIV über ein verbindliches Transparenzregister;
6. ist der Ansicht, dass die Vereinbarung für die Mitglieder und die Bediensteten der teilnehmenden Organe im Einklang mit den geltenden Bestimmungen vor, während und nach ihrer Amts- bzw. Dienstzeit gelten sollte; ist der Ansicht, dass dies für Mitglieder des Parlaments, Kommissionsmitglieder und alle EU-Bediensteten, die in den Anwendungsbereich des Statuts fallen, gelten sollte;
7. weist darauf hin, dass die Zuständigkeit für Personen, die unter das Statut fallen, an das unabhängige Ethikgremium der EU delegiert werden könnte, indem von den Ermächtigungsklauseln in Artikel 2 Absatz 2 und/oder Artikel 9 Absatz 1 Gebrauch gemacht wird, und dass sie die Überwachung und Durchsetzung der berufsethischen Pflichten betreffen würde, während berufliche Pflichten weiterhin von den Anstellungsbehörden durchgesetzt werden;
8. beharrt darauf, dass die IIV allen Organen und Einrichtungen der EU offenstehen sollte; weist darauf hin, dass die beiden gesetzgebenden Organe beschließen können, die Agenturen im Rahmen ihrer Gründungsverordnung daran zu binden; ist der Ansicht, dass die IIV es dem Ethikgremium ermöglichen sollte, Informationen mit den nationalen Behörden auszutauschen, wenn dies für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, wobei diese Informationen – beispielsweise Steuerinformationen, Eintragungen in Grundbüchern und Daten nationaler Ethikgremien – mit dem gleichen Maß an Vertraulichkeit behandelt werden sollten wie durch die offenlegende Behörde, und bewährte Verfahren auszuloten und eine Begutachtung durch Fachkollegen in Anspruch zu nehmen; ist der Ansicht, dass das unabhängige Ethikgremium – unbeschadet der in Absatz 2 dargelegten allgemeinen Grundsätze und sofern dies für die Erfüllung seiner Aufgaben relevant ist – die Möglichkeit haben sollte, im Rahmen ihrer jeweiligen Mandate mit den einschlägigen EU-Organen wie dem OLAF, der EUStA, dem Bürgerbeauftragten und dem Europäischen Rechnungshof zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen;
Zuständigkeiten und Befugnisse
9. ist der Ansicht, dass unbeschadet des durch die Verträge geschaffenen Gleichgewichts zwischen den Organen alle teilnehmenden Organe dem Ethikgremium der EU im Rahmen ihrer jeweiligen Verfahrensautonomie einerseits eine präventive Rolle durch Sensibilisierung und Ethikleitlinien und andererseits eine Compliance- und Beratungsfunktion mit der Befugnis, Empfehlungen zu ethischen Fragen, einschließlich Interessenkonflikten, abzugeben, übertragen sollten; ist der Ansicht, dass die Entscheidungsbefugnisse innerhalb des jeweiligen Organs verbleiben sollten, bis das Ethikgremium der EU mit auf einer geeigneten Rechtsgrundlage basierenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist; weist darauf hin, dass sich die Aufgaben des Ethikgremiums der EU auf die vereinbarte Liste der von den teilnehmenden Organen übertragenen Aufgaben beschränken würden und die Zuständigkeiten von OLAF, EUStA und den nationalen Gerichten im Zusammenhang mit einem etwaigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften, die in ihre Zuständigkeit fallen, daher unberührt blieben und in vollem Umfang geachtet würden; betont, dass das Parlament regelmäßig Studien zur Überwachung der Integrität in Auftrag geben sollte, in denen Integrität anhand einer Reihe genau umrissener Ziele und Leistungsindikatoren definiert wird, und über die erzielten Fortschritte Bericht erstatten sollte;
10. ist der Ansicht, dass diese Überwachungskapazität unter anderem die Möglichkeit umfassen sollte, die Richtigkeit der Erklärung der finanziellen Interessen zu überprüfen, die von erfassten Einzelpersonen direkt dem Ethikgremium der EU – bei designierten Kommissionsmitgliedern zusätzlich dem Parlament – vorgelegt werden sollte, um sicherzustellen, dass diese den schnellsten Weg zu all denjenigen finden, die nach den geltenden Vorschriften für demokratische und/oder öffentliche Kontrolle, die Behandlung von Interessenkonflikten, die Regeln für Lobbytätigkeiten, die Kontrollen der Transparenzpflichten, unter anderem im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, und die Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften über den Drehtüreffekt und allgemein die Überprüfung der Einhaltung aller Bestimmungen der Verhaltenskodizes und der geltenden Transparenz-, Ethik- und Integritätsvorschriften verantwortlich sind;
11. stellt fest, dass die verschiedenen Rechtsvorschriften und anderen Bestimmungen in Bezug auf Organe und Institutionen der EU unterschiedliche Definitionen des Begriffs „Interessenkonflikt“ enthalten; stellt fest, dass eine Definition kontextabhängig ist und sich weiterentwickelt und dass vollständige Transparenz nicht unbedingt sicherstellt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt oder dass das Vertrauen der Öffentlichkeit gewonnen oder gestärkt wird; stellt fest, dass die Durchsetzung der Ethikregeln und die öffentliche Rechenschaftspflicht bei Interessenkonflikten eine Voraussetzung für das Vertrauen der Bürger in öffentliche Einrichtungen sind;
12. erachtet es als äußerst wichtig, zwischen einem Interessenkonflikt, der während der Ausübung einer Funktion entsteht, und einem späteren Interessenkonflikt und zwischen Handlungen, die zulässig sind, wenn sie angegeben werden, und Handlungen, die in keinem Fall zulässig sind, zu unterscheiden;
13. stellt fest, dass das Europäische Parlament den Beratenden Ausschuss zum Verhalten von Mitgliedern eingerichtet hat, der den Mitgliedern bei der Auslegung und Umsetzung des Verhaltenskodex behilflich sein soll; weist ferner darauf hin, dass der Beratende Ausschuss außerdem mutmaßlichen Verstößen gegen den Verhaltenskodex nachgeht und den Präsidenten zu dessen Handlungsoptionen berät; ist der Ansicht, dass das Europäische Parlament bei Ethikregeln und ihrer Durchsetzung mit gutem Beispiel vorangehen sollte;
14. vertritt die Auffassung, dass das Ethikgremium der EU auch für die Verpflichtungen aus dem Transparenzregister zuständig sein könnte und einen besseren Schutz von Hinweisgebern und einen besseren Umgang mit Interessenkonflikten in Korruptions- und Betrugsfällen ins Auge fassen sollte;
15. ist der Ansicht, dass das Ethikgremium der EU damit betraut werden sollte, ein öffentliches EU-Portal mit einschlägigen Informationen über Ethikregeln, Berichte über bewährte Verfahren, Studien und Statistiken sowie eine Datenbank mit den Erklärungen über die finanziellen Interessen aller teilnehmenden Organe zu entwickeln;
16. beharrt darauf, dass das unabhängige Ethikgremium der EU das Recht haben sollte, Untersuchungen auf eigene Initiative und Untersuchungen vor Ort und anhand von Belegen auf der Grundlage von Informationen durchzuführen, die es selbst eingeholt oder von Dritten – wie etwa Journalisten, den Medien, nichtstaatlichen Organisationen, Hinweisgebern, der Zivilgesellschaft oder dem Europäischen Bürgerbeauftragten – erhalten hat; besteht darauf, dass jeder Dritte, der dem unabhängigen Ethikgremium in gutem Glauben einen Sachverhalt meldet, geschützt und seine Identität anonym gehalten werden muss; ist der Ansicht, dass das Gremium, wenn es auf eigene Initiative eine Untersuchung einleitet, die betroffene Person und die für die Verhängung von Sanktionen zuständige Behörde in den jeweiligen Organen mit einer vertraulichen Nachricht in Kenntnis setzen muss; ist der Ansicht, dass in einem solchen Fall die jeweilige Behörde dieses Organs, dieser Agentur oder dieser Einrichtung verlangen kann, dass das Gremium eine Erklärung vorlegt;
17. betont, dass es sich bei der Anforderung von Steuer- und Bankunterlagen um Eingriffe privatrechtlicher Art handelt, für die es schwerwiegende Vorwürfe, die in die Zuständigkeit des OLAF fallen, geben muss;
18. betont, dass das Ethikgremium Hinweisgeber, insbesondere EU-Bedienstete, schützen muss, damit diese ihre Sorgen in Bezug auf mögliche Regelverstöße ohne Angst vor Repressalien vorbringen können; schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass das Gremium die internen und vertraulichen Beschwerdemechanismen überwachen sollte, die im Statut der Beamten der Europäischen Union und den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten vorgesehen sind; betont, dass nur ein sicheres und schützendes Arbeitsumfeld es den öffentlichen Bediensteten ermöglicht, ihre Bedenken zu äußern und auf diese Weise dazu beizutragen, dass das unabhängige Ethikgremium seine Tätigkeit ordnungsgemäß wahrnehmen kann;
19. ist der Ansicht, dass das Gremium im Sinne einer umfassenden Wirksamkeit die Funktionen der bestehenden für Ethik zuständigen Organe zusammenführen sollte; ist der Ansicht, dass das Gremium die Mitglieder des Europäischen Parlaments oder die Kommissionsmitglieder beraten sollte, wenn sie um Orientierungshilfe zu ethischen Fragen ersuchen; ist der Ansicht, dass das Gremium der Anstellungsbehörde Empfehlungen für Sanktionen aussprechen sollte, wenn es um ethische Verpflichtungen für Bedienstete geht, und dass das Gremium in Bezug auf Mitglieder des Europäischen Parlaments oder Kommissionsmitglieder Empfehlungen an die zuständigen Behörden der jeweiligen teilnehmenden Organe richten sollte; empfiehlt, dass das Ethikgremium Empfehlungen ausspricht, die als Präzedenzfälle in identischen oder ähnlichen Fällen dienen können; ist der Ansicht, dass dadurch Effizienz, Kohärenz und Vorhersehbarkeit sichergestellt werden und die Arbeitsbelastung, insbesondere in Personalangelegenheiten bei zahlreichen ähnlichen Fällen, erheblich gesenkt wird;
20. ist der Ansicht, dass das Ethikgremium der EU die Integrität fördern und mit Beratungsaufgaben betraut werden sollte, um allen in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Personen und/oder Organen und Einrichtungen, die um die Auslegung eines ethischen Standards im Hinblick auf angemessenes Verhalten in einem bestimmten Fall ersuchen möchten, mit verlässlicher und vertrauenswürdiger Beratung zur Seite zu stehen; ist der Ansicht, dass zur Sicherstellung einer kohärenten Anwendung der ethischen Standards und der Vorhersehbarkeit das unabhängige Ethikgremium der EU bei seiner Beratung an seinen Standpunkt in derselben Angelegenheit gebunden sein sollte;
21. weist darauf hin, dass die Bestätigung des Rechtsausschusses, dass kein Interessenkonflikt vorliegt, eine wesentliche Voraussetzung für die Ernennung der designierten Kommissionsmitglieder ist und dass der Rechtsausschuss eindeutig dazu befugt ist, designierte Kommissionsmitglieder abzulehnen, wenn ein Interessenkonflikt festgestellt wurde;
22. weist darauf hin, dass das Parlament einzelnen Kommissionsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann, wonach der Präsident der Kommission nach Maßgabe von Ziffer 5 der Rahmenvereinbarung vom 20. November 2010 dieses Mitglied entweder zur Niederlegung des Amtes auffordern muss oder aber in der nächsten Tagung vor dem Parlament erklären muss, warum er dies ablehnt;
23. ist der Auffassung, dass die Prüfung der Erklärungen der designierten Kommissionsmitglieder im Hinblick auf die Feststellung eines Interessenkonflikts von grundlegender institutioneller und demokratischer Bedeutung ist und mit größter Aufmerksamkeit, Engagement und Verantwortungsbewusstsein erfolgen sollte, wobei die Auslegung vollständig objektiv, demokratisch und unabhängig sein muss; ist der Ansicht, dass die Regeln für die Prüfung potenzieller Interessenkonflikte auch für die Erklärung des gewählten Präsidenten der Europäischen Kommission gelten sollten;
24. betont, dass die Entscheidung über Interessenkonflikte der designierten Kommissionsmitglieder vor Anhörungen nach wie vor in den demokratischen und institutionellen Zuständigkeitsbereich des Rechtsausschusses des Parlaments fällt; betont in diesem Zusammenhang, dass das künftige unabhängige Ethikgremium der EU über angemessene Untersuchungsbefugnisse verfügen und befugt sein sollte, Zugang zu Verwaltungsdokumenten zu beantragen, damit es gut begründete und gut dokumentierte Beurteilungen durchführen kann; betont, dass bei der Überprüfung, ob ein Interessenkonflikt vorliegt, die Vorschriften im Zusammenhang mit Vertraulichkeit, dem Schutz der Privatsphäre und dem Schutz personenbezogener Daten uneingeschränkt eingehalten werden müssen; ist der Ansicht, dass dem Rechtsausschuss mehr Zeit eingeräumt werden sollte und dass er unter uneingeschränkter Wahrung seiner alleinigen Zuständigkeit in diesem Bereich über das Vorliegen eines Interessenkonflikts bei designierten Kommissionsmitgliedern entscheiden sollte, nachdem er eine unverbindliche, präzise und begründete Empfehlung des unabhängigen Ethikgremiums der EU erhalten hat, die ihn in seinem Handeln bestärken würde; ist der Ansicht, dass der Rechtsausschuss abschließend eine Aussprache über die Empfehlungen des unabhängigen Ethikgremiums führen sollte; ist der Ansicht, dass die Empfehlungen zusammen mit den Erklärungen über die finanziellen Interessen der designierten Kommissionsmitglieder veröffentlicht werden sollten; ist der Ansicht, dass über die Prüfung der Erklärungen der designierten Kommissionsmitglieder durch den Rechtsausschuss hinaus die Prüfung auf Interessenkonflikte für alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union generell vor, während und nach der Ausübung eines öffentlichen Amtes oder einer Beschäftigung vorgenommen werden sollte; ist ferner der Auffassung, dass er mit ausreichenden Ressourcen, Instrumenten und Fähigkeiten ausgestattet werden sollte, um die erforderlichen Informationen zu überprüfen und ausfindig zu machen und erforderlichenfalls zusätzliche Informationen zu erbitten;
Zusammensetzung
25. vertritt die Auffassung, dass sich das Ethikgremium aus neun Mitgliedern zusammensetzen sollte, von denen drei von der Kommission ausgewählt, drei vom Parlament gewählt und drei de jure aus dem Kreis der ehemaligen Richter des EuGH, des Rechnungshofes und der ehemaligen Bürgerbeauftragten der EU benannt werden sollten; ist der Ansicht, dass in Personalangelegenheiten Personalvertreter des Organs der betreffenden Person einbezogen werden sollten; weist darauf hin, dass Anhang II des Statuts entsprechend geändert werden sollte;
26. ist der Ansicht, dass seine Mitglieder unabhängig sein, auf der Grundlage ihrer Kompetenz, Erfahrung und beruflichen Eignung sowie ihrer persönlichen Integrität ausgewählt werden, über einen tadellosen Werdegang in Bezug auf ihr ethisches Verhalten verfügen und eine Erklärung über das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten abgeben müssen; ist der Ansicht, dass bei der Zusammenstellung des Gremiums auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet werden sollte; betont, dass alle Mitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig sein müssen; vertritt die Auffassung, dass die Mitglieder für einen Zeitraum von sechs Jahren gewählt und ihr Amt alle zwei Jahre um ein Drittel verlängert werden sollte;
27. fordert, dass der Ethikbeauftragte dafür zuständig sein sollte, die Erklärungen der Bewerber zu verifizieren; ist der Ansicht, dass die Mitglieder in einem Geist der Zusammenarbeit und der Konsistenz bei ihren Analysen und Empfehlungen handeln sollten; fordert, dass bei der Zusammensetzung des Gremiums auf ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter geachtet wird;
28. ist der Ansicht, dass die Zusammensetzung des Ethikgremiums mit einem Rahmen für die Ausübung des Mandats sowie einem Verfahren zur Beendigung des Mandats einhergehen sollte;
29. schlägt vor, dass das Parlament zur Sicherstellung einer breiten Unterstützung die Mitglieder des Gremiums mit der Unterstützung einer großen Mehrheit wählt, möglicherweise ähnlich dem Verfahren für Mitglieder der Behörde für europäische politische Parteien und europäische politische Stiftungen oder Entscheidungen über den Sacharow-Preis;
30. schlägt vor, dass jedes Organ diese Mitglieder insbesondere aus dem Kreis ehemaliger Richter des EuGH, ehemaliger Präsidenten des OLAF und des Rechnungshofes, ehemaliger oder amtierender Mitglieder der höchsten Gerichte der Mitgliedstaaten, ehemaliger Mitglieder des Europäischen Parlaments, ehemaliger Bediensteter der teilnehmenden Organe und Einrichtungen, ehemaliger Bürgerbeauftragter der EU und von Mitgliedern der Ethikbehörden in den Mitgliedstaaten auswählt; schlägt ferner vor, dass das Gremium aus seiner Mitte einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten wählt; betont, dass dies unbeschadet des Rechts des Personals gilt, seine Vertreter selbst zu organisieren, wenn es um Personalangelegenheiten geht;
31. betont, dass eine Vielfalt an beruflichen Hintergründen und unabhängigem Fachwissen der Mitglieder sichergestellt werden muss; schlägt vor, dass die Teilnahme ehemaliger Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Kommission auf ein Drittel der Mitglieder des Gremiums beschränkt wird;
32. empfiehlt, dass das Kollegium von einem Sekretariat unterstützt wird, das über personelle, materielle und finanzielle Ressourcen verfügt, die seinem Mandat und seinen Aufgaben entsprechen, einschließlich eines Ethikbeauftragten, der für Ethikschulungen und Beratung innerhalb des unabhängigen Ethikgremiums der EU zuständig ist; ist der Ansicht, dass durch die Bündelung der den verschiedenen Ethikgremien der EU derzeit zugewiesenen Haushaltsmittel und Mitarbeiter bei der Zusammenlegung dieser Gremien die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert würde und die Kosten gesenkt würden;
Verfahren
33. ist der Ansicht, dass die Schaffung eines Ethikgremiums der EU zum Aufbau einer institutionellen Kultur beitragen sollte, die wesentlich auf Prävention, Unterstützung und Transparenz beruht; schlägt zu diesem Zweck einen zweistufigen Ansatz vor, in dessen Rahmen das Ethikgremium der EU für den Fall, dass es von einem tatsächlichen oder möglichen Verstoß gegen die Ethikregeln erfährt, zunächst Maßnahmen empfiehlt, um dem Verstoß innerhalb einer bestimmten Frist ein Ende zu setzen; ist der Ansicht, dass mit diesem ersten präventiven Schritt die Vertraulichkeit und Geheimhaltung sowie das Recht jeder Person, gehört zu werden und die Anschuldigungen zu widerlegen, sichergestellt werden sollten; schlägt vor, dass das Ethikgremium der EU für den Fall, dass die betroffene Person sich weigert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, und der Verstoß andauert, eine begründete Empfehlung für Sanktionsmaßnahmen aussprechen und alle relevanten Informationen über den Fall an die zuständige Behörde weiterleiten sollte, die innerhalb von 20 Arbeitstagen über die Folgemaßnahmen zu der Empfehlung entscheidet;
34. ist der Ansicht, dass am Ende dieses Zeitraums die begründete Empfehlung des unabhängigen Ethikgremiums unbeschadet der Datenschutz-Grundverordnung und der persönlichen Rechte zusammen mit der Entscheidung der zuständigen Behörde, die eine Erklärung abgeben sollte, wenn die Empfehlungen nicht vollständig befolgt werden, veröffentlicht werden sollte; ist der Ansicht, dass die Veröffentlichung oder Übermittlung der abgegebenen Empfehlungen und Entscheidungen an sich als erste Maßnahme schon eine Sanktion darstellen könnte; betont, dass ein solches Gremium den EuGH nicht ersetzen kann; schlägt vor, dass die zuständige Behörde in Ausnahmefällen, wenn sie hinreichend begründet, dass mehr Zeit für die Untersuchung des Falls benötigt wird, das Ethikgremium darum ersuchen kann, die Frist für die Entscheidung um bis zu 20 Arbeitstage zu verlängern; ist der Ansicht, dass dieser zweistufige Ansatz angewandt werden sollte, wenn die Person zum Zeitpunkt der Offenlegung hinreichende Gründe für die Annahme hatte, dass die Informationen wahr sind, und empfiehlt, dass vorsätzliche Verstöße, grobe Fahrlässigkeit, die Verschleierung von Beweismitteln und die Nichterfüllung der Pflicht zur Zusammenarbeit auch dann erschwerende Umstände im Zusammenhang mit Empfehlungen für Sanktionen darstellen, wenn der Verstoß selbst eingestellt wurde;
35. fordert klare Bestimmungen, durch die der betreffenden Person das Recht eingeräumt wird, entsprechende Entscheidungen des Präsidenten unter uneingeschränkter Wahrung der Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit anzufechten;
36. vertritt die Auffassung, dass das Ethikgremiums der EU Entscheidungen grundsätzlich mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder treffen sollte;
37. beharrt darauf, dass die in den Verträgen festgelegten Verfahren angewandt werden müssen, wie etwa die Übertragung von Untersuchungen durch den Europäischen Rechnungshof an das OLAF und den EuGH;
Allgemeine Bestimmungen
38. ist der Ansicht, dass das Ethikgremium der EU Studien durchführen und jährliche Statistiken über Erklärungen der finanziellen Interessen, Fälle von Drehtüreffekten und andere relevante Informationen zusammenstellen und einen Jahresbericht veröffentlichen sollte, der Informationen über die Erfüllung seiner Aufgaben und gegebenenfalls Empfehlungen zur Verbesserung der ethischen Standards enthält und dem Parlament vorgelegt wird; empfiehlt, dass im Jahresbericht die Zahl der untersuchten Fälle, die Organe, denen die jeweiligen Personen angehören, die Art der betreffenden Verstöße, die Dauer der Verfahren, der Zeitraum bis zur Einstellung des Verstoßes, der Anteil der verhängten Sanktionen und die Empfehlungen aufgeführt werden;
39. ist der Ansicht, dass in die IIV eine Überprüfungsklausel aufgenommen werden sollte, mit der sichergestellt wird, dass die teilnehmenden Organe spätestens zwei Jahre nach seiner Einrichtung in der Lage sind, eine Bewertung seiner Tätigkeiten vorzunehmen, einschließlich einer Analyse der Funktionsweise der Vorschriften und Verfahren und der bei ihrer Anwendung gewonnenen Erfahrungen; betont insbesondere, dass sich diese Überprüfungsklausel auf die Bewertung der Wirksamkeit der Umsetzung des Mandats des Ethikgremiums der EU konzentrieren sollte und dass bei der Bewertung des Parlaments die Beiträge des Ethikgremiums selbst berücksichtigt werden sollten;
40. ist der Auffassung, dass das neue Ethikgremium der EU befugt sein sollte, durch Vorschläge zur Entwicklung und regelmäßigen Aktualisierung eines gemeinsamen Ethikrahmens für die Organe der EU beizutragen, was auch gemeinsame Vorschriften und eine allgemeine Vorlage für Erklärungen über die finanziellen Interessen in maschinenlesbarem Format sowie einen Vorschlag zur Änderung seiner Zuständigkeiten und zur Vorlage dieses Vorschlags an das Europäische Parlament umfasst; ist der Ansicht, dass die ethischen Standards aller Organe, Agenturen und Einrichtungen so bald wie möglich harmonisiert werden sollten; ist der Ansicht, dass ein Statut der Kommissionsmitglieder gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ausgearbeitet werden muss;
41. schlägt vor, dass das unabhängige Ethikgremium darauf hinwirken sollte, eine auf höchsten Standards basierende gemeinsame Definition des Begriffs des Interessenkonflikts für die EU-Institutionen festzulegen; hebt hervor, dass viele Mitgliedstaaten über strenge Vorschriften verfügen; weist auf die OECD-Definition des Begriffs „Interessenkonflikt“ hin („wenn eine natürliche Person oder eine (private oder staatliche) Körperschaft in der Lage ist, ihren eigenen Beruf oder ihre amtliche Eigenschaft in irgendeiner Weise zu persönlichen oder geschäftlichen Zwecken auszunutzen“);
42. fordert vollständige Transparenz in Bezug auf alle Sitzungen, die von dem Gremium organisiert werden und an denen private Akteure und deren Vertreter sowohl für gewinnorientierte als auch für gemeinnützige Organisationen teilnehmen;
43. beharrt darauf, dass die Empfehlungen des Ethikgremiums der EU unbeschadet der in Absatz 24 genannten Zuständigkeiten des Parlaments ordnungsgemäß begründet, gut dokumentiert und für das betreffende Mitglied oder den Bediensteten und das betreffende Organ verfügbar sein sollten; vertritt die Auffassung, dass sich die teilnehmenden Organe und Einrichtungen verpflichten sollten, bei allen Verfahren, die in den Geltungsbereich der vereinbarten IIV fallen, uneingeschränkt zusammenzuarbeiten und insbesondere dem unabhängigen Ethikgremium der EU alle Informationen und Dokumente zu übermitteln, die es für eine ordnungsgemäße Kontrolle der Ethikregeln benötigt; weist darauf hin, dass gegen die Tätigkeiten des Ethikgremiums Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten eingelegt werden könnte und dass die Entscheidungen der teilnehmenden Organe, die auf den Empfehlungen beruhen, weiterhin vor dem EuGH überprüft werden könnten;
44. ist der Ansicht, dass die Verbesserung der Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht sowie höchste Standards für ethisches Verhalten innerhalb der EU-Organe sowie bei den Entscheidungsprozessen der EU zu den Themen gehören, die im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas erörtert werden sollten; betont, dass dies eine Gelegenheit für die Unionsbürger ist, über die Überarbeitung der Verträge zu debattieren, und dass dadurch eine klare Rechtsgrundlage für die Einführung eines solchen unabhängigen Ethikgremiums der EU für alle Organe im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens geschaffen werden würde;
45. fordert, dass das unabhängige Ethikgremium beim Thema Transparenz mit gutem Beispiel vorangeht, indem es im Einklang mit den geltenden Datenschutzvorschriften alle Empfehlungen, Jahresberichte, Beschlüsse und Ausgaben in einem maschinenlesbaren, offenen Datenformat veröffentlicht, das allen Bürgern zugänglich ist; empfiehlt nachdrücklich, dass jede Software, die mit dem Ziel der Einhaltung der ethischen Normen in der öffentlichen Verwaltung der EU entwickelt wird, im Rahmen einer kostenlosen und quelloffenen Software-Lizenz zur Verfügung gestellt und an alle Einrichtungen in Europa, die sie nutzen möchten, weitergegeben wird; fordert in diesem Zusammenhang eine enge Zusammenarbeit mit dem Europäischen Datenschutzbeauftragten;
46. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Strafverfahren im Zusammenhang mit Verstößen gegen Integritätsvorschriften, insbesondere solche, an denen Mitglieder des Europäischen Parlaments und nationale Politiker beteiligt sind, die eine Rolle bei der Politikgestaltung der EU spielen, effizient und unverzüglich bearbeitet werden;
47. bedauert und ist besorgt über die mangelnde Berücksichtigung von Präventions- und Durchsetzungsmaßnahmen zur Verhinderung von Interessenkonflikten in Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge der Kommission;
48. stellt fest, dass bei der Anwendung geltender Vorschriften für Kommissionsmitglieder, Mitglieder des Europäischen Parlaments und EU-Beamte zu viele Schwächen zutage getreten sind; weist erneut darauf hin, dass laut einem Bericht von „Transparency International EU“ Anfang 2017 mehr als 50 % der ehemaligen Kommissionsmitglieder und 30 % der ehemaligen Mitglieder des Europäischen Parlaments, die keine politischen Ämter mehr innehatten, für Organisationen arbeiteten, die im Transparenz-Register der EU registriert sind; betont, wie wichtig Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf persönliche und finanzielle Verpflichtungen insbesondere bei gewählten Mitgliedern ist; betont, dass Fragen der Transparenz und Integrität auf EU-Ebene und nationaler Ebene eng miteinander verknüpft sind; unterstützt daher die Arbeit der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) im Europarat und fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Empfehlungen insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung eines strengen Verhaltenskodexes für nationale Politiker und der Einführung von Regelungen für die Beschäftigung nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst umzusetzen;
49. fordert eine Stärkung des bestehenden Regulierungs- und Durchsetzungsrahmens sowohl für Interessenkonflikte vor Antritt einer Stelle im öffentlichen Dienst als auch für solche nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst, um eine angemessene, eindeutige, verbindliche und verhältnismäßige Abgrenzung zwischen dem öffentlichen Sektor und der Privatwirtschaft sowie dem gemeinnützigen Sektor zu erreichen und dadurch den Entscheidungsprozessen der EU in den Augen der Öffentlichkeit mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen;
50. betont, dass Interessenkonflikte, die nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst bzw. im Zusammenhang mit dem sogenannten Drehtüreffekt auftauchen, wiederkehrende Probleme systematischer Natur sind, die in den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU verbreitet sind; empfiehlt die Annahme harmonisierter und angemessener Karenzzeiten in allen Organen der EU und eine Stärkung ihrer Durchsetzung; ist der Auffassung, dass Interessenkonflikte die Integrität der Organe und Agenturen der EU gefährden und damit das Vertrauen der Bürger in diese Organe und Agenturen beeinträchtigen könnten; hält es für geboten, die einschlägigen Rechtsvorschriften und Verhaltenskodizes der EU aufeinander abzustimmen und durchzusetzen, damit unter anderem umfassende Transparenz in Bezug auf die Beschäftigungsverhältnisse und Projekte hochrangiger EU-Beamte nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst und die Nebentätigkeiten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments eingefordert werden kann; ist der Ansicht, dass die Vorschriften zur Vermeidung von Interessenkonflikten nach einem öffentlichen Amt oder einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst innerhalb eines angemessenen Zeitraums gelten sollten, wobei die Vorschriften über eine angemessene Entschädigung einzuhalten sind; betont, dass aus den bewährten Verfahren in den Mitgliedstaaten, die bereits über nationale Ethikbehörden mit einschlägigem Fachwissen verfügen, Lehren gezogen werden müssen; betont, dass es bei der Durchsetzung ethischer Standards unterschiedliche nationale Verfahren gibt; stellt fest, dass von gewählten Vertreter in manchen Mitgliedstaaten verlangt wird, sich nicht an Abstimmungen zu Themen, an denen sie ein persönliches Interesse haben, zu beteiligen, und bittet daher die Mitglieder, in ähnlichen Fällen nicht als Berichterstatter aufzutreten; verweist in diesem Zusammenhang auf die in den Artikeln 2 und 3 des Verhaltenskodex für die Mitglieder des Europäischen Parlaments festgelegten Bestimmungen in Bezug auf finanzielle Interessen und Interessenkonflikte;
51. betont, dass die Europäische Bürgerbeauftragte Beschwerden im Zusammenhang mit Interessenkonflikten zusätzlich zu ihren anderen Aufgaben ohne einen für diese Aufgabe eingerichteten Mechanismus und ohne entsprechende Mittel und Befugnisse für die Durchsetzung ihrer Entscheidungen handhabt;
52. betont, dass das unabhängige Ethikgremium der EU allein nicht ausreichen wird, Interessenkonflikten innerhalb der Organe und Agenturen der EU wirksam entgegenzutreten; ist der Ansicht, dass die Überarbeitung der EU-Vorschriften über Ethik und Integrität Maßnahmen umfassen könnte wie eine verhältnismäßige Verlängerung der Melde- und Karenzzeiten hoher Beamter im Einzelfall bei gleichzeitiger Sicherstellung der Gleichbehandlung gemäß Artikel 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Verbesserung der Richtlinie 2014/24/EU(4) über die öffentliche Auftragsvergabe, die verpflichtende Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen, die der Aufsicht des Organs unterliegen, dem ein neu ernannter Beamter angehört, oder die Beziehungen zu diesem Organ unterhalten, einen zwingenden Verzicht, wenn es um Angelegenheiten geht, die einen ehemaligen Arbeitgeber in der Privatwirtschaft betreffen, oder das Verbot des Aktienbesitzes von Kommissionsmitgliedern und hohen Beamten von Organen und Agenturen der EU während ihrer Amtszeit; fordert die Kommission erneut auf, in Erwägung zu ziehen, eine Überprüfung des einschlägigen Rechtsrahmens vorzuschlagen;
53. ist der Ansicht, dass längere Karenzzeiten für hohe Beamte, die eine Agentur oder ein Organ verlassen, gerechtfertigte rechtliche Maßnahmen zum Schutz des öffentlichen Interesses und der Integrität öffentlicher Einrichtungen darstellen, sofern sie auf einem objektiven Verfahren mit klaren Kriterien beruhen;
54. äußert Besorgnis in Bezug auf die Verfahren zur Ernennung hoher EU-Beamter sowie den Umgang mit Interessenkonflikten von Kommissionsmitgliedern und begangenen Verstößen gegen den Verhaltenskodex für Mitglieder des Europäischen Parlaments und in Bezug auf Kontrollen von Transparenzpflichten und die Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften zum Drehtüreffekt;
55. ist der Ansicht, dass sich die EU-Organe an höchste ethische Standards halten sollten, um zu verhindern, dass es zu Fällen von Drehtüreffekten und Interessenkonflikten kommt, und zwar auch im Hinblick auf die Besetzung von Führungspositionen in den Organen und Agenturen der EU;
56. ist der Auffassung, dass die Verfahren zur Auswahl von Kandidaten für Führungspositionen auf der Grundlage absolut objektiver Kriterien und für die breite Öffentlichkeit vollkommen transparent durchgeführt werden sollten; hebt hervor, dass es einen Rahmen für Fragen und Einwände sowie öffentliche Folgemaßnahmen, und die Befugnis, Entscheidungen aufzuheben, die sich hinsichtlich Transparenz und Integrität als unzureichend erwiesen haben, geben sollte; hebt hervor, dass die Verfahren regelmäßig bewertet werden sollten, damit ihre Wirksamkeit überwacht wird und gegebenenfalls Verbesserungen durchgeführt werden können;
57. hebt hervor, dass das Parlament bei der Verbesserung des bestehenden Ethiküberwachungssystems der EU eine entscheidende Rolle spielen muss, und dass das System auf alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU angewendet werden muss, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Beschlussfassungsprozesse der EU gestärkt wird;
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58. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).