Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Oktober 2022 zur Rechtsstaatlichkeit in Malta fünf Jahre nach der Ermordung von Daphne Caruana Galizia (2022/2866(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Artikel 2, 4, 5, 6, 7, 9 und 10 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– gestützt auf Artikel 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Artikel 6, 7, 8, 10, 11, 12 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: „Charta“),
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 15. November 2017(1), vom 28. März 2019(2), 16. Dezember 2019(3) und vom 29. April 2021(4) zur Rechtsstaatlichkeit in Malta,
– unter Hinweis auf die Anhörungen, Aussprachen und Delegationsreisen, die von der Gruppe des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte seit dem 15. November 2017 durchgeführt wurden,
– unter Hinweis auf den Briefwechsel zwischen dem Vorsitzenden der Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte und dem Ministerpräsidenten Maltas,
– unter Hinweis auf die Entschließung 2293(2019) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 26. Juni 2019 mit dem Titel „Daphne Caruana Galizia’s assassination and the rule of law in Malta and beyond: ensuring that the whole truth emerges“ (Der Mord an Daphne Caruana Galizia und die Rechtsstaatlichkeit in Malta und darüber hinaus: dafür sorgen, dass die ganze Wahrheit ans Licht kommt),
– unter Hinweis auf den Bericht über die Folgemaßnahmen zur Entschließung 2293(2019) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der am 8. Dezember 2020 vom Rechts- und Menschenrechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung gebilligt wurde,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme Nr. 993/2020 der Venedig-Kommission vom 8. Oktober 2020 zu zehn Gesetzen und Gesetzentwürfen zur Umsetzung von Legislativvorschlägen, die Gegenstand der Stellungnahme CDL-AD(2020)006 sind,
– unter Hinweis auf den Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats im Anschluss an ihren Besuch in Malta vom 11. bis 16. Oktober 2021,
– unter Hinweis auf das Schreiben der Menschenrechtskommissarin des Europarats vom 23. September 2022 an den Premierminister Maltas und auf dessen Antwort vom 4. Oktober 2022,
– unter Hinweis auf den Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2022 (COM(2022)0500),
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) im Anschluss an die Reise seiner Delegation betreffend die Rechtsstaatlichkeit vom 23. bis 25. Mai 2022 nach Valletta (Malta),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Union auf die in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, gründet, die den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam sind und zu denen sich die Bewerberländer im Rahmen der Kopenhagener Kriterien bekennen müssen, um der Union beitreten zu können, und die nach dem Beitritt nicht missachtet oder neu ausgelegt werden dürfen; in der Erwägung, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte einander verstärkende Werte sind, deren etwaige Aushöhlung eine systemische Bedrohung für die Union und die Rechte und Freiheiten ihrer Bürgerinnen und Bürger darstellen könnte;
B. in der Erwägung, dass die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Demokratie, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der in den Verträgen der EU und völkerrechtlichen Übereinkünften auf dem Gebiet der Menschenrechte verankerten Werte und Grundsätze für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten bindende Wirkung haben und eingehalten werden müssen;
C. in der Erwägung, dass die Charta zum Primärrecht der EU zählt; in der Erwägung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Freiheit und der Pluralismus der Medien in Artikel 11 der Charta und Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgeschrieben sind;
D. in der Erwägung, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Artikel 19 Absatz 1 EUV, in Artikel 47 der Charta der Grundrechte und in Artikel 6 der EMRK verankert ist und eine wesentliche Voraussetzung für den demokratischen Grundsatz der Gewaltenteilung darstellt;
E. in der Erwägung, dass gegen Journalisten, insbesondere – aber nicht ausschließlich – gegen investigative Journalisten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU zunehmend sogenannte strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen) angestrengt werden, die nur dazu dienen, ihre Arbeit zu behindern, die öffentliche Kontrolle zu umgehen und zu verhindern, dass Behörden zur Rechenschaft gezogen werden; in der Erwägung, dass dies eine abschreckende Wirkung in Bezug auf die Medienfreiheit hat;
F. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten die Einrichtung von Frühwarn- und Krisenreaktionsmechanismen fördern sollten, um sicherzustellen, dass Journalisten und andere Medienakteure unmittelbar Zugang zu Schutzmaßnahmen haben, wenn sie bedroht werden; in der Erwägung, dass solche Mechanismen einer angemessenen Kontrolle durch die Zivilgesellschaft unterliegen sollten und in ihrem Rahmen der Schutz von Hinweisgebern und Quellen, die anonym bleiben möchten, gewährleistet sein sollte;
G. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten mit Blick auf die Verhinderung von Straffreiheit verpflichtet sind, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Täter von Verbrechen gegen Journalisten und andere Medienakteure vor Gericht zu bringen; in der Erwägung, dass bei Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen alle unterschiedlichen – tatsächlichen und potenziellen – Rollen bei diesen Straftaten wie Urheber, Anstifter, Täter und Mittäter sowie die sich daraus ergebende strafrechtliche Verantwortlichkeit berücksichtigt werden sollten;
H. in der Erwägung, dass die maltesische Investigativjournalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia, die Korruptionsfälle anprangerte, am 16. Oktober 2017 mit einer Autobombe ermordet wurde; in der Erwägung, dass sie zum Ziel von Belästigungen wurde und zahlreiche Drohungen in Form von Anrufen, Briefen und Kurznachrichten erhielt und dass ein Brandanschlag auf ihr Haus verübt wurde; in der Erwägung, dass der geständige Auftragsmörder am 16. März 2021 vor Gericht ausgesagt hat, dass es zwei Jahre vor dem Mord an Daphne Caruana Galizia einen älteren und getrennten Plan gab, sie mit einem AK-47-Gewehr zu ermorden; in der Erwägung, dass die beiden anderen Angeklagten am ersten Tag ihrer Verhandlung, d. h. am 14. Oktober 2022, vor Gericht schuldig gesprochen und zu 40 Jahren Haft verurteilt wurden;
I. in der Erwägung, dass die von den maltesischen Behörden geführten und von Europol unterstützten Mordermittlungen zur Identifizierung mehrerer Verdächtiger und eines der potenziellen Drahtzieher des Mordes – des Eigentümers des in Dubai ansässigen Unternehmens 17 Black Ltd. und ehemaligen Vorstandsmitglieds von ElectroGas Malta Ltd., der am 20. November 2019 bei dem offensichtlichen Versuch, aus Malta zu fliehen, festgenommen wurde – sowie zur Anklageerhebung und zum laufenden Verfahren gegen sie geführt haben; in der Erwägung, dass das Federal Bureau of Investigation (FBI) der Vereinigten Staaten auch an den Ermittlungen beteiligt war;
J. in der Erwägung, dass die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) genutzt wurden, um Transaktionen zu verschleiern, die angeblich mit der Korruption im Zusammenhang standen, die Daphne Caruana Galizia zum Zeitpunkt ihrer Ermordung aufdeckte;
K. in der Erwägung, dass das in Dubai ansässige Unternehmen 17 Black Ltd. als ein Unternehmen gelistet war, von dem in Panama ansässige Unternehmen – die sich im Besitz des ehemaligen Stabschefs des früheren Premierministers von Malta und des ehemaligen Ministers für Tourismus, der zuvor Minister für Energie war, befanden – Gelder erhalten sollten; in der Erwägung, dass noch immer Verbindungen zwischen 17 Black Ltd. und zahlreichen öffentlichen Projekten in Malta aufgedeckt werden;
L. in der Erwägung, dass der Stabschef des ehemaligen Premierministers Maltas und des ehemaligen Ministers für Tourismus, der zuvor Energieminister war, und ihre Familien vom US-Außenministerium aufgrund ihrer Verwicklung in an Korruption in erheblichem Ausmaß benannt und daher mit einem Einreiseverbot in die Vereinigten Staaten belegt wurden;
M. in der Erwägung, dass Daphne Caruana Galizia die Pilatus Bank als Bank der Wahl für verdächtige Transaktionen zwischen politisch exponierten Personen aus Malta und Aserbaidschan aufdeckte; in der Erwägung, dass der Chef der maltesischen Polizei im August 2020 öffentlich erklärte, dass Anklagen gegen Personen, die in kriminelle Aktivitäten bei der Pilatus Bank involviert waren, unmittelbar bevorstünden; in der Erwägung, dass nach 26 Monaten nur gegen eine Person Anklage erhoben worden ist und die Ermittlungen offenbar zum Stillstand gekommen sind; während die Betroffenen trotz der ausgestellten Haftbefehle ungehindert ein- und ausreisen durften; in der Erwägung, dass ein ehemaliger Compliance-Beauftragter der maltesischen Glücksspielbehörde Malta im Rahmen einer Urlaubsreise mit dem ehemaligen maltesischen Premierminister verlassen durfte, obwohl ein europäischer Haftbefehl gegen ihn in Kraft war, und anschließend bei seiner Ankunft in Italien festgenommen wurde;
N. in der Erwägung, dass zwei Partner des mit Mossack Fonseca in Verbindung stehenden und inzwischen aufgelösten Unternehmens Nexia BT, das von Daphne Caruana Galizia und den Panama Papers als Architekt der Geldwäschestrukturen zur Erleichterung von Korruption entlarvt wurde, nur in Bezug auf einen Teil der gegen sie erhobenen Vorwürfe angeklagt wurden, nicht jedoch im Zusammenhang mit dem ElectroGas-Skandal;
O. in der Erwägung, dass die Vereinbarung über die sichere Versorgung mit Flüssigerdgas zwischen ElectroGas Malta Ltd. und der maltesischen Regierung, die vom ehemaligen Tourismusminister, der zu jenem Zeitpunkt, im Jahr 2015, Energieminister war, unterzeichnet wurde, jahrelang geheim gehalten und erst im September 2022 von der Daphne-Caruana-Galizia-Stiftung und einem Medienunternehmen aufgedeckt wurde; in der Erwägung, dass die derzeitige Generalstaatsanwältin kritisiert wurde, weil sie in ihrer früheren Funktion als stellvertretende Generalstaatsanwältin die Unterzeichnung dieses Vertrags ohne weitere Zustimmung des Kabinetts oder des Parlaments ermöglicht hatte; in der Erwägung, dass Daphne Caruana Galizia zum Zeitpunkt ihrer Ermordung eine große Zahl interner Dokumente von ElectroGas Malta Ltd. überprüfte;
P. in der Erwägung, dass der ehemalige Stabschef des damaligen maltesischen Premierministers von den mutmaßlichen Komplizen und durch gewisse in den Gerichtsverfahren vorgelegte Aufzeichnungen mit der Planung und Finanzierung des Mordes in Verbindung gebracht wurde; in der Erwägung, dass er und mehrere seiner Geschäftspartner festgenommen wurden und dass gegen sie am 20. März 2021 in einem separaten Fall, an dem Daphne Caruana Galizia gearbeitet hatte, Anklage wegen Geldwäsche, Betrug, Korruption und Urkundenfälschung erhoben wurde;
Q. in der Erwägung, dass Ende 2019 eine unabhängige öffentliche Untersuchung zum Mord an Daphne Caruana Galizia eingeleitet wurde, die am 29. Juli 2021 abgeschlossen wurde; in der Erwägung, dass der Vorstand der öffentlichen Untersuchung einen Bericht mit Schlussfolgerungen und Empfehlungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, zur Achtung der Pressefreiheit, zur Meinungsfreiheit und zum Schutz von Journalisten, zur Rechtsreform auf Verfassungsebene und zu Gesetzesvorschlägen zur Medienfreiheit veröffentlicht hat; in der Erwägung, dass der Untersuchungsausschuss ferner feststellte, dass es zwar keine Beweise dafür gebe, dass der Staat selbst eine Rolle bei der Ermordung von Daphne Caruana Galizia gespielt habe, er jedoch die Verantwortung für den Mord trage, da er ein Klima der Straffreiheit geschaffen habe, das von den höchsten Ebenen im Innersten der Verwaltung von Castille(5) ausgegangen sei und sich bis zu anderen Stellen wie den Regulierungsbehörden und der Polizei ausgedehnt habe, was zum Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit geführt habe;
R. in der Erwägung, dass die Regierung Maltas eine Reihe von Reformen vorgeschlagen hat, um einige dieser Empfehlungen umzusetzen, darunter Gesetzesentwürfe zur Stärkung der Medienfreiheit und einen Vorschlag für ein Gesetz gegen SLAPP-Klagen (strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung); in der Erwägung, dass die 2020 begonnene Umsetzung der Reformen des maltesischen Justizsystems weiter vorangebracht worden ist;
S. in der Erwägung, dass im jüngsten Bericht des Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus das Gesamtrisiko für den Medienpluralismus in Malta als „mittelhoch“, das Risiko für redaktionelle und politische Unabhängigkeit jedoch als „hoch“ eingestuft wurde;
T. in der Erwägung, dass die maltesische Nachrichtenagentur The Shift News mit 40 separaten Einsprüchen von Behörden gegen Anfragen unter Berufung auf die Informationsfreiheit bezüglich öffentlicher Ausgaben in Bezug auf die unabhängigen Medien konfrontiert wurde;
U. in der Erwägung, dass die von den maltesischen Behörden durchgeführte Justizreform in der Rede zur Lage der Union 2021 erwähnt wurde;
V. in der Erwägung, dass der Expertenausschuss des Europarates für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (MONEYVAL) die erheblichen Fortschritte Maltas bei der Einhaltung der Standards der Financial Action Task Force (Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“) anerkannt und Malta nach 12 Monaten von der grauen Liste gestrichen hat;
W. in der Erwägung, dass die Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte des LIBE-Ausschusses des Parlaments in ihrem Bericht über die Reise der LIBE-Delegation betreffend die Rechtsstaatlichkeit vom 23. bis 25. Mai 2022 nach Malta Besorgnis über die langsamen Fortschritte bei den Folgemaßnahmen zum Mord an Daphne Caruana Galizia und der Umsetzung der Empfehlungen der öffentlichen Untersuchung geäußert, jedoch zugleich eingeräumt hat, dass die Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen sind;
1. würdigt Daphne Caruana Galizia fünf Jahre nach ihrer Ermordung sowie ihre wichtige Arbeit, die darin bestand, Korruption, organisiertes Verbrechen, Steuerbetrug und Geldwäsche aufzudecken und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die an solchen illegalen Aktivitäten beteiligt sind; verurteilt aufs Schärfste die Kriminalisierung von, die Angriffe auf und die Ermordung von Journalisten aufgrund ihrer Arbeit – einschließlich der Morde an Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová am 21. Februar 2018, Viktoria Marinova am 6. Oktober 2018, dem griechischen Journalisten George Karaivaz am 9. April 2021 und dem niederländischen Journalisten Peter R. de Vries am 15. Juli 2021 – und betont die entscheidende Rolle, die sie bei der Aufdeckung der Wahrheit, dem Schutz der Demokratie und der Beendigung der Kultur der Straflosigkeit spielen; würdigt ferner alle Journalisten, die in den letzten Jahren in Europa getötet wurden; bekräftigt die überragende Bedeutung unabhängiger Medien und einer aktiven Zivilgesellschaft als Grundpfeiler von Gerechtigkeit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; stellt fest, dass die Ermordung von Journalisten nicht nur einen Mitgliedstaat, sondern die Europäische Union als Ganzes betrifft; ist der festen Überzeugung, dass es sich beim Schutz der demokratischen Rechtsstaatlichkeit um eine gemeinsame Verantwortung handelt, die über nationale Grenzen und Parteigrenzen hinausgeht;
2. erkennt die Fortschritte an, die bei den laufenden Gerichtsverfahren zum Mord an Daphne Caruana Galizia erzielt wurden, bedauert jedoch zutiefst, dass sie bisher nur zu drei Verurteilungen im Zusammenhang mit der Ausführung des Auftragsmordes infolge des Schuldeingeständnisses der Auftragskiller geführt haben; bekräftigt daher seine Forderung, die Ermittlungen zu den Hauptmotiven des Mords zum Abschluss zu bringen und die Strafverfahren so schnell wie möglich abzuschließen und die an dem Mord beteiligten Personen auf allen Ebenen vor Gericht zu stellen; fordert erneut die umfassende und stetige Beteiligung von Europol an allen Aspekten der Mordermittlungen und an allen damit in Verbindung stehenden Ermittlungen;
3. erkennt an, dass der derzeitige Premierminister von Malta sich öffentlich für die Versäumnisse des Staates entschuldigt hat, die zum Mord an Daphne Caruana Galizia beigetragen haben könnten;
4. ist besorgt darüber, dass ein Jahr nach der Veröffentlichung des Berichts über die öffentliche Untersuchung die Umsetzung der darin enthaltenen Empfehlungen unzureichend ist; stellt fest, dass die maltesische Regierung eine Reihe von Reformen vorgeschlagen hat, darunter Gesetzesvorschläge, um einige dieser Empfehlungen umzusetzen; nimmt zur Kenntnis, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarats darauf hingewiesen hat, dass die maltesischen Staatsorgane sicherstellen müssen, dass die gemäß dem Bericht über die öffentliche Untersuchung eingeleiteten legislativen Arbeiten den internationalen Standards entsprechen und der Kontrolle durch die Öffentlichkeit sowie ihrer Beteiligung uneingeschränkt offen stehen; fordert die maltesische Regierung auf, alle Empfehlungen des Berichts über die öffentliche Untersuchung unverzüglich umzusetzen;
5. begrüßt die Bemühungen der maltesischen Financial Intelligence Analysis Unit und betont, dass es von wesentlicher Bedeutung ist, dass Finanz- und Wirtschaftskriminalität auf hoher Ebene, insbesondere Korruption und Geldwäsche, rigoros verfolgt werden; ist jedoch entsetzt über die ausbleibenden Fortschritte bei der Verfolgung der Fälle von Korruption und Geldwäsche, die Daphne Caruana Galizia zum Zeitpunkt ihrer Ermordung untersucht hatte und in Bezug auf welche es Verdächtige auf höchster politischer Ebene gibt; ist ferner beunruhigt über das institutionelle Versagen der Strafverfolgung und der Justiz in Malta und fordert die zuständigen Behörden nachdrücklich auf, alle Personen, die in einen oder mehreren der zahlreichen Fälle, die derzeit untersucht oder gemeldet werden, involviert sind, vor Gericht zu stellen; ist zutiefst besorgt über die jüngsten Enthüllungen über die wiederholte Untätigkeit in Bezug auf Europäische Haftbefehle gegen Personen, die mit hohen politischen Amtsträgern in Verbindung stehen; fordert die maltesischen Behörden auf, die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Dauer der Ermittlungen in Fällen von Korruption auf hoher Ebene anzugehen, indem sie unter anderem für eine solide Erfolgsbilanz mit Blick auf rechtskräftige Urteile sorgen; unterstreicht die Bedeutung der institutionellen Unabhängigkeit für das ordnungsgemäße Funktionieren des Rechtsstaates; fordert die maltesischen Behörden auf, Fortschritte bei der Untersuchung von Fällen zu erzielen, in denen damalige Amtsträger versuchten, Beweise zu verschleiern sowie Ermittlungen und Gerichtsverfahren zu behindern;
6. ist beunruhigt über die mangelnden Fortschritte bei den Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter der Pilatus Bank und die Bemühungen der maltesischen Behörden, die Verfahren hinauszuzögern; nimmt die vorläufigen Maßnahmen des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vom 14. September 2022(6) zur Kenntnis, durch die sich die Untersuchungen der maltesischen Behörden verzögern; fordert die maltesischen Behörden auf, zusätzliche Ressourcen bereitzustellen, um die Gründe für die Verzögerung zu untersuchen und dafür zu sorgen, dass die Justiz ihre Arbeit fortsetzen kann; fordert die zuständigen europäischen Stellen auf, die Fortschritte in der Rechtssache zur Pilatus Bank genau zu verfolgen; ist ebenfalls besorgt über die mangelnden Fortschritte in Bezug auf die beiden Nexia-BT-Partner und fordert die Kommission und den MONEYVAL auf, den Fall zu beobachten; ist ferner besorgt über die Vorwürfe von Geldwäsche und Korruption im Zusammenhang mit der ElectroGas-Vereinbarung und fordert die Kommission auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, um zu beurteilen, ob das geltende europäische Recht eingehalten wurde;
7. begrüßt die zusätzlichen Kapazitäten, die für die Ermittlung und Verfolgung von Straftaten im Allgemeinen zur Verfügung gestellt worden sind, das reformierte Ernennungsverfahren für Richter und die Reform der Generalstaatsanwaltschaft und ihrer Rolle; fordert das maltesische Parlament auf, eine Einigung über die Entpolitisierung der Ernennung des Obersten Richters zu erzielen und die Richterschaft in das Verfahren einzubeziehen und dabei die europäischen Standards für die Ernennung von Richtern sowie die Stellungnahme der Venedig-Kommission zu berücksichtigen;
8. bedauert die Verschlechterung der Effizienz des maltesischen Justizsystems und fordert, dass Lösungen dafür gefunden werden, die Dauer von Verfahren zu verkürzen;
9. weist auf die Bedeutung der Informationen hin, über die die VAE in Bezug auf Transaktionen von Unternehmen, die mit Korruption in Verbindung stehen, verfügen, sowie auf deren Bedeutung für die laufenden Ermittlungen; stellt fest, dass die VAE von der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ inzwischen auf der grauen Liste geführt werden; verpflichtet sich, die fortlaufende Zusammenarbeit zwischen den VAE und Malta zu überwachen, um sicherzustellen, dass die für die Strafverfolgung erforderlichen Informationen ordnungsgemäß angefordert und übermittelt werden, und stellt fest, dass diese Zusammenarbeit Auswirkungen auf das Ansehen der VAE bei den für die Bekämpfung der Geldwäsche zuständigen Aufsichtsbehörden haben dürfte; fordert die Kommission und die maltesischen Behörden erneut auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Zusammenarbeit und angemessene Amtshilfe bei allen Ermittlungen sicherzustellen; fordert die VAE auf, mit den maltesischen Behörden mit Blick auf eine Erleichterung der Ermittlungen zügig sowie mit der EU im Allgemeinen zusammenzuarbeiten;
10. begrüßt, dass die maltesische Regierung kürzlich Fälle an die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) verwiesen hat; ist jedoch der Ansicht, dass die Gesamtzahl der Fälle im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nach wie vor relativ niedrig ist und dass das maltesische System zur Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Straftaten nach wie vor undurchsichtig ist;
11. ist zutiefst besorgt über die berichtete unzureichende Zusammenarbeit der maltesischen Behörden mit der EUStA in laufenden Fällen; nimmt insbesondere die Vorwürfe im Zusammenhang mit der laufenden Untersuchung eines von der EU finanzierten Projekts zur Kenntnis, in das der mutmaßliche Drahtzieher der Ermordung von Daphne Caruana Galizia und Eigentümer des in Dubai ansässigen Unternehmens 17 Black Ltd. verwickelt ist;
12. äußert seine Besorgnis über die Straffreiheit von zentralen Akteuren in der Verwaltung des ehemaligen Premierministers, einschließlich des ehemaligen Premierministers selbst, seines Stabschefs und des ehemaligen Tourismusministers, der zuvor Energieminister war;
13. nimmt die verschiedenen Vorschläge der maltesischen Regierung zur Verbesserung der Situation in Bezug auf die Medienfreiheit zur Kenntnis; fordert die maltesischen Behörden nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die vorgeschlagenen Reformen den europäischen und internationalen Standards für den Schutz von Journalisten entsprechen, insbesondere im Hinblick auf die Verhinderung und Sanktionierung von Drohungen und Schikanen gegen Journalisten in der Öffentlichkeit und im Internet, und diese rasch umzusetzen; fordert die maltesischen Behörden nachdrücklich auf, für zusätzliche Maßnahmen und sonstige Schutzvorkehrungen zu sorgen, um das Umfeld für kritischen und unabhängigen Journalismus in Malta und die Rechenschaftspflicht von Politikern und Beamten zu verbessern;
14. ist besorgt darüber, dass nach wie vor Hindernisse für die Freiheit und den Pluralismus der Medien bestehen, beispielsweise im Hinblick auf Anfragen an die Regierung bezüglich des Zugangs zu Informationen sowie eine mögliche Diskriminierung bei der Finanzierung von Medienunternehmen; bedauert, dass staatliche Stellen eine Reihe von Einsprüchen gegen die 40 positiven Entscheidungen des Datenschutzbeauftragten zugunsten der von The Shift News gestellten Anträge auf Informationsfreiheit eingelegt haben, und ist der Ansicht, dass diese Einsprüche eine abschreckende Botschaft an Medienschaffende und Bürger senden könnten; fordert die maltesische Regierung auf, diese Einsprüche unverzüglich zurückzuziehen;
15. äußert seine Besorgnis über Berichte, wonach der Sachverständigenausschuss für Medien, der mit der Beratung über Veränderungen im Mediensektor beauftragt war, zwar einige Medienvertreter umfasste, die maltesische Regierung jedoch keine Konsultation der Öffentlichkeit abhielt; fordert die maltesischen Staatsorgane auf, eine breit angelegte Konsultation der Öffentlichkeit zum Mediensektor, zu der sich der Premierminister Maltas am 13. Oktober 2022 im Anschluss an die Bemühungen der internationalen Zivilgesellschaft, der Mediengemeinschaft in Malta und des Europarats verpflichtet hat, und insbesondere zur Beschränkung der Verwendung von SLAPP-Klagen durchzuführen; fordert das maltesische Parlament auf, dringend einschlägige Rechtsvorschriften, einschließlich Verfassungsänderungen, zu erlassen;
16. bedauert, dass Journalisten sowie Familienangehörige von Daphne Caruana Galizia derzeit immer noch Ziel von SLAPP-Klagen sind, und bekräftigt seine dringende Aufforderung an die Personen, die diese Verfahren eingeleitet haben, einschließlich ehemaliger Regierungsbeamter, diese fallen zu lassen;
17. begrüßt die aktuellen Vorschläge, die vorsehen, dass die Gebühren für Verleumdungsklagen nicht bei der Einreichung einer ersten Erwiderung durch die jeweiligen beklagten Journalisten zu zahlen sind, sowie die Möglichkeit für maltesische Gerichte, Verleumdungsklagen als „offensichtlich unbegründet“ zu betrachten und sie folglich abzuweisen; fordert die maltesischen Behörden auf, die Empfehlung der Kommission umzusetzen und wirksame Maßnahmen zum Schutz von Journalisten zu ergreifen; begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Bekämpfung von SLAPP-Klagen (COM(2022)0177);
18. fordert die maltesische Regierung auf, die bestehenden Bedenken im Zusammenhang mit der Medienfreiheit und der Unabhängigkeit der öffentlichen Medien von politischer Einflussnahme weiter in Angriff zu nehmen, wozu auch ein Rahmen zur Gewährleistung von Transparenz bei staatlicher Werbung sowie die zunehmende Hetze in sozialen Medien gehören;
19. begrüßt die im Jahr 2021 verabschiedete Änderung des maltesischen Gesetzes über den Schutz von Hinweisgebern von 2013 und seine Zusage, bis Ende 2024 eine Datenbank zur Erfassung von Informationen über die Meldung von Missständen einzurichten;
20. bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass für die Ernennung eines neuen Bürgerbeauftragten keine Lösung gefunden wurde und dass keine Frauen als Beauftragte für verwaltungsrechtliche Untersuchungen ernannt worden sind; fordert die maltesischen Staatsorgane auf, einen Mechanismus zur Verhinderung von Blockaden bei parlamentarischen Ernennungen zu schaffen und die Einrichtung einer Menschenrechts- und Gleichstellungskommission im Einklang mit den Pariser Grundsätzen und dem EU-Besitzstand im Bereich der Gleichstellung als vorrangig zu betrachten und darauf hinzuarbeiten;
21. fordert die maltesischen Behörden erneut auf, alle ausstehenden Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der Venedig-Kommission, der Gruppe der Staaten gegen Korruption des MONEYVAL vollständig umzusetzen; fordert die maltesischen Behörden auf, die Venedig-Kommission um ein Gutachten zur Einhaltung ihrer Empfehlungen zu ersuchen;
22. betont, dass das maltesische Programm zur Verleihung der Staatsbürgerschaft im Gegenzug für Investitionen nach wie vor Anlass zu großer Sorge gibt; erinnert an seinen Standpunkt, dass die Unionsbürgerschaft nicht zum Verkauf angeboten werden darf, und fordert ein sofortiges Verbot des Programms in Malta und in der gesamten EU; begrüßt das Vorgehen der Kommission, den Gerichtshof der Europäischen Union mit dem Vertragsverletzungsverfahren zu befassen, und blickt dem endgültigen Urteil des Gerichtshofs entgegen;
23. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat, der Regierung und dem Parlament der Vereinigten Arabischen Emirate sowie dem Präsidenten der Republik Malta zu übermitteln.