Änderung des Beschlusses vom 10. März 2022 über die Einsetzung eines Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation (INGE 2), und Anpassung des Namens und der Zuständigkeiten des Sonderausschusses
Beschluss des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2023 über die Änderung des Beschlusses vom 10. März 2022 über die Einsetzung eines Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation (INGE 2), und zur Anpassung des Namens und der Zuständigkeiten des Ausschusses (2023/2566(RSO))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Konferenz der Präsidenten,
– unter Hinweis auf die im Plenum am 18./19. Januar 2023 angekündigte Verlängerung der Mandatszeit des Sonderausschusses um drei Monate,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission zu dem europäischen Aktionsplan für Demokratie (COM(2020)0790),
– unter Hinweis auf das Paket zum Gesetz über digitale Dienste, einschließlich des Vorschlags für eine Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (COM(2020)0825) und des Vorschlags für eine Verordnung über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Gesetz über digitale Märkte) (COM(2020)0842),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2021 zum Thema: „Europas Medien in der digitalen Dekade: Ein Aktionsplan zur Unterstützung der Erholung und des Wandels“(1),
– unter Hinweis auf den Verhaltenskodex von 2018 zur Bekämpfung von Desinformation und die Leitlinien von 2021 zur Stärkung des Verhaltenskodex für Desinformation (COM(2021)0262) sowie auf die Empfehlungen für den neuen Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation, die von der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste im Oktober 2021 herausgegeben wurden,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 16. Dezember 2020 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Resilienz kritischer Einrichtungen (COM(2020)0829),
– unter Hinweis auf das EU-Instrumentarium für sichere 5G-Netze vom März 2021,
– unter Hinweis auf den Sonderbericht 09/2021 des Europäischen Rechnungshofs „Desinformation und ihre Auswirkungen auf die EU: Problem erkannt, aber nicht gebannt“,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10. Juni 2020 mit dem Titel „Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 – Fakten statt Fiktion“ (JOIN(2020)0008),
– unter Hinweis auf den Bericht des Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation (A9-0022/2022),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2022 zum Korruptionsverdacht gegen Katar und zu der umfassenderen Notwendigkeit von Transparenz und Rechenschaftspflicht in den Organen der EU(2),
– unter Hinweis auf seinen Beschluss vom 27. April 2021 über den Abschluss einer interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über ein verbindliches Transparenz-Register(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 2021 zu der Verbesserung von Transparenz und Integrität in den Organen der EU durch die Einsetzung eines unabhängigen Ethikgremiums der EU(4),
– gestützt auf Artikel 207 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Einflussnahme aus dem Ausland einen schweren Verstoß gegen die universellen Werte und Grundsätze darstellt, auf denen die EU beruht, wie Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; in der Erwägung, dass Beweise dafür vorliegen, dass böswillige und autoritäre ausländische staatliche und nichtstaatliche Akteure durch Manipulation von Informationen und andere Taktiken der Einmischung in demokratische Prozesse in der EU eingreifen; in der Erwägung, dass solche Angriffe die Bürgerinnen und Bürger irreführen und täuschen und ihr Wahlverhalten beeinflussen, spaltende Debatten verstärken, spalten, polarisieren und die Vulnerabilitäten von Gesellschaften verstärken, Hetze fördern, die Lage schutzbedürftiger Gruppen, die eher Opfer von Desinformation werden, verschlechtern, die Integrität demokratischer Wahlen und Referenden verzerren, Misstrauen gegenüber nationalen Regierungen, staatlichen Stellen und der liberalen demokratischen Ordnung schüren und das Ziel verfolgen, die europäische Demokratie zu destabilisieren;
B. in der Erwägung, dass Russland im Vorfeld und während seines am 24. Februar 2022 begonnenen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine Desinformationskampagne von beispielloser Bösartigkeit und Größenordnung geführt hat, um sowohl die eigenen Bürger als auch die internationale Staatengemeinschaft insgesamt zu täuschen;
C. in der Erwägung, dass Versuche staatlicher Akteure aus Drittstaaten und nichtstaatlicher Akteure, mittels böswilliger Eingriffe Einfluss auf die Funktionsweise der Demokratie in der EU und in ihren Mitgliedstaaten zu nehmen sowie Druck auf die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Werte auszuüben, Teil eines allgemeinen Trends zur Störung von Demokratien weltweit sind;
D. in der Erwägung, dass böswillige Akteure nach wie vor versuchen, auf Wahlverfahren Einfluss zu nehmen und die Offenheit und den Pluralismus unserer Gesellschaften als strategische Schwachstelle auszunutzen und demokratische Prozesse und die Widerstandsfähigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten anzugreifen;
E. in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten derzeit keine besondere Sanktionsregelung im Hinblick auf von ausländischen staatlichen Akteuren organisierten Einmischungs- und Desinformationskampagnen im Ausland haben, sodass diese Akteure sicher davon ausgehen können, dass ihre Destabilisierungskampagnen gegen die EU keine Konsequenzen nach sich ziehen werden;
F. in der Erwägung, dass es an einer gemeinsamen Definition und einem gemeinsamen Verständnis dieses Phänomens mangelt und viele Lücken und Schlupflöcher in den geltenden Rechtsvorschriften und Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene bestehen, die darauf abzielen, Einflussnahme aus dem Ausland aufzudecken, zu verhindern und zu bekämpfen;
G. in der Erwägung, dass Einflussnahme aus dem Ausland, Desinformation und zahlreiche Angriffe auf und Bedrohungen gegen die Demokratie im Vorfeld der Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen sowie der Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2024 in immer größerer Zahl und auf immer raffiniertere Weise erfolgen dürften;
H. in der Erwägung, dass die früheren Empfehlungen des Parlaments zur Bekämpfung bösartiger Einflussnahme aus dem Ausland auf die demokratischen Prozesse der EU dazu beigetragen haben dürften, dass das Problem in der EU allgemein verstanden und stärker ins Bewusstsein gerückt wurde;
I. in der Erwägung, dass die Anhörungen und die Arbeit des INGE-Sonderausschusses zur öffentlichen Anerkennung und zur Kontextualisierung dieser Fragen beigetragen und die europäische Debatte über die Einflussnahme aus dem Ausland auf demokratische Prozesse und Desinformation erfolgreich gestaltet haben;
J. in der Erwägung, dass diese Empfehlungen weiter überwacht werden müssen;
K. in der Erwägung, dass es einer globalen, multilateralen Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen gleich gesinnten Partnern, auch zwischen Parlamentariern, bedarf, wenn es darum geht, gegen böswillige Einmischung aus dem Ausland und Desinformation vorzugehen; in der Erwägung, dass Demokratien fortgeschrittene Fähigkeiten und Strategien zur Bekämpfung dieser Bedrohungen entwickelt haben;
L. in der Erwägung, dass das Parlament infolge der jüngsten Fälle von Einflussnahme aus dem Ausland und der laufenden Ermittlungen zur Korruption im Europäischen Parlament gefordert hat, potenzielle Schlupflöcher in seinen Vorschriften über Transparenz, Integrität und Korruptionsbekämpfung zu ermitteln, um das Organ besser zu schützen;
1. beschließt, dass der Sonderausschuss künftig als „Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, und zur Stärkung der Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht im Europäischen Parlament“ bezeichnet wird und dass er folgende Zuständigkeiten hat:
a)
Überprüfung bestehender und geplanter Rechtsvorschriften und Maßnahmen in Zusammenarbeit und Absprache mit den ständigen Ausschüssen, soweit deren jeweilige Befugnisse und Zuständigkeiten gemäß Anlage VI der Geschäftsordnung betroffen sind, um potenzielle Lücken, Schlupflöcher und Überschneidungen zu ermitteln, die für böswillige Einflussnahme auf demokratische Prozesse ausgenutzt werden könnten, unter anderem in Bezug auf folgende Aspekte:
i)
politische Maßnahmen, die zu demokratischen Prozessen in der EU beitragen, Resilienz durch Situationsbewusstsein, Medien- und Informationskompetenz, Medienpluralismus, unabhängiger Journalismus und Bildung,
ii)
Einflussnahme durch Online-Plattformen, insbesondere durch eingehende Bewertung der Verantwortung und der Auswirkungen sehr großer Online-Plattformen auf die Demokratie und die demokratischen Prozesse in der EU,
iii)
kritische Infrastruktur und strategische Bereiche;
iv)
Einflussnahme während des Wahlverfahrens,
v)
verdeckte Finanzierung politischer Aktivitäten durch ausländische Akteure und Geber;
vi)
Cybersicherheit und Widerstandsfähigkeit in Bezug auf Cyberangriffe, soweit sie mit demokratischen Prozessen in Zusammenhang stehen,
vii)
die Rolle nichtstaatlicher Akteure,
viii)
die Auswirkungen von Einflussnahme auf die Rechte von Minderheiten und anderen diskriminierten Gruppen,
ix)
Einflussnahme durch die Vereinnahmung von Eliten, nationale Diasporagemeinschaften, Universitäten und Kulturveranstaltungen;
x)
Abschreckung, Zurechnung und kollektive Gegenmaßnahmen, darunter Sanktionen;
xi)
Nachbarschaft und globale Zusammenarbeit sowie Multilateralismus;
xii)
Einflussnahme von in der EU ansässigen Akteuren in der EU und in Drittländern,
b)
in enger Zusammenarbeit mit den ständigen Ausschüssen und in Anlehnung an die Arbeitsweise des Sonderausschusses INGE 1 Erarbeitung von Vorschlägen, wie diese Lücken geschlossen werden können, um die rechtliche Widerstandsfähigkeit der EU zu stärken und den institutionellen Rahmen der EU zu verbessern,
c)
enge Zusammenarbeit mit anderen EU-Institutionen, Behörden der Mitgliedstaaten, internationalen Organisationen, der Zivilgesellschaft sowie staatlichen und nichtstaatlichen Partnern in Drittländern, um die Maßnahmen der EU gegen hybride Bedrohungen und Desinformation zu verstärken, wobei bei allen öffentlichen Tätigkeiten des Sonderausschusses INGE 2 die in diesem Beschluss festgelegten Prioritäten beachtet werden,
d)
eingehende und rigorose Verfolgung der Umsetzung des Berichts des INGE 1-Sonderausschusses und Bewertung der von den EU-Organen unternommenen Schritte,
e)
Beitrag zur allgemeinen institutionellen Widerstandsfähigkeit gegen Einflussnahme aus dem Ausland, hybride Bedrohungen und Desinformation im Vorfeld der Europawahl 2024;
f)
Ermittlung der Mängel in den Vorschriften des Europäischen Parlaments in Bezug auf Transparenz, Integrität, Rechenschaftspflicht und Korruptionsbekämpfung, Erwägung anderer mittel- bis längerfristiger Maßnahmen und Abgabe von Empfehlungen für Reformen, aufbauend auf den Entschließungen des Europäischen Parlaments und den bewährten Verfahren anderer Parlamente und Institutionen, in enger Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für konstitutionelle Fragen und dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten;
2. beschließt, dass die Sitzungen immer dann, wenn sich der Sonderausschuss mit der Anhörung von vertraulichen Beweisen oder von Zeugenaussagen, die personenbezogene Daten umfassen, oder mit einem Meinungsaustausch mit Behörden oder Einrichtungen zu als vertraulich eingestuften Informationen, wozu auch wissenschaftliche Studien oder Teile davon zählen, die gemäß Artikel 63 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) als vertraulich gelten, oder mit entsprechenden Anhörungen befasst, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden; beschließt außerdem, dass Zeugen und Sachverständige das Recht haben, unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszusagen;
3. beschließt, dass die Liste der Personen, die zu öffentlichen Sitzungen eingeladen werden, die Liste der Personen, die diesen Sitzungen beiwohnen, sowie die Protokolle dieser Sitzungen öffentlich zugänglich gemacht werden;
4. beschließt, dass bei dem Sonderausschuss eingegangene als vertraulich eingestufte Dokumente im Rahmen des Verfahrens gemäß Artikel 221 seiner Geschäftsordnung geprüft werden und dass derartige Informationen ausschließlich genutzt werden, um den Abschlussbericht des Sonderausschusses zu erstellen;
5. legt die Zahl der Mitglieder des Sonderausschusses auf 33 fest;
6. beauftragt den Sonderausschuss, seinen Abschlussbericht mit Schwerpunkt auf den in Absatz 1 Buchstabe f genannten Fragen zur Annahme im Plenum bis spätestens zur Plenartagung im Juli 2023 vorzulegen.
Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1).