Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Oktober 2022 zur Menschenrechtslage in Haiti insbesondere in Bezug auf Bandengewalt (2022/2856(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Haiti, insbesondere vom 20. Mai 2021 zur Lage in Haiti(1),
– unter Hinweis auf das Ergebnis der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung zu Haiti des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 4. Juli 2022,
– unter Hinweis auf die Resolution 2645 (2022) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. Juli 2022,
– unter Hinweis auf die Berichte des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten zu Haiti aus dem Jahr 2022, insbesondere den Bericht vom 23. September 2022 über die Auswirkungen sozialer Unruhen auf die humanitäre Lage,
– unter Hinweis auf die Rede von Außenminister Jean Victor Généus vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 24. September 2022,
– unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 15. Februar 2022 für das Integrierte Büro der Vereinten Nationen in Haiti,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau,
– unter Hinweis auf die Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22. November 1969,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes und seine drei Fakultativprotokolle,
– unter Hinweis auf die von den Vereinten Nationen verabschiedeten Grundprinzipien der Unabhängigkeit der Richterschaft vom 6. September 1985,
– unter Hinweis auf das Universelle Richterstatut vom 17. November 1999 und das Statut der iberoamerikanischen Richter vom Mai 2001,
– unter Hinweis auf das zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten andererseits am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnete Partnerschaftsabkommen(2) (Abkommen von Cotonou),
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 26. Juni 2012 mit dem Titel „Gemeinsame Partnerschaftsstrategie EU-Karibik“ (JOIN(2012)0018),
– unter Hinweis auf das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen den Cariforum-Staaten einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits(3),
– unter Hinweis auf die Verfassung der Republik Haiti aus dem Jahr 1987,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die humanitäre Lage in Haiti in den letzten Jahren aufgrund der anhaltenden Unsicherheit in dem Land kontinuierlich verschlechtert hat; in der Erwägung, dass seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 Banden deutlich mehr Macht erlangt haben, wodurch ein allgegenwärtiges Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung Haitis aufgekommen ist; in der Erwägung, dass die zunehmende Gewalt und die eskalierenden Menschenrechtsverletzungen 1,5 Millionen Menschen betreffen und darüber hinaus zur Folge haben, dass es in dem Land 19 000 Binnenvertriebene gibt und 1,1 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sind; in der Erwägung, dass sich diese gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Krise einhergehend mit der allgemeinen Unsicherheit und der Bandenkrise zu einer humanitären Katastrophe entwickelt; in der Erwägung, dass Berichten zufolge das gewalttätige Vorgehen der offiziellen Polizeikräfte zugenommen hat;
B. in der Erwägung, dass die haitianische Regierung am 11. September 2022 angekündigt hat, die Treibstoffsubventionen um rund 400 Mio. USD zu senken, um die Einnahmen für Sozialprogramme zu erhöhen, was zu zunehmenden Unruhen führte und dazu, dass sich Banden verbündeten, um wichtige Infrastrukturen zu beschlagnahmen; in der Erwägung, dass es in dem Land seit Monaten an Benzin mangelt; in der Erwägung, dass der Zugang zum Ölterminal Varreux, in dem 70 % der Vorräte gelagert sind, von bewaffneten Banden kontrolliert wird; in der Erwägung, dass fast 86 % des in dem Land erzeugten Stroms auf Erdölerzeugnissen beruht; in der Erwägung, dass Krankenhäuser und Gesundheitszentren aufgrund der Engpässe ihre Tätigkeit verringern oder sogar einstellen mussten;
C. in der Erwägung, dass es in Haiti, einschließlich in Port-Au-Prince, bis zu 200 Banden gibt, die wichtige Häfen und Straßen kontrollieren; in der Erwägung, dass diese Banden, von denen einige Verbindungen zu staatlichen Akteuren haben und angeblich Verbindungen zu Politikern unterhalten, die Regierung durch ihre ressourcen- und waffenbezogene Überlegenheit zu destabilisieren drohen; in der Erwägung, dass einige haitianische Politiker und Führungskräfte aus der Wirtschaft angeblich Banden und anderen kriminellen Gruppen Geld und Waffen als Gegenleistung für die Unterdrückung regierungskritischer Proteste zur Verfügung gestellt haben; in der Erwägung, dass Banden Macht und Kontrolle über das Hoheitsgebiet, den Zugang zu Treibstoff und die Bereitstellung humanitärer Hilfe ausgeübt, die Autorität der haitianischen Nationalpolizei und anderer staatlicher Einrichtungen infrage gestellt und die Fähigkeit der Nationalpolizei zur Bekämpfung des Drogenhandels und anderer Verbrechen beeinträchtigt haben;
D. in der Erwägung, dass nach Angaben des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zwischen Januar und Ende Juni 2022 in Port-au-Prince 934 Morde, 684 Verletzungen und 680 Entführungen verzeichnet wurden; in der Erwägung, dass im Juli 2022 eine Welle von Bandengewalt zu mehr als 470 Tötungen geführt hat, davon fast die Hälfte im Stadtviertel Cité Soleil; in der Erwägung, dass die meisten Opfer den Banden nicht unmittelbar angehörten, sondern direkt von Bandenmitgliedern ins Visier genommen wurden; in der Erwägung, dass es mehrere Fälle wiederholter Gruppenvergewaltigungen von Frauen und Mädchen gab, was bestätigt, dass es sich dabei um systematisch eingesetzte geschlechtsspezifische Gewalt handelte; in der Erwägung, dass laut einem Bericht des nationalen Netzes für Menschenrechtsverteidiger in Haiti vom August 2022 Dutzende Frauen und Mädchen Opfer von konzertierten Massenvergewaltigungen in Port-au-Prince geworden sind, die von Banden verübt wurden;
E. in der Erwägung, dass Banden am 10. Juni 2022 die Kontrolle über den Justizpalast übernommen haben; in der Erwägung, dass der Justizpalast seit 2018 aufgrund von Sicherheitsrisiken weitgehend außer Betrieb war, was den Zugang zur Justiz im Land behinderte; in der Erwägung, dass Fallakten mit kritischen Beweismitteln zu zahlreichen Massakern, die seit 2018 von Banden begangen worden waren, gestohlen oder vernichtet wurden, sodass ihre Wiederbeschaffung nun nicht mehr möglich ist;
F. in der Erwägung, dass die äußerst instabile Sicherheitslage Haitis lebenswichtige humanitäre Maßnahmen gefährdet, auf die schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen angewiesen sind; in der Erwägung, dass die seit 2021 andauernde vollständige Blockade der Straße, die zur südlichen Halbinsel führt, 3,8 Millionen Menschen, die in den südlichen Stadtteilen von Port-au-Prince leben, isoliert hat; in der Erwägung, dass diese Situation die Organisationen der Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen daran gehindert hat, der Bevölkerung in diesen Gebieten zu helfen, und dass Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge 1,1 Millionen Menschen Hilfe benötigen;
G. in der Erwägung, dass Banden Nahrungsmittelhilfsgüter gezielt geplündert haben, unter anderem am 15. September 2022, als ein Lager des Welternährungsprogramms in Gonaïves geplündert wurde, das 1 400 Tonnen Lebensmittel enthielt, die zur Ernährung von fast 100 000 Schulkindern und für die hilfsbedürftigsten Familien bestimmt waren; in der Erwägung, dass den Vereinten Nationen und anderen nichtstaatlichen Organisationen im Jahr 2022 Lieferungen im Wert von mindestens 6 Mio. USD abhandengekommen sind, die mehr als 410 000 Menschen hätten zugutekommen können;
H. in der Erwägung, dass dem Welternährungsprogramm zufolge 4,4 Millionen Haitianer, d. h. mehr als ein Drittel der Bevölkerung, von Ernährungsunsicherheit betroffen sind und 217 000 Kinder unter mittelschwerer bis schwerer Unterernährung leiden; in der Erwägung, dass Haiti besonders anfällig für weltweite Schocks auf dem Nahrungsmittel- und Kraftstoffmarkt ist, da es 70 % seines Getreides einführt; in der Erwägung, dass Haiti infolge des Krieges Russlands in der Ukraine bereits von einer Inflation von 26 % betroffen ist, was es für Familien schwierig macht, sich Lebensmittel und andere Bedarfsgüter zu leisten oder ihre Ernteerträge auf lokalen Märkten zu verkaufen;
I. in der Erwägung, dass Journalisten besonders von Gewalt betroffen sind; in der Erwägung, dass am 11. September 2022 zwei Journalisten, Tayson Latigue und Frantzsen Charles, in Cité Soleil erschossen und ihre Körper anschließend verbrannt wurden;
J. in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage und die humanitäre Lage weiter rasch verschlechtern und dass haitianische Asylbewerber nur eingeschränkten Zugang zu internationalem Schutz haben und in den Aufnahmeländern mit einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sind, darunter Inhaftierungen, rechtswidrige Push-back-Aktionen und Erpressung; in der Erwägung, dass der Internationalen Organisation für Migration zufolge 25 765 Menschen zwischen dem 1. Januar und dem 26. Februar 2022 aus Nachbarländern nach Haiti ausgewiesen oder abgeschoben wurden; in der Erwägung, dass mehrere nichtstaatliche Organisationen darauf hingewiesen haben, dass haitianische Asylbewerber willkürlich inhaftiert, diskriminiert und gedemütigt werden; in der Erwägung, dass die Abschiebung und Rückkehr haitianischer Migranten zur Verschlechterung der humanitären Lage im Land beiträgt;
K. in der Erwägung, dass die haitianische Regierung aufgrund der sich verschlechternden sicherheitsbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Lage beschlossen hat, den Beginn des Schuljahres vom 5. September auf den 3. Oktober 2022 zu verschieben, und dass das neue Schuljahr nach wie vor in der Schwebe hängt; in der Erwägung, dass laut dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) eine halbe Million Kinder in Port-au-Prince nicht zur Schule gehen und 1 700 Schulen in der Hauptstadt schließen mussten; in der Erwägung, dass etwa die Hälfte der Haitianer ab einem Alter von 15 Jahren Analphabeten sind, dass das Bildungssystem des Landes sehr ungleich ist, dass das Bildungsangebot von geringer Qualität ist und dass die meisten Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen aufgrund der hohen Schulgebühren vom Bildungssystem ausgeschlossen sind;
L. in der Erwägung, dass die schutzbedürftigsten Gemeinschaften des Landes mit dramatischen Überschwemmungen und Bodenerosion zu kämpfen haben, die durch die massive Entwaldung verursacht werden, was zu einer geringeren landwirtschaftlichen Produktivität führt; in der Erwägung, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Wasser hat und zwei Drittel nur über eingeschränkte oder gar keine Sanitärversorgung verfügen; in der Erwägung, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt und viele auf Subsistenzlandwirtschaft angewiesen sind; in der Erwägung, dass das Land stark von externen Einnahmen abhängig ist; in der Erwägung, dass Haiti laut dem globalen Klimarisikoindex 2021 zu den Ländern gehört, die in den letzten 20 Jahren am stärksten von klimatischen Gefahren betroffen waren;
M. in der Erwägung, dass der sicherheitspolitische Kontext die Ziele des Engagements der EU gegenüber Haiti, einschließlich der Einführung einer Entwicklungsagenda mit der Schwerpunktlegung auf nachhaltigen transformativen Ergebnissen zu Themen wie Bildung und Ernährungssicherheit, sowie die Bemühungen der Kommission in den Bereichen Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe stark beeinträchtigt;
N. in der Erwägung, dass das Restavek-System, eine moderne Form der Sklaverei, in Haiti nach wie vor eine gängige Praxis darstellt; in der Erwägung, dass bei diesem System Kinder aus armen Familien – zumeist Mädchen – von ihren Eltern an andere Familien in Städten oder in einem städtischen Umfeld abgegeben werden, um dort zu leben und zu arbeiten; in der Erwägung, dass diese Kinder später Opfer von Straßenkriminalität oder Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung werden können, der durch kriminelle Banden betrieben wird;
O. in der Erwägung, dass der Plan der Vereinten Nationen für humanitäre Maßnahmen für Haiti, der sich auf 373 Mio. USD beläuft, nur zu 14 % finanziert wurde; in der Erwägung, dass nach Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 1,5 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen;
P. in der Erwägung, dass Haiti das Cotonou-Abkommen unterzeichnet hat, in dessen Artikel 96 festgelegt ist, dass die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein wesentlicher Bestandteil der Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten und der EU ist;
1. verurteilt aufs Schärfste die von Banden in Haiti begangenen Gewalttaten und Zerstörungen und bedauert die Plünderung von Nahrungsmitteln und Hilfsgütern sowie die Angriffe auf humanitäre Helfer; verurteilt insbesondere die Gewalttaten, die im Juli 2022 im Stadtteil Cité Soleil von Port au Prince verübt wurden, und die anhaltende Gewalt, aufgrund derer die Bürger ihrer Grundrechte beraubt werden; verurteilt aufs Schärfste die von Banden gegen Frauen und Mädchen verübten sexuellen Übergriffe und den Einsatz von Minderjährigen bei Bandenmachenschaften; weist darauf hin, dass Frauen und Mädchen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung und beim Schutz vor sexueller Gewalt besondere Aufmerksamkeit und Hilfe benötigen;
2. betont, dass die haitianischen Behörden für eine bessere Verwaltung auf allen staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen – darunter auch bei der Korruptionsbekämpfung – Sorge tragen müssen; hebt die entscheidende Bedeutung einer funktionierenden und glaubwürdigen Justiz hervor; weist darauf hin, dass die haitianischen Behörden gegen die eigentlichen Ursachen von Bandengewalt vorgehen müssen, unter anderem indem sie das Justizsystem reformieren und die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht stellen; unterstreicht, dass die Rechenschaftspflicht eine dringende Angelegenheit ist, und betont, wie wichtig eine angemessene Unterstützung und Wiedergutmachung für die Opfer, ein dauerhafter Frieden und Stabilität sind; unterstützt die Erklärung der Sonderbeauftragten Helen La Lime vom 16. Juni 2022 auf der Tagung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Integrierten Büro der Vereinten Nationen in Haiti, in der dargelegt wird, wie die Sicherheitslage verbessert werden kann;
3. fordert einen auf die Strafverfolgung ausgerichteten Ansatz bei Bandenproblemen, in dessen Rahmen der Umgang mit illegalen Waffen zu verbessern ist und der durch sozioökonomische Projekte und Wiedereingliederungsmaßnahmen ergänzt wird, die auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Einnahmequellen in den von Bandengewalt am stärksten betroffenen Stadtvierteln abzielen; besteht nachdrücklich darauf, dass die haitianischen Behörden die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht stellen müssen, und bekräftigt, dass sich Strafverfolgungsbeamte, wenn sie mit Protesten konfrontiert werden, an internationale Normen und Standards in Bezug auf den Einsatz von Gewalt halten müssen; weist auf das verfassungsmäßige Recht auf friedliche Demonstrationen hin; betont, dass die haitianische Regierung gegen alle möglichen Dimensionen der Bandengewalt vorgehen muss, unter anderem durch Sozial-, Gesundheits- und Bildungsprogramme sowie durch Verbesserungen bei der Wasser- und Sanitärversorgung, durch Katastrophenhilfe und Wiederaufbauanstrengungen;
4. fordert, dass Bandengewalt und kriminelle Handlungen unverzüglich eingestellt werden; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte geeignete Maßnahmen zu ergreifen, darunter das Einfrieren von Vermögenswerten und die Verhängung von Reiseverboten gegen diejenigen, die in Bandengewalt, kriminelle Machenschaften oder Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Korruption, involviert sind oder diese unterstützen;
5. betont, wie wichtig die maßgeblichen Akteure der Zivilgesellschaft sind, wozu auch Kirchen, Gewerkschaften, Jugend- und Menschenrechtsorganisationen, Bauern- und Frauenbewegungen sowie nichtstaatliche Organisationen zählen; fordert die Wiederherstellung der Macht und Legitimität öffentlicher Einrichtungen, die Neubelebung des Vertrauens der Bevölkerung, die Beendigung der Straflosigkeit und die Organisation freier und transparenter Wahlen nach zwei Jahren;
6. fordert alle Akteure in Haiti auf, einen dauerhaften, zeitnahen und allgemein akzeptierten Weg aus der derzeitigen politischen Sackgasse zu finden, um inklusive, friedliche, freie, faire und transparente Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Einklang mit anerkannten internationalen Standards zu ermöglichen, sobald die Sicherheitsbedingungen und die logistischen Vorbereitungen dies zulassen; betont, dass dies unter haitianischer Führung und unter umfassender und gleichberechtigter Beteiligung von Frauen, jungen Menschen, der Zivilgesellschaft und weiteren einschlägigen Akteuren erfolgen muss, um die Macht an diejenigen zurückzugeben, die vom haitianischen Volk frei gewählt wurden, die demokratischen Institutionen wiederherzustellen und Maßnahmen zu ergreifen, damit die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen bewältigt werden können;
7. zeigt sich zutiefst besorgt über die Lage von haitianischen Asylbewerbern in den Aufnahmeländern, in die sie geflohen sind; fordert die Behörden der Aufnahmeländer auf, alle Ausweisungen und Abschiebungen nach Haiti einzustellen, da die Menschenrechtskrise und die humanitäre Krise in dem Land andauern, den Haitianern dringend einen diskriminierungsfreien Zugang zu Schutz zu gewähren und im Einklang sowohl mit dem Abkommen der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge als auch der Erklärung von Cartagena über Flüchtlinge eine faire Bewertung des Flüchtlingsstatus vorzunehmen;
8. fordert die Länder, die haitianische Asylbewerber aufnehmen, auf, die in den internationalen Übereinkommen über Asyl und Rückführung festgelegten Kriterien zu beachten; weist darauf hin, dass Rückführungen nach Haiti – solange sich die Sicherheitslage in dem Land nicht verbessert hat – äußerst unsicher und nach wie vor lebensgefährlich sind;
9. legt der Kommission und den EU-Mitgliedstaaten nahe, weiterhin mit dem Integrierten Büro der Vereinten Nationen in Haiti, dem Länderteam der Vereinten Nationen in Haiti sowie mit regionalen Organisationen und internationalen Finanzinstitutionen eng zusammenzuarbeiten, damit Haiti dabei unterstützt wird, Verantwortung zu übernehmen, um zu langfristiger Stabilität, einer nachhaltigen Entwicklung und wirtschaftlicher Eigenständigkeit zu gelangen;
10. fordert die Mitgliedstaaten, internationale Finanzinstitutionen und andere Einrichtungen auf, die Beiträge zum Geberfonds für die Sicherheitshilfe für Haiti aufzustocken, um die koordinierte internationale Hilfe zu unterstützen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, mit dem Kapazitätsaufbau, der technischen Unterstützung und der Schulung von nationalen Zoll- und Grenzkontrollbehörden sowie anderen relevanten Behörden fortzufahren;
11. fordert die haitianischen Behörden und die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, Programme zur Beseitigung der Armut und zur Gewährleistung einer schulischen Ausbildung und des Zugangs zu sozialen Diensten, insbesondere in abgelegenen Gebieten des Landes, zu unterstützen;
12. begrüßt die Bereitstellung von 17 Mio. EUR durch die EU, um die bedürftigsten Menschen in Haiti und anderen Ländern der Karibik zu unterstützen; fordert die Kommission auf, der humanitären Hilfe für Haiti weiterhin Priorität einzuräumen und sicherzustellen, dass die Bereitstellung humanitärer Hilfe für Haiti effizient mit der Entwicklungsstrategie des Landes verknüpft ist und unmittelbar bedürftigen Bevölkerungsgruppen zugutekommt;
13. fordert angesichts der schweren Nahrungsmittelkrise mit Nachdruck, dass der Nahrungsmittelsoforthilfe besondere Aufmerksamkeit zukommt, wobei dem Kauf lokaler Lebensmittel Vorrang einzuräumen ist, damit diese Hilfe nicht dazu beiträgt, dass die Existenz von Kleinbauern in dem Land zerstört wird und nachhaltige Anbaumethoden vor Ort in Vergessenheit geraten;
14. fordert die Kommission nachdrücklich auf, systematisch zu gewährleisten, dass jede Hilfe, einschließlich der humanitären Hilfe, wirksam überwacht wird, damit sie für jene Projekte verwendet wird, für die sie auch vorgesehen ist; bekräftigt seine in seiner Entschließung vom 20. Mai 2021 formulierte und noch nicht umgesetzte Forderung nach einer Prüfung und einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs über die Art und Weise, in der die EU-Mittel in Haiti ausgegeben werden; fordert, dass die Transparenz und Effizienz des Netzes für die Verteilung von Hilfsgütern untersucht wird;
15. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten, ihrem Ministerrat und ihrer mit der EU bestehenden Paritätischen Parlamentarischen Versammlung, den Organen des CARIFORUM sowie der Regierung und dem Parlament Haitis zu übermitteln.