Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Juli 2023 zur Lage im Libanon (2023/2742(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zum Libanon, insbesondere seine Entschließung vom 16. September 2021 zur Lage im Libanon(1),
– unter Hinweis auf die früheren Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolutionen 1559 (2004), 1701 (2006) und 2539 (2020), 2591 (2021) sowie 2650 (2022),
– unter Hinweis auf das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits(2),
– unter Hinweis auf den Beschluss 2007/860/EG des Rates vom 10. Dezember 2007 über eine Makrofinanzhilfe der Gemeinschaft für Libanon(3),
– unter Hinweis auf die Presseerklärung der Delegation für die Beziehungen zu den Maschrik-Ländern zu einem offiziellen Besuch im Libanon vom 19. bis 23. Juni 2023,
– unter Hinweis auf die im Rahmen der Partnerschaftsprioritäten EU-Libanon im November 2016, der CEDRE-Konferenz (Conférence économique pour le développement, par les réformes et avec les entreprises) am 6. April 2018, des Reform-, Erholungs- und Wiederaufbaurahmens (3RF) des Libanon im Dezember 2020 und der Treffen der Internationalen Unterstützungsgruppe für den Libanon am 11. Dezember 2019, 23. September 2020 und 19. Mai 2021 vereinbarten Verpflichtungen,
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission der EU über die Parlamentswahl vom 15. Mai 2022,
– unter Hinweis auf den Beschluss des Europäischen Rates vom 26. Juli 2022, den EU-Rahmen für gezielte Sanktionen um ein Jahr zu verlängern,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) Josep Borrell vom 1. November 2022 zur politischen Lage im Libanon, und auf die Erklärung vom 8. April 2023 zur Eskalation der Gewalt,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Delegation der Europäischen Union vom 13. November 2022 zur aktuellen Lage im Libanon,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sonderkoordinators der Vereinten Nationen vom 3. April 2023 zu den Kommunalwahlen im Libanon,
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und ihres Sprechers zur Lage im Libanon,
– unter Hinweis auf die vier Genfer Konventionen von 1949 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und ihre Zusatzprotokolle, die vom Libanon ratifiziert wurden,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die derzeitige Lage im Libanon aufgrund der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und gesundheitlichen Krisen sowie des Zusammenbruchs der Institutionen äußerst alarmierend und zutiefst besorgniserregend ist; in der Erwägung, dass die Inflation der Strom-, Gas- und Wasserpreise im Juni 2022 mit fast 600 % ihren Höchststand erreichte; in der Erwägung, dass die Mehrheit der libanesischen Bevölkerung heute in Armut lebt und dass die Staatsorgane nicht in der Lage sind, das Recht aller Menschen auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich des Rechts auf Nahrung, zu gewährleisten; in der Erwägung, dass die Verschlechterung der Wirtschaftslage und die Zunahme der Armut Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Rechten wie Gesundheitsversorgung und Unterkunft sowie einen Anstieg der Auswanderung zur Folge hatten;
B. in der Erwägung, dass der Libanon ein enger und wichtiger Partner der Europäischen Union ist; in der Erwägung, dass diese Partnerschaft auf gemeinsamen Interessen, langjährigen historischen und kulturellen Bindungen, einem regelmäßigen politischen und sozialen Dialog und weitreichenden persönlichen Kontakten beruht; in der Erwägung, dass der Libanon über eine dynamische Zivilgesellschaft und Parteienlandschaft mit zahlreichen Aktivisten, kommunalen Führungspersonen, Akademikern, Künstlern und Jugendgruppen verfügt, die sich engagieren und dringende Reformen fordern;
C. in der Erwägung, dass am 15. Mai 2022 im Libanon eine Parlamentswahl abgehalten wurde, die zur Folge hatte, dass die Hisbollah und ihre Verbündeten ihre Mehrheit im Parlament verloren und Najib Mikati erneut von einer Mehrheit mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt wurde, was ihm jedoch aufgrund politischer Blockaden nicht gelang; in der Erwägung, dass sich die Lage fortsetzte, bis das Mandat von Präsident Michel Aoun auslief und die geschäftsführende Regierung von Mikati die Führung des Landes übernahm;
D. in der Erwägung, dass sich die Hisbollah, die Amal-Bewegung und ihre Verbündeten verfassungswidriger Mittel behalfen, um den Abschluss der parlamentarischen Abstimmung zu verhindern, z. B. durch Verlassen der Sitzung nach dem ersten Wahlgang oder durch die Verhinderung der Beschlussfähigkeit, um die Wahl des Oppositionskandidaten zu verhindern; in der Erwägung, dass sich der Parlamentspräsident des Libanon, Nabih Berri, weigert, entgegen den Bestimmungen der libanesischen Verfassung offene Wahlgänge zur Wahl des Präsidenten durchzuführen; in der Erwägung, dass dies dazu geführt hat, dass die Präsidentschaftswahl seit zehn Monaten blockiert ist, und das in einer Zeit, in der es dringend eines Präsidenten bedarf, um die notwendigen Reformen durchzuführen, einen vollständigen Zusammenbruch zu verhindern und die staatlichen Institutionen sowie das demokratische System wiederherzustellen; in der Erwägung, dass dieser politische Stillstand eine Folge einer vielschichtigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise ist, die sich auf alle Bereiche des libanesischen Staates auswirkt;
E. in der Erwägung, dass der Beschluss des Rates (CFSP) 2021/1277 vom 30. Juli 2021 die Möglichkeit vorsieht, Sanktionen gegen Personen und Organisationen, die für die Untergrabung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit im Libanon verantwortlich sind, zu verhängen;
F. in der Erwägung, dass die für den 31. Mai 2023 vorgesehenen Kommunalwahlen das zweite Jahr in Folge verschoben wurden; in der Erwägung, dass der Innenminister der geschäftsführenden libanesischen Regierung, Bassam Mawlawi, dafür gesorgt hat, dass das Land bereit wäre, Kommunalwahlen abzuhalten; in der Erwägung, dass der Sonderkoordinator der Vereinten Nationen für den Libanon diese Wahlen uneingeschränkt unterstützt und sie für die Einhaltung der verfassungsmäßigen Fristen und demokratischen Verfahren des Libanon als wichtig erachtet, und zwar in einer Zeit, in der das Amt des Präsidenten nicht besetzt ist und das Land mit einer weit verbreiteten Lähmung der Institutionen konfrontiert ist; in der Erwägung, dass das libanesische Parlament mit den Stimmen der Hisbollah, der Amal-Bewegung, der freien Patriotischen Bewegung und ihrer verbündeten Fraktionen beschlossen hat, die Kommunalwahlen des Landes angesichts von Finanzierungsengpässen um höchstens ein Jahr bis zum 31. Mai 2024 zu verschieben; in der Erwägung, dass dieser Aufschub die bestehende institutionelle Lähmung und das mangelnde Vertrauen des libanesischen Volkes in die Demokratie weiter verstärken könnte;
G. in der Erwägung, dass wirtschaftliche Not, Sparmaßnahmen und weit verbreitete Korruption in den letzten Jahren mehrere Protestwellen ausgelöst haben, von denen sich die größte um den Jahrestag der sogenannten Oktoberrevolution ereignete, die am 17. Oktober 2019 ihren Anfang nahm; in der Erwägung, dass Proteste und soziale Unruhen aus diesen Gründen nach wie vor weitverbreitet sind und weiterhin im ganzen Land stattfinden;
H. in der Erwägung, dass durch die Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020, bei der es sich immer noch um die weltweit größte nichtnukleare Explosion handelt, mehr als 220 Menschen, darunter mehr als 20 EU-Bürgerinnen und Bürger, ums Leben kamen, 7 000 Menschen verletzt, 300 000 Menschen vertrieben und 74 000 Häuser zerstört oder beschädigt wurden;
I. in der Erwägung, dass drei Jahre nach der Explosion im Hafen von Beirut die innerstaatliche Untersuchung der Ursachen, die zu dieser Explosion geführt haben, aktiv behindert wird, was hauptsächlich auf den Machtmissbrauch politischer Akteure, einschließlich der Hisbollah, ihrer Verbündeten, des Justizministers und des Generalstaatsanwalts, zurückzuführen ist; in der Erwägung, dass die seit Langem bestehende Korruption, Misswirtschaft und Nachlässigkeit sowie die Verwaltungsstruktur des Hafens es möglich gemacht haben, dass eine hochexplosive Verbindung (Ammoniumnitrat) trotz Warnungen der örtlichen Behörden fast sechs Jahre lang achtlos im Hafen gelagert wurde; in der Erwägung, dass am 4. August 2021 ein Massenprotest auf den Straßen in Beirut stattfand, bei dem die Demonstranten Rechenschaft für die Explosion im Hafen forderten; in der Erwägung, dass sich am 14. Oktober 2021 ein weiterer massiver von der Hisbollah und der Amal-Bewegung angeführter Protest gegen den leitenden Untersuchungsrichter Bitar zu einem organisierten Angriff der Hisbollah und der Amal-Bewegung auf den Stadtteil Ain El Remmeneh und die libanesische Partei „Libanesische Kräfte“, die die Untersuchung der Explosion im Hafen von Beirut unterstützt, auswuchs;
J. in der Erwägung, dass Richter Tarek Bitar am 2. Juli 2021 beantragte, dass das libanesische Parlament die Immunität von drei seiner Mitglieder aufhebt, damit diese wegen strafbarer Fahrlässigkeit und vermutlicher vorsätzlicher Tötung im Zusammenhang mit der Explosion im Hafen angeklagt werden können, da sie aufgrund ihrer ministeriellen Zuständigkeiten für die Lagerung des gefährlichen Materials verantwortlich waren; in der Erwägung, dass zwei der angeklagten ehemaligen Minister inzwischen wiedergewählt wurden und derzeit Mitglieder des Parlaments sind; in der Erwägung, dass die Mehrheit des libanesischen Parlaments sich mit Stand Juni 2023 nicht für eine Aufhebung ihrer Immunitäten aussprach;
K. in der Erwägung, dass Human Rights Watch, Amnesty International, Legal Action Worldwide, die Legal Agenda und die Internationale Juristenkommission eine Reihe verfahrensrechtlicher und systemischer Mängel bei der innerstaatlichen Untersuchung, einschließlich einer eklatanten politischen Einflussnahme, der Immunität hochrangiger politischer Amtsträger und der mangelnden Achtung eines fairen Verfahrens und ordnungsgemäßer Verfahrensstandards, dokumentiert haben, woraus folgt, dass in ihrem Rahmen nicht glaubwürdig für Gerechtigkeit gesorgt werden kann; in der Erwägung, dass unter diesen Umständen die Einrichtung einer vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen genehmigten internationalen Untersuchungskommission umso dringlicher ist; in der Erwägung, dass mehr als 162 libanesische und internationale Menschenrechtsorganisationen, Überlebende und Angehörige von Opfern die Mitglieder des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen nachdrücklich aufgefordert haben, eine solche Resolution vorzulegen;
L. in der Erwägung, dass der Hinweisgeber Oberst Joseph Skaf, ehemaliger Direktor der Drogenabteilung des Hafens, der seine Hierarchie vor der Gefahr einer Lagerung der Chemikalien im Jahr 2014 gewarnt hatte, 2017 ermordet wurde; in der Erwägung, dass im Dezember 2020 Joe Bejjany, der den gefährlichen Hangar vor und nach der Explosion fotografiert hatte, ermordet und sein Telefon gestohlen wurde; in der Erwägung, dass der Aktivist und Herausgeber Lokman Slim im Februar 2021 ermordet wurde, zehn Tage nachdem er die Hisbollah beschuldigt hatte, dem Regime von Bashar al-Assad Ammoniumnitrat zur Verfügung gestellt zu haben;
M. in der Erwägung, dass seit dem 22. September 2021 21 Gerichtsverfahren gegen Richter Tarek Bitar, der die Untersuchung zu der Explosion leitet, und andere Richter, die sich mit dem Fall befassen, eingeleitet wurden, und dass hauptsächlich Politiker der Hisbollah und ihre Verbündeten, der Generalstaatsanwalt und der Justizminister daran beteiligt sind; in der Erwägung, dass die innerstaatliche Untersuchung der Explosion vom 23. Dezember 2021 bis Januar 2023 ausgesetzt wurde, nachdem zwei der in dem Fall angeklagten Politiker eine weitere Beschwerde gegen Richter Bitar und das höchste Gericht des Libanon, den Justizrat, der zuvor ihren früheren Antrag auf Abberufung von Richter Bitar geprüft und abgelehnt hatte, eingelegt hatten; in der Erwägung, dass die Generalversammlung des libanesischen Kassationsgerichtshofs, die nunmehr zuständig ist, nicht in der Lage ist, über diese Fragen zu entscheiden, da sie derzeit nicht beschlussfähig ist, zumal eines ihrer Mitglieder Ende 2021 in den Ruhestand getreten ist, und das Verfahren erst wieder aufgenommen werden kann, wenn neue Richter ernannt worden sind; in der Erwägung, dass sich der Finanzminister der geschäftsführenden Regierung, Youssef Khalil, geweigert hat, das Dekret über die Ernennung von Richtern zu unterzeichnen, wodurch Richter Bitar gezwungen wurde, die Untersuchung erneut einzustellen;
N. in der Erwägung, dass die Anwesenheit von mehr als 1,5 Millionen Syrern im Libanon, zusätzlich zu etwa 15 800 Flüchtlingen äthiopischer, irakischer, sudanesischer und anderer Herkunft, die beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) registriert sind, und etwa 207 700 palästinensischen Flüchtlingen, Auswirkungen auf die libanesische Wirtschaft hat und zu der mehrdimensionalen Krise des Landes beigeträgt; in der Erwägung, dass die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten und Einschränkungen zu kämpfen haben, wobei die Mehrheit von ihnen in Armut lebt und auf die Hilfe des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) als Hauptquelle für ihren Lebensunterhalt angewiesen ist;
O. in der Erwägung, dass das Assad-Regime nach dem Arabischen Frühling und dem Volksaufstand in Syrien im Jahr 2011 eine Kampagne der brutalen Unterdrückung seiner eigenen Bevölkerung eingeleitet hat, bei der mehr als eine halbe Million Menschen getötet und fast die Hälfte seiner Gesamtbevölkerung vertrieben wurde, was zu sechs Millionen Flüchtlingen und sieben Millionen Binnenvertriebenen führte; in der Erwägung, dass die Hisbollah dem Assad-Regime im Syrien-Krieg geholfen und es unterstützt hat, unter anderem durch die Bereitstellung von Bodentruppen und die Unterstützung von Angehörigen des Korps der Islamischen Revolutionsgarde bei der Organisation und Ausbildung syrischer Milizen; in der Erwägung, dass der militärische Flügel der Hisbollah auf der EU-Liste verbotener terroristischer Organisationen steht;
P. in der Erwägung, dass Berichten von Human Rights Watch zufolge eine Reihe von Flüchtlingen festgenommen, an die syrisch-libanesische Grenze abgeschoben und den syrischen Behörden übergeben worden ist;
Q. in der Erwägung, dass Israel und der Libanon am 11. Oktober 2022 einen historischen Durchbruch erzielt haben und die Festlegung einer festen Seegrenze zwischen den beiden Ländern vereinbart haben, die das Potenzial birgt, zur Stabilität und zum Wohlstand der beiden Nachbarn sowie der gesamten Region beizutragen;
R. in der Erwägung, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 31. August 2022 die Resolution 2650 (2022) verabschiedete, mit der das Mandat der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL) bis zum 31. August 2023 verlängert wurde; in der Erwägung, dass er darauf hingewiesen hat, dass die libanesischen Streitkräfte im südlichen Libanon stationiert werden müssen und dass alle Parteien die Einstellung der Feindseligkeiten respektieren, Verstöße gegen die Blaue Linie verhindern und die Bewegungsfreiheit der UNIFIL sowie den Zugang zur Blauen Linie sicherstellen müssen;
S. in der Erwägung, dass gegen Riad Salameh, seit 1993 Präsident der libanesischen Zentralbank, ein internationaler Haftbefehl vorliegt, der im Mai 2023 auf Ersuchen Frankreichs und Deutschlands wegen Geldwäsche, Betrug, Fälschung, Veruntreuung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung erlassen wurde; in der Erwägung, dass Eurojust am 28. März 2022 bestätigte, dass die Behörden Frankreichs, Deutschlands und Luxemburgs Vermögenswerte von Herrn Salameh im Wert von 120 Mio. EUR beschlagnahmt und eingefroren haben; in der Erwägung, dass Herr Salameh ein Fehlverhalten bestreitet und sich weigert, sein Amt niederzulegen; in der Erwägung, dass die Amtszeit von Herrn Salameh im Juli 2023 endet;
T. in der Erwägung, dass der Generalstaatsanwalt Monacos gegen Ministerpräsident Mikati, der auch in den Pandora-Papieren erwähnt wird, Ermittlungen wegen Geldwäsche eingeleitet hat;
1. ist der Auffassung, dass die derzeitige Lage im Libanon durch Politiker der herrschenden Klasse und durch illegal bewaffnete Gruppen, die den demokratischen Prozess und den Verfassungsprozess behindern, verursacht wurde, und fordert deren Entwaffnung; fordert die politische Elite des Libanon auf, ihren Teil der Verantwortung für die derzeitige Lage im Land zu übernehmen;
2. fordert das libanesische Parlament nachdrücklich auf, so schnell wie möglich einen Präsidenten zu wählen, um mit der Bewältigung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und gesundheitlichen Krisen sowie des Zusammenbruchs der Institutionen zu beginnen; fordert sie alle nachdrücklich auf, die Anliegen des libanesischen Volkes endlich zu unterstützen und zu verteidigen; ist zutiefst besorgt über die Hindernisse, die der Umsetzung der notwendigen Reformen im Wege stehen, und fordert die libanesischen Staats- und Regierungschefs auf, den nationalen Interessen Vorrang einzuräumen; bedauert, dass das libanesische Parlament nach zwölf ergebnislosen Runden der Präsidentschaftswahl noch immer keinen Präsidenten gewählt hat;
3. bedauert, dass die für Mai 2022 angesetzten Kommunalwahlen zum zweiten Mal binnen zwei Jahren verschoben wurden, was dazu geführt hat, dass der politische Stillstand anhält und die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen weiter beeinträchtigt wird; fordert das Innenministerium und die Gemeinden nachdrücklich auf, sich zu verpflichten, die Kommunalwahlen in den nächsten sechs Monaten abzuhalten, und die Vorbereitungen entsprechend fortzusetzen; fordert die libanesischen Behörden auf, die Entsendung einer Wahlbeobachtungsmission oder alternativ einer Wahlexpertenmission bereits Monate vor den Kommunalwahlen durch den HR/VP zu beantragen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, alle erdenkliche technische und finanzielle Unterstützung zu leisten, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Wahlen rechtzeitig und unter den bestmöglichen Bedingungen stattfinden können, und sich um die Sicherstellung der Fairness und Transparenz des gesamten Verfahrens zu bemühen; betont, dass es in der Verantwortung der Regierung liegt, die für die Abhaltung von Kommunalwahlen erforderlichen Haushaltsmittel bereitzustellen;
4. fordert eine internationale humanitäre Taskforce unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, um die Durchführung der humanitären Hilfe zu unterstützen und die Verwendung der Mittel zu überwachen;
5. fordert die EU auf, dem Libanon die Entsendung einer umfassenden beratenden Mission der EU zu Verwaltungsfragen anzubieten, um, wie es dringend erforderlich ist, dem sich beschleunigenden Zusammenbruch der öffentlichen Verwaltung und grundlegender Dienstleistungen entgegenzuwirken, indem sie einen Aktionsplan und die damit verbundene notwendige Unterstützung bereitstellt; würdigt die Rolle der systemrelevanten Beschäftigten des öffentlichen Sektors, die trotz der aufgrund der Sparmaßnahmen in den letzten Jahren um mehr als die Hälfte gekürzten Gehälter weiterhin wichtige Dienstleistungen für die Bevölkerung in Bereichen wie Gesundheit, Bildung sowie Pflege und Betreuung erbracht haben;
6. fordert die libanesische Regierung auf, die wichtigsten Regierungs-, Wirtschafts- und Finanzreformen, die für eine politische und wirtschaftliche Erholung sorgen werden, zügig umzusetzen, einschließlich einer glaubwürdigen Regulierung wichtiger Wirtschaftssektoren, wie z. B. des Stromsektors; begrüßt die Annahme von Änderungen des libanesischen Gesetzes über das Bankgeheimnis als wichtigen Schritt zur Freigabe internationaler Makrofinanzhilfen, insbesondere durch den Internationalen Währungsfonds; fordert das Land auf, die Reformen, auch im Justizwesen, fortzusetzen, um für Unabhängigkeit zu sorgen und politische Einflussnahme und institutionalisierte Straflosigkeit im Justizsystem zu verhindern; erinnert an die dringende Notwendigkeit, die exorbitanten Befugnisse des Militärgerichts zu begrenzen und seine Zuständigkeit auf Verfahren wegen vom Militär begangener Straftaten zu beschränken und es niemals bei Verfahren gegen Zivilisten einzusetzen; weist darauf hin, dass die EU, die Weltbank und die Vereinten Nationen die Schaffung einer unabhängigen und transparenten Justiz, die Verabschiedung moderner Rechtsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Verabschiedung einer Strategie zur Korruptionsbekämpfung gefordert haben;
7. fordert den Rat auf, auf der Grundlage des von ihm am 30. Juli 2021 verabschiedeten Rahmens gezielte Sanktionen gegen all diejenigen zu verhängen, die gegen demokratische Prozesse und den Wahlprozess in den libanesischen Institutionen verstoßen, die in schweres finanzielles Fehlverhalten verwickelt sind und diejenigen, die Korruptionsermittlungen oder die inländische Untersuchung der Explosion im Hafen von Beirut oder eine bevorstehende internationale Untersuchungskommission behindern, und ihre Vermögenswerte in der EU zu beschlagnahmen; stellt fest, dass der Rahmen des Rates am 30. Juli 2023 ausläuft; fordert den Rat auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um ihn zu verlängern und zu überarbeiten;
8. weist darauf hin, dass die transparente, unabhängige, neutrale und wirksame Untersuchung der Explosion im Hafen von Beirut Priorität hat und sichergestellt werden muss; fordert die libanesischen Behörden nachdrücklich auf, die gerichtlichen Verfahren und die Unabhängigkeit der Justiz zu achten und alle Anstrengungen zu unterstützen, die es ermöglichen, dass gegen die Verantwortlichen für die Entscheidungen, die zu der Explosion im Hafen von Beirut geführt haben, ordnungsgemäß ermittelt wird und sie zur Rechenschaft gezogen werden; fordert eine unabhängige internationale Untersuchungskommission im Libanon, um die Explosion in Beirut im Rahmen der Vereinten Nationen zu untersuchen; besteht darauf, dass diejenigen, die direkt oder indirekt als verantwortlich befunden werden, für die Verluste an Menschenleben und den Schaden, der der libanesischen Bevölkerung zugefügt wurde, zur Rechenschaft gezogen werden müssen; beharrt darauf, dass der Hafen von Beirut eine wichtige Infrastruktur für den Libanon ist und wiederaufgebaut werden muss; fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, uneingeschränkt mit Richter Bitar, der die Untersuchung der Explosion im Hafen leitet, zusammenzuarbeiten;
9. ermutigt die EU-Mitgliedstaaten, die Angehörigen der Opfer der Explosion im Hafen von Beirut dabei zu unterstützen, die Möglichkeiten für Klagen vor ausländischen Gerichten zu prüfen und die Möglichkeiten für die strafrechtliche Verfolgung von Politikern, denen Gräueltaten vorgeworfen werden, im Rahmen der universellen Gerichtsbarkeit zu erkunden; fordert den Menschenrechtsrat auf, eine Resolution zu verabschieden, mit der eine unabhängige und unparteiische Untersuchungskommission eingerichtet und entsandt wird, um die Fakten und Umstände der Explosion von Beirut, einschließlich der Ursachen, zu ermitteln, die Schuld des Staates und von Einzelpersonen festzustellen und Gerechtigkeit und Entschädigung für die Opfer zu fördern;
10. verurteilt aufs Schärfste die Kultur der Straflosigkeit, die sich im Libanon entwickelt hat; ist besorgt über Versuche, unabhängige Mitglieder der Zivilgesellschaft auf verschiedene Weise einzuschüchtern; weist darauf hin, dass die Opfer und ihre Familien nicht länger darauf warten können, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt; fordert, dass umgehend die Kultur der Straffreiheit ein Ende nimmt, die in den libanesischen Institutionen herrscht, und fordert die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, sämtliche Hindernisse für laufende gerichtliche Voruntersuchungen, insbesondere in Korruptionssachen, aus dem Weg zu räumen;
11. betont, dass nachhaltige Lösungen zur Bewältigung der Ernährungsunsicherheit und der Energiekrisen gefördert werden müssen und dass im Einklang mit den Empfehlungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen direkte humanitäre Hilfe bereitgestellt werden muss; fordert, dass die humanitäre Hilfe der EU an die Unterstützung von Landwirten und Landarbeitern und andere Formen der Unterstützung der lokalen Nahrungsmittelproduktion sowie an Investitionen in die Infrastruktur zur Erzeugung erneuerbarer Energie in dem Land gekoppelt wird;
12. äußert seine Besorgnis über zahlreiche Fälle von Misswirtschaft und Betrug im Zusammenhang mit EU-finanzierten Projekten, die auf mangelnde Transparenz und Aufsicht, unzulängliche Auswahl- und Ausschreibungskriterien und eine unzureichende Buchführung zurückzuführen sind; fordert die Kommission und die Europäische Staatsanwaltschaft auf, den mutmaßlichen Missbrauch von EU-Mitteln für Abfallbewirtschaftungsanlagen zu prüfen; betont, dass die EU die Projekte überwachen und die Mittel nach unabhängigen Überprüfungen für jede Phase der betreffenden Projekte in Tranchen bereitstellen sollte, um das hohe Korruptionsrisiko im Libanon zu mindern; fordert die EU und ihre Partner auf, alle einschlägigen Dokumente zu veröffentlichen, um eine unabhängige Kontrolle durch die Zivilgesellschaft zu ermöglichen; unterstreicht, dass solche Standards und bewährten Verfahren von allen internationalen Gebern, die dem Libanon helfen wollen, gemeinsam genutzt werden sollten, wie beispielsweise im Fall der EU-Unterstützung für die Bewirtschaftung fester Abfälle im Libanon; fordert die Kommission erneut auf, die Rechenschaftspflicht und die Überwachung von EU-finanzierten Projekten im Libanon zu verbessern; betont, dass die EU-Gelder nicht an die Hisbollah gehen sollten;
13. betont, dass die Bedingungen für die freiwillige und würdevolle Rückkehr von Flüchtlingen in von Konflikten bedrohte Gebiete in Syrien nicht erfüllt sind; weist erneut auf die Schutzbedürftigkeit der Flüchtlinge im Libanon hin und betont, dass den Agenturen, die mit Flüchtlingen arbeiten, angemessene, vorhersehbare und vielschichtige Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden müssen, damit die uneingeschränkte Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen für die Flüchtlingsgemeinschaften im Land sichergestellt wird; fordert die Kommission auf, an der Verbesserung der humanitären Lage in Syrien zu arbeiten, um die Ursachen der Flüchtlingskrise anzugehen; betont, dass die Rückkehr von Flüchtlingen nach internationalen Kriterien freiwillig, würdevoll und sicher erfolgen sollte; fordert, dass weiterhin humanitäre Hilfe für die libanesische Bevölkerung und Flüchtlinge bereitgestellt wird, wobei strenge Kontrollen durchzuführen sind; fordert den Libanon auf, der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen von 1951 und dem dazugehörigen Protokoll von 1967 beizutreten; fordert die Einrichtung einer internationalen Task Force unter Beteiligung der EU, der Vereinten Nationen und der libanesischen Staatsorgane, die sich mit der Flüchtlingsfrage befassen soll; ist besorgt über die Eskalation der flüchtlingsfeindlichen Rhetorik libanesischer politischer Parteien und Minister; fordert den Libanon nachdrücklich auf, bei Maßnahmen im Bereich der Migration von Abschiebungen, diskriminierenden Maßnahmen und Aufstachelung zum Hass gegen syrische Flüchtlinge abzusehen; fordert die EU und die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, weiterhin Finanzmittel für das UNRWA und syrische Flüchtlinge bereitzustellen;
14. bekundet seine Unterstützung für die Arbeit der UNIFIL an der libanesisch-israelischen Grenze und verurteilt aufs Schärfste alle Angriffe auf UN-Blauhelmsoldaten; fordert nachdrücklich, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden;
15. fordert die EU auf, die Hisbollah und das Korps der Islamischen Revolutionsgarde in vollem Umfang in ihre Liste verbotener terroristischer Organisationen aufzunehmen;
16. begrüßt die Unterzeichnung des Abkommens über die Festlegung der Seegrenze zwischen dem Libanon und Israel und fordert die beiden Länder auf, ihren konstruktiven Dialog fortzusetzen;
17. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der Arabischen Liga, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer sowie der Regierung und dem Parlament des Libanon zu übermitteln.