Vorübergehende Liberalisierung des Handels in Ergänzung der Handelszugeständnisse für ukrainische Waren im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die vorübergehende Liberalisierung des Handels in Ergänzung der Handelszugeständnisse für ukrainische Waren im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (COM(2022)0195 – C9-0159/2022 – 2022/0138(COD))
(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2022)0195),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 207 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9-0159/2022),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 13. Mai 2022 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Union zu billigen,
– gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für internationalen Handel (A9‑0146/2022),
1. legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;
2. fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;
3. beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 19. Mai 2022 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2022/... des Europäischen Parlaments und des Rates über vorübergehende Maßnahmen zur Liberalisierung des Handels in Ergänzung der Handelszugeständnisse für ukrainische Waren im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits
(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2022/870.)
Sicherung, Analyse und Archivierung von Beweismitteln im Zusammenhang mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und damit zusammenhängenden Straftaten durch Eurojust ***I
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1727 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Erhebung, Sicherung und Analyse von Beweismitteln im Zusammenhang mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch Eurojust (COM(2022)0187 – C9-0155/2022 – 2022/0130(COD))
(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2022)0187,
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und die Artikel 85 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0155/2022),
— gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 18. Mai 2022 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Union zu billigen,
– gestützt auf Artikel 59 und 163 seiner Geschäftsordnung,
1. legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;
2. fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;
3. beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 19. Mai 2022 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2022/... des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1727 hinsichtlich der Sicherung, Analyse und Speicherung von Beweismitteln durch Eurojust im Zusammenhang mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und damit zusammenhängenden Straftaten
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1628 hinsichtlich der Verlängerung der Befugnis der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte (COM(2022)0113 – C9-0119/2022 – 2022/0080(COD))
(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2022)0113),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0119/2022),
— gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 18. Mai 2022(1),
– unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 11. Mai 2022 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,
– gestützt auf Artikel 59 und 163 seiner Geschäftsordnung,
1. legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;
2. fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;
3. beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 19. Mai 2022 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2022/... des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1628 hinsichtlich der Verlängerung der Befugnis der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte
Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau
208k
69k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu der Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Republik Moldau (2021/2237(INI))
– unter Hinweis auf Artikel 8 und Titel V und insbesondere auf Artikel 21, 22, 36 und 37 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) sowie auf den Fünften Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau (im Folgenden „Moldau“) andererseits, dessen Bestandteil eine vertiefte und umfassende Freihandelszone ist und das am 1. Juli 2016 vollständig in Kraft trat,
– unter Hinweis auf die Abschaffung der Visumpflicht für Bürger der Republik Moldau im März 2014 als Ergebnis der vom Europäischen Parlament und vom Rat vorgenommenen Änderungen an der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates(1),
– unter Hinweis auf seine Empfehlung an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Östlichen Partnerschaft im Vorfeld des Gipfeltreffens im Juni 2020,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Arbeitsunterlage der Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 13. Oktober 2021 zu dem Bericht über die Umsetzung der Assoziierung durch die Republik Moldau (SWD(2021)0295),
– unter Hinweis auf das Ergebnis der sechsten Tagung des Assoziationsrates zwischen der EU und der Republik Moldau vom 28. Oktober 2021,
– unter Hinweis auf die im Rahmen der Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft abgegebenen gemeinsamen Erklärungen, zuletzt die Erklärung vom 15. Dezember 2021 in Brüssel,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Arbeitsunterlage der Kommission und des EAD mit dem Titel „Aufbau, Resilienz und Reformen: die Prioritäten der Östlichen Partnerschaft nach 2020“ vom 2. Juli 2021 (SWD(2021)0186),
– unter Hinweis auf die am 17. Mai 2021 unterzeichnete Vereinbarung zwischen dem georgischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und europäische Integration der Republik Moldau und dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der Ukraine über die Festlegung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der europäischen Integration – das „Assoziationstrio“,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs des Assoziationstrios – bestehend aus Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine – im Anschluss an das 6. Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft vom 15. Dezember 2021,
– unter Hinweis auf den am 3. März 2022 eingereichten Antrag der Republik Moldau auf Beitritt zur Europäischen Union,
– unter Hinweis auf das am 16. März 2022 eingegangene Schreiben der Ministerpräsidentin der Republik Moldau an die Präsidentin des Europäischen Parlaments, mit dem eine Aufstockung der Makrofinanzhilfe für Moldau beantragt wurde,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 26. Februar 2018 zur Republik Moldau,
– unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 26. Januar 2021 mit dem Titel „Judges in Poland and in the Republic of Moldova must remain independent“ (Richter in Polen und in der Republik Moldau müssen unabhängig bleiben)(2),
– unter Hinweis auf die Stellungnahmen und Empfehlungen des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Venedig-Kommission des Europarats, insbesondere vom 15. März 2018 zur Wahlrechtsreform in der Republik Moldau, vom 24. Juni 2019 zur verfassungsrechtlichen Lage mit besonderem Bezug auf die Möglichkeit zur Auflösung des Parlaments, vom 14. Oktober 2019 zu dem Gesetzesentwurf zur Reform des Obersten Gerichtshofs und der Staatsanwaltschaft und vom 13. Dezember 2021 zu den am 24. August 2021 vorgenommenen Änderungen am Gesetz über die Staatsanwaltschaft,
– unter Hinweis auf die rechtliche Analyse des Gesetzes zur Änderung des Kodex für audiovisuelle Mediendienste der Republik Moldau, die am 14. Januar 2022 von der OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit vorgelegt wurde,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse des 12. Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und der Republik Moldau, der am 13. September 2021 per Videokonferenz abgehalten wurde,
– unter Hinweis auf die Empfehlungen und Tätigkeiten des Parlamentarischen Assoziationsausschusses EU-Moldau, der Parlamentarischen Versammlung EURO-NEST, des zivilgesellschaftlichen Forums der Östlichen Partnerschaft, der Plattform der Zivilgesellschaft EU-Republik Moldau und weiterer Vertreter der Zivilgesellschaft in der Republik Moldau,
– unter Hinweis auf die von der Regierung der Republik Moldau angenommene nationale Regionalentwicklungsstrategie für den Zeitraum 2022–2028,
– unter Hinweis auf den Aktionsplan der neuen Regierung für den Zeitraum 2020–2023,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der in die internationale Wahlbeobachtungsmission unter Leitung des BDIMR der OSZE integrierten Wahlbeobachtungsmission des Europäischen Parlaments zu der vorgezogenen Parlamentswahl in der Republik Moldau am 11. Juli 2021,
– unter Hinweis auf die am 12. Juli 2021 abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters Josep Borrell und des Kommissionsmitglieds Olivér Várhelyi zu der Parlamentswahl,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen in Bezug auf die Republik Moldau, insbesondere die frühere Entschließung zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Republik Moldau vom 20. Oktober 2020(3) und die Entschließungen vom 5. Juli 2018 zur politischen Krise in der Republik Moldau nach der Annullierung der Bürgermeisterwahlen in Chișinău(4), vom 4. Juli 2017 zu einer Makrofinanzhilfe für die Republik Moldau(5) und vom 21. Januar 2016 zu den Assoziierungsabkommen sowie den vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine(6),
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e und Anlage 3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12. Dezember 2002 zum Verfahren für die Genehmigung zur Ausarbeitung von Initiativberichten,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für internationalen Handel,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9-0143/2022),
A. in der Erwägung, dass der am 24. Februar 2022 ausgerufene grundlose, ungerechtfertigte und widerrechtliche Krieg Russlands gegen die Ukraine die Republik Moldau als Nachbarstaat unverhältnismäßig stark getroffen hat, die innerhalb von zwei Wochen über 360 000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat, von denen mehr als 100 000 Menschen im Land geblieben sind, wodurch die Ressourcen des Landes enorm belastet wurden;
B. in der Erwägung, dass es seit Beginn des von Russland gegen die Ukraine geführten Krieges Befürchtungen gibt, in der Republik Moldau könnten möglicherweise Operationen unter falscher Flagge durchgeführt werden;
C. in der Erwägung, dass Generalmajor Rustam Minnekajew, amtierender Befehlshaber des zentralen Militärbezirks Russlands, am 22. April 2022 erklärt hat, dass eines der Ziele des derzeitigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Schaffung eines Landkorridors zur Region Transnistrien sei; in der Erwägung, dass Generalmajor Minnekajew außerdem fälschlicherweise behauptet hat, dass es in Transnistrien zu Fällen von Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung gekommen sei;
D. in der Erwägung, dass auf dem Gipfeltreffen zur Östlichen Partnerschaft die europäischen Bestrebungen und die Entscheidung der betreffenden Partner für Europa anerkannt und die vollständige Umsetzung der Assoziierungsabkommen und der jeweils dazugehörigen vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen gefordert wurden;
E. in der Erwägung, dass nach einer Zeit der politischen Instabilität und der Rückschritte im Bereich der Demokratie Maia Sandu die Präsidentschaftswahl am 15. November 2020 mit 57,75 % der Stimmen gewonnen hat und die Partei für Aktion und Solidarität (PAS) bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 11. Juli 2021 52,8 % der Stimmen erhalten und 63 der 101 Sitze im Parlament der Republik Moldau gewonnen hat, womit das starke Engagement der Bevölkerung Moldaus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die europäische Zukunft ihres Landes aufgezeigt und der Partei für Aktion und Solidarität ein starkes Mandat für ein ehrgeiziges Reformprogramm erteilt wurde;
F. in der Erwägung, dass das Assoziierungsabkommen/das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen auf den gemeinsamen Werten beruht, auf die sich die EU stützt – nämlich Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit –, und dass die genannten Werte auch das Kernstück der mit diesem Assoziierungsabkommen/vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen angestrebten politischen Assoziation und wirtschaftlichen Integration bilden;
G. in der Erwägung, dass aktuellen Meinungsumfragen zufolge 71,6 % der Bürger der Republik Moldau das Ziel der europäischen Integration ihres Landes unterstützen;
H. in der Erwägung, dass die Teilnehmer der 11. Sitzung des Parlamentarischen Assoziationsausschusses EU-Moldau vom 6./7. April 2022 die Entschlossenheit der Präsidentin, der Regierung und der parlamentarischen Mehrheit der Republik Moldau zur Kenntnis genommen haben, die Assoziierungsagenda zwischen der EU und der Republik Moldau konsequent umzusetzen, damit die Lebensbedingungen der moldauischen Bürger spürbar verbessert werden;
I. in der Erwägung, dass durch die konkreten Ergebnisse der sechsten Tagung des Assoziationsrates EU-Moldau vom 28. Oktober 2021 neue Impulse für eine engere und verstärkte Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen gegeben werden;
J. in der Erwägung, dass das Konjunkturprogramm für die Republik Moldau als Teil der erneuerten Agenda für Aufbau, Resilienz und Reformen für die Länder der Östlichen Partnerschaft vorgeschlagen wurde, das mit einem Wirtschafts- und Investitionsplan für die sozioökonomische Erholung und langfristige Resilienz nach COVID-19 unter dem Motto „Build Back Better“ untermauert wird; in der Erwägung, dass in den EIP-Leitinitiativen für die Republik Moldau zwar Investitionen in die Energieeffizienz, Infrastruktur und Konnektivität vorgesehen sind, nicht jedoch in eine Umstellung auf saubere Energie;
K. in der Erwägung, dass das aktuelle Makrofinanzhilfeprogramm der EU für die Republik Moldau vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise abgeschlossen wurde, wobei die erste Tranche in Höhe von 50 Mio. EUR im November 2020 und eine zweite Tranche in Höhe von 50 Mio. EUR am 7. Oktober 2021 ausgezahlt wurden, nachdem bei der Erfüllung der politischen Auflagen der Vereinbarung erhebliche Fortschritte erzielt wurden;
L. in der Erwägung, dass die Republik Moldau im Korruptionswahrnehmungsindex 2021 auf Platz 105 von 180 Ländern rangiert (gegenüber Platz 115 im Jahr 2020) und dass trotz des Regierungswechsels das Ausbleiben signifikanter Verbesserungen bei der Korruptionsbekämpfung äußerst besorgniserregend ist, da die Korruption seit Jahren den Staatsapparat schwer beeinträchtigt, das Wirtschaftswachstum und die Modernisierung gebremst und die Demokratie untergraben hat;
M. in der Erwägung, dass die neue Regierung weiterhin die kritischen Unzulänglichkeiten im Justizwesen und im Bereich der Rechtsstaatlichkeit beheben muss, durch die die demokratische Regierungsführung in der Republik Moldau nach wie vor beeinträchtigt wird;
N. in der Erwägung, dass die Republik Moldau in der Rangliste der Pressefreiheit im Jahr 2021 von 180 Ländern auf Platz 89 liegt (und sich im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze verbessert hat) und dass weiterhin Bedenken bestehen, insbesondere hinsichtlich der Konzentration der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, der Monopolisierung des Werbemarkts, der mangelnden redaktionellen Unabhängigkeit und der Kontrolle der Medieneinrichtungen durch wirtschaftliche und politische Gruppen;
O. in der Erwägung, dass Organisationen der Zivilgesellschaft nach wie vor mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung im Parlament und in anderen Behörden fordern und ihre im Zeitraum 2016/2017 eingereichten Vorschläge zum Rechtsrahmen für den Zugang zu Informationen bekräftigen;
P. in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Stellen und der Zivilgesellschaft nach wie vor sporadisch ausfällt und über weite Teile nicht institutionalisiert wurde;
Q. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem jüngsten Umsetzungsbericht gewichtige Probleme in Bezug auf das Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung und auf Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse, das Recht auf Arbeit und ein menschenwürdiges Leben, auf Freizügigkeit und auf freie Meinungsäußerung ermittelt hat;
R. in der Erwägung, dass Frauen nach wie vor mit geschlechtsspezifischen Diskrepanzen konfrontiert sind und ihre Beteiligung an der Beschlussfassung aufgrund von Geschlechterstereotypen und -normen eingeschränkt ist;
S. in der Erwägung, dass der Rechtsrahmen den Zugang zu bestimmten Berufen zwar nicht länger untersagt, seine Umsetzung aber noch immer schleppend verläuft und Frauen nach wie vor de facto auf Hindernisse wie dem fehlenden Zugang zu erschwinglichen Betreuungsdiensten stoßen;
T. in der Erwägung, dass Hetze weiterhin Anlass zur Sorge gibt und sich hauptsächlich gegen Frauen und LGBTI-Personen richtet;
U. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Umsetzungsbericht auf schwerwiegende Probleme hinweist, wie etwa Kindersterblichkeit, Kinderarbeit, darunter Verbindungen zu Menschenhandel und sexueller Ausbeutung, die besondere Situation von Roma-Kindern und von Kindern, die von ihren Eltern zurückgelassen wurden, die stagnierende Zahl von Säuglingen und Kindern mit Behinderungen in Betreuungseinrichtungen und die unzureichende Qualität der sozialen Dienste zur Unterstützung von Familien in prekären Situationen;
V. in der Erwägung, dass die Republik Moldau etwa 80 % ihrer Energie importiert und dass Wind-, Solar- und kleine Wasserkraftanlagen nur etwa 1 % des Energiemixes der Republik Moldau ausmachen;
W. in der Erwägung, dass Biomasse die einzige signifikante inländische Energiequelle der Republik Moldau ist und 19 % der gesamten Energieversorgung ausmacht;
X. in der Erwägung, dass sich Moldau im Rahmen des Übereinkommens von Paris verpflichtet hat, die Emissionen bis 2030 um 70 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken;
Gemeinsame Werte und allgemeine Grundsätze
1. begrüßt die historischen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 und der Parlamentswahl im Jahr 2021, bei denen die Bevölkerung Moldaus mit überwältigender Mehrheit für reformorientierte und proeuropäische Kräfte gestimmt hat, die nunmehr die volle Verantwortung im Staat tragen; legt den EU-Organen und der politischen Führung Moldaus nahe, diese einzigartige Gelegenheit zu nutzen, um im Hinblick auf die Durchführung längst überfälliger Reformen zusammenzuarbeiten und die Integration Moldaus in die EU auf der Grundlage der gemeinsamen Werte der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit voranzubringen;
2. begrüßt, dass Moldau seinen Antrag auf Beitritt zur EU am 3. März 2022 eingereicht hat und damit seine Entscheidung für den europäischen Weg bekräftigt hat; stellt fest, dass dieser Schritt noch deutlicher macht, dass ein intensivierter politischer Dialog auf hoher Ebene mit den moldauischen Behörden erforderlich ist, um greifbare und nachhaltige Fortschritte bei der Umsetzung der wichtigsten Reformen zu erzielen; fordert die EU-Organe auf, im Einklang mit Artikel 49 EUV und auf der Grundlage der bisherigen Fortschritte Moldau sowie der Ukraine und Georgien den Status von EU-Beitrittskandidaten zuzuerkennen und derweil weiter auf die Integration Moldaus in den EU-Binnenmarkt hinzuwirken; fordert die Kommission und den EAD auf, ihre Zusammenarbeit mit ihren moldauischen Partnern zu stärken und in dieser entscheidenden Zeit möglichst umfangreiche politische, technische und finanzielle Unterstützung für Moldau bereitzustellen, um den Fortschritten neue Impulse zu verleihen und ein angemessenes Absorptionsvermögen für EU-Hilfe sicherzustellen; betont, dass geprüft werden muss, wie die Kapazitäten der moldauischen öffentlichen Einrichtungen diesbezüglich konsolidiert und verbessert werden können, einschließlich eines gemeinsamen Projekts EU-Moldau zur Schaffung einer Hochschuleinrichtung für die Ausbildung von Humanressourcen für die öffentliche Verwaltung Moldaus, wobei für größtmögliche Transparenz des Auswahl- und Beförderungsverfahrens zu sorgen ist und die EU Unterstützung für die notwendige Aufstockung der Gehälter von Beamten in der moldauischen Regierung leisten muss, die in Schlüsselbereichen der Reformen der europäischen Integration tätig sind;
3. weist darauf hin, dass die Europäische Union bei ihrer Unterstützung strategischer vorgehen sollte, und fordert die Einrichtung einer Unterstützungsgruppe für die Republik Moldau auf Ebene der Kommission nach dem Vorbild der Unterstützungsgruppe für die Ukraine (SGUA), wie im ursprünglichen Mandat der SGUA vorgesehen; betont, dass eine solche Gruppe eine entscheidende Rolle dabei spielen könnte, die finanzielle und technische Unterstützung der EU zu optimieren und die moldauischen Behörden bei der Förderung von Reformen in den Schlüsselbereichen Justiz, Korruptionsbekämpfung und öffentliche Verwaltung und bei der Umsetzung der EIP für die Länder der Östlichen Partnerschaft und des Konjunkturprogramms für Moldau auf vielfältige Weise zu fördern sowie das Land bei der Vorbereitung künftiger Beitrittsverhandlungen zu unterstützen;
4. fordert die Kommission auf, Moldau bei der Ausarbeitung einer glaubwürdigen Heranführungsstrategie für die EU-Mitgliedschaft zu unterstützen; fordert die Kommission erneut auf, regelmäßige und umfassende jährliche Berichte anzunehmen, in denen die Umsetzung von Reformen auf der Grundlage eindeutiger Bezugswerte und derselben Methodik, die für die Länder des westlichen Balkans zum Einsatz kommt, bewertet wird;
5. betont, dass durch die Anträge der Ukraine, Moldaus und Georgiens auf EU-Mitgliedschaft ein neues Kapitel ihrer europäischen Integration eröffnet wurde, das durch verstärkte Anstrengungen zur Umsetzung der einschlägigen Assoziierungsabkommen/vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen und einen strategischeren Ansatz der EU zur Unterstützung dieser Länder gekennzeichnet sein sollte;
6. begrüßt die Ergebnisse des sechsten Gipfeltreffens der Östlichen Partnerschaft vom 15. Dezember 2021, auf dem die erheblichen Errungenschaften der Zusammenarbeit in diesem Format bekräftigt wurden und ein ehrgeiziger Weg für die künftige Zusammenarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Werte und mit einem Schwerpunkt auf Aufbau, Resilienz und Reformen aufgezeichnet wurde;
7. begrüßt die Tatsache, dass auf dem Gipfeltreffen die Initiative Moldaus, Georgiens und der Ukraine gewürdigt wird, ihre Zusammenarbeit als die drei assoziierten Partner der EU („assoziiertes Trio“), ihre europäischen Ambitionen und ihre Entscheidung für Europa zu stärken; fordert die drei Länder auf, gemeinsam auf ihr erklärtes Ziel einer EU-Mitgliedschaft hinzuarbeiten, indem sie die Reformagenda weiter voranbringen und als Grundlage für einen verdienstbasierten künftigen Beitritt zur EU bewährte Verfahren im Bereich der verantwortungsvollen Staatsführung und der Umsetzung von Assoziierungsabkommen und vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen austauschen; fordert die Kommission auf, Moldaus Antrag auf Beitritt zur EU zu prüfen und in der Zwischenzeit auf das Interesse der assoziierten Länder einzugehen, die sektorspezifische Zusammenarbeit mit der EU in Bereichen von beiderseitigem Interesse zu vertiefen, und gleichzeitig den Grundsatz der Inklusivität zu wahren;
8. begrüßt den konstruktiven Beitrag Moldaus zur Zusammenarbeit im Rahmen der Östlichen Partnerschaft, insbesondere mit den assoziierten Ländern, und bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Erklärungen zur ehrgeizigen Agenda des Landes und zur sektorspezifischen Integration u. a. in den Bereichen Verkehr und Energie sowohl vonseiten der staatlichen Stellen Moldaus als auch vonseiten der Union in konkrete Entscheidungen und Maßnahmen münden werden;
9. fordert die EU-Organe ferner auf, die Möglichkeit zu prüfen, Moldau als Beobachter in die Arbeiten der nach Artikel 291 AEUV und der Verordnung (EU) Nr. 182/2011(7) eingesetzten Ausschüsse sowie in die Sitzungen der Arbeitsgruppen und Ausschüsse des Europäischen Rates einzubeziehen, um das Engagement der EU für eine weitere Integration zum Ausdruck zu bringen und die Reformorientierung und das verwaltungstechnische Know-how in diesen Ländern zu stärken;
10. erkennt an, dass der Krieg in der Ukraine die moldauische Wirtschaft unverhältnismäßig stark beeinträchtigt, was auf entgangene Ein- und Ausfuhrmöglichkeiten, höhere Transportkosten, rasch steigende Energiepreise und die Notwendigkeit, aufgrund der großen Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine eine kritische humanitäre Lage zu bewältigen, zurückzuführen ist; lobt die Bevölkerung und die staatlichen Stellen Moldaus für ihr außerordentliches Engagement beim Umgang mit der hohen Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine, die in das Land eingereist sind, was dazu geführt hat, dass Moldau pro Kopf mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat als jedes andere Land; betont, dass dies bedeutet, dass auch der Bedarf Moldaus an wirtschaftlicher Unterstützung, einschließlich der Makrofinanzhilfe, dramatisch gestiegen ist; fordert die EU und andere internationale Partner Moldaus auf, ihre Politik dringend entsprechend zu überarbeiten und ihre Unterstützung für das Land zu verstärken, um seine sozioökonomische Lage zu stabilisieren und seine weitere Entwicklung sicherzustellen;
11. begrüßt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten als „Team Europa“ entschlossene Maßnahmen ergriffen haben, um die sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie durch Impfstoffspenden und finanzielle Unterstützung abzumildern; fordert den EAD auf, die staatlichen Stellen Moldaus über die East StratCom Task Force und die Delegation der Europäischen Union in der Republik Moldau beim Vorgehen gegen Falschinformation über COVID-19-Impfstoffe und bei der Förderung eines sozialen Dialogs zu unterstützen, um das Ziel zu erreichen, mindestens 70 % der Bevölkerung zu impfen;
12. betont, dass das mit bis zu 600 Mio. EUR ausgestattete Konjunkturprogramm für Moldau ein Schlüsselelement für die Erholung des Landes ist und eine einzigartige Gelegenheit bietet, Strukturreformen zu beschleunigen, die Wirtschaft umzustrukturieren, Armut und soziale Ungleichheit zu bekämpfen, den grünen und den digitalen Wandel voranzutreiben und das Land auf andere künftige Herausforderungen vorzubereiten; begrüßt die erste im Rahmen des Konjunkturpakets erfolgte Auszahlung einer Finanzhilfe in Höhe von 36,4 Mio. EUR für Moldau, damit die Polizeireform und die Bekämpfung von COVID-19 im Land weiterhin unterstützt werden;
13. begrüßt das neue Wirtschaftsreformprogramm Moldaus, das im Dezember 2021 vom Internationalen Währungsfonds gebilligt wurde und den Weg für den neuen Vorschlag der Kommission für ein Makrofinanzhilfepaket für Moldau im Wert von bis zu 150 Mio. EUR geebnet hat; begrüßt die rasche Annahme der neuen Makrofinanzhilfe durch das Parlament und den Rat; betont die entscheidende Bedeutung einer strengen Konditionalität, die in erster Linie mit demokratischen Reformen und nicht mit wirtschaftlichen Faktoren verknüpft ist, was auch für alle anderen Mittel der EU für ihre Partner gilt; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass den moldauischen Behörden technische Hilfe zur Verfügung gestellt wird, damit sie die im Zusammenhang mit der Makrofinanzhilfe vereinbarten Reformen angemessen umsetzen können;
Reformen und institutioneller Rahmen
14. begrüßt die beispiellose ehrgeizige Reformagenda der Regierung von Natalia Gavrilița und die ersten Fortschritte, die bei ihrer Umsetzung bereits erzielt wurden, insbesondere bei der Korruptionsbekämpfung, der Erhöhung der Transparenz in der öffentlichen Verwaltung, dem Vorantreiben der Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Digitalisierung, der Verbesserung des Lebensstandards der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen und der Verbesserung des Geschäftsklimas in dem Land; bekräftigt, dass die Erzielung ausreichender Fortschritte bei der Umsetzung der vereinbarten Reformen eine wesentliche Voraussetzung für die anhaltende finanzielle Unterstützung durch die EU und die Anwendung des Grundsatzes „mehr für mehr“ ist;
15. fordert die moldauische Regierung nachdrücklich auf, ihre Bemühungen um eine unumkehrbare Abstimmung des Landes auf die Europäische Union fortzusetzen; fordert sowohl die Behörden als auch die Opposition nachdrücklich auf, konstruktiv zusammenzuarbeiten, um das Land in einen funktionierenden Staat umzuwandeln, der seinen Bürgern Chancen bieten und Verbesserungen in allen Bereichen bewirken kann, die in seine Zuständigkeit fallen, da sich dies positiv auf den Lebensstandard in Moldau auswirken wird und auch die im Ausland lebenden Moldauer davon überzeugen kann, in ihr Heimatland zurückzukehren;
16. betont, dass die hohen Erwartungen der Menschen in Moldau erfüllt werden müssen, indem ihre Lebensgrundlagen spürbar verbessert werden, ihr Vertrauen in die staatlichen Institutionen wiederhergestellt wird und gegen Korruption und oligarchische Strukturen vorgegangen wird;
17. stellt fest, dass die Präsidentschafts- und die vorgezogene Parlamentswahl zwar gut durchgeführt und von Wettbewerb geprägt waren, der Wahlkampf jedoch polarisierend und auf negative Weise geführt wurde, unter anderem mittels intoleranter Rhetorik und persönlicher Angriffe; betont, dass die verbleibenden Defizite behoben werden müssen, indem die Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarates und des BDIMR der OSZE umgesetzt werden, einschließlich der Verbesserung des Rechtsrahmens für Wahlen im Einklang mit den OSZE-Verpflichtungen und anderen internationalen Standards, einer raschen und gründlichen Untersuchung glaubwürdiger Vorwürfe des Stimmenkaufs und illegaler Anreize für Wähler, einer Bekämpfung des Missbrauchs staatlicher Ressourcen, einer verbesserten Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Wahlkampffinanzierung, einer strikteren Durchsetzung der bestehenden Bestimmungen des Kodex für audiovisuelle Mediendienste über eine unparteiische Berichterstattung während des Wahlkampfs und besserer Garantien, um sicherzustellen, dass die Gerichte frei von politischem Druck sind und bei der Bearbeitung von Fällen im Zusammenhang mit Wahlen uneingeschränkt unparteiisch bleiben; fordert die moldauische Regierung nachdrücklich auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, damit die Bürger Moldaus, die außerhalb des Landes leben, auf integrative, transparente und faire Weise und ohne ausländische Einmischung an den Wahlen teilnehmen können;
Energiesicherheit und ‑resilienz
18. begrüßt die Entscheidung der Kommission, Moldau im Rahmen eines neuen Budgethilfeprogramms 60 Mio. EUR zur Verfügung zu stellen, um eine künstlich von Gazprom verursachte Gasversorgungskrise zu überwinden und die Auswirkungen der steigenden Preise auf die am stärksten gefährdeten Menschen abzumildern; begrüßt die Bemühungen u. a. Polens, Rumäniens und der Ukraine, rasch für eine alternative Gasversorgung zu sorgen; weist darauf hin, dass Energieexporte die wichtigste Finanzierungsquelle für Russlands Haushalts-, Militär- und Sozialprogramme darstellen und Gazprom als Instrument zur Förderung der wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen des Kreml im Ausland eingesetzt wird; begrüßt, dass die EU-Delegation in Chișinău zusätzlich zu der Unterstützung, die die EU im Zusammenhang mit der Energiekrise bereits geleistet hat, 5 Mio. EUR mobilisiert hat, um die schutzbedürftigen Gruppen zu unterstützen, die am stärksten vom Anstieg der Energiepreise betroffen sind; erkennt jedoch an, dass angesichts der kontinuierlich steigenden Energiepreise eine umfangreichere Unterstützung erforderlich ist;
19. stellt fest, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine und seine Nutzung von Energieressourcen als Waffe deutlich macht, dass es von geostrategischer Bedeutung ist, Reformen im Energiesektor durchzuführen, die die Abhängigkeit von russischem Gas beseitigen und die Diversifizierung der Energieversorgung und ‑routen fördern würde, die langfristige Resilienz durch den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen zu stärken und in die Modernisierung bestehender und die Schaffung neuer Infrastrukturen und Energieeffizienz, auch in den Bereichen Energieerzeugung, Verkehr und Haushalte, zu investieren und dadurch die Konnektivität zu verbessern und gleichzeitig die ökologische Nachhaltigkeit sicherzustellen; stellt fest, dass dies auch dazu beitragen könnte, die Resilienz gegenüber möglichen Bemühungen Dritter zu stärken, Energie als geopolitisches Druckmittel einzusetzen;
20. betont, dass es inakzeptabel ist, dass die Gasversorgung aus Russland instrumentalisiert wird, um die Regierung Moldaus politisch unter Druck zu setzen, damit sie ihre geopolitische Ausrichtung ändert und den legitimen Wünschen der moldauischen Wähler nicht nachkommt; fordert die Kommission und den EAD nachdrücklich auf, Moldau in die Pläne der EU einzubeziehen, die eine Unabhängigkeit der Energieversorgung von Russland anstreben, und die finanzielle und technische Unterstützung der EU für Moldau aufzustocken, was erforderlich ist, um die Widerstandsfähigkeit Moldaus gegen eine solche Einflussnahme von außen sicherzustellen und ihre starke Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern; fordert die EU auf, im Einklang mit dem Assoziierungsabkommen eine stärkere Energiesolidarität mit Moldau zu zeigen, indem sie die Verbindungen zwischen der EU und den Ländern der Region im Bereich der Energieinfrastruktur verstärkt; betont, wie wichtig es ist, unverzüglich alle notwendigen Investitionen und die Instandhaltung der europäischen Energieinfrastruktur durchzuführen, damit die Speicheranlagen und Verbindungsleitungen der EU-Mitgliedstaaten eine Weiterleitung von Gas aus der EU in die Partnerländer in ausreichendem Umfang ermöglichen; fordert die staatlichen Stellen Moldaus auf, langfristig an der Verpflichtung des Landes als Mitglied der Energiegemeinschaft festzuhalten, das dritte Energiepaket der EU umzusetzen, insbesondere was die Entflechtung der Gas- und Stromfernleitungs- und -verteilernetze betrifft;
21. betont, dass die Stromerzeugungskapazität Moldaus, das derzeit zu 80 % auf Strom angewiesen ist, der in der Region Transnistrien erzeugt wird, erhöht werden muss; begrüßt die erfolgreiche Synchronisierung der Stromnetze Moldaus und der Ukraine mit dem kontinentaleuropäischen Netz am 16. März 2022, was dazu beitragen wird, deren Stabilität und Versorgungssicherheit sicherzustellen; lobt das Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) für seine Arbeit zur Verwirklichung dieses Meilensteins unter außergewöhnlichen Umständen; fordert die Kommission auf, die Integration Moldaus und der Ukraine in das europäische kontinentale Stromnetz weiter zu unterstützen und zu diesem Zweck dringend eine spezielle Struktur innerhalb ihrer Verwaltung einzurichten; begrüßt die Schritte, die unternommen wurden, um das Stromnetz Moldaus über Rumänien mit der EU zu verbinden; fordert alle staatlichen Stellen auf, das Ziel zu erreichen, Moldau mit Unterstützung der EU bis 2024 an das rumänische Stromnetz anzubinden; fordert die Kommission auf, Moldau in die für den Energiebinnenmarkt durchgeführten Stresstests einzubeziehen; weist darauf hin, dass die Unterstützung und Förderung der besseren Zusammenarbeit der EU mit den assoziierten Ländern der Östlichen Partnerschaft in diesen Bereichen auch Wirtschaftswachstum schaffen und die Energieresilienz der Region steigern wird;
22. begrüßt die Aufnahme des Energiedialogs auf hoher Ebene zwischen der EU und Moldau im Zusammenhang mit der Notlage in der moldauischen Gasbranche. fordert die Kommission auf, die Aufnahme ähnlicher Dialoge auf hoher Ebene mit der EU in Erwägung zu ziehen, um die Zusammenarbeit in anderen Bereichen wie Justiz oder Klima/Grüner Deal zu stärken, was zur Verwirklichung der Ziele des Assoziierungsabkommens und des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens beitragen würde;
23. fordert Moldau und die EU auf, die Anbindung Moldaus an das Schwarzmeerbecken und die Karpatenregion zu verbessern und die Arbeit an den moldauischen Abschnitten des erweiterten transeuropäischen Verkehrsnetzes für die Östliche Partnerschaft (TEN-V) voranzubringen, die Reformen im Eisenbahnsektor zu unterstützen und gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und internationalen Finanzinstitutionen Möglichkeiten für den Ausbau der Eisenbahnverbindungen zwischen der EU und Moldau zu sondieren und dabei die ökologische Nachhaltigkeit sicherzustellen; legt Moldau nahe, Fortschritte bei der Umsetzung des einschlägigen Besitzstands zu erzielen, und fordert eine verstärkte Zusammenarbeit und die schrittweise Integration Moldaus in den EU-Verkehrsmarkt und die Verkehrsgemeinschaft;
24. fordert die EU auf, eine Plattform für die Investitionsplanung für Moldau bereitzustellen, um eine Infrastrukturkonnektivitätsagenda in großem Maßstab umzusetzen, insbesondere indem die Absorptionskapazität des Landes erhöht und die erforderliche technische Hilfe bereitgestellt wird, wie dies für die Länder des westlichen Balkans mit dem Investitionsrahmen für den westlichen Balkan (WBIF) geschieht, bei dem es sich um eine von der Kommission verwaltete Plattform zur Unterstützung von Kapazitäten handelt;
25. begrüßt und unterstützt das Interesse Moldaus an der Förderung der Zusammenarbeit mit der EU in den Bereichen Digitalisierung und Telekommunikation; fordert die EU und Moldau nachdrücklich auf, die Roamingtarife zwischen Moldau und der EU beiderseitig abzuschaffen;
26. begrüßt die Bemühungen und die anhaltenden Fortschritte der moldauischen staatlichen Stellen auf dem Weg zur weiteren Verbesserung des Sicherheitskontrollsystems Moldaus und der Umsetzung internationaler Flugsicherheitsstandards, die zur Streichung aller in Moldau zertifizierten Luftverkehrsunternehmen von der EU-Flugsicherheitsliste geführt haben, und fordert die staatlichen Stellen Moldaus auf, für die Umsetzung des Übereinkommens zwischen der EU und Moldau über den gemeinsamen Luftverkehrsraum zu sorgen;
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und Fortschritte bei der Beilegung des Transnistrienkonflikts
27. begrüßt die Vereinbarung zwischen der EU und der Moldau über die Einleitung eines politischen und sicherheitspolitischen Dialogs auf hoher Ebene und das erneute Engagement in den Bereichen Sicherheit und GSVP durch bilaterale politische Konsultationen auf der Ebene der Bediensteten; fordert den EAD und Moldau auf, diese Plattformen umfassend zu nutzen, um die Zusammenarbeit in Bereichen wie Vorgehen gegen hybride Bedrohungen, Steigerung der Resilienz, Stärkung der Cybersicherheit, Schutz von kritischer Infrastruktur und Verbesserung der strategischen Kommunikation zu fördern; fordert Moldau auf, ihre Standpunkte weiterhin an die der GASP anzugleichen und ihren Beitrag zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) und ihren Missionen fortzusetzen und zu stärken; fordert die EU und Moldau auf, Möglichkeiten für eine Ausweitung dieser Zusammenarbeit zu ermitteln, insbesondere angesichts der instabilen Sicherheitslage in der östlichen Nachbarschaft;
28. ist zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen in der Region Transnistrien und verurteilt diese als gefährliche Provokationen in einer äußerst instabilen Sicherheitslage; fordert zu Ruhe auf, um die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen, die auf beiden Seiten des Dnisters und in den Nachbarländern leben, zu bewahren; begrüßt in diesem Zusammenhang die ruhige und zurückhaltende Reaktion der staatlichen Stellen in Chișinău;
29. lehnt die Erklärung der Staatsorgane in der besetzten moldauischen Region Transnistrien vom 3. März 2022, in der ein Ende des Konfliktbeilegungsprozesses angekündigt und erneut zur Anerkennung der sogenannten Unabhängigkeit Transnistriens aufgerufen wird, ab und bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck; bekräftigt seine Unterstützung für eine umfassende und friedliche Lösung des Transnistrienkonflikts im Wege der 5+2-Verhandlungen, die auf der Souveränität und territorialen Integrität Moldaus innerhalb seiner international anerkannten Grenzen beruht und bei der ein Sonderstatus für die Region Transnistrien in einem existenzfähigen moldauischen Staat vorgesehen wird; betont, dass bei der Lösung der Transnistrienfrage das souveräne Recht Moldaus gewahrt werden muss, über die Ausrichtung der eigenen Verteidigungs- und Außenpolitik zu entscheiden; unterstützt Maßnahmen zur Ausweitung der Vorteile des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens und der visumfreien Regelung auf die Region Transnistrien, wodurch beträchtliches Wachstum in den Bereichen Mobilität und Handel mit der Region ermöglicht würde;
30. stellt fest, dass die EU-Mission zur Unterstützung des Grenzschutzes in Moldau und der Ukraine eine sehr wichtige Rolle dabei spielt, das Grenzmanagement und die Zollregelungen mit denen der Union zu harmonisieren, auch im Hinblick auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Schmuggels und als Beitrag zur friedlichen Beilegung der Transnistrienfrage durch vertrauensbildende Maßnahmen und eine Aufsichtspräsenz im transnistrischen Teil der moldauisch-ukrainischen Grenze; legt der moldauischen Regierung nahe, sich auch künftig für ein für die Beilegung von Konflikten günstiges Umfeld einzusetzen und Aktivitäten zu unterstützen, durch die das Vertrauen und die Kontakte zwischen den Menschen über die vom Konflikt getrennten Gemeinschaften hinweg gestärkt werden; ist davon überzeugt, dass eine konstruktive Lösung der Transnistrienfrage nicht nur für Moldau, sondern auch für die gesamte Region Stabilität und Wohlstand bringen wird;
31. fordert Moldau, die Russische Föderation, die EU-Mitgliedstaaten und andere internationale Partner auf, bei der vollständigen Beseitigung und Vernichtung der etwa 20 000 Tonnen alter Munition aus der Zeit der Sowjetunion zusammenzuarbeiten, die im Munitionslager Cobasna gelagert werden und eine ernstzunehmende Gefahr für die Sicherheit von Mensch und Umwelt an beiden Ufern des Flusses Dnjestr darstellen, da die Munition längst abgelaufen ist; ist besorgt über die vielen von den russischen Streitkräften in Transnistrien durchgeführten Militärübungen und fordert die Russische Föderation auf, ihre Streitkräfte und ihr militärisches Gerät vollständig, bedingungslos und geordnet aus der Region Transnistrien abzuziehen, und zwar im Einklang mit den wiederholten Aufforderungen der moldauischen staatlichen Stellen und unter Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Moldau;
32. ist besorgt über die sich verschlechternde Menschenrechtslage in der Region Transnistrien, insbesondere über die Verfolgung von Personen, die der De-facto-Regierung kritisch gegenüberstehen, und die Stationierung russischer Militäreinheiten sowie über die Beschränkungen für öffentliche Versammlungen und die Tätigkeit lokaler nichtstaatlicher Organisationen; erinnert die Russische Föderation an ihre Verantwortung im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte in der Region Transnistrien, die in mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bestätigt wurde; fordert die russischen staatlichen Stellen auf, alle Urteile des EGMR in Bezug auf Verstöße gegen die Menschenrechte und das Recht auf Freiheit und Sicherheit in der Region Transnistrien zu vollstrecken;
33. lobt die moldauischen staatlichen Stellen für die Unterstützung der Region Transnistrien vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, u. a. durch die Spende von 10 % ihrer Impfstoffe, die Schulung von medizinischem Personal und die Verarbeitung von COVID-19-Tests;
34. begrüßt den Beschluss des Rates, den Streitkräften der Moldau im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität 7 Mio. EUR für den Erwerb von medizinischer Ausrüstung und Ausrüstung zur Kampfmittelbeseitigung zur Verfügung zu stellen; fordert den EAD und den Rat auf, die Bereiche der Zusammenarbeit mit Moldau weiter auszuweiten und die Stärkung der Kapazität des Verteidigungssektors durch Hilfsmaßnahmen im Rahmen dieses Instruments zu unterstützen;
35. fordert die staatlichen Stellen der Moldau auf, das Potenzial der Unterstützung aus der Europäischen Friedensfazilität in den nachfolgenden Jahresprogrammen weitgehender zu nutzen, um ihre Kapazität im Bereich des Vorgehens gegen Cyber- und Hybridbedrohungen zu konsolidieren; fordert die EU-Organe auf, Moldau in neue Formate der Zusammenarbeit in den Bereichen Cybersicherheit, hybride Bedrohungen und Ermittlungen auf dem Gebiet der Cyberkriminalität einzubinden, unter anderem indem das neue Europäische Kompetenzzentrum für Industrie, Technologie und Forschung im Bereich der Cybersicherheit in diese Bemühungen einbezogen wird;
Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvolles Regierungshandeln
36. bekräftigt den grundlegenden Stellenwert der Justizreform, insbesondere durch die Stärkung der Unabhängigkeit und der Zuständigkeiten der Justiz, sowie der Korruptionsbekämpfung; erkennt das Ausmaß der Herausforderung an, mit der die staatlichen Stellen konfrontiert sind, und fordert sie auf, sich auf die festgelegten Prioritäten zu konzentrieren; stellt fest, dass Präsidentin Maia Sandu und die Regierung von Natalia Gavrilița zugesagt haben, ihre Politik auf die Urteile des moldauischen Verfassungsgerichts zu stützen; fordert, dass die laufende Justizreform beschleunigt wird, auch was die Umsetzung der vom moldauischen Parlament am 23. September 2021 beschlossenen Änderungen der Verfassungsbestimmungen über die Justiz und der Strategie zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Integrität des Justizsektors für den Zeitraum 2022–2025 betrifft;
37. betont, dass die EU mehr Unterstützung, einschließlich höherer Mittelzuweisungen, für die komplexe Reform des Justizsystems in der Moldau bereitstellen muss; erkennt an, dass das Justizsystem tiefgreifender Reformen bedarf, damit Effizienz und eine vollständige und tatsächliche Unabhängigkeit der Justiz erlangt, das öffentliche Vertrauen in das Justizsystem und die öffentliche Verwaltung wiederhergestellt und die Verbindungen zu postkommunistischen informellen Netzen und Oligarchen gekappt werden können und damit gegen Korruption und Geldwäsche, auch auf höchster politischer und geschäftlicher Ebene, vorgegangen wird; unterstützt mit Nachdruck das Ziel, Personen, an deren Integrität Zweifel bestehen, aus dem Justizsystem zu entfernen und umfassende Änderungen vorzunehmen, durch die eine stabile Grundlage für die Rechtsstaatlichkeit in dem Land geschaffen würde;
38. betont, wie wichtig es ist, einen verdienstbasierten und transparenten Auswahlprozess bei der Ernennung von Richtern sicherzustellen; fordert die moldauischen staatlichen Stellen auf, die Zusammenarbeit mit dem Europarat und der Europäischen Union bei der Justizreform fortzusetzen, auch bei Initiativen im Zusammenhang mit der außerordentlichen Bewertung von Richtern und Staatsanwälten (Überprüfung) und der Bewertung der Integrität der Kandidaten für das Amt der Mitglieder des Obersten Richterrates und des Obersten Rates der Staatsanwälte (Vorüberprüfung); bekräftigt, wie wichtig es ist, die Empfehlungen der Venedig-Kommission im Rahmen des Justizreformprozesses zu konsultieren und umzusetzen;
39. ist davon überzeugt, dass Korruption in großem Maßstab eines der Hauptprobleme ist, die den Fortschritt der Moldau beeinträchtigen; fordert die moldauische Regierung auf, die Wirksamkeit der rechtlichen und institutionellen Infrastruktur für die Korruptionsbekämpfung zu verbessern; begrüßt die Einrichtung des unabhängigen beratenden Ausschusses für Korruptionsbekämpfung, der die Korruption im Finanz- und Bankensektor des Landes sowie innerhalb der staatlichen Institutionen untersuchen wird;
40. fordert die moldauische Regierung auf, die Transparenz, demokratische Kontrolle und Rechenschaftspflicht in allen Entscheidungsprozessen zu verbessern und eng mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um eine angemessene öffentliche Kontrolle der und einen inklusiven Beitrag zu diesen Prozessen zu ermöglichen; bekräftigt, wie wichtig es ist, eine tragfähige Finanzierung der Zivilgesellschaft sicherzustellen, insbesondere angesichts erheblicher Haushaltskürzungen während der Pandemie; betont die allgemeine Bedeutung des aktiven offenen Dialogs der Regierung mit Organisationen der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden sowie mit der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition, um einen inklusiven und partizipativen Entscheidungsprozess sicherzustellen;
41. nimmt die von den staatlichen Stellen unternommenen Schritte zur Kenntnis und fordert diese nachdrücklich auf, ihre Bemühungen fortzusetzen, um das Problem unbegründeter Asylanträge anzugehen und die moldauische Visumpolitik an die EU-Listen der Drittländer, für die Visumspflicht besteht, anzugleichen;
42. fordert die moldauische Regierung auf, sich weiterhin um die Entpolitisierung der Strafverfolgungsbehörden und der öffentlichen Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung zu bemühen und in die Stärkung des Vertrauens zwischen Bürgern und den Strafverfolgungsbehörden zu investieren;
43. fordert eine entschiedene Umsetzung der Polizeireform; begrüßt die wachsende Zahl von Frauen bei der Polizei; fordert eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden und den Strafverfolgungsbehörden der Moldau und der Mitgliedstaaten, um die grenzüberschreitende Kriminalität, insbesondere den Handel mit illegalen Drogen und den Menschenhandel, einzudämmen, da Moldau bedauerlicherweise nach wie vor eine Quelle des Menschenhandels zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung und zu Arbeitszwecken ist, der sowohl von moldauischen als auch von internationalen kriminellen Netzwerken begangen wird; begrüßt die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der EU und Moldau über operative Tätigkeiten, die von der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) in Moldau durchgeführt werden, sowie die Entsendung von Frontex-Mitarbeitern zur Unterstützung der moldauischen staatlichen Stellen bei Grenzmanagementmaßnahmen; fordert eine verstärkte Zusammenarbeit mit Europol, Interpol und Zollorganisationen wie der Weltzollorganisation und den Antikorruptionsnetzen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung;
44. fordert die Kommission und die staatlichen Stellen der Moldau auf, zusammenzuarbeiten, sich abzustimmen und dringend Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge aus der Ukraine zu ergreifen, die in Moldau untergekommen sind oder dort durchreisen, insbesondere was Frauen und Kinder betrifft, die von Menschenhandel gefährdet sind und die Mehrheit der Flüchtlinge aus der Ukraine ausmachen;
45. fordert die staatlichen Stellen auf, das Recht auf ein faires Verfahren und die Achtung der Menschenrechte in Haftanstalten zu gewährleisten, u. a. durch die Verbesserung der unzureichenden Gesundheitsversorgung, sowie eine selektive und politisch motivierte Rechtsprechung zu vermeiden; betont, dass Folter und Misshandlung abgeschafft und Fälle mutmaßlicher Folter und andere Menschenrechtsverletzungen, die von Polizisten und anderen Strafverfolgungsbeamten begangen worden sein sollen, untersucht werden müssen;
46. betont, wie wichtig es ist, Finanzbetrug, Geldwäsche und organisierte Kriminalität durch umfassende Rechtsvorschriften und deren wirksame Umsetzung zu bekämpfen; begrüßt die Pläne, im moldauischen Parlament Gesetzesänderungen zu verabschieden, mit denen der Rechtsrahmen verbessert werden soll, um die Umsetzung des Mechanismus der erweiterten Einziehung von durch Korruption angesammelten Vermögenswerten zu ermöglichen;
47. fordert eine klare und wirksame Politik im Bereich der Einziehung veruntreuter Gelder und durch Betrug erlangter Vermögenswerte, indem eine internationale Zusammenarbeit mit dem Schwerpunkt auf einer besseren Verbindung zu Europol und Eurojust etabliert wird; fordert die staatlichen Stellen der Moldau auf, einen Rahmen für die strategische Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft zu schaffen, damit die Ermittlungen bei Betrugsfällen und im Bereich der Korruptionsbekämpfung besser verwaltet werden können;
48. spricht sich für eine laufende und enge Zusammenarbeit zwischen der Generalstaatsanwaltschaft in Chișinău und dem Eurojust-Büro aus, einschließlich einer regelmäßigen Entsendung moldauischer Vertreter in das Eurojust-Büro als vorbereitenden Schritt für den Aufbau einer Task Force, die sich mit der Einziehung veruntreuter Gelder und durch Betrug erlangter Vermögenswerte befasst;
49. betont, dass die Untersuchung des im Jahr 2014 aufgedeckten Bankenbetrugs dringend beschleunigt werden muss, da sie noch immer nicht zu nennenswerten Ergebnissen dahingehend geführt hat, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und verlorene Vermögenswerte wieder eingezogen werden konnten; betont, dass der internationale Ruf der Moldau und vor allem die Glaubwürdigkeit des Justizsystems aufgrund dieser mangelnden Fortschritte nicht nur aus Sicht der moldauischen Bevölkerung, sondern auch aus Sicht der internationalen Partner des Landes gravierend beeinträchtigt werden; fordert, sich intensiver mit dem Abschluss von Strafverfahren gegen Personen zu befassen, die in das System des „russischen Waschsalons“ und den Bankenbetrug verwickelt waren; fordert in diesem Zusammenhang eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den staatlichen Stellen der Moldau bei der Untersuchung des Bankenbetrugs, um die rasche Wiedereinziehung gestohlener Vermögenswerte sicherzustellen;
50. bekräftigt seine Forderung nach einer Ausweitung der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (Magnitski-Rechtsakt der EU) auf Korruption als strafbare Handlung, was ermöglichen würde, die für den Bankenbetrug 2014 verantwortlichen Personen zu sanktionieren und von der Begehung ähnlicher Korruptionsdelikte abzuschrecken;
Menschenrechte und Grundfreiheiten
51. begrüßt, dass das Parlament von Moldau das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Übereinkommen von Istanbul“) am 14. Oktober 2021 ratifiziert hat; nimmt zur Kenntnis, dass die Venedig-Kommission am 10. und 11. Dezember 2021 auf Ersuchen des moldauischen Verfassungsgerichts ein Rechtsgutachten über die verfassungsrechtlichen Auswirkungen des Übereinkommens von Istanbul herausgegeben hat; fordert, dass die wirksame Umsetzung des Übereinkommens von Istanbul auf allen Ebenen sichergestellt wird, um die Situation von Frauen und Mädchen zu verbessern und weitere Anstrengungen zu unternehmen, damit Fortschritte bei der Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter erzielt werden können, insbesondere wenn es darum geht, den Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt zu verbessern und gegen das geschlechtsspezifische Lohngefälle, altersbedingte Diskriminierung vorzugehen sowie die Vertretung und Gleichbehandlung von Frauen auf allen Ebenen des politischen und gesellschaftlichen Lebens sicherzustellen;
52. betont, wie wichtig es ist, den Rechtsrahmen für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung weiter zu stärken, insbesondere indem die bestehenden Rechtslücken geschlossen werden, um gegen Diskriminierung im Bereich der Beschäftigung vorzugehen, hassmotivierten Straftaten und Hetze wirksam entgegenzutreten sowie die Rechte von Minderheiten, darunter Roma, LGBTI und Einwanderern noch besser zu schützen; fordert Moldau auf, das 1994 eingeführte verfassungsmäßige Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen abzuschaffen und Maßnahmen gegen die Diskriminierung von für LGBTI einzuführen;
53. fordert die Kommission und den EAD auf, die Gleichstellung der Geschlechter in all ihre politischen Strategien, Programme und Aktivitäten in Bezug auf Moldau einzubeziehen; fordert die moldauische Regierung auf, die Annahme und Umsetzung von Rechtsvorschriften über Menschenrechte und Antidiskriminierung zu beschleunigen, die an die EU-Standards angeglichen sind, und die Verwirklichung dieser Rechte durch ordnungsgemäß funktionierende und unabhängige Gerichte zu ermöglichen;
54. fordert die moldauische Regierung auf, bei ihrer Reaktion auf die COVID-19-Pandemie besonderes Gewicht darauf zu legen, der geschlechtsspezifischen Ungleichheit, geschlechtsspezifischer Gewalt und der Diskriminierung von Randgruppen entgegenzuwirken, was Probleme sind, die durch die Pandemie noch gravierender geworden sind; fordert die Behörden nachdrücklich auf, sich mit der Zunahme der Gewalt gegen Kinder und der Kinderarmut infolge der COVID-19-Pandemie und den entsprechenden Gegenmaßnahmen zu befassen;
Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit
55. bekräftigt, wie wichtig eine wirksame Umsetzung der Reformen ist, die erforderlich sind, um die sich aus dem vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen ergebenden Vorteile in vollem Umfang auszuschöpfen, damit Fortschritte bei der weiteren wirtschaftlichen Integration in den EU-Binnenmarkt erzielt werden sowie die Diversifizierung und Wettbewerbsfähigkeit der moldauischen Wirtschafft erhöht wird, und zwar insbesondere im Bereich der Waren mit hohem Mehrwert; fordert Moldau auf, das Kapitel „Handel und nachhaltige Entwicklung“ des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens vollständig umzusetzen und den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes nachzukommen, wozu insbesondere das Übereinkommen von Paris und die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehören; fordert eine Korrektur des innerstaatlichen Handelsgesetzes, das den Verpflichtungen Moldaus im Rahmen des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens und der WTO-Bestimmungen zuwiderläuft;
56. hebt die positiven Auswirkungen des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens zwischen der EU und Moldau auf den Handel zwischen den beiden Seiten hervor, da zwischen 2015 und 2020 der Gesamthandel um mehr als 33 % gestiegen ist und mehr als 61 % der moldauischen Ausfuhren auf den EU-Markt gingen und mehr als 70 % der moldauischen Unternehmen in den EU-Markt exportiert haben; stellt fest, dass der EU-Binnenmarkt aufgrund der durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine verursachten Handelsstörungen für Moldau zwangsläufig noch an Bedeutung gewinnen wird; begrüßt, dass die Europäische Union der größte Investor in dem Land ist; fordert weitere Fortschritte in Bereichen wie dem Zollkodex, dem Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, der Verbesserung der Gesundheits- und Pflanzenschutznormen, der Verbesserung der Marktbedingungen in den Bereichen Energie, Vergabe öffentlicher Aufträge und Zugang zu Finanzierung für KMU;
57. betont, dass die Ausfuhren von Moldau durch eine Ausweitung der Produktion, eine Neugewichtung der Prioritäten bei den Ausfuhren und die Anpassung der Qualitätsstandards zunehmen könnten; weist erneut darauf hin, dass die wichtigsten Kategorien von Waren für die Ausfuhr nach wie vor tierische und pflanzliche Erzeugnisse sind, bei denen es sich um die am wenigsten rentablen Erzeugnisse handelt, die Moldau den Mitgliedstaaten anbieten kann; fordert die Kommission auf, Moldau bei der Diversifizierung ihrer Ausfuhren in die EU zu unterstützen, unter anderem durch eine bessere Erfüllung ihrer Zollkontingente für besonders gewinnträchtige Erzeugnisse;
58. fordert die Kommission auf, den Prozess der Integration der Länder der Östlichen Partnerschaft in den europäischen Binnenmarkt einzuleiten, indem sie als ersten Schritt die Angleichung ihrer Rechtsvorschriften aus rechtlicher, wirtschaftlicher und technischer Sicht analysiert und Vorschriften und Standards zur Vorbereitung der Partnerländer auf die wirtschaftliche Integration in einen gemeinsamen Markt entwickelt;
59. weist darauf hin, dass China zunehmend daran interessiert ist, in die moldauische Wirtschaft zu investieren, unter anderem in den Bereichen Energie, Telekommunikation und Arzneimittel; erinnert an die Absicht Chinas, als Bestandteil seiner umfassenderen Initiative der „neuen Seidenstraße“ umfangreiche Verkehrsinfrastrukturen in Moldau aufzubauen; weist erneut darauf hin, dass die Initiative der „neuen Seidenstraße“ im Mittelpunkt der chinesischen Außenpolitik steht und per se ein geopolitisches Unterfangen ist;
60. hebt die von der moldauischen Regierung bereits eingeleiteten demokratischen Reformen lobend hervor; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, verstärkte Investitionen der EU in Moldau auf der Grundlage des Grundsatzes „mehr für mehr“ bereitzustellen und zu fördern und Moldau dazu anzuhalten, die Initiative zu ergreifen und sich an die EU und die europäischen Finanzinstitute zu wenden;
61. fordert dazu auf, den Aufbau einer wahrhaftigen digitalen Marktwirtschaft weiter voranzutreiben, einschließlich der Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung im Bereich offene Daten, der Ausweitung des Zugangs zu Zugangsberechtigungssystemen für digitales Fernsehen und Dienste für virtuelle Netze und der Erweiterung der Anzahl elektronischer Kommunikationsdienste für die Bürger und öffentlicher Register; unterstützt den Prozess der Digitalisierung wirtschaftlicher Prozesse und die Entwicklung spezieller Mechanismen für IT-Unternehmen, insbesondere für innovative bestehende und neu gegründete Unternehmen, die Probleme bei der Suche nach Finanzierungsquellen haben und dadurch ihren Übergangs- und Wachstumsprozess nicht unterstützen können; betont, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, um den Schutz der Rechte und Bedürfnisse der moldauischen Internetnutzer sicherzustellen und die Anforderungen des digitalen Binnenmarkts voll und ganz zu erfüllen;
62. begrüßt die im Rahmen des Assoziierungsabkommens bzw. des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens vorgesehene Angleichung von 499 (davon 152 nur teilweise) der 681 Teile des Besitzstands der EU an die Rechtsvorschriften Moldaus und unterstreicht die Bedeutung kontinuierlicher Reformen in der öffentlichen Verwaltung, im Bankensystem und bei der Wahrung Unabhängigkeit der Justiz; fordert Moldau auf, die Angleichung der Rechtsvorschriften an den Besitzstand der EU fortzusetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Institutionen und die öffentliche Verwaltung von Moldau mit dem erforderlichen Fachwissen sowie dem entsprechenden technischen und finanziellen Rückhalt zu unterstützen; fordert die moldauischen Behörden auf, die Annäherung an das Assoziierungsabkommen bzw. an die vertiefte und umfassende Freihandelszone zu beschleunigen;
63. spricht sich für eine Angleichung der nationalen Qualitätsstandards an die der EU aus; betont, dass die zahlreichen unterschiedlichen Normen, die sie für Ausfuhren in die Mitgliedstaaten erfüllen müssen, einen Nachteil für moldauische Unternehmer und Unternehmen darstellt, und betont, dass eine Politik verfolgt werden muss, bei der Normen ausgeschlossen werden, die nicht im Einklang mit den europäischen Normen stehen oder in direktem Widerspruch zu europäischen Normen stehen;
64. ist der Ansicht, dass die vertiefte und umfassende Freihandelszone durch die Gewährleistung des zollfreien Zugangs zu den EU-Märkten für transnistrische Unternehmen, die am Westufer des Dnister registriert sind und zollrechtlichen Überprüfungen durch moldauische Beamte unterzogen wurden, zu einem massiven Richtungswechsel im Bereich des Handels von der Eurasischen Wirtschaftsunion zur EU geführt hat; bestärkt die moldauischen staatlichen Stellen darin, den Handel mit und die Beziehungen zu den EU-Märkten weiter auszubauen, um den Marktzugang, die Transparenz und die gute Geschäftspraxis zu fördern und die Möglichkeiten der Marktmanipulation und Monopolisierung für Oligarchen einzuschränken;
65. begrüßt die Unterstützung der EU für die wirtschaftliche Erholung von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU); fordert die zuständigen Institutionen der EU und von Moldau auf, dafür zu sorgen, dass diese technische und finanzielle Unterstützung auf die Bedürfnisse moldauischer KKMU zugeschnitten ist, im ganzen Land (einschließlich der Region Transnistrien) verfügbar ist und dass dadurch die Kapazitäten von KKMU und ihre Teilnahme am EU-Binnenmarkt gestärkt werden;
66. begrüßt die neuen Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge, betont jedoch, dass die Vergabeverfahren öffentlich überwacht werden müssen und dass es wichtig ist, dass der Öffentlichkeit klarere und kontinuierliche Bericht zur Verfügung gestellt werden; spricht sich für eine Vereinfachung der Mechanismen aus, mit denen Vertreter der Zivilgesellschaft in Vergabeverfahren eingebunden werden können, und betont, dass bürokratische Verfahren durch transparente Verfahren ersetzt werden müssen, mit denen Hindernisse beseitigt werden und das Vertrauen in die Zuweisung und Verwendung öffentlicher Mittel wiederhergestellt wird;
67. begrüßt die Zusage Moldaus, weiterhin an der Angleichung an die EU-Agrarvorschriften zu arbeiten, um die Ausfuhren in die EU zu steigern und ihren lokalen Gemeinschaften neue wirtschaftliche Möglichkeiten zu eröffnen; fordert die moldauischen Behörden auf, die Annäherung an das Assoziierungsabkommen bzw. an die vertiefte und umfassende Freihandelszone in Bezug auf Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit zu beschleunigen;
68. betont, wie wichtig es ist, die nationalen Laboratorien, die für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Anforderungen zuständig sind, zu modernisieren, die Ausfuhr von Erzeugnissen tierischen Ursprungs zu ermöglichen und dem Mangel an qualifiziertem Laborpersonal zu beheben;
69. betont, dass größere Transparenz hinsichtlich der Ergebnisse der Audits der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Kommission erforderlich ist, und hebt hervor, dass das Netz der Laboratorien für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Analysen ausgebaut und gestärkt werden muss und dass gleichzeitig die Ausbildung der in diesen Laboratorien tätigen Inspektoren und Spezialisten zwecks einer besseren Umsetzung der Vorschriften im Bereich Pflanzengesundheit und Lebensmittelsicherheit intensiviert werden muss;
70. fordert Moldau auf, die präferenziellen Exportmöglichkeiten in die EU durch eine effizientere und nachhaltigere Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen sowie einen demokratischeren Zugang zu und eine demokratischere Nutzung von Land in vollem Umfang zu nutzen und so landwirtschaftliche Erzeugnisse zu erzeugen, durch die die relativen landwirtschaftlichen Vorteile Moldaus verstärkt werden;
71. fordert Moldau nachdrücklich auf, seine Infrastrukturzusammenarbeit mit der EU und den Ländern in der Region zu verstärken und tiefgreifende Strukturreformen in der Energiebranche durchzuführen, unter anderem im Wege der Diversifizierung der Energieversorgung, der Steigerung der Energieeffizienz, der Anziehung von Investitionen in erneuerbare Energien und der Verbesserung der Konnektivität bei gleichzeitiger Sicherstellung der ökologischen Nachhaltigkeit; fordert Moldau auf, ihren Verpflichtungen im Rahmen des Vertrags zur Gründung der Energiegemeinschaft in vollem Umfang nachzukommen;
72. fordert die EU-Organe auf, Moldau konkret zu unterstützen, damit das Land alle Voraussetzungen für den Beitritt zum einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum erfüllen kann;
73. fordert die moldauische Regierung auf, auch die soziale Dimension des Handels und der nachhaltigen Entwicklung in den Mittelpunkt zu rücken, indem die Arbeitsnormen eingehalten und durchgesetzt, alle Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ratifiziert und vollständig umgesetzt und die noch bestehenden Mängel im Arbeitsaufsichtssystem behoben werden;
74. nimmt zur Kenntnis, dass Moldau bei seinen Diversifizierungsbemühungen auf Biomasse und Wasserkraft zurückgreift, weist jedoch darauf hin, dass bei diesen Bemühungen Nachhaltigkeit, Effizienz und die Erfüllung der entsprechenden Umweltanforderungen sichergestellt werden müssen; betont, dass die Erschließung erneuerbarer Energiequellen ein wesentlicher Bestandteil der Bemühungen sowohl um den Übergang zu sauberer Energie als auch um die Unabhängigkeit der Energieversorgung ist und gleichzeitig auch zur Schaffung lokaler Arbeitsplätze, zur Verbesserung der Luftqualität und zur Gesundheit der Bürger beiträgt;
75. betont, dass die regionale Zusammenarbeit eine wichtige Rolle bei der Modernisierung des Landes und beim Ausbau der Kapazitäten für die Umsetzung des Assoziierungsabkommens spielt; fordert eine Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit sowohl zwischen den verschiedenen Regionen von Moldau als auch zwischen den moldauischen Regionen und den Regionen der EU; fordert die Kommission und die entsprechenden EU-Agenturen auf, diesen Prozess in enger Zusammenarbeit mit der moldauischen Regierung zu erleichtern;
76. begrüßt die Billigung der nationalen Strategie für regionale Entwicklung für die Jahre 2022–2028 und fordert eine Verwaltungs- und Territorialreform mit Schwerpunkt auf der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der nachhaltigen Entwicklung; unterstreicht die Notwendigkeit eines ausgewogenen sozialen und wirtschaftlichen Wachstums in allen Regionen von Moldau und einer effizienten Umsetzung der nationalen Maßnahmen zur regionalen Entwicklung;
77. fordert die staatlichen Stellen von Moldau auf, die Grundsätze der lokalen Demokratie und der lokalen Autonomie im Einklang mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zu wahren, indem sie die lokalen Gebietskörperschaften mit angemessenen Kompetenzen ausstatten und mit ausreichenden Finanzmitteln versehen und ihr wirksames Funktionieren sicherstellen, unter anderem durch weitere Verbesserungen bei der Rechtsstaatlichkeit und der Umsetzung der Grundsätze der verantwortungsvollen Staatsführung auf allen Ebenen;
78. fordert die moldauischen staatlichen Stellen auf, sich stärker darum zu bemühen, dass die lokale Ebene, auch in abgelegenen Teilen des Landes und insbesondere in ländlichen Gebieten, Zugang zu den Möglichkeiten des Assoziierungsabkommens bzw. des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens sowie zur Unterstützung und zu den Programmen der EU hat, damit die Bewohner positive Veränderungen bewirken können; fordert eine stärkere und besser kommunizierte Unterstützung der EU für Entwicklungsprojekte in dem autonomen Gebiet Gagausien;
Branchenspezifische Zusammenarbeit
79. begrüßt die Assoziierung Moldaus mit Horizont Europa, dem EU-Programm für Forschung und Innovation für den Zeitraum 2021–2027, die der Wissenschafts- und Innovationsgemeinschaft im Land neue Möglichkeiten eröffnet, um Partnerschaften mit ihren Kollegen in der EU zu schmieden sowie die Teilnahme Moldaus am Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ zu ermöglichen;
80. fordert eine bessere Zusammenarbeit zwischen allen EU-Organen, den Mitgliedstaaten und den staatlichen Stellen Moldaus bei der Vermittlung der Vorteile des Assoziierungsabkommens, der vertieften und umfassenden Freihandelszone und der EU-Hilfe für die moldauischen Bürger; betont, wie wichtig ein institutioneller Rahmen und eine kohärente öffentliche Politik zur Bekämpfung von Desinformation sind, zu der auch gegen die EU gerichtete Desinformation, die Manipulation von Informationen, gezielte Falschmeldungen und Propaganda sowie jegliche bösartige ausländische Einmischung gehören, und zwar insbesondere durch strategische Kommunikation und eine Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen Desinformation und Informationsmanipulation durch in- und ausländische Akteure; fordert die moldauischen staatlichen Stellen und die Kommission auf, bei Programmen und Reformen zur Förderung der Medien- und Informationskompetenz im digitalen Zeitalter zusammenzuarbeiten, um dem die branchenübergreifende Zusammenarbeit in der digitalen Wirtschaft zu verbessern;
81. bekräftigt, dass die Stärkung des Medienpluralismus und der Unabhängigkeit der Medien sowohl für die EU als auch für Moldau Priorität haben sollte; fordert die Kommission auf, ihre Unterstützung für die unabhängigen Medien, auch außerhalb der Hauptstadt, und die Bemühungen, den Bürgern Moldaus in allen Teilen des Landes glaubwürdige Informationen zur Verfügung zu stellen, zu verstärken; fordert den Europäischen Fonds für Demokratie auf, entsprechende Maßnahmen weiter zu unterstützen;
82. fordert Moldau nachdrücklich auf, freie und unabhängige Medien weiter zu unterstützen, indem sie sich im Rahmen eines nationalen Entwicklungsprogramms für die Medien mit der Konzentration der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, der Monopolisierung des Werbemarktes, der mangelnden redaktionellen Unabhängigkeit, der Gängelung der Medien durch wirtschaftliche und politische Gruppen, den Hindernissen beim Zugang zu Informationen sowie mit den Angriffen auf Journalisten und deren Einschüchterung befasst;
83. fordert die Kommission auf, die Medienbranche in Moldau genau zu überwachen; hofft, dass der umstrukturierte Rundfunkrat seine Aufgaben als unabhängige Medienaufsichtsbehörde wirksam wahrnehmen und die seit Langem bestehenden Defizite in der Medienlandschaft einschließlich der Frage der politischen Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt beheben wird; weist erneut darauf hin, wie wichtig es ist, die vollständige Umsetzung des Gesetzes über audiovisuelle Mediendienste sicherzustellen;
Institutionelle Bestimmungen
84. begrüßt die am 29. November 2021 erfolgte Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Parlament von Moldau über einen gemeinsamen Rahmen für die parlamentarische Demokratieförderung, sodass Möglichkeiten zur Stärkung der institutionellen Kapazität und dadurch der parlamentarischen Demokratie in Moldau durch engere institutionelle Beziehungen auf bilateraler Ebene eröffnet werden;
85. fordert das Parlament von Moldau auf, die gesamte Palette der möglichen Aktivitäten zur Demokratieförderung, darunter ein Jean-Monnet-Dialog und ein Simone-Veil-Programm, auf der Grundlage eines gemeinsam vereinbarten Fahrplans umzusetzen;
86. weist auf die wichtige Rolle des Parlamentarischen Assoziationsausschusses EU-Republik Moldau und der Parlamentarischen Versammlung EURO-NEST bei der Förderung des Austauschs von Erfahrungen und bewährten Verfahren mit den moldauischen Parlamentariern hin; fordert, dass die strukturelle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Europäischen Parlaments und den Mitgliedern des Parlaments von Moldau vertieft wird, um gemeinsam Reformen zu unterstützen und deren Umsetzung zu überwachen;
87. bekräftigt seine Unterstützung für die Einbeziehung der Zivilgesellschaft einschließlich der Gewerkschaften in die Entscheidungsprozesse, um die öffentliche Kontrolle über Reformen zu verbessern und deren Transparenz und gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern; hebt den Mehrwert hervor, den Organisationen unterschiedlichster Art zu wichtigen Themen von öffentlichem Interesse in Moldau erbringen; ist besorgt über die relativ begrenzte Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Stellen und der Zivilgesellschaft, obwohl es eine Strategie und einen Aktionsplan für die Entwicklung der Zivilgesellschaft gibt; ist ferner besorgt über den Rückgang der Zuschüsse für Organisationen der Zivilgesellschaft um 17 %;
88. fordert die EU und Moldau auf, die direkten Kontakte und den Austausch zwischen den Menschen weiter zu verbessern, um in der jeweiligen Bevölkerung durch gemeinsame Projekte, die auf zivilgesellschaftlicher Ebene entwickelt werden, ein für beide Seiten positives Bild zu gewinnen, unter anderem durch die Unterstützung junger Studenten und Fachkräfte bei der Teilnahme an Bildungs- und Ausbildungsprogrammen der EU wie Erasmus+; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit zu prüfen, bestimmte EU-Programme auf die Bürger von Moldau und anderer Länder der Östlichen Partnerschaft auszuweiten; betont, dass man durch die Ausweitung der Programme wie DiscoverEU auf Moldau die proeuropäische Stimmung in dem Land weiter stärken könnte;
Soziale Rechte
89. stellt fest, dass Unterbeschäftigung und prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Moldau nach wie vor weit verbreitet sind und dass die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter anfällig für wirtschaftliche Schocks ist; fordert die Annahme einer Strategie zur wirtschaftlichen Erholung hin, die den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht wird und den ökologischen Wandel und die nachhaltige Entwicklung umfasst;
90. ist besorgt über die massive Abwanderung moldauischer Bürger, wodurch negative demografische Trends noch verstärkt werden und was eine ernsthafte Bedrohung für die Zukunft des Landes darstellt; bestärkt die moldauische Regierung darin, weitere Maßnahmen zur Verhinderung und Lösung dieses Problems zu ergreifen, insbesondere durch die Schaffung von Chancen und die Verbesserung der Bedingungen für und Gehälter von jungen Arbeitnehmern;
91. fordert die Regierung auf, den Forderungen des moldauischen Bürgerbeauftragten nach Verbesserungen in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung, das Recht auf Arbeit, die Freizügigkeit und die Meinungsfreiheit größte Aufmerksamkeit zu widmen;
92. fordert die moldauische Regierung auf, das Gesundheitssystem zu stärken, das Problem der fehlenden Fachkräfte anzugehen, wodurch das Gesundheitswesen geschwächt wird, und die Hygienestandards, insbesondere in Krankenhäusern, zu verbessern; fordert die Kommission, die EU-Mitgliedstaaten und Moldau mit Nachdruck auf, die Zusammenarbeit im Bereich der Widerstandsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitswesens zu verstärken, bewährte Verfahren auszutauschen und mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um Strategien für Epidemien zu entwickeln, die auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sind;
93. unterstützt eine weitere Zusammenarbeit zwischen Moldau und der EU bei der Bewältigung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen sowie die Verbesserung der langfristigen Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Gesundheit; fordert die moldauischen staatlichen Stellen auf, die Gelegenheit zu ergreifen und COVID-19-Aufbaufonds zu nutzen, um Krankenhäuser zu modernisieren und die Qualität und Zugänglichkeit der medizinischen Versorgung, insbesondere in den Regionen, zu verbessern;
94. begrüßt, dass die Kommission den Beschluss über die Gleichwertigkeit der von Moldau ausgestellten COVID-19-Zertifikate mit dem digitalen COVID-Zertifikat der EU angenommen hat, und fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Anwendung dieses Beschlusses weiterhin sicherzustellen;
95. stellt fest, dass die Mängel im Arbeitsrecht zu missbräuchlichen Praktiken führen, insbesondere zu den in einigen Fällen übermäßig hohen täglichen Arbeitszeiten, zu niedrigen Löhnen und teilweise auch zu nicht dokumentierten Beschäftigungsverhältnissen; ist besorgt über die unvollständige Anwendung der Vorschriften, mit denen solche Praktiken verhindert werden sollen;
96. stellt fest, dass der soziale Dialog in den letzten Jahren eine Verschlechterung erfahren hat und dass dieser während der COVID-19-Pandemie vollständig zum Erliegen gekommen ist; fordert die Regierung auf, für einen echten sozialen Dialog zu sorgen, der zur Einbeziehung aller Sozialpartner in den Prozess der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie führt;
97. begrüßt die Fortschritte Moldaus bei der Deinstitutionalisierung des Kinderbetreuungssystems und die Schritte, die unternommen wurden, um ein neues Kinderschutzprogramm und einen Aktionsplan für den Zeitraum 2022–2026 zu entwickeln;
98. begrüßt die von Moldau eingegangen Verpflichtungen in den Bereichen Umwelt und Klimawandel; fordert Moldau auf, seine Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel weiter zu verstärken, und fordert die Kommission auf, Moldau die Beteiligung am europäischen Grünen Deal zu erleichtern und dafür zu sorgen, dass das vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen nicht im Widerspruch zu den im Grünen Deal festgelegten Umweltzielen und -initiativen steht;
99. unterstützt eine Politik, mit der die Umweltpolitik besser in die verschiedenen Wirtschaftszweige integriert wird, und eine breitere Beteiligung der Bürger an der Ausarbeitung von Umweltschutzmaßnahmen; fordert einen intensiveren Ansatz für Partnerschaften mit der Zivilgesellschaft im Hinblick auf eine besser funktionierende Müllabfuhr und Wiederverwertung sowie eine stärkere Berücksichtigung der Aufforstung, der Verhinderung einer Bodenverschlechterung und der Verbesserung der Wasserqualität;
o o o
100. beauftragt seine Präsidentin, diese Empfehlung dem Rat, der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Präsidentin, der Regierung und dem Parlament der Republik Moldau zu übermitteln.
Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 81 vom 21.3.2001, S. 1).
Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2021
215k
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2021 (2021/2180(INI))
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2, Artikel 4 Absatz 3 sowie die Artikel 5, 6, 7, 11, 19 und 49,
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf die Artikel über die Achtung, den Schutz und die Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in der EU, darunter die Artikel 70, 258, 259, 260, 263, 265 und 267,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: „Charta“),
– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), insbesondere der Entscheidungen in der Rechtssache C-156/21, Ungarn/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union(1) und in der Rechtssache C-157/21, Polen/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union(2)über die Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Juli 2021 mit dem Titel „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2021)0700),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)(3),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten(4),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(5) („Verordnung über den an die Rechtsstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus“),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/692 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung des Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1381/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EU) Nr. 390/2014 des Rates(6),
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Instrumente der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Empfehlungen und Berichte der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung der Vereinten Nationen sowie die Rechtsprechung der Vertragsorgane der Vereinten Nationen und die Sonderverfahren des Menschenrechtsrats,
– unter Hinweis auf die Empfehlungen und Berichte des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten, des Beauftragten für Medienfreiheit und anderer Organe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa,
– unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Europäische Sozialcharta, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte sowie die Übereinkommen, Empfehlungen, Entschließungen, Stellungnahmen und Berichte der Parlamentarischen Versammlung, des Ministerkomitees, der Kommissarin für Menschenrechte, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, des Lenkungsausschusses für Antidiskriminierung, Diversität und Inklusion, der Venedig-Kommission und anderer Organe des Europarats,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Absichtserklärung zwischen dem Europarat und der Europäischen Union vom 23. Mai 2007 und die Schlussfolgerungen des Rates vom 8. Juli 2020 zu den Prioritäten der EU für die Zusammenarbeit mit dem Europarat 2020–2022,
– unter Hinweis auf den begründeten Vorschlag der Kommission vom 20. Dezember 2017 für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen, der gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV vorgelegt wurde (COM(2017)0835),
– unter Hinweis auf den am 18. September 2020 auf den Weg gebrachten EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit“ (COM(2020)0565),
– unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom 9. November 2021 mit dem Titel „Antisemitism: Overview of antisemitic incidents recorded in the European Union 2010-2020“ (Antisemitismus: Überblick über die in der Europäischen Union erfassten antisemitischen Vorfälle 2010-2020),
– unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom 22. September 2021 mit dem Titel „Protecting civic space in the EU“ (Schutz des zivilgesellschaftlichen Raums in der EU) und ihre anderen Berichte, Daten und Instrumente, insbesondere das Europäische Informationssystem für Grundrechte (EFRIS),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. März 2018 zu dem Beschluss der Kommission, im Hinblick auf die Lage in Polen das Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV einzuleiten(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. April 2018 zu der notwendigen Schaffung eines Instruments für europäische Werte zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die die Grundwerte in der Europäischen Union auf lokaler und nationaler Ebene fördern(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2018 zu einem Vorschlag, mit dem der Rat aufgefordert wird, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn besteht(10),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2018 zu der Notwendigkeit eines umfassenden EU-Mechanismus zum Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte(11),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2020 zu den laufenden Anhörungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu Polen und Ungarn(12),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Oktober 2020 zu der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten in Bulgarien(13),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Oktober 2020 zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte(14),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. November 2020 zu den Auswirkungen der COVID-19- Maßnahmen auf die Demokratie, die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit(15),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2020 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union – Jahresbericht für die Jahre 2018 und 2019(16),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Juni 2021 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020(17),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zur Festlegung von Leitlinien für die Anwendung der allgemeinen Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(18),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zu Verstößen gegen das EU-Recht und die Rechte von LGBTIQ-Bürgern in Ungarn infolge der im ungarischen Parlament angenommenen Gesetzesänderungen(19),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. September 2021 zu Rechten von LGBTIQ-Personen in der EU(20),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 2021 zur Medienfreiheit und der weiteren Verschlechterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen(21),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2021 zum Thema: „Europas Medien in der digitalen Dekade: Ein Aktionsplan zur Unterstützung der Erholung und des Wandels“(22),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Oktober 2021 zur Krise im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit in Polen und dem Vorrang des Unionsrechts(23),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. November 2021 zur Stärkung der Demokratie, der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU: in Anbetracht des unrechtmäßigen Rückgriffs auf zivil- und strafrechtliche Verfahren zur Einschüchterung von Journalisten, nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft(24),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. November 2021 zum ersten Jahrestag des De-facto-Abtreibungsverbots in Polen(25),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2021 zu der Bewertung von Präventivmaßnahmen zur Vorbeugung von Korruption, vorschriftswidrigen Ausgaben und der Zweckentfremdung von europäischen und nationalen Mitteln im Falle von Nothilfefonds und krisenbezogenen Ausgabenbereichen(26),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Dezember 2021 zu den Grundrechten und der Rechtsstaatlichkeit in Slowenien, insbesondere die verzögerte Ernennung von Staatsanwälten der EUStA(27),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2022 zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation(28),
– unter Hinweis auf den Sonderbericht 09/2021 des Rechnungshofs vom 3. Juni 2021 mit dem Titel „Desinformation und ihre Auswirkungen auf die EU: Problem erkannt, aber nicht gebannt“,
– unter Hinweis auf den Sonderbericht 01/2022 des Rechnungshofs vom 10. Januar 2022 mit dem Titel „EU-Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit in den Staaten des westlichen Balkans: trotz Bemühungen bestehen weiterhin grundlegende Probleme“,
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Haushaltskontrollausschusses, des Rechtsausschusses, des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für konstitutionelle Fragen und des Petitionsausschusses,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0139/2022),
A. in der Erwägung, dass sich die Union auf die in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, gründet, die den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam sind und zu denen sich die Bewerberländer im Rahmen der Kopenhagener Kriterien bekennen müssen, um der Union beitreten zu können, und die nach dem Beitritt nicht missachtet oder neu ausgelegt werden dürfen; in der Erwägung, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte einander verstärkende Werte sind, deren etwaige Aushöhlung eine systemische Bedrohung für die Union und die Rechte und Freiheiten ihrer Bürgerinnen und Bürger darstellen könnte; in der Erwägung, dass die Achtung der Rechtsstaatlichkeit für die Union als Ganzes und ihre Mitgliedstaaten auf allen Verwaltungsebenen, einschließlich subnationaler Einheiten, verbindlich ist;
B. in der Erwägung, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Artikel 4 Absatz 3 des EUV die Europäische Union und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei der Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen ergeben, im vollen gegenseitigen Respekt einander zu unterstützen, und die Mitgliedstaaten dazu, alle angemessenen Maßnahmen im Allgemeinen oder im Besonderen zu ergreifen, um die Erfüllung der Verpflichtungen sicherzustellen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben;
C. in der Erwägung, dass der jährliche Zyklus zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit eine willkommene Ergänzung der Instrumente ist, die zur Bewahrung der Werte nach Artikel 2 EUV zur Verfügung stehen, da in einem Bericht die Lage in allen EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage von vier Pfeilern beleuchtet wird, die sich unmittelbar auf die Achtung der Rechtsstaatlichkeit auswirken;
D. in der Erwägung, dass es ohne konkrete Empfehlungen und wirksame Folgemaßnahmen unter Umständen nicht möglich ist, anhand des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit systemische Herausforderungen und Rückschritte in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit, wie sie in den vergangenen Jahren in mehreren EU-Mitgliedstaaten zu beobachten waren, wirksam und rechtzeitig aufzudecken und anzugehen;
E. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten Sofortmaßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie ergriffen haben; in Erwägung, dass diese Maßnahmen die Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einhalten mussten, um rechtmäßig zu sein, wenn durch die Maßnahmen Grundrechte oder Grundfreiheiten eingeschränkt wurden; in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten ein negativer Trend in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit zu beobachten ist, da die Regierungen die außerordentlichen Maßnahmen als Vorwand genutzt haben, um das demokratische System von Kontrolle und Gegenkontrolle zu schwächen;
F. in Erwägung, dass es erforderlich ist, die bestehenden Mechanismen zu stärken und zu modernisieren und einen gemeinsamen und umfassenden EU-Mechanismus zu entwickeln, um die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte wirksam zu schützen und sicherzustellen, dass die im Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union verankerten Werte in der gesamten EU ebenso wie in den Mitgliedstaaten aufrechterhalten werden, wenngleich mit unterschiedlichen Überwachungssystemen, so dass die Mitgliedstaaten davon abgehalten werden, innerstaatliches Recht zu sprechen, das dem in Artikel 2 EUV verankerten Schutz entgegenläuft;
G. in der Erwägung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung, Information und öffentliche Beteiligung zu den Grundpfeilern der Demokratie gehört;
H. in der Erwägung, dass der Sachverständigenausschuss des Europarates zur Bekämpfung von Hetze einen Entwurf für eine Empfehlung des Ministerkomitees zu Hetze ausgearbeitet hat, der unverbindliche Leitlinien für den Umgang mit diesem Phänomen bietet und deren Verabschiedung im Jahr 2022 derzeit noch aussteht(29); in der Erwägung, dass der neu eingesetzte Sachverständigenausschuss zur Bekämpfung von Hasskriminalität damit beauftragt ist, bis Ende 2023 einen Entwurf für eine Empfehlung des Ministerkomitees zu Hasskriminalität auszuarbeiten;
I. in der Erwägung, dass das Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ die unmittelbare und flexible Unterstützung der Akteure der Zivilgesellschaft vorsieht, die die im Artikel 2 EUV verankerten Werte auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene fördern und schützen;
Der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021: allgemeine Erwägungen
1. begrüßt den zweiten Jahresbericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit; nimmt zur Kenntnis, dass das Parlament diesen Jahresbericht regelmäßig als Informationsquelle und Beitrag zur Erörterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat nutzt; bedauert, dass die Kommission die Empfehlungen, die das Parlament in seiner Entschließung vom 24. Juni 2021 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020 ausgesprochen hat, nicht vollständig umgesetzt hat, insbesondere im Hinblick auf die Ausweitung des Umfangs ihrer Berichterstattung auf alle in Artikel 2 EUV verankerten Werte, die Unterscheidung zwischen systemischen und individuellen Verstößen sowie eine eingehendere und transparentere Bewertung, einschließlich der Ergreifung von Maßnahmen als Reaktion auf Verstöße; ist der Ansicht, dass diese Empfehlungen nach wie vor Bestand haben, und bekräftigt sie;
2. begrüßt, dass die Funktionsweise der Justizsysteme, der Rahmen für die Korruptionsbekämpfung, der Medienpluralismus und bestimmte institutionelle Aspekte in Zusammenhang mit dem System der gegenseitigen Kontrolle, einschließlich in gewissem Umfang des zivilgesellschaftlichen Raums, Teil des Jahresberichts der Kommission sind; bedauert jedoch, dass im Bericht 2021 nicht alle Fragen der Rechtsstaatlichkeit ausreichend detailliert oder umfassend behandelt wurden; schlägt vor, dass die Kommission Fragen der Rechtsstaatlichkeit in jeder Säule aus dem Blickwinkel aller in Artikel 2 EUV verankerten Werten und der Grundrechte, wie sie in der Charta beschrieben sind, analysiert; fordert, dass weitere wichtige Punkte des von der Venedig-Kommission erstellten Verzeichnisses der Kriterien zur Bewertung der Rechtsstaatlichkeit aus dem Jahr 2016 in den Jahresbericht aufgenommen werden, wie etwa die Verhinderung von Missbrauch der Amtsgewalt, die Gleichheit vor dem Gesetz und die Nichtdiskriminierung sowie der Zugang zur Justiz, einschließlich der Aspekte des Rechts auf ein faires Verfahren; bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission, eine Bewertung der Haftbedingungen in künftige Berichte aufzunehmen;
3. nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass der Bericht länderspezifische Kapitel enthält; würdigt die Bemühungen der Kommission, mit nationalen Regierungen, nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament sowie der Zivilgesellschaft und anderen nationalen Akteuren zusammenzuarbeiten; fordert die Mitgliedstaaten auf, proaktiv mit der Kommission zusammenzuarbeiten und ihre Aufforderungen zur öffentlichen Stellungnahme öffentlich zu machen, damit unabhängige Experten und Gruppen der Zivilgesellschaft die Fakten prüfen und darauf reagieren können, um eine vollständige Transparenz sicherzustellen; fordert die Kommission auf, die Analyse weiter zu vertiefen, und dafür angemessene Ressourcen bereitzustellen, einschließlich des Personals, damit sich ein breites und vielfältiges Spektrum von Interessengruppen erreichen lässt; ist der Auffassung, dass den Länderbesuchen der Kommission mehr Zeit gewidmet und mehr Bedeutung beigemessen und insbesondere mehr Zeit vor Ort verbracht werden sollte; fordert die Kommission auf, die Öffentlichkeit stärker für diese Besuche zu sensibilisieren, um die Kultur der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler Ebene zu fördern; begrüßt die Besuche der Kommission bei den nationalen Parlamenten, um die Ergebnisse des Berichts vorzustellen;
Methodik
4. betont die Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten nach den gleichen Indikatoren und der gleichen Methodik überprüft werden, ohne dass irgendein Mitgliedstaat diskriminiert wird; fordert die Kommission auf, ihre Indikatoren zur Bewertung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten näher zu erläutern; fordert die Kommission auf, jedes Jahr im September eine Woche der EU-Werte einzurichten, in welcher der Bericht gleichzeitig und in besserer Abstimmung mit dem EU-Justizbarometer, dem von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte herausgegebenen Bericht über die Grundrechte und dem Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten vorgelegt wird; ist der Auffassung, dass der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit derzeit zur Beschreibung der Situation in den Mitgliedstaaten dient, jedoch ein analytisches und vorschreibendes Instrument sein sollte, um seinem vorbeugenden und entschärfenden Zweck gerecht zu werden; betont, dass eine gründliche Analyse des Sachstands in den Mitgliedstaaten eine Gesamtanalyse und Bewertung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten erfordert; betont, dass die Gefahr einer Bagatellisierung der schwerwiegendsten Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit besteht, wenn Mängel oder Verstöße unterschiedlicher Art oder Intensität aufgeführt werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, in ihrer Berichterstattung auf eine Differenzierung zu achten und dazu klarer und verständlicher zwischen systemischen und absichtlichen Verstößen und vereinzelten Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu unterscheiden;
5. bedauert, dass es im Bericht nicht gelingt, die absichtlichen Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit in Ländern deutlich zu erkennen, in denen zurzeit Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union laufen, insbesondere Polen und Ungarn, und Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit in eine Reihe von Mitgliedstaaten zu erkennen; fordert die Kommission auf, deutlich zu machen, dass die Mitgliedstaaten unter Umständen keinem der Kriterien gerecht werden, die eine Demokratie ausmachen, und zu autoritären Regimes werden könnten, wenn die Werte nach Artikel 2 EUV über einen längeren Zeitraum hinweg systematisch, vorsätzlich, schwerwiegend und dauerhaft verletzt werden;
6. bedauert, dass mehrere Mitgliedstaaten, insbesondere Ungarn und Polen, von der Kommission im Synthesebericht mehrmals als Länder, die Anlass zur Besorgnis geben, erwähnt werden mussten und dass seit der Veröffentlichung des Berichts keine greifbaren Verbesserungen erzielt wurden; weist darauf hin, dass sich das Parlament seit Juni 2021 auch in seinen Entschließungen des Plenums mit der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, Polen und Slowenien befasst hat; weist ferner darauf hin, dass sich die vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres eingesetzte Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte sowie der Haushaltskontrollausschuss mit Problemen in mehreren verschiedenen Mitgliedstaaten befasst haben; betont, dass nach mehreren Reisen von Ad-hoc-Delegationen in einige dieser Mitgliedstaaten klar geworden ist, dass die Lage in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte in diesen Mitgliedstaaten weit schlechter ist als von der Kommission in ihrem Bericht beschrieben; ist der Ansicht, dass die Kommission zur besseren Ermittlung diesbezüglich Rückschritte verzeichnender Länder eine ausführlichere Bewertung dieser Elemente in allen Länderkapiteln vornehmen sollte;
7. fordert die Kommission auf, jedes Länderkapitel mit einer Bewertung der Leistung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die einzelnen Säulen des Berichts abzuschließen und dabei anzugeben, inwieweit die Voraussetzungen der Konditionalitätsverordnung erfüllt wurden; fordert daher die Kommission auf, neben der qualitativen Bewertung einen Rechtsstaatlichkeitsindex für die verschiedenen Säulen auf der Grundlage eines objektiven, barrierefreien, transparenten, lesbaren und diskriminierungsfreien Systems zur Präsentation und Vergleichsanalyse zu entwickeln, die von unabhängigen Experten durchgeführt wird und den Grad der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten anzeigt;
8. ist der Auffassung, dass in dem Jahresbericht bereichsübergreifende Trends, einschließlich möglicher systemischer Schwachstellen, auf Unionsebene aufgezeigt werden sollten; fordert die Kommission auf, Fälle zu ermitteln, in denen Maßnahmen oder Vorgehensweisen, welche die Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat untergraben, als Blaupausen für andere genutzt werden oder drohen, genutzt zu werden; hebt hervor, dass in einigen Mitgliedstaaten die Rechte von Minderheiten absichtlich ins Visier genommen wurden, wodurch an anderer Stelle eine Dynamik geschaffen und verstetigt wurde, was durch Rückschritte bei den Rechten von Frauen und LGBTIQ-Personen und anderen Minderheiten belegt werden kann; fordert darüber hinaus die Kommission auf, die negativen Auswirkungen hervorzuheben, die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit auf die Union insgesamt haben können;
9. ist der Auffassung, dass der Bericht über jährliche Momentaufnahmen hinausgehen und einen entwicklungsorientierten und dynamischen Überblick über die Achtung der bzw. die Rückschritte in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in den Justizsystemen aller Mitgliedstaaten vermitteln sollte; begrüßt die Bemühungen, im Bericht 2021 die derzeitige Lage mit der im Bericht 2020 beschriebenen Lage zu vergleichen; hält es für notwendig, eindeutig positive und negative Trends in Bezug auf die Lage der Rechtsstaatlichkeit zu ermitteln und eine Analyse der Gründe dafür vorzulegen;
10. ist der Ansicht, dass ein neues, gesondertes Kapitel über die Organe der Europäischen Union wünschenswert wäre, in dem die Lage im Hinblick auf die Gewaltenteilung, die Rechenschaftspflicht und das System von Kontrolle und Gegenkontrolle bewertet wird;
Bewertung und Empfehlungen
11. ist der Ansicht, dass der Bericht 2021 eindeutigere Bewertungen hätten enthalten können, in denen für jede der in den Länderkapiteln analysierten Säulen angegeben wird, ob Mängel, das Risiko eines schwerwiegenden Verstoßes oder ein tatsächlicher Verstoß gegen die Werte nach Artikel 2 EUV vorlagen; fordert die Kommission auf, in den Bericht eine Bewertung aller im Vorjahr umgesetzten Maßnahmen zur Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen und dem Bericht eine Analyse ihrer Wirksamkeit und mögliche Verbesserungsvorschläge beizufügen; fordert eine stärker integrierte Analyse der Zusammenhänge zwischen den vier Säulen und der Frage, wie mehrere Mängel zusammengenommen zu Verstößen oder zur Gefahr von Verstößen gegen die Werte des Artikels 2 EUV führen können; bekräftigt, dass direkt und unzweideutig formuliert werden muss und die gemäß dem Standpunkt der Kommission auf der Hand liegenden Probleme klar benannt werden müssen;
12. begrüßt die Absicht der Kommission, in den Bericht 2022 länderspezifische Empfehlungen aufzunehmen; fordert die Kommission auf, zu diesen Empfehlungen Fristen für die Umsetzung, Zielvorgaben und zu ergreifende konkrete Maßnahmen vorzugeben; fordert die Kommission auf, in künftige Berichte Informationen über den Fortschritt bei der Umsetzung ihrer Empfehlungen aufzunehmen und diese zum Bestandteil des strukturierten Dialogs mit dem Parlament während des gesamten Jahres zu machen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass sich ihre jährlichen Berichte auch auf alle einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen für das Europäische Semester konzentrieren, insbesondere auf diejenigen, die mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Staatsanwaltschaft sowie mit der Bekämpfung von Korruption und der Sicherstellung von Transparenz und Integrität zusammenhängen;
13. empfiehlt, dass die Kommission zu jeder ihrer Empfehlungen eine nicht erschöpfende Liste von Instrumenten angibt, deren Nutzung durch die EU-Organe angezeigt ist, wenn die Mängel nicht behoben werden; fordert die Kommission auf, ohne zu zögern auf diese Instrumente zurückzugreifen, insbesondere wenn nicht darauf vertraut wird, dass diese Empfehlungen rasch umgesetzt werden, oder die Gefahr einer weiteren Verschlechterung besteht, ohne den nächsten jährlichen Berichterstattungszyklus abzuwarten;
Tätigkeitsbereich
14. bedauert, dass sowohl in dem Bericht 2020 als auch in dem Bericht 2021 die in Artikel 2 EUV verankerten Werte der Demokratie und der Grundrechte nicht in vollem Umfang behandelt werden, denn diese Werte sind unmittelbar betroffen, wenn Länder mit dem Rückbau der Rechtsstaatlichkeit beginnen; weist erneut auf den engen Zusammenhang zwischen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten hin;
Justizsysteme
15. betont, dass die Rechenschaftspflicht von Richtern und Staatsanwälten, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und der Gerichte und die Vollstreckungsgewalt wesentliche Bestandteile der Rechtsstaatlichkeit sind; bedauert die schwerwiegenden und strukturellen Probleme in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz in einigen Mitgliedstaaten; bekräftigt, dass die Organe der Rechtspflege eine zentrale Rolle dabei spielen, für den Schutz der Grundrechte zu sorgen und die Rechtsstaatlichkeit zu stärken; fordert die Mitgliedstaaten auf, Richter und Staatsanwälte vor politischen Angriffen und politischem Druck zu schützen, mit denen versucht wird, ihre Arbeit zu untergraben, und besteht darauf, dass die Mitgliedstaaten bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz Unions- und internationales Recht einhalten; fordert die Kommission auf, konkrete Empfehlungen in ihrem Bericht 2022 aufzunehmen, um die Unabhängigkeit der Justiz in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen, und auch die Unabhängigkeit der Richter und Rechtsanwaltsvereinigungen im Jahresbericht zu berücksichtigen, da sie für ein unabhängiges Rechtssystem unabdingbar sind;
16. weist darauf hin, dass das Unionsrecht Vorrang vor nationalem Recht hat, unabhängig davon, wie die nationalen Justizsysteme organisiert sind; fordert die Kommission auf, die Beschlüsse der nationalen Gerichte zum Vorrang des EU-Rechts vor nationaler Gesetzgebung genau zu überwachen und insbesondere die Unvereinbarkeit bestimmter Artikel des Vertrages mit nationalen Verfassungen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, konkrete, sofortige und angemessene Reaktionen auf Weigerungen sicherzustellen, EuGH-Beschlüsse umzusetzen und zu befolgen, und dem Parlament über die diesbezüglich ergriffenen Maßnahmen Bericht zu erstatten;
17. hebt hervor, dass die Justizräte eine wichtige Rolle bei der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz spielen; weist darauf hin, dass mehrere Mitgliedstaaten seit langem Probleme haben in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Räte für das Justizwesen und die Ernennung von Richtern, die manchmal für unzulässige politische Einflussnahme anfällig sind; bestärkt die Mitgliedstaaten darin, systematisch die Meinung der Venedig-Kommission für den Fall einzuholen, dass beabsichtigt ist, die Zusammensetzung und Funktionsweise dieser Organe anzupassen, und diese Empfehlungen zu überwachen; erachtet es als notwendig, dass die Kommission diese Überwachung im Jahresbericht bewertet;
18. stellt fest, dass die Staatsanwaltschaft ein Kernelement bei der Bekämpfung von Verbrechen, Korruption und des Missbrauchs der Amtsgewalt darstellt; betont, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und einzelner Staatsanwälte gewahrt werden kann und diese nicht unter unrechtmäßigem politischen Druck stehen, insbesondere seitens der Regierung, während gleichzeitig notwendige Voraussetzungen der Rechenschaftspflicht erfüllt sein müssen, um Missbrauch oder Fahrlässigkeit zu vermeiden; bekundet seine uneingeschränkte Solidarität mit allen Opfern von Verbrechen und deren uneingeschränkte Unterstützung;
19. weist darauf hin, dass strategische Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit (SLAPP-Klagen) nicht nur das Recht von deren Opfern auf den effektiven Zugang zur Justiz und damit die Rechtsstaatlichkeit ernsthaft untergraben, sondern darüber hinaus einen Missbrauch der Justizsysteme und der Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten darstellen, insbesondere indem sie die Fähigkeit der Mitgliedstaaten einschränken, die bestehenden Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, wie z. B. die Optimierung der Verfahrensdauer und der Qualität der Justizsysteme sowie die Bearbeitung von Rechtssachen und den Abbau des bestehenden Fallrückstands;
Rahmen zur Korruptionsbekämpfung
20. bekräftigt, dass Korruption eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie, die europäischen Finanzmittel und die Rechtsstaatlichkeit darstellt; ist zutiefst besorgt über die zunehmende Korruption und Verschlechterung in einigen Mitgliedstaaten und das anhaltende Auftreten von Korruptionsfällen, in denen hochrangige Beamte und Politiker verwickelt sind, und die Unterwanderung der Wirtschaft und des öffentlichen Sektors durch die organisierte Kriminalität; begrüßt die Informationen, die der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit von 2021 zu diesem Thema enthielt, und fordert in künftigen Berichten eine bessere Klarstellung darüber, ob Mittel der EU betroffen sind;
21. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Politik und Instrumente der Union zur Korruptionsbekämpfung zu aktualisieren und zu erweitern, auch durch die Festlegung einer einheitlichen Definition des Straftatbestands der Korruption und durch die Schaffung gemeinsamer Normen und Maßstäbe und die Sicherstellung ihrer ordnungsgemäßen Um- und Durchsetzung; weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass die Mitgliedstaaten mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) zusammenarbeiten und deren Aufgaben aktiv unterstützen; fordert die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, der EUStA beizutreten; begrüßt, dass die Kommission an fast alle Mitgliedstaaten Aufforderungsschreiben wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie über den Schutz von Hinweisgebern versandt hat(30);
Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, Medienfreiheit und Pluralismus
22. Verweist darauf, dass Medienfreiheit und Pluralismus, einschließlich hochwertiger, nachhaltig und transparent finanzierter und unabhängiger traditioneller und digitaler Nachrichtenmedien, unabhängiger Journalisten, Faktenprüfer und Forscher sowie starker öffentlicher Medien von wesentlicher Bedeutung für die Demokratie, als Garanten gegen den Missbrauch von Amtsgewalt und das beste Mittel gegen Desinformation sind; bekundet seine Besorgnis über die politische Unabhängigkeit der Medien in einigen Mitgliedstaaten, da die redaktionelle Ausrichtung die starke Polarisierung der politischen Szene widerspiegelt;
23. ist alarmiert über die zunehmend feindselige Umgebung, in der Journalisten und Medienakteure in vielen Mitgliedstaaten agieren, insbesondere wenn der Schwerpunkt ihrer Arbeit auf den Missbrauch der Amtsgewalt, auf Korruption, Grundrechtsverstößen und kriminellen Aktivitäten liegt; verweist darauf, dass Journalisten und Medienunternehmen zunehmend Einschüchterung, Drohungen (einschließlich jener auf den sozialen Medien), Tatvorwürfen, körperlichen Angriffe, Gewaltvorfällen und in einigen Mitgliedstaaten Mord ausgesetzt sind; verurteilt die von den Regierungen einiger Mitgliedstaaten verwendeten Unterdrückungsstrategien wie den Einsatz der strategischen Klage gegen öffentliche Beteiligung und Verleumdungskampagnen, ebenso wie die zunehmende staatliche Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Medien, der Zivilgesellschaft und der Hochschulen, die Selbstzensur und eine zunehmende Verschlechterung der Medien- und akademischer Freiheit zur Folge haben; verweist darauf, dass die Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia zum Zeitpunkt ihrer Ermordung mit 47 zivil- und strafrechtlichen Verleumdungsklagen konfrontiert war, von denen viele noch gegen ihre Familie anhängig sind; gibt zu bedenken, dass diese untragbaren Entwicklungen eine abschreckende Wirkung auf die Rede- und Pressefreiheit haben können und nicht als Präzedenzfall sowohl innerhalb der EU als auch für Bewerberländer und mögliche Bewerberländer der EU dienen dürfen;
24. bedauert, dass der Bericht 2021 die Schwere dieser Trends nicht widerspiegelt, insbesondere im Zusammenhang mit staatlichen Kontrollen, strategischen Klagen und Verleumdungskampagnen durch bestimmte Mitgliedstaaten; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die medienbezogenen Kapitel zu verbessern, indem sie eine Bewertung der Effizienz und Wirksamkeit der nationalen Rahmen zum Schutz der Medienfreiheit, des Medienpluralismus und der Transparenz des Medieneigentums, Unionsvorschriften gegen die Anwendung von SLAPP-Klagen einführen, mit denen Mindeststandards festgelegt werden, und einen ehrgeizigen Rechtsrahmen vorzulegen, um der zunehmenden Politisierung der Medien in bestimmten Mitgliedstaaten im bevorstehenden Gesetz über Medienfreiheit entgegenzuwirken; betont, dass der Bericht eine umfassende Bewertung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden für audiovisuelle Mediendienste der Mitgliedstaaten, die nach Unionsrecht von ihren jeweiligen Regierungen unabhängig sein müssen, enthalten sollte; fordert die Kommission auf, eine zusätzliche und flexiblere Finanzierung des unabhängigen investigativen Journalismus in der Union sicherzustellen;
25. betont, wie wichtig redaktionell unabhängige öffentlich-rechtliche Medien für eine hochwertige, unparteiische und freie Berichterstattung über öffentliche Angelegenheiten sind, insbesondere während Wahlen; fordert die Mitgliedstaaten auf, für eine stabile, offene, transparente, nachhaltige und angemessene Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien auf mehrjähriger Basis zu sorgen, um deren Qualität und Unabhängigkeit von staatlichem, politischem, wirtschaftlichem und sonstigem Druck sicherzustellen; bedauert, dass öffentlich-rechtliche Medien aus dem Jahresbericht ausgeklammert werden; fordert die Kommission auf, öffentlich-rechtliche Medien in ihren künftigen Berichten gründlich unter die Lupe zu nehmen;
26. stellt fest, dass Falschmeldungen und die sich daraus ergebende Desinformation, die auf die EU-Bürger abzielt, eine Gefahr für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Union darstellen, da die Verbreitung von Desinformation polarisiert und unsere Demokratie schwächt; begrüßt die Beschreibung des politischen Drucks und der politischen Einflussnahme auf die Medien im Jahresbericht durch die Kommission und fordert die Kommission auf, die systematischen Desinformationskampagnen und die ausländische Einmischung deutlicher zu beschreiben, die darauf abzielen, das öffentliche Vertrauen in staatliche Organe und in die unabhängigen Medien zu verringern; erkennt an, dass globale Online-Plattformen erhebliche disruptive Auswirkungen auf den Mediensektor haben können; betont in diesem Zusammenhang, dass die geltenden Rechtsvorschriften nicht ausreichend ein faires Umfeld im Internet ermöglichen, etwa bei der Bekämpfung von Desinformation und der Rechenschaftspflicht für Algorithmen; ist der Ansicht, dass die Annahme einschlägiger Rechtsvorschriften, insbesondere des Gesetzes über digitale Dienste und des Gesetzes über digitale Märkte, zwar ein Schritt in die richtige Richtung war, aber im Rahmen des Europäischen Gesetzes über die Medienfreiheit noch weitere Schritte unternommen werden müssen, um gerechte Bedingungen angesichts der Digitalisierung des Mediensektors und der Verbreitung von Online-Plattformen zu schaffen;
27. betont, dass die Medienfreiheit eng mit der künstlerischen und akademischen Freiheit zusammenhängt; bedauert, dass die freie Meinungsäußerung, die Kunstfreiheit und die Versammlungsfreiheit in einigen Mitgliedstaaten stark beschnitten und eingeschränkt werden; betont, dass die Unabhängigkeit der Bildungssysteme gefährdet ist, wenn die autonome Organisationsstruktur ihrer Einrichtungen nicht garantiert ist; fordert die Kommission auf, alle Aspekte des Rechts auf freie Meinungsäußerung in ihren Bericht über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen;
Demokratie und das System von Kontrolle und Gegenkontrolle
28. vertritt den Standpunkt, dass der Grundsatz der Gewaltenteilung für ein wirksames Funktionieren des Staates, einschließlich eines wirksamen, unabhängigen, unparteiischen und effizienten Funktionieren der Justizsysteme in der gesamten Union von wesentlicher Bedeutung ist und von den Organen erfordert, von jeglichem Druck auf Richter und Staatsanwälte, insbesondere aus politischen und wirtschaftlichen Kreisen, abzusehen;
29. betont, dass faire und freie Wahlen zu den absoluten Mindeststandards für eine funktionierende Demokratie gehören und dass sämtliche Wahlprozesse in der Union ohne unzulässige Beeinflussung und Unregelmäßigkeiten stattfinden sollten; betont, dass es konkrete Maßnahmen auch im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 EUV ergriffen werden müssen, wenn die OSZE feststellt, dass Wahlen nicht fair und frei stattgefunden haben; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sobald die Gefahr von Wahlmanipulation in einem Mitgliedstaat erkannt wurde, unabhängig davon, ob die Gefahr von staatlichen, ausländischen oder privaten Akteuren ausgeht;
30. weist darauf hin, dass die Ausübung der Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts, in der Öffentlichkeit kritisch zu sein, ein Kernelement einer freien und demokratischen Gesellschaft ist; bringt seine Besorgnis über den schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Raum in verschiedenen Mitgliedstaaten zum Ausdruck, der in der Anwendung von SLAPP-Klagen gegen und der Überwachung von Medien und Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Vertretern der Zivilgesellschaft und Aktivisten und politischen Gegnern zum Ausdruck kommt; begrüßt die Zusage der Kommission, eine Richtlinie gegen missbräuchliche Klagen gegen Journalisten und Verteidiger von Rechten vorzuschlagen, und betont, dass der Anwendungsbereich umfassend genug sein muss, damit er alle Verteidiger von Rechten, einschließlich einzelner Aktivisten, umfasst;
31. betont, dass die unberechtigte Benutzung von Pegasus und gleichwertiger Spähsoftware durch die Mitgliedstaaten gegen Journalisten, Rechtsanwälte, Oppositionspolitiker und andere Personen eine direkte Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte darstellt; fordert die Kommission auf, den Missbrauch von Überwachungsinstrumenten und seine Auswirkungen auf die demokratischen Abläufe in der Union sowie möglicher einschlägiger Verletzungen der in Artikel 2 EUV verankerten Werte und der Charta der Grundrechte zu bewerten;
32. glaubt, dass die Situation des zivilgesellschaftlichen Raums in den Mitgliedstaaten ein separates Kapitel im Bericht und die Schaffung eines „europäischen Index des zivilgesellschaftliches Raums“ verdient, da die Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle bei der Erhaltung einer umfänglich demokratischen und inklusiven Gesellschaft auf der Grundlage der Einhaltung der Menschenrechte spielt und die Zivilgesellschaft in verschiedenen Mitgliedstaaten vor Herausforderungen wie gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, einem beschränkten Zugang zu Mitteln und Verleumdungskampagnen steht;
33. empfiehlt der Kommission, die vierte Säule des Jahresberichts über die „anderen institutionellen Fragen im Zusammenhang mit dem System von Kontrolle und Gegenkontrolle“ zu einer Säule über die Demokratie und das Gewaltenteilungsprinzip zu entwickeln und Elemente zu bewerten wie mögliche Bedrohungen für die demokratischen Prozesse in der Union und den Mitgliedstaaten, einschließlich Wahlfälschungen;
Auswirkungen der COVID-19-Maßnahmen auf die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte
34. verweist auf die starken Auswirkungen der Maßnahmen in Bezug auf die COVID-19-Pandemie, einschließlich der Notfallregelungen und Gesetzesdekrete zur Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten in der Union, insbesondere in den Bereichen Justiz, Medienfreiheit und Korruptionsbekämpfung;
35. bedauert das Wesen und den übermäßigen Gebrauch von Notfallmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie, gepaart mit der Ex-post-Kontrolle solcher Maßnahmen durch einige nationalen Parlamente, und sogar die Schließung der Parlamente in zahlreichen Mitgliedstaaten, was die Macht der Regierungen gestärkt und zu einem Mangel an Rechenschaftspflicht und Transparenz der Exekutive geführt hat;
36. weist darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie negative Auswirkungen sowohl auf den Zugang zur Justiz als auch auf die Effizienz der nationalen Gerichte hatte, einschließlich der teilweisen Schließung nationaler Gerichte; hebt hervor, dass die durch die Pandemie bedingte außergewöhnliche Situation die dringende Notwendigkeit aufgezeigt hat, Gerichtsverfahren zu modernisieren und digitale Elemente einzuführen, um die Effizienz der Justizsysteme zu steigern und den Zugang zu Rechtsberatung und -information zu erleichtern;
37. begrüßt die Tatsache, dass der Bericht einen Abschnitt über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rechtsstaatlichkeit enthält; betont, dass die Überwachung der Anwendung und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen fortgesetzt werden sollte, bis ausnahmslos alle Maßnahmen aufgehoben werden; weist in diesem Zusammenhang auf das Risiko des Missbrauchs von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU hin; weist erneut darauf hin, dass diese Mittel erst verteilt werden können, wenn diesen Bedenken umfassend Rechnung getragen wurde; fordert die Kommission nachdrücklich auf, zu gegebener Zeit zu bewerten, ob die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen tatsächlich befristet, notwendig und verhältnismäßig waren, und gleichzeitig das System von Kontrolle und Gegenkontrolle einhielten; ersucht die Kommission, Empfehlungen zu formulieren, um den Mitgliedstaaten bei der Entschärfung der Pandemieauswirkungen in den Bereichen Justiz, Korruptionsbekämpfung und Medienfreiheit zu helfen;
Grundrechte und Gleichstellung
38. betont seine Besorgnis darüber, dass Frauen und Menschen in schutzbedürftigen Situationen, darunter Menschen mit Behinderungen, Kinder, religiöse Minderheiten – insbesondere in Zeiten des zunehmenden Antisemitismus und Antiziganismus und der zunehmenden Islamfeindlichkeit in Europa –, Roma, Menschen afrikanischer und asiatischer Abstammung und andere Personen, die ethnischen und sprachlichen Minderheiten angehören, Migranten, Asylbewerber, Flüchtlinge, LGBTIQ-Personen und ältere Menschen, insbesondere Menschen, die in ausgegrenzten Siedlungen leben, nach wie vor erleben, dass ihre Rechte in der gesamten Union nicht in vollem Umfang geachtet werden und weiterhin diskriminierenden Praktiken ausgesetzt sind; unterstreicht die offensichtliche Verbindung zwischen sich verschlechternden Standards der Rechtsstaatlichkeit und Verstößen gegen die Grundrechte und Minderheitsrechte wie der Anwendung übermäßiger Gewalt durch die Strafverfolgungsbehörden bei Protesten und an den Außengrenzen der Union; weist darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen vorsätzlich auf Maßnahmen zurückgreifen, die aus Sicht der Rechtsstaatlichkeit bedenklich sind, etwa auf Rechtsvorschriften, die in beschleunigten Verfahren ohne Beteiligung der Öffentlichkeit angenommen wurden, oder in Ausnahmefällen sogar auf Verfassungsänderungen, um diskriminierende Maßnahmen zu legitimieren, die ansonsten nicht gesetzlich geregelt werden könnten, etwa Bestimmungen, mit denen eigens auf LGBTIQ-Personen abgezielt wird, oder die Verhängung eines nahezu vollständigen Verbots der Abtreibung; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gegenüber Personen, die in schutzbedürftige Situationen gebracht wurden, Verantwortung tragen und ihnen Sicherheit und Schutz vor Diskriminierung bieten sollten; bekräftigt nachdrücklich seine Forderung an die Kommission, eine eingehende Bewertung der anhaltenden Verletzungen der Grundrechte in der gesamten Union, einschließlich der Gleichstellung und der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, in künftige Berichte aufzunehmen; fordert die Organe der Union auf, in der Zwischenzeit die Jahresberichte über die Rechtsstaatlichkeit angesichts der Berichte über die Grundrechte, die von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte veröffentlicht wurden, zu lesen;
39. erklärt sich besorgt, dass einige Mitgliedstaaten den Rahmenbeschluss zum Rassismus und zur Fremdenfeindlichkeit(31) nicht vollständig und korrekt in nationales Recht umgesetzt haben und dass die Bestimmungen der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse(32) nach wie vor nicht in allen Mitgliedstaaten vollständig umgesetzt sind; empfiehlt, den politischen Diskursen und Mediendiskursen, die Hass gegen Minderheiten schüren, und den direkten Auswirkungen, die sie auf die Verabschiedung diskriminierender Gesetze oder Praktiken haben, durch die die Rechtsstaatlichkeit für alle untergraben wird, einschließlich im Bereich der Terrorismusbekämpfung und der Sicherheitspolitik, im Lichte der George Floyd-Entschließung(33), die vom Parlament im Jahr 2020 angenommen wurde, mehr Aufmerksamkeit zu schenken;
40. ist besonders besorgt angesichts der Verschlechterung der Situation der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der Rechte der Frauen in einigen Mitgliedstaaten, darunter der Erlass sehr restriktiver Gesetze zur Abtreibung sowie die fortgesetzten und systematischen Angriffe auf die Grundrechte von LGBTIQ-Personen, verstärkt durch die Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit in verschiedenen Mitgliedstaaten; bedauert, dass diese Entwicklungen im Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit nicht konsequent widergegeben werden; fordert die Kommission auf, diese Probleme in allen einschlägigen Länderberichten und im Synthesebericht systematisch zu behandeln;
41. begrüßt die von der Kommission als Teil der Vertragsverletzungsverfahren vom Juli 2021 gegen Ungarn und Polen eingeleiteten Verfahren in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte von LGBTIQ-Personen und Verstöße gegen das EU-Recht; nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission damit erstmals Vertragsverletzungsverfahren speziell zur Wahrung der Rechte von LGBTIQ-Personen eingeleitet hat;
42. nimmt mit Besorgnis die zahlreichen Berichte über erhebliche und systematische Verletzungen der Grundrechte von Migranten und Asylbewerbern in der Union und insbesondere an ihren Außengrenzen zur Kenntnis; bedauert die Tatsache, dass mehrere Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften erlassen haben, durch die die Rechte von Asylbewerbern stark eingeschränkt werden und die in einigen Fällen sogar den Grundsatz der Nichtzurückweisung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gefährden; bedauert, dass die Kommission trotz der Forderungen des Parlaments ihre Bewertung der Vereinbarkeit zahlreicher nationaler Gesetzgebungsmaßnahmen im Bereich Asyl und Migration mit dem Unionsrecht nicht abgeschlossen hat; bekräftigt, dass die Achtung der Grundrechte wie des Rechts auf Asyl und auf einen wirksamen Rechtsbehelf wesentlich für das ordnungsgemäße Funktionieren der Rechtsstaatlichkeit ist;
Herkunft
43. fordert die Kommission auf, den regelmäßigen, alle Seiten einbeziehenden und strukturierten Dialog mit Regierungen und nationalen Parlamenten, nichtstaatlichen Organisationen, nationalen Menschenrechtsinstitutionen, Bürgerbeauftragten und Gleichstellungsgremien, Berufsverbänden und anderen Interessenträgern weiter zu stärken und transparenter in Bezug auf die Kriterien zu sein, die bei der Auswahl von Informationen von jenen Interessenträgern beim Entwurf ihrer Jahresberichte verwendet werden; vertritt die Auffassung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen in allen Phasen des Überprüfungszyklus durch einen transparenten Prozess auf der Grundlage klarer Kriterien eng einbezogen werden sollten; hebt hervor, dass durch thematisch strukturierte Konsultationen die Effizienz des Verfahrens gesteigert und der Umfang der wertvollen Rückmeldungen erweitert würde; begrüßt es, dass Interessenträger auf dem Konsultationsfragebogen jetzt Aspekte melden können, die über den von der Kommission vorgesehenen Umfang hinausgehen, und fordert die Kommission auf, die Struktur der nationalen Berichte erforderlichenfalls anzupassen; fordert die Kommission auf, Online-Instrumente für die Beiträge von Interessenträgern zu überprüfen und zu verbessern und hinsichtlich der geltenden Längenbeschränkungen flexibel zu sein;
44. vertritt die Auffassung, dass die Fristen für die Konsultation der Zivilgesellschaft in der Vergangenheit zu kurz oder zeitlich schlecht abgestimmt waren, entsprechend angepasst werden und flexibel sein sollten, damit ein vollständiger und umfassender Beitrag geleistet werden kann; weist darauf hin, dass es Interessenträgern dadurch erschwert wird, ihre Beiträge und Sensibilisierungsmaßnahmen vorzubereiten und zu planen, wobei ihre Kapazitätsgrenzen und Finanzmittel zu berücksichtigen sind, vor allem wenn die Konsultationen in die Zeit des Jahresurlaubs fallen; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit einer ganzjährigen Konsultation der Zivilgesellschaft einzuführen, anstatt sich hauptsächlich auf zeitlich begrenzte Aufforderungen zur Einreichung von Beiträgen zu konzentrieren; begrüßt die Tatsache, dass die Kommission mehrsprachige Eingaben in allen Amtssprachen der Union zulässt; fordert die Kommission auf, im Voraus ihren Zeitplan für den anstehenden Bericht festzulegen und zu veröffentlichen, in dem Termine für die verschiedenen Schritte des Prozesses festgelegt werden, einschließlich eines Zeitplans für Länderbesuche und des Datums für die Veröffentlichung des Berichts; stellt fest, dass die Konsultation weiter untermauert werden kann, und bestärkt die Kommission darin, die Beiträge der Akteure der Zivilgesellschaft weiterzuverfolgen;
45. bestärkt die Kommission darin, im Rahmen der Erstellung des Jahresberichts angemessene Folgemaßnahmen zu Petitionen und weitere Äußerungen einzelner Bürger über Bedenken und Aussagen über rechtsstaatliche Mängel sicherzustellen; ist der Ansicht, dass mit Blick auf die Stärkung der rechtsstaatlichen Kultur und der Kommunikation der EU-Organe mit den Bürgern partizipative Foren und Strukturen aufgebaut werden sollten, um Trends zu identifizieren und mögliche Bedrohungen, Mängel und Verstöße in Bezug auf die in Artikel 2 EUV verankerten Werte in der gesamten Union besser zu erkennen;
46. weist darauf hin, dass die Kommission relevante Informationen aus einschlägigen Quellen und von anerkannten Institutionen weiterhin systematisch berücksichtigen sollte; weist darauf hin, dass die Feststellungen einschlägiger internationaler Gremien, wie der Gremien unter der Leitung der Vereinten Nationen, der OSZE und des Europarats, berücksichtigt werden sollten; fordert die Kommission auf, die Daten und Erkenntnisse aus einschlägigen Indizes wie dem Projekt „Worldwide Governance Indicators“ (WGI), dem „World Justice Project Rule of Law Index“ und dem Projekt „Varieties of Democracy“ (V-DEM) besser zu berücksichtigen;
47. begrüßt die Einigung des Rates über die Änderung des Mandats der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) als einen Schritt nach vorne; fordert die Kommission auf, diese Dynamik zu nutzen und die FRA zu ersuchen, methodische Beratung zu leisten und vergleichende Untersuchungen durchzuführen, um Details zu wichtigen Abschnitten des Jahresberichts zu ergänzen, da das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Grundrechte untrennbar mit der Rechtsstaatlichkeit verbunden sind, neben den Beiträgen, welche die Agentur bereits leistet, beispielsweise über EFRIS und ihre Berichte über den zivilgesellschaftlichen Raum;
48. ist der Ansicht, dass die Zusammenarbeit mit dem Europarat und anderen internationalen Organisationen für die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten in der EU besonders wichtig ist; fordert die Kommission auf, Daten zur Missachtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und die Stellungnahmen der Vertragsorgane der Vereinten Nationen zu einzelnen Mitteilungen systematisch auszuwerten;
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsmechanismus
49. bedauert, dass die Kommission und der Rat der vom Parlament in seiner Entschließung vom 7. Oktober 2020 erhobene Forderung nach einem gemeinsamen EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, der die gesamte Bandbreite der Werte nach Artikel 2 EUV abdecken sollte, nur zögernd nachkommen; fordert die Kommission und den Rat erneut auf, umgehend Verhandlungen mit dem Parlament über eine interinstitutionelle Vereinbarung aufzunehmen;
50. weist auf seinen Standpunkt zur Einbeziehung eines Gremiums unabhängiger Sachverständiger hin, das die drei Organe in enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Grundrechte beraten soll; fordert sein Präsidium angesichts der Zurückhaltung der Kommission und des Rates auf, ein Ausschreibungsverfahren zu organisieren, um ein solches Gremium unter der Leitung des Parlaments im Einklang mit der in seiner Entschließung vom 24. Juni 2021 zum Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020 eingegangenen Verpflichtung einzurichten und so das Parlament in Bezug auf die Einhaltung der Werte nach Artikel 2 EUV in verschiedenen Mitgliedstaaten zu beraten und anhand von Beispielen zu zeigen, wie ein solches Gremium in der Praxis funktionieren könnte;
51. bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission, eine umfassendere und ehrgeizigere Überarbeitung der FRA-Verordnung(34) in Erwägung zu ziehen; fordert die Kommission daher auf, langfristig das volle Potenzial der Entwicklung der FRA im Einklang mit den Grundsätzen betreffend die Stellung und Arbeitsweise nationaler Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte (den Pariser Grundsätzen) zu prüfen, damit sie zu einem völlig unabhängigen Gremium wird, das unparteiische und öffentlich zugängliche Stellungnahmen zu länderspezifischen Situationen im Bereich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte bereitstellt; betont, dass eine solche Entwicklung mit einer Aufstockung der verfügbaren Ressourcen einhergehen sollte;
Komplementarität mit anderen Instrumenten im Bereich Rechtsstaatlichkeit
52. bekräftigt, dass der Jahresbericht als wichtige Quelle und als Referenzdokument für die Entscheidung geeignet sein muss, um zu entscheiden, ob eines oder mehrere einschlägige Instrumente in Anspruch genommen werden sollen, etwa Artikel 7 EUV, die Konditionalitätsverordnung, andere Instrumente, die im Rahmen des EU-Finanzrechts und der geltenden sektorspezifischen und finanziellen Vorschriften zur Verfügung stehen, um den EU-Haushalt wirksam zu schützen, der Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips oder Vertragsverletzungsverfahren, einschließlich beschleunigter Verfahren, Anträge auf einstweilige Maßnahmen vor dem EuGH und Klagen wegen unterbliebener Umsetzung von Urteilen des EuGH; fordert die Kommission auf, diese Instrumente ausdrücklich mit in dem Bericht ermittelten oder potenziellen Problemen im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit zu verknüpfen; fordert die Organe auf, diese Instrumente, darunter den Mechanismus der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität, unverzüglich in Anspruch zu nehmen, um die Rechtsstaatlichkeit proaktiv zu unterstützen und demokratische Rückschritte in der Union anzugehen, zumal der Jahresbericht 2021 der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit mehrere und detaillierte Beispiele von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit enthält, die unter die Konditionalitätsverordnung fallen; fordert die Kommission erneut auf, eine direkte Verbindung zwischen den jährlichen Berichten über die Rechtsstaatlichkeit, gemeinsam mit andere Quellen zur Rechtsstaatlichkeit, und den an die Rechtsstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus herzustellen;
53. weist darauf hin, dass Vertragsverletzungsverfahren das zentrale Instrument für den Schutz und die Verteidigung des Unionsrechts und der in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte sind; stellt mit Besorgnis fest, dass die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren, die von der Kommission eingeleitet wurden, seit 2004 zurückgegangen ist; ist überrascht darüber, dass Vertragsverletzungsverfahren nicht systematisch eingeleitet werden, zumindest sobald die betreffende Vertragsverletzung im Jahresbericht dokumentiert wird; bedauert, dass die Kommission nicht bereit ist, die Umsetzung des EU-Rechts aktiv und systematisch zu überwachen und die Möglichkeiten von Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten auszuschöpfen, da es sich dabei um das Instrument handelt, das am besten geeignet ist, um die Probleme effizient und umgehend zu lösen; stellt fest, dass die Mitgliedstaaten aus diesem Grund aufgefordert wurden, gemäß Artikel 259 AEUV Staatenbeschwerden einzureichen; ist besorgt, dass die präventive Wirkung von Vertragsverletzungsverfahren abnimmt, wenn sie nicht systematisch und rechtzeitig angewandt werden; fordert, dass für jeden Mitgliedstaat eine Übersicht zu allen von der Kommission ergriffenen Durchsetzungsmaßnahmen, einschließlich anhängiger Vertragsverletzungsverfahren, sowie zum Stand der Befolgung der einstweiligen Maßnahmen und der Entscheidungen des EuGH und EGMR aufgenommen wird, und dass die darin enthaltenen Angaben in eine umfassende Anwendung des EU-Justizbarometers einfließen;
54. verweist auf die Bedeutung der einstweiligen Entscheidungen zur Rechtsstaatlichkeit; ist der Ansicht, dass die einschlägige Rechtsprechung des EuGH dazu beigetragen hat, die Rechtsstaatlichkeit weiter zu definieren und der Kommission dienen könnte, ihre Maßstäbe zur Beurteilung der rechtsstaatlichen Situation in den Mitgliedstaaten weiter zu verfeinern;
55. ist besorgt über das anhaltende Versäumnis einiger Mitgliedstaaten, darunter Ungarn und Polen, nationale, EuGH- und EGMR-Urteile umzusetzen, was zur Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit beiträgt; betont, dass die unterbliebene Umsetzung von Urteilen dazu führen kann, dass bei Verstößen gegen die Menschenrechte keine Abhilfe erfolgt; unterstreicht, dass dies in der Öffentlichkeit so wahrgenommen werden könnte, dass Urteile missachtet werden können, und so die Unabhängigkeit der Justiz und das allgemeine Vertrauen in die Kraft der gerechten Rechtsprechung untergraben werden; fordert die Kommission auf, über die jeweiligen Länderkapitel über die Umsetzung von Urteilen durch die Mitgliedstaaten in Fällen teilweiser oder unzureichender Umsetzung weiterhin Bericht zu erstatten; fordert die Kommission auf, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um geeignete Lösungen für die vollständige Umsetzung zu finden und die Informationen jährlich zu aktualisieren; weist darauf hin, dass das Versäumnis, das Urteil Coman & Hamilton(35) umzusetzen, zur Folge hatte, dass sich die Beschwerdeführer an den EGMR wenden mussten;
56. weist darauf hin, dass der Konditionalitätsverordnung große Bedeutung zukommt, wenn Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit die wirtschaftliche Haushaltsführung des Unionshaushalts oder den Schutz der finanziellen Interessen der Union beeinträchtigen oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen; begrüßt die Urteile des EuGH vom 16. Februar 2022 und die darin enthaltenen Ergebnisse, dass die Union sehr wohl über Zuständigkeiten in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten verfügt, dass die an die Rechtsstaatlichkeit geknüpfte Konditionalitätsverordnung mit dem Unionsrecht im Einklang steht und die Abweisung der von Ungarn und Polen gegen die Konditionalitätsverordnung erhobenen Klagen; wiederholt seine Aufforderung an die Kommission, sofortige Maßnahmen gemäß der Verordnung zu ergreifen, einem Instrument, das seit Januar 2021 in Kraft ist;
57. ist der Auffassung, dass der Jahresbericht am besten dafür geeignet ist, einen eigenen Abschnitt über die Durchführung einer entsprechenden Analyse gemäß der Verordnung der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität zu veröffentlichen; nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission am 27. April 2022 mit der Übermittlung einer schriftlichen Mitteilung endlich das förmliche Verfahren gegen Ungarn im Rahmen der Konditionalitätsverordnung eingeleitet hat; fordert die Kommission nachdrücklich auf, zumindest auch im Fall Polens das in Artikel 6 Absatz 1 der genannten Verordnung verankerte Verfahren einzuleiten; weist darauf hin, dass die Anwendbarkeit, der Zweck und der Anwendungsbereich der Verordnung klar definiert sind und nicht durch weitere Erläuterungen ergänzt werden müssen; verurteilt die Entscheidung der Kommission, auch nach dem Urteil des EuGH zur Bestätigung der Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der Verordnung weiterhin Leitlinien auszuarbeiten; fordert die Kommission auf, möglicherweise über einen Vorschlag für einen Gesetzgebungsakt sicherzustellen, dass sich die Anwendung von Artikel 6 der Verordnung der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität weder unmittelbar noch mittelbar auf die Bürger auswirkt, da die Verantwortlichen für solche Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit Regierungsvertreter oder Staatschefs sind und die Mittel, die im konsolidierten Haushaltsplan der Union verbleiben, direkt von lokalen öffentlichen Einrichtungen in Anspruch genommen werden können; fordert die Kommission auf, die Dachverordnung und die Verordnung über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union stringenter anzuwenden, um der diskriminierenden Verwendung von EU-Mitteln zu begegnen, insbesondere jeder Art von politisch motivierter Verwendung, und das volle Potenzial jener Instrumente und der Verordnung der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität auszuschöpfen, um die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte zu schützen und dadurch sicherzustellen, dass die Mittel der Union nicht für Initiativen verwendet werden, die nicht im Einklang mit den in Artikel 2 EUV verankerten Werten stehen, und gleichzeitig die Interessen der Endbegünstigten zu wahren, die nicht staatliche Stellen sind;
58. ist besorgt über die Erkenntnisse des Berichts der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2021, wonach die staatlich geförderte Drangsalierung und Einschüchterung von LGBTIQ-Organisationen in einigen Ländern deren Fähigkeit, Zugang zu Finanzmitteln zu erhalten, beeinträchtigt; fordert die Kommission auf, diesen Sachverhalt genauer zu prüfen und mit den erforderlichen Mitteln dafür zu sorgen, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der den Zugang zu Mitteln der Union regelt, überall in der Union uneingeschränkt eingehalten wird; ist der Auffassung, dass diese Feststellungen den seit langer Zeit vertretenen Standpunkt des Parlaments bekräftigen, dass der Geltungsbereich des Berichts über Rechtsstaatlichkeit auf alle Werte aus Artikel 2 EUV ausgeweitet werden sollte;
59. bedauert zutiefst, dass der Rat nicht in der Lage ist, in den laufenden Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV nennenswerte Fortschritte zu erzielen; fordert den Rat nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Anhörungen mindestens einmal pro Vorsitz während der laufenden Verfahren nach Artikel 7 stattfinden und sich auch mit neuen Entwicklungen befassen, die sich auf die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte auswirken; betont, dass keine Einstimmigkeit im Rat erforderlich ist, um eine eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Unionswerte gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu ermitteln, konkrete Empfehlungen an die betroffenen Mitgliedstaaten zu richten und Fristen für die Umsetzung dieser Empfehlungen zu setzen; bekräftigt seine Aufforderung an den Rat, dies zu tun, und betont, dass jede weitere Verzögerung einer solchen Maßnahme einer Verletzung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit durch den Rat selbst gleichkäme; besteht darauf, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten des Parlaments geachtet werden;
60. nimmt die länderspezifischen Diskussionen zur Kenntnis, die im Rat (Allgemeine Angelegenheiten) auf der Grundlage des Jahresberichts über die Rechtsstaatlichkeit der Kommission im Rahmen des jährlichen Dialogs über Rechtsstaatlichkeit des Rates stattgefunden haben; schlägt vor, bei diesen Diskussionen zuerst auf die Mitgliedstaaten mit den größten Problemen in Sachen Rechtsstaatlichkeit einzugehen und dabei die Vorgehensweise der alphabetischen Reihenfolge beizubehalten; betont, dass sich mehr Transparenz positiv auf den Dialog über Rechtsstaatlichkeit in der Union auswirken würde, und fordert den Rat daher auf, diese länderspezifischen Diskussionen, einschließlich detaillierter öffentlicher Schlussfolgerungen, zu veröffentlichen;
61. verurteilt aufs Schärfste die Behörden der Mitgliedstaaten, die eine Beteiligung am jährlichen Dialog über Rechtsstaatlichkeit der Kommission verweigern; ist der Ansicht, dass eine solche Weigerung für die Kommission als Grund ausreichen müsste, um sich verstärkt und noch aufmerksamer der Untersuchung der rechtsstaatlichen Lage in diesen Ländern zu widmen; ist der festen Überzeugung, dass der Zyklus der Rechtsstaatlichkeit nur dann wirksam sein kann, wenn der in Artikel 4 Absatz 3 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit von den Organen der Union und den Mitgliedstaaten gleichermaßen geachtet und angewandt wird;
62. fordert die Kommission nachdrücklich auf, sich aktiv an öffentlichen Debatten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu beteiligen und mehr in die Sensibilisierung für die in Artikel 2 EUV verankerten Werte der Union und die anwendbaren Instrumente, einschließlich des Jahresberichts, zu investieren, insbesondere in den Ländern, in denen ernsthafte Bedenken bestehen; betont die Bedeutung der strategischen Kommunikation zur Bekämpfung von demokratiefeindlichen Narrativen, und die Bekämpfung dieser Narrative durch eine bessere Erklärung der Unionsmaßnahmen; fordert die Kommission daher auf, Kommunikationskampagnen zur Bedeutung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit durchzuführen; fordert die Kommission auf, ein spezielles Programm zur Unterstützung innovativer Maßnahmen einzuführen, deren Ziel es ist, mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit und demokratische Institutionen die formale Bildung, insbesondere unter den Juristen, ebenso wie die informelle Bildung der EU-Bürger aller Altersgruppen zu fördern;
63. verpflichtet sich, regelmäßige Konsultationen mit den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten über die Ergebnisse des jährlichen Berichts aufzunehmen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass ihre Vertreter auf höchster Ebene am Austausch mit dem Parlament über Rechtsstaatlichkeit teilnehmen; bedauert zutiefst die Weigerung des polnischen Sejm, die ausschussübergreifende Mission des Europäischen Parlaments im Februar 2022 zu treffen, und das Ausbleiben einer Reaktion auf die offizielle Einladung, was unmittelbar gegen Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 zu den EU-Verträgen über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union verstößt;
64. betont, dass interne Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik der Union haben können, insbesondere in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft und ihren Bewerberländern und möglichen Bewerberländern;
65. betont, dass Kontrollen und Gegenkontrollen auf Unionsebene ebenso unabhängig bewertet werden sollten; sagt daher zu, eine Studie der Venedig-Kommission zu den wichtigsten demokratischen Grundsätzen im Governance-System der Union einzuholen, und zwar insbesondere zur Gewaltenteilung und Rechenschaftspflicht sowie zu Kontrollen und Gegenkontrollen;
o o o
66. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, dem Europarat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Textentwurf der Empfehlung des Ministerkomitees zur Bekämpfung von Hetze, abrufbar unter https://rm.coe.int/draft-recommendation-on-combating-hate-speech-public-consultation-v-18/native/1680a2ef25; Neuigkeiten angekündigt unter https://www.coe.int/en/web/committee-antidiscrimination-diversity-inclusion/-/the-cdadi-finalised-important-deliverables-at-its-fourth-plenary-meeting.
Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).
Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55).
Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22).
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Juni 2020 zu den Protestkundgebungen gegen Rassismus nach dem Tod von George Floyd (ABl. C 362 vom 8.9.2021, S. 63).
Zwischenbericht vom 25. März 2021 über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (COM(2020)0225).
Urteil vom 5. Juni 2018, Relu Adrian Coman u. a./ Inspectoratul General pentru Imigrări und Ministerul Afacerilor Interne, Rechtssache C‑673/16, ECLI:EU:C:2018:385.
Bericht 2021 über Nordmazedonien
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über Nordmazedonien (2021/2248(INI))
– unter Hinweis auf das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Nordmazedonien andererseits(1),
– unter Hinweis auf den Antrag Nordmazedoniens vom 22. März 2004 auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/1529 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. September 2021 zur Schaffung des Instruments für Heranführungshilfe (IPA III)(2),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19./20. Juni 2003 und die Agenda von Thessaloniki für die westlichen Balkanstaaten,
– unter Hinweis auf den Beschluss des Europäischen Rates vom 16. Dezember 2005, Nordmazedonien den Status eines Bewerberlandes im Hinblick auf die EU-Mitgliedschaft zu verleihen,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17./18. Oktober 2019,
– unter Hinweis auf den Vertrag über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit zwischen Bulgarien und der Republik Nordmazedonien, der am 1. August 2017 unterzeichnet und im Januar 2018 ratifiziert wurde,
– unter Hinweis auf das endgültige Abkommen über die Beilegung der in den Resolutionen 817 (1993) und 845 (1993) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bezeichneten Differenzen, die Kündigung des Interimsabkommens von 1995 und die Begründung einer strategischen Partnerschaft zwischen Griechenland und Nordmazedonien vom 17. Juni 2018, das auch als Prespa-Abkommen bekannt ist,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 5. Juni 2020 zur Verstärkung der Zusammenarbeit mit Partnern im Westbalkan im Bereich Migration und Sicherheit,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Juni 2019, 25. März 2020 und 14. Dezember 2021 zur Erweiterung sowie zum Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. Februar 2020 mit dem Titel „Stärkung des Beitrittsprozesses – Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ (COM(2020)0057),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 29. April 2020 mit dem Titel „Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie“ (COM(2020)0315),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. Juli 2020 mit dem Titel „EU-Aktionsplan gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen (2020–2025)“ (COM(2020)0608),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Oktober 2020 mit dem Titel „Ein Wirtschafts- und Investitionsplan für den Westbalkan“ (COM(2020)0641),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. April 2021 über eine EU-Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität 2021–2025 (COM(2021)0170),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Oktober 2021 mit dem Titel „Mitteilung 2021 über die Erweiterungspolitik der EU“ (COM(2021)0644) und die entsprechende Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen mit dem Titel „North Macedonia 2021 Report“ (Bericht 2021 über Nordmazedonien) (SWD(2021)0294),
– unter Hinweis auf die Konvention des Europarates über Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten,
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission des BDIMR (Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom 2. Oktober 2020 über die vorgezogene Parlamentswahl in Nordmazedonien vom 15. Juli 2020 und ihren Abschlussbericht vom 25. März 2022 über die Kommunalwahl vom 17. und 31. Oktober 2021,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme der Venedig-Kommission vom 18. Oktober 2021 zu dem Gesetzesentwurf über den Ausnahmezustand und auf ihre früheren Stellungnahmen,
– unter Hinweis auf die Gipfeltreffen EU-Westbalkan von 2018, 2020 und 2021 in Sofia, Zagreb und Brdo pri Kranju sowie die jeweiligen Erklärungen,
– unter Hinweis auf das Gipfeltreffen vom 10. November 2020 in Sofia, einschließlich der Erklärung zum Gemeinsamen Regionalen Markt und der Erklärung zur Grünen Agenda für den Westbalkan,
– unter Hinweis auf die bei dem Gipfeltreffen EU-Westbalkan vom 17. Mai 2018 abgegebene Erklärung von Sofia und die ihr als Anlage beigefügte Prioritätenagenda von Sofia,
– unter Hinweis auf das 8. Gipfeltreffen im Rahmen des Berlin-Prozesses vom 5. Juli 2021,
– unter Hinweis auf die Abschlusserklärung des 8. Forums der Zivilgesellschaft des Westbalkans vom 1. Oktober 2021,
– unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr. 01/2022 des Europäischen Rechnungshofs vom 10. Januar 2022 mit dem Titel „EU-Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit in den Staaten des westlichen Balkans: trotz Bemühungen bestehen weiterhin grundlegende Probleme“,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Oktober 2019 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien(3),
– unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 19. Juni 2020 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zum westlichen Balkan im Anschluss an das Gipfeltreffen 2020(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2020 zu dem Thema „Stärkung der Medienfreiheit: Schutz von Journalisten in Europa, Hetze, Desinformation und die Rolle von Plattformen“(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2021 zu der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Westlichen Balkan(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2022 zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation(7),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Nordmazedonien,
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9‑0133/2022),
A. in der Erwägung, dass in der Integration in die EU das Streben der Bürgerinnen und Bürger Nordmazedoniens nach Demokratie und Wohlstand zum Ausdruck kommt und dass sie einen wirkungsvollen Katalysator für Reformen darstellt, mit denen das Funktionieren der staatlichen Institutionen und die Lebensqualität verbessert und zu Wirtschaftswachstum und regionaler Zusammenarbeit beigetragen wird; in der Erwägung, dass die Aussicht, dass Nordmazedonien aufgrund seiner Verdienste der EU beitritt, im politischen, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interesse der Union selbst liegt;
B. in der Erwägung, dass Nordmazedonien ein zuverlässiger Partner ist, da es auf seinem Weg zur EU-Mitgliedschaft kontinuierliche Fortschritte erzielt und die Bedingungen für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfüllt und zudem für die vollständige Übereinstimmung mit der Außen- und Sicherheitspolitik der EU gesorgt hat, auch im Hinblick auf die Sanktionen gegen Russland;
C. in der Erwägung, dass die EU den Ländern, die der EU beitreten wollen, einen klaren Weg vorgeben muss;
D. in der Erwägung, dass Nordmazedonien seit 2005 den Status eines Bewerberlandes hat; in der Erwägung, dass die Kommission seit 2009 immer wieder empfohlen hat, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, und dass das Land auf seinem Weg in die EU großes Engagement gezeigt hat, sodass der Rat am 26. März 2020 den Beschluss gefasst hat, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen;
E. in der Erwägung, dass das Prespa-Abkommen und der Vertrag über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit wichtige Wegmarken sind und ein Modell für Stabilität und Aussöhnung im gesamten Westbalkanraum darstellen und dass dadurch der Geist der gutnachbarschaftlichen Beziehungen und der regionalen Zusammenarbeit verbessert wurde;
F. in der Erwägung, dass Nordmazedonien bei der Umsetzung von Reformen der EU beständig und mit Entschlossenheit vorgeht, wobei der Schwerpunkt auf grundlegenden Reformen liegt, und dass das Land die Reformdynamik beibehalten und weiterhin bestrebt sein sollte, die besten Fortschritte auf dem Weg zum demokratischen Wandel im gesamten Westbalkanraum vorzuweisen;
G. in der Erwägung, dass durch die missbräuchliche Heranziehung des Beitrittsverfahrens zur Beilegung kultureller und historischer Streitigkeiten ein gefährlicher Präzedenzfall für künftige Beitrittsverfahren geschaffen wird und die Glaubwürdigkeit, Wirkungsmacht und Veränderungskraft der Union gefährdet werden;
H. in der Erwägung, dass die NATO-Mitgliedschaft einen eindeutigen Schritt in Richtung größerer Stabilität, Interoperabilität und Verteidigungsintegration in der euroatlantischen Gemeinschaft darstellt;
I. in der Erwägung, dass die EU weiterhin uneingeschränkt verpflichtet ist, das strategische Ziel Nordmazedoniens, der EU beizutreten, auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit und gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu unterstützen, und nach wie vor der größte Handels- und Investitionspartner Nordmazedoniens ist und ihm bei Weitem die höchste finanzielle Unterstützung gewährt, insbesondere im Rahmen des IPA III, des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan und der Makrofinanzhilfe, einschließlich umfangreicher Unterstützung zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie;
J. in der Erwägung, dass der Beitritt zur EU ein wirksames außenpolitisches Instrument ist, mit dem zur Förderung des Friedens und zur Verbreitung der Grundwerte der EU – nämlich Achtung der Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit – beigetragen wird;
K. in der Erwägung, dass durch böswillige ausländische direkte und indirekte Einmischung und Desinformation das Ziel verfolgt wird, Zwietracht zu säen, Gewalt und interethnische Spannungen zu provozieren und die gesamte Region zu destabilisieren;
1. bekräftigt, dass es den Einsatz Nordmazedoniens für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – untermauert durch seine strategische proeuropäische Ausrichtung, sein unerschütterliches Engagement für die europäischen Werte, EU-bezogene Reformen und den EU-Integrationsprozess – sowie für gutnachbarschaftliche Beziehungen und inkludierende regionale Zusammenarbeit nachdrücklich unterstützt;
2. bedauert, dass der Rat die längst überfälligen Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien noch nicht offiziell aufgenommen hat; betont seine uneingeschränkte Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Länder und bekundet ihnen seine Sympathie; vertritt die Auffassung, dass dieses Versäumnis des Rates, durch das die öffentliche Wahrnehmung der EU beschädigt wird und das eine erhebliche Gefahr für die gesamte Erweiterungspolitik ist, für den Ruf der EU als zuverlässiger Partner und ernstzunehmender geopolitischer Akteur schädlich ist; fordert Bulgarien und Nordmazedonien auf, ihre kulturhistorischen Streitigkeiten separat vom Beitrittsprozess Nordmazedoniens zu lösen und unverzüglich die Organisation der ersten Regierungskonferenz zu ermöglichen, da Nordmazedonien alle offiziellen Kriterien erfüllt hat;
3. bekräftigt die geostrategische Bedeutung Nordmazedoniens und des gesamten Westbalkanraums sowie der künftigen Mitgliedschaft dieser Länder in der EU; weist die Mitgliedstaaten erneut darauf hin, dass die Erweiterungspolitik von objektiven Kriterien bestimmt sein muss; erklärt erneut, dass die Erweiterungspolitik der EU das wirksamste Instrument des auswärtigen Handelns der Union ist und eine vollständige Eingliederung des Westbalkanraums im politischen, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interesse der EU liegt, da es sich um eine geostrategische Investition in eine stabile und florierende Union handelt; betont, dass die offizielle Aufnahme der Beitrittsverhandlungen eine Investition in die Glaubwürdigkeit der EU sowie in die Stabilität, den Wohlstand und die laufende Aussöhnung in der Region sein dürfte;
4. fordert die EU auf, unter Berücksichtigung des breiteren strategischen und sicherheitspolitischen Kontexts – einschließlich der sicherheitspolitischen Auswirkungen der Aggression Russlands gegen die Ukraine, der möglichen Einflussnahme und böswilliger Aktivitäten Russlands in der Region mit dem Ziel, die politische Stabilität der Westbalkanländer zu schwächen und ihrer EU-Integration entgegenzuwirken – konkrete Maßnahmen zur Integration des Westbalkanraums zu treffen; weist auf den transformativen Charakter der Beitrittsverhandlungen hin, die im Rahmen des überarbeiteten Erweiterungsverfahrens zu führen sind;
5. weist darauf hin, dass sich die EU darauf gründet, dass regionale Streitigkeiten und die schwierige Vergangenheit überwunden werden, um auf eine bessere, friedliche und florierende Zukunft hinzuarbeiten; fordert Bulgarien und Nordmazedonien auf, rasch eine Einigung zur Klärung der bilateralen Fragen herbeizuführen, damit der Beitritt nicht weiter verzögert wird und keine neuen Hindernisse für den Beitritt errichtet werden;
6. fordert den Rat auf, uneingeschränktes politisches Engagement für die Erweiterung zu zeigen, die Integration in die EU zu beschleunigen und deren Glaubwürdigkeit zu stärken, indem – insbesondere vor dem geostrategischen Hintergrund der Beziehungen zu Russland und dessen Aggression gegen die Ukraine – offiziell Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien aufgenommen werden, da beide Länder die erforderlichen Bedingungen erfüllen und auch im Bereich der wesentlichen Elemente dauerhafte Ergebnisse erzielt haben;
7. würdigt die beständigen Fortschritte Nordmazedoniens auf seinem Weg zur EU-Mitgliedschaft, seinen Einsatz für die Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid in Bezug auf Multikulturalismus und interethnische Harmonie sowie seine anhaltenden positiven und konsequenten Anstrengungen, offene bilaterale Fragen zu klären; begrüßt den strategischen Ansatz für EU-bezogene Reformen, auch im Rahmen der Agenda „Europe at Home“ und des nationalen Programms für die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands;
8. betont, dass das Tempo des Beitritts zur EU von den Fortschritten bei der ordnungsgemäßen Arbeitsweise demokratischer Institutionen abhängen sollte und auf Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsvoller Staatsführung und Achtung der Grundrechte beruht; würdigt, dass sich Nordmazedonien fortwährend dafür einsetzt, die Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz und die Minderheitenrechte zu stärken, Korruption und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, seine öffentliche Verwaltung zu reformieren und die Medienfreiheit zu konsolidieren; bestärkt das Land darin, diese Bemühungen fortzuführen und zu intensivieren;
Funktionsfähigkeit demokratischer Institutionen
9. begrüßt, dass Nordmazedonien im Hinblick auf den demokratischen Wandel nach wie vor die größten Erfolge im gesamten Westbalkanraum vorweisen kann und deutliche Verbesserungen in Bezug auf Transparenz, politischen Dialog und Wettbewerb bei Wahlen erzielt hat;
10. begrüßt alle Maßnahmen zur Minderung der Polarisierung und zur Förderung des konstruktiven politischen Dialogs und fordert die politischen Parteien nachdrücklich auf, in diesem Zusammenhang konstruktiver zu agieren, wodurch dazu beigetragen wird, die demokratischen Institutionen zu stärken, indem ihr Regierungshandeln, ihre Integrität und ihre Rechenschaftspflicht verbessert werden;
11. bekräftigt, dass sich Regierung und Opposition auch künftig konstruktiv miteinander ins Benehmen setzen müssen und ein breiter parteiübergreifender Konsens über Reformen im Zusammenhang mit der EU beibehalten werden muss, indem die Gesetzgebungs-, Aufsichts- und Haushaltskapazitäten der Versammlung der Republik Nordmazedonien (Sobranie) weiter gestärkt werden; begrüßt das anhaltende parteiübergreifende politische Engagement Nordmazedoniens für den Jean-Monnet-Dialog (JMD), durch den die Fähigkeit politischer Führungspersönlichkeiten gestärkt wird, einen echten parteiübergreifenden Dialog zu entwickeln und den Konsens herzustellen, der erforderlich ist, um Vertrauen und eine demokratische parlamentarische Kultur aufzubauen;fordert die Gesetzgeber nachdrücklich auf, ihren Verpflichtungen zur Überarbeitung ihrer Geschäftsordnung, die sie im Zuge des JMD eingegangen sind, zügig nachzukommen und den Dialog mit dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten zu intensivieren;
12. begrüßt die zunehmende Transparenz und Rechenschaftspflicht des Sobranie und fordert es mit Nachdruck auf, die Rechtsetzungsqualität zu verbessern, etwa durch ordnungsgemäße Konsultationen und Folgenabschätzungen für zentrale Rechtsvorschriften, die Anwendung von Schnellverfahren strikt auf ein Minimum zu beschränken und die Polarisierung im Parlament zu mindern; begrüßt die parteiübergreifende Unterstützung für die Annahme der Rechtsvorschriften zur Verhütung von und zum Schutz vor Diskriminierung, Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und die Änderungen des Gesetzes über die Rechte des Kindes;
13. betont, dass die Wahlreform im Einklang mit den ausstehenden Empfehlungen des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE und der Venedig-Kommission rasch, transparent und inklusiv abgeschlossen werden muss; begrüßt den reibungslosen und wettbewerblich geprägten Ablauf der freien und fairen Kommunalwahl am 17. und 31. Oktober 2021;
14. fordert die politischen Parteien Nordmazedoniens auf, die Transparenz der Parteifinanzierung sowie die wettbewerbliche innerparteiliche Demokratie und Integrität zu verbessern;
15. fordert eine anhaltende Reform in Richtung einer leistungsorientierten, rechenschaftspflichtigen öffentlichen Verwaltung mit mehr fachlicher Unabhängigkeit, klareren Zuständigkeiten, einem strafferen institutionellen Rahmen und einer strafferen innerdienstlichen Koordinierung der Integration in die EU und der damit verbundenen Reformen, vereinfachten Verwaltungsverfahren und eines besseren Verwaltungshandelns auf kommunaler Ebene; nimmt zur Kenntnis, dass Maßnahmen ergriffen wurden, um durch Digitalisierung die Effizienz und Qualität der Leistungen zu steigern und Korruption zu beseitigen;
16. begrüßt, dass 2021 im Einklang mit den maßgeblichen Vorgaben der Vereinten Nationen und den Statistikvorschriften der EU eine Volkszählung abgehalten wurde, die eine bessere faktengestützte Entscheidungsfindung zur Folge haben sollte; begrüßt die Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Volkszählung und erwartet, dass sie in die Politikgestaltung einfließen;
17. fordert weitere Maßnahmen im Sinne der systematischen Rechenschaftspflicht öffentlicher Institutionen durch aussagekräftige öffentliche Konsultationen der Interessenträger und begrüßt die in diesem Bereich bislang erzielten Fortschritte;
18. fordert die Regierung Nordmazedoniens nachdrücklich auf, für eine angemessene Finanzierung und kohärente Umsetzung der Entscheidungen und Empfehlungen unabhängiger Organe und Einrichtungen wie dem Bürgerbeauftragten zu sorgen;
19. begrüßt die Einsetzung des Ausschusses für die Verhinderung von und den Schutz vor Diskriminierung und seine laufende Arbeit; fordert die Regierung nachdrücklich auf, Mittel in erforderlicher Höhe zuzuweisen, damit er uneingeschränkt tätig werden kann;
Medien und Zivilgesellschaft
20. weist erneut darauf hin, dass der Rechtsrahmen für Online- und Offline-Medien im Einklang mit dem Besitzstand und den Normen der EU in Zusammenarbeit mit Berufsverbänden, der Zivilgesellschaft und Sachverständigen auf inklusive und transparente Weise weiter angeglichen werden muss, um die Unabhängigkeit der Medien von politischer, privater und sonstiger Einflussnahme von außen zu verbessern und dabei für Transparenz der Eigentumsverhältnisse, finanzielle Tragfähigkeit und Selbstregulierung zu sorgen; fordert die Regierung Nordmazedoniens auf, Mittel in ausreichender Höhe bereitzustellen, damit die Professionalität und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sichergestellt ist;
21. bekräftigt seine Forderung, die Bestimmungen über die Finanzierung und Werbung für politische Parteien in den Medien so zu überarbeiten, dass für eine wettbewerbliche und faire Verteilung der öffentlichen Mittel gesorgt ist und der lautere Wettbewerb ebenso gewahrt wird wie die redaktionelle Unabhängigkeit;
22. fordert rasche Maßnahmen zur Förderung der redaktionellen und finanziellen Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und Professionalität der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Medienaufsicht und begrüßt die laufende Modernisierung dieser beiden Organe;
23. fordert, dass Maßnahmen getroffen werden, mit denen die Sicherheit von Medienschaffenden verbessert und gegen Versuche, sie einzuschüchtern, vorgegangen wird; betont, dass in Bezug auf Einschüchterung, Drohungen und Gewalttaten gegen Journalisten ein Null-Toleranz-Konzept verfolgt werden muss; stellt fest, dass derartige Versuche untersucht und strafrechtlich verfolgt und die Arbeitsbedingungen von Journalisten verbessert werden müssen, damit für Qualitätsjournalismus gesorgt ist;
24. weist erneut darauf hin, dass der unabhängige Investigativjournalismus, die objektive Faktenprüfung und die Medienkompetenz gestärkt werden müssen, um gegen Hetze, Desinformation und Kampagnen der Einflussnahme aus dem Ausland vorzugehen, die im Zuge der COVID-19-Krise und des Kriegs Russlands gegen die Ukraine zugenommen haben; betont, dass bei der Einrichtung eines wirksamen Rahmens zur Bekämpfung der manipulativen Desinformation institutionelle Zusammenarbeit wichtig ist; fordert, mehr Anstrengungen zu unternehmen, um für Medienvielfalt und unabhängige Medien zu sorgen und eine Medienlandschaft zu fördern, die frei von Einflussnahme von außen ist und durch die zu einem professionellen Verhalten der Medien in Nordmazedonien beigetragen wird; befürwortet, dass Medienpluralismus und kultureller Pluralismus gefördert werden, um Kulturbewusstsein und Kulturaustausch zu begünstigen und das gegenseitige Verständnis zu verbessern;
25. würdigt die Maßnahmen der Regierung mit Blick auf eine bessere Einbeziehung der Zivilgesellschaft und fordert einen Rahmen, mit dem für die finanzielle Tragfähigkeit von Organisationen der Zivilgesellschaft gesorgt wird, einschließlich Organisationen, die die Rechte der verschiedenen ethnischen Gemeinschaften vertreten und verteidigen; weist erneut darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang verstärkter Anstrengungen bedarf, um für raschere, aussagekräftigere und transparentere Konsultationen mit der Zivilgesellschaft zu sorgen; begrüßt die positiven Beispiele für Synergieeffekte zwischen der Zivilgesellschaft und den Institutionen, wie etwa im Fall der Einrichtung der parteiübergreifenden parlamentarischen Gruppe für die Rechte von LGBTI+-Personen;
Grundrechte
26. stellt fest, dass bei der Sicherstellung der Rechte der Frauen und der geschlechtergerechten Politik Verbesserungen erzielt wurden; begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und bestärkt das Land darin, die Umsetzung des nationalen Aktionsplans für die Umsetzung der Bestimmungen des Übereinkommens von Istanbul zu verbessern; fordert Nordmazedonien auf, sich weiterhin konsequent um die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frauen zu bemühen, unter anderem durch eine durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung und eine vermehrte Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, insbesondere mit Frauenorganisationen;
27. fordert Nordmazedonien auf, Maßnahmen zu ergreifen, um für eine angemessene Vertretung von Frauen in allen Entscheidungspositionen Sorge zu tragen und die mangelnde Umsetzung der Rechte von Arbeitnehmerinnen, die Geschlechterstereotypisierung, das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in der Erwerbsbevölkerung weiter zu bekämpfen; weist auf die beträchtlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung und Arbeitsqualität, die unzureichenden Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die Diskriminierung bezüglich der Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit dem Mutterschutz und die mangelnden Kinderbetreuungs- und Vorschulkapazitäten hin; nimmt die Änderungen des Gesetzes über die Rechte des Kindes und die Vollendung der Deinstitutionalisierung zur Kenntnis;
28. fordert kontinuierliche Maßnahmen, um mehr Vertrauen zwischen den Gemeinschaften aufzubauen und die Funktionsweise einer multiethnischen Gesellschaft und Demokratie zu fördern, und weist gleichzeitig darauf hin, dass die Rechte aller Gemeinschaften gewahrt und alle Fälle von Diskriminierung wirksam bekämpft werden müssen; bestärkt die Regierung darin, für gleichen verfassungsrechtlichen Schutz der Rechte aller ethnischen Gemeinschaften zu sorgen, erforderlichenfalls auch durch Gesetzesänderungen, und ihr kulturelles Erbe, ihre Sprachen und Traditionen durch einen gleichberechtigten, inklusiven und diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung und zu den Medien zu schützen und zu fördern;
29. fordert die staatlichen Stellen auf, eine neue Strategie zum Vorgehen gegen die Probleme der Roma-Gemeinschaft auszuarbeiten, durch die die 2020 ausgelaufene frühere Strategie ersetzt wird, und die Entscheidung zu überdenken, die Mittel für die Inklusion der Roma zu kürzen, die eigentlich erhöht werden sollten;
30. begrüßt den Erfolg der zweiten Skopje Pride, die 2021 stattfand; fordert das Parlament Nordmazedoniens auf, umgehend einen nationalen Aktionsplan für LGBTIQ-Fragen anzunehmen und für eine ausreichende Mittelausstattung für seine Umsetzung zu sorgen; fordert alle politischen Akteure mit Nachdruck auf, das Gesetz über das Zivilstandsregister zu ändern und für eine rasche und ungehinderte selbstbestimmungsbasierte rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit zu sorgen;
31. fordert weitere Verbesserungen bei der Durchsetzung der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, einschließlich des Rechts auf Selbstidentifikation und auf inklusive interkulturelle Bildung; betont, dass die Rechtsvorschriften im Bereich Bildung, mit denen diskriminierende und stigmatisierende Inhalte beseitigt werden und die im Einklang mit dem Gesetz über die Verhütung von und den Schutz vor Diskriminierung stehen, aktualisiert und angenommen werden müssen;
32. betont, dass weitere Fortschritte im Hinblick auf die Wahrung der Rechte von Menschen mit Behinderungen erzielt werden müssen; begrüßt den Mechanismus für die Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der beim Büro des Bürgerbeauftragten eingerichtet wurde; betont, dass gegen die direkte und indirekte Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen infolge infrastrukturbezogener Hindernisse, fehlender Informationen und Dienstleistungen, diskriminierender Verhaltensweisen und sozialer Ausgrenzung vorgegangen werden muss; fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, die Deinstitutionalisierung zügig abzuschließen; betont, dass adäquate Ressourcen und eine angemessene Infrastruktur benötigt werden, um für die Menschen mit Behinderungen in Nordmazedonien den notwendigen Sozialschutz aufrechtzuerhalten und menschenwürdige Lebensbedingungen sicherzustellen;
33. fordert die zuständigen Stellen mit Nachdruck auf, alle Fälle von Hetze, Hassverbrechen und Einschüchterung vorausschauend zu verhindern und systematisch zu verfolgen, damit verbundene Angriffe eingehend zu untersuchen und für die Sicherheit und Unversehrtheit der Personen, gegen die sie gerichtet sind, zu sorgen, z. B. Journalisten sowie Angehörige von Minderheiten und anderen gefährdeten Gruppen; fordert die maßgeblichen staatlichen Stellen erneut auf, die institutionellen Kapazitäten zur Verhütung und Bekämpfung von Hetze, Hassverbrechen und Diskriminierung aus allen Gründen in Übereinstimmung mit internationalen Normen zu verbessern;
34. fordert alle politischen Akteure mit Nachdruck auf, Hetze, Diffamierungskampagnen und Schikane gegenüber unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft zu beenden und zu verurteilen; fordert die zuständigen staatlichen Stellen auf, in Bezug auf Einschüchterung, Drohungen und Gewalttaten gegen Journalisten und Menschenrechtsverteidiger ein Null-Toleranz-Konzept zu verfolgen und dafür zu sorgen, dass die Täter vor Gericht gestellt werden;
35. ist besorgt über den drastischen Anstieg von Falschinformationen über und von diskriminierenden Äußerungen gegen LGBTIQ-Personen und Menschenrechtsverteidiger in den Medien und im politischen Diskurs; verurteilt Belästigungen, Hetze, Hassverbrechen und Todesdrohungen gegen LGBTIQ-Personen und Menschenrechtsverteidiger und fordert mit Nachdruck, dass bei Vorfällen dieser Art uneingeschränkt ermittelt wird und Sanktionen verhängt werden;
36. weist erneut darauf hin, dass es erforderlich ist, durch die vollständige Umsetzung der entsprechenden Empfehlungen die unabhängige Aufsicht über die Polizei zu verstärken, dafür zu sorgen, dass Angehörige der Polizei bei Vergehen gegen ausgegrenzte Gemeinschaften wie die Roma nicht straffrei bleiben, sondern zur Rechenschaft gezogen werden, und die Behandlung von Häftlingen und die Strafvollzugsbedingungen zu verbessern;
37. begrüßt die anhaltenden Bemühungen der staatlichen Stellen Bulgariens und Nordmazedoniens, eine von Respekt geprägte Beziehung aufzubauen, die auf gegenseitigem Vertrauen, Annäherung und engeren zwischenmenschlichen Kontakten gegründet ist; verurteilt hetzerische Rhetorik aufs Schärfste und fordert nachdrücklich die Stärkung der gegenseitigen Anstrengungen, alle Fälle von Hetze und Hassverbrechen aufgrund der nationalen oder ethnischen Herkunft zu verhindern und strafrechtlich zu verfolgen;
38. begrüßt, dass Nordmazedonien Mitglied der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken (International Holocaust Remembrance Alliance – IHRA) ist;
39. weist erneut darauf hin, dass die Archive des jugoslawischen Geheimdienstes (Uprava državne bezbednosti – UDBA) und des Geheimdienstes der jugoslawischen Volksarmee (Kontraobaveštajna služba – KOS) in der Region geöffnet werden müssen, damit Straftaten und kriminelle Organisationen aus der Zeit des Kommunismus gründlich untersucht und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können; vertritt die Auffassung, dass ein transparenter Umgang mit der totalitären Vergangenheit, einschließlich der Öffnung dieser Archive, ein Schritt zur weiteren Demokratisierung sowie zum Ausbau der Rechenschaftspflicht und der Stärke der Institutionen ist;
40. fordert die EU auf, ihre Unterstützung für die humanitäre Hilfe und die Grenzverwaltung in der Region, die unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte erfolgen müssen, zu verstärken; begrüßt, dass Nordmazedonien Anstrengungen im Hinblick auf die Aufnahme von Flüchtlingen unternimmt und dass das Land weiterhin eine konstruktiv an der Bewältigung der irregulären Migration mitwirkt; bekräftigt seine Forderung an das Land, den Zugang zu Asyl und die Aufnahmebedingungen zu verbessern und ein ordnungsgemäßes Migrationsmanagement und Registrierungssystem einzuführen; weist erneut darauf hin, dass bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität und der irregulären Migration systematisch vorgegangen werden muss; begrüßt die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet und stellt fest, dass aufgrund offener bilateraler Fragen die Statusvereinbarung mit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) noch nicht unterzeichnet wurde;
Rechtsstaatlichkeit
41. hebt hervor, dass zwar Fortschritte zu würdigen sind, die Reform der Rechtsstaatlichkeit als Rückgrat des demokratischen Wandels jedoch noch vorangetrieben werden muss, um für Rechtssicherheit, Transparenz, den Zugang zur Justiz und das Diskriminierungsverbot Sorge zu tragen;
42. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Empfehlungen aus dem Sonderbericht Nr. 01/22 des Europäischen Rechnungshofs umzusetzen, damit die finanzielle Unterstützung im Westbalkanraum, auch in Nordmazedonien, die gewünschten Auswirkungen auf die Rechtsstaatlichkeit hat;
43. begrüßt weitere Maßnahmen zur Konsolidierung der Erfolgsbilanz bei der Ermittlung, Verfolgung und Verhandlung von Fällen von Korruption und organisierter Kriminalität – auch großer Fälle – sowie zur Stärkung unabhängiger Aufsichtsorgane und der Justizsysteme;
44. weist darauf hin, dass bei den Aktualisierungen des Strafgesetzbuchs unter anderem die Bestimmungen über Gewalt gegen Frauen, Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche, Korruption, die Einziehung von Vermögenswerten und die Verbreitung von Desinformation berücksichtigt werden sollten und dass dadurch die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, auch beim illegalen Holzeinschlag, gestärkt werden sollte;
45. betont, dass Fortschritte bei der Justizreform erzielt werden müssen, damit die institutionelle Unabhängigkeit, die Finanzierung, die Qualität, die Koordinierung und die Transparenz der Justiz und das Funktionieren ihrer Selbstverwaltungsorgane gestärkt werden; fordert die politischen Kräfte nachdrücklich auf, sich rasch auf die Ernennung von Verfassungsrichtern zu einigen, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Verfassungsgerichts sicherzustellen;
46. begrüßt die beträchtlichen Fortschritte, die erzielt wurden, und unterstützt die durchgesetzten Maßnahmen im Bereich der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, z. B. im Rahmen des Korruptionsbekämpfungsplans „Aktion 21“, unter anderem durch vorausschauende Ermittlungen der Staatlichen Kommission für die Korruptionsprävention und der für organisierte Kriminalität und Korruption zuständigen Staatsanwaltschaft, deren Priorität auf Verurteilungen und der Einziehung von Erträgen aus Straftaten in großen Fällen liegt; fordert die Mitgliedstaaten auf, die grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Westbalkanländern unter uneingeschränkter Achtung des Besitzstands der EU im Bereich des Datenschutzes zu verbessern;
47. fordert, dass die Maßnahmen für die Reform der Sicherheits- und Nachrichtendienste abgeschlossen werden und dass dabei für deren Unabhängigkeit und eine sinnvolle parlamentarische Kontrolle gesorgt wird; fordert die Aktualisierung des Schutzmechanismus für Hinweisgeber, wobei die Angleichung an die EU-Richtlinie über Hinweisgeber(8) und die Empfehlung CM/Rec(2014)7 des Europarates zum Schutz von Hinweisgebern und die Umsetzung dieser Empfehlung verbessert werden müssen und für eine effiziente Umsetzung des kürzlich geänderten Lobbygesetzes gesorgt werden muss;
48. betont, dass weiter daran gearbeitet werden muss, die rechtliche Rechenschaftspflicht zu etablieren, auch in allen großen Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Amtsmissbrauch, Straflosigkeit der Polizei, Korruption, den Angriffen auf das Parlament Nordmazedoniens im Jahr 2017, illegalen Abhörmaßnahmen und Erpressung;
49. hebt hervor, dass kohärente und vorausschauende Ermittlungen, Strafverfolgung und abschließende Verurteilungen in Fällen von Großkorruption von großer Bedeutung sind;
50. fordert ein entschiedenes Vorgehen gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität im Rahmen einer erweiterten Koordinierung, auch mit Europol, sowie die vollständige Angleichung an und die Achtung des Besitzstands der EU im Bereich des Datenschutzes; fordert nachdrücklich, die Stärkung der Kapazität der Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Terrorismus und der Radikalisierung; fordert die staatlichen Stellen auf, die erforderlichen Rechtsvorschriften zu erlassen und umzusetzen, mit denen die Tätigkeit der Vermögensabschöpfungsstelle geregelt und die Wirksamkeit des nationalen Vermögensabschöpfungssystems verbessert wird;
51. begrüßt die bislang erzielten anhaltenden Fortschritte, die zu systematischen Verbesserungen beim Vorgehen gegen den Handel mit Menschen, Drogen, Feuerwaffen und Waren sowie gegen Cyberkriminalität und ‑überwachung, Gewaltverbrechen, Extremismus und Terrorismusbedrohungen führen dürften; würdigt Untersuchungen und die laufende bilaterale und internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf die Zerschlagung länderübergreifender krimineller Netze, auch mit den internationalen Agenturen und den EU-Agenturen im Bereich Justiz und Inneres wie Eurojust, Europol und Frontex, die ihre Maßnahmen gegen den Handel mit Menschen, Drogen und illegalen Waffen sowie die Gefahr der Radikalisierung verstärkt haben; weist auf die politische, operative und logistische Unterstützung Nordmazedoniens für Frontex und die Grenz- und Küstenwache der Mitgliedstaaten hin; fordert Nordmazedonien nachdrücklich auf, seine Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen, Desinformation und Falschinformationen zu stärken; missbilligt die Cyberangriffe auf die Institutionen des Landes;
Sozioökonomische Reformen
52. nimmt die schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der COVID‑19-Krise zur Kenntnis und unterstützt das Spektrum der Maßnahmen, die die staatlichen Stellen ergriffen haben, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und die sozioökonomischen Auswirkungen der Krise abzufedern, einschließlich der sinnvollen Nutzung der umfangreichen Unterstützung, die die EU in Form von finanzieller Hilfe, medizinischer Ausrüstung und Impfstoffen leistet; begrüßt, dass sich Nordmazedonien im Jahr 2021 schneller als erwartet erholt hat und ein verstärktes Wirtschaftswachstum verzeichnet;
53. empfiehlt Nordmazedonien, im Rahmen des Finanzierungsplans für die Wachstumsbeschleunigung weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsklimas und der entsprechenden Infrastruktur, zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, zur Modernisierung der Bildung, zur Erweiterung des Sozialversicherungsschutzes, zur Förderung des digitalen Wandels und zur Reform der Energie- und Verkehrsmärkte zu ergreifen und die kurzfristigen Maßnahmen zur Abschwächung der Auswirkungen der Pandemie und zur Entschärfung der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise dadurch zu ergänzen;
54. begrüßt die Schritte, die zur Einführung eines auf progressiven Steuersätzen basierenden Systems einer direkten personenbezogenen Besteuerung unternommen wurden; weist auf die Rückkehr zu einem Modell der pauschalen Besteuerung hin; bestärkt die Regierung darin, das Steuerrecht zu modernisieren und dabei einen stärkeren Schwerpunkt auf progressive Einkommenssteuersätze und die Besteuerung von Eigentum und Umweltfaktoren zu legen, um Beträge in ausreichender Höhe zu generieren, mit denen sich Sozialreformen umsetzen und Ungleichheit bekämpfen lassen;
55. bestärkt die staatlichen Stellen darin, Armut und soziale Ausgrenzung zu verringern, indem der universelle Zugang zu Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsdiensten verbessert wird, insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen und gefährdete Gruppen;
56. fordert Nordmazedonien auf, weitere Fortschritte bei der Umsetzung von Reformen in den Bereichen Jugend und Bildung zu erzielen; fordert die Überarbeitung des Gesetzes über die Sekundarbildung im Rahmen eines inklusiven Prozesses, an dem Sachverständige, Fachkräfte und die Zivilgesellschaft beteiligt sind, wobei besonderes Augenmerk auf die Rechte von Schülern mit Behinderungen zu richten ist;
57. fordert Nordmazedonien auf, das Potenzial der Digitalisierung weiterhin zu nutzen, um im Einklang mit dem Besitzstand der EU Abläufe in den Bereichen Verwaltung, Wahlen, Justiz, Soziales, Gesundheit, Steuern und Wirtschaft zu modernisieren, die Transparenz und die Rechenschaftspflicht zu erhöhen und gegen Korruption und informelle Wirtschaft vorzugehen; betont, dass die Unterstützung der EU für Rechtsstaatlichkeit, nachhaltiges ökologisches Wachstum, biologische Vielfalt, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, Eigentumsrechte und die Umkehr der Abwanderung hochqualifizierter Kräfte und des Bevölkerungsrückgangs gesteigert werden muss; betont, dass Investitionen in die Stärkung der Stellung sowie die Inklusion junger Menschen aufgestockt und Maßnahmen zur Senkung der hohen Jugendarbeitslosigkeit ergriffen werden müssen;
58. begrüßt die Umsetzung der Jugendgarantie in Nordmazedonien als Programm zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit, bei dem insbesondere die wirtschaftliche Unsicherheit und die verschlechterten Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen während der COVID-19-Pandemie berücksichtigt werden; bekräftigt die Bedeutung der Mittel, die im Rahmen des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan zugunsten von Vorzeigeprojekten wie der Jugendgarantie in Nordmazedonien bereitgestellt werden;
59. weist erneut darauf hin, dass für die begrüßenswerte EU-Finanzierung im Rahmen des IPA III und des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan eine strikte Konditionalität vorgesehen ist; betont, dass im Rahmen des IPA III vorgesehen ist, dass Finanzmittel im Fall eines erheblichen Rückschritts oder des dauerhaften Fehlens von Fortschritten im Bereich der sogenannten wesentlichen Elemente, also im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, sowie im Bereich der Medienfreiheit angepasst oder sogar ausgesetzt werden müssen; betont, dass es im Sicherheitsinteresse und in der Verantwortung der EU liegt, dafür zu sorgen, dass mit EU-Mitteln kein Beitrag zu Korruption geleistet wird; fordert die EU und die Westbalkanländer in diesem Zusammenhang auf, die grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit auszuweiten und einen Rahmen für eine effiziente Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft zu schaffen, insbesondere in Verbindung mit den Mitteln aus dem IPA III; betont, dass die Außenwirkung der EU-Finanzierung verbessert und dafür gesorgt werden muss, dass alle Investitionen mit den Zielen des Übereinkommens von Paris und den Dekarbonisierungszielen der EU im Einklang stehen;
60. begrüßt die Annahme des Wirtschafts- und Investitionsplans und der grünen Agenda für den Westbalkan, durch die die langfristige wirtschaftliche Erholung der Region angekurbelt, der grüne und der digitale Wandel unterstützt und die regionale Vernetzung sowie die Konvergenz mit der Europäischen Union gefördert werden sollen; weist erneut auf das Potenzial der europäischen Zusammenarbeit in Bereichen wie Wasserwirtschaft, Abwasser- und Abfallbehandlungstechnologien, erneuerbare Energie, Agrar- und Lebensmittelverarbeitungstechnologien, IKT, Arzneimittel und medizinische Ausrüstung hin; betont, dass eine verstärkte Koordinierung mit internationalen Organisationen wie dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen wichtig ist, wenn es darum geht, den Klimawandel anzugehen und die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen;
Umwelt, Energie und Verkehr
61. fordert die Regierung nachdrücklich auf, ihre Ambitionen beträchtlich zu verstärken und ihren politischen Willen für die Umsetzung der Empfehlungen in Bezug auf den grünen Wandel, insbesondere im Zusammenhang mit der grünen Agenda für den Westbalkan, erheblich zu steigern und dabei das Potenzial des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan auszuschöpfen;
62. begrüßt die aktualisierten Klimaschutzzusagen Nordmazedoniens, wonach die Treibhausgasemissionen bis 2030 netto um 82 % gesenkt werden sollen, und fordert gleichzeitig, dass das Übereinkommen von Paris unter anderem durch die Annahme einer umfassenden Klimastrategie und eines Gesetzes, die mit dem EU-Rahmen 2030 im Einklang stehen, umgesetzt wird; weist erneut darauf hin, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, damit die Ziele in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energie, Versorgungssicherheit und Emissionsreduzierung erreicht werden können; fordert die EU nachdrücklich auf, ihre Unterstützung zu verstärken, um der Tendenz entgegenzuwirken, dass sich angesichts der weltweiten Energiekrise eine Umkehr der Nachhaltigkeitswende – Kohleausstieg und allmählicher Ausstieg aus fossilen Energiequellen – vollzieht; fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, die Umwelt- und Klimaschutzvorschriften mit dem EU-Besitzstand in Einklang zu bringen und für ihre Durchsetzung zu sorgen;
63. betont, dass die Luftqualität unbedingt verbessert werden muss, insbesondere in städtischen Gebieten; fordert die staatlichen Stellen mit Nachdruck auf, die Maßnahmen in den Bereichen biologische Vielfalt, Wasser, Luft- und Klimaschutz und Recycling sowie die regionale Abfallbewirtschaftung zu verstärken, etwa durch umfassende Folgenabschätzungen, ordnungsgemäße öffentliche Konsultationen, eine verbesserte sektorenübergreifende Koordinierung, eine Aufstockung der finanziellen Mittel und eine strenge strafrechtliche Verfolgung von Umweltstraftaten;
64. fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, die Qualität ihrer strategischen Umweltprüfungen (SUP) deutlich zu verbessern und die SUP-Richtlinie(9) umzusetzen und durchzusetzen, um negative ökologische Auswirkungen konkret zu verhindern und der Korruption in diesem Bereich ein Ende zu bereiten; fordert die staatlichen Stellen auf, den Empfehlungen von Umweltorganisationen und unabhängigen Sachverständigen zu den vorgeschlagenen Änderungen des Urbanisierungsgesetzes in vollem Umfang Rechnung zu tragen;
65. legt der Kommission nahe, Nordmazedonien bei der Ausarbeitung und Umsetzung eines Aktionsplans zur Verringerung seiner Abhängigkeit von Gas- und Energieeinfuhren aus Russland umfassend zu unterstützen, damit die Widerstandsfähigkeit und Energieversorgungssicherheit verbessert und das Land in die Lage versetzt wird, das EU-Ziel der Klimaneutralität zu erreichen; nimmt zur Kenntnis, dass das Land eine allmähliche Angleichung an das dritte Energiepaket der EU vornimmt und fordert mit Nachdruck, die Entflechtung im Bereich Gasfernleitungen abzuschließen und die Rechtsvorschriften im Bereich der Energieeffizienz umzusetzen;
66. fordert das Land nachdrücklich auf, verstärkte Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie der regionalen Anbindung zu ergreifen; weist erneut darauf hin, dass der zügige Abschluss großer regionaler Infrastrukturprojekte unter vollständiger Wahrung der ordnungsgemäßen Verfahren für die erforderlichen umfassenden Folgenabschätzungen wichtig ist, insbesondere im Hinblick auf die Eisenbahn- und Autobahnkorridore VIII und X, die Gasverbindungsleitungen mit Bulgarien, Griechenland, dem Kosovo und Serbien und die Stromverbindungsleitung nach Albanien;
67. begrüßt die Aufnahme einer Flugverbindung zwischen Skopje und Sofia und legt die Verbesserung weiterer Verkehrsverbindungen sowie die Eröffnung neuer Grenzkontrollstellen zu den Nachbarländern nahe;
68. begrüßt die Abschaffung der Roaming-Gebühren zwischen Nordmazedonien und fünf weiteren Westbalkanstaaten am 1. Juli 2021; fordert in diesem Zusammenhang nachdrücklich die Erstellung eines Fahrplans für ein beschleunigtes Verfahren zur Senkung und Abschaffung der Roaming-Gebühren für alle Mitgliedstaaten;
Regionale Zusammenarbeit und Außenpolitik
69. fordert die EU auf, vor dem Hintergrund der Aggression Russlands gegen die Ukraine die historisch bedeutenden sicherheitspolitischen Auswirkungen auf die Stabilität und Einheit des europäischen Kontinents und des Westbalkanraums kritisch zu beurteilen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Einheit Europas unter Beweis zu stellen und offiziell Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aufzunehmen, sowohl aufgrund der geopolitischen Tragweite als auch aufgrund des Umstands, dass sie die offiziellen Kriterien erfüllen, da dies eine Investition in die Glaubwürdigkeit der EU sowie in die Stabilität, den Wohlstand und die laufende Aussöhnung in der Region ist;
70. begrüßt das Engagement Nordmazedoniens für Solidarität, Multilateralismus und gutnachbarschaftliche Beziehungen; bringt seine Unterstützung für das europäische Aufbauwerk und weitere Maßnahmen zur Förderung von zwischenmenschlichen Kontakten in ganz Südosteuropa und einer inklusiven regionalen Integration, durch die die gesamte Region näher an die EU herangeführt wird, zum Ausdruck; bringt seine Unterstützung für inklusive regionale Programme der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zum Ausdruck, mit denen eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen allen sechs Ländern eingeführt, die Angleichung an die Normen und den Besitzstand der EU verstärkt und zum europäischen Aufbauwerk beigetragen wird;
71. sieht Nordmazedoniens Vorsitz in der OSZE im Jahr 2023 erwartungsvoll entgegen, weil dadurch seine internationale Verantwortung und Zuverlässigkeit als NATO-Mitglied und künftiges EU-Mitglied sowie sein Beitrag zur Förderung der OSZE-Grundprinzipien im Bereich Sicherheit, Menschenrechte und Demokratie zum Ausdruck gebracht werden; würdigt Nordmazedoniens beispielhaft zügige Integration in die NATO-Strukturen, durch die seine sicherheitsstrategische Entscheidung hervorgehoben und somit ein Beitrag zur Stabilität im Westbalkanraum geleistet wird;
72. begrüßt den fortwährenden Einsatz Nordmazedoniens für den euro-atlantischen Sicherheitsrahmen; würdigt die vollständige Anpassung des Landes an die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU; begrüßt seine anhaltenden Beiträge zu Krisenbewältigungsmaßnahmen der EU und zu NATO-geführten Operationen; würdigt, dass sich das Land rasch den Sanktionen angeschlossen hat, die im Zusammenhang mit der Aggression Russlands – deren Ziel die Aushöhlung der territorialen Integrität und der Souveränität der Ukraine ist – verhängt wurden, wodurch es eine vollständige Übereinstimmung im außenpolitischen Bereich erreicht hat;
73. nimmt zur Kenntnis, dass in der gesamten Region die Gefahr einer zunehmenden Wirtschafts- und Energieabhängigkeit von China und Russland besteht; ist besorgt über die Anfälligkeit und Abhängigkeit, die sich aus mit chinesischen Krediten finanzierten Investitionen ergibt; begrüßt, dass sich Nordmazedonien für die Grenzsicherheit sowie im Rahmen der Initiative „Clean Network“ für Datenschutz und die Datensicherheit engagiert;
74. begrüßt den laufenden Prozess der Stärkung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu den Nachbarländern und der verstärkten regionalen Zusammenarbeit, der im Prespa-Abkommen mit Griechenland und im Vertrag über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit mit Bulgarien zum Ausdruck kommt; fordert alle Parteien auf, weiterhin einen konstruktiven Dialog zu führen, um nach Treu und Glauben für die vollständige und einheitliche Umsetzung dieser Übereinkommen zu sorgen, und gleichzeitig von Maßnahmen abzusehen, durch die das europäische Aufbauwerk und die allgemeinen Interessen der EU angesichts von Einflussnahme aus dem Ausland geschwächt werden könnten; fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen um die Förderung des Dialogs zu intensivieren und so den Weg für eine tragfähige und dauerhafte Vereinbarung zu ebnen;
75. bestärkt Bulgarien und Nordmazedonien darin, eine für beide Seiten annehmbare Lösung für offene bilaterale Fragen zu finden; begrüßt nachdrücklich die politischen Impulse für ein breit angelegtes, konstruktives Engagement beider Seiten, nach einer neuen gemeinsamen Grundlage in mehreren Bereichen von beiderseitigem Interesse zu suchen, anstatt weitere Trennlinien zu ziehen; legt den Partnern nahe, dieses Engagement nach Treu und Glauben und in Übereinstimmung mit dem Vertrag über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit zu forcieren und Beitrittsverhandlungen aufzunehmen und dabei die noch offenen bilateralen Fragen im Rahmen der sogenannten 4+1-Maßnahmen, die im Zuge des EU-Integrationsprozesses hinlänglich umgesetzt und behandelt werden müssen, zu lösen; fordert die Partner nachdrücklich auf, sich aufrichtig darum zu bemühen, schnellstmöglich für beide Seiten annehmbare, ausgewogene und tragfähige Lösungen für die noch offenen bilateralen Fragen zu finden; begrüßt, dass die Tätigkeit des gemeinsamen multidisziplinären Sachverständigenausschusses für historische und bildungspolitische Fragen von Bulgarien und Nordmazedonien wieder aufgenommen wurde, wodurch die Gesellschaften einander angenähert werden, ohne dass der Beitrittsprozess Nordmazedoniens beeinträchtigt wird;
76. bekräftigt seine Forderung nach einer historischen Aussöhnung, wie sie im Vertrag über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit vereinbart ist und die auf der dargelegten gemeinsamen Geschichte beruht;
77. bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für die konsequente und beschleunigte beiderseitige Umsetzung des Prespa-Abkommens mit Griechenland als wichtigen Bestandteil der bilateralen Beziehungen, einschließlich der ausstehenden Ratifizierung der von beiden Ländern unterzeichneten Memoranden;
78. beglückwünscht Nordmazedonien zur Eröffnung des Prespa-Forums als regionale Plattform zur Anregung und Förderung des Dialogs, der Aussöhnung, der gutnachbarschaftlichen Beziehungen und der regionalen Zusammenarbeit im Geiste des europäischen Aufbauwerks;
79. fordert alle politischen Entscheidungsträger in der Region erneut dazu auf, die Regionalkommission zur Feststellung der Tatsachen hinsichtlich auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens begangener Kriegsverbrechen und sonstiger schwerer Menschenrechtsverletzungen (RECOM) einzurichten und dabei auf der bedeutenden Arbeit der Koalition für die RECOM aufzubauen;
80. fordert nachdrücklich, dass die Arbeiten in Bezug auf Schulbücher für das Fach Geschichte in Bulgarien und Nordmazedonien wieder aufgenommen werden; betont, dass sich in den Texten die Auslegung historischer Fakten und Zahlen aus der gemeinsamen Geschichte beider Völker auf der Grundlage authentischer historischer Dokumente und Quellen niederschlagen sollte; vertritt die Auffassung, dass die beiden Länder ihre Beziehungen auf dieser Grundlage aufbauen sollten und dass sich die bildungspolitischen Entwicklungen in den beiden Ländern auf das Verhältnis zwischen den künftigen Generationen Nordmazedoniens und Bulgariens auswirken werden;
81. verurteilt alle Versuche, historische Denkmäler und/oder Artefakte zu ersetzen, wozu auch die Zerstörung des authentischen Kulturerbes zählt, und alle Versuche, die Geschichte umzuschreiben; betont, dass solche Vorfälle Anlass zu erheblicher Besorgnis geben, auch im Zusammenhang mit der unzureichenden Umsetzung des Vertrags von 2017 über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit;
o o o
82. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten, der Regierung und der Versammlung der Republik Nordmazedonien zu übermitteln.
Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).
Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 vom 21.7.2001, S. 30).
Bericht 2021 über Albanien
185k
64k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Bericht 2021 der Kommission über Albanien (2021/2244(INI))
– unter Hinweis auf das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Albanien andererseits(1),
– unter Hinweis auf den Antrag Albaniens vom 24. April 2009 auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/1529 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. September 2021 zur Schaffung des Instruments für Heranführungshilfe (IPA III)(2),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19./20. Juni 2003 und die Agenda von Thessaloniki für die westlichen Balkanstaaten,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 26./27. Juni 2014 und den darin enthaltenen Beschluss, Albanien den Status eines Bewerberlandes im Hinblick auf die EU-Mitgliedschaft zu gewähren,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17./18. Oktober 2019,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Juni 2019, 25. März 2020 und 14. Dezember 2021 zur Erweiterung sowie zum Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. Februar 2020 mit dem Titel „Stärkung des Beitrittsprozesses – Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ (COM(2020)0057),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 29. April 2020 mit dem Titel „Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie“ (COM(2020)0315),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. Juli 2020 mit dem Titel „EU-Aktionsplan gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen (2020–2025)“ (COM(2020)0608),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Oktober 2020 mit dem Titel „Ein Wirtschafts- und Investitionsplan für den Westbalkan“ (COM(2020)0641),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. April 2021 über eine EU-Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität 2021–2025 (COM(2021)0170),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. Oktober 2021 mit dem Titel „Mitteilung 2021 über die Erweiterungspolitik der EU“ (COM(2021)0644) und die entsprechende Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen mit dem Titel „Albania 2021 Report“ (Bericht 2021 über Albanien) (SWD(2021)0289),
– unter Hinweis auf die Konvention des Europarates über Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten,
– unter Hinweis auf den Bericht des Europarats „Beyond Definitions: a call for action against hate speech in Albania – a comprehensive study“ („Mehr als Definitionen: ein Aufruf zu Maßnahmen gegen Hetze in Albanien – eine umfassende Studie“) vom November 2021,
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom 26. Juli 2021 über die Parlamentswahl in der Republik Albanien vom 25. April 2021,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme der Venedig-Kommission vom 14. Dezember 2021 zur Verlängerung der Amtszeit der Übergangsgremien, die für die Neubewertung von Richtern und Staatsanwälten zuständig sind,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Stellungnahme der Venedig-Kommission und des BDIMR der OSZE vom 11. Dezember 2020 zu den Änderungen der albanischen Verfassung vom 30. Juli 2020 und den Änderungen des Wahlgesetzes vom 5. Oktober 2020,
– unter Hinweis auf alle anderen Stellungnahme der Venedig-Kommission zu Albanien,
– unter Hinweis auf das Gipfeltreffen vom 10. November 2020 in Sofia, einschließlich der Erklärung zum Gemeinsamen Regionalen Markt und der Erklärung zur Grünen Agenda für den Westbalkan,
– unter Hinweis auf die auf dem Gipfeltreffen EU-Westbalkan vom 17. Mai 2018 abgegebene Erklärung von Sofia und die Prioritätenagenda von Sofia,
– unter Hinweis auf das Gipfeltreffen EU-Westbalkan vom 6. Mai 2020 in Zagreb und die auf dem Gipfeltreffen angenommene Erklärung,
– unter Hinweis auf das Gipfeltreffen EU-Westbalkan vom 6. Oktober 2021 in Brdo pri Kranju und die auf dem Gipfeltreffen angenommene Erklärung,
– unter Hinweis auf das 8. Gipfeltreffen im Rahmen des Berlin-Prozesses vom 5. Juli 2021,
– unter Hinweis auf das Ministerforum EU-Westbalkan für Justiz und Inneres vom 1. bis 3. Dezember 2021 in Brdo pri Kranju und die gemeinsame Presseerklärung,
– unter Hinweis auf die Abschlusserklärung des 8. Forums der Zivilgesellschaft des Westbalkans vom 1. Oktober 2021,
– unter Hinweis auf den Sonderbericht 1/2022 des Europäischen Rechnungshofs vom 10. Januar 2022 mit dem Titel „EU-Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit in den Staaten des westlichen Balkans: trotz Bemühungen bestehen weiterhin grundlegende Probleme“,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Oktober 2019 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien(3),
– unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 19. Juni 2020 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zum westlichen Balkan im Anschluss an das Gipfeltreffen 2020(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2020 zu der Stärkung der Medienfreiheit: Schutz von Journalisten in Europa, Hetze, Desinformation und die Rolle von Plattformen(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2021 zu der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Westlichen Balkan(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2022 zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation(7),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Albanien,
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9–0131/2022),
A. in der Erwägung, dass die Erweiterung eines der wirksamsten Instrumente des auswärtigen Handelns der Union ist, da damit dazu beigetragen wird, die geografische Reichweite der Grundwerte der Union – nämlich Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Friedenssicherung und Achtung der Menschenrechte – auszuweiten;
B. in der Erwägung, dass die europäische Integration ein Ausdruck des Strebens der Bürgerinnen und Bürger Albaniens nach Demokratie und Wohlstand ist und dass sie einen kraftvollen Katalysator für Reformen darstellt, durch die das Funktionieren der staatlichen Institutionen und die Lebensqualität verbessert würden;
C. in der Erwägung, dass die Aussicht, dass Albanien aufgrund seiner Verdienste der EU beitritt, im politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interesse der Union selbst liegt;
D. in der Erwägung, dass Albanien seit 2014 Bewerberland ist und dass die Kommission seit 2018 die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Albanien empfiehlt und schließlich am 1. Juli 2020 den Entwurf eines Verhandlungsrahmens für Albanien vorgelegt hat;
E. in der Erwägung, dass die EU den Ländern, die der EU beitreten wollen, einen klaren und verlässlichen Weg vorgeben muss; in der Erwägung, dass der Zeitplan für den Beitritt von der Qualität der erforderlichen Reformen eines Landes abhängen sollte; in der Erwägung, dass Albanien seine Anstrengungen verstärkt und in Bereichen, die vom Rat als notwendig für die Annahme des Verhandlungsrahmens im Vorfeld der ersten Regierungskonferenz identifiziert wurden, konkrete und nachhaltige Ergebnisse erzielt hat;
F. in der Erwägung, dass Albanien die Konsolidierung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, einschließlich des Schutzes von Personen, die Minderheiten angehören, sowie die Korruptionsbekämpfung als wichtige Messlatten zur Beurteilung der Fortschritte in Richtung eines Beitritts zur EU weiter vorantreiben muss;
G. in der Erwägung, dass die EU weiterhin uneingeschränkt verpflichtet ist, die strategische Entscheidung Albaniens für den Beitritt zur EU auf der Grundlage gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu unterstützen, und nach wie vor der größte Handels- und Investitionspartner Albaniens ist und ihm die meiste finanzielle Unterstützung gewährt; in der Erwägung, dass das Land seit 2007 im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA I und II) EU-Beihilfen in Höhe von 1,24 Mrd. EUR erhalten hat;
H. in der Erwägung, dass die EU ihr Engagement für die europäische Perspektive der Länder des Westbalkans unter Beweis gestellt und 3,3 Mrd. EUR mobilisiert hat, um die unmittelbare Gesundheitskrise zu bewältigen und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Covid-19-Pandemie abzumildern;
I. in der Erwägung, dass durch eine böswillige ausländische direkte und indirekte Einmischung und Desinformation das Ziel verfolgt wird, Zwietracht, Gewalt und interethnische Spannungen zu säen und die gesamte Region zu destabilisieren;
J. in der Erwägung, dass Albanien in voller Übereinstimmung mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und mit seinen Anstrengungen, die regionale Zusammenarbeit und gutnachbarschaftliche Beziehungen zu fördern, ein wichtiger geopolitischer Verbündeter und ein vertrauenswürdiger außenpolitischer Partner bleibt;
K. in der Erwägung, dass Albanien sich den Anstrengungen der EU zur Unterstützung der Ukraine angeschlossen hat, indem es Russland mit Sanktionen belegt hat, sich bei den Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen der Linie der EU-Mitgliedstaaten angeschlossen hat und in seiner Eigenschaft als Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen tätig geworden ist;
L. in der Erwägung, dass Albanien sich stetig dafür eingesetzt hat, alle Bedingungen für die Planung der ersten Regierungskonferenz zu erfüllen – wie bereits im Bericht des Parlaments über den Bericht 2019–2020 der Kommission zu Albanien bekräftigt wurde –, und Fortschritte in seinem Beitrittsprozess erzielt;
M. in der Erwägung, dass die Bürgerinnen und Bürger Albaniens seit Dezember 2010 visumfrei in den Schengen-Raum einreisen und seit 2015 im Rahmen des Programms Erasmus+ am Studenten-, Hochschul- und Jugendaustausch teilnehmen können;
1. bekräftigt, dass es den demokratischen Wandel Albaniens nachdrücklich unterstützt, der durch die strategische Ausrichtung des Landes und seinen unerschütterlichen Einsatz für das europäische Aufbauwerk sowie gutnachbarschaftliche Beziehungen und integrative regionale Zusammenarbeit untermauert wird; bekräftigt die europäische Zukunft Albaniens und des gesamten Westbalkans;
2. bedauert, dass die längst überfälligen Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien noch nicht aufgenommen wurden; hebt seine uneingeschränkte Solidarität und sein Mitgefühl mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Länder hervor; ist der Auffassung, dass dieses Versäumnis, durch das die Einstellung der Öffentlichkeit zur EU untergraben wird, eine ernsthafte Gefahr für die gesamte Erweiterungspolitik der EU darstellt, da dadurch dem Ruf der EU als zuverlässiger Partner und ernstzunehmender geopolitischer Akteur geschadet wird;
3. fordert den Rat nachdrücklich auf, die Glaubwürdigkeit des europäischen Aufbauwerks zu wahren, indem – wie von der Kommission ständig empfohlen – umgehend Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien aufgenommen werden, da beide Länder die vom Europäischen Rat festgelegten Bedingungen erfüllen und in grundlegenden Bereichen weiterhin anhaltende Ergebnisse erzielen; fordert die Mitgliedstaaten auf, uneingeschränktes politisches Engagement für die Erweiterung zu zeigen und einen glaubwürdigen Anreiz für die Reformbemühungen in anderen Bewerberländern oder möglichen Bewerberländern zu setzen, indem mit Albanien und Nordmazedonien Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden;
4. weist auf den transformativen Charakter der Beitrittsverhandlungen hin, die im Rahmen des überarbeiteten Erweiterungsverfahrens unter Berücksichtigung des breiteren geostrategischen Kontexts, einschließlich der böswilligen Aktivitäten mit dem Ziel, eine umfangreichere EU-Integration des Westbalkans und die Stabilität der Länder des Westbalkans zu untergraben, geführt werden müssen;
5. weist darauf hin, dass der Beitritt Albaniens zur EU von dauerhaften, tief greifenden und unumkehrbaren Reformen in grundlegenden Bereichen abhängt, angefangen bei der Rechtsstaatlichkeit und der Funktionsweise der demokratischen Institutionen; betont, dass das Tempo des leistungsbezogenen Beitritts zur EU von den Fortschritten bei der ordnungsgemäßen Arbeitsweise aller Institutionen abhängen sollte und auf der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, der verantwortungsvollen Staatsführung und der Achtung der Grundrechte beruht; fordert Albanien nachdrücklich auf, sich weiterhin und noch stärker darum zu bemühen, die Arbeitsweise der Justiz zu verbessern, die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Wirtschaft zu stärken, der Zivilgesellschaft zu Handlungsfähigkeit zu verhelfen, gegen Korruption und organisierte Kriminalität vorzugehen sowie für Medienfreiheit und den Schutz der Rechte von Minderheiten, einschließlich der LGBTI+-Gemeinschaft, zu sorgen; weist erneut darauf hin, dass die Bewerberländer einen tiefgreifenden Wandel vollziehen, um im Zuge der Beitrittsverhandlungen, die so lange dauern, wie es nötig ist, die erforderlichen Reformen für die Erfüllung der Beitrittskriterien durchzuführen;
Demokratische Institutionen, Medien und Zivilgesellschaft
6. bekräftigt, dass die politischen Kräfte Albaniens gemeinsam dafür zuständig sind, den konstruktiven politischen Dialog und die Zusammenarbeit zu stärken und dafür zu sorgen, dass die demokratischen Institutionen des Landes wirksam arbeiten können, indem die Regierungsführung, die Transparenz und der Pluralismus weiter verbessert werden und die aktive Mitwirkung der Zivilgesellschaft ermöglicht wird; bringt seine tiefe Besorgnis über das polarisierte politische Klima und das Fehlen einer nachhaltigen parteiübergreifenden Zusammenarbeit zum Ausdruck, wodurch der demokratische Prozess weiterhin behindert wird; weist erneut darauf hin, wie wichtig es ist, einen Konsens zwischen allen politischen Akteuren erzielen, um in Albanien die demokratische parlamentarische Kultur, die konstruktive parlamentarische Tradition, das Vertrauen und den echten Dialog zwischen den Parteien zu stärken; befürwortet in diesem Zusammenhang die Nutzung des Jean-Monnet-Dialogs;
7. begrüßt alle Anstrengungen, im Vorfeld der Parlamentswahl 2021 die Polarisierung zu verringern, wodurch die Oppositionsparteien wieder in den politischen Prozess im Parlament einbezogen wurden; bedauert die nicht einvernehmlichen Änderungen der Verfassung und des Wahlrechts durch die Regierungsmehrheit vor den Parlamentswahlen; fordert die politischen Parteien Albaniens auf, beim Umgang mit Angelegenheiten von öffentlichem Interesse politische Reife zu zeigen und eine wettbewerbliche innerparteiliche Demokratie und Integrität als Sprungbrett für Pluralismus und demokratischen Wandel zu stärken;
8. weist erneut darauf hin, dass die verbliebenen Mängel bei Wahlen im Einklang mit den Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission rechtzeitig vor der nächsten Wahl behoben werden müssen, indem die Zugänglichkeit und Integrität der Wahlen weiter verbessert und der Stimmenkauf sowie die missbräuchliche Verwendung öffentlicher Mittel verhindert werden, unter anderem durch Digitalisierung, Transparenz, Datenschutz, einen gleichberechtigten Zugang zu den Medien und überarbeitete Rechtsvorschriften und Bestimmungen für die Parteienfinanzierung und Parteiverfassungen; stellt fest, dass die Parlamentswahl 2021 trotz dieser Defizite und Probleme im Allgemeinen gut organisiert und von Wettbewerb geprägt war; bedauert, dass es in Fällen von Stimmenkäufen durch hochrangige Personen nicht zu rechtskräftigen Verurteilungen gekommen ist; schlägt vor, im Vorfeld der nächsten Parlamentswahl eine EU-Wahlbeobachtungsmission nach Albanien zu entsenden;
9. ist besorgt angesichts der anhaltenden hetzerischen Rhetorik, auch durch hochrangige Politiker und Beamte sowie sonstige öffentliche Personen, durch die eine Kultur der Einschüchterung, Diffamierungskampagnen, Gewalt und Unruhen begünstigt werden; fordert die politischen Akteure nachdrücklich auf, bei der Förderung des gesellschaftlichen Dialogs mit gutem Beispiel voranzugehen; fordert, dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die Journalisten angreifen, rechtskräftig verurteilt werden;
10. betont, dass das albanische Parlament (Kuvendi) stärker am EU-Integrationsprozess beteiligt werden muss, um seine Fähigkeiten in den Bereichen Gesetzgebung, Kontrolle und Haushalt weiter auszubauen; fordert das Kuvendi nachdrücklich auf, die Wahl- und Territorialreformen voranzubringen, und begrüßt die Einrichtung der entsprechenden Parlamentsausschüsse;
11. legt der Regierung nahe, die verwaltungstechnischen Vorbereitungen für die bevorstehenden Beitrittsverhandlungen zu beschleunigen und die von den Mitgliedstaaten der EU bereitgestellte Unterstützung und das von ihnen bereitgestellte Know-how bestmöglich zu nutzen; betont, dass kohärente und effiziente Regierungsstrukturen vorhanden sein müssen, damit Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt wirksam koordiniert werden können, unter anderem durch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der maßgeblichen Interessenträger bei gleichzeitiger Wahrung der Transparenz gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit;
12. betont, dass die dienststelleninterne Koordinierung, Bewertung und Überwachung von EU-bezogenen Reformen verbessert, die Dezentralisierung, die landesweite Modernisierung und die Entpolitisierung des öffentlichen Dienstes vorangebracht sowie im Einklang mit den internationalen Standards im Hinblick auf die Transparenz und Vertraulichkeit die Voraussetzungen für die Durchführung der bevorstehenden Volkszählung geschaffen werden müssen, damit alle nationalen Minderheiten korrekt und ohne Angst vor Einschüchterung zahlenmäßig erhoben werden können; weist erneut darauf hin, dass die territoriale Verwaltungsreform im Rahmen der umfassenderen Dezentralisierungsagenda weiter konsolidiert werden muss, um auf lokaler Ebene für Fiskalautonomie zu sorgen und die Gemeinden in die Lage zu versetzen, hochwertige öffentliche Dienstleistungen zu erbringen;
13. weist darauf hin, dass die nationalen und lokalen Behörden die Transparenz, Rechenschaftspflicht und Inklusivität verbessern müssen, indem sie vorausschauende, sinnvolle und regelmäßige öffentliche Konsultationen mit Interessenträgern durchführen und den Nationalen Rat für die Zivilgesellschaft in die Lage versetzen, den Prioritäten zivilgesellschaftlicher Organisationen mehr Nachdruck zu verleihen; fordert die Einrichtung angemessener öffentlicher Konsultationen und eines entsprechenden Dialogs mit der Öffentlichkeit, einschließlich junger Menschen und Minderheiten, unter anderem zu Umweltfragen sowie zu Projekten für den Wiederaufbau und die Urbanisierung; betont, dass die partizipative Demokratie gestärkt werden muss, unter anderem durch die Verabschiedung eines ausgewogenen Referendumsgesetzes; fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, für eine angemessene Finanzierung und eine wirksame und unparteiische Funktionsweise unabhängiger Einrichtungen und Agenturen sowie für eine konsequente Umsetzung von deren Beschlüssen und Empfehlungen zu sorgen;
14. bekräftigt, dass die Kultur der Rechenschaftspflicht, des unabhängigen Zugangs zu öffentlichen Informationen und der Kontrolle öffentlicher Einrichtungen gefördert werden muss, insbesondere durch ein günstiges Steuer- und Sicherheitsumfeld und die Zusammenarbeit mit den Medien und der Zivilgesellschaft; fordert weitere spürbare Fortschritte bei der Verbesserung der rechtlichen und finanziellen Tragfähigkeit und der Selbstregulierung des nichtstaatlichen Sektors und der Medien, einschließlich der Online-Medien;
15. stellt fest, dass in den Bereichen Recht auf freie Meinungsäußerung, Unabhängigkeit der Medien und Medienpluralismus dringend Verbesserungen erzielt werden müssen; erklärt sich besorgt darüber, dass in diesen Bereichen keine Fortschritte erzielt werden, zumal Albanien seit 2018 auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen um acht Plätze nach hinten gerutscht ist;
16. fordert die staatlichen Stellen auf, eine Null-Toleranz-Politik umzusetzen und entschieden gegen Ausgrenzung, Einschüchterung und Gewalt, die gegen unabhängige Medien und Journalisten gerichtet sind, vorzugehen, indem sie Maßnahmen zur Bekämpfung von strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung, Diffamierungskampagnen sowie indirekten politischen und finanziellen politischen Druck treffen, da durch Praktiken dieser Art die Medienfreiheit ernsthaft behindert, Selbstzensur geübt und Bemühungen um die Aufdeckung von Kriminalität und Korruption sowie die unabhängige Berichterstattung darüber in schwerwiegender Weise untergraben werden; fordert die politischen Akteure nachdrücklich auf, es zu unterlassen, mit verbalen Angriffen, Diffamierungskampagnen und Einschüchterungsversuchen, wie etwa gegen Journalisten gerichtete Verleumdungsklagen, darauf hinzuwirken, die Bedeutung des Journalismus und der Unabhängigkeit der Medien zu untergraben oder zu diskreditieren;
17. fordert erneut, die Arbeitsbedingungen von Journalisten durch die Stärkung des Schutzes der Arbeits- und Sozialrechte albanischer Journalisten zu verbessern und Vorschriften zu erlassen, mit denen die Transparenz- und Offenlegungspflichten in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse, die Finanzierungsquellen und die öffentliche Werbung im Medienbereich ausgeweitet werden;
18. weist darauf hin, dass eine Überarbeitung der Mediengesetze durch das Kuvendi im Einklang mit den Empfehlungen der Venedig-Kommission sowie auf transparente und integrative Weise in Abstimmung mit Medienorganisationen erfolgen sollte und dass dabei angestrebt werden sollte, die Medienfreiheit und die Selbstregulierung zu verbessern und Medienkonzentration, Missbrauch, Einmischung aus dem Ausland und Selbstzensur zu verringern; bekräftigt seine tiefe Besorgnis über das zuvor vorgeschlagene sogenannte Anti-Verleumdungs-Paket; begrüßt, dass das Kuvendi ein Verfahren zur Überprüfung der geltenden Gesetze in Bezug auf den Rahmen zur Bekämpfung von Verleumdung eingeleitet hat;
19. weist noch einmal darauf hin, dass der Investigativjournalismus, die Faktenprüfung und die Medienkompetenz gestärkt werden müssen, damit gegen Hetze, Desinformation und gezielte Falschmeldungen vorgegangen werden kann; bekräftigt seine Unterstützung des Selbstregulierungsmechanismus der Medien und betont, dass für eine unabhängige Arbeitsweise der Behörde für audiovisuelle Medien gesorgt werden muss; fordert eine Reform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, um ihre redaktionelle und finanzielle Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Professionalität zu verbessern;
20. betont, dass die neu eingerichtete Medien- und Informationsagentur für mehr Transparenz und Dezentralisierung sorgen sollte und in keiner Weise den gleichberechtigten Zugang von Journalisten zu Informationen aus staatlichen Quellen behindern darf; fordert die Regierung auf, den Zugang zur Berichterstattung über die Regierungsarbeit und deren Kontrolle über offizielle und formelle Kanäle, wie etwa Pressekonferenzen und Interviews, zu verbessern;
21. fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Kommission auf, die Koordinierung zu verbessern und gegen Desinformation und hybride Bedrohungen, mit denen versucht wird, die EU-Perspektive zu untergraben, vorzugehen, indem sie die Relevanz der EU für die Bürgerinnen und Bürger im Westbalkan strategisch stärker hervorheben;
Grundrechte
22. fordert die zuständigen Stellen nachdrücklich auf, alle Fälle von Hetze, Hassverbrechen, verbalen und physischen Angriffen und Einschüchterung, unter anderem gegen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Angehörige schutzbedürftiger Gruppen und Minderheiten, wie LGBTI+-Personen oder Roma, offline wie online systematisch und aktiv zu verhindern, zügig und gründlich zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, um für deren Sicherheit und Schutz zu sorgen; legt dem Amt des Kommissars für den Schutz vor Diskriminierung nahe, bei der Bekämpfung diskriminierender Hetze, insbesondere gegen LGBTI+-Personen, aktiver vorzugehen und eine aufgeschlüsselte Datenerhebung zu diesem Thema zu entwickeln; bestärkt die Regierung darin, eine Definition von Hetze im Strafgesetzbuch in Erwägung zu ziehen;
23. begrüßt die Fortschritte in Bezug auf die Chancengleichheit und fordert weitere Verbesserungen bei der Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter, der Eigentumsrechte, des Datenschutzes, der Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Rechte von Minderheiten in den Bereichen Bildung, Sprachen, Selbstidentifikation und Schutz des kulturellen Erbes; fordert die staatlichen Stellen auf, für die Gleichbehandlung der Minderheiten der LGBTI+-Personen und der Roma zu sorgen und die intersektionale Diskriminierung, der diese Gruppen ausgesetzt sind, durch einen systemischen und wirksamen institutionellen Ansatz zu bekämpfen; begrüßt die Verabschiedung des Durchführungsgesetzes über die Ausbildung von Minderheiten und fordert die Regierung auf, die verbleibenden Durchführungsvorschriften im Zusammenhang mit dem Rahmengesetz über den Schutz nationaler Minderheiten aus dem Jahr 2017 zügig zu verabschieden, einschließlich der Vorschriften über die Selbstidentifikation und den Gebrauch von Minderheitensprachen; fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, für einen diskriminierungsfreien Zugang zur Bildung zu sorgen, und fordert Albanien auf, die Eigentumsrechte und das kulturelle Erbe aller ethnischen und nationalen Minderheiten wirksam zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass Minderheiten Chancengleichheit erhalten und im politischen und kulturellen Leben, in den öffentlichen Medien, in der Verwaltung sowie in der Justiz angemessen vertreten sind;
24. fordert weitere Anstrengungen, um dafür Sorge zu tragen, dass alle Menschen mit Behinderungen, die zu den am stärksten von der Covid-19-Pandemie betroffenen Menschen gehören, alle Menschenrechte und Grundfreiheiten uneingeschränkt wahrnehmen können; bedauert, dass Menschen mit Behinderungen bei der Wahl im April 2021 bei der Stimmabgabe mit Hindernissen konfrontiert waren; fordert weitere Anstrengungen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, zur Verbesserung der allgemeinen Zugänglichkeit (einschließlich zu Dienstleistungen und Informationen) und zur Förderung der Beschäftigung; weist darauf hin, dass die Qualität der Bildung für Kinder mit Behinderungen, insbesondere für gehörlose Kinder, weiterhin Anlass zur Sorge gibt; stellt fest, dass Albanien das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nicht ratifiziert hat;
25. ist der Ansicht, dass die gemeldete Verdoppelung der HIV-Infektionen seit dem letzten Jahr äußerst besorgniserregend ist; weist darauf hin, dass die nationale Strategie für Menschen, die mit HIV leben, im Jahr 2020 ausgelaufen ist; fordert die Regierung auf, in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um der steigenden Zahl von HIV-Infektionen entgegenzuwirken und den Zugang der am stärksten gefährdeten Personen zur Gesundheitsversorgung sicherzustellen;
26. begrüßt die Annahme des neuen nationalen Aktionsplans für LGBTI+-Personen 2021–2027 und fordert dessen vollständige Umsetzung sowie eine ordnungsgemäße Haushaltsplanung und Aufsicht durch eine Koordinierungs- und Überwachungsstelle; weist erneut darauf hin, dass die weit verbreitete Diskriminierung, Aggression und Hetze beseitigt und gleiche Rechte für LGBTI+-Personen, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Justiz, Beschäftigung und Wohnraum, sichergestellt werden müssen;
27. fordert Albanien auf, die Empfehlungen der Venedig-Kommission vollständig umzusetzen und durch eine transparente Konsolidierung der Eigentumsregistrierung und der Entschädigungsleistungen für den Verlust von Eigentum eine umfassende Bodenreform voranzubringen;
28. erklärt sich zutiefst besorgt über die massive Weitergabe personenbezogener Daten; fordert die staatlichen Stellen Albaniens auf, den Schutz vor einer derartigen Weitergabe zu verbessern, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Daten missbräuchlich nutzen, zur Rechenschaft gezogen werden können, und die Datenschutzvorschriften schneller an die EU-Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten anzugleichen;
29. nimmt die Fortschritte zur Kenntnis, die bei der Umsetzung des Übereinkommens von Istanbul erzielt wurden; fordert die staatlichen Stellen auf, die Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt und Frauenmord zu verbessern und nachdrücklicher darauf zu reagieren, Überlebende stärker durch finanzielle Mittel, Wiedereingliederungsdienste und Rechtsbeistand zu unterstützen und die Finanzierung einschlägiger nicht staatlicher Frauenorganisationen zu erhöhen; hebt hervor, dass die strafrechtliche Verfolgung von Fällen von Belästigung, häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Kinder, u. a. durch die Erhöhung der Zahl hinreichend ausgebildeter und geschlechtssensibler Strafverfolgungsbeamter und Richter, vorangetrieben werden muss; fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, Maßnahmen gegen alle Arten von sexuellem Missbrauch zu treffen, insbesondere gegen den Missbrauch von Kindern und speziell von besonders gefährdeten Flüchtlings- und Migrantenkindern sowie Kindern mit Behinderungen, da sexueller Missbrauch in Albanien in einer Mehrheit aller Fälle gegen minderjährige Mädchen begangen wird; fordert die staatlichen Stellen außerdem nachdrücklich auf, das System zur Überwachung und Bekämpfung von Kinderarbeit und anderen Formen der Ausbeutung zu stärken; stellt fest, dass die Vertretung von Frauen in öffentlichen Ämtern weiter verbessert werden muss;
30. weist erneut darauf hin, dass das Recht auf friedliche Versammlung ohne willkürliche oder diskriminierende Maßnahmen effektiv sichergestellt werden muss; weist darauf hin, dass gegen mutmaßliches Fehlverhalten der Polizei vorgegangen und unverhältnismäßige Gewaltanwendung untersucht und strafrechtlich verfolgt werden muss; unterstützt eine unabhängige Überprüfung hochrangiger Beamter und schlägt die Einführung regelmäßiger Integritätsprüfungen von Polizeibeamten vor; fordert, die Reform des Strafvollzugs voranzubringen, damit die Haftbedingungen und die Behandlung von Häftlingen im Einklang mit den Empfehlungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe weiter verbessert werden; weist darauf hin, dass die Verbrechen der kommunistischen Ära aufgearbeitet, das Verschwindenlassen von Personen untersucht, die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgt und die Überlebenden und ihre Familien entschädigt werden müssen;
31. begrüßt das langjährige Engagement Albaniens für die Aufnahme von Flüchtlingen; weist darauf hin, dass die staatlichen Stellen verpflichtet sind, für ein ordnungsgemäßes Asylverfahren zu sorgen und den Bedürfnissen von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten Rechnung zu tragen; fordert die EU auf, die humanitäre Hilfe und das Migrationsmanagement in der Region stärker zu unterstützen; begrüßt die Entscheidung Albaniens, afghanische und ukrainische Bürgerinnen und Bürger, die nach dem Verlassen ihrer Heimatländer Zuflucht suchen, vorübergehend aufzunehmen;
Rechtsstaatlichkeit
32. betont, dass Rechtsstaatlichkeit und Justizreformen das Rückgrat eines demokratischen Wandels bilden und dass dadurch Rechtssicherheit, Transparenz, Zugang zur Justiz und Nichtdiskriminierung sichergestellt werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, den Sonderbericht Nr. 01/2022 des Europäischen Rechnungshofs umzusetzen und dabei dafür Sorge zu tragen, dass mit den Finanzmitteln der EU die Rechtsstaatlichkeit in den Westbalkanstaaten, darunter auch Albanien, vorangebracht wird;
33. betont, dass die staatlichen Stellen Albaniens verpflichtet sind, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Parteienfinanzierung, weiter gegen Korruption und kriminelle Aktivitäten vorzugehen; stellt fest, dass Albanien im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für 2021 gegenüber 2016 um 27 Plätze zurückgefallen ist; erklärt sich besorgt über die geschwächte Aufsicht und Rechenschaftspflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und den Ausgaben für Auslandshilfe während der Pandemie; fordert mit Nachdruck, diese Defizite zügig zu beheben;
34. würdigt die stetigen Fortschritte bei der Umsetzung einer umfassenden Justizreform, die durch den gestärkten Rechtsrahmen und das beispiellose Überprüfungsverfahren gestützt wird, mit denen konkrete Ergebnisse erzielt wurden und werden; begrüßt die parteiübergreifende Unterstützung, durch die der Beschluss des Kuvendi, das Mandat der Überprüfungsgremien bis zum 31. Dezember 2024 zu verlängern, ermöglicht wurde; fordert alle Seiten nachdrücklich auf, den Abschluss des Überprüfungsverfahrens zu beschleunigen; betont, dass Maßnahmen zur Beseitigung der Nebeneffekte von Überprüfungen, wie etwa langwierige Verfahren, eine niedrige Abschlussquote und ein hoher Verfahrensrückstau, getroffen werden müssen; begrüßt die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofs, wodurch der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zur Justiz verbessert und Gerichtsverfahren beschleunigt werden dürften;
35. weist erneut darauf hin, dass es von größter Bedeutung ist, die Kapazität des Justizsystems weiter auszubauen und zu konsolidieren, um einen unumkehrbaren Übergang zu rechenschaftspflichtigen, unabhängigen und funktionierenden Justiz- und Verwaltungsbehörden zu ermöglichen; betont, dass angemessene finanzielle, technische und personelle Ressourcen sowie die finanzielle und operative Unabhängigkeit der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden sichergestellt werden müssen; begrüßt die Fortschritte bei der Verbesserung der Professionalität, Unparteilichkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz mit dem Ziel, ihre Unabhängigkeit von ungebührlicher Einflussnahme sicherzustellen und den zunehmenden Verfahrensrückstau zu beseitigen; weist erneut darauf hin, dass die Verpflichtung besteht, für ein wirksames Funktionieren der Selbstverwaltungsorgane der Justiz zu sorgen;
36. begrüßt die Arbeit der speziellen Struktur zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, einschließlich ihrer Gerichte, bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität; stellt fest, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten im Zusammenhang mit Korruption weiter voranzutreiben und bei Fällen auf höchster Ebene konkrete Ergebnisse zu erzielen; bedauert, dass die Verurteilungen in Fällen, an denen hochrangige Beamte beteiligt sind, nach wie vor begrenzt sind, wodurch eine Kultur der Straflosigkeit gefördert wird;
37. begrüßt, dass zehn Gesetze verabschiedet wurden, mit denen die Effizienz des Justizsystems weiter gestärkt werden soll, und betont, wie wichtig zusätzliche Maßnahmen wie die Umsetzung von Gerichtsbezirken, ein neues integriertes Fallbearbeitungssystem und ein gestärktes System für die juristische Ausbildung sind; hebt hervor, dass bei der Reform des Justizsystems mit den neuen Gerichtsbezirken den Stellungnahmen der Interessenträger und den sozioökonomischen Bedingungen schutzbedürftiger Gruppen Rechnung getragen und der Zugang zur Justiz und zu ordnungsgemäßen Gerichtsverfahren verbessert werden sollte;
38. betont, dass entschlossen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgegangen werden muss, indem dafür gesorgt wird, dass eine schlüssige Bilanz über die Erfolge bei der aktiven Ermittlung, der strafrechtlichen Verfolgung und der rechtskräftigen Verurteilung wegen Korruption auf hoher Ebene sowie bei der Einziehung von Erträgen aus Straftaten vorgelegt wird; legt nahe, die Defizite bei der Umsetzung des Aktionsplans der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ und der Empfehlungen des Expertenausschusses des Europarates für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche sowie bei der vollständigen Umsetzung der jüngst mit dem Ziel der Angleichung an die einschlägigen EU-Vorschriften geänderten Rechtsvorschriften zügig zu beheben;
39. weist darauf hin, dass die Digitalisierung ein enormes Potenzial bietet, die Rechtspflege zu unterstützen, kriminelle Handlungen zu bekämpfen und Interessenkonflikten durch Offenlegung und Überprüfung von Vermögenswerten und Interessen entgegenzuwirken; fordert die Regierung auf, Maßnahmen zur Reduzierung der informellen Wirtschaft zu ergreifen, wo dies möglich ist;
40. legt Albanien nahe, davon Abstand zu nehmen, eine Staatsbürgerschaftsregelung für Investoren einzuführen, da eine solche Regelung ernsthafte Risiken in Bezug auf Sicherheit, Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung darstellen könnte;
41. begrüßt das erneuerte konstruktive Engagement der USA im Westbalkan, einschließlich ihres Schwerpunkts auf der Bekämpfung von Korruption; hebt in diesem Zusammenhang die US-amerikanische Durchführungsverordnung zur Verhängung von Sanktionen gegen Personen hervor, die zur Destabilisierung der Lage in den Ländern des Westbalkans beitragen, sowie die Maßnahmen der USA gegen Einzelpersonen und Einrichtungen wegen erheblicher Korruptionshandlungen; fordert die EU auf, eine mögliche Abstimmung mit solchen Maßnahmen sorgfältig zu prüfen;
42. begrüßt die derzeitigen Bemühungen, die systematische Verbesserungen beim Vorgehen gegen die organisierte Kriminalität, einschließlich des Handels mit Menschen, Drogen, Schusswaffen und Kultur- und anderen Gütern, sowie gegen Cyberkriminalität, Gewaltverbrechen, Extremismus und Terrorismusbedrohungen zur Folge haben dürften; würdigt die laufende bilaterale, regionale und internationale Zusammenarbeit bei der Zerschlagung länderübergreifender krimineller Netze, auch mit den EU-Agenturen im Bereich Justiz und Inneres wie Europol, Eurojust und Frontex, wozu auch die verstärkten Maßnahmen gegen die Herstellung von Drogen und Waffen bzw. den organisierten Handel mit Drogen, illegalen Waffen und Menschen zählen;
43. betont, dass Albanien das einzige Land in der Region ist, das Kooperationsabkommen mit allen EU-Agenturen im Bereich Justiz und Inneres unterzeichnet hat, und dass im Mai 2019 an der griechisch-albanischen Grenze die erste vollwertige gemeinsame Operation mit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) außerhalb der Europäischen Union durchgeführt wurde; begrüßt, dass Albanien die Luftüberwachung durch die Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten ermöglicht hat, um einen Standort für die Herstellung von Betäubungsmitteln aufzuspüren; empfiehlt Albanien, die Rechtsvorschriften zu Drogenausgangsstoffen zu aktualisieren;
44. erklärt sich besorgt über die weite Verbreitung von Schusswaffen in Albanien; betont, dass die Standardverfahren und -mechanismen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen verbessert und die Untersuchung und Verfolgung des illegalen Handels mit Schusswaffen intensiviert werden müssen;
45. betont, dass Albanien einen entscheidenden Beitrag zum Management der Außengrenzen der Union sowie zur Verhütung grenzüberschreitender Kriminalität leistet, was weiterhin Priorität haben und unter voller Achtung der in den geltenden internationalen und regionalen Rechtsvorschriften und Grundsätzen verankerten Grundrechte erfolgen muss;
46. stellt fest, dass die Länder des Westbalkans nach wie vor eine Transitroute für die Migration sind und dass die großen Bewegungen von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten eine Herausforderung für die Region und die EU-Mitgliedstaaten darstellen; stellt fest, dass Albanien weiterhin mit einer wachsenden Zahl irregulärer Migranten konfrontiert ist, die das Land durchqueren; fordert verstärkte Anstrengungen für den Schutz schutzbedürftiger Migranten, u. a. durch die Bekämpfung von Schleuserkriminalität, insbesondere in Bezug auf das Einschleusen unbegleiteter Minderjähriger; stellt fest, dass die Zahl der unbegründeten Asylanträge albanischer Staatsangehöriger weiter zurückgegangen ist, die staatlichen Stellen Albaniens aber weitere Anstrengungen unternehmen müssen; stellt fest, dass die Zielvorgaben für die Visaliberalisierung erfüllt werden;
Sozioökonomische Reformen
47. betont, dass die EU eine nachhaltige Erholung nach dem Erdbeben und der Pandemie finanziert, und unterstützt die Bemühungen um den demokratischen, ökologischen und digitalen Wandel Albaniens; begrüßt die Unterstützung der EU für den Wiederaufbau, einschließlich des Wiederaufbaus von Schulen, Kindergärten und Kulturerbestätten, im Nachgang zu der Geberkonferenz „Together4Albania“ (Gemeinsam für Albanien) nach dem verheerenden Erdbeben im November 2019; betont, dass die Unterstützung und die Mittel der EU für die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit und die Förderung eines nachhaltigen umweltverträglichen Wachstums, der biologischen Vielfalt, von Innovationen, der Wettbewerbsfähigkeit, der Eigentumsrechte und der Umkehr des Bevölkerungsrückgangs aufgestockt werden müssen;
48. betont, dass angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise die Verwaltung der öffentlichen Ausgaben und des Defizits durch eine Vereinfachung und Modernisierung des Steuersystems sowie eine verbesserte Steuererhebung erleichtert würde;
49. betont, dass Staatsführung, Transparenz, Rechtssicherheit, Inklusion und sozialer Dialog verbessert werden müssen, um ausländische Direktinvestitionen und den Verbleib qualifizierter Arbeitskräfte zu fördern; fordert eine sinnvolle Einbeziehung der Zivilgesellschaft und anderer einschlägiger Interessenträger in die Debatte über die politischen Maßnahmen;
50. betont, dass die Jugend gestärkt werden muss, und begrüßt, dass Tirana zur Europäischen Jugendhauptstadt 2022 ausgerufen wurde; betont, welche bedeutende Chance das Programm für den Westbalkan darstellt, um die Werte der europäischen Integration und der gutnachbarschaftlichen Beziehungen unter jungen Menschen aus ganz Europa und gleichzeitig die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern;
51. fordert die staatlichen Stellen Albaniens auf, das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung zu verringern, indem der Zugang zu Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsdiensten verbessert wird, insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie etwa Roma und ägyptische Gemeinschaften, Minderheiten, Menschen mit Behinderung und Menschen, die von Armut betroffen sind; fordert nachdrücklich, dass ein Mindestlebensstandard als Mittel zur Verringerung des Armutsrisikos festgelegt wird; bedauert, dass die Haushaltsmittel für Bildung im Jahr 2021 nur 2,7 % des BIP Albaniens ausmachten; fordert verstärkte Investitionen in die Modernisierung des Bildungssystems, um für dessen Qualität und Inklusivität zu sorgen;
52. fordert Albanien nachdrücklich auf, seine Anstrengungen um die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frau zu verstärken, unter anderem durch eine durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung und eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, insbesondere mit Frauenorganisationen; fordert die Gesetzgeber in Albanien auf, Maßnahmen zu ergreifen, um für eine angemessene Vertretung von Frauen in allen Entscheidungspositionen zu sorgen, und sich weiter mit der mangelnden Umsetzung der Rechte von Arbeitnehmerinnen, der Geschlechterstereotypisierung, dem Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und dem Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in der Erwerbsbevölkerung zu befassen; begrüßt in diesem Zusammenhang das erste mehrheitlich weibliche Kabinett der derzeitigen Regierung; weist auf die erheblichen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung und Arbeitsqualität, die unzureichenden Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die Diskriminierung im Rahmen der Rechtsvorschriften bezüglich des Mutterschutzes und die mangelnden Kinderbetreuungs- und Vorschulkapazitäten hin;
53. stellt fest, dass das IPA III und der Wirtschafts- und Investitionsplan für den Westbalkan für die Unterstützung des Reformprozesses, der nachhaltigen Vernetzung, des Humankapitals, der Wettbewerbsfähigkeit und des inklusiven Wachstums sowie für die Intensivierung der regionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wichtig sind; betont, dass sämtliche Investitionen mit den Zielen des Übereinkommens von Paris und den Dekarbonisierungszielen der EU im Einklang stehen müssen;
54. weist erneut darauf hin, dass im Rahmen des IPA III eine starke Konditionalität vorgesehen ist und dass entsprechende Finanzmittel im Falle eines erheblichen Rückschritts oder des dauerhaften Ausbleibens von Fortschritten im Bereich der sogenannten wesentlichen Elemente, also im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, sowie im Bereich der Medienfreiheit angepasst oder sogar ausgesetzt werden müssen; betont, dass es im Sicherheitsinteresse und in der Verantwortung der EU liegt, dafür zu sorgen, dass mit EU-Mitteln kein Beitrag zu Korruption geleistet wird; fordert die EU und die Länder des Westbalkans in diesem Zusammenhang auf, die grenzüberschreitende justizielle Zusammenarbeit auszuweiten und einen Rahmen für eine effiziente Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft zu schaffen, insbesondere in Verbindung mit den Mitteln aus dem IPA III;
55. betont, dass in Albanien die Sichtbarkeit von EU-Finanzmitteln sowie die Kommunikation über diese Finanzmittel verbessert werden müssen; weist in diesem Zusammenhang auf die erhebliche Unterstützung hin, die die EU dem Westbalkan bei der Bekämpfung und der Begrenzung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie geleistet hat;
Umwelt, Energie und Verkehr
56. fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, die Maßnahmen in den Bereichen biologische Vielfalt, Wasser, Luft, Klimaschutz und regionale Abfallbewirtschaftung zu intensivieren, u. a. durch umfassende ökologische und strategische Folgenabschätzungen, angemessene öffentliche Konsultationen, transparente Verfahren in allen ökologisch sensiblen Bereichen und eine strenge strafrechtliche Verfolgung von Umweltstraftaten;
57. begrüßt die Ausweisung des Flusses Vjosa als Naturschutzpark(8) und fordert die staatlichen Stellen Albaniens nachdrücklich auf, sobald wie möglich den Nationalpark Vjosa(9) einzurichten und dabei die gesamte Länge des Flusses, einschließlich seiner frei fließenden Nebenflüsse, einzubeziehen;
58. zeigt sich besorgt über die Überarbeitung der Karte des Netzes der Schutzgebiete, mit der nicht zur Umweltzerstörung in den bedrohten Küsten- und Feuchtgebieten Albaniens beigetragen werden sollte;
59. fordert die staatlichen Stellen auf, der Überwachung der Luftverschmutzung, der Lärmbelastung und der Qualität der Oberflächengewässer sowie der jährlichen Berichterstattung darüber Vorrang einzuräumen; stellt fest, dass die Bevölkerung regelmäßig über den Status der Luftverschmutzung informiert werden muss;
60. fordert eine Überarbeitung der für den Zeitraum 2018–2035 festgelegten Nationalen Strategie für die Abfallwirtschaft, wobei die leistungsfähigsten Recyclingverfahren gemäß EU-Normen zugrunde gelegt werden sollten; hebt hervor, dass in Müllverbrennungsanlagen bis zur Umsetzung einer umfassenden Recyclingstrategie moderne Filtertechnologien eingesetzt werden müssen, um die Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verringern;
61. fordert weitere Anstrengungen in den Bereichen Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, einschließlich der Einrichtung eines tragfähigen Systems für Konsultationen mit den verschiedenen Interessengruppen im ländlichen Raum; hebt hervor, dass eine moderne, ökologische und klimafreundliche klein- und mittelbäuerliche Landwirtschaft geschaffen werden muss, um sowohl für den Lebensunterhalt der Landwirte als auch für den Schutz der natürlichen Ressourcen und der biologischen Vielfalt Albaniens zu sorgen;
62. fordert die staatlichen Stellen Albaniens nachdrücklich auf, die Umsetzung der grünen Agenda für den Westbalkan voranzubringen, die den Prioritäten des europäischen Grünen Deals und der Erklärung von Brdo entspricht, die auf dem Gipfeltreffen EU-Westbalkan am 6. Oktober 2021 in Brdo pri Kranju angenommen wurde;
63. weist darauf hin, dass erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen, um durch die Umsetzung des Europäischen Klimagesetzes(10), die Entwicklung von Instrumenten zur Bepreisung von CO2-Emissionen und die Bekämpfung von Energiearmut die Ziele in Bezug auf Effizienz, Sicherheit, Diversifizierung und Ökologisierung der Energieversorgung und des Verkehrs zu erreichen; weist erneut darauf hin, dass die ökologische Nachhaltigkeit der Wasserkraft verbessert werden muss, indem ihre negativen Auswirkungen minimiert werden und die Entwicklung entsprechender Projekte in Schutzgebieten unterlassen wird;
64. begrüßt die Einführung eines Investitionspakets in Höhe von 3,2 Mrd. EUR im Rahmen des Wirtschafts- und Investitionsplans der EU für den Westbalkan und hebt das Veränderungspotenzial dieser Investitionen hervor; erklärt sich zufrieden darüber, dass eines der finanzierten Projekte das erste schwimmende Solarkraftwerk Albaniens im Vau-Deja-Stausee sein wird; hebt hervor, wie bedeutend die künftige Eisenbahnverbindung zwischen Tirana und Podgorica, die künftige Elektrizitätsverbindungsleitung zwischen Elbasan und Bitola und die künftige Gasrohrleitung zwischen Fier und Vlora für die Verbesserung der regionalen und transeuropäischen Konnektivität sind; begrüßt den Beginn der Arbeiten an der Verbindungsleitung der Stromversorgungsnetze zwischen Nordmazedonien und Albanien; weist erneut darauf hin, dass Infrastrukturprojekte, einschließlich des Hafens von Durrës, im Einklang mit den EU-Standards für die Vergabe öffentlicher Aufträge, auf die im Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen verwiesen wird, stehen müssen;
65. begrüßt die Abschaffung der Roaming-Gebühren zwischen den sechs Staaten des Westbalkans; fordert alle maßgeblichen Parteien nachdrücklich auf, einen Plan auszuhandeln, mit dem letztendlich die Abschaffung der Roaming-Gebühren zwischen Albanien und den EU-Mitgliedstaaten erreicht werden könnte;
Außenpolitik und Sicherheit
66. begrüßt, dass Albanien nach wie vor ein verlässlicher und engagierter außenpolitischer Partner ist, der sich vollständig nach der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU ausrichtet und aktiv zu den Krisenbewältigungsmissionen und -operationen der EU beiträgt;
67. würdigt, dass Albanien konsequent auf den russischen Angriff auf die Ukraine reagiert und die Sanktionen der EU gegen die Russische Föderation und deren politische Führung rasch übernommen und unter anderem seinen Luftraum gesperrt hat; begrüßt, dass es die restriktiven Maßnahmen der EU vollständig übernommen hat;
68. betont, dass der Beitrag Albaniens als Mitgliedstaat der NATO zum Schutz der Außengrenzen der EU von wesentlicher Bedeutung ist; fordert die EU auf, ihre Unterstützung für die Sicherheit der Grenzen in der Region zu verstärken;
69. begrüßt das Engagement des Landes für Solidarität und Multilateralismus, unter anderem im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Zeitraum 2022–2023;
70. fordert die EU auf, vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine die historisch bedeutenden sicherheitspolitischen Auswirkungen auf die Stabilität und Einheit des europäischen Kontinents und des Westbalkans kritisch zu beurteilen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Einheit Europas unter Beweis zu stellen und offiziell Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aufzunehmen, sowohl aufgrund der geopolitischen Tragweite als auch aufgrund des Umstands, dass sie die offiziellen Kriterien erfüllen;
71. weist darauf hin, dass böswillige ausländische Akteure dazu neigen, ethnische Spannungen im Westbalkan, auch in Albanien, auszunutzen, indem sie dort beispielsweise Techniken der Informationsmanipulation und hybriden Kriegsführung erproben, um die EU zu schwächen; empfiehlt, dass sich die EU und Albanien weiter über bewährte Verfahren austauschen und Maßnahmen in Bezug auf Einflussnahme aus dem Ausland und Desinformation koordinieren; betont, dass die EU und die Vereinigten Staaten ihre Partnerschaft und Zusammenarbeit in der Westbalkanregion verstärken müssen;
72. fordert die albanische Regierung auf, weiterhin gutnachbarschaftliche Beziehungen und eine inklusive regionale Integration zu fördern, sodass für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen allen sechs Ländern gesorgt wird, und gleichzeitig die Angleichung an die Standards und den Besitzstand der EU zu intensivieren, indem sie den gemeinsamen regionalen Markt umsetzt und weiterentwickelt und so bei der Vertiefung der regionalen Vernetzung und Integration auf den Errungenschaften des regionalen Wirtschaftsraums aufbaut; begrüßt, dass Albanien Zusatzprotokolle zum Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen angenommen hat;
o o o
73. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Republik Albanien zu übermitteln.
Ausgewiesen als Kategorie IV: Biotop-/Artenschutzgebiet mit Management gemäß der Kategorisierung der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen (IUCN).
Verordnung (EU) 2021/1119 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 2021 zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“) (ABl. L 243 vom 9.7.2021, S. 1).
Strafrechtliche Verfolgung der Opposition und Inhaftierung von Gewerkschaftsführern in Belarus
161k
52k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu der strafrechtlichen Verfolgung der Opposition und zu der Festnahme von Gewerkschaftsführern in Belarus (2022/2664(RSP))
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Belarus,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 21. und 22. Oktober 2021,
– unter Hinweis auf die unlängst abgegebenen Erklärungen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu Belarus, insbesondere die Erklärungen vom 10. November 2021 zur Lage an der Grenze der Europäischen Union und vom 28. Februar 2022 zum Verfassungsreferendum,
– unter Hinweis auf den Bericht des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen vom 4. März 2022 über die Lage der Menschenrechte in Belarus vor und nach der Präsidentschaftswahl 2020,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und alle Menschenrechtsübereinkommen, deren Vertragspartei Belarus ist,
– unter Hinweis auf die Präambel der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu dem Erfordernis der Anerkennung des Grundsatzes der Vereinigungsfreiheit, das Übereinkommen der IAO über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes und das Übereinkommen der IAO über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen,
– unter Hinweis auf die Artikel 36 und 41 der Verfassung der Republik Belarus in Bezug auf die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Gründung von Gewerkschaften,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes vom 29. April 2022 zu neuen repressiven Maßnahmen in Belarus, in deren Folge bei weiteren Straftatbeständen die Todesstrafe verhängt werden kann,
– unter Hinweis auf den am 4. Mai 2021 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen abgegebenen Bericht der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über die Lage der Menschenrechte in Belarus, Anaïs Marin,
– unter Hinweis auf die Erklärung der G7 vom 14. Mai 2022 zu Russlands Krieg gegen die Ukraine,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Lukaschenka-Regime in Belarus die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine unmittelbar begünstigt, indem es Russland unter anderem gestattet, auch durch das Abfeuern ballistischer Raketen von belarussischem Hoheitsgebiet aus die Ukraine anzugreifen, indem es die Stationierung und Beförderung von russischem Militärpersonal sowie die Lagerung und Beförderung von militärischem Gerät und Waffen einschließlich schwerer Waffen ermöglicht, indem es russischen Militärflugzeugen auf ihrem Weg in die Ukraine die Durchquerung des belarussischen Luftraums gestattet und indem es Betankungsinfrastruktur bereitstellt;
B. in der Erwägung, dass Belarus am 27. Februar 2022 in einem Klima der Repression ein sogenanntes Referendum abgehalten hat, in dem eine neue Verfassung gebilligt wurde, mit der die Neutralität des Landes beeinträchtigt wird, sein Status als kernwaffenfreier Staat aufgegeben wird und die dem Präsidenten nach seinem Ausscheiden aus dem Amt lebenslange Immunität vor Strafverfolgung gewährt;
C. in der Erwägung, dass die EU am 2. Dezember 2021 wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen und der Instrumentalisierung von Migranten das fünfte Sanktionspaket gegen Belarus angenommen hat;
D. in der Erwägung, dass die EU im Jahr 2022 als Reaktion auf die Beteiligung von Belarus an Russlands unprovoziertem, ungerechtfertigtem und rechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, darunter Sanktionen gegen Einzelpersonen und Wirtschaftssanktionen;
E. in der Erwägung, dass die an Belarus grenzenden Mitgliedstaaten Polen, Lettland und Litauen infolge der vom belarussischen Staat organisierten Beihilfe zu illegalen Grenzübertritten an der EU-Außengrenze einer Form der hybriden Kriegsführung ausgesetzt sind, womit die EU weiter unter Druck gesetzt und destabilisiert werden soll;
F. in der Erwägung, dass der Rat der Republik am 4. Mai 2022 eine Änderung von Artikel 289 des Strafgesetzbuchs gebilligt hat, mit der für „versuchte terroristische Handlungen“ die Todesstrafe eingeführt wird, was der weltweiten Tendenz zur Abschaffung der Todesstrafe zuwiderläuft, und dass über 30 politische Gefangene nach derselben Bestimmung des Strafgesetzbuchs angeklagt oder zu langen Haftstrafen verurteilt wurden und andere Vertreter der demokratischen Opposition oder politische Aktivisten wegen des Vorwurfs des „Terrorismus“ gesucht werden; in der Erwägung, dass Belarus das einzige Land in Europa ist, das nach wie vor die Todesstrafe vollstreckt;
G. in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane mindestens 275 Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen geschlossen und mehrere unabhängige Medien wegen Berichterstattung über den Krieg gesperrt haben und als Grund die Verbreitung von „extremistischen Materialien“ und „Falschinformationen“ geltend machen; in der Erwägung, dass der Generalstaatsanwalt von Belarus am 5. April 2022 mitteilte, dass die Website von Human Rights Watch gesperrt wurde; in der Erwägung, dass Aljaksandr Lukaschenka seine Kampagne gegen Menschenrechtsverteidiger und Journalisten ausgeweitet hat, indem Andrzej Poczobut (ein prominenter Journalist und Aktivist der polnischen Minderheit) inhaftiert wurde, der Opfer einer Propagandakampagne auf der Grundlage falscher historischer Narrative wurde; in der Erwägung, dass mehr als 60 Medienvertreter strafrechtlich verfolgt werden; in der Erwägung, dass 26 Medienvertreter in Haft sitzen;
H. in der Erwägung, dass der Präsidentschaftskandidat Wiktar Babaryka am 6. Juli 2021 zu 14 Jahren Haft, seine Wahlkampfleiterin Maryja Kalesnikawa, der 2020 der Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments für geistige Freiheit verliehen wurde, zu elf Jahren Haft und ihr Rechtsanwalt Maksim Snak zu zehn Jahren Haft verurteilt wurden;
I. in der Erwägung, dass die führenden belarussischen Oppositionellen Sjarhej Zichanouski und Mikalai Statkewitsch, denen 2020 der Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments für geistige Freiheit verliehen wurde, sowie Ihar Lossik, Arzjom Sakau, Uladsimir Zyhanowitsch und Dsmitry Papou am 14. Dezember 2021 auf der Grundlage erfundener Vorwürfe der versuchten Machtergreifung, der Anstachelung zu Hass und gesellschaftlichen Unruhen und des Extremismus zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden; in der Erwägung, dass Sjarhej Zichanouski, der im Mai 2020 festgenommen wurde, nachdem er seine Absicht bekundet hatte, gegen den langjährigen belarussischen Diktator Aljaksandr Lukaschenka für die Präsidentschaft zu kandidieren, und seither inhaftiert war, zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde; in der Erwägung, dass Mikalaj Statkewitsch, ein altgedienter Politiker, der die nicht registrierte politische Partei Narodnaja Hramada leitet und bei der Präsidentschaftswahl 2010 kandidierte, zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde und Ihar Lossik, Arzjom Sakau, Uladsimir Zyhanowitsch und Dsmitry Papou auf der Grundlage ähnlicher fingierter Vorwürfe zu 15, 16, 15 bzw. 16 Jahren Haft verurteilt wurden;
J. in der Erwägung, dass die Gewerkschaften eine grundlegende Aufgabe wahrnehmen, wenn es darum geht, das ordnungsgemäße Funktionieren der Demokratie, die Vertretung der Bürger und Arbeitnehmer sowie die Verteidigung ihrer Rechte sicherzustellen;
K. in der Erwägung, dass am 19. April 2022 mindestens 18 Gewerkschaftsführer und Vertreter der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung von Belarus festgenommen und nach Artikel 342 des Strafgesetzbuchs angeklagt wurden, wonach mit Arrest oder mit einer Freiheitsbeschränkung von zwei bis fünf Jahren oder einem Freiheitsentzug von bis zu vier Jahren bestraft wird, wer Handlungen organisiert oder vorbereitet, mit denen die öffentliche Ordnung grob verletzt wird, oder sich aktiv an solchen Handlungen beteiligt; in der Erwägung, dass zu den Festgenommenen auch Aljaksandr Jaraschuk, Präsident des Belarussischen Kongresses der demokratischen Gewerkschaften (Belaruski Kangres Demakratytschnych Prafsajusau, BKDP) und zugleich Vizepräsident des Internationalen Gewerkschaftsbunds und Mitglied des Verwaltungsgremiums der IAO, Sjarhej Antussewitsch, Vizepräsident des BKDP, Aleh Padalinski, für internationale Angelegenheiten zuständiger Sekretär des BKDP, Alena Jeskawa, Rechtsanwältin des BKDP, und Mikalaj Scharach, Vorsitzender der Freien Gewerkschaft von Belarus (Svabodny Prafsajus Belaruski, SPB), gehören;
L. in der Erwägung, dass die Angriffe auf Gewerkschaftsaktivisten und ‑führer in den vergangenen zwei Monaten zugenommen haben, vor allem im Zusammenhang damit, dass sich viele von ihnen gegen die Unterstützung ihres Landes für den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgesprochen haben sowie seit langer Zeit die Demokratie und die Opposition gegen das Lukaschenka-Regime unterstützen; in der Erwägung, dass der jüngste Angriff auf die unabhängige Gewerkschaftsbewegung am 19. April 2022 ausgeführt wurde; in der Erwägung, dass im Büro des BKDP und in den Büros seiner Mitgliedsverbände – der SPB, der Freien Gewerkschaft der Metallarbeiter (Swabodny Prafsajus Metalistau, SPM) und der Belarussischen Gewerkschaft der Radio- und Elektronikindustrie (Belaruski prafsajus rabotnikau radyjoelektronnaj pramyslowaszi, REP) – in Minsk und dessen Umland sowie in den Privatwohnungen von Gewerkschaftsführern und ‑aktivisten Durchsuchungen durchgeführt wurden;
M. in der Erwägung, dass am 17. Mai 2022 Maksim Pasnjakou von den belarussischen Staatsorganen festgenommen wurde; in der Erwägung, dass der Rat der Vertreter des BKDP Maksim Pasnjakou (den Vorsitzenden der Belarussischen Unabhängigen Gewerkschaft der Bergleute und Chemiearbeiter) am 13. Mai 2022 zum Vizepräsidenten des BKDP gewählt hatte, wodurch er laut Statut zum amtierenden Vorsitzenden des BKDP wurde; in der Erwägung, dass der Rat des BKDP am 13. Mai 2022 eine öffentliche Erklärung verfasst hat, in der die Festnahmen der Kolleginnen und Kollegen erneut verurteilt werden, und in einer von Maksim Pasnjakou unterzeichneten und am 16. Mai 2022 veröffentlichten Erklärung angekündigt hat, die Arbeit des BKDP werde trotz dieser Festnahmen fortgesetzt;
N. in der Erwägung, dass die strafrechtliche Verfolgung unabhängiger Gewerkschaften und Gewerkschaftsführer in jüngster Zeit systemischen Charakter hat und ein Beispiel für die anhaltende gewerkschaftsfeindliche Kampagne in Belarus darstellt, wie das Parlament auch in seiner Entschließung vom 7. Oktober 2021 betonte;
O. in der Erwägung, dass mehrere Gewerkschaftsvertreter, darunter der Präsident und der stellvertretende Vorsitzende des führenden unabhängigen Gewerkschaftsverbands BKDP, weiterhin in Untersuchungshaft sind, nur begrenzten Rechtsschutz erhalten und keinen Zugang zu ihren Familienangehörigen oder Gewerkschaftskollegen haben; in der Erwägung, dass die Untersuchungshäftlinge ihre Familien oder Gewerkschaftskollegen nicht sehen dürfen und dass ihre Sicherheit, ihre Gesundheit und ihr psychisches Wohlergehen nach wie vor Anlass zu großer Sorge geben;
P. in der Erwägung, dass die unabhängige Gewerkschaftsbewegung in Belarus seit vielen Jahren heftig angegriffen wird; in der Erwägung, dass die Räumlichkeiten der Gewerkschaften überwacht werden, Aktivisten für Arbeitnehmerrechte Schikanen, rechtswidrigen Entlassungen und Festnahmen ausgesetzt sind und Gewerkschaftsmitglieder so eingeschüchtert werden, dass sie von ihre Ämter niederlegen; in der Erwägung, dass die Privatwohnungen von Anführern und Mitgliedern durchsucht wurden und einige Gewerkschaften kürzlich vom KDB/KGB (Kamitet dsjarschaunaj bjaspeki / Komitet gosudarstwennoi besopasnosti – das Komitee für Staatssicherheit der Republik Belarus) als „extremistische Vereinigung“ bezeichnet wurden, darunter auch die REP am 7. April 2022;
Q. in der Erwägung, dass die belarussischen Staatsorgane der Belarussischen Unabhängigen Gewerkschaft (Belaruski Nesaleschny Prafsajus, BNP, Mitglied des BKDP) bei Hrodna Asot, Naftan und in der Erdölraffinerie Masyr den Rechtsstatus aberkannt haben, wodurch den Arbeitnehmern fortan die Vertretung und der Schutz ihrer Rechte vorenthalten werden; in der Erwägung, dass die Vorsitzende der unabhängigen Gewerkschaft der Erdölraffinerie AAT Naftan, Wolha Bryzikawa, zum fünften Mal nacheinander verurteilt wurde;
R. in der Erwägung, dass die unabhängige Gewerkschaftsbewegung in Belarus seit langer Zeit an vorderster Front im Kampf für Demokratie und Dialog in Belarus steht; in der Erwägung, dass die Festnahme von Gewerkschaftsführern Auswirkungen auf die Ausübung der Gewerkschaftsrechte in Belarus und eine abschreckende Wirkung auf die Arbeitnehmer haben dürfte;
S. in der Erwägung, dass unter dem Regime in Minsk Bürger aus politischen Gründen, auch wegen Antikriegsprotesten, kontinuierlich strafrechtlich verfolgt werden und dass friedliche Demonstranten nach wie vor in Untersuchungshaft sitzen und für das Zeigen weiß-rot-weißer Symbole – auch in Privatwohnungen und auf privatem Grund und Boden – willkürliche Festnahmen angeordnet werden; in der Erwägung, dass nach Angaben des Menschenrechtszentrums Wjasna im Mai 2022 etwa 1200 Personen in Belarus als politische Gefangene gelten; in der Erwägung, dass seit August 2020 mehr als 40 000 Personen festgenommen und mehr als 5500 Strafanzeigen gegen belarussische Bürger erstattet wurden, wohingegen keine einzige Anklage gegen die Personen erhoben wurde, die für die systematischen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich oder daran mitschuldig sind;
T. in der Erwägung, dass die strafrechtliche Verfolgung eine schwere Form der Repression ist, die in Belarus unverändert willkürlich angeordnet wird und weitverbreitet ist; in der Erwägung, dass die Justiz zu einem wirksamen Instrument für die Unterdrückung der Rechte und Freiheiten in Belarus geworden ist, wobei Richter aktiv an Repressionen beteiligt sind; in der Erwägung, dass erfundene Beweismittel keiner objektiven kritischen Bewertung unterzogen werden, dass undemokratische Rechtsvorschriften blindlings angewandt werden und die Angeklagten selektiv zu der härtesten möglichen Strafe verurteilt werden; in der Erwägung, dass sich durch die weitverbreitete Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen die verzweifelte Lage der belarussischen Bevölkerung weiter verfestigt;
U. in der Erwägung, dass bei der Prüfung durch das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte festgestellt wurde, dass gezielt bestimmte Personen in den Blick genommen werden und einem beständigen Muster des unnötigen oder unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt, Festnahmen und Haft einschließlich Isolationshaft, Folter oder Misshandlung, Vergewaltigung und sexueller und geschlechterbezogener Gewalt sowie der systematischen Verweigerung eines ordnungsgemäßen Gerichtsverfahrens und des Rechts auf ein faires Verfahren ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass sich Tausende von Belarussen gezwungen sahen oder anderweitig genötigt wurden, ihr Heimatland zu verlassen und Zuflucht im Ausland zu suchen;
V. in der Erwägung, dass ein belarussisches Gericht am 6. Mai 2022 Sofja Sapega (Studentin an der Europäischen Geisteswissenschaftlichen Universität und russische Staatsangehörige) – die im vergangenen Jahr, nachdem ihr Linienflug zwischen zwei Hauptstädten von Mitgliedstaaten der EU zur Landung in Belarus gezwungen worden war, dort festgenommen wurde – wegen Aufstachelung zu Hass in der Gesellschaft zu sechs Jahren Haft verurteilt hat;
W. in der Erwägung, dass Belarus den kommerziellen Betrieb seines Kernkraftwerks (KKW) in Astrawez aufgenommen hat, ohne dabei auf alle Sicherheitsempfehlungen einzugehen, die in dem Stresstestbericht der EU aus dem Jahr 2018 aufgeführt sind; in der Erwägung, dass die belarussische Seite nicht transparent handelt und keine vertrauenswürdigen Informationen über Ereignisse am Standort des KKW liefert, wodurch erneut unter Beweis gestellt wird, dass das belarussische KKW unsicher ist und eine erhebliche Bedrohung der kerntechnischen Sicherheit für die Bevölkerung von Belarus, der Nachbarländer und ganz Europas darstellt;
1. bekräftigt seine Solidaritätsbekundung an die Bevölkerung von Belarus, die sich nach wie vor für ein souveränes, freies und demokratisches Belarus einsetzt und dabei ihre Freiheit und immer häufiger auch ihr Leben aufs Spiel setzt, und fordert die umgehende und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen und aller Personen, die aus politischen Gründen willkürlich inhaftiert, festgenommen oder verurteilt wurden, und fordert, dass alle gegen sie erhobenen Vorwürfe fallengelassen werden sowie dass sie vollständig rehabilitiert und für Schäden, die ihnen aufgrund ihrer unrechtmäßigen Inhaftierung entstanden sind, finanziell entschädigt werden; fordert, der staatlich organisierten Gewalt ein Ende zu setzen;
2. verurteilt die systematische Unterdrückung von Zivilisten durch das Lukaschenka-Regime, weshalb sich seit der gestohlenen Wahl vom 9. August 2020 Tausende Belarussen gezwungen sahen, aus dem Land zu fliehen; bekräftigt, dass die laufende Kampagne der systematischen Unterdrückung und die Vertreibung von Zivilisten schwere Menschenrechtsverletzungen darstellen;
3. fordert, dass freie und faire Neuwahlen unter internationaler Beobachtung durch das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) durchgeführt werden; weist erneut darauf hin, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten das Ergebnis der Präsidentschaftswahl von 2020 wegen massiver Wahlfälschungen nicht anerkannt haben und Aljaksandr Lukaschenka nicht als Präsidenten von Belarus anerkennen;
4. erinnert Belarus an seine Verpflichtungen im Rahmen der internationalen Menschenrechtsnormen und besteht darauf, dass die Grundfreiheiten und Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und eine funktionierende unabhängige Justiz in Belarus sichergestellt werden müssen; fordert die belarussischen Staatsorgane nachdrücklich auf, uneingeschränkt mit den einschlägigen internationalen Gremien wie dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der OSZE und der IAO zusammenzuarbeiten, auch indem sie ihnen ungehinderten Zugang gewähren und ihre Empfehlungen umsetzen, und ihren Verpflichtungen nach innerstaatlichem Recht und dem Völkerrecht nachzukommen; besteht darauf, dass sämtliche Formen von Repression, Verfolgung, Misshandlung, sexueller und geschlechterbezogener Gewalt, Verschwindenlassen und Folter beendet werden müssen; fordert, dass Frauen und schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen, darunter Menschen mit Behinderungen und LGBTQI-Personen, nicht länger diskriminiert werden;
5. missbilligt, dass politisch motivierte Prozesse hinter verschlossenen Türen und ohne ordnungsgemäßes Verfahren geführt werden, womit Belarus gegen seine internationalen Verpflichtungen und Zusagen verstößt, was zu harten und ungerechtfertigten Urteilen gegen führende Personen der Opposition geführt hat, insbesondere gegen Sjarhej Zichanouski, Mikalaj Statkewitsch, Wiktar Babaryka, Maryja Kalesnikawa, Maksim Snak, Ihar Lossik, Arzjom Sakau, Uladsimir Zyhanowitsch und Dsmitry Papou; weist auf die unmenschlichen Bedingungen in belarussischen Haftanstalten hin, zu denen körperliche und psychische Misshandlungen sowie überfüllte und unhygienische Zellen gehören;
6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Menschenrechtsverteidigern und Mitgliedern der Zivilgesellschaft in Belarus, gegen die dort mit aller Härte vorgegangen werden dürfte, Unterstützung und Schutz angedeihen zu lassen, unter anderem durch die Ausstellung von Notfallvisa, damit sie Belarus bei Bedarf verlassen können;
7. fordert die belarussischen Staatsorgane auf, alle inhaftierten Gewerkschaftsführer und ‑vertreter umgehend und bedingungslos freizulassen und alle gegen sie erhobenen Vorwürfe fallenzulassen; fordert, dass der Einschüchterung unabhängiger Gewerkschaftsführer und ‑aktivisten und der Störung der Betätigung unabhängiger Gewerkschaften in Belarus ein Ende gesetzt wird; besteht darauf, dass die belarussischen Staatsorgane alle rechtlichen und praktischen Hindernisse für die Gründung unabhängiger Gewerkschaften und die Mitgliedschaft in solchen Gewerkschaften beseitigen müssen; fordert die belarussischen Staatsorgane auf, die Rechtsvorschriften des Landes mit seinen internationalen Verpflichtungen zum Arbeitsrecht sowie den einschlägigen Schlussfolgerungen des IAO-Sachverständigenausschusses für die Durchführung von Übereinkommen und des IAO-Ausschusses für Vereinigungsfreiheit in Einklang zu bringen und bei der vollständigen und umgehenden Umsetzung der Empfehlungen der Untersuchungskommission mit der IAO zusammenzuarbeiten;
8. verurteilt die jüngsten Festnahmen und Inhaftierungen von Gewerkschaftsführern und ‑vertretern durch die belarussischen Staatsorgane sowie den in diesen Handlungen zum Ausdruck kommenden Angriff auf die Menschenrechte und die in internationalen Übereinkommen verankerten Grundrechte, einschließlich derjenigen aus den IAO-Übereinkommen im Zusammenhang mit dem Vereinigungsrecht der Arbeitnehmer und dem Recht der Arbeitnehmer auf Teilnahme an öffentlichen Aktionen;
9. fordert die belarussischen Staatsorgane auf, klare Informationen über den Verbleib und den Gesundheitszustand der Gefangenen aus Gewissensgründen bereitzustellen, sie umgehend freizulassen und ihnen Zugang zu einer unabhängigen Justiz zu gewähren;
10. bekräftigt, dass das Demonstrations- und Streikrecht ein Grundrecht ist, und fordert Belarus auf, alle rechtlichen und praktischen Beschränkungen aufzuheben, durch die die Ausübung dieser Freiheiten behindert wird, und den Rechtsstatus der unabhängigen Gewerkschaften, denen dieser Status kürzlich in mehreren Unternehmen aberkannt wurde, etwa bei Hrodna Asot, Naftan und in der Erdölraffinerie Masyr, umgehend wiederherzustellen und die Einstufung der REP als extremistische Organisation aufzuheben;
11. fordert die Gewerkschaften in allen Mitgliedstaaten auf, die Kontakte zu ihren belarussischen Ansprechpartnern weiter auszubauen, Informationen über die Entwicklung der Lage der engagierten Gewerkschaftsmitglieder in Belarus und über die Repression durch das Regime, mit der sie konfrontiert sind, auszutauschen, die Zusammenarbeit zu erleichtern und ihnen materielle und psychologische Unterstützung zu gewähren;
12. fordert die Kommission auf, die unabhängigen belarussischen Gewerkschaften, die freien Medien, die Zivilgesellschaft und prodemokratische Aktivisten in Belarus und im Exil stärker beim Aufbau von Kapazitäten zu unterstützen;
13. betont, dass das Vorgehen der belarussischen Staatsorgane gegen unabhängige Gewerkschaften einen Verstoß gegen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und die internationalen Verpflichtungen des Landes darstellt; fordert die IAO auf, die Mitgliedschaft der regierungsnahen belarussischen Gewerkschaften auszusetzen, da sie weder die Arbeitnehmer unabhängig vertreten noch deren Rechte schützen;
14. betont, dass der BKDP bei der Vertretung von Mitgliedern unabhängiger belarussischer Gewerkschaften in nationalen und internationalen Institutionen eine wichtige Koordinierungsfunktion wahrnimmt, und fordert die belarussischen Staatsorgane auf, der Repression gegen unabhängige Gewerkschaften ein Ende zu setzen und auf der Grundlage des sozialen Dialogs Arbeitsbeziehungen zu demokratischen und unabhängigen Gewerkschaften aufzubauen, damit zwischen den Staatsorganen, den staatlichen Institutionen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie der Zivilgesellschaft im Allgemeinen ein Dialog aufgenommen werden kann;
15. ist zutiefst besorgt angesichts der Risiken, die von Belarus ausgehen, da es seine Neutralität aufgegeben hat, auf seinem Staatsgebiet russische Streitkräfte stationiert sind und gemeinsame Militärübungen mit Russland durchführt; nimmt zur Kenntnis, dass Russland in Belarus eine immer größere Rolle spielt und einen immer größeren finanziellen Einfluss ausübt, was erhebliche Zweifel daran aufkommen lässt, ob Belarus zu souveränen Entscheidungen in der Lage ist;
16. ist entsetzt über die Unterstützung, die das Lukaschenka-Regime Russland in dessen unprovoziertem Krieg in der Ukraine leistet, unter anderem durch das sogenannte Referendum, mit dem der Status des Landes als Kernwaffenstaat wiederhergestellt wird, aber auch indem es Russland Truppenbewegungen und Waffentransporte, die Nutzung des Luftraums des Landes, die Betankung von Militärfahrzeugen und die Lagerung militärischer Munition gestattet;
17. verurteilt aufs Schärfste, dass das russische Militär belarussisches Hoheitsgebiet nutzt; verurteilt die Unterstützung von Belarus und der belarussischen Streitkräfte und Geheimdienste für Russlands illegalen, ungerechtfertigten und unprovozierten Angriffskrieg gegen die Ukraine; ist der Ansicht, dass Belarus gemeinschaftliche Verantwortung für den Angriff trägt und alle sich aus dem Völkerrecht ergebenden Rechtsfolgen zu tragen hat;
18. betont, dass das Verfassungsreferendum vom 27. Februar 2022, das von den unrechtmäßig an der Macht befindlichen belarussischen Staatsorganen vor dem Hintergrund zahlreicher Menschenrechtsverletzungen, brutaler Repression und des vorsätzlichen Einsatzes von Desinformation durchgeführt wurde, weder als rechtmäßiger demokratischer Ausdruck des Willens der belarussischen Bevölkerung noch als Legitimierung der anhaltenden rechtswidrigen Präsidentschaft von Aljaksandr Lukaschenka angesehen werden kann; fordert die belarussischen Staatsorgane auf, die Empfehlungen der Mission unabhängiger Sachverständiger umzusetzen, die im Rahmen des Moskauer Mechanismus entsandt wurde;
19. verurteilt die Desinformationskampagnen und die Verbreitung der Kriegspropaganda des Kremls in Belarus;
20. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Maßnahmen ergriffen werden, die erforderlich sind, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber allen Formen der Einflussnahme aus dem Ausland, die das Lukaschenka-Regime verüben könnte, zu stärken, etwa gegen Cyberangriffe und Desinformation im Zusammenhang mit der andauernden Aggression Russlands gegen die Ukraine;
21. stellt besorgt fest, dass die Integration von Russland und Belarus in verschiedenen Bereichen fortgesetzt wird und nicht zuletzt die Militarisierung von Belarus und der gesamten Region voranschreitet, was eine Herausforderung für die Sicherheit und Stabilität des europäischen Kontinents ist, insbesondere für die Länder in der östlichen Nachbarschaft der EU, mit denen Russland bereits in einem Konflikt steht;
22. bekundet seine Wertschätzung und Unterstützung für die belarussischen Bürger, die auf die Straße gingen und sich selbst in Gefahr brachten, als sie den Krieg verurteilten, der von der Russischen Föderation und mit Unterstützung des unrechtmäßig an der Macht befindlichen Diktators von Belarus begonnen wurde, und für jene, die Sabotageoperationen durchgeführt haben, um die Logistik des russischen Militärs zu behindern und zu unterbrechen;
23. missbilligt, dass Belarus derzeit – als einziges Land in Europa – die Todesstrafe noch vollstreckt und dass es die Liste der Straftatbestände, derentwegen die Todesstrafe verhängt werden kann, erweitert hat; verurteilt die Änderung des belarussischen Strafgesetzbuchs, mit der für „versuchte terroristische Handlungen“ die Todesstrafe eingeführt wird; ist der Ansicht, dass das Regime mit Leichtigkeit missbräuchlich auf diese Bestimmung zurückgreifen kann, um seine politischen Gegner zu liquidieren; weist darauf hin, dass viele politische Gefangene unter Rückgriff auf die im belarussischen Strafgesetzbuch verankerten Bestimmungen über Terrorismus angeklagt oder bereits zu langen Haftstrafen verurteilt wurden; fordert die belarussischen Staatsorgane auf, die Todesstrafe auf Dauer abzuschaffen;
24. erachtet es als sehr wichtig, die von dem belarussischen Kernkraftwerk in Astrawez ausgehenden Gefahren für die kerntechnische Sicherheit anzugehen; besteht darauf, dass sich Belarus für die kerntechnische Sicherheit seines Kernkraftwerks unter Wahrung vollständiger Transparenz einsetzt und sich zur vollständigen Umsetzung der Empfehlungen verpflichtet, die in der von der Gruppe der europäischen Aufsichtsbehörden für nukleare Sicherheit durchgeführten Peer-Review der Anlage formuliert wurden; unterstützt bis zu deren Umsetzung das Verbot der Einfuhr von Energie aus dem belarussischen Kernkraftwerk in den Binnenmarkt und spricht sich dafür aus, diesem Standpunkt im CO2-Grenzausgleichssystem der EU Rechnung zu tragen; fordert die Einführung wirksamer Vorkehrungen gegen den direkten oder indirekten Verkauf von im Kernkraftwerk Astrawez erzeugtem belarussischem Strom auf den Märkten der EU sowie die Einstellung von Investitionen aus den Mitgliedstaaten der EU in Energieinfrastrukturvorhaben in Belarus;
25. begrüßt das von der Kommission vorgeschlagene sechste Sanktionspaket gegen Russland und Belarus und fordert den Rat auf, für dessen vollumfängliche und rasche Umsetzung zu sorgen; fordert, dass sämtliche gegen Russland verhängten Sanktionen in vollständig gleicher Weise auch auf Belarus Anwendung finden und in geeigneter Weise durchgesetzt werden, auch in allen künftigen Sanktionsrunden;
26. betont, dass die Verbrechen des Lukaschenka-Regimes gegen die belarussische Bevölkerung umfassend untersucht werden müssen; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit aktiv anzuwenden und Gerichtsverfahren gegen jene belarussischen Amtsträger vorzubereiten, die für Gewalt und Repression verantwortlich sind oder eine Mitschuld daran tragen, auch gegen Aljaksandr Lukaschenka;
27. fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und den EAD auf, mit internationalen Partnern wie dem Moskauer Mechanismus der OSZE und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten sowie Menschenrechtsverteidiger und die Zivilgesellschaft vor Ort uneingeschränkt zu unterstützen, damit Menschenrechtsverletzungen überwacht und dokumentiert werden können und über diese Verbrechen berichtet wird, die Täter anschließend zur Rechenschaft gezogen werden und den Opfern Gerechtigkeit widerfährt;
28. fordert die Organe der EU auf, alle erforderlichen Maßnahmen in internationalen Institutionen und Verfahren sowie vor dem Internationalen Strafgerichtshof und anderen geeigneten internationalen Gerichten zu ergreifen, um die Ermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Handlungen der politisch verantwortlichen Personen in Belarus, insbesondere von Aljaksandr Lukaschenka, hinsichtlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu unterstützen;
29. lobt die systematische und konsequente Arbeit der belarussischen demokratischen Kräfte in Belarus und im Exil, insbesondere der Anführerin der demokratischen Opposition, Swjatlana Zichanouskaja, des Koordinierungsrats und des Krisenmanagementteams des Volkes; bekräftigt, dass die Kontakte und die Zusammenarbeit mit diesen Kräften unbedingt aufrechterhalten und ausgebaut werden müssen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die demokratische politische Opposition in Belarus zu unterstützen, indem die Hilfe geleistet wird, die erforderlich ist, um die Kapazitäten der Opposition des Landes zu stärken;
30. bedauert, dass die Mitgliedstaaten nicht einheitlich und koordiniert vorgegangen sind, als sie ihre diplomatischen Vertreter aus Belarus zurückriefen;
31. fordert die Kommission, den EAD und die EU-Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die direkte Unterstützung für die belarussische Opposition sowie die Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschaftsvertreter und unabhängige Medienorganisationen in Belarus und außerhalb des Landes zu verstärken; erachtet es als sehr wichtig, die Beziehungen zu diesen Personen aufrechtzuerhalten, die Lage und die Gerichtsverfahren gegen einzelne politische Gefangene vor Ort zu überwachen, die Visumpflicht zu lockern, die Asylverfahren zu verbessern und Personen aus Belarus, die Zuflucht suchen, vorübergehend in den Mitgliedstaaten der EU unterzubringen; sagt zu, seine eigenen Maßnahmen zur Demokratieförderung zu intensivieren; bekräftigt seine Forderung nach einem gezielten Hilfsprogramm der EU, um die Zivilgesellschaft, unabhängige Medien, Wissenschaftler – auch durch die fortgesetzte Unterstützung der Europäischen Humanistischen Universität als Bildungszentrum für belarussische Studierende – und die belarussische Opposition im Exil sowie diejenigen zu unterstützen, die politische Repression und polizeiliche Gewalt erfahren haben und vor dem Unterdrückerregime fliehen;
32. unterstützt die Vorbereitungen für eine von der EU geleitete internationale Geberkonferenz zur Unterstützung der demokratischen Kräfte von Belarus; fordert die EU auf, auf operativer Ebene mit den Vertretern der demokratischen Kräfte von Belarus zusammenzuarbeiten, um die Arbeit an der Annahme eines Fahrplans abzuschließen, mit dem das von der Kommission bereits geplante Wirtschafts- und Investitionspaket in Höhe von 3 Mrd. EUR umgesetzt werden soll, um die demokratischen Bestrebungen der Bevölkerung von Belarus aufzugreifen; fordert einen politischen Dialog zwischen der EU und den demokratischen Kräften von Belarus, um eine gemeinsame Vorstellung von diesem Unterstützungsplan zu entwickeln; betont, dass eine substanzielle öffentliche Diskussion erforderlich ist, um öffentliche Unterstützung für ein maßgebliches Engagement der EU zu gewinnen;
33. bekräftigt, dass der Einrichtung von Volksbotschaften von Belarus weltweit Bedeutung zukommt, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, weitere Unterstützung für den Schutz der Rechte und Interessen belarussischer Bürger im Ausland und für die Interessen eines demokratischen Belarus bereitzustellen, indem beispielsweise Möglichkeiten zur Finanzierung der Volksbotschaften von Belarus geprüft werden;
34. fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Zusammenarbeit bei der Grenzverwaltung, bei der Bekämpfung des Menschenhandels und anderer vom belarussischen Regime verursachter oder verschärfter sicherheitspolitischer Probleme zu verbessern;
35. fordert die Kommission, den Rat, den HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, die Lage in Belarus in allen einschlägigen europäischen und internationalen Organisationen, insbesondere in der OSZE, den Vereinten Nationen und ihren Fachgremien sowie der IAO, auch weiterhin zur Sprache zu bringen, damit die internationale Gemeinschaft die Menschenrechtsverletzungen aufmerksamer beobachtet, mehr internationale Maßnahmen bezüglich der Lage in Belarus ergriffen werden und die Blockadehaltung Russlands und anderer Länder gegen solche Maßnahmen überwunden wird;
36. fordert die Organe der EU und die Mitgliedstaaten auf, regelmäßige Gipfeltreffen mit hochrangigen Vertretern der demokratischen Kräfte von Belarus zu organisieren; vertritt die Auffassung, dass dies der Annahme gemeinsamer politischer Leitlinien für die Zukunft der Beziehungen der EU zu einem demokratischen Belarus förderlich wäre;
37. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, den Staatsorganen der Republik Belarus und den Vertretern der demokratischen Opposition von Belarus zu übermitteln.
Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen *
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Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen in der Union (COM(2021)0823 – C9-0040/2022 – 2021/0433(CNS))
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an den Rat (COM(2021)0823),
– gestützt auf Artikel 115 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Rat angehört wurde (C9‑0040/2022),
– gestützt auf Artikel 82 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9‑0140/2022),
1. billigt den Vorschlag der Kommission in der geänderten Fassung;
2. fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag gemäß Artikel 293 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union entsprechend zu ändern;
3. fordert den Rat auf, es zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen;
4. fordert den Rat auf, es erneut anzuhören, falls er beabsichtigt, den Vorschlag der Kommission entscheidend zu ändern;
5. beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Vorschlag der Kommission
Geänderter Text
Abänderung 1 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 6
(6) Die von den Mitgliedstaaten vereinbarten GloBE-Regeln müssen so umgesetzt werden, dass sie der globalen Einigung möglichst getreu entsprechen. Die vorliegende Richtlinie orientiert sich eng an Inhalt und Struktur der GloBE-Regeln. Um die Vereinbarkeit mit dem Primärrecht der Union und insbesondere mit der Niederlassungsfreiheit zu gewährleisten, sollten die Bestimmungen dieser Richtlinie sowohl für in einem Mitgliedstaat ansässige Rechtsträger als auch für gebietsfremde Rechtsträger einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft gelten. Diese Richtlinie sollte auch für sehr große, rein inländische Gruppen gelten. Auf diese Weise würde gewährleistet, dass jegliches Risiko einer Diskriminierung zwischen grenzüberschreitenden und inländischen Sachverhalten vermieden wird. Alle in einem niedrig besteuerten Mitgliedstaat ansässigen Rechtsträger, einschließlich der die EER anwendenden Muttergesellschaft, würden der Ergänzungssteuer unterliegen. Ebenso würden die in einem anderen niedrig besteuerten Mitgliedstaat ansässigen Geschäftseinheiten dieser Muttergesellschaft der Ergänzungssteuer unterliegen.
(6) Die von den Mitgliedstaaten vereinbarten GloBE-Regeln müssen so umgesetzt werden, dass sie der globalen Einigung möglichst getreu entsprechen. Der Erfolg der Einigung wird vollständig von einer transparenten und konsequenten Umsetzung innerhalb der Union und weltweit abhängen. Die vorliegende Richtlinie orientiert sich im Allgemeinen an Inhalt und Struktur der GloBE-Regeln, weicht aber in einigen Aspekten ab, unter anderem in Bezug auf die Anwendung bestimmter Vorschriften in der Union. Um die Vereinbarkeit mit dem Primärrecht der Union und insbesondere mit der Niederlassungsfreiheit zu gewährleisten, sollten die Bestimmungen dieser Richtlinie sowohl für in einem Mitgliedstaat ansässige Rechtsträger als auch für gebietsfremde Rechtsträger einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft gelten. Diese Richtlinie sollte auch für sehr große, rein inländische Gruppen gelten. Auf diese Weise würde gewährleistet, dass jegliches Risiko einer Diskriminierung zwischen grenzüberschreitenden und inländischen Sachverhalten vermieden wird. Alle in einem niedrig besteuerten Mitgliedstaat ansässigen Rechtsträger, einschließlich der die EER anwendenden Muttergesellschaft, würden der Ergänzungssteuer unterliegen. Ebenso würden die in einem anderen niedrig besteuerten Mitgliedstaat ansässigen Geschäftseinheiten dieser Muttergesellschaft der Ergänzungssteuer unterliegen.
Abänderung 2 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 7
(7) Zwar muss sichergestellt werden, dass Negativanreize für Steuervermeidungspraktiken bestehen, doch sollten negative Auswirkungen auf kleinere multinationale Unternehmen im Binnenmarkt vermieden werden. Zu diesem Zweck sollte die vorliegende Richtlinie nur für in der Union ansässige Rechtsträger gelten, die multinationalen Unternehmensgruppen oder großen inländischen Gruppen angehören, welche konsolidierte Umsatzerlöse von jährlich mindestens 750 000 000 EUR erzielen. Dieser Schwellenwert stünde im Einklang mit dem Schwellenwert bestehender internationaler Steuervorschriften, wie etwa der länderbezogenen Berichterstattung9. Rechtsträger, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, werden als Geschäftseinheiten bezeichnet. Bestimmte Rechtsträger sollten aufgrund ihres besonderen Zwecks und Status vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Dazu gehören Rechtsträger, die nicht gewinnorientiert wirtschaften und im Allgemeininteresse liegende Tätigkeiten ausüben und aus diesen Gründen in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht steuerpflichtig sind. Zum Schutz dieser spezifischen Interessen sollten staatliche Rechtsträger, internationale Organisationen, Organisationen ohne Erwerbszweck und Pensionsfonds vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden. Auch Investmentfonds und Immobilieninvestmentvehikel, die an der Spitze der Beteiligungskette stehen, sollten vom Anwendungsbereich ausgenommen werden, da bei solchen sogenannten transparenten Gesellschaften die erzielten Erträge auf der Ebene der Eigentümer besteuert werden.
(7) Zwar muss sichergestellt werden, dass Negativanreize für Steuervermeidungspraktiken bestehen, doch sollten negative Auswirkungen auf kleinere multinationale Unternehmen im Binnenmarkt vermieden werden. Zu diesem Zweck sollte die vorliegende Richtlinie nur für in der Union ansässige Rechtsträger gelten, die multinationalen Unternehmensgruppen oder großen inländischen Gruppen angehören, welche konsolidierte Umsatzerlöse von jährlich 750 000 000 EUR erzielen. Dieser Schwellenwert stünde im Einklang mit dem Schwellenwert bestehender internationaler Steuervorschriften, wie etwa der länderbezogenen Berichterstattung9, und sollte daher von allen Mitgliedstaaten eingehalten werden. Die Kommission sollte überwachen, wie und in welchem Ausmaß die Mitgliedstaaten die GloBE-Mustervorschriften auf kleinere Rechtsträger anwenden, und geeignete Maßnahmen ergreifen, falls sie die Vorschriften in einer Weise anwenden, die den Grundsätzen des Unionsrechts zuwiderläuft oder die Integrität des Binnenmarktes untergräbt. Rechtsträger, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, werden als Geschäftseinheiten bezeichnet. Bestimmte Rechtsträger sollten aufgrund ihres besonderen Zwecks und Status vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Dazu gehören Rechtsträger, die nicht gewinnorientiert wirtschaften und im Allgemeininteresse liegende Tätigkeiten ausüben und aus diesen Gründen in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht steuerpflichtig sind. Zum Schutz dieser spezifischen Interessen sollten staatliche Rechtsträger, internationale Organisationen, Organisationen ohne Erwerbszweck und Pensionsfonds vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden. Auch Investmentfonds und Immobilieninvestmentvehikel, die an der Spitze der Beteiligungskette stehen, sollten vom Anwendungsbereich ausgenommen werden, da bei solchen sogenannten transparenten Gesellschaften die erzielten Erträge auf der Ebene der Eigentümer besteuert werden.
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9 Richtlinie (EU) 2016/881 des Rates vom 25. Mai 2016 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung (ABl. L 146 vom 3.6.2016, S. 8) [DAC 4].
9 Richtlinie (EU) 2016/881 des Rates vom 25. Mai 2016 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung (ABl. L 146 vom 3.6.2016, S. 8) [DAC 4].
Abänderung 3 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 13
(13) Damit die Ergänzungssteuereinnahmen, die von in einem Mitgliedstaat ansässigen niedrig besteuerten Geschäftseinheiten eingezogen wurden, auch diesem Mitgliedstaat zugutekommen, sollten die Mitgliedstaaten sich für die Anwendung einer nationalen Ergänzungsbesteuerung entscheiden können. Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, der sich dafür entschieden hat, in seinem eigenen inländischen Steuersystem der EER und der UEER gleichwertige Vorschriften anzuwenden, sollten die Ergänzungssteuer an diesen Mitgliedstaat entrichten. Während den Mitgliedstaaten bei der technischen Umsetzung der nationalen Ergänzungsbesteuerung eine gewisse Flexibilität eingeräumt werden sollte, sollte ein solches System die effektive Mindestbesteuerung der maßgeblichen Erträge oder Verluste der Geschäftseinheiten in gleicher oder gleichwertiger Weise wie die EER und die UEER dieser Richtlinie gewährleisten.
(13) Damit die Ergänzungssteuereinnahmen, die von in einem Mitgliedstaat ansässigen niedrig besteuerten Geschäftseinheiten eingezogen wurden, auch diesem Mitgliedstaat zugutekommen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, eine nationale Ergänzungsbesteuerung anzuwenden. Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, der sich dafür entschieden hat, in seinem eigenen inländischen Steuersystem der EER und der UEER gleichwertige Vorschriften anzuwenden, sollten die Ergänzungssteuer an diesen Mitgliedstaat entrichten. Während den Mitgliedstaaten bei der technischen Umsetzung der nationalen Ergänzungsbesteuerung eine gewisse Flexibilität eingeräumt werden sollte, sollte die Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ des Rates die Anwendung dieser Steuer sorgfältig überwachen. Die Kommission sollte in dieser Hinsicht Unterstützung leisten.
Abänderung 4 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 14
(14) Um einen verhältnismäßigen Ansatz zu gewährleisten, sollten dabei bestimmte spezifische Sachverhalte berücksichtigt werden, in denen die BEPS-Risiken geringer sind. Daher sollte diese Richtlinie Substanzausnahmen vorsehen, die auf den mit den Beschäftigten verbundenen Kosten und dem Wert der materiellen Vermögenswerte in einem bestimmten Steuerhoheitsgebiet basieren. Dies würde es ermöglichen, bis zu einem gewissen Grad Sachverhalte zu handhaben, in denen eine multinationale Unternehmensgruppe oder eine große inländische Gruppe wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, die eine physische Anwesenheit in einem niedrig besteuerten Steuerhoheitsgebiet erfordern, da sich in einem solchen Fall BEPS-Praktiken wahrscheinlich nicht entfalten würden. Auch der besondere Fall von multinationalen Unternehmensgruppen, die sich in den Anfangsphasen ihrer internationalen Tätigkeit befinden, sollte berücksichtigt werden, damit multinationale Unternehmensgruppen, die in ihrem heimischen Steuerhoheitsgebiet, in dem sie überwiegend tätig sind und von einer niedrigen Besteuerung profitieren, nicht vom Aufbau grenzüberschreitender Tätigkeiten abgehalten werden. Sofern die multinationale Unternehmensgruppe nicht über Geschäftseinheiten in mehr als sechs anderen Steuerhoheitsgebieten verfügt, sollten die niedrig besteuerten inländischen Tätigkeiten einer solchen Gruppe daher während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren von der Anwendung der Vorschriften ausgenommen werden. Im Sinne der Gleichbehandlung von großen inländischen Gruppen sollten die Erträge aus Tätigkeiten dieser Gruppen ebenfalls während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren ausgenommen werden.
(14) Um einen verhältnismäßigen Ansatz zu gewährleisten, sollten dabei bestimmte spezifische Sachverhalte berücksichtigt werden, in denen die BEPS-Risiken geringer sind. Daher sollte diese Richtlinie Substanzausnahmen vorsehen, die auf den mit den Beschäftigten verbundenen Kosten und dem Wert der materiellen Vermögenswerte in einem bestimmten Steuerhoheitsgebiet basieren. Dies würde es ermöglichen, bis zu einem gewissen Grad Sachverhalte zu handhaben, in denen eine multinationale Unternehmensgruppe oder eine große inländische Gruppe wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, die eine physische Anwesenheit in einem niedrig besteuerten Steuerhoheitsgebiet erfordern, da sich in einem solchen Fall BEPS-Praktiken wahrscheinlich nicht entfalten würden. Auch der besondere Fall von multinationalen Unternehmensgruppen, die sich in den Anfangsphasen ihrer internationalen Tätigkeit befinden, sollte berücksichtigt werden, damit multinationale Unternehmensgruppen, die in ihrem heimischen Steuerhoheitsgebiet, in dem sie überwiegend tätig sind und von einer niedrigen Besteuerung profitieren, nicht vom Aufbau grenzüberschreitender Tätigkeiten abgehalten werden. Sofern die multinationale Unternehmensgruppe nicht über Geschäftseinheiten in mehr als sechs anderen Steuerhoheitsgebieten verfügt, sollten die niedrig besteuerten inländischen Tätigkeiten einer solchen Gruppe daher während eines Übergangszeitraums von drei Jahren von der Anwendung der Vorschriften ausgenommen werden. Im Sinne der Gleichbehandlung von großen inländischen Gruppen sollten die Erträge aus Tätigkeiten dieser Gruppen ebenfalls während eines Übergangszeitraums von drei Jahren ausgenommen werden.
Abänderung 5 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 16
(16) Als Kompromisslösung zwischen den Zielen der Reform zur Einführung einer globalen Mindeststeuer und dem Verwaltungsaufwand für Steuerverwaltungen und Steuerpflichtige sollte diese Richtlinie eine De-minimis-Ausnahme für multinationale Unternehmensgruppen oder große inländische Konzerne vorsehen, die einen durchschnittlichen Umsatzerlös von weniger als 10 000 000 EUR und durchschnittliche maßgebliche Erträge oder Verluste von weniger als 1 000 000 EUR in einem Steuerhoheitsgebiet erzielen. Solche multinationalen Unternehmensgruppen oder großen inländischen Gruppen sollten keine Ergänzungssteuer entrichten, selbst wenn ihr effektiver Steuersatz unterhalb des Mindeststeuersatzes in diesem Steuerhoheitsgebiet liegt.
(16) Im Einklang mit der Vereinbarung des inklusiven Rahmens gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) von OECD und G20 sieht diese Richtlinie eine De-minimis-Ausnahme für multinationale Unternehmensgruppen oder große inländische Konzerne vor, die einen durchschnittlichen Umsatzerlös von weniger als 10 000 000 EUR und durchschnittliche maßgebliche Erträge oder Verluste von weniger als 1 000 000 EUR in einem Steuerhoheitsgebiet erzielen. Solche multinationalen Unternehmensgruppen oder großen inländischen Gruppen sollten keine Ergänzungssteuer entrichten, selbst wenn ihr effektiver Steuersatz unterhalb des Mindeststeuersatzes in diesem Steuerhoheitsgebiet liegt.
Abänderung 6 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 18
(18) Im Sinne einer effizienten Anwendung des Systems ist es unerlässlich, die Verfahren auf Gruppenebene zu koordinieren. Es wird ein System betrieben werden müssen, das den ungehinderten Informationsfluss innerhalb der multinationalen Unternehmensgruppe und zu den Steuerverwaltungen der Steuerhoheitsgebiete, in denen die Geschäftseinheiten ansässig sind, gewährleistet. Die Hauptverantwortung für die Abgabe der Erklärung sollte bei der Geschäftseinheit selbst liegen. Hat die multinationale Unternehmensgruppe einen anderen Rechtsträger für die Abgabe und Verbreitung der Erklärung benannt, sollte jedoch eine Befreiung von dieser Verantwortung Anwendung finden. Hierbei kann es sich entweder um einen lokalen Rechtsträger oder um einen Rechtsträger aus einem anderen Steuerhoheitsgebiet handeln, welches über eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden mit dem Mitgliedstaat der Geschäftseinheit verfügt. Die Kommission sollte die vorliegende Richtlinie in den ersten zwölf Monaten nach ihrem Inkrafttreten im Einklang mit der vom Inklusiven Rahmen erzielten Vereinbarung über die Erklärungspflichten im Rahmen des GloBE-Umsetzungsrahmens überprüfen. In Anbetracht der im Rahmen dieses Systems erforderlichen Befolgungsanpassungen sollte Gruppen, die erstmals in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, eine Frist von 18 Monaten für die Erfüllung der Informationsanforderungen eingeräumt werden.
(18) Im Sinne einer effizienten Anwendung des Systems ist es unerlässlich, die Verfahren auf Gruppenebene zu koordinieren. Es wird ein System betrieben werden müssen, das den ungehinderten Informationsfluss innerhalb der multinationalen Unternehmensgruppe und zu den Steuerverwaltungen der Steuerhoheitsgebiete, in denen die Geschäftseinheiten ansässig sind, gewährleistet. Die Hauptverantwortung für die Abgabe der Erklärung sollte bei der Geschäftseinheit selbst liegen. Hat die multinationale Unternehmensgruppe einen anderen Rechtsträger für die Abgabe und Verbreitung der Erklärung benannt, sollte jedoch eine Befreiung von dieser Verantwortung Anwendung finden. Hierbei kann es sich entweder um einen lokalen Rechtsträger oder um einen Rechtsträger aus einem anderen Steuerhoheitsgebiet handeln, welches über eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden mit dem Mitgliedstaat der Geschäftseinheit verfügt. Die Kommission sollte die vorliegende Richtlinie in den ersten zwölf Monaten nach ihrem Inkrafttreten im Einklang mit der vom inklusiven Rahmen erzielten Vereinbarung über die Erklärungspflichten im Rahmen des GloBE-Umsetzungsrahmens mittels einschlägiger delegierter Rechtsakte überprüfen. In Anbetracht der im Rahmen dieses Systems erforderlichen Befolgungsanpassungen sollte Gruppen, die erstmals in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, eine Frist von 18 Monaten für die Erfüllung der Informationsanforderungen eingeräumt werden.
Abänderung 7 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 19
(19) Angesichts der Vorteile von Transparenz im Steuerbereich ist es erfreulich, dass den Steuerbehörden in allen teilnehmenden Steuerhoheitsgebieten im Rahmen der Erklärung eine erhebliche Menge an Informationen vorgelegt wird. Multinationale Unternehmensgruppen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, sollten verpflichtet werden, in jedem Steuerhoheitsgebiet, in dem sie über Geschäftseinheiten verfügen, umfassende und detaillierte Informationen über ihre Gewinne und ihren effektiven Steuersatz bereitzustellen. Eine solch umfangreiche Berichterstattung dürfte zu mehr Transparenz führen.
(19) Angesichts der Vorteile von Transparenz im Steuerbereich ist es erfreulich, dass den Steuerbehörden in allen teilnehmenden Steuerhoheitsgebieten im Rahmen der Erklärung eine erhebliche Menge an Informationen vorgelegt wird. Multinationale Unternehmensgruppen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, sollten verpflichtet werden, in jedem Steuerhoheitsgebiet, in dem sie über Geschäftseinheiten verfügen, umfassende und detaillierte Informationen über ihre Gewinne und ihren effektiven Steuersatz bereitzustellen. Eine solch umfangreiche Berichterstattung dürfte zu mehr Transparenz führen. Mehr Transparenz bei der Offenlegung von Finanzinformationen führt zu Vorteilen für die Steuerverwaltungen und zu mehr Steuersicherheit für die Steuerpflichtigen. In diesem Zusammenhang wird die Richtlinie 2011/16/EU des Rates1a eine Rolle bei der Erleichterung der Umsetzung dieser Richtlinie spielen, und die künftige Überarbeitung der Richtlinie 2011/16/EU wird einer vor dem 31. Dezember 2022 durchzuführenden Folgenabschätzung unterzogen.
___________
1a Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64 vom 11.3.2011, S. 1).
Abänderung 8 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 19 a (neu)
(19a) Potenziell schädliche und wettbewerbsverzerrende Maßnahmen, die darauf abzielen, eine potenzielle Erhöhung der Körperschaftsteuer auszugleichen, sollten überwacht werden, und die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung sollte erforderlichenfalls aktualisiert werden.
Abänderung 9 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 19 b (neu)
(19b) Die Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ des Rates sollte die Entwicklung der Rechnungslegungsstandards und deren Anwendung für Zwecke der Mindestbesteuerung kontinuierlich überwachen. Falls erforderlich, sollte sie Vorschläge zur Anpassung der Gewinnermittlungsregeln vorlegen. Die Kommission sollte in dieser Hinsicht Unterstützung leisten.
Abänderung 10 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 20
(20) Die Frage, wie wirksam und fair die Reform zur Einführung einer globalen Mindeststeuer sein wird, hängt stark von ihrer weltweiten Umsetzung ab. Daher wird es unabdingbar sein, dass alle wichtigen Handelspartner der Union entweder eine anerkannte EER oder ein gleichwertiges Regelwerk für die Mindestbesteuerung anwenden. In diesem Zusammenhang und zur Förderung der Rechtssicherheit und der Effizienz der globalen Mindeststeuervorschriften ist es wichtig, die Bedingungen näher zu definieren, unter denen Vorschriften, die in einem Drittstaat bzw. -gebiet gelten, der bzw. das die Vorschriften der globalen Einigung nicht umsetzen wird, als gleichwertig mit einer anerkannten EER betrachtet werden können. Zu diesem Zweck sollte die vorliegende Richtlinie eine Bewertung der Gleichwertigkeitskriterien auf der Grundlage bestimmter Parameter durch die Kommission sowie eine Liste der Drittstaaten und -gebiete vorsehen, die die Gleichwertigkeitskriterien erfüllen. Diese Liste würde bei jeder anschließenden Bewertung des von einem Drittstaat oder -gebiet in dessen innerstaatliches Recht umgesetzten Rechtsrahmens mittels eines delegierten Rechtsakts geändert werden.
(20) Die Frage, wie wirksam und fair die Reform zur Einführung einer globalen Mindeststeuer sein wird, hängt stark von ihrer zügigen und konsequenten Umsetzung weltweit und in den Mitgliedstaaten bis Ende 2023 ab. Daher wird es unabdingbar sein, dass alle wichtigen Handelspartner der Union entweder eine anerkannte EER oder ein gleichwertiges Regelwerk für die Mindestbesteuerung anwenden. In diesem Zusammenhang und zur Förderung der Rechtssicherheit und der Effizienz der globalen Mindeststeuervorschriften ist es wichtig, die Bedingungen näher zu definieren, unter denen Vorschriften, die in einem Drittstaat bzw. -gebiet gelten, der bzw. das die Vorschriften der globalen Einigung nicht umsetzen wird, als gleichwertig mit einer anerkannten EER betrachtet werden können. Zu diesem Zweck sollte die vorliegende Richtlinie eine erste Bewertung der Gleichwertigkeitskriterien durch die Kommission auf der Grundlage bestimmter Parameter sowie eine Liste der Drittstaaten und -gebiete vorsehen, die die Gleichwertigkeitskriterien rechtzeitig erfüllen. Diese Liste würde bei jeder anschließenden Bewertung des von einem Drittstaat oder -gebiet in dessen innerstaatliches Recht umgesetzten Rechtsrahmens mittels eines delegierten Rechtsakts geändert werden. Die Umsetzung dieser Richtlinie wird einen verbesserten Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten bzw- ‑gebieten erfordern. Zu diesem Zweck sollte die Richtlinie 2011/16/EU im Einklang mit der künftigen Arbeit der OECD an einer Vereinbarung über die zuständigen Behörden, die bis Ende 2022 ausgearbeitet werden soll, überprüft werden.
Abänderung 11 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 21 a (neu)
(21a) Die GloBE-Mustervorschriften dürften geändert werden, insbesondere die Vorschriften über Safe-Harbour-Bereiche, die darauf abzielen, die Erklärungspflichten für die Geschäftseinheiten zu vereinfachen. Mit dieser Richtlinie sollte sichergestellt werden, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen für die Kontrolle dieser Rechtsträger vorhanden sind. Daher sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu erlassen, um sicherzustellen, dass diese Richtlinie weiterhin mit den internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Einklang steht.
Abänderung 12 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 23 a (neu)
(23a) In diese Richtlinie wird eine Überprüfungsklausel aufgenommen, um sicherzustellen, dass die Anwendung dieser Richtlinie fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten einer ordnungsgemäßen Bewertung unterzogen wird. Bei dieser Bewertung sollten die Fortschritte bei der weltweiten Umsetzung der OECD-Vereinbarung/der GloBE-Mustervorschriften bewertet und überdacht werden sowie bestimmte Ausnahmen und Abweichungen, insbesondere in Bezug auf Ausschüttungssteuersysteme und substanzbasierte Ertragsfreistellung, die Relevanz des Schwellenwerts für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Unternehmen sowie die Auswirkungen auf die Steuereinnahmen in Entwicklungsländern. Im Rahmen der Überprüfung könnten erforderlichenfalls auch Änderungen der GloBE-Modellvorschriften in das Unionsrecht aufgenommen werden.
Abänderung 13 Vorschlag für eine Richtlinie Erwägung 24 a (neu)
(24a) Im Rahmen des inklusiven Rahmens gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) der OECD/G20 besteht die sogenannte Säule 2 zusätzlich zu zwei Vorschriften, die für die Einführung in nationales Steuerrecht vorgesehen sind, aus einer auf dem AEUV beruhenden Vorschrift, nämlich der „Subject to Tax Rule“ (STTR), die es Quellenstaaten gestattet, eine begrenzte Quellensteuer auf bestimmte Zahlungen an verbundene Unternehmen zu erheben, die unterhalb eines Mindestsatzes besteuert wurden. Die Kommission sollte den Mitgliedstaaten empfehlen, ihre bilateralen Steuerabkommen mit Ländern mit niedrigem Einkommen zu ändern, um diese Vorschrift einzubeziehen.
Abänderung 14 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 4 – Absatz 1 – Unterabsatz 1
Eine Geschäftseinheit, die keine transparente Gesellschaft ist, gilt in dem Steuerhoheitsgebiet als ansässig, in dem diese Geschäftseinheit aufgrund des Ortes ihrer Geschäftsleitung, ihres Gründungsortes oder ähnlicher Kriterien als steuerlich ansässig gilt.
Eine Geschäftseinheit, die keine transparente Gesellschaft ist, gilt in dem Steuerhoheitsgebiet als ansässig, in dem diese Geschäftseinheit aufgrund des Ortes ihrer effektiven Geschäftsleitung, d. h. des Ortes, an dem die für den Geschäftsbetrieb erforderlichen wesentlichen Management- und Geschäftsentscheidungen getroffen werden, ihres Gründungsortes oder ähnlicher Kriterien, die die realen wirtschaftlichen Tätigkeiten gemäß dieser Richtlinie und den GloBE-Modellvorschriften widerspiegeln, als steuerlich ansässig gilt.
Abänderung 15 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 4 a (neu)
Artikel 4a
Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidung
(1) Bei der Berechnung der Ergänzungssteuer lassen die Mitgliedstaaten alle Gestaltungen oder Abfolgen von Gestaltungen außer Acht, bei denen der wesentliche Zweck darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck dieser Richtlinie zuwiderläuft, und die unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände unangemessen sind. Eine Gestaltung kann mehr als einen Schritt oder Teil umfassen.
(2) Für die Zwecke von Absatz 1 gilt eine Gestaltung oder eine Abfolge von Gestaltungen als unangemessen, wenn sie nicht aus triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde, die die tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten widerspiegeln.
(3) Eine Gestaltung oder eine Abfolge von Gestaltungen, die gemäß Absatz 1 außer Acht gelassen wird, wird bei der Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage entsprechend ihrer wirtschaftlichen Substanz behandelt.
(4) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 52 zu erlassen, um ausführlichere Vorschriften gegen Steuervermeidung festzulegen, insbesondere um künftigen Änderungen der GloBE-Mustervorschriften Rechnung zu tragen.
Abänderung 16 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 10 – Absatz 3
(3) Wurde der Betrag der anerkannten nationalen Ergänzungssteuer, die bei der Berechnung der auf das Steuerhoheitsgebiet bezogenen Ergänzungssteuer für das Geschäftsjahr gemäß Artikel 26 berücksichtigt wurde, nicht binnen der folgenden drei Geschäftsjahre vollständig entrichtet, so wird der Betrag der nicht entrichteten nationalen Ergänzungssteuer zu der gemäß Artikel 26 Absatz 3 berechneten Ergänzungssteuer für das Steuerhoheitsgebiet hinzuaddiert.
(3) Wurde der Betrag der anerkannten nationalen Ergänzungssteuer, die bei der Berechnung der auf das Steuerhoheitsgebiet bezogenen Ergänzungssteuer für das Geschäftsjahr gemäß Artikel 26 berücksichtigt wurde, nicht binnen des folgenden Geschäftsjahres vollständig entrichtet, so wird der Betrag der nicht entrichteten nationalen Ergänzungssteuer zu der gemäß Artikel 26 Absatz 3 berechneten Ergänzungssteuer für das Steuerhoheitsgebiet hinzuaddiert.
Abänderung 17 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 13 – Absatz 8 a (neu)
(8a) Die Kommission kann mithilfe von Durchführungsrechtsakten die Bedeutung der in den Absätzen 5 und 6 dieses Artikels verwendeten Begriffe näher erläutern. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 52a genannten Prüfverfahren erlassen.
Abänderung 18 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 13 – Absatz 8 b (neu)
(8b) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 52 delegierte Rechtsakte zur Änderung der in Absatz 5 dieses Artikels festgelegten Formel zu erlassen, um entsprechenden Änderungen der GloBE-Mustervorschriften Rechnung zu tragen.
Abänderung 19 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 15 – Absatz 11 a (neu)
(11a) Die Kommission kann delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 52 erlassen, um die in Absatz 1 dieses Artikels festgelegten Begriffsbestimmungen zu ändern oder die Posten, für die in den Absätzen 2, 3, 6, 7, 10 und 11 dieses Artikels Anpassungen vorgesehen sind, abzuändern, insbesondere um künftigen Änderungen der GloBE-Mustervorschriften Rechnung zu tragen.
Abänderung 20 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 19 – Absatz 3 a (neu)
(3a) Die Kommission kann mithilfe von Durchführungsrechtsakten die Bedeutung der in Absatz 1 dieses Artikels verwendeten Begriffe näher erläutern. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 52a genannten Prüfverfahren erlassen.
Abänderung 21 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 21 – Absatz 7 – Unterabsatz 1
Eine latente Steuerschuld, die nicht binnen der fünf folgenden Geschäftsjahre gezahlt oder aufgelöst wird, wird in dem Maße nachversteuert, in dem sie im Gesamtbetrag der Anpassung der latenten Steuern einer Geschäftseinheit berücksichtigt worden war.
Eine latente Steuerschuld, die nicht binnen der drei folgenden Geschäftsjahre gezahlt oder aufgelöst wird, wird in dem Maße nachversteuert, in dem sie im Gesamtbetrag der Anpassung der latenten Steuern einer Geschäftseinheit berücksichtigt worden war.
Abänderung 22 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 21 – Absatz 7 – Unterabsatz 2
Der Betrag der für das Geschäftsjahr festgelegten nachversteuerten latenten Steuerschuld wird als Senkung der erfassten Steuern des fünften vorangegangenen Geschäftsjahres behandelt, und der effektive Steuersatz und die Ergänzungssteuer dieses Geschäftsjahres werden gemäß Artikel 28 Absatz 1 neu berechnet.
Der Betrag der für das Geschäftsjahr festgelegten nachversteuerten latenten Steuerschuld wird als Senkung der erfassten Steuern des dritten vorangegangenen Geschäftsjahres behandelt, und der effektive Steuersatz und die Ergänzungssteuer dieses Geschäftsjahres werden gemäß Artikel 28 Absatz 1 neu berechnet.
Abänderung 23 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 21 – Absatz 8 a (neu)
(8a) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 52 zu erlassen, um die Posten zu ändern, für die gemäß Absatz 8 eine Abgrenzung gilt, insbesondere um künftigen Änderungen der GloBE-Mustervorschriften Rechnung zu tragen.
Abänderung 24 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 27 – Absatz 9 a (neu)
(9a) Die Kommission kann mithilfe von Durchführungsrechtsakten die Bedeutung der in den Begriffsbestimmungen in Absatz 1 dieses Artikels verwendeten Begriffe näher erläutern. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 52a genannten Prüfverfahren erlassen.
Abänderung 25 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 29 – Absatz 5 a (neu)
(5a) Die Kommission kann gemäß Artikel 52 delegierte Rechtsakte zur Änderung der in Absatz 1 dieses Artikels festgelegten Beträge erlassen, insbesondere um künftigen Änderungen der GloBE-Mustervorschriften Rechnung zu tragen.
Abänderung 26 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 31 – Absatz 4 – Einleitung
(4) Spaltet sich eine multinationale Unternehmensgruppe in zwei oder mehr Gruppen auf (in jeweils eine „gespaltene Gruppe“), so gilt der Schwellenwert für konsolidierte Umsatzerlöse als von jeder der gespaltenen Gruppen erfüllt, wenn sie Folgendes meldet:
(4) Spaltet sich eine multinationale Unternehmensgruppe in zwei oder mehr Gruppen auf (in jeweils eine „gespaltene Gruppe“), so gilt für mindestens sechs Jahre nach der Spaltung der Schwellenwert für konsolidierte Umsatzerlöse als von jeder der gespaltenen Gruppen erfüllt, wenn sie Folgendes meldet:
Abänderung 27 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 41 – Absatz 1
(1) Die erklärungspflichtige Geschäftseinheit kann eine Option in Anspruch nehmen, der zufolge der konzernzugehörige Eigentümer einer Investmentgesellschaft eine Methode für steuerpflichtige Ausschüttungen auf seine Beteiligung an der Investmentgesellschaft anwenden kann, vorausgesetzt, der genannte konzernzugehörige Eigentümer ist keine Investmentgesellschaft, und es kann nach vernünftigem Ermessen davon ausgegangen werden, dass er für Ausschüttungen der Investmentgesellschaft einem Steuersatz unterliegt, der dem Mindeststeuersatz entspricht oder diesen überschreitet.
(1) Die erklärungspflichtige Geschäftseinheit kann eine Option in Anspruch nehmen, der zufolge der konzernzugehörige Eigentümer einer Investmentgesellschaft oder einer Versicherungs-Investmentgesellschaft eine Methode für steuerpflichtige Ausschüttungen auf seine Beteiligung an der Investmentgesellschaft anwenden kann, vorausgesetzt, der genannte konzernzugehörige Eigentümer ist keine Investmentgesellschaft, und es kann nach vernünftigem Ermessen davon ausgegangen werden, dass er für Ausschüttungen der Investmentgesellschaft einem Steuersatz unterliegt, der dem Mindeststeuersatz entspricht oder diesen überschreitet.
Abänderung 28 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 42 – Absatz 2 – Unterabsatz 2 a (neu)
Wurde von anderen Geschäftseinheiten der multinationalen Unternehmensgruppe keine Geschäftseinheit benannt, so ist der benannte lokale Rechtsträger, der für die Vorlage der Ergänzungssteuer-Erklärung zuständig ist, der in Bezug auf die jährlichen Einnahmen der letzten beiden aufeinanderfolgenden Jahre größte Rechtsträger der multinationalen Unternehmensgruppe mit Sitz in demselben Mitgliedstaat.
Abänderung 29 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 42 – Absatz 7 a (neu)
(7a) Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments einstimmig die Maßnahmen, die erforderlich sind, um den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Erklärungspflichten nachzukommen und den erforderlichen Informationsaustausch zu gewährleisten.
Abänderung 30 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 47 – Absatz 1
(1) Die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen obersten Muttergesellschaft entsprechend Artikel 5 Absatz 2 geschuldete Ergänzungssteuer wird unbeschadet der in Kapitel V festgelegten Anforderungen in den ersten fünf Jahren der Anfangsphase der internationalen Tätigkeit der multinationalen Unternehmensgruppe auf null gesetzt.
(1) Die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen obersten Muttergesellschaft entsprechend Artikel 5 Absatz 2 geschuldete Ergänzungssteuer wird unbeschadet der in Kapitel V festgelegten Anforderungen in den ersten drei Jahren der Anfangsphase der internationalen Tätigkeit der multinationalen Unternehmensgruppe auf null gesetzt.
Abänderung 31 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 47 – Absatz 2
(2) Ist die oberste Muttergesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe in einem Drittstaat oder -gebiet ansässig, so wird die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Geschäftseinheit entsprechend Artikel 13 Absatz 2 geschuldete Ergänzungssteuer unbeschadet der in Kapitel V festgelegten Anforderungen in den ersten fünf Jahren der Anfangsphase der internationalen Tätigkeit dieser multinationalen Unternehmensgruppe auf null gesetzt.
(2) Ist die oberste Muttergesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe in einem Drittstaat oder -gebiet ansässig, so wird die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Geschäftseinheit entsprechend Artikel 13 Absatz 2 geschuldete Ergänzungssteuer unbeschadet der in Kapitel V festgelegten Anforderungen in den ersten drei Jahren der Anfangsphase der internationalen Tätigkeit dieser multinationalen Unternehmensgruppe auf null gesetzt.
Abänderung 32 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 47 – Absatz 4 – Unterabsatz 1
Der in den Absätzen 1 und 2 genannte Zeitraum von fünf Geschäftsjahren beginnt mit dem Beginn des Geschäftsjahres, in dem die multinationale Unternehmensgruppe erstmals in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.
Der in den Absätzen 1 und 2 genannte Zeitraum von drei Geschäftsjahren beginnt mit dem Beginn des Geschäftsjahres, in dem die multinationale Unternehmensgruppe erstmals in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.
Abänderung 33 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 47 – Absatz 4 – Unterabsatz 2
Für multinationale Unternehmensgruppen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Richtlinie in deren Anwendungsbereich fallen, beginnt der in Absatz 1 genannte Zeitraum von fünf Jahren am 1. Januar 2023.
Für multinationale Unternehmensgruppen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Richtlinie in deren Anwendungsbereich fallen, beginnt der in Absatz 1 genannte Zeitraum von drei Jahren am 1. Januar 2023.
Abänderung 34 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 47 – Absatz 4 – Unterabsatz 3
Für multinationale Unternehmensgruppen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Richtlinie in deren Anwendungsbereich fallen, beginnt der in Absatz 2 genannte Zeitraum von fünf Jahren am 1. Januar 2024.
Für multinationale Unternehmensgruppen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Richtlinie in deren Anwendungsbereich fallen, beginnt der in Absatz 2 genannte Zeitraum von drei Jahren am 1. Januar 2024.
Abänderung 35 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 50 – Absatz 1
(1) Die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen obersten Muttergesellschaft entsprechend Artikel 49 geschuldete Ergänzungssteuer wird in den ersten fünf Jahren ab dem ersten Tag des Geschäftsjahres, in dem die große inländische Gruppe erstmals in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, auf null gesetzt.
(1) Die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen obersten Muttergesellschaft entsprechend Artikel 49 geschuldete Ergänzungssteuer wird in den ersten drei Jahren ab dem ersten Tag des Geschäftsjahres, in dem die große inländische Gruppe erstmals in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, auf null gesetzt.
Abänderung 36 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 50 – Absatz 2
(2) Für große inländische Gruppen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Richtlinie in deren Anwendungsbereich fallen, beginnt der oben genannte Zeitraum von fünf Jahren am 1. Januar 2023.
entfällt
Abänderung 37 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 52 – Absatz 2
(2) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 51 Absatz 3 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab dem Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie übertragen.
(2) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 4a Absatz 4, Artikel 13 Absatz 8b, Artikel 15 Absatz 11a, Artikel 21 Absatz 8a, Artikel 29 Absatz 5a und Artikel 51 Absatz 3 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab dem Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie übertragen.
Abänderung 38 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 52 – Absatz 3
(3) Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 51 Absatz 3 kann vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.
(3) Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 4a Absatz 4, Artikel 13 Absatz 8b, Artikel 15 Absatz 11a, Artikel 21 Absatz 8a, Artikel 29 Absatz 5aund Artikel 51 Absatz 3 kann vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.
Abänderung 39 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 52 – Absatz 5
(5) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 51 Absatz 3 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an den Rat keine Einwände erhoben hat oder wenn vor Ablauf dieser Frist der Rat der Kommission mitgeteilt hat, dass er keine Einwände erheben wird. Auf Initiative des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.
(5) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 4a Absatz 4, Artikel 13 Absatz 8b, Artikel 15 Absatz 11a, Artikel 21 Absatz 8a, Artikel 29 Absatz 5aund Artikel 51 Absatz 3 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an den Rat keine Einwände erhoben hat oder wenn vor Ablauf dieser Frist der Rat der Kommission mitgeteilt hat, dass er keine Einwände erheben wird. Auf Initiative des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.
Abänderung 40 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 52 a (neu)
Artikel 52a
Ausschussverfahren
(1) Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
(2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
Abänderung 41 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 53 – Absatz 1
Das Europäische Parlament wird von der Annahme eines delegierten Rechtsakts durch die Kommission, von gegen ihn vorgebrachten Einwänden und von dem Widerruf einer Befugnisübertragung durch den Rat in Kenntnis gesetzt.
Das Europäische Parlament wird rechtzeitig von der Annahme eines delegierten Rechtsakts durch die Kommission, von gegen ihn vorgebrachten Einwänden und von dem Widerruf einer Befugnisübertragung durch den Rat in Kenntnis gesetzt.
Abänderung 42 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 53 a (neu)
Artikel 53a
Überprüfung
Bis ... [fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie] überprüft die Kommission die Anwendung dieser Richtlinie und erstattet dem Rat Bericht über deren Durchführung. In dem Bericht wird untersucht, ob diese Richtlinie angesichts der Veränderungen und Entwicklungen im internationalen Steuerkontext geändert werden muss, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der GloBE-Mustervorschriften außerhalb der Union und die Entwicklung weiterer, einseitiger Konzepte zur effektiven Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmensgruppen. Er sollte sich auch auf die Inanspruchnahme von Ausnahmen und Abweichungen und deren Auswirkungen auf die Kohärenz des Binnenmarktes konzentrieren.
In dem Bericht werden die Auswirkungen der substanzbasierten Einkommensanrechnung, der Anwendung der fakultativen anerkannten nationalen Ergänzungssteuer und der Behandlung von Ausschüttungssteuersystemen auf die Wirksamkeit der Gewährleistung einer effektiven Mindestbesteuerung bewertet.
Im Bericht werden die Auswirkungen der Richtlinie auf die Einnahmen der am wenigsten entwickelten Länder und die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten, die Investitionsentscheidungen der Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU innerhalb der Weltwirtschaft behandelt. In dem Bericht werden außerdem die Auswirkungen einer Herabsetzung der Schwellenwerte für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Unternehmen bewertet. Gegebenenfalls wird dem Bericht ein Legislativvorschlag beigefügt.
Abänderung 43 Vorschlag für eine Richtlinie Artikel 53 b (neu)
Artikel 53b
Abgrenzungsbestimmung
(1) Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung innerstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten, mit denen ein höheres Schutzniveau für inländische Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlagen sichergestellt werden soll, die sich auf die Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen im Sinne des Artikels 7 der Richtlinie (EU) 2016/11641a des Rates beziehen, insbesondere wenn die strengeren Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen den Empfehlungen des Abschlussberichts 2015 über Maßnahme 3 des OECD/G20-Projekts zur Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung entsprechen.
(2) Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung innerstaatlicher Bestimmungen über alternative Formen der Mindestbesteuerung inländischer Gruppen oder Gesellschaften.
_________
1a Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ABl. L 193 vom 19.7.2016, S. 1).
Schaffung des europäischen Bildungsraums bis 2025 – Microcredentials, individuelle Lernkonten und Lernen für eine nachhaltige Umwelt
138k
47k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zur Errichtung des Europäischen Bildungsraums bis 2025 – Microcredentials, individuelle Lernkonten und Lernen für eine nachhaltige Umwelt (2022/2568(RSP))
– gestützt auf die Artikel 165 und 166 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union und das den Verträgen beigefügte Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit,
– unter Hinweis auf Artikel 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die interinstitutionelle Proklamation zur europäischen Säule sozialer Rechte(1),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 1. Juli 2020 mit dem Titel „Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz“ (COM(2020)0274),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 mit dem Titel „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019)0640),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 17. Januar 2018 zum Aktionsplan für digitale Bildung (COM(2018)0022),
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Kommission vom Dezember 2020 zu einem europäischen Ansatz für Microcredentials mit den Ergebnissen der Beratungsgruppe für Microcredentials im Hochschulbereich,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. November 2021 zum europäischen Bildungsraum: ein gemeinsamer, ganzheitlicher Ansatz(2),
– unter Hinweis aus die Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Kommission und an den Rat zur Schaffung des europäischen Bildungsraums bis 2025 – Microcredentials, individuelle Lernkonten und Lernen für eine nachhaltige Umwelt (O-000011/2022 – B9‑0013/2022 und O‑000012/2022 – B9‑0014/2022),
– gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Entwurf einer Entschließung des Ausschusses für Kultur und Bildung,
A. in der Erwägung, dass im Einklang mit der europäischen Säule sozialer Rechte, der Zugang zu hochwertiger und inklusiver Bildung und zu lebenslangem Lernen für alle ein grundlegendes Menschenrecht ist und für den Erwerb und die Erhaltung von Kompetenzen, die umfassende und aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die Sicherung eines wirksamen Zugangs zu einem sich wandelnden Arbeitsmarkt von wesentlicher Bedeutung ist;
B. in der Erwägung, dass die Kommission beabsichtigt, bis 2025 einen europäischen Bildungsraum zu schaffen;
C. in der Erwägung, dass die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt dazu geführt haben, dass Kompetenzen rasch überholt sind und die Nachfrage nach flexiblen Lernangeboten steigt; in der Erwägung, dass Motivation, Zeit und Finanzierung Schlüsselfaktoren für Weiterbildung und Umschulung sind;
1. begrüßt die Vorschläge der Kommission, die darauf abzielen, bis 2025 im Rahmen des europäischen Bildungsraums einen europäischen Ansatz für Microcredentials, individuelle Lernkonten und Lernen für eine nachhaltige Umwelt zu entwickeln, der dazu beitragen würde, Lernwege flexibler zu gestalten, die Lernmöglichkeiten zu erweitern, die gegenseitige Anerkennung zu verbessern, Verbindungen mit Blick auf den digitalen und den ökologischen Wandel herzustellen und die Rolle sowohl der Hochschul- als auch der Berufsbildungseinrichtungen beim lebenslangen Lernen zu stärken;
2. betont, dass Microcredentials und individuelle Lernkonten für Menschen bedeutsam sein können, die sich weiterbilden, umschulen und offiziell anerkannte Qualifikationen erwerben wollen, um mit dem raschen Wandel in der Gesellschaft und einem zunehmend digitalisierten Arbeitsmarkt Schritt halten zu können, und für die Menschen, die die Laufbahn aufgrund der persönlichen Entwicklung oder eines sozialen Aufstiegs wechseln möchten;
3. fordert den Rat auf, eine gemeinsame Begriffsbestimmung für Microcredentials und gemeinsame Normen im Rahmen des europäischen Bildungsraums anzunehmen, die die Grundlage für Qualitätssicherung, Anerkennung, Transparenz und Übertragbarkeit bilden würde;
4. fordert die Kommission auf, ein solides Instrument zu schaffen, mit dem die Mitgliedstaaten zur Einführung von Microcredentials motiviert werden, wobei diese die freiwillig bleiben sollten; stellt fest, dass dies derzeit in dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates fehlt, und hebt in diesem Zusammenhang den Modellcharakter des erfolgreichen Pilotprojekts der Initiative „Europäische Hochschulen“ hervor;
5. betont, dass unbedingt benutzerfreundliche und regelmäßig aktualisierte nationale Register bereitzustellen sind, die in einem EU-Portal aufgeführt und leicht zugänglich sein sollten, um die Güte der Microcredentials sicherzustellen und diese digital verfügbar zu machen, damit Weiterbildung, Umschulung und Erwerb neuer Kompetenzen unterstützt werden, die Transparenz erhöht wird und die Mobilität, der Austausch und die Zusammenarbeit grenzüberschreitend und international verbessert werden;
6. betont, dass europäische Microcredentials insbesondere für die bereichs- und grenzübergreifende Anerkennung kürzerer Lernzeiten benötigt werden, wobei dies für die Förderung einer größeren Mobilität in ganz Europa von grundlegender Bedeutung ist; fordert die Kommission auf, die Verwendung von Microcredentials bei der Anerkennung von Fähigkeiten und Kompetenzen, die während einer europäischen Lernmobilität und eines bürgerschaftlichen Engagements im Rahmen der Programme Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps erworben wurden, zu bewerten und darüber Bericht zu erstatten;
7. hebt hervor, dass Microcredentials eine unterstützende Funktion übernehmen sollten, wenn es darum geht, informelles und nichtformales Lernen mit formaler Bildung zu verknüpfen; fordert nachdrücklich, dass ein gemeinsamer Rahmen entwickelt und umgesetzt wird, um die durch informelles und nichtformales Lernen erworbenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Vorgehensweisen anzuerkennen;
8. fordert die Kommission nachdrücklich auf, ein allgemeines Konzept für psychosoziale und persönliche Kompetenzen im Einklang mit den Begriffsbestimmungen der Weltgesundheitsorganisation und der UNESCO vorzuschlagen; betont, dass sich dieses Konzept an den laufenden Initiativen und Projekten, die im Rahmen von EU-Programmen finanziert werden, sowie an dem Strategiebericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission über lebensbegleitende Kompetenzen(3) orientieren und in Absprache mit den Mitgliedstaaten, Bildungseinrichtungen, Lehrkräften und Akteuren des Arbeitsmarktes ausgearbeitet werden sollte, um unter anderem die praktischen Aspekte der Umsetzung zu klären;
9. weist darauf hin, dass die automatische gegenseitige Anerkennung von Microcredentials innerhalb des europäischen Bildungsraums ein Schritt hin zu einer generellen Erleichterung der automatischen Anerkennung von Qualifikationen sein könnte; ist der Auffassung, dass die Schaffung eines kohärenten europäischen Systems für Microcredentials, an dem die einschlägigen Interessenträger beteiligt sind, ein Fortschritt wäre, wenn es darum geht, die Bildungsmacht Europas und die globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken;
10. weist die Behörden auf ihre wesentliche Rolle bei der Sicherstellung eines ausgewogenen Fortbildungsangebots für Erwachsene und insbesondere darauf hin, dass Grundfertigkeiten sowie bereichsübergreifende, psychosoziale und persönliche Kompetenzen für den ökologischen und den digitalen Wandel genauso wichtig sind wie technische Kompetenzen;
11. fordert die Hochschuleinrichtungen auf, Microcredentials zu entwickeln, um den Lernenden während ihres Studiums wertvolle Erfahrungen, darunter Freiwilligentätigkeiten, Mentoring und Jugendarbeit, zu bieten, die von sozialen Engagement und Inklusion geprägt sind;
12. betont, dass es wichtig ist, Mittel für Beratungs- und Beratungsdienste vorzusehen, um Erwachsene und junge Menschen bei der Ermittlung und Zertifizierung von Fähigkeiten und Kompetenzen, die sie bereits durch informelles Lernen erworben haben, zu unterstützen und sie auf Möglichkeiten zur Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen aufmerksam zu machen, sodass Microcredentials zu einem Mittel der Inklusion werden, anstatt bestehende Ungleichheit beim Zugang zu Weiterbildung und Umschulung zu verfestigen bzw. zu vertiefen; fordert nachdrücklich, dass Microcredentials während des grundständigen Studiums Einsatz finden, damit die primär Begünstigten nicht etwa Lernende aus Gruppen sind, die bereits Vorteile in Bezug auf Bildung und berufliche Stellung genießen;
13. begrüßt, dass individuelle Lernkonten zusammen mit Microcredentials darauf ausgelegt sind, lebenslanges Lernen inklusiver, zugänglicher und erschwinglicher zu machen; weist darauf hin, dass sich diese Initiativen an alle richten sollen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Beschäftigungsstatus, Einkommen oder Bildungsniveau; betont, dass bei jungen Menschen die Bereitschaft für lebenslanges Lernen gefördert werden muss;
14. fordert nachdrücklich, dass die Optionen im Rahmen individueller Lernkonten nicht zu eng auf den Bedarf des Arbeitsmarktes abgestimmt sind, sondern die Bürger befähigen, individuelle Entscheidungen zu treffen, und Möglichkeiten für Selbstständigkeit und Unternehmertum eröffnen;
15. fordert die Mitgliedstaaten auf, Ausbildungsansprüche für individuelle Lernkonten vorrangig zu behandeln, die sich an gering qualifizierte Erwachsene, Menschen mit Behinderungen, benachteiligte Lernende, Menschen aus schutzbedürftigen oder ausgegrenzten Gruppen, Flüchtlinge und Menschen, die in abgelegenen oder ländlichen Gebieten leben, richten, und klare Kriterien für die Zuweisung dieser Ansprüche festzulegen;
16. weist warnend darauf hin, dass die Einführung von Microcredentials und individuellen Lernkonten keine ungewollten Hindernisse für erwachsene Lernende schaffen darf, die die Kosten längerfristiger bzw. formaler Bildungsprogramme stemmen müssen;
17. ist der Ansicht, dass das Lernen für eine nachhaltige Umwelt in allen Lehrplänen in der gesamten EU mit der Perspektive des lebenslangen Lernens verankert werden sollte, auch im Rahmen der europäischen und globalen politischen Bildung, um die Lernenden zu befähigen, sich aktiv für eine stärker auf Integration und Nachhaltigkeit ausgerichtete Gesellschaft einzusetzen;
18. hebt die möglichen vielfältigen Vorteile aller drei Initiativen hervor, da eine verstärkte Teilnahme an Erwachsenenbildungsprogrammen mit Verbesserungen der Umweltkompetenz, einer stärkeren Bürgerbeteiligung und einer besseren Beziehung zur Umwelt, einem erhöhten Wohlbefinden und einer größeren Lebenszufriedenheit verbunden wird;
19. betont, wie wichtig es ist, die Kultur- und Kreativbranche einzubeziehen, um eine Geisteshaltung zu fördern, die auf eine nachhaltige Entwicklung bei der Wiederbelebung der wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgerichtet ist, wie dies einige europäische Kulturhauptstädte vormachen und die neuen Chancen, die mit dem Neuen Europäischen Bauhaus einhergehen, zeigen;
20. besteht darauf, dass diese Initiativen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, einschließlich ihrer europäischen Dimension und ihres europäischen Mehrwerts, besonders gut herausgestellt werden, damit die Europäer die potenziellen Vorteile klar erkennen und sich der Vorzüge eines europäischen Bildungsraums bewusst werden können;
21. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung der Kommission, dem Rat und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Gemeinsamen Forschungsstelle, LifeComp: The European Framework for Personal, Social and Learning to Learn Key Competence, Reihe „Science for Policy“, Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2020.
Bekämpfung der Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen in der Ukraine
159k
55k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zur Bekämpfung der Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen in der Ukraine (2022/2655(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen und Berichte zur Ukraine und zu Russland,
– unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die Genfer Konventionen von 1949 und ihre Zusatzprotokolle,
– unter Hinweis auf die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907,
– unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes und die dazugehörigen Zusatzprotokolle,
– unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vom 17. Juli 1998 und die Änderungen von Kampala aus dem Jahr 2010 über das Verbrechen der Aggression,
– unter Hinweis auf die von der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen ausgearbeiteten Grundsätze des Völkerrechts, die im Statut des Internationalen Militärgerichtshofs und dem Urteil im Nürnberger Prozess (die Nürnberger Prinzipien) anerkannt wurden und in denen festgelegt ist, was unter Kriegsverbrechen zu verstehen ist,
- unter Hinweis auf die Resolution 1820 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu sexueller Gewalt als Kriegswaffe und die Resolution 1888 (2009), mit der das Amt der Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten geschaffen wurde,
- unter Hinweis auf die 1998 vom Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda und vom Internationalen Strafgerichtshof für Jugoslawien festgelegte Definition des Begriffs „Vergewaltigung“ in Kriegszeiten,
– unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 2. März 2022 zu der Aggression gegen die Ukraine und ihre Resolution vom 24. März 2022 zu den humanitären Folgen der Aggression gegen die Ukraine,
– unter Hinweis auf die Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 4. März 2022 zur Lage der Menschenrechte in der Ukraine infolge der russischen Aggression, in der der Menschenrechtsrat beschlossen hat, eine unabhängige internationale Untersuchungskommission einzusetzen,
– unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 28. April 2022 mit dem Titel „The Russian Federation’s aggression against Ukraine: ensuring accountability for serious violations of international humanitarian law and other international crimes“ (Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine: für Rechenschaftspflicht für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und für andere internationale Verbrechen sorgen),
– unter Hinweis auf die Erklärung von Versailles vom 11. März 2022,
– unter Hinweis auf den Besuch von Präsidentin Metsola in der Ukraine am 1. April 2022 und ihre Erklärung zu den internationalen Kriegsverbrechen in der Ukraine,
- unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik im Namen der EU vom 4. April 2022 zu russischen Gräueltaten in Butscha und anderen ukrainischen Städten,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Anklägers des IStGH, Karim A. A. Khan, QC, vom 2. März 2022 mit dem Titel „Die Lage in der Ukraine: Eingang der Befassungen durch 39 Vertragsstaaten und Einleitung einer Untersuchung“,
– unter Hinweis auf den Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom 13. April 2022 über die seit dem 24. Februar 2022 in der Ukraine begangenen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
– unter Hinweis auf das Abkommen aus dem Jahre 2006 zwischen dem Internationalen Strafgerichtshof und der Europäischen Union über Zusammenarbeit und Unterstützung,
- gestützt auf den Beschluss (GASP) 2022/638 des Rates vom 13. April 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/486/GASP über die Beratende Mission der Europäischen Union für eine Reform des zivilen Sicherheitssektors in der Ukraine (EUAM Ukraine)(1), mit dem das Mandat der EUAM Ukraine geändert wurde, um die ukrainischen Behörden zu unterstützen und die Ermittlungen und die Strafverfolgung aller internationalen Straftaten, die im Zusammenhang mit der Aggression Russlands gegen die Ukraine begangen werden, zu erleichtern,
- gestützt auf den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1727 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Erhebung, Sicherung und Analyse von Beweismitteln im Zusammenhang mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch Eurojust (COM(2022)0187),
– unter Hinweis auf die Berichte von Human Rights Watch zur Ukraine vom 3. April und vom 21. April 2022 und den Bericht von Amnesty International vom 6. Mai 2022,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die russischen Streitkräfte und Russlands Handlanger seit Russlands Übergang zu einer neuen Phase des rechtswidrigen, grundlosen und ungerechtfertigten Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 sowohl in gerade erst eingenommenen als auch in bereits besetzten Gebieten in der Ukraine willkürliche Angriffe auf Zivilisten verübt haben, einschließlich Entführungen, außergerichtlichen Hinrichtungen und Folter;
B. in der Erwägung, dass Tausende Menschen ums Leben gekommen sind oder verletzt wurden, etwa 7,7 Millionen ukrainische Bürger Binnenvertriebene sind und fast 6 Millionen Menschen in Nachbarländer geflohen sind; in der Erwägung, dass Angaben der Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments zufolge seit dem 24. Februar 2022 400 000 ukrainische Zivilpersonen, darunter über 200 000 Kinder, aus der Ukraine in die Russische Föderation zwangsdeportiert wurden; in der Erwägung, dass russische Streitkräfte und ihre Handlanger mehrfach die Einrichtung humanitärer Korridore verhindert und somit die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den belagerten Gebieten blockiert oder behindert haben;
C. in der Erwägung, dass die von den russischen Truppen und ihren Handlangern verübten Gräueltaten am Sonntag, dem 3. April 2022, mit der Entdeckung der Leichname von Zivilisten, die die Straßen von Butscha säumen, einer Stadt, die für die ukrainische Armee fast einen Monat lang unzugänglich war, ein neues Ausmaß an Abscheulichkeit erreicht haben; in der Erwägung, dass aus zahlreichen zuvor besetzten ukrainischen Städten wie Butscha, Irpin, Hostomel, Iwankiw und anderen Ortschaften, die nun von den ukrainischen Streitkräften befreit worden sind, Berichte über Massengräber mit Hunderten Toten und über Leichen von Zivilisten auf den Straßen, darunter auch von Frauen, Kindern und älteren Menschen – manche mit auf dem Rücken gefesselten Händen –, übermittelt werden; in der Erwägung, dass mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass in vielen ukrainischen Städten und Dörfern, die von Russland und seinen Handlangern eingenommen wurden und nach wie vor besetzt sind, regelmäßig ähnliche Gräueltaten verübt werden und dass das tatsächliche Ausmaß der Kriegsverbrechen viel größer sein dürfte als es bisher dokumentiert wurde;
D. in der Erwägung, dass in zahlreichen Berichten – ergänzt durch Fotografien und Videoaufnahmen – summarische Hinrichtungen von Zivilpersonen während der russischen Besetzung von Dörfern und Städten, Festnahmen von Zivilpersonen ohne ordnungsgemäße Verfahren unter Ausübung von Misshandlung, die auf Folter hinausläuft, Fälle der Vergewaltigung von Zivilpersonen, auch von Kindern, durch das russische Militär und seine Handlanger sowie der Einsatz von ungelenkter Artillerie, Streumunition und Antipersonenminen bei russischen Angriffen auf besiedelte Gebiete dokumentiert wurden; in der Erwägung, dass Russland sexuelle Gewalt als Kriegswaffe einsetzt, um den Kampfgeist der Ukrainer zu schwächen, und als eine Form der Folter nutzt, um Geständnisse durch Vergewaltigung, erzwungene Entblößung und Androhung sexueller Gewalt gegen Kinder, Frauen und Männer oder ihre Angehörigen zu erwirken; in der Erwägung, dass Vergewaltigung das Kriegsverbrechen ist, das sich am schwersten so dokumentieren lässt, dass es vor Gericht gebracht und in einem Gerichtsverfahren nachgewiesen werden kann; in der Erwägung, dass Opfer sexueller Kriegsverbrechen nicht nur körperliche Schäden davontragen, sondern auch mehrfachen Risiken der Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt sein können; in der Erwägung, dass der Faktor Zeit beim Sammeln von Beweisen und Zeugenaussagen sowie bei der medizinischen und psychologischen Unterstützung der Opfer sexueller Gewalt von entscheidender Bedeutung ist;
E. in der Erwägung, dass russische Streitkräfte und ihre Handlanger Journalisten, Bürgermeister und Menschenrechtsverteidiger festgenommen, entführt, verschleppt, angegriffen und getötet haben; in der Erwägung, dass Journalisten und Medienschaffende nach dem humanitären Völkerrecht durch Artikel 79 des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen geschützt sind; in der Erwägung, dass laut der Plattform des Europarates für den Schutz des Journalismus und die Sicherheit von Journalisten bereits mindestens zehn Medienschaffende aus der Ukraine und aus anderen Ländern getötet und viele weitere verletzt wurden;
F. in der Erwägung, dass russische Streitkräfte und ihre Handlanger an der Plünderung ziviler Güter, darunter Lebensmittel, Kleidung, Haushaltsgeräte, Brennholz und große Mengen an Getreide, sowie an der Zerstörung ziviler Infrastruktur, einschließlich solcher, die den Bedürfnissen schutzbedürftiger gesellschaftlicher Gruppen dient, sowie von Wohngebäuden, Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern beteiligt waren; in der Erwägung, dass die Streitkräfte und Handlanger der Russischen Föderation systematisch Kunstgegenstände, Artefakte und andere Gegenstände von hohem kulturellem Wert erbeuten; in der Erwägung, dass die Ukraine Russland des Diebstahls mehrerer Hunderttausend Tonnen Getreide beschuldigt hat und die Vereinten Nationen bestätigt haben, dass vermehrt Belege dafür vorliegen, dass die russischen Truppen ukrainische Getreidevorräte geplündert und Getreidelager zerstört haben, wodurch die weltweite Lebensmittelkrise verschärft und einer möglichen Hungersnot in der Ukraine Vorschub geleistet wird; in der Erwägung, dass fast 25 Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine feststecken, da Russland die Logistikinfrastruktur zerstört hat und den Seeweg abriegelt; in der Erwägung, dass die Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt und die Gesundheit ebenfalls verheerend und von langer Dauer sein werden;
G. in der Erwägung, dass in den vier Genfer Konventionen und dem Zusatzprotokoll I, zu deren Vertragsparteien die Ukraine und die Russische Föderation gehören, festgelegt ist, dass schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht sowie schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen Kriegsverbrechen sind; in der Erwägung, dass jeder für Kriegsverbrechen verantwortlich ist, der solche Verbrechen anordnet oder begeht, daran mitwirkt und ihnen Vorschub leistet;
H. in der Erwägung, dass Russland im November 2016 seine Unterschrift unter dem Römischen Statut zurückzog; in der Erwägung, dass die Ukraine kein Vertragsstaat des Römischen Statuts ist, jedoch gemäß Artikel 12 Absatz 3 des Statuts zweimal seine Vorrechte ausgeübt hat, die gerichtliche Zuständigkeit des IStGH für mutmaßliche Verbrechen nach dem Römischen Statut in ihrem Hoheitsgebiet anzuerkennen;
I. in der Erwägung, dass der Ankläger des IStGH am 2. März 2022 mitgeteilt hat, dass er auf der Grundlage der von den Vertragsstaaten erhaltenen Befassungen ein Ermittlungsverfahren zur Lage in der Ukraine eingeleitet hat(2);
J. in der Erwägung, dass die Ukraine am 3. März 2022 mit der Unterstützung von 45 Teilnehmerstaaten den Moskauer Mechanismus der OSZE aktiviert hat, damit die Menschenrechtsverletzungen und die humanitären Auswirkungen des Einmarschs Russlands in die Ukraine untersucht werden;
K. in der Erwägung, dass der ukrainische Generalstaatsanwalt in den ersten drei Monaten des Krieges mindestens 9 300 Ermittlungen eingeleitet und Hunderte von Verdächtigen aus Russland wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, darunter Plünderungen, Mord, Folter und Vergewaltigung, identifiziert hat;
L. in der Erwägung, dass staatliche und internationale Justizbehörden eine Reihe von Maßnahmen ergriffen haben, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, darunter die Einleitung einer förmlichen Untersuchung durch den IStGH sowie strafrechtliche Ermittlungen nach dem Weltrechtsprinzip durch Frankreich, Deutschland, Litauen und Schweden;
M. in der Erwägung, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen am 4. März 2022 für die Einsetzung der Internationalen Untersuchungskommission zur Ukraine gestimmt hat, der das Mandat übertragen wurde, Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu untersuchen, die im Zusammenhang mit dem Einmarsch Russlands 2022 in die Ukraine begangen werden; in der Erwägung, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in Bezug auf die Lage in der Ukraine machtlos ist, da Russland ein Veto gegen alle wesentlichen Maßnahmen einlegen kann;
N. in der Erwägung, dass Polen, Litauen und die Ukraine am 25. März 2022 angekündigt haben, dass eine gemeinsame Ermittlungsgruppe eingerichtet wird, die mit der Unterstützung der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) und – wie am 25. April 2022 bekannt gegeben wurde – unter Beteiligung der Anklagebehörde des IStGH Beweise erheben und Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen soll; in der Erwägung, dass die Koordinierung der Ermittlungen des IStGH mit den Ermittlungen staatlicher Stellen und anderen Mechanismen von wesentlicher Bedeutung ist, wenn es gilt, rasch für Gerechtigkeit zu sorgen;
O. in der Erwägung, dass der Straftatbestand des Verbrechens der Aggression in diesem Fall nicht in die Zuständigkeit des IStGH fällt, da weder die Ukraine noch die Russische Föderation das Römische Statut und seine Änderungen im Zusammenhang mit dem Verbrechen der Aggression ratifiziert haben; in der Erwägung, dass diese Lücke durch die Einrichtung eines internationalen Sondergerichts geschlossen werden sollte, das beauftragt würde, die mutmaßlichen Verbrechen der Aggression, die von den führenden Politikern und militärischen Befehlshabern Russlands und seiner Verbündeten gegen die Ukraine begangen wurden, zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen;
1. verurteilt erneut auf das Allerschärfste den grundlosen, rechtswidrigen und ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und den russischen Einmarsch in das Land und fordert Russland auf, alle militärischen Handlungen in der Ukraine umgehend einzustellen und sämtliche Streitkräfte und das gesamte militärische Gerät bedingungslos aus dem gesamten international anerkannten Hoheitsgebiet der Ukraine abzuziehen, wie es der Internationale Gerichtshof am 16. März 2022 angeordnet hat;
2. bringt seine Empörung und Entrüstung über die gemeldeten Gräueltaten zum Ausdruck, darunter den wahllosen Beschuss von Städten und Dörfern, Zwangsdeportationen, den Einsatz verbotener Munition, Angriffe auf Zivilpersonen, die versuchen, über zuvor vereinbarte humanitäre Korridore aus den Konfliktgebieten zu fliehen, Hinrichtungen von Zivilpersonen, sexuelle Gewalt, Vertreibungen und vorsätzliche Plünderungen sowie gezielte Angriffe auf Wohngebiete und zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser, medizinische Einrichtungen, Schulen, Unterkünfte und Krankenwagen, die möglicherweise allesamt schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen und Kriegsverbrechen seitens der Russischen Föderation und ihrer Handlanger in der Ukraine darstellen, die bislang allesamt weder verfolgt noch bestraft wurden;
3. verurteilt den schrecklichen und systematischen Einsatz sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt als Kriegswaffe durch die russischen Streitkräfte und ihre Handlanger aufs Schärfste und bekräftigt unter Hinweis auf die Resolution 1820 (2008) der Vereinten Nationen zur sexuellen Gewalt als Kriegswaffe, dass Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder die Tatbestandsmerkmale des Völkermords erfüllende Handlungen darstellen können und dass die Verantwortlichen daher im Einklang mit den Bestimmungen des Völkerrechts und des Römischen Statuts des IStGH, insbesondere mit den Artikeln 7 und 8 des Statuts, strafrechtlich verfolgt werden müssen; bedauert die geringen Fortschritte bei der wirksamen Verfolgung sexueller und geschlechtsspezifischer Straftaten innerhalb des IStGH; ist der Ansicht, dass die Fälle der Opfer des rechtswidrigen Einmarschs in die Ukraine in dieser Hinsicht einen Präzedenzfall schaffen könnten; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung bei allen laufenden und künftigen Ermittlungen zu unterstützen;
4. bekundet seine uneingeschränkte Unterstützung für die vom Ankläger des IStGH eingeleitete Untersuchung zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen des Völkermords in der Ukraine, für die Arbeit der Untersuchungskommission des Amtes der Hohen Kommissarin für Menschenrechte und für die Anstrengungen unabhängiger Organisationen der Zivilgesellschaft zur Erhebung und Sicherung von Beweisen für Kriegsverbrechen; betont, dass zügig gearbeitet werden muss und rasch Fortschritte erzielt werden müssen, damit die notwendigen Beweise für die Untersuchungen und für die strafrechtliche Verfolgung aller Personen gesichert werden, die für die Genehmigung, das Begehen und die Verschleierung von Kriegsverbrechen und anderen Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind; betont, dass aufgrund der anhaltenden Kampfhandlungen die ernsthafte Gefahr besteht, dass Beweismittel im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen vernichtet werden und für die Ermittlungen von Kriegsverbrechen in der Ukraine nicht gesammelt und sicher aufbewahrt werden können; ist der Auffassung, dass ein rasches Handeln von entscheidender Bedeutung ist, um alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit diejenigen, die in der Ukraine Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden;
5. fordert, dass der Ankläger des IStGH bei der Ermittlung und strafrechtlichen Verfolgung von mutmaßlichen Tätern, die für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und möglicherweise Völkermord verantwortlich sind, unterstützt wird, indem politischer Beistand geleistet wird, alle vorliegenden Beweismittel zur Verfügung gestellt werden, auch aus frei zugänglichen Quellen gewonnene Erkenntnisse, Informationen und Daten, Satellitenbilder und abgehörte Kommunikation, und dem Gesamthaushalt des IStGH angemessene personelle und finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden, um seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in vollem Umfang zu schützen;
6. begrüßt und unterstützt uneingeschränkt die Bemühungen ukrainischer Staatsanwälte und Ermittler, diejenigen, die für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind, vor Gericht zu bringen, und fordert die EU-Mitgliedstaaten, die internationale Gemeinschaft und die einschlägigen Institutionen auf, die ukrainischen staatlichen Stellen dabei umfassend zu unterstützen;
7. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, jedwede erforderliche Unterstützung zu leisten, um die Kapazitäten und Ressourcen der ukrainischen Justiz zu stärken, damit Kriegsverbrechen wirksam untersucht und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden können; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die ukrainischen staatlichen Stellen dabei zu unterstützen, die wichtigsten Kriterien für die Bekämpfung der Straflosigkeit bei schweren Verbrechen gegen das Völkerrecht, einschließlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, auf nationaler Ebene zu erfüllen
8. fordert die Organe und die Mitgliedstaaten der EU auf, alle erforderlichen Maßnahmen in internationalen Institutionen und Verfahren sowie vor dem IStGH und anderen geeigneten internationalen Gerichten zu ergreifen, um die strafrechtliche Verfolgung des russischen und des belarussischen Regimes wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Verbrechen der Aggression zu unterstützen; fordert darüber hinaus, dass diese Ermittlungen und ihre anschließende Strafverfolgung auch auf alle Angehörigen der russischen Streitkräfte und Staatsbediensteten angewandt werden, die an Kriegsverbrechen beteiligt sind; begrüßt daher die Untersuchungen und Ermittlungen, die mehrere Mitgliedstaaten nach dem Weltrechtsprinzip zur Unterstützung der Arbeit des IStGH eingeleitet haben; begrüßt außerdem das geänderte Mandat der Beratenden Mission der Europäischen Union für eine Reform des zivilen Sicherheitssektors in der Ukraine (EUAM Ukraine), das es ihr ermöglichen wird, die ukrainischen staatlichen Stellen bei der Untersuchung und Verfolgung der Verbrechen gegen das Völkerrecht zu unterstützen, die im Zuge des russischen Einmarschs in die Ukraine begangen wurden;
9. fordert die russischen Staatsorgane auf, der gewaltsamen Verschleppung ukrainischer Bürger unverzüglich ein Ende zu setzen und es den ukrainischen Bürgern, die in das Hoheitsgebiet der Russischen Föderation verschleppt wurden, zu ermöglichen, sicher in die Ukraine zurückzukehren;
10. fordert die Mitgliedstaaten auf, Beweise zu sammeln und eine Untersuchung des Anklägers des IStGH zu unterstützen, damit festgestellt werden kann, ob die von den russischen Streitkräften und ihren Handlangern in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einem Völkermord gleichkommen;
11. beharrt darauf, dass die Koordinierung der verschiedenen Mechanismen, die für die Bekämpfung der Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen in der Ukraine eingerichtet wurden, verstärkt werden muss, unter anderem durch ein internationales Treffen, in dessen Rahmen die Beweiserhebung koordiniert und somit die Effizienz der Verfahren der Rechenschaftspflicht verbessert werden soll; fordert die EU-Organe auf, diese Koordinierungsbemühungen zu unterstützen;
12. fordert die EU-Organe und insbesondere die Kommission auf, mit Unterstützung bestehender multilateraler Foren wie der Vereinten Nationen und des Europarats unverzüglich die Schaffung einer geeigneten Rechtsgrundlage zu unterstützen, damit ein internationaler Sondergerichtshof für die Bestrafung des Verbrechens der Aggression, das die politischen Führer und militärischen Befehlshaber Russlands und seiner Verbündeten gegen die Ukraine begangen haben, eingerichtet werden kann; fordert die EU-Organe und insbesondere die Kommission auf, so bald wie möglich alle erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen sowie administrative, investigative und logistische Unterstützung für die Einrichtung dieses Gerichtshofs bereitzustellen;
13. fordert die EU-Organe und insbesondere die Kommission auf, sich um politische Unterstützung bei gleichgesinnten internationalen Partnern und Organisationen, insbesondere der Generalversammlung der Vereinten Nationen, für die Einrichtung dieses Gerichtshofs zu bemühen;
14. begrüßt die Einrichtung der gemeinsamen Ermittlungsgruppe durch Litauen, Polen und die Ukraine, die von Eurojust koordiniert wird und an der erstmals die Anklagebehörde des IStGH beteiligt sein wird, um die Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen in den teilnehmenden Staaten sowie solche, die vor den IStGH gebracht werden könnten, zu ermöglichen; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich der gemeinsamen Ermittlungsgruppe anzuschließen;
15. begrüßt den Vorschlag der Kommission vom 25. April 2022, das Mandat und die operativen Aufgaben von Eurojust in Bezug auf die Analyse, Aufbewahrung und Weitergabe von Beweismitteln zur Unterstützung von Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Kernverbrechen des Völkerstrafrechts, insbesondere Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und damit zusammenhängenden Straftaten, zu erweitern(3); fordert Eurojust auf, diese neuen Befugnisse zu nutzen, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Analyse von Beweismitteln zu unterstützen, damit die anschließende Zulässigkeit solcher Beweismittel vor nationalen oder internationalen Gerichten bzw. gleichwertigen Mechanismen sichergestellt wird; betont, dass die Erweiterung des Mandats mit einer angemessenen Aufstockung der Mittel für Eurojust einhergehen sollte;
16. betont, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Fähigkeiten und verfügbaren rechtlichen Möglichkeiten in vollem Umfang nutzen müssen, damit die Täter von Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden; begrüßt in diesem Zusammenhang die Bereitschaft von Europol, eine gemeinsame Ermittlungsgruppe zu unterstützen, und fordert die Agentur auf, auf Ersuchen eng mit Eurojust zusammenzuarbeiten;
17. weist darauf hin, dass das Weltrechtsprinzip darauf abzielt, die Straflosigkeit von Kriegsverbrechern zu verhindern, indem es allen Staaten ermöglicht, ihrer Pflicht nachzukommen, Täter strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen; hält es für wichtig, den Strafverfolgungs- und Justizbehörden in den Mitgliedstaaten geeignete Instrumente an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, die erforderlichen Beweise für die Verurteilung von Kriegsverbrechern zu sammeln; fordert die Mitgliedstaaten auf, das Weltrechtsprinzip wirksam für die Untersuchung und Verfolgung von Kriegsverbrechen in der Ukraine zu nutzen und die Zusammenarbeit untereinander zu intensivieren, wobei der Kommission eine koordinierende und fördernde Rolle zukommt;
18. fordert die Kommission erneut auf, einen EU-Aktionsplan zur Straflosigkeit mit einem eigenen Kapitel zur Ukraine vorzulegen;
19. fordert die Kommission auf, eng mit dem IStGH und Eurojust im Rahmen seines überarbeiteten Mandats zusammenzuarbeiten, was die Dokumentation von Vergewaltigungen, Missbrauch und anderen Formen sexueller Gewalt in Kriegszeiten in der Ukraine betrifft, unter anderem durch die Erhebung statistischer oder auf Muster hinweisender Beweismittel von einschlägigen Sachverständigen und medizinischer und pharmazeutischer Aufzeichnungen sowie durch die Suche nach und die Dokumentation von Aufzeichnungen über Vergewaltigungen im Krieg in der Ukraine, die online in der Presse und in den sozialen Medien veröffentlicht werden und die Ermittler zu Opfern von Vergewaltigung und sexueller Gewalt führen können; fordert, dass diese Arbeit durch ähnliche Anstrengungen in Flüchtlingslagern und, sofern möglich, vor Ort in der Ukraine ergänzt wird; fordert die EU sowie die Aufnahme- und Transitländer auf, den Zugang zu Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und den damit verbundenen Rechten sicherzustellen, insbesondere zu Notfallverhütung, postexpositioneller Prophylaxe und zu Schwangerschaftsabbrüchen, auch für Überlebende von Vergewaltigungen;
20. fordert die internationale Gemeinschaft auf, auch Umweltstraftaten, insbesondere massive Umweltverschmutzung, einschließlich grenzüberschreitender Umweltschäden, ernsthaft zu untersuchen und zu bestrafen, da Russland weiterhin Industrie- und Brennstoffanlagen, die Strom- und Wasserversorgung, Abwassersysteme und andere Einrichtungen ins Visier nimmt, was zu einer großflächigen Kontamination und zur Verwüstung von Feuchtgebieten, Wäldern, Nationalparks, Schutzgebieten, einschließlich der einen Radius von 30 km umfassenden Sperrzone rund um Tschernobyl, und Lebensräumen für gefährdete und bedrohte Arten führt und was mit schwerwiegenden langfristigen Auswirkungen verbunden ist;
21. fordert nachdrücklich, dass die mutmaßlichen Plünderungen und Zerstörungen von Lebensmittellagern durch die russischen Streitkräfte und ihre Handlanger untersucht werden und ihre weltweiten Auswirkungen, insbesondere auf die Entwicklungsländer, die Lebensmittel einführen, einer aussagekräftigen Bewertung unterzogen werden;
22. betont, wie wichtig IT-Großsysteme der EU sind, damit verhindert wird, dass Kriegsverbrecher fliehen und unbemerkt in das Hoheitsgebiet der EU gelangen können; ist davon überzeugt, dass die laufende Reform des EU-Rechtsrahmens für den Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungsbehörden die Zusammenstellung relevanter Informationen über Kriegsverbrecher in den Polizeidatenbanken einzelner Mitgliedstaaten beschleunigen wird;
23. bedauert, dass die Interpol-Satzung keine Möglichkeit vorsieht, die Mitgliedschaft auszusetzen, und fordert Interpol auf, den Zugang des russischen Nationalen Zentralbüros zu den Interpol-Datenbanken zumindest auszusetzen;
24. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu unterstützen, die die Schulung und Sensibilisierung von Menschenrechtsverteidigern sowie von Richtern und Staatsanwälten in Bezug auf digitale Beweismittel und die digitale Erfassung von Menschenrechtsverletzungen ermöglichen, damit vor nationalen und internationalen Gerichten für mehr Klarheit in Bezug auf die Zulässigkeitskriterien gesorgt wird;
25. begrüßt die Annahme des Gesetzentwurfs #7304 durch die Werchowna Rada, der die Zulassung des IStGH für die Arbeit in der Ukraine vorsieht, und fordert die ukrainischen staatlichen Stellen auf, die Bemühungen um Rechenschaftspflicht bei schwerwiegenden Verbrechen des Völkerstrafrechts zu unterstützen, indem die Ukraine das Römische Statut des IStGH umgehend ratifiziert und offiziell Mitglied des IStGH wird; fordert die ukrainischen staatlichen Stellen auf, die nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren der Ukraine mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen und dadurch die innerstaatlichen Rechtsmechanismen zu stärken, um der Straflosigkeit bei Verbrechen entgegenzuwirken, die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, insbesondere das Strafgesetzbuch, mit dem internationalen Strafrecht und dem humanitären Völkerrecht zu harmonisieren und einen klaren und praktischen Rahmen für die Zusammenarbeit mit dem IStGH und anderen Stellen, die in der Ukraine begangene Straftaten untersuchen, zu schaffen; weist erneut darauf hin, dass alle Konfliktparteien das humanitäre Völkerrecht uneingeschränkt achten müssen;
26. fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, mehr finanzielle Ressourcen und technische Unterstützung für die Erhebung und Speicherung der großen Menge an Beweisen für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine bereitzustellen; fordert die EU in diesem Zusammenhang auf, diesen Prozess durch eine Aufstockung der Mittel aus dem Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt zu unterstützen;
27. begrüßt die Sanktionspakete gegen Russland und betont, dass deren vollständige und wirksame Umsetzung in der gesamten EU und durch die internationalen Verbündeten der EU nun eine Priorität sein muss; fordert die rasche Annahme des sechsten Sanktionspakets; fordert die Kommission auf, dringend ein Rechtsinstrument zu schaffen, das es ermöglicht, eingefrorene russische Vermögenswerte und Gelder einzuziehen, damit sie als Wiedergutmachung und für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden können;
28. bekundet seine tiefe Wertschätzung und Achtung der Arbeit und des Engagements der ukrainischen Zivilgesellschaft, einschließlich ihrer Tätigkeit zur Dokumentation der anhaltenden Verstöße in der Ukraine und ihres Eintretens für den Kampf gegen die Straflosigkeit in der Ukraine; stellt fest, dass es im ukrainischen Hoheitsgebiet zahlreiche nichtstaatliche Organisationen gibt, die sich darum bemühen, Kriegsverbrechen, einschließlich Massenvergewaltigungen während der Kriegszeit, zu dokumentieren, und dass ihre Bemühungen unterstützt und konsolidiert werden müssen; fordert alle internationalen und nationalen Akteure, die mit der Rechenschaftspflicht befasst sind, auf, bei der Unterstützung von Gerichtsverfahren eng mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, unter anderem indem der Zugang zu Informationen und die Kontaktaufnahme mit Opfern und betroffenen Gemeinschaften verbessert werden, die Offenheit und Transparenz des Verfahrens sichergestellt wird und dafür Sorge getragen wird, dass die Zivilgesellschaft in die Reaktion auf die von der Russischen Föderation begangenen Gräueltaten eingebunden wird;
29. fordert die Mitgliedstaaten – auch durch ihre Teilnahme am Fünften Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen – und die Vereinten Nationen nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um ihr Mandat in all seinen Aspekten auf unabhängige Art und Weise ausüben zu können;
30. bedauert zutiefst, dass beschlossen wurde, die Sonderbeobachtermission der OSZE für die Ukraine zu beenden, nachdem auf der Tagung des Ständigen Rates der OSZE am 31. März 2022 kein Konsens über die Verlängerung des Mandats der Mission erzielt wurde, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, jede Möglichkeit zu prüfen, wie der Mission das Mandat wieder erteilt werden kann;
31. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie den Vereinten Nationen, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation und dem Chefankläger des IStGH zu übermitteln.
Am 1. März 2022 erhielt sein Büro von der Republik Litauen eine Befassung als Vertragsstaat. Am 2. März 2022 übermittelte die folgende koordinierte Gruppe von Vertragsstaaten eine gemeinsame Befassung: die Republik Albanien, Australien, die Republik Österreich, das Königreich Belgien, die Republik Bulgarien, Kanada, die Republik Kolumbien, die Republik Costa Rica, die Republik Kroatien, die Republik Zypern, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Republik Estland, die Republik Finnland, die Französische Republik, Georgien, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, Ungarn, Island, Irland, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Fürstentum Liechtenstein, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Malta, Neuseeland, das Königreich Norwegen, das Königreich der Niederlande, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, Rumänien, die Slowakische Republik, die Republik Slowenien, das Königreich Spanien, das Königreich Schweden, die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland.
Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1727 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Erhebung, Sicherung und Analyse von Beweismitteln im Zusammenhang mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch Eurojust (COM(2022)0187).
Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine auf die Gesellschaft und die Wirtschaft in der EU – Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu den Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine auf die Gesellschaft und die Wirtschaft in der EU – Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU (2022/2653(RSP))
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. April 2022 zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 24./25. März 2022 einschließlich der jüngsten Entwicklungen des Krieges gegen die Ukraine und der EU-Sanktionen gegen Russland und ihrer Umsetzung(1),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 25. März 2022,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 8. März 2022 mit dem Titel „REPowerEU: gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie“ (COM(2022)0108),
– unter Hinweis auf die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Identifying Europe’s recovery needs“ (Ermittlung der Bedürfnisse Europas für den Wiederaufbau) (SWD(2020)0098),
– unter Hinweis auf den Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) über den regionalen Wirtschaftsausblick vom 22. April 2022 mit dem Titel „Europe: War Sets Back the European Recovery“ (Europa: Krieg wirft die Erholung in Europa zurück),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. März 2022 zu dem Erfordernis eines vordringlichen Aktionsplans der EU zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit inner- und außerhalb der EU in Anbetracht des russischen Einmarschs in die Ukraine(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Mai 2022 zu den Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine auf Frauen(3),
– unter Hinweis auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 16. Dezember 2020 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung sowie über neue Eigenmittel, einschließlich eines Fahrplans im Hinblick auf die Einführung neuer Eigenmittel(4),
– unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2021 über die Überprüfung des makroökonomischen Rechtsrahmens mit dem Ziel einer besseren Wirkung auf die Realwirtschaft in Europa und einer größeren Transparenz der Entscheidungsfindung und der demokratischen Rechenschaftspflicht(5),
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Russland seit dem 24. Februar 2022 einen illegalen, unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffskrieg gegen die Ukraine führt;
B. in der Erwägung, dass die russische Invasion der Ukraine eine große humanitäre Krise darstellt, von der Millionen von Menschen betroffen sind und die unweigerlich einen schweren wirtschaftlichen Schock von ungewisser Dauer und Größenordnung in der EU zur Folge haben wird;
C. in der Erwägung, dass die schwerwiegendsten Folgen des Krieges in der Ukraine die Todesopfer und die humanitäre Krise im Zusammenhang mit der großen Zahl belagerter und vertriebener Menschen sind; in der Erwägung, dass nach Angaben des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge bis zum 5. Mai 2022 mehr als 5,7 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen waren, wobei derzeit mehr als 85 % von ihnen in einem EU-Land untergebracht sind; in der Erwägung, dass die Belastung im Zusammenhang mit der humanitären Krise zu einem großen Teil von den an die Ukraine angrenzenden Mitgliedstaaten getragen wird;
D. in der Erwägung, dass die durch den Konflikt verursachten Umweltauswirkungen infolge von Bombenangriffen, Öl- und Gaslecks sowie Zwischenfällen in Chemiefabriken und Kernkraftwerken für die Bevölkerung sowohl in der Ukraine als auch in der EU ein ernsthaftes Problem darstellen; in der Erwägung, dass die EU zum Schutz vor Umweltschäden, zur Behebung der durch den Krieg verursachten Umweltschäden und zur Ahndung von Umweltstraftaten beitragen muss, da diese unweigerlich lang anhaltende Folgen haben werden;
E. in der Erwägung, dass Russland einseitig beschlossen hat, die Gasversorgung Bulgariens und Polens einzustellen; in der Erwägung, dass eine wachsende Zahl von EU-Mitgliedstaaten bereits ihre Unterstützung für ein vollständiges Energieembargo gegen Russland zum Ausdruck gebracht hat, um dieser Erpressung zu entgehen;
F. in der Erwägung, dass die Sanktionen schwerwiegende Auswirkungen auf die russische Wirtschaft haben (laut IWF: Rückgang des BIP um 8,5 % und Inflation von 21,3 % im Jahr 2022); in der Erwägung, dass das Regime durch die europäischen Käufe fossiler Brennstoffe aus Russland, für deren Lieferung bis zu 800 Mio. EUR pro Tag an Russland gezahlt werden, nach wie vor Mittel erhält, die zur Finanzierung des Krieges beitragen; in der Erwägung, dass die Kommission einen ehrgeizigen Plan vorgelegt hat, um die Einfuhr von russischem Öl innerhalb von sechs Monaten und von Raffinerieprodukten bis Ende des Jahres zu verbieten;
G. in der Erwägung, dass der wirtschaftliche Kontext in Verbindung mit den Auswirkungen der notwendigen Sanktionen schwerwiegende Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Lage haben wird, und zwar unter anderem auf die Arbeitsmärkte der EU und die Lebensbedingungen; in der Erwägung, dass die durch den Krieg verursachte Krise das Wachstum und die Beschäftigung beeinträchtigen könnte, unter anderem durch die Auswirkungen auf die Finanzmärkte, Energieknappheit, einen weiteren Druck auf die Energiepreise, anhaltende Engpässe in der Lieferkette und Vertrauenseffekte;
H. in der Erwägung, dass die Verbraucherpreisinflation in der EU in vielen Ländern ein Niveau erreicht hat, das es seit den 1970er Jahren nicht mehr gegeben hat, und im April 2022 mit 7,5 % den höchsten Stand seit Einführung der gemeinsamen Währung erreicht hat, was vor allem auf die Preissteigerungen bei fossilen Energieträgern zurückzuführen ist; in der Erwägung, dass dies zu einem Anstieg der Agrarpreise geführt hat; in der Erwägung, dass die Inflationsrate (harmonisierter Verbraucherpreisindex – HVPI) der jüngsten Prognose der EZB für das Euro-Währungsgebiet zufolge von durchschnittlich 5,1 % im Jahr 2022 auf 2,1 % im Jahr 2023 und 1,9 % im Jahr 2024 sinken wird;
I. in der Erwägung, dass die zunehmende Inflation und insbesondere der rasche Anstieg der Nahrungsmittel- und Energiepreise in der EU die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen treffen und die Ungleichheit, die Armut und die Energiearmut weiter verschärfen; in der Erwägung, dass die Löhne voraussichtlich nicht so schnell steigen werden wie die Inflation, weshalb die Arbeitnehmer an Kaufkraft verlieren und sich ihre Lebensbedingungen in den nächsten Monaten womöglich verschlechtern; in der Erwägung, dass dies auch einen größeren Druck auf die sozialpolitischen Kapazitäten sowie auf automatische Stabilisatoren wie nationale Arbeitslosenprogramme ausüben wird; in der Erwägung, dass das von der Kommission verabschiedete Europäische Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) ein Erfolg war;
J. in der Erwägung, dass sich das weltweite Wachstum laut dem Weltwirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom April 2022 von schätzungsweise 6,1 % im Jahr 2021 auf 3,6 % in den Jahren 2022 und 2023 verlangsamen wird, was 0,8 bzw. 0,2 Prozentpunkte weniger ist als im Januar prognostiziert; in der Erwägung, dass das Wachstum im Euro-Währungsgebiet von schätzungsweise 5,3 % im Jahr 2021 auf 2,8 % im Jahr 2022 und 2,3 % im Jahr 2023 zurückgehen wird;
K. in der Erwägung, dass die weitverbreitete Nutzung von Programmen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen während der Pandemie dem Vorschlag der Kommission für einen gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2022 zufolge dazu beigetragen hat, dass die Arbeitslosigkeit im Jahr 2021 nur relativ gering – um 0,4 % – angestiegen ist, während die Arbeitslosigkeit im Jahr 2020 noch um 6 % gestiegen war(6);
L. in der Erwägung, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) größere Schwierigkeiten haben, Finanzmittel zu erhalten als große Unternehmen; in der Erwägung, dass es für KMU aufgrund von Verwaltungsverfahren besonders schwierig ist, Zugang zu öffentlichen Mitteln zu erhalten; in der Erwägung, dass bei allen Bedingungen für den Zugang von KMU zu finanzieller Unterstützung notwendiger Vereinfachungen der Verfahren Rechnung getragen werden sollte;
M. in der Erwägung, dass Europa mit neuen Herausforderungen konfrontiert ist, etwa mit zunehmender Ungleichheit zwischen den verschiedenen Generationen, weniger Möglichkeiten und Ressourcen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Wirtschaft und Umwelt, territorialen Unterschieden und dem ungleichen Zugang zu grundlegenden Sozial- und Gesundheitsdiensten, Arbeitsplätzen, Geschäftsmöglichkeiten und sozialer Infrastruktur; in der Erwägung, dass im Jahr 2020 96,5 Millionen Menschen in der EU von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren, was 21,9 % der EU-Bevölkerung entspricht; in der Erwägung, dass Armut und soziale Ausgrenzung in den letzten zehn Jahren zurückgegangen sind; in der Erwägung, dass ein weiterer Rückgang erforderlich ist; in der Erwägung, dass die Verringerung von Ungleichheit in der gemeinsamen Verantwortung der EU und der Mitgliedstaaten liegt; in der Erwägung, dass die Ursachen langfristiger wirtschaftlicher und sozialer Ungleichgewichte angegangen werden sollten;
N. in der Erwägung, dass im Jahr 2018 etwa 34 Millionen Europäerinnen und Europäer angaben, dass sie nicht in der Lage waren, ihre Wohnung bzw. ihr Haus angemessen zu heizen, und dass in einer EU-weiten Erhebung aus dem Jahr 2019 6,9 % der Bevölkerung der Union erklärten, dass sie es sich nicht leisten können, ihre Wohnung bzw. ihr Haus ausreichend zu heizen;
O. in der Erwägung, dass robuste Sozialschutzsysteme wesentlich für die soziale Resilienz in Krisenzeiten sind; in der Erwägung, dass die wichtigste soziale Folge in Europa ein Anstieg der Lebenshaltungskosten und des Preisniveaus von Waren und Dienstleistungen ist, wodurch Menschenrechte wie der Zugang zu Nahrungsmitteln, Wohnraum, Kleidung und Bildung, günstige Arbeitsbedingungen und der Schutz vor Arbeitslosigkeit sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung bedroht sind;
P. in der Erwägung, dass im Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte das Ziel für die EU festgelegt wurde, die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen um mindestens 15 Millionen zu verringern, und dass er eine Reihe von Vorschlägen enthält, um dieses Ziel bis 2030 zu verwirklichen; in der Erwägung, dass die Verwirklichung des Ziels angesichts der für die kommenden Monate prognostizierten Zunahme von Armut und Arbeitslosigkeit im aktuellen Kontext eine noch größere Herausforderung darstellen wird; in der Erwägung, dass die Sozialschutzsysteme enorm unter Druck stehen, die sozialen Auswirkungen der Krise abzufedern, Flüchtlinge zu unterstützen und für menschenwürdige Lebensbedingungen und den Zugang zu hochwertigen grundlegenden Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung und Wohnraum für alle zu sorgen;
Q. in der Erwägung, dass Schätzungen der Internationalen Energieagentur zufolge die Gewinnüberschüsse im Jahr 2022 200 Mrd. EUR(7) betragen werden; in der Erwägung, dass die Agentur auch erklärte, dass im Wege vorübergehender steuerlicher Maßnahmen in Bezug auf Zufallsgewinne öffentliche Einnahmen zur Verfügung gestellt werden könnten, um höhere Energierechnungen teilweise auszugleichen; in der Erwägung, dass die Kommission im März 2022 Leitlinien für die Einführung befristeter steuerlicher Maßnahmen in Bezug auf Zufallsgewinne vorgeschlagen hat(8);
R. in der Erwägung, dass der russische Krieg in der Ukraine die Entschlossenheit, Einheit und Stärke der EU bei der Verteidigung demokratischer Werte unter Beweis gestellt hat; in der Erwägung, dass er auch gezeigt hat, dass wirtschaftliche, soziale und institutionelle Reformen der EU erforderlich sind, um die globalen Folgen des militärischen Angriffs Russlands bewältigen zu können; in der Erwägung, dass es unabdingbar ist, die überzeugende bislang erzielte Einigkeit und Solidarität der Union aufrechtzuerhalten, indem alle verfügbaren nichtmilitärischen Instrumente eingesetzt werden, um die russische Aggression gegen die Ukraine zu unterbinden und den unmittelbaren Auswirkungen innerhalb der EU mit kollektiven Mitteln entgegenzuwirken sowie die laufende legislative Agenda voranzutreiben, die darauf abzielt, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Widerstandsfähigkeit der Union zu verbessern, ungeachtet Putins Wunsch, die Union zu spalten und diese Anstrengungen zunichte zu machen;
S. in der Erwägung, dass das Funktionieren der sozialen Marktwirtschaft und des Binnenmarktes sichergestellt werden muss, und zwar auch in Krisenzeiten, damit sie ihr Potenzial zum Nutzen der europäischen Verbraucher voll entfalten und zur Steigerung der Produktivität, der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze beitragen können;
T. in der Erwägung, dass die Kommission konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung von REPowerEU vorgelegt hat;
U. in der Erwägung, dass die EU auf der Weltbühne zu einer echten Macht werden muss, die in der Lage ist, eigenmächtig zu handeln und zu entscheiden, insbesondere in den Bereichen Verteidigung, Energie, Landwirtschaft, Aquakultur und Industrie;
V. in der Erwägung, dass der Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten auch für Flüchtlinge, die in der EU ankommen, immer schwieriger wird; in der Erwägung, dass sich die EU für die Förderung, den Schutz und die Verwirklichung des Rechts jeder Person, jeder Frau und jedes Mädchens einsetzt, über Angelegenheiten, die mit ihrer Sexualität und ihren sexuellen und reproduktiven Rechten zusammenhängen, die vollständige Kontrolle zu behalten und frei und verantwortungsbewusst über diese Fragen zu entscheiden, ohne dabei Diskriminierung, Zwang oder Gewalt ausgesetzt zu sein;
Allgemeine Erwägungen
1. bekundet seine Solidarität mit dem ukrainischen Volk und nimmt zur Kenntnis, dass ein aktiver Krieg an den unmittelbaren Grenzen der EU schwerwiegende Folgen für die Gesellschaft und die Wirtschaft in Europa hat; ist sich voll und ganz bewusst, dass es für Demokratie und Freiheit kein Äquivalent in Form von Geld oder sozialem Wohlergehen gibt; verurteilt erneut aufs Schärfste den rechtswidrigen, grundlosen und ungerechtfertigten militärischen Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine und ihren Einmarsch in das Land sowie die Beteiligung von Belarus daran;
2. betont, dass der militärische Angriff Russlands auf die Ukraine und die begründeten Sanktionen der EU gegen Russland und Belarus die wirtschaftliche Erholung der EU nach der Pandemie beeinträchtigen und eine ernsthafte Bedrohung für ihre Aufbau- und Resilienzstrategie sowie für die Integrität des Binnenmarkts darstellen;
3. betont, dass der derzeitige Krieg gegen die Ukraine die ohnehin schon schwere Energiepreiskrise in ganz Europa noch verschärft hat, was sich unmittelbar negativ auf die Kaufkraft aller EU-Bürger und auf die KMU auswirkt; weist darauf hin, dass die heutigen hohen Gas- und Strompreise die meisten Mitgliedstaaten betreffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und zu unterschiedlichen Zeiten, und dass der derzeitige Preisanstieg ein rasches Eingreifen erfordert, um die sozioökonomischen Folgen mithilfe einer koordinierten wirtschafts- und sozialpolitischen Reaktion zu erkennen und zu verhindern;
4. betont, wie wichtig es ist, die Energiesouveränität und die Unabhängigkeit von russischen Lieferungen und eine größere strategische Autonomie und Energiesicherheit durch die Modernisierung und Sicherstellung umfangreicher Investitionen in die Energieinfrastruktur der EU, einschließlich der Verbundnetze und der grenzüberschreitenden Infrastruktur für die Erzeugung erneuerbarer Energien, und in die Energieeffizienz sicherzustellen;
5. ist davon überzeugt, dass die Solidaritätskapazitäten der Union in Krisenzeiten weiter gestärkt werden müssen; fordert die Kommission und den Rat auf, sich für den Fall bereit zu halten, dass die negativen Auswirkungen der Krise durch die bestehenden Programme nicht ausreichend aufgefangen werden können, und mit Entschlossenheit, Einigkeit und Schnelligkeit sowie in Solidarität mit den von dieser neuen schweren Krise Betroffenen zu reagieren, um Haushalte und Unternehmen, insbesondere KMU, zu unterstützen; betont, dass eine entschlossene, koordinierte und solidarische europäische Reaktion von entscheidender Bedeutung ist, um die Ausbreitung der Krise einzudämmen, indem ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen erkannt, verhindert und abgemildert werden, und so die Unterstützung der europäischen Bürger für die Maßnahmen gegen Russland und für die anderen Maßnahmen, die zur Unterstützung der Ukrainer bei ihrer Verteidigung erforderlich sind, aufrechtzuerhalten; fordert die EU-Organe auf, der Ukraine im Einklang mit Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union und auf der Grundlage ihrer Verdienste den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu gewähren;
6. betont seine uneingeschränkte Unterstützung für die Ukraine und das ukrainische Volk; betont, dass der Europäische Rat die fünf gegen Russland verhängten Sanktionspakete billigen muss, und fordert ihre rasche und wirksame Umsetzung; fordert die Mitgliedstaaten auf, dringend das von der Kommission vorgeschlagene sechste Sanktionspaket anzunehmen, einschließlich eines Verbots der Einfuhr von russischem Öl; bekräftigt seine Forderung, dass gegen Einfuhren von Öl, Kohle, Kernbrennstoff und Gas aus Russland mit sofortiger Wirkung ein vollständiges Embargo verhängt wird und dass die Erdgasfernleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 vollständig aufgegeben werden; fordert, dass dringend Maßnahmen zur Begrenzung des Schadens im Zusammenhang mit den Sanktionen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Last dieser politischen Entscheidungen nicht von den Arbeitnehmern und Haushalten getragen werden muss;
7. unterstützt die weltweiten Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine, insbesondere über die G7, und fordert einen Schuldenerlass für die Ukraine; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Arbeit an einem Solidaritäts-Treuhandfonds für die Ukraine und der Strategie für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg zu leiten; weist darauf hin, dass es seit Langem den Standpunkt vertritt, dass das Parlament umfassend an der Einrichtung und Beaufsichtigung von EU-Treuhandfonds und den damit verbundenen operativen Beschlüssen beteiligt werden muss;
8. fordert den Rat auf, die Liste der Personen zu erweitern, gegen die sich die EU-Sanktionen unmittelbar richten, einschließlich russischer Oligarchen, und dabei die Liste von 6 000 Personen zu berücksichtigen, die von Nawalnys Stiftung vorgelegt wurde; fordert eine Ausweitung der EU-Sanktionen auf mit Russland verbundene Medienunternehmen, die in der EU tätig sind, insbesondere die „Nachrichtenagentur“ InfoRos, die mit der GRU verbunden ist;
9. stellt fest, dass ehemalige Politiker wie Esko Aho, François Fillon und Wolfgang Schüssel kürzlich von ihren Ämtern in russischen Unternehmen zurückgetreten sind, und fordert nachdrücklich, dass andere Politiker, wie Karin Kneissl und Gerhard Schröder, dies ebenfalls tun; fordert den Rat ferner auf, die Liste der Personen, gegen die EU-Sanktionen verhängt wurden, auf die europäischen Mitglieder der Leitungsorgane großer russischer Unternehmen und auf Politiker, die nach wie vor Geld aus Russland erhalten, auszuweiten;
Abgestimmte Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Krise
10. ist davon überzeugt, dass eine wirksame Reaktion auf kurze Sicht darin besteht, dazu beizutragen, die Auswirkungen der hohen Energiepreise auf Haushalte und Unternehmen abzuschwächen sowie die Kaufkraft, eine hochwertige Beschäftigung und öffentliche Dienstleistungen aufrechtzuerhalten und zugleich die Umsetzung des europäischen Grünen Deals und des gerechten Übergangs sowie des digitalen und des grünen Wandels fortzusetzen sowie den Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte zu stärken; fordert, dass der Energiebinnenmarkt gestärkt wird, um Abhängigkeiten der EU zu beseitigen, ohne neue zu schaffen;
11. betont erneut, dass die Energieressourcen, ‑technologien und ‑versorgungswege diversifiziert werden müssen, eine Anbieterabhängigkeit vermieden werden muss und ein umfassender Plan für öffentliche und private Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energiequellen sowie nachhaltige langfristige öffentliche Investitionen in die Bewältigung des Klimawandels und des Problems der Energieversorgung aufgestellt werden muss; fordert die Kommission daher auf, die Planung und Finanzierung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energieträger, insbesondere von grünem Wasserstoff, besser zu koordinieren; fordert, dass Subventionen für fossile Brennstoffe rasch abgeschafft werden;
12. bekräftigt die Einschätzung der Kommission, dass zusätzliche jährliche Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe(9) erforderlich sind, um die Herausforderungen und Chancen des digitalen und des grünen Wandels, des gerechten Übergangs sowie des wirtschaftlichen und sozialen Aufbaus zu bewältigen; betont deshalb, dass ein höheres Investitionsniveau stabilisiert und die Aufwärtskonvergenz in der EU über viele Jahre hinweg verbessert werden muss;
13. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, öffentliche Investitionen und finanzielle Unterstützung, einschließlich öffentlicher finanzieller Unterstützung für Unternehmen, die im Rahmen der Flexibilisierung der Vorschriften über staatliche Beihilfen gewährt wird, von einschlägigen Anforderungen im Zusammenhang mit Zielen der öffentlichen Politik, insbesondere sozialen, ökologischen und finanziellen Anforderungen, abhängig zu machen, die von den Begünstigten erfüllt werden sollten, solange sie öffentliche Unterstützung erhalten, wobei ein fairer und offener Wettbewerb, gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen in der EU und die Achtung der Grundprinzipien, auf denen der Binnenmarkt beruht, sicherzustellen sind;
14. stellt fest, dass es von entscheidender Bedeutung sein wird, die Auswirkungen steigender Energiepreise auf finanziell schwächere Haushalte abzumildern, um die Armutsquoten einzudämmen; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre höheren Sozialausgaben, einschließlich Einkommensbeihilfen, wirksam und gezielt einzusetzen, um die Auswirkungen des Anstiegs der Energiepreise, insbesondere auf einkommensschwache Haushalte, abzufedern, und öffentliche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Ausbau der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen wirksam und gezielt zu finanzieren; betont, dass bei dem Lohnwachstum die langfristige Inflation und das Produktivitätswachstum berücksichtigen werden sollten, damit die Kaufkraft der Haushalte erhalten bleibt;
15. schließt sich der Forderung des Rates an die Kommission an, Vorschläge zu unterbreiten, wie dem Problem stark überhöhter Strompreise wirksam begegnet werden kann, während gleichzeitig die Integrität des Binnenmarkts gewahrt wird; weist auf die kurzfristigen Optionen hin, die von der Kommission vorgestellt wurden (direkte Unterstützung der Verbraucher durch Gutscheine, Steuervergünstigungen oder ein „Aggregator-/Alleinabnehmer-Modell“, staatliche Beihilfen, Besteuerung, Preisobergrenzen und Regulierungsmaßnahmen wie Differenzverträge), um die Auswirkungen der außergewöhnlich hohen Preise auf Bürger und Unternehmen abzufedern und gleichzeitig dem Ansteckungseffekt auf die Strommärkte entgegenzuwirken; ist besorgt über einen potenziellen Marktmissbrauch; fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der Gaspreise auf das Funktionieren des Strommarkts und insbesondere auf den Einfluss des Gaspreises auf den Endpreis zu bewerten;
16. ist zutiefst besorgt über die Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine auf die Ernährungssicherheit in der EU; betont, dass der Ansatz der EU in Bezug auf die Ernährungssicherheit dringend überprüft werden muss und die Kapazitäten für nachhaltige Produktion bei Bedarf erhöht werden müssen, um die allgemeine Abhängigkeit des Lebensmittelsystems der EU zu verringern und die Belastbarkeit der Nahrungsmittelversorgungskette zu verbessern; weist darauf hin, dass in der Entschließung des Parlaments vom 24. März 2022 zu dem Erfordernis eines vordringlichen Aktionsplans der EU zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit inner- und außerhalb der EU in Anbetracht des russischen Einmarschs in die Ukraine betont wurde, dass sich der erhebliche Anstieg der Produktionskosten in hohem Maße im Agrar- und Lebensmittelsektor niederschlägt; weist warnend darauf hin, dass die von vielen Ländern angekündigten Ausfuhrbeschränkungen zu Preiserhöhungen führen, die Märkte destabilisieren, Hunger zur Folge haben und spekulativen Praktiken Vorschub leisten können;
Integration von vorübergehend aus der Ukraine vertriebenen Menschen
17. betont, dass der Krieg in der Ukraine und der dadurch bedingte Anstieg der Lebenshaltungskosten sowie das Risiko der Arbeitslosigkeit die Lage von Familien, Flüchtlingen, Frauen und Kindern, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, oder von Menschen, die Zugang zu hochwertiger Pflege benötigen, weiter verschärfen könnten, wenn keine angemessenen zusätzlichen Schutzmaßnahmen ergriffen werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen auf die Umsetzung der Europäischen Garantie für Kinder auszurichten, indem sichergestellt wird, dass Kinder, die aus der Ukraine fliehen, gleichberechtigt mit ihren Altersgenossen in den Aufnahmeländern Zugang zu kostenlosen, hochwertigen Dienstleistungen haben, und die Mittel für die Europäische Garantie für Kinder dringend um einen angemessenen Betrag aufzustocken;
18. ist der Ansicht, dass der Zugang zu umfassenden Gesundheitsdiensten für alle Menschen, insbesondere Frauen und Mädchen mit Flüchtlingsstatus in der EU, die Opfer von Kriegsverbrechen geworden sind, in allen Mitgliedstaaten gewährleistet werden muss; fordert die Mitgliedstaaten auf, vorübergehend vertriebene Ukrainerinnen zu unterstützen, um sicherzustellen, dass sie allgemeinen Zugang zu qualitativ hochwertiger sexueller und reproduktiver Gesundheitsfürsorge frei von Diskriminierung, Zwang und Missbrauch haben, die Frage der Rechtsbehelfe anzugehen und Menschenrechtsverletzungen, die sie betreffen, zu verhindern; begrüßt die Ankündigung der Kommission, 1,5 Mio. EUR für ein spezielles Projekt bereitstellen zu wollen, um den Bevölkerungsfond der Vereinten Nationen dabei zu unterstützen, Frauen und Mädchen in der Ukraine zu helfen, indem Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit bereitgestellt werden;
19. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, der Situation von unbegleiteten Minderjährigen, von ihren Familien getrennten Kindern und Kindern aus Heimen in der Ukraine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, um sicherzustellen, dass ihre unmittelbaren Bedürfnisse erfüllt werden, dass sie angemessen ermittelt und nachverfolgt werden und dass die Daten zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden, um sie mit ihren Familien zusammenzuführen oder sie später wieder in die ukrainische Gesellschaft zu integrieren, wobei ihr Schutz vor Missbrauch und Menschenhandel, insbesondere im Falle junger Frauen und Mädchen, sicherzustellen ist;
20. hebt hervor, dass die COVID-19-Krise gezeigt hat, dass der Beitrag von Wanderarbeitnehmern zur Stützung der europäischen Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung ist; weist jedoch warnend darauf hin, dass Wanderarbeitnehmer sehr häufig mit schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen, fehlendem Sozialschutz, einer Verweigerung der Vereinigungsfreiheit und der Arbeitnehmerrechte, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit konfrontiert sind, und ist besorgt angesichts dessen, dass Fälle von Ausbeutung der Arbeitskraft von Menschen aus der Ukraine gemeldet wurden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, diese Fälle zu untersuchen und dafür zu sorgen, dass die Rechte ukrainischer Arbeitnehmer geschützt werden und ihre Integration unter uneingeschränkter Achtung des geltenden Rechts, der Gleichheit und des Diskriminierungsverbots erfolgt; ist der Ansicht, dass Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft in der gesamten EU unterstützt werden müssen, auch bei der Durchführung von Maßnahmen zum Schutz der grundlegenden Arbeits- und Sozialrechte von Flüchtlingen, zur Organisation und gewerkschaftlichen Organisation von Arbeitnehmern mit Flüchtlingsstatus und zur Stärkung ihrer Handlungskompetenz;
21. fordert die Kommission auf, den Mitgliedstaaten, die die Rechtsstaatlichkeit achten, auch finanzielle Unterstützung für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt bereitzustellen, unter anderem für Betreuungsdienste, Wohnraum, Nahrungsmittel, materielle Hilfe, Ausbildungsprogramme und öffentliche Arbeitsverwaltungen; betont, dass Menschen mit Behinderungen, die aus der Ukraine kommen, ein spezieller Schutz und eine spezielle Betreuung geboten werden müssen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die nationale Behörden, die Aufnahme-, Bildungs- und Beschäftigungszentren, nichtstaatliche Organisationen und Wohltätigkeitsorganisationen bei der Nutzung des EU-Instruments zur Erstellung von Kompetenzprofilen für Drittstaatsangehörige zu unterstützen;
22. weist darauf hin, dass die Systeme der psychischen Gesundheit in der EU mehr Finanzmittel erhalten müssen und dass eine psychologische Betreuung für die allgemeine Bevölkerung möglicherweise nur schwer zugänglich ist und der Zugang verbessert werden sollte; betont, dass diese Betreuung für Flüchtlinge und andere Migranten noch schwerer zugänglich ist; ist der Ansicht, dass es von entscheidender Bedeutung sein wird, die Mittel für klinische Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit erheblich aufzustocken, um Flüchtlinge bei der Bewältigung von Traumata zu unterstützen, und dass auch nichtklinische Ansätze in Partnerschaft mit Schulen, lokalen Basisorganisationen und anderen Einrichtungen verfolgt werden müssen;
Ein neues Resilienzpaket für die EU
Ein Paket zur Erhöhung der sozialen Resilienz der Menschen
23. betont, dass sich die wirtschaftliche und soziale Lage in der EU in den kommenden Monaten aufgrund einer Kombination aus noch höheren Energiepreisen und folglich höheren Heizkosten und einer höheren Inflation bei anderen Gütern und Dienstleistungen voraussichtlich noch weiter verschlechtern wird; weist erneut darauf hin, dass die Gesundheitsrisiken weiterhin überwacht werden sollten; hält es für wichtig, dass die EU dieser Verschlechterung zuvorkommt und bis zum Sommer 2022 einen politischen Rahmen und konkrete Initiativen für die Mitgliedstaaten auf den Weg bringt, die auf die Unterstützung der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen abzielen sollten; schließt sich der Forderung des Rates an die Mitgliedstaaten und die Kommission an, mit Blick auf den nächsten Winter dringend die erforderlichen Solidaritäts- und Ausgleichsmechanismen zu schaffen und bei der Umsetzung gemeinsamer Maßnahmen zusammenzuarbeiten;
24. fordert ein befristetes europäisches Paket zur Erhöhung der sozialen Resilienz, mit dem verschiedene Maßnahmen und Mittel zur Stärkung der Wohlfahrts- und Sozialschutzsysteme in der EU koordiniert werden und in dem unter anderem vorgesehen ist, das SURE fortzusetzen und zu refinanzieren, solange die sozioökonomischen Folgen des Krieges weiterhin negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, und eine soziale Rettungsfazilität mit verstärkter öffentlicher Unterstützung für bestehende Instrumente einzurichten, die sich an die Ärmsten unserer Gesellschaft richten; fordert darüber hinaus die rasche Annahme des Klima-Sozialfonds; fordert mehr Investitionen in Klima-Sozialmaßnahmen; fordert die Mitgliedstaaten auf, bei Bedarf eine vorübergehende Aussetzung der nationalen Mietindexierungsregelungen in Erwägung zu ziehen;
25. fordert die Kommission auf, eine Folgeveranstaltung zu dem Sozialgipfel von Porto zu organisieren, an der die EU-Organe und die Sozialpartner teilnehmen, um die Herausforderungen zu erörtern, die sich aus der außergewöhnlichen Situation ergeben, in der wir uns angesichts der steigenden Inflation und ihrer sozialen Folgen befinden, insbesondere in Bezug auf die Lebensbedingungen, eine gerechte Umverteilung des Wohlstands zwischen den verschiedenen Gesellschaftsgruppen und menschenwürdige Löhne, und um an einer Aktualisierung des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte zu arbeiten und so sicherzustellen, dass die gesteckten Ziele erreicht werden, indem bei Bedarf zusätzliche Vorschläge umgesetzt und/oder finanzielle Mittel bereitgestellt werden;
26. betont, dass die Kommission einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zu einem Rahmen für Mindesteinkommensregelungen vorlegen wird, mit dem das Ziel verfolgt wird, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben zu wahren, die Armut zu beseitigen und die Fragen der Angemessenheit und Abdeckung zu behandeln, einschließlich eines Regressionsverbots, da dies dringend erforderlich ist; weist darauf hin, dass die Kommission in den länderspezifischen Empfehlungen Mindesteinkommensregelungen empfohlen und darauf hingewiesen hat, dass das Mindesteinkommen nicht in allen Mitgliedstaaten über der Armutsgrenze liegt; fordert darüber hinaus die Einführung von Beihilfen für den Erwerb von Qualifikationen, die Bedürftigen, die eine Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium absolvieren möchten, zur Deckung der Ausbildungskosten und des Grundbedarfs gewährt werden;
27. weist darauf hin, dass junge Menschen in Bezug auf Beschäftigung, allgemeine und berufliche Bildung und psychisches Wohlbefinden besonders stark von der COVID-19-Krise betroffen sind; befürchtet, dass die wirtschaftlichen Folgen der derzeitigen Krise infolge der Aggression Russlands in der Ukraine dazu führen können, dass noch mehr junge Menschen in Europa arbeitslos werden, was langfristige sozioökonomische Folgen haben wird;
28. weist darauf hin, dass das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich Wohnraum, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist; warnt davor, dass der Wohnungsmarkt in der EU noch stärker unter Druck geraten wird, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, durch die in den nationalen Reformprogrammen enthaltenen nationalen Pläne für erschwinglichen Wohnraum darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum für alle sichergestellt wird; begrüßt in diesem Zusammenhang die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit;
29. warnt vor den Auswirkungen des anhaltenden Krieges auf die globalen Lebensmittelversorgungsketten und die Lebensmittelpreise und vor den Folgen für die Kaufkraft; betont, dass angesichts der steigenden Lebensmittelpreise eine höhere Mindestzuweisung für Maßnahmen zur sozialen Inklusion im Rahmen des neuen Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) sowie zusätzliche 3 % für Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen beschlossen wurden, und fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr als den gemäß dem ESF+ erforderlichen Mindestbetrag bereitzustellen;
Ein Paket zur wirtschaftlichen Entlastung von Unternehmen
30. bekräftigt seine Forderung nach einem abgestimmten Vorgehen der EU, mit dem die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft angegangen werden sollen, die der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die verhängten Sanktionen mit sich bringen; schlägt vor, ein Paket zur wirtschaftlichen Entlastung von Unternehmen zu schaffen, das auch wirtschafts- und haushaltspolitische sowie legislative Elemente umfasst, ohne dass die Klimaziele der EU für 2030 und 2050 dabei beeinträchtigt werden; ist der Ansicht, dass ein solches Paket zumindest Folgendes umfassen sollte:
a.
Eine Analyse der Kommission im Einklang mit den Zielen der besseren Rechtsetzung, in der die Bereiche ermittelt werden, die am stärksten von den kumulativen Auswirkungen der höheren Energie- und Rohstoffpreise und den Auswirkungen des Krieges betroffen sind;
b.
Erhöhung der Beihilfen für Unternehmen in diesen Wirtschaftszweigen durch Gewährleistung einer flexiblen Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen bei gleichzeitiger Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs vorbehaltlich der einschlägigen verbindlichen Nachhaltigkeitsanforderungen, die in die Geschäftsmodelle der Unternehmen integriert sind, wie z. B. Verbote von Massenentlassungen, Steigerung der Energieeffizienz, zusätzliche Nutzung erneuerbarer Energieträger und Ziele für die Verringerung des Einsatzes von Primärrohstoffen;
c.
Annahme einer Diversifizierungsstrategie, um eine zuverlässige Versorgung mit Grundstoffen und kritischen Rohstoffen wie Seltenerdmetallen sicherzustellen, sowie Sicherstellung nachhaltiger Lieferketten im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris;
d.
Gewährleistung der Energieunabhängigkeit von russischen Lieferungen und einer größeren strategischen Autonomie durch die Modernisierung und Sicherstellung umfangreicher Investitionen in die Energieinfrastruktur der EU, einschließlich der Verbundnetze und der grenzüberschreitenden Infrastruktur, der Erzeugung erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz;
e.
eine Aufstockung der EU-Garantie im Rahmen des Programms InvestEU, um die Investitionen zur Unterstützung der europäischen KMU zu fördern, auch für Zwecke der Kapitalunterstützung, und die Schaffung eines speziellen Finanzierungsfensters für Unternehmen, die von den Folgen des Krieges betroffen sind, und für Projekte im Zusammenhang mit der Energieunabhängigkeit, mit denen die Energie- und Klimaziele dieses Programms unterstützt werden und die mit neuen Mitteln finanziert werden;
31. unterstreicht die jüngsten Schlussfolgerungen des Rates, in denen die Mitgliedstaaten und die Kommission aufgefordert werden, das Instrumentarium für staatliche Beihilfen, einschließlich des neuen befristeten Krisenrahmens für staatliche Beihilfen, weiterhin bestmöglich zu nutzen; betont in diesem Zusammenhang, dass es in dem von der Kommission vorgelegten Rahmen für staatliche Beihilfen keinerlei Nachhaltigkeit oder soziale Bedingungen gibt; fordert die EU-Organe und die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass die öffentliche finanzielle Unterstützung für Unternehmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und des Krieges an die Bedingung geknüpft ist, dass die Mittel den Beschäftigten zugutekommen und die begünstigten Unternehmen davon absehen, ihrer Leitung Boni auszuzahlen, Steuern zu hinterziehen, Dividenden auszuzahlen oder Aktienrückkaufprogramme anzubieten, solange sie diese Unterstützung erhalten;
32. begrüßt die bevorstehende Annahme eines Notfallinstruments für den Binnenmarkt durch die Kommission; fordert die Kommission nachdrücklich auf, in einen solchen Rechtsrahmen Bestimmungen aufzunehmen, die ähnlich wie bei den Stresstests für Finanzinstitute Belastbarkeitstests für Unternehmen vorsehen, die Risiken ihrer Lieferkette erfassen und bewerten sowie potenzielle Reaktionen auf diese Risiken bereitstellen, einschließlich externer Effekte sowie sozialer, umweltbezogener und politischer Risiken.
33. weist erneut auf die Bedeutung eines gut funktionierenden Binnenmarkts hin, der das Rückgrat der Wirtschaft der EU bildet; betont, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine eine Reihe von Herausforderungen hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit der EU in Bezug auf Angebot und Nachfrage aufgezeigt hat, die sich auf ihre Industrie auswirken und zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen; fordert die Kommission auf, neue Vorschläge vorzulegen, um private Akteure zu Investitionen in der EU anzuhalten und insbesondere den Binnenmarkt für Dienstleistungen zu stärken, Fortschritte bei der Kapitalmarktunion und der Bankenunion zu erzielen und neue Formen öffentlich-privater Partnerschaften zu nutzen, bei denen der Staat begrenzte Finanzierungsrisiken übernimmt, um mehr privatwirtschaftliche Investitionstätigkeiten zu mobilisieren, wie etwa die COVID-19-Unterstützungsprogramme für KMU;
Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU
34. hebt hervor, dass die europäischen Bürger bei der Reaktion auf die COVID-19-Krise das Gefühl hatten, dass die EU sie schützt und ihnen Perspektiven eröffnet, insbesondere durch die Schaffung des Programms SURE und des Aufbauinstruments NextGenerationEU (NGEU); unterstreicht, dass weder NGEU und die darin enthaltene Aufbau- und Resilienzfazilität noch die Flexibilität des derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021–2027 ausreichen, um den durch den Krieg in der Ukraine entstandenen Finanzbedarf vollständig zu decken; weist darauf hin, dass diese Instrumente vom Umfang her weder darauf ausgelegt noch konzipiert waren, die neuen Herausforderungen zu bewältigen, die sich aus der Aggression und dem Überfall Russlands auf die Ukraine ergeben haben, und gleichzeitig Investitionen in die Programme und Maßnahmen der EU mit wichtigen Prioritäten wie dem gerechten ökologischen und digitalen Wandel aufrechtzuerhalten;
35. hält es für dringend notwendig, die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten, die Flexibilität und die anderen Bestimmungen der MFR-Verordnung und der Haushaltsordnung bestmöglich zu nutzen; ist jedoch davon überzeugt, dass im EU-Haushalt zusätzliche Flexibilität vorgesehen werden muss, um auf unvorhergesehenen und dringenden Bedarf reagieren zu können, unter anderem durch die vollständige Nutzung von freigegebenen Beträgen; fordert die Kommission auf, die Funktionsweise des derzeitigen MFR eingehend zu überprüfen und so bald wie möglich, spätestens jedoch im ersten Quartal 2023, einen Legislativvorschlag für eine umfassende Überarbeitung des MFR vorzulegen; erwartet, dass bei einer solchen Überarbeitung die langfristigen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sowie die ergriffenen Sofortmaßnahmen berücksichtigt werden;
36. bekräftigt seine Bereitschaft, alle verfügbaren Haushaltsinstrumente der EU zu mobilisieren, um den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, die größtmögliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, und weist nachdrücklich darauf hin, dass eine solche Mobilisierung nicht zu Lasten bestehender Programme und Maßnahmen gehen darf; fordert die Kommission auf, die zusätzlichen, noch nicht zugewiesenen Mittel, insbesondere aus früheren Programmplanungsrunden, zu ermitteln, die mobilisiert werden können, um die Ukraine zu unterstützen und die Folgen des Krieges zu bewältigen;
37. begrüßt den von der Kommission im Rahmen ihres neuen REPowerEU-Programms skizzierten Plan, Europa angesichts der Invasion Russlands in die Ukraine lange vor 2030 von fossilen Brennstoffen aus Russland – vor allem von Erdgas – unabhängig zu machen; fordert die Kommission auf, zu prüfen, wie dieses Programm zusammen mit den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen genutzt werden könnte, um Investitionen in die Energiewende zu fördern, einschließlich der Finanzierung länderübergreifender Projekte im Bereich der Energieversorgungssicherheit;
38. fordert die rasche Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne, insbesondere im Energiebereich, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, ; ist der festen Überzeugung, damit die strategische Autonomie der EU gestärkt werden sollte;
39. weist darauf hin, dass mehr als 200 Mrd. EUR an Darlehen noch nicht vergeben wurden; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, die Darlehen, die noch nicht im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität beantragt wurden, im Einklang mit der Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität zur Deckung der negativen wirtschaftlichen und sozialen Kosten des Krieges zu verwenden;
40. nimmt die Schlussfolgerungen des IWF zur Kenntnis, wonach sich Fiskalpolitik besser eignet als Geldpolitik, um neue Schocks zu bewältigen, und automatische fiskalische Stabilisatoren frei wirken dürfen sollten, während zusätzliche Mittel für humanitäre Hilfe unter anderem für Flüchtlinge und für Transfers an einkommensschwache Haushalte und gezielte Unterstützung für gefährdete, aber tragfähige Unternehmen bereitgestellt werden;
41. nimmt die Mitteilung der Kommission über die haushaltspolitischen Leitlinien für 2023(10) zur Kenntnis sowie ihre Aufforderung, einen stützenden haushaltspolitischen Kurs beizubehalten und gleichzeitig bereit zu sein, auf die sich weiterentwickelnde wirtschaftliche und soziale Lage zu reagieren; erwartet, dass die Kommission eine Reihe fiskalpolitischer Maßnahmen vorschlägt, um auf wirtschaftliche Schocks und eine Zunahme der Armut zu reagieren; erwartet in dieser Hinsicht, dass die allgemeine Ausweichklausel aktiviert bleibt, solange die zugrunde liegende Begründung fortbesteht; ist der Ansicht, dass eine Rückkehr zu den Haushaltsregeln unter den derzeitigen Umständen unbeabsichtigte Folgen für die Wirtschaft der EU und die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, die derzeitige Krise zu bewältigen, haben würde;
42. nutzt angesichts der anhaltenden globalen geopolitischen Herausforderungen wie der COVID-19-Pandemie und der Invasion Russlands in die Ukraine die Gelegenheit, die wirtschaftspolitische Steuerung der EU zu überdenken, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks und Krisen zu erhöhen und ihre soziale und energiepolitische Dimension zu stärken; fordert die Kommission auf, die umfassende wirtschaftspolitische Reaktion auf die derzeitige Krise zu überarbeiten, um die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in Zeiten eines enormen Investitionsbedarfs wirksam anzugehen;
43. fordert die Kommission auf, eine Überprüfung der EU-Haushaltsvorschriften einzuleiten; stellt fest, dass bei der Überprüfung des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung die Folgen der Pandemie, des Krieges und die Auswirkungen auf die Energiewende berücksichtigt werden müssen;
44. fordert die Einrichtung eines neuen zweckgebundenen europäischen Fonds (Fonds für strategische Autonomie der EU) zur Finanzierung der grenzüberschreitenden Energieinfrastruktur – und um eine langfristige Bindung an fossile Brennstoffe zu verhindern – und der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen und der Energieeffizienz, um den Weg zum europäischen Grünen Deal sowie die Cybersicherheit, die industrielle Wettbewerbsfähigkeit, die Kreislaufwirtschaft, die Ernährungssicherheit und eine nachhaltige Entwicklung zu stärken und so die Autonomie Europas zu sichern und hochwertige öffentliche Dienstleistungen in den kommenden Jahrzehnten zu schützen; besteht darauf, dass ein solcher neuer Fonds gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren eingerichtet werden und der uneingeschränkten Kontrolle des Parlaments und der direkten Mittelverwaltung durch die Kommission unterliegen sollte; betont, dass sein Gesamtbetrag auf der Grundlage einer klaren Bewertung der Kosten und Investitionslücken festgelegt werden muss; fordert, dass der gesamte Fonds auf den im Rahmen von NGEU gewonnenen Erkenntnissen beruht;
45. betont, dass parallel dazu zusätzliche neue EU-Eigenmittel erforderlich sind, um zumindest die Kosten für die Rückzahlung der NGEU (Kapital und Zinsen) zu decken und eine nachhaltige Finanzierung des EU-Haushalts langfristig sicherzustellen, damit die neuen EU-Prioritäten nicht zulasten der bestehenden EU-Programme und -Maßnahmen finanziert werden; ist entschlossen, die Umsetzung des vereinbarten und rechtsverbindlichen Fahrplans für die Eigenmittel ab Dezember 2020 genau zu überwachen; fordert den Rat nachdrücklich auf, die Verhandlungen über den ersten Korb von EU-Eigenmitteln zu beschleunigen, der Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem, dem Emissionshandelssystem und einem Anteil der Gewinne der größten und rentabelsten multinationalen Unternehmen umfasst, damit vor Abschluss des Haushaltsverfahrens 2023 eine Einigung erzielt werden kann; bekräftigt seine Forderung nach der unverzüglichen Einführung des zweiten Korbs neuer Eigenmittel, einschließlich einer Finanztransaktionssteuer, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, vor Dezember 2023 einen Vorschlag vorzulegen; betont, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, falls die vorgeschlagenen neuen Eigenmittel nicht angenommen werden oder damit keine Einnahmen in der erwarteten Höhe für den EU-Haushalt erzielt werden; weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des regelmäßigen Dialogs über Eigenmittel zwischen den drei Organen hin;
46. hebt hervor, dass, wie der Europäische Rat betont hat, die vorübergehende Besteuerung oder Regulierung von unerwarteten Gewinnen eine Quelle der nationalen öffentlichen Finanzierung sein könnte; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Gestaltung von Regelungen zur Besteuerung unerwarteter Gewinne oder anderer regulatorischer Maßnahmen zu koordinieren, um sie dafür zu nutzen, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine für die EU abzumildern;
47. betont die Dringlichkeit einer raschen Umsetzung der OECD-Vereinbarung bezüglich Säule 2 über die die Einführung einer effektiven Mindestbesteuerung, zusätzlich zur Umsetzung von Säule 1, deren Schwerpunkt auf einer gerechteren Verteilung von Gewinnen und Besteuerungsrechten zwischen den Ländern in Bezug auf die größten multinationalen Unternehmen, einschließlich derjenigen im Digitalbereich, liegt(11);
48. bekräftigt die Dringlichkeit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und aggressiver Steuerplanung durch weitere Reformen, einschließlich der Reform der Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“, im Einklang mit den Empfehlungen des Parlaments; fordert den Rat auf, im Anschluss an die Stellungnahme des Parlaments eine Einigung über die Vorschläge der Kommission für eine Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie(12) und für eine Richtlinie zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen zu Steuerzwecken(13) zu erzielen;
49. begrüßt die von der Kommission in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie über ein EU-Vermögensregister, die auf eine spezifische Forderung des Parlaments zurückgeht; stellt fest, dass eine solche Einrichtung den Behörden rechtzeitig Informationen über das Eigentum an hochwertigen Vermögenswerten und Gütern in der gesamten EU zur Verfügung stellen und damit Bemühungen zur Umgehung gezielter finanzieller Sanktionen wirksam eindämmen sowie Geldwäsche, Steuerhinterziehung und -vermeidung bekämpfen könnte; ist darüber hinaus der Ansicht, dass die Kommission verlangen sollte, dass Länder und Gebiete außerhalb der EU Informationen über das Eigentum an Vermögenswerten von Personen und Einrichtungen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, in ihrem Hoheitsgebiet offenlegen;
50. bekräftigt seine Forderung, den Rahmen der Verhandlungen über das Legislativpaket zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu nutzen, um bestehende Schlupflöcher zu schließen, die es ermöglichen, wirtschaftliche Eigentümer zu verschleiern, und sicherzustellen, dass alle einschlägigen Vermögenswerte, die von gelisteten russischen Oligarchen in der EU gehalten werden, im Einklang mit dem Rechtsrahmen der EU beschlagnahmt werden; erkennt die Arbeit der Taskforce „Freeze and Seize“ der Kommission in diesem Zusammenhang an;
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51. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Mitteilung der Kommission vom 8. März 2022 mit dem Titel „REPowerEU: gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie“ (COM(2022)0108).
Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Identifying Europe’s recovery needs“ (Ermittlung der Bedürfnisse Europas für den Wiederaufbau) (SWD(2020)0098), S. 16.
Siehe die Antwort von Kommissionsmitglied Gentiloni vom 15. Februar 2022 auf die schriftliche Anfrage E‑005563/2021 zu den Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten und der EU nach der Einigung in der OECD.
Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates vom 14. Juli 2021 zur Restrukturierung der Rahmenvorschriften der Union zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (COM(2021)0563).
Vorschlag der Kommission vom 22. Dezember 2021 für eine Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Verhinderung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen zu steuerlichen Zwecken (COM(2021)0565).