Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. November 2022 zur Einstufung der Russischen Föderation als dem Terrorismus Vorschub leistender Staat (2022/2896(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland und der Ukraine, etwa seine Entschließungen vom 6. Oktober 2022 zu Russlands Eskalation seines Angriffskriegs gegen die Ukraine(1), vom 19. Mai 2022 zur Bekämpfung der Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen in der Ukraine(2) und vom 25. November 2021 zu den Menschenrechtsverletzungen durch private Militär- und Sicherheitsunternehmen, insbesondere die Gruppe Wagner(3),
– unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen, die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9. Dezember 1948 und das Vierte Genfer Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949,
– unter Hinweis auf den internationalen Rechtsrahmen zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, etwa die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 13. Februar 2017 verabschiedete Resolution 2341 zum Schutz kritischer Infrastruktur vor terroristischen Handlungen,
– unter Hinweis auf das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 und die darauffolgenden internationalen Übereinkommen,
– unter Hinweis auf den EU-Rechtsrahmen gegen den Terrorismus, etwa den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus(4) und die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus(5),
– unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH),
– unter Hinweis auf die Entschließung 2463 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 13. Oktober 2022 zur weiteren Eskalation der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel vom 10. Oktober 2022 zu den brutalen Angriffen Russlands auf Kiew und andere Städte in der Ukraine,
– unter Hinweis auf die im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters vom 22. September 2022 zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine,
– unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. November 2022, in der die Einrichtung eines Verzeichnisses empfohlen wird, in dem die durch die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine verursachten Schäden dokumentiert werden,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Russlands Streitkräfte seit 2014 und insbesondere seit dem 24. Februar 2022, als Russland seinen rechtswidrigen, unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, wahllos Wohngebiete und zivile Infrastruktur angegriffen, Tausende ukrainische Zivilisten getötet und landesweit terroristische Handlungen gegen diverse Elemente der zivilen Infrastruktur wie Wohngebiete, Schulen, Krankenhäuser, Bahnhöfe, Theater und das Wasser- und Stromnetz verübt haben; in der Erwägung, dass diese brutalen und unmenschlichen Handlungen zu Tod, Leid, Zerstörung und Vertreibung führen;
B. in der Erwägung, dass die russischen Streitkräfte und ihre Handlanger in den seither und bereits zuvor besetzten Gebieten der Ukraine summarische Hinrichtungen, Entführungen, sexuelle Gewalt, Folter und andere Gräueltaten begangen haben, darunter die Massaker an Zivilisten in Städten und Siedlungen wie Butscha, Irpin, Isjum und Lyman, den vorsätzlichen Angriff auf ein Theater in Mariupol, bei dem Hunderte getötet wurden, und den Angriff auf den Bahnhof Kramatorsk, bei dem 60 Zivilisten getötet wurden;
C. in der Erwägung, dass die russischen Streitkräfte und ihre Handlanger in der Ukraine mehrere Tausend Zivilisten, darunter Hunderte Kinder, ermordet und viele weitere gefoltert, drangsaliert, sexuell missbraucht, entführt, vertrieben oder verschleppt haben; in der Erwägung, dass die zahlreichen Gräueltaten, die von den russischen Streitkräften und ihren Handlangern an der ukrainischen Zivilbevölkerung begangen wurden, von Menschenrechtsgruppen und internationalen Beobachtermissionen eingehend dokumentiert wurden, darunter summarische Hinrichtungen, Folter, Vergewaltigungen und Masseninhaftierungen von Zivilisten in sogenannten Filtrationslagern sowie Zwangsadoptionen ukrainischer Kinder und Deportationen; in der Erwägung, dass sich die Zahl der dokumentierten Kriegsverbrechen in der Ukraine mittlerweile auf nahezu 40 000 beläuft und voraussichtlich noch steigt, nachdem Kriegsverbrechen in den kürzlich befreiten Teilen des Gebiets Cherson dokumentiert worden sind; in der Erwägung, dass seit Beginn des Angriffskriegs laut den vom Ukrainischen Institut für Masseninformationen erfassten Überwachungsdaten die Russische Föderation 457 Verbrechen gegen Journalisten und Medienschaffende in der Ukraine begangen hat und die russischen Besatzer über 40 ukrainische und ausländische Journalisten getötet haben; in der Erwägung, dass die Russische Föderation und ihre Handlanger derlei Methoden in den von ihnen seit 2014 besetzten Gebietsteilen der Ukraine anwenden, wobei das berüchtigtste Beispiel das zu einem Gefängnis umgestaltete Gelände der ehemaligen Fabrik „Isoljazija“ in Donezk ist;
D. in der Erwägung, dass die Russische Föderation durch ihre Angriffe auf die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit der Ukraine nach wie vor ununterbrochen gegen die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen verstößt und das humanitäre Völkerrecht eklatant und grob verletzt, unter anderem durch vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte, die gemäß Artikel 52 Absatz 1 des Zusatzprotokolls I von 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949 nicht angegriffen werden dürfen; in der Erwägung, dass diese Verbrechen Ausdruck einer grotesken Gleichgültigkeit gegenüber den Regeln und Gesetzen des Krieges sind, die die Ausübung militärischer Macht einschränken, wie beispielsweise die unmenschliche Behandlung von Kriegsgefangenen, die weitverbreitete Anwendung von Folter und die summarischen Hinrichtungen ukrainischer Kriegsgefangener sowie die Verweigerung des Zugangs zu internationalen humanitären Organisationen wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zeigen;
E. in der Erwägung, dass die Russische Föderation bereits mehr als 4 000 Raketen gegen die Ukraine eingesetzt und das Land mehr als 24 000 Mal, auch vom Hoheitsgebiet von Belarus aus, unter Artilleriefeuer genommen hat; in der Erwägung, dass die russischen Raketen-, Drohnen- und Artillerieangriffe bisher 60 982 Einrichtungen der zivilen Infrastruktur in der gesamten Ukraine beschädigt oder zerstört haben, darunter 42 818 Wohngebäude und Häuser, 1 960 Bildungseinrichtungen, 396 medizinische Einrichtungen, 392 kulturelle und 87 religiöse Gebäude und 5 315 Strom- und Wasserversorgungsanlagen; in der Erwägung, dass durch vorsätzliche Raketen- und Drohnenangriffe der Russischen Föderation, auch mit vom Iran gelieferten Drohnen, 40 % der kritischen Energieinfrastruktur der Ukraine beschädigt oder zerstört wurden;
F. in der Erwägung, dass die Staatsorgane der Russischen Föderation während der Belagerung von Mariupol eine humanitäre Krise großen Ausmaßes ausgelöst haben, die zum Tod von mehreren zehntausend Zivilisten führte, und dass dabei 95 % der Stadt zerstört wurden;
G. in der Erwägung, dass Russland seit Oktober 2022 die kritische Infrastruktur in der gesamten Ukraine vorsätzlich angreift, um die Bevölkerung zu terrorisieren und ihren Zugang zu Gas, Strom, Wasser, dem Internet und anderen grundlegenden Gütern und Dienstleistungen zu unterbrechen, was angesichts des bevorstehenden Winters besonders verheerend ist; in der Erwägung, dass der Zweck dieser Angriffe darin besteht, die Bevölkerung zu terrorisieren, ihren Widerstand und ihre Entschlossenheit, ihr Land weiter zu verteidigen, zu brechen und sie zu zwingen, die Besatzungsmacht anzuerkennen und dem rechtswidrigen Versuch der Annexion mehrerer Teile der Ukraine zuzustimmen; in der Erwägung, dass bei diesen Angriffen polnisches Hoheitsgebiet getroffen wurde und dabei zwei polnische Bürger getötet wurden;
H. in der Erwägung, dass Russland infolge seines Angriffskriegs gegen die Ukraine und seiner Blockade ukrainischer Seehäfen für die weltweite Krise der Ernährungssicherheit verantwortlich ist; in der Erwägung, dass Russland seit Kriegsbeginn Nahrungsmittel und Hunger als Waffe einsetzt; in der Erwägung, dass Russland mit seinen vorsätzlichen Handlungen einschließlich der Zerstörung von Lagerbeständen, der Unterbrechung der Produktion und der Einführung von Quoten für seine eigenen Ausfuhren von Nahrungs- und Düngemitteln die weltweite Nahrungsmittelkrise noch verschärft hat;
I. in der Erwägung, dass Russland die Autonome Republik Krim und die Stadt Sewastopol sowie die Gebiete Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja – allesamt territoriale Einheiten der Ukraine – rechtswidrig annektiert hat; in der Erwägung, dass Russland das Kernkraftwerk Saporischschja besetzt hält, wodurch dort in erheblichem Ausmaß die Sicherheit gefährdet und die Gefahrenabwehr beeinträchtigt ist; in der Erwägung, dass Russland die Angestellten des Kernkraftwerks verschleppt hat und zur Arbeit zwingt, militärisches Gerät auf dem Gelände lagert und die unmittelbare Umgebung des Geländes beschießen lässt; in der Erwägung, dass Russland zuvor auch im Kernkraftwerk Tschernobyl die Sicherheit gefährdet und die Gefahrenabwehr beeinträchtigt hat;
J. in der Erwägung, dass Russland mit seinen Versuchen, die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen der Ukraine zu gefährden, und mit seinen Drohungen, Massenvernichtungswaffen einzusetzen, ein Risiko für die Sicherheit und Gefahrenabwehr auf dem gesamten Kontinent und die regelbasierte internationale Ordnung darstellt; in der Erwägung, dass russische Amtsträger europäischen Ländern mehrmals gedroht haben, auch mit „militärisch-technischen Maßnahmen“, weil diese Länder die Ukraine unterstützen bzw. den Beitritt zur NATO anstreben; in der Erwägung, dass der Versuch Russlands, Energieausfuhren als Instrument zur Ausübung geopolitischen Zwangs zu nutzen, darauf hinausläuft, die Energieversorgung als Waffe einzusetzen; in der Erwägung, dass durch die Beschädigung der Erdgasfernleitungen Nord Stream 1 und 2 am 26. September 2022 große Gasleckagen in der Ostsee verursacht wurden, was zudem ein Umweltanschlag auf die Union ist;
K. in der Erwägung, dass die russischen Streitkräfte und vom russischen Staat kontrollierte Gruppen und Handlanger wie die Gruppe Wagner wiederholt auch andernorts Zivilisten ins Visier genommen haben, etwa während des zweiten Tschetschenienkriegs, des Krieges zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008 und des Bürgerkriegs in Syrien sowie während der laufenden Konflikte in Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und Mali; in der Erwägung, dass die Gruppe Wagner vom russischen Staat, insbesondere vom russischen Verteidigungsministerium, erhebliche politische, wirtschaftliche und logistische Unterstützung erhält;
L. in der Erwägung, dass Russland seit vielen Jahren terroristische Regime und Organisationen unterstützt und finanziert, vor allem das Assad-Regime in Syrien, dem Russland Waffen geliefert hat und zu dessen Verteidigung es vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die Städte und die zivile Infrastruktur Syriens ausgeführt hat; in der Erwägung, dass Russland Anschläge in anderen souveränen Staaten und in seinem eigenen Hoheitsgebiet verübt hat, beispielsweise Morde und versuchte Morde an zahlreichen Gegnern der Diktatur Putins, darunter Journalisten, Politiker, politisch engagierte Bürger und ausländische Staatsmänner wie vor allem Anna Politkowskaja, Wiktor Juschtschenko, Boris Nemzow, Stanislaw Markelow, Anastassija Baburowa, Sergei Protasanow, Natalja Estemirowa, Sergei Magnitski, Sergei Juschenkow, Juri Schtschekotschichin, Boris Beresowski, Dschochar Dudajew und Selimchan Changoschwili, außerdem den Giftanschlag mit Nervenkampfstoffen auf die Familie Skripal im Vereinigten Königreich, die Giftanschläge auf Alexander Litwinenko, Wladimir Kara-Mursa, Alexei Nawalny und weitere Personen sowie die Bombenanschläge im Jahr 2014 auf Munitionsdepots in der Tschechischen Republik; in der Erwägung, dass die systematische Repression der eigenen Bevölkerung durch das derzeitige russische Regime totalitäre Züge angenommen hat und dass die Ausübung von Gewalt gegen seine politischen Gegner eine lange Vorgeschichte hat;
M. in der Erwägung, dass die Russische Föderation Aljaksandr Lukaschenka tatkräftig dabei unterstützt und ihm dabei behilflich ist, die Bevölkerung von Belarus mittels einer enormen Welle massenhafter repressiver Maßnahmen einschließlich Folter zu unterdrücken; in der Erwägung, dass Ermittlungen ergeben haben, dass sich ranghohe belarussische Amtsträger im Rahmen einer gemeinsamen Sonderoperation der belarussischen und russischen Geheimdienste dazu verschworen haben, eine Bombendrohung zu fingieren, um einen Ryanair-Passagierflug widerrechtlich umzuleiten, damit sie einen belarussischen Dissidenten verhaften konnten; in der Erwägung, dass die Entführung eines Zivilflugzeugs einen Akt des Staatsterrorismus darstellt; in der Erwägung, dass Lukaschenka wegen seiner Rolle bei der Ermöglichung von Angriffen, die von belarussischem Hoheitsgebiet aus durchgeführt werden, und wegen der offenen Unterstützung der russischen Aggressoren als Helfershelfer beim Angriffskrieg gegen die Ukraine behandelt werden sollte;
N. in der Erwägung, dass ein niederländisches Gericht am 15. November 2022 zwei Russen und einen prorussischen ukrainischen Separatisten wegen Mordes an 298 Menschen – begangen durch den Abschuss des Fluges 17 der Malaysia Airlines – in Abwesenheit verurteilt hat; in der Erwägung, dass der russische Staat nach wie vor die Verantwortung für den Abschuss des Flugs 17 der Malaysia Airlines leugnet und sich weigert, mit internationalen Justizbehörden zusammenzuarbeiten; in der Erwägung, dass sich die Russische Föderation in ähnlicher Weise nach wie vor weigert, Polen das Wrack und die Flugschreiber des polnischen Regierungsflugzeugs vom Typ Tupolew Tu‑154, das im April 2010 bei Smolensk in der Russischen Föderation abgestürzt ist, zu übergeben;
O. in der Erwägung, dass Russland auch einen aktiven Informationskrieg führt, indem es Desinformationen über die Ukraine, Europa und liberale demokratische Werte verbreitet, Sonderoperationen zur Destabilisierung der Gesellschaft in der Ukraine durchführt und die Beziehungen der Ukraine zu ihren internationalen Partnern in Misskredit bringt;
P. in der Erwägung, dass die Union zwar eine Liste von Personen, Vereinigungen und Einrichtungen führt, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind und Sanktionen unterliegen, aber im Gegensatz zu Ländern wie den Vereinigten Staaten und Kanada nicht über einen Rechtsrahmen für die Einstufung eines Staates als dem Terrorismus Vorschub leistender Staat verfügt;
Q. in der Erwägung, dass die von den russischen Streitkräften und ihren Handlangern durchgeführten Handlungen der von der Union, dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommenen Definition des Terrorismus entsprechen, die in der Resolution 1566 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen von 2004, der Resolution 49/60 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1994 bzw. den Gemeinsamen Standpunkten 2001/931/GASP und 2009/468/GASP des Rates(6) enthalten ist;
R. in der Erwägung, dass in den vergangenen Monaten die Parlamente bzw. Parlamentskammern Litauens, Lettlands, Estlands, Polens und Tschechiens, die Parlamentarische Versammlung des Europarats und die Konferenz der Ausschüsse für Unionsangelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC) Entschließungen bzw. Resolutionen angenommen haben, in denen Russland zu einem terroristischen Staat oder einem dem Terrorismus Vorschub leistenden Staat erklärt oder das derzeitige russische Regime als terroristisches Regime bezeichnet wird; in der Erwägung, dass in der Resolution des Senats der USA vom 27. Juli 2022 und in der Resolution des Repräsentantenhauses der USA vom 12. Mai 2022 das Außenministerium der USA aufgefordert wird, die Russische Föderation als einen dem Terrorismus Vorschub leistenden Staat zu bezeichnen;
S. in der Erwägung, dass der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, in seinen Ausführungen in der außerordentlichen Aussprache des Parlaments am 1. März 2022 über Russlands Aggression gegen die Ukraine festgestellt hat, dass Russlands Aggression „ganz schlicht und einfach geopolitischer Terrorismus“ sei; in der Erwägung, dass der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, am 23. September 2022 in seiner Rede vor der 77. Generalversammlung der Vereinten Nationen in Bezug auf die Russische Föderation erklärt hat, ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates, das einen unprovozierten und ungerechtfertigten Krieg beginne, der von der Generalversammlung verurteilt wurde, müsse automatisch aus dem Sicherheitsrat ausgeschlossen werden;
T. in der Erwägung, dass Zbigniew Rau, der amtierende Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), in seiner Erklärung vom 14. März 2022 die von der Regierung der Russischen Föderation veranlassten Angriffe auf unschuldige Zivilisten und die zivile Infrastruktur in der Ukraine als „Staatsterrorismus“ bezeichnet hat;
1. bekräftigt seine rückhaltlose Unterstützung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen; verurteilt erneut den rechtswidrigen, unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine; fordert Russland und seine Helfershelfer auf, alle militärischen Handlungen und insbesondere die Angriffe auf Wohngebiete und zivile Infrastruktur einzustellen und alle Streitkräfte, Hilfstruppen und sämtliche militärische Ausrüstung aus dem gesamten international anerkannten Hoheitsgebiet der Ukraine abzuziehen, die Deportationen ukrainischer Zivilisten und die Zwangsadoption ukrainischer Kinder einzustellen, alle von ihm in der Ukraine festgehaltenen Personen freizulassen und von jedweder Verletzung oder Bedrohung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit der Ukraine auf Dauer Abstand zu nehmen;
2. betont, dass die vorsätzlichen Angriffe und Gräueltaten der Russischen Föderation gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine, die Zerstörung ziviler Infrastruktur und andere schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts terroristische Handlungen gegen die ukrainische Bevölkerung darstellen und den Tatbestand von Kriegsverbrechen erfüllen; bringt seine uneingeschränkte Empörung über diese Angriffe und Gräueltaten sowie die anderen Handlungen zum Ausdruck, die Russland begangen hat, um seine zerstörerischen politischen Ziele in der Ukraine und im Hoheitsgebiet anderer Länder zu verfolgen, und verurteilt diese Angriffe und Gräueltaten; stuft vor diesem Hintergrund Russland als dem Terrorismus Vorschub leistenden Staat und als terroristische Mittel einsetzenden Staat ein;
3. bekräftigt seine unerschütterliche Solidarität mit der Bevölkerung der Ukraine, die im Angesicht der unverminderten Drohungen und Angriffe seit dem 24. Februar 2022 und in den vergangenen neun Jahren der russischen Aggression unaufhörlich bemerkenswerten Mut und außergewöhnliche Widerstandskraft zeigt, und auch mit allen anderen Opfern russischer Aggression weltweit; bekundet den Familien der Opfer des Raketeneinschlags vom 15. November 2022 in Polen seine Solidarität und dem Land seine Unterstützung;
4. fordert, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten einen EU-Rechtsrahmen für die Einstufung von Staaten als dem Terrorismus Vorschub leistende Staaten und als terroristische Mittel einsetzenden Staaten ausarbeiten, wobei diese Einstufung eine Reihe erheblicher restriktiver Maßnahmen gegen diese Länder auslösen und tiefgreifende restriktive Auswirkungen auf die Beziehungen der Union zu diesen Ländern haben würde; fordert den Rat auf, in der Folge die Aufnahme der Russischen Föderation in eine derartige Unionsliste der dem Terrorismus Vorschub leistenden Staaten in Erwägung zu ziehen; fordert die Partner der Union auf, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen;
5. fordert die Union und ihre Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen eine vollumfängliche internationale Isolation der Russischen Föderation eingeleitet wird, auch im Hinblick auf die Mitgliedschaft Russlands in internationalen Organisationen und Gremien wie dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, und von der Organisation sämtlicher offiziellen Veranstaltungen im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation abzusehen; fordert, dass die diplomatischen Beziehungen zu Russland weiter eingeschränkt und die Kontakte zu seinen offiziellen Vertretern auf allen Ebenen auf das absolut notwendige Mindestmaß beschränkt werden; fordert die Mitgliedstaaten der Union auf, staatsnahe russische Einrichtungen wie die russischen Zentren für Wissenschaft und Kultur und Organisationen und Verbände der russischen Diaspora, die unter dem Schutz und der Leitung russischer diplomatischer Vertretungen agieren und die russische Staatspropaganda unterstützen, zu schließen und zu verbieten;
6. fordert den Rat auf, die Gruppe Wagner und das 141. Mechanisierte Regiment der russischen Nationalgarde zur besonderen Verwendung, auch bekannt als Kadyrowzy, sowie andere von Russland finanzierte bewaffnete Gruppen, Milizen und Hilfstruppen wie diejenigen, die in den besetzten Gebieten der Ukraine operieren, in die Unionsliste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Gruppen und Einrichtungen (EU-Terroristenliste) aufzunehmen; begrüßt den Beschluss der Union vom 13. Dezember 2021, die Gruppe Wagner selbst sowie acht Personen und drei Einrichtungen, die mit ihr im Zusammenhang stehen, im Rahmen von vier verschiedenen Sanktionsregelungen der Union mit Sanktionen zu belegen; fordert alle Länder nachdrücklich auf, ihre Beziehungen zu Unternehmen, die mit der Gruppe Wagner in Verbindung stehen, zu beenden und ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, indem sie alle Personen, die in ihrem Hoheitsgebiet schwere Verstöße gegen die Menschenrechte und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begangen haben, zur Rechenschaft ziehen;
7. fordert den Rat auf, die von der Russischen Föderation durchgeführte Ausweitung ihrer terroristischen Handlungen gegen die Bevölkerung der Ukraine in den Blick zu nehmen und daher seine Arbeit an einem neunten Sanktionspaket rasch abzuschließen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die rasche Umsetzung und die strikte Durchsetzung aller Sanktionen sicherzustellen; fordert die Mitgliedstaaten auf, jedwede Umgehung der Sanktionen mit großem Engagement zu verhindern, zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen; fordert alle Mitgliedstaaten auf, weiterhin geschlossen auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu reagieren, und fordert alle Bewerberländer und möglichen Bewerberländer auf, sich der Sanktionspolitik der Union anzuschließen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen gegen Staaten in Erwägung zu ziehen, die versuchen, Russland und Belarus bei der Umgehung der verhängten Sanktionen Hilfestellung zu leisten; fordert die Kommission nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass die auf nationaler Ebene verhängten Sanktionen für Verstöße gegen Sanktionen der Union wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind;
8. verurteilt aufs Schärfste, dass Russland andere Diktaturen unterstützt, die die demokratischen Bestrebungen in der jeweiligen Gesellschaft mit Mitteln des Terrors unterdrücken, insbesondere die Regime von Lukaschenka und Assad, aber auch die Regime im Iran, in Kuba und anderswo;
9. fordert den Rat auf, die Liste der Personen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, um Personen erweitert wird, die an Deportationen, Zwangsadoptionen ukrainischer Kinder, den illegalen „Referenden“ in den Gebieten Luhansk, Cherson, Saporischschja und Donezk und den illegalen „Wahlen“ auf der Krim und in Sewastopol beteiligt sind bzw. waren, sowie um alle Mitglieder der Parteien der Staatsduma, die auf allen Ebenen, auch auf regionaler und kommunaler Ebene, Ämter in gewählten Parlamenten innehaben; fordert ein Verbot der direkten oder indirekten Einfuhr, des direkten oder indirekten Erwerbs und der direkten oder indirekten Weitergabe von Rohdiamanten oder geschliffenen Diamanten aus der Russischen Föderation; fordert, dass Russland und Belarus auf die Unionsliste der Drittstaaten mit hohem Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung gesetzt werden; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Schlupflöcher bei der Durchsetzung von Sanktionen zu schließen, etwa in Bezug auf Kryptowerte und die unterlassene Einhaltung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche durch professionelle Helfershelfer, und den automatischen Austausch von Steuerinformationen und die Doppelbesteuerungsabkommen sowohl mit Russland als auch mit Belarus auszusetzen; fordert ein sofortiges und vollständiges Embargo auf Einfuhren von fossilen Brennstoffen und Uran aus Russland in die Union sowie die vollständige Aufgabe der Erdgasfernleitungen Nord Stream 1 und 2, um der Finanzierung des russischen Angriffskriegs ein Ende zu setzen; fordert die Union und ihre Mitgliedstaaten auf die bewusste öffentliche Billigung bzw. Leugnung der militärischen Aggression und der Kriegsverbrechen Russlands in jedweder Form zu untersagen;
10. fordert die Kommission auf, einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung der derzeitigen globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (Magnitski-Gesetz der Union) vorzulegen, durch den ihr Anwendungsbereich auf Korruptionshandlungen ausgeweitet wird, um rasch gezielte Sanktionen gegen Personen, die für Korruption auf hoher Ebene in Russland und Belarus verantwortlich sind, sowie gegen ihre in der Union ansässigen Handlanger und Begünstigten zu verhängen;
11. bekräftigt seine nachdrückliche Forderung, dass alle Personen, die im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine für die Begehung, Unterstützung oder Organisation von Menschenrechtsverletzungen, Gräueltaten oder Kriegsverbrechen verantwortlich sind, so rasch wie möglich ermittelt, strafrechtlich verfolgt und zur Rechenschaft gezogen werden müssen; fordert, dass die Unterstützung für die laufenden unabhängigen Untersuchungen der von Russland begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bekräftigt wird, wobei mit diesen Untersuchungen sichergestellt werden soll, dass diejenigen, die an der Planung, Organisation, Begehung und Ermöglichung dieser Verbrechen beteiligt sind, individuell zur Rechenschaft gezogen werden; fordert die Union und ihre Mitgliedstaaten auf, die Unterstützung zu leisten, die für die Einrichtung eines Sondergerichtshofs erforderlich ist, der sich mit dem Verbrechen der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine befasst; fordert die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, den Straftatbestand der Aggression in ihr nationales Recht aufzunehmen; bekundet seine uneingeschränkte Unterstützung für die vom Ankläger des IStGH eingeleitete Untersuchung zur Lage in der Ukraine, für die Arbeit der Untersuchungskommission des Amtes des Hohen Kommissars für Menschenrechte und für die Anstrengungen unabhängiger Organisationen der Zivilgesellschaft zur Erhebung und Sicherung von Beweisen für Kriegsverbrechen; fordert die Mitgliedstaaten der Union auf, in noch größerem Umfang auf den Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit zurückzugreifen und ihre Unterstützung für die internationalen Bemühungen zu verstärken, gegen alle Personen, die in der Ukraine Kriegsverbrechen begehen oder dafür verantwortlich sind, zu ermitteln und sie strafrechtlich zu verfolgen; betont, dass die Union dafür sorgen muss, dass die Geschlechterperspektive in diese Ermittlungen einbezogen wird, einschließlich der Verfolgung von Verbrechen der sexuellen Gewalt gegen Frauen, die auch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen können;
12. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, auf die Einrichtung eines umfassenden internationalen Entschädigungsmechanismus, einschließlich eines internationalen Schadensregisters, hinzuarbeiten und in dieser Angelegenheit tatkräftig mit den staatlichen Stellen der Ukraine zusammenzuarbeiten; fordert die Kommission und die Mitgesetzgeber auf, die rechtliche Regelung zu vervollständigen, die die Einziehung russischer Vermögenswerte, die von der Union eingefroren wurden, und deren Verwendung zur Bewältigung der verschiedenen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine, auch für den Wiederaufbau der Ukraine und die Entschädigung der Opfer der Aggression Russlands, ermöglicht;
13. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, ihre politische, wirtschaftliche, finanzielle, militärische, technische und humanitäre Unterstützung für die Ukraine rasch und erheblich aufzustocken, um dem Land dabei zu helfen, sich gegen den russischen Angriffskrieg und gegen russische Versuche zu verteidigen, die staatlichen Institutionen der Ukraine zu destabilisieren, die makroökonomische Stabilität des Landes zu schwächen sowie kritische Infrastruktur in den Bereichen Energie, Kommunikation, Wasserversorgung und Verkehr und zivile Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kultur zu zerstören;
14. begrüßt den Vorschlag der Kommission vom 9. November 2022 für ein beispielloses Unterstützungspaket für die Ukraine in Höhe von 18 Mrd. EUR für 2023, um die makroökonomische Stabilität der Ukraine zu wahren, kritische Infrastruktur wiederherzustellen und grundlegende öffentliche Dienste aufrechtzuerhalten, und bekräftigt seine Unterstützung für die rasche Annahme des Vorschlags; hält es für äußerst wichtig, dass die Zusagen zur Bereitstellung finanzieller und technischer Unterstützung rasch umgesetzt werden, insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Winter, in dem eine große Anzahl ukrainischer Bürger Gefahr läuft, keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser, Heizung und Strom zu haben;
15. verurteilt, dass Russland das Kernkraftwerk Saporischschja besetzt hält, um die ukrainische Bevölkerung zu terrorisieren, und verurteilt das Vorgehen Russlands, Kraftwerke zu militärischen Zielen zu erklären;
16. appelliert an die gesamte Bevölkerung Russlands, sich nicht nur zu weigern, in diesen Krieg hineingezogen zu werden, sondern auch gegen die schrecklichen Kriegsverbrechen, die die Russische Föderation im Namen des russischen Volkes an der Bevölkerung der Ukraine begeht, zu protestieren; bekundet seine Unterstützung für die Staatsangehörigen Russlands, die gegen das derzeitige Regime innerhalb oder außerhalb Russlands protestieren und es bekämpfen oder Flüchtlinge aus der Ukraine unterstützen; fordert die Kommission, den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Mitgliedstaaten auf, die Zivilgesellschaft und die freien Medien in Russland stärker zu unterstützen und die Zusammenarbeit mit ihr bzw. ihnen zu intensivieren und Russen, die aufgrund ihrer Gegnerschaft zu dem Regime verfolgt werden, weiterhin Schutz und vorübergehende Aufnahme zu gewähren; würdigt die Arbeit der ukrainischen und internationalen Journalisten, die der Welt die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine berichten und dabei häufig ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen; fordert die Untersuchung der von Russland gegen Journalisten in der Ukraine begangenen Verbrechen und der Tätigkeiten von Personen, die an den kriminellen Desinformationskampagnen beteiligt sind, die fester Bestandteil des groß angelegten Krieges gegen die Ukraine sind;
17. betont, dass durch den derzeitigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine deutlich wird, dass es einer gründlichen historischen und rechtlichen Bewertung und einer transparenten öffentlichen Debatte über die Verbrechen des sowjetischen Regimes bedarf, und zwar vor allem in Russland selbst, da derlei Verbrechen erneut begangen werden, wenn niemand dafür zur Rechenschaft gezogen wird und nicht für Gerechtigkeit gesorgt wird;
18. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, dem Internationalen Strafgerichtshof, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation und dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine zu übermitteln.
Gemeinsamer Standpunkt 2009/468/GASP des Rates vom 15. Juni 2009 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2009/67/GASP (ABl. L 151 vom 16.6.2009, S. 45).