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Verfahren : 2020/2136(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A9-0357/2021

Eingereichte Texte :

A9-0357/2021

Aussprachen :

PV 14/02/2022 - 23
PV 14/02/2022 - 25
CRE 14/02/2022 - 22
CRE 14/02/2022 - 23
CRE 14/02/2022 - 24
CRE 14/02/2022 - 25

Abstimmungen :

PV 15/02/2022 - 13
CRE 15/02/2022 - 13
PV 16/02/2022 - 2
CRE 16/02/2022 - 2

Angenommene Texte :

P9_TA(2022)0033

Angenommene Texte
PDF 179kWORD 58k
Mittwoch, 16. Februar 2022 - Straßburg
Bewertung der Umsetzung von Artikel 50 EUV
P9_TA(2022)0033A9-0357/2021

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2022 zur Bewertung der Umsetzung von Artikel 50 EUV (2020/2136(INI))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 50 und Artikel 8,

–  gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 218,

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung des Vereinigten Königreichs vom 29. März 2017 an den Europäischen Rat, dass es beabsichtige, nach Artikel 50 Absatz 2 AEUV und nach Artikel 106a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft auszutreten,

–  unter Hinweis auf die Leitlinien des Europäischen Rates (Artikel 50) vom 29. April 2017 nach der Mitteilung des Vereinigten Königreichs gemäß Artikel 50 EUV vom 15. Dezember 2017 für die zweite Phase der Brexit-Verhandlungen und vom 23. März 2018 zum Rahmen für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich,

–  unter Hinweis auf den Beschluss des Rates vom 22. Mai 2017, in dem die Richtlinien für die Aushandlung eines Abkommens mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Festlegung der Einzelheiten seines Austritts aus der Europäischen Union festgelegt sind, und auf den Beschluss des Rates vom 29. Januar 2018 zur Ergänzung des Beschlusses des Rates vom 22. Mai 2017 zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über ein Abkommen, in dem die Einzelheiten seines Austritts aus der Europäischen Union festlegt werden, zur Festlegung zusätzlicher Verhandlungsrichtlinien,

–  unter Hinweis auf den Beschluss (EU, Euratom) 2020/266 des Rates vom 25. Februar 2020 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über ein neues Partnerschaftsabkommen(1) und die im Addendum dazu enthaltenen Leitlinien für die Aushandlung einer neuen Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, die veröffentlicht wurden,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 5. April 2017 zu den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich nach seiner Mitteilung, dass es beabsichtige, aus der Europäischen Union auszutreten(2), vom 3. Oktober 2017 zum Stand der Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich(3), vom 13. Dezember 2017 zum Stand der Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich(4), vom 14. März 2018 zu dem Rahmen der künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich(5), vom 18. September 2019 zum Stand des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union(6), vom 15. Januar 2020 zur Umsetzung und Überwachung der Bestimmungen über die Rechte der Bürger im Austrittsabkommen(7) und vom 12. Februar 2020 zu dem vorgeschlagenen Mandat für Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland(8),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 18. Juni 2020 zu den Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland(9),

–  unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 29. Januar 2020 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft(10),

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission für das Plenum des Europäischen Parlaments vom 16. April 2019,

–  unter Hinweis auf das Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft(11) (im Folgenden „Austrittsabkommen“) und die dazugehörige Politische Erklärung zur Festlegung des Rahmens für die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich(12) (im Folgenden „Politische Erklärung“),

–  unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2018/937 des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018 über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments(13),

–  unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 10. Dezember 2018, Andy Wightman u. a. gegen Secretary of State for Exiting the European Union, C‑621/18, ECLI:EU:C:2018:999,

–  unter Hinweis auf die eingehende Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Artikel 50 EUV in der Praxis: Die Anwendung der Austrittsklausel durch die EU“ vom November 2020,

–  unter Hinweis auf die von der Fachabteilung Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Auslegung und Umsetzung von Artikel 50 EUV: Rechtliche und institutionelle Beurteilung“ vom März 2021,

–  unter Hinweis auf das Abkommen von Belfast vom 10. April 1998, das von der Regierung des Vereinigten Königreichs, der Regierung Irlands und den anderen Teilnehmern an den Mehrparteienverhandlungen unterzeichnet wurde (im Folgenden „Karfreitagsabkommen“),

–  gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e und Anlage 3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12. Dezember 2002 zum Verfahren für die Genehmigung der Ausarbeitung von Initiativberichten,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten,

–  unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für internationalen Handel,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A9‑0357/2021),

A.  in der Erwägung, dass das Ziel dieses Berichts darin besteht, zu analysieren, wie die Bestimmungen von Artikel 50 EUV ausgelegt und angewandt wurden, wie das Verfahren für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union gemäß diesem Artikel organisiert und durchgeführt wurde und welche Lehren in Bezug auf das Unionsrecht und die Arbeitsweise der Europäischen Union daraus gezogen wurden;

B.  in der Erwägung, dass die Überlegungen hinsichtlich der Umsetzung von Artikel 50 EUV zu einem besseren Verständnis der wesentlichen Bestandteile der konstitutionellen Identität der Union, der Grundsätze, auf denen die europäische Integration beruht, und der Bedeutung der selbstständigen Entscheidungsfindung und des Rechtsetzungsrechts beitragen und dass all dies bei zukünftigen Vertragsänderungen berücksichtigt wird;

C.  in der Erwägung, dass durch Artikel 50 EUV die zuvor bestehende Unsicherheit und Unklarheit im Zusammenhang mit dem Recht, aus der Union auszutreten, angegangen wird, indem den Mitgliedstaaten ausdrücklich das einseitige Recht auf Austritt eingeräumt wird, wofür keine anderen Bedingungen als die Einhaltung ihrer eigenen verfassungsrechtlichen Vorschriften gelten;

D.  in der Erwägung, dass durch Artikel 50 EUV, in dem der Austritt gemäß dem Unionsrecht ausdrücklich vorgesehen wird, das einzige Verfahren geschaffen wird, nach dem ein Mitgliedstaat rechtmäßig aus der Union austreten kann;

E.  in der Erwägung, dass in Artikel 50 EUV auf mehrere Aspekte des Verfahrens, die sich während des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union als problematisch erwiesen haben, nicht oder nicht ausreichend deutlich eingegangen wird;

F.  in der Erwägung, dass Artikel 50 EUV keine formellen Anforderungen an die Mitteilung der Absicht, aus der Union auszutreten, oder bezüglich der Frist oder des Widerrufs dieser Mitteilung enthält; in der Erwägung, dass in Artikel 50 EUV die Möglichkeit von Übergangsregelungen nicht ausdrücklich vorgesehen ist;

G.  in der Erwägung, dass in Artikel 50 EUV keine spezifischen Anforderungen an die mögliche Verlängerung des Zweijahreszeitraums gemäß Artikel 50 Absatz 3 EUV festgelegt sind, was daher Flexibilität während der Verhandlungen ermöglicht;

H.  in der Erwägung, dass sich Artikel 50 EUV die Bestätigung findet, dass die Mitgliedschaft in der Union freiwillig ist, was bedeutet, dass ein Mitgliedstaat nicht gezwungen werden kann, Mitglied zu bleiben oder auszutreten; in der Erwägung, dass es sich bei der Entscheidung, aus der Union auszutreten, um eine souveräne Entscheidung eines Mitgliedstaats handelt, die im Einklang mit der internen verfassungsmäßigen Ordnung dieses Staates gefasst wird;

I.  in der Erwägung, dass es angesichts des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit erforderlich ist, die Mitteilung vorzulegen, sobald der Austritt beschlossen wurde;

J.  in der Erwägung, dass der EuGH in seinem Urteil vom 10. Dezember 2018 in der Rechtssache Andy Wightman u. a. gegen Secretary of State for Exiting the European Union klargestellt hat, dass es einem Mitgliedstaat freistehe, die Mitteilung, dass er beabsichtige, aus der Union auszutreten, einseitig zurückzunehmen, solange die Verträge auf diesen Mitgliedstaat noch Anwendung finden;

K.  in der Erwägung, dass Artikel 50 EUV in Bezug auf die Anwendung von Teilen von Artikel 218 AEUV, abgesehen von dessen Absatz 3, nicht präzise ist;

L.  in der Erwägung, dass der Wille, aus der Union auszutreten, wie er von der britischen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht wurde, obwohl sich eine Mehrheit der Bürger in Schottland und Nordirland für den Verbleib aussprach, im Einklang mit den Werten der Freiheit und der Demokratie gemäß Artikel 2 EUV respektiert wurde;

M.  in der Erwägung, dass das Referendum im Vereinigten Königreich nicht mit einer ausreichenden Zahl von Sensibilisierungskampagnen einherging, da die Bürger nie ein klares Bild von den Beziehungen erhielten, die ihr Land nach dem Austritt aus der Union zur Union haben würde, und oft über die Auswirkungen des Austritts, insbesondere in Bezug auf Nordirland, irregeführt wurden, woran die Risiken und Herausforderungen, die mit Fehlinformationen verbunden sind, deutlich wurden;

N.  in der Erwägung, dass den Organen der Union durch Artikel 50 EUV die außerordentliche horizontale Zuständigkeit übertragen wird, ein Abkommen auszuhandeln, das alle Angelegenheiten abdeckt, die im Zusammenhang mit dem Austritt eines Mitgliedstaats geregelt werden müssen;

O.  in der Erwägung, dass die Rolle aller Unionsorgane im Austrittsverfahren für die Auslegung und Umsetzung der Bestimmungen von Artikel 50 EUV, die Minimierung institutioneller Störungen, die Wahrung der Einheit der Mitgliedstaaten und die Sicherstellung eines geordneten Austritts von entscheidender Bedeutung war;

P.  in der Erwägung, dass sich der zweistufige Ansatz, den Michel Barnier, der Chefunterhändler der Kommission, verfolgt hat, als richtig erwiesen hat;

Q.  in der Erwägung, dass die Bürgerinnen und Bürger gemäß dem EUV auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten sind; in der Erwägung, dass das Parlament gemäß Artikel 14 EUV Teil des Beschlussfassungsverfahrens gemäß Artikel 50 EUV ist und eine allgemeine politische Kontrolle ausübt und daher eng in die Austrittsverhandlungen einbezogen werden sollte, um seine Zustimmung gemäß Artikel 50 EUV erteilen zu können;

R.  in der Erwägung, dass das Parlament in dem in Artikel 50 EUV beschriebenen Verfahren und wie in allen Fällen internationaler Abkommen, die nach dem Verfahren des Artikels 218 Absatz 3 AEUV ausgehandelt werden, eine marginale Rolle spielt, die sich auf die bloße Zustimmung zu einem möglichen Austrittsabkommen beschränkt; in der Erwägung, dass sich das Parlament trotz dieser Einschränkungen von Anfang an aktiv in das Austrittsverfahren eingebracht und sich verpflichtet hat, die Interessen der Unionsbürger zu schützen und die Integrität der Europäischen Union während des gesamten Verfahrens zu wahren;

S.  in der Erwägung, dass das Parlament während des Verfahrens eine entscheidende Rolle dabei gespielt hat, alle Unionsbürger, sowohl aus der EU-27 als auch aus dem Vereinigten Königreich, zu vertreten;

T.  in der Erwägung, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Beschlusses (EU) 2018/937 des Europäischen Rates hatte;

U.  in der Erwägung, dass das Austrittsverfahren zu Unvorhersehbarkeit geführt hat und nicht nur für die Union und den austretenden Mitgliedstaat eine Herausforderung darstellt, sondern auch und umso mehr für die unmittelbar betroffenen Bürger und Einrichtungen; in der Erwägung, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Kosten der damit einhergehenden Ungewissheit als sehr hoch erwiesen haben und auch die politischen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem austretenden Mitgliedstaat belastet haben; in der Erwägung, dass mehr Sicherheit während des Austrittsverfahrens erreicht werden könnte, indem unter anderem gefordert wird, dass der Mitteilung über den Austritt eines Mitgliedstaats ein Entwurf beigefügt werden muss, aus dem hervorgeht, welche Beziehungen der austretende Mitgliedstaat in Zukunft anstrebt;

V.  in der Erwägung, dass die Organe der Union alle Anstrengungen unternommen haben, das Austrittsverfahren nicht zu politisieren, dass der Austritt gemäß Artikel 50 EUV jedoch naturgemäß politischer Natur ist, da er auf grundlegenden Entscheidungen in Bezug auf die Mitgliedschaft in der Union und/oder die Beziehung zur Union beruht und durch diese beeinflusst wird;

W.  in der Erwägung, dass der Austritt eines Mitgliedstaats aus der Europäischen Union einen großen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schock darstellt, dessen negative Folgen durch eine sorgfältig geplante und ausgehandelte Regelung für einen geordneten Austritt nur teilweise abgemildert werden können;

X.  in der Erwägung, dass in der Politischen Erklärung zur Festlegung des Rahmens für die künftigen Beziehungen zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich die Parameter für eine ehrgeizige, breit angelegte, tiefgreifende und flexible Partnerschaft festgelegt sind, die auch die Bereiche Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung sowie weitere Bereiche der Zusammenarbeit umfasst;

Y.  in der Erwägung, dass es nach dem Inkrafttreten des Austrittsabkommens nur auf der Grundlage von Artikel 49 EUV rechtlich möglich ist, der Union erneut beizutreten;

Z.  in der Erwägung, dass in Artikel 8 EUV die besonderen Beziehungen der Union zu den Ländern in ihrer Nachbarschaft hervorgehoben werden;

AA.  in der Erwägung, dass der Ausschuss für konstitutionelle Fragen gemäß der Geschäftsordnung des Parlaments für die institutionellen Folgen eines Austritts aus der Union zuständig ist;

Zum beispiellosen Verfahren

1.  betont, dass der Austritt eines ihrer Mitgliedstaaten ein beispielloses und äußerst kritisches Verfahren für die Europäische Union war;

2.  erkennt den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union an, hält ihn jedoch für bedauerlich;

3.  betont, dass die historische Bedeutung des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union nicht bedeutet, dass die Union von ihrem Integrationskurs abgewichen ist oder abweichen wird, da Artikel 50 EUV Garantien für die Unionsrechtsordnung bietet und die grundlegenden Ziele der europäischen Integration schützt;

4.  betont, dass die Bestimmungen von Artikel 50 EUV und die Art und Weise ihrer Auslegung und Umsetzung die gemeinsamen Werte und die Ziele zum Ausdruck bringen und wahren, auf denen sich die Union gründet, insbesondere Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit;

5.  ist der Ansicht, dass die Ziele von Artikel 50 EUV, nämlich das souveräne Recht eines Mitgliedstaats auf Austritt aus der Europäischen Union zu wahren, wodurch die Freiwilligkeit einer Mitgliedschaft in der Union ausdrücklich bestätigt wird, und einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union sicherzustellen, erreicht wurden, während gleichzeitig der anschließende Aufbau einer engeren Beziehung zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich als Drittstaat ermöglicht wurde;

Zu den Prioritäten der Union

6.  ist der Auffassung, dass die Ziele von Artikel 50 EUV und der Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich, nämlich die Herauslösung aus der Union, die Schaffung von rechtlicher Stabilität und die Minimierung von Störungen sowie das Aufzeigen einer klaren Zukunftsvision für Bürger und Rechtspersonen durch Sicherstellung eines geordneten Austritts unter Wahrung der Integrität und der Interessen der Europäischen Union, ihrer Bürger und ihrer Mitgliedstaaten, im Allgemeinen erreicht wurden;

7.  ist der Auffassung, dass die rasche und eindeutige Festlegung der Prioritäten im Zusammenhang mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union und insbesondere der Schutz der Rechte von Millionen von Unionsbürgern im Vereinigten Königreich und von britischen Staatsangehörigen in der Union, die von dem Austritt betroffen sind, die besonderen Umstände der Insel Irland sowie eine einheitliche Finanzregelung von entscheidender Bedeutung waren, um das Verfahren zu strukturieren und seine Auswirkungen in der Union zu stabilisieren; ist jedoch der Ansicht, dass es notwendig gewesen wäre, während der Verhandlungen für mehr Klarheit bezüglich der Beilegung möglicher Meinungsverschiedenheiten zu sorgen, die sich aus der Anwendung des Austrittsabkommens ergeben könnten, insbesondere in Bezug auf die Rolle des EuGH;

8.  ist der Ansicht, dass die klare Aufgabenteilung zwischen den Organen und der beispiellose inklusive und transparente Ansatz der Kommission und ihres Chefunterhändlers, auch dem Parlament gegenüber, von entscheidender Bedeutung waren, um die Kohärenz und Einheit innerhalb der Union und zwischen ihren Mitgliedstaaten zu wahren, die Prioritäten und Interessen der Union in den Verhandlungen zu fördern und die Integrität der Rechtsordnung der Union zu schützen;

9.  würdigt die wichtigsten institutionellen Akteure, die die Einheit zwischen den 27 Mitgliedstaaten sowie in und zwischen den Organen der Union gewahrt haben, wodurch der Charakter des Austritts als Verfahren der Union geachtet wurde;

10.  ist der Ansicht, dass die Interessen der Union durch die strategische Organisation und die Konditionalität zwischen den verschiedenen Phasen des Verfahrens geschützt wurden; weist insbesondere auf die Abfolge der Verhandlungen hin, die mit einem Abkommen über die Austrittsregelungen begannen, sich dann mit den Regelungen für den Übergangszeitraum befassten und dann mit einer Vereinbarung über eine allgemeine Vereinbarung über eine neue und enge Partnerschaft zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich auf der Grundlage wesentlicher Fortschritte bei den Verhandlungen über die Bürgerrechte, die Frage Irlands und Nordirlands, die Finanzregelung und die gerechtfertigte und sinnvolle Anwendung der Verlängerung des in Artikel 50 Absatz 3 EUV genannten Zeitraums abgeschlossen wurden;

11.  begrüßt, dass in den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich der Frage der Bürgerrechte, die von größter Bedeutung war und ist, Priorität eingeräumt wurde, dass dieses Kapitel der Austrittsregelungen zu einem relativ frühen Zeitpunkt der Verhandlungen angenommen wurde und dass die Erstfassung des Entwurfs des Austrittsabkommens vom 19. März 2018 einen vollständig angenommenen zweiten Teil über Rechte der Bürger, einschließlich über die unmittelbaren Auswirkungen der diesbezüglichen Bestimmungen, und über die Zuständigkeit des EuGH in Bezug auf die einschlägigen Bestimmungen über Rechte der Bürger enthielt;

12.  betont, dass die Union von Beginn des Verfahrens an eindeutig festgestellt hat, dass die besonderen Umstände der Insel Irland und die Notwendigkeit, das Karfreitagsabkommen zu bewahren und die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs auf die Republik Irland zu minimieren, Fragen sind, die für die Union als Ganzes von Belang sind;

13.  vertritt die Auffassung, dass der zeitlich begrenzte Übergangszeitraum mit der weiteren Anwendung der bestehenden Regulierungs-, Haushalts-, Überwachungs-, Rechts- und Durchsetzungsinstrumente und ‑strukturen der Union nach dem Austritt im Interesse beider Seiten lag und die Aushandlung der zukünftigen Beziehungen und den Übergang zu diesen Beziehungen erleichterte;

14.  weist darauf hin, dass der Rahmen für die künftigen Beziehungen zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich in der Politischen Erklärung zum Austrittsabkommen festgehalten wurde, die von beiden Parteien vereinbarte eindeutige Bestimmungen hinsichtlich der Zusammenarbeit in den Bereichen Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung umfasst;

15.  bedauert, dass der nicht rechtlich bindende Charakter der Politischen Erklärung dem Vereinigten Königreich eine Rechtsgrundlage geboten hat, sich nicht mit wesentlichen Aspekten ihres Inhalts zu befassen, insbesondere Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, die daher nicht Gegenstand der Verhandlungen waren;

Zum austretenden Mitgliedstaat

16.  ist dennoch der Ansicht, dass das Austrittsverfahren auf Seiten des Vereinigten Königreichs von Anfang an bis zum Ende der Verhandlungen durch anhaltende Unsicherheit gekennzeichnet war, was unter anderem in der Zeitspanne zwischen dem Referendum und der Austrittsmitteilung gemäß Artikel 50 EUV zum Ausdruck kam; ist der Ansicht, dass sich diese Unsicherheit auf die Bürger und Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere auf der Insel Irland, ausgewirkt hat; vertritt die Auffassung, dass durch die Heraufbeschwörung des Schreckgespensts eines Austritts ohne Abkommen die Aussichten auf einen geordneten Austritt stark gefährdet wurden;

17.  vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die politischen und wirtschaftlichen Folgen des Beschlusses, aus der Union auszutreten, erheblich sind; ist der Ansicht, dass diese Folgen vom Vereinigten Königreich vor seinem Austrittsbeschluss nicht aufrichtig und vollständig bewertet wurden, was zu einer mangelnden Vorbereitung auf das Verfahren führte; ist der Ansicht, dass die britischen Bürger über unzureichende Kenntnisse der Europäischen Union verfügten und nicht angemessen über die weitreichenden Folgen des Beschlusses, aus der Union auszutreten, informiert wurden;

18.  ist der Ansicht, dass die Bestimmungen von Artikel 50 EUV über die Mitteilung und die Verlängerung der Frist gemäß Artikel 50 Absatz 3 EUV ausreichend flexibel gehandhabt wurden, um unter Wahrung der Integrität des Austrittsverfahrens und der Rechtsordnung der Union auf die politischen Richtungswechsel und Inkohärenzen der aufeinanderfolgenden Regierungen des Vereinigten Königreichs zu reagieren;

19.  weist erneut darauf hin, dass der Austrittsbeschluss das souveräne Recht eines Mitgliedstaats ist und dass die Union verpflichtet ist, die Absicht dieses Staates anzuerkennen; betont, dass in Artikel 50 EUV die Form der Mitteilung der Austrittsabsicht nicht genau festgelegt ist, weshalb diesbezüglich keine Einschränkungen bestehen; ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass das Verhalten eines Mitgliedstaats, der das Unionsrecht nicht achtet und/oder seine Absicht äußert, die Unionsverträge nicht anzuwenden oder die Zuständigkeit des EuGH nicht anzuerkennen und seine Urteile nicht zu befolgen, eine eindeutige Ablehnung der Verpflichtungen darstellt, die an eine Mitgliedschaft in der Union geknüpft sind;

20.  hebt hervor, dass der Austritt aus der Europäischen Union wesensgemäß ein komplexes Verfahren ist und dass die politischen Entscheidungen des austretenden Mitgliedstaats in Bezug auf seine zukünftigen Beziehungen zur Union zu dieser Komplexität beitragen können;

Zur Bedeutung eines geordneten Austritts

21.  ist der Auffassung, dass der Austritt zwar nicht von einem Abkommen zwischen dem austretenden Mitgliedstaat und der Union abhängt, dass das Verfahren für den Austritt des Vereinigten Königreichs jedoch zeigt, dass es wichtig ist, ein Abkommen über die Austrittsregelungen zu schließen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Rechte und der legitimen Erwartungen der betroffenen Bürger;

22.  ist der Ansicht, dass die Unionsorgane alles in ihrer Macht Stehende getan haben und ihrer Verpflichtung nachgekommen sind, für den Abschluss eines Abkommens zu sorgen; würdigt die Anstrengungen, die unternommen wurden, um das Szenario eines Austritts ohne Abkommen abzuwenden; stellt in diesem Zusammenhang fest, dass gemäß Artikel 50 Absatz 3 EUV der Austritt zwei Jahre nach der Mitteilung an den Rat wirksam wird, wenn keine Einigung erzielt wird; hebt hervor, dass der EUV keine Bestimmungen zum Umgang mit einem Szenario eines Austritts ohne Abkommen und einem ungeordneten Austritt enthält;

23.  betont, dass angesichts des hohen Integrationsgrads des Unionsbinnenmarkts der Austritt eines Mitgliedstaats alle Bereiche der Wirtschaftstätigkeit betrifft und rechtliche und administrative Anpassungen auf der Ebene der Union als Ganzes, auf der Ebene der Mitgliedstaaten sowie auf lokaler Ebene erforderlich sind; weist erneut darauf hin, dass die von der Kommission und den Mitgliedstaaten auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung geleistete Arbeit zur Sensibilisierung und Vorbereitung der Bürger und der Privatwirtschaft wichtig war, indem zahlreiche spezifische Mitteilungen zur Vorbereitung der Interessenträger veröffentlicht und einseitige und befristete Notfallmaßnahmen rechtzeitig angenommen wurden, um die Möglichkeit eines Szenarios eines Austritts ohne Abkommen und eines ungeordneten Austritts anzugehen;

24.  stellt fest, dass im EUV keine materiellen Anforderungen in Bezug auf den Rahmen für die zukünftige Beziehung zwischen dem austretenden Mitgliedstaat und der Union und dessen Verbindung mit den Austrittsregelungen festgelegt sind; weist jedoch darauf hin, dass im Austrittsabkommen gemäß Artikel 50 Absatz 2 EUV der Rahmen für die künftigen Beziehungen des austretenden Staates zur Union berücksichtigt werden muss;

25.  stellt fest, dass sich im Fall des Austritts des Vereinigten Königreichs die in Artikel 50 Absatz 3 EUV festgelegte Frist von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des Austritts, nach deren Ablauf die Verträge auf den austretenden Mitgliedstaat keine Anwendung mehr finden, als zu kurz für einen geordneten Austritt erwiesen hat, da drei Verlängerungen dieses Zeitraums sowie ein anschließender Übergangszeitraum für notwendig erachtet wurden; weist darauf hin, dass diese Frist durch eine Verlängerung gemäß Artikel 50 Absatz 3 EUV verlängert werden kann; ist der Ansicht, dass eine solche Verlängerung die Fortsetzung der Verhandlungen ermöglicht, um einen Austritt ohne Abkommen zu vermeiden; weist jedoch darauf hin, dass während des gesamten Zweijahreszeitraums und etwaiger Verlängerungen die Bürger, Wirtschaftsbeteiligten, Mitgliedstaaten und Handelspartner aus Drittländern mit einem beispiellosen und anhaltenden Maß an Rechtsunsicherheit konfrontiert waren;

26.  stellt fest, dass der Austritt eines Mitgliedstaats beispiellose rechtliche Konsequenzen für die internationalen Verpflichtungen der Union mit sich gebracht hat, insbesondere was das Erfordernis betraf, die auf Ebene der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbarten Zollkontingente neu auszuhandeln, um dem Quotenanteil des austretenden Mitgliedstaats Rechnung zu tragen, sodass Drittländer zusätzliche Ansprüche auf Marktzugang erheben konnten; ist der Ansicht, dass die Aufteilung der Zollkontingente der Union im Zuge des Austritts des Vereinigten Königreichs grundsätzlich gut gehandhabt wurde, indem zunächst ein interner Rechtsakt zur Festlegung der neu zugewiesenen Quotenanteile der Union erlassen wurde (insbesondere in Form der Verordnung (EU) 2019/216(14)) und anschließend Verhandlungen mit Drittländern auf WTO-Ebene geführt wurden, auch wenn es auf dieser Ebene keine rechtlichen Bestimmungen gibt, die sich mit der Desintegration einer Zollunion befassen;

Zur Flexibilität bei der Anwendung von Artikel 50 EUV

27.  ist der Auffassung, dass durch Artikel 50 EUV ein gutes Gleichgewicht zwischen der Sicherstellung eines rechtlich fundierten Austrittsverfahrens und der Wahrung der für die Anpassung an die besonderen Umstände erforderlichen politischen Flexibilität geschaffen wird; stellt jedoch fest, dass die Bestimmungen von Artikel 50 EUV in Bezug auf folgende Aspekte nicht detailliert sind:

   die formalen Anforderungen an die Mitteilung über die Austrittsabsicht und die ausdrückliche Möglichkeit, diese Mitteilung zu widerrufen;
   den geeigneten Rahmen für die Verlängerung des Zweijahreszeitraums nach Artikel 50 Absatz 3 EUV, der Flexibilität bei den Verhandlungen unter Wahrung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit ermöglicht,
   die Auswirkungen der Verpflichtung, den Rahmen für die künftigen Beziehungen zu berücksichtigen,
   die Anwendung der Bestimmungen von Artikel 218 AEUV, insbesondere zur Rolle des Europäischen Parlaments und des Gerichtshofs der Europäischen Union,
   mögliche Übergangsregelungen;

28.  bedauert, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union das Ausscheiden einer gesamten Gemeinschaft von Unionsbürgern mit sich gebracht hat; weist erneut darauf hin, dass das Europäische Parlament besonders aktiv dabei war, sich für einen aktiven Dialog mit den Bürgern und Organisationen, die sie vertreten, einzusetzen und einen solchen sicherzustellen im Rahmen von Konsultationen, Anhörungen und Besprechungen, die von den Parlamentsausschüssen und der Lenkungsgruppe zum Brexit organisiert wurden, die sich darum bemüht haben, den Anliegen und Erwartungen der Bürger während des Austrittsverfahrens Gehör zu verschaffen; ist jedoch der Ansicht, dass die Unionsorgane mehr hätten tun können, um den Bürgern in den verschiedenen Phasen des Austritts Informationen zur Verfügung zu stellen;

29.  ist der Ansicht, dass die Austrittsbestimmungen des EUV angesichts der Unvorhersehbarkeit des Austrittsverfahrens Rechtssicherheit für die große Zahl der von dem Austritt betroffenen Unionsbürger und Bürger des austretenden Mitgliedstaats gewährleisten sollten, indem ihre auf der Grundlage des Unionsrechts erworbenen Rechte gewahrt werden und ein wirksames Durchsetzungssystem sichergestellt wird, ohne dass die Einrichtung von Mechanismen für Folgemaßnahmen und die Durchführung von Informationskampagnen ausgeschlossen wird; betont, dass betroffene Bürger, insbesondere schutzbedürftige Bürger, rechtzeitig und angemessen über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Austritt informiert werden müssen;

30.  ist der Ansicht, dass die Abhaltung eines Referendums zur Bestätigung des endgültigen Austrittsbeschlusses angesichts des Charakters des Beschlusses, aus der Union auszutreten, und seiner grundlegenden Auswirkungen auf die Bürger des austretenden Mitgliedstaats eine wichtige demokratische Schutzmaßnahme sein kann; vertritt die Auffassung, dass die Bestätigung dieser endgültigen Entscheidung durch die Bürger auch wichtig für den Fall ist, dass bei den Verhandlungen über ein Austrittsabkommen keine Einigung erzielt wird, was ein Szenario eines Austritts ohne Abkommen zur Folge hätte; vertritt die Auffassung, dass während dieses Verfahrens alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um Desinformation, Einflussnahme aus dem Ausland und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung zu verhindern;

Zur Rolle der Organe im Austrittsverfahren

31.  ist der Ansicht, dass die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten sich alle reaktionsfähig gezeigt haben und einen kohärenten und einheitlichen Ansatz verfolgt haben, indem sie für eine rechtzeitige, klare und gut strukturierte Definition der Aspekte des Austrittsverfahrens gesorgt haben, einschließlich der Aspekte, die in Artikel 50 EUV nicht ausdrücklich genannt sind, darunter insbesondere die Ziele und allgemeinen Grundsätze der Verhandlungen, die Zuständigkeiten der Union für Fragen im Zusammenhang mit dem Austritt, die Abfolge der Verhandlungen, der Geltungsbereich des Austrittsabkommens, die Übergangsregelungen und der Rahmen für die künftigen Beziehungen;

32.  betont, dass das Parlament im gesamten Austrittsverfahren eine zentrale Rolle gespielt hat und bereits im Vorfeld des Referendums des Vereinigten Königreichs über die Mitgliedschaft in der Union damit begonnen hat, mit hinreichend begründeten Entschließungen aktiv zur Ermittlung von Strategien und zum Schutz der Interessen und Prioritäten der Union und ihrer Bürger beizutragen; weist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass der Beitrag des Parlaments hauptsächlich durch die Lenkungsgruppe zum Brexit strukturiert wurde, die von der Konferenz der Präsidenten am 6. April 2017 mit der Unterstützung und unter enger Beteiligung der parlamentarischen Ausschüsse und der Konferenz der Präsidenten geschaffen wurde;

33.  betont, dass das Parlament als Ganzes und vereint mobilisiert wurde, um das Austrittsverfahren zu überwachen, wobei hierfür sowohl seine politischen Gremien als auch seine Ausschüsse verantwortlich waren, die bereits frühzeitig aufgefordert wurden, die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs auf die Politikbereiche und Gesetzgebung in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen zu ermitteln; weist erneut darauf hin, dass es wichtig war, die für die sektoralen Politikbereiche zuständigen Ausschüsse kontinuierlich in die Verhandlungen einzubeziehen; würdigt die langwierigen und gründlichen Vorarbeiten der Ausschüsse, die im Rahmen von Anhörungen, Workshops und Studien zu allen Themen im Zusammenhang mit dem Austritt oder den künftigen Beziehungen zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich Belege, Ratschläge und Fachwissen zusammengetragen haben;

34.  vertritt die Auffassung, dass der Europäische Rat bei diesem Verfahren eine vereinende und stabilisierende Rolle gespielt hat, unter anderem durch seine Leitlinien gemäß Artikel 50 Absatz 2 EUV, indem er die Bestimmungen von Artikel 50 EUV ausgelegt und angewandt hat, auch in Bezug auf die Elemente, zu denen keine Bestimmungen getroffen wurden, und indem er eine klare politische Richtung vorgegeben hat, die mit den Interessen der Union im Einklang steht, was die Festlegung der Verhandlungsbedingungen und die Benennung der Kommission als Verhandlungsführerin der Union betrifft;

35.  weist erneut darauf hin, dass gemäß Artikel 50 Absatz 4 EUV das Mitglied des Europäischen Rates und des Rates, das den austretenden Mitgliedstaat vertritt, weder an den das Austrittsverfahren betreffenden Beratungen noch an der entsprechenden Beschlussfassung des Europäischen Rates oder des Rates teilnehmen kann, während die im austretenden Mitgliedstaat gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments weiterhin Mitglieder mit all ihren unberührten Rechten und Verpflichtungen bleiben, bis der Austritt in Kraft tritt;

36.  würdigt den beispiellosen Charakter der interinstitutionellen Zusammenarbeit und Transparenz bei der Umsetzung von Artikel 50 EUV, einschließlich der Arbeitsmethoden und ‑strukturen während der Verhandlungen, der Informationskanäle, der Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten und der Teilnahme an Sitzungen, insbesondere an Sherpa-Sitzungen und Sitzungen des Rates (Allgemeine Angelegenheiten);

37.  würdigt die Bedeutung der Grundsätze, die vom Europäischen Parlament vorgeschlagen und vom Europäischen Rat in seinen aufeinanderfolgenden Verhandlungsleitlinien eingeführt wurden und die anschließend in den Verhandlungen umgesetzt wurden und Folgendes umfassten:

   Schutz der Rechte der Bürger, die sich aus ihrem Status als Unionsbürger ergeben;
   Handeln im Interesse der Union und Wahrung ihrer konstitutionellen Integrität und ihrer selbstständigen Entscheidungsfindung;
   Schutz der Rolle des Gerichtshofs der Europäischen Union;
   Aufrechterhaltung der Finanzstabilität in der Union;
   Eintreten für den Genuss aller Rechte aus den Verträgen durch den austretenden Mitgliedstaat und die Erfüllung all seiner Verpflichtungen aus den Verträgen, einschließlich des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit;
   Verteidigung der eindeutigen Statusunterschiede zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten, da ein Staat, der die Union verlassen hat, nicht die gleichen Rechte und Verpflichtungen wie ein Mitgliedstaat haben kann;

38.  unterstützt diese Grundsätze weiterhin uneingeschränkt;

39.  ist der Ansicht, dass diese Grundsätze über den Rahmen von Artikel 50 EUV hinausgehen, da sie die europäische Integration untermauern und wichtige Elemente der konstitutionellen Identität und Rechtsordnung der Union geworden sind, obwohl sie nicht Bestandteil des EUV sind;

40.  stellt fest, dass das Austrittsverfahren gemäß Artikel 50 EUV in dieser Hinsicht dazu geführt hat, dass sowohl die Union als auch ihre Mitgliedstaaten die konstitutionelle Identität der Union bekräftigt haben;

Zu den Rechten und Verpflichtungen der Union und des austretenden Mitgliedstaats

41.  bekräftigt, dass der austretende Mitgliedstaat bis zum Inkrafttreten eines Austrittsabkommens oder andernfalls bis zum Ablauf entweder der Zweijahresfrist oder des verlängerten Zeitraums gemäß Artikel 50 Absatz 3 EUV weiterhin ein Mitgliedstaat bleibt und ausnahmslos alle sich aus den Verträgen ergebenden Rechte genießt und an alle entsprechenden Verpflichtungen gebunden ist, einschließlich des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit gemäß Artikel 4 Absatz 3 EUV und der Verpflichtung, Wahlen zum Europäischen Parlament abzuhalten, seine Vertreter für die Organe zu benennen, den uneingeschränkten Schutz der Rechte der Bürger sicherzustellen und seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen;

Zur Kontrollfunktion des Parlaments

42.  betont, dass die Funktion der politischen Kontrolle durch das Europäische Parlament in einem parlamentarischen demokratischen System unverzichtbar ist und so Transparenz und politische Rechenschaftspflicht sichergestellt werden; besteht in diesem Zusammenhang darauf, dass die parlamentarischen Befugnisse hinsichtlich der Phase der Kontrolle in Bezug auf den Abschluss von internationalen Abkommen, auch im Fall der vorläufigen Anwendung und insbesondere von Abkommen, die im Zusammenhang mit einem Austritt aus der Europäischen Union geschlossen werden, garantiert werden sollten und ausreichend Zeit für ihre Ausübung gewährt werden sollte; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Hinblick auf die Vorrechte des Parlaments im Zusammenhang mit einem Austritt die uneingeschränkte Anwendung von Artikel 218 Absatz 10 AEUV wichtig ist, wonach das Europäische Parlament in allen Phasen des Verfahrens der Verhandlungen zwischen der Union und Drittstaaten unterrichtet werden muss; betont, dass die Kommission das Parlament gleichberechtigt mit dem Rat auf dem Laufenden halten muss;

43.  ist der Ansicht, dass sowohl die Strukturen der Lenkungsgruppe zum Brexit als auch die der Koordinierungsgruppe für das Vereinigte Königreich, die vom Europäischen Parlament im Rahmen jeder Phase der Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich geschaffen wurden, von größter Bedeutung waren, um die Folgearbeit und die Einbeziehung des Parlaments sicherzustellen und für Transparenz in den Verhandlungen zu sorgen; ist der Ansicht, dass die Umsetzung von Artikel 50 EUV ein gutes Beispiel für eine gemeinsame Koordinierung zwischen den Organen zur Unterstützung der Interessen der Union darstellt, die bei allen Verhandlungen über internationale Abkommen angewandt werden sollte;

44.  vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die Rolle des Parlaments für die Wahrung der parlamentarischen und demokratischen Dimension eines Verfahrens mit solchen konstitutionellen und institutionellen Auswirkungen auf die Union und die Rechte der Unionsbürger von wesentlicher Bedeutung ist; ist der Ansicht, dass seine Rolle in der politischen Kontrolle gestärkt und gewahrt werden muss, sodass sie das Erfordernis der Zustimmung in allen relevanten Aspekten des Verfahrens umfasst;

45.  betont diesbezüglich, dass das Verfahren gemäß Artikel 50 EUV zwar abgeschlossen ist und der Austritt aus der Union wirksam geworden ist, die tatsächliche Abwicklung der Unionsmitgliedschaft und die Umsetzung des Austrittsabkommens jedoch ein langwieriges Verfahren sind; bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass das Parlament in vollem Umfang seine Rolle bei der Überwachung der Umsetzung des Austrittsabkommens spielen wird;

Zu Aspekten für weitere Überlegungen

46.  ist der Auffassung, dass Artikel 50 EUV den verfahrensrechtlichen Aspekt des Austritts eines Mitgliedstaats behandelt und seine Lösung ermöglicht, die erheblichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen und die störenden Auswirkungen des Austritts eines Mitgliedstaats aus der Union – sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten der Union und mitgliedstaatenübergreifend als auch international – dadurch jedoch nicht gelöst werden;

47.  bekräftigt seine Forderung nach eingehenden Überlegungen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und die Auswirkungen dieses Austritts auf die Zukunft der Union; ist der Ansicht, dass anhand solcher Überlegungen ein offener und erweiterter Dialog über die Reformen sichergestellt werden sollte, die die Union benötigt, um die Demokratie und die Fähigkeit, den Bedürfnissen und Erwartungen der Bürger gerecht zu werden, zu stärken; weist in diesem Zusammenhang auf das beispiellose Verfahren der Überlegungen über die Zukunft der Union im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas hin; betont, dass im Rahmen dieser Überlegungen die Zivilgesellschaft und Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen einbezogen werden;

48.  ist der Auffassung, dass es die Verantwortung und die Aufgabe der Union und ihrer Mitgliedstaaten ist, mehr zu tun, um den Prozess der europäischen Integration zu bewahren, die europäischen Werte und Grundsätze, einschließlich des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit, zu schützen und zu verhindern, dass es erneut zu einem Austritt aus der Union kommt; bedauert in diesem Zusammenhang die Zurückhaltung und das begrenzte Engagement des Europäischen Parlaments und seiner Ausschüsse im Vorfeld des Referendums im Vereinigten Königreich, wodurch die Bürger des Vereinigten Königreichs, die zu diesem Zeitpunkt Unionsbürger waren, keinen umfassenden Zugang zu Informationen über die Funktionsweise der Union und die Auswirkungen des Austrittsverfahrens hatten; betont, dass Vorkehrungen getroffen werden sollten, damit die öffentliche Debatte vor der Auslösung von Artikel 50 EUV durch einen Mitgliedstaat es den betroffenen Bürgern ermöglicht, eine fundierte Entscheidung zu treffen; fordert die Mitgliedstaaten und die Union auf, den Unionsbürgern konsequent umfassende Informationen über die Funktionsweise der Europäischen Union, ihre Tätigkeitsbereiche, ihre Beschlussfassungsverfahren, die Rechte der Unionsbürger und die Folgen eines Austritts aus der Union zur Verfügung zu stellen; ist der Ansicht, dass die Konferenz zur Zukunft Europas diesbezüglich eine Gelegenheit für einen verstärkten Dialog mit den Bürgern und der Zivilgesellschaft über die Europäische Union und ihre mögliche Weiterentwicklung bietet; fordert die Kommission auf, einen Vorschlag vorzulegen, der es europäischen politischen Parteien ermöglicht, Kampagnen für Referenden im Zusammenhang mit der Umsetzung des EUV oder des AEUV zu finanzieren;

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49.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 58 vom 27.2.2020, S. 53.
(2) ABl. C 298 vom 23.8.2018, S. 24.
(3) ABl. C 346 vom 27.9.2018, S. 2.
(4) ABl. C 369 vom 11.10.2018, S. 32.
(5) ABl. C 162 vom 10.5.2019, S. 40.
(6) ABl. C 171 vom 6.5.2021, S. 2.
(7) ABl. C 270 vom 7.7.2021, S. 21.
(8) ABl. C 294 vom 23.7.2021, S. 18.
(9) ABl. C 362 vom 8.9.2021, S. 90.
(10) ABl. C 331 vom 17.8.2021, S. 38.
(11) ABl. L 29 vom 31.1.2020, S. 7.
(12) ABl. C 34 vom 31.1.2020, S. 1.
(13) ABl. L 165 I vom 2.7.2018, S. 1.
(14) ABl. L 38 vom 8.2.2019, S. 1.

Letzte Aktualisierung: 4. Mai 2022Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen