Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2023 zur Entwicklung einer Strategie der EU für den Radverkehr (2022/2909(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Paket „Fit für 55“ der Kommission vom 14. Juli 2021 zur Umsetzung des europäischen Grünen Deals,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. Mai 2022 mit dem Titel „Ein Energiesparplan für die EU“ (COM(2022)0240),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 14. Dezember 2021 mit dem Titel „Der neue europäische Rahmen für urbane Mobilität“ (COM(2021)0811),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 9. Dezember 2020 mit dem Titel „Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität: Den Verkehr in Europa auf Zukunftskurs bringen“ (COM(2020)0789),
– unter Hinweis auf die Durchführungsverordnung (EU) 2019/73 der Kommission vom 17. Januar 2019 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Elektrofahrrädern mit Ursprung in der Volksrepublik China(1),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen vom 12. Oktober 2016 mit dem Titel „Ein EU-Aktionsplan für den Radverkehr“(2),
– unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr. 6/2020 des Europäischen Rechnungshofs mit dem Titel „Nachhaltige urbane Mobilität in der EU: Ohne das Engagement der Mitgliedstaaten sind keine wesentlichen Verbesserungen möglich“,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. März 2020 mit dem Titel „Eine neue Industriestrategie für Europa“ (COM(2020)0102),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Januar 2021 zur Überarbeitung der Leitlinien für das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V)(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Oktober 2021 zu dem EU-Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis 2030 – Empfehlungen für die nächsten Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“(4),
– unter Hinweis auf die Rede des Exekutiv-Vizepräsidenten der Kommission Frans Timmermans vom 30. Juni 2022 auf dem Fahrradgipfel in Kopenhagen,
– unter Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip, insbesondere auf Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die von den Mitgliedstaaten während des Luxemburger Ratsvorsitzes im Oktober 2015 angenommene Erklärung zum Fahrrad als klimafreundlichem Verkehrsmittel,
– unter Hinweis auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, insbesondere Ziel 11 „nachhaltige Städte und Gemeinden“, worin Fahrradfahren als Mittel gesehen wird, um Städte und Siedlungen inklusiver, sicherer, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission vom 7. Juli 2022 als Antwort auf die Anfrage an die Kommission zur Entwicklung einer Strategie der EU für den Radverkehr (O‑000025/2022 – B9‑0017/2022),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für Verkehr und Tourismus,
A. in der Erwägung, dass der Verkehr maßgeblich zur Luftverschmutzung beiträgt und dass nachhaltige Verkehrsträger wie der Radverkehr wesentlich dafür sind, die Ziele der Union, das Klima zu schützen und der Verschmutzung zu verringern, zu erreichen und ihre in den Initiativen der Union „Ein Energiesparplan für die EU“ und REPowerEU formulierten Bestrebungen zu verwirklichen;
B. in der Erwägung, dass Fahrradfahren viele Vorteile mit sich bringt, etwa bessere Gesundheit, weniger Staus auf den Straßen und weniger Lärmbelastung, verbesserte Luftqualität, Wirtschaftswachstum und ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen;
C. in der Erwägung, dass Fahrradfahren ein relativ erschwingliches Verkehrsmittel ist, das sich die meisten Bürgerinnen und Bürger leisten können, und einer nachhaltigen Wirtschaft förderlich ist;
D. in der Erwägung, dass mehr sichere Radverkehrsinfrastruktur benötigt wird, um das Potenzial für den Radverkehr zu erschließen, der für Kurzstreckenfahrten eine wertvolle Alternative ist;
E. in der Erwägung, dass die Radverkehrswelt der EU bereits über 1 000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und 1 Million Arbeitsplätze umfasst und bis 2030 auf bis zu 2 Millionen Arbeitsplätze expandieren kann; in der Erwägung, dass Elektrofahrräder für das Wachstum der Fahrradindustrie eine Chance darstellen, die das Potenzial bietet, umweltfreundliche Arbeitsplätze zu schaffen und umgeschulte Arbeitskräfte aus anderen Branchen aufzunehmen;
F. in der Erwägung, dass das Fehlen gesicherter Abstellanlagen und von Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstahl sowie der Mangel an gesonderten Radwegen als die beiden Haupthindernisse gelten, die der Anziehung neuer Nutzerinnen und Nutzer und der Erschließung des vollen Potenzials des Radverkehrs in Städten im Wege stehen;
1. ist der Auffassung, dass der Radverkehr als vollwertiger Verkehrsträger anerkannt werden sollte; fordert die Kommission auf, eigens eine Strategie der Union für den Radverkehr zu entwickeln, um die Zahl der in der Union auf dem Fahrrad zurückgelegten Kilometer bis 2030 zu verdoppeln; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass Daten über den Radverkehr, einschließlich Daten aus der Industrie, harmonisiert erhoben werden;
2. stellt fest, dass der Radverkehr als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie und auf den steigenden Preis fossiler Kraftstoffe seit Russlands rechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine zugenommen hat; fordert die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften auf, die Beibehaltung der Radverkehrsinfrastruktur in Erwägung zu ziehen, die im Rahmen ihrer regulären Stadtplanung als Reaktion auf die Pandemie errichtet wurde, und spürbare Maßnahmen zu ergreifen, um den Radverkehr richtig in ihre Rahmenregelungen für die Mobilität in der Stadt zu integrieren, und dabei das Potenzial des Radverkehrs als Beitrag zu einer besseren Anbindung zwischen Vororten und Innenstädten – insbesondere durch Radschnellwege – anzuerkennen;
3. fordert mit Blick auf die Förderung der Multimodalität, Synergieeffekte zwischen dem Radverkehr und anderen Verkehrsträgern zu schaffen, etwa indem in Zügen mehr Plätze für Fahrräder und an Bahnhöfen und Mobilitätsknotenpunkten mehr gesicherte Abstellanlagen für Zweiräder zur Verfügung gestellt werden;
4. ist der Auffassung, dass beim Bau oder bei der Modernisierung der TEN-V-Infrastruktur die Ermöglichung des Radfahrens gebührende Berücksichtigung in den Strategien und Unterstützungsmaßnahmen der Union finden sollte, auch indem dort, wo es machbar ist, parallel zu Eisenbahnstrecken und Binnenwasserstraßen Radwege gebaut werden;
5. fordert die Mitgliedstaaten und lokalen Gebietskörperschaften auf, die Investitionen in den Bau separater Radverkehrsinfrastruktur erheblich zu erhöhen, erschwingliche Elektrofahrrad- und Fahrradverleihsysteme in die Netze ihrer Mobilitätspläne zu integrieren und das Fahrradfahren als unerlässliche Lösung für die letzte Meile an städtischen Knoten zur Geltung zu bringen;
6. weist darauf hin, dass die Planung der städtischen Infrastruktur im Einklang mit dem Straßenverkehrssicherheitsrecht der Union, das auch Sicherheitsnormen für den Radverkehr umfasst, weiterentwickelt werden sollte; fordert die Kommission auf, ihre Arbeit an den in der Richtlinie über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur(5) vorgesehenen Orientierungshilfen für Qualitätsanforderungen für hochwertige und sichere Radverkehrsinfrastruktur zu beschleunigen; betont, dass Technologien für intelligente Verkehrssysteme so verbessert werden müssen, dass sie Radfahrer auf der Straße besser erkennen;
7. fordert die Kommission auf, die Fahrradindustrie, darunter auch die Akkuherstellung für Elektrofahrräder und die Kreislaufwirtschaft, und insbesondere KMU als legitime Partner im Ökosystem Mobilität der Industriestrategie der Union und in Programmen und Finanzierungssystemen für industrielle Infrastruktur anzuerkennen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Projekte zum Radverkehr und zu verwandten Bereichen, unter anderem Mobilität, Tourismus, Gesundheit und Sport, zu fördern;
8. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Herstellung von Fahrrädern und Bauteilen „made in Europe“ zu unterstützen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Union zu stimulieren, indem die Investitionslücke geschlossen, weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen aufrechterhalten und Anreize für Rückverlagerung und Sicherheit in Lieferketten geschaffen werden und indem hochwertige Arbeitsplätze gefördert werden, Radverkehrscluster entstehen und die industriebezogene berufliche Bildung verstärkt wird;
9. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für die Barrierefreiheit des Fahrradfahrens für Personen mit eingeschränkter Mobilität zu sorgen und das Radfahren für benachteiligte Gruppen erschwinglich zu machen; stellt fest, dass aus dem Klima-Sozialfonds der Union und mit den Struktur- und Investitionsfonds denjenigen geholfen werden kann, die am stärksten von „Verkehrsarmut“ betroffen sind, indem der Kauf von Fahrrädern gefördert oder der Zugang zu Fahrradverleihdiensten unterstützt wird;
10. fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften auf, Bildungskampagnen und Schulungen einschließlich Informationsmaßnahmen durchzuführen, um das Bewusstsein für die Straßenverkehrssicherheit zu schärfen und die sichere Nutzung von Fahrrädern und Elektrofahrrädern zu unterstützen; fordert die Kommission ferner auf, Leitlinien für sicheres Radfahren (Schutzhelme, Altersbeschränkungen, Mitnahme von Kindern usw.) vorzuschlagen, und fordert, dass der Förderung des Radfahrens bei Frauen und älteren Menschen, konkret durch die Verbesserung der Sicherheit, besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird;
11. stellt in diesem Zusammenhang fest, dass eine ordnungsgemäße Durchsetzung und Überwachung für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer von wesentlicher Bedeutung sind, und fordert, dass der Schwerpunkt auf die Durchsetzung der bestehenden Vorschriften gelegt wird, um für eine respektvolle Koexistenz der verschiedenen Verkehrsträger Sorge zu tragen;
12. unterstreicht das Potenzial von Elektrofahrrädern zur Steigerung des Radverkehrsaufkommens; stellt fest, dass Elektrofahrräder mit Unterstützung, die Geschwindigkeiten von bis zu 25 km/h erreichen können, sowohl im Unionsrecht als auch im nationalen Recht korrekt eingestuft werden müssen, um die rasche Einführung von Elektrofahrrädern und den Zugang zu ihnen aufrechtzuerhalten;
13. weist darauf hin, dass sichere Abstellanlagen für Fahrräder und Ladekapazitäten für Elektrofahrräder bei der Planung von Wohngebäuden gebührende Berücksichtigung finden sollten;
14. fordert Unternehmen, öffentliche Organisationen und Institutionen auf, das Radfahren durch spezifische Anreize zu fördern, darunter Programme für Arbeitnehmer und die Einrichtung ausreichend dimensionierter Fahrradabstellanlagen mit Ladestationen für Elektrofahrräder und die Bereitstellung angemessener sanitärer Einrichtungen;
15. betont, dass der Fahrradtourismus und das Radfahren in ländlichen Gebieten unterstützt werden müssen, indem der Ausbau des EuroVelo-Netzes und seiner 17 Routen beschleunigt wird, insbesondere durch eine stärkere Unterstützung und die Nutzung von Synergieeffekten mit dem TEN-V-Netz;
16. legt den Mitgliedstaaten nahe, die Mehrwertsteuersätze für die Lieferung, Vermietung und Reparatur von Fahrrädern und Elektrofahrrädern zu senken;
17. fordert die Kommission auf, das Jahr 2024 zum Europäischen Jahr des Radverkehrs auszurufen.
18. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung der Kommission und den Mitgliedstaaten und ihren Parlamenten zu übermitteln.
Richtlinie (EU) 2019/1936 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zur Änderung der Richtlinie 2008/96/EG über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 1).