Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. September 2023 zu Parlamentarismus, Unionsbürgerschaft und Demokratie (2023/2017(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Artikel 9, 10, 11 und 15 sowie Artikel 17 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 15, 20 und 24 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(1) (Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung),
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 14. Februar 2023 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen,(2)
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 14. Februar 2023 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen,(3)
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Juni 2022 zum Initiativrecht des Parlaments(4),
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 3. Mai 2022 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die allgemeine unmittelbare Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie zur Aufhebung des Beschlusses (76/787/EGKS, EWG, Euratom) des Rates und des diesem Beschluss beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,(5)
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Februar 2019 zur Umsetzung der Bestimmungen des Vertrags über die Unionsbürgerschaft(6) und seine Entschließung vom 9. März 2022 mit Vorschlägen an die Kommission zum Erwerb einer Staatsbürgerschaft oder von Aufenthaltsrechten im Gegenzug für Investitionen(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zu möglichen Entwicklungen und Anpassungen der derzeitigen institutionellen Struktur der Europäischen Union(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zur Verbesserung der Arbeitsweise der Europäischen Union durch Ausschöpfung des Potenzials des Vertrags von Lissabon(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Mai 2022 zu den Folgemaßnahmen zu der Konferenz zur Zukunft Europas(10),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. April 2022 zu der Umsetzung von Maßnahmen der politischen Bildung(11),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. April 2016 zu dem Erwerb von Kenntnissen über die EU an Schulen(12),
– unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 16. April 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments über Einzelheiten der Ausübung des Untersuchungsrechts des Europäischen Parlaments und zur Aufhebung des Beschlusses 95/167/EG, Euratom, EGKS des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission(13),
– unter Hinweis auf die abschließende Erklärung des Vorsitzes der am 24. und 25. April 2023 in Prag abgehaltenen Konferenz der Präsidenten der Parlamente der Europäischen Union(14),
– unter Hinweis auf die abschließende Erklärung der Plenarsitzung der vom 14. bis 16. Mai 2023 in Stockholm abgehaltenen LXIX. Konferenz der Ausschüsse für Unionsangelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC)(15),
– unter Hinweis auf die Erklärung von Léon zum Parlamentarismus, die auf der Konferenz zur Feier des Internationalen Tages des Parlamentarismus: Stärkung der Parlamente zur Förderung der Demokratie vom 30. Juni bis 1. Juli 2023 in Léon angenommen wurde(16),
– unter Hinweis auf den Bericht über das endgültige Ergebnis der Konferenz zur Zukunft Europas(17),
– gestützt auf den Vorschlag eines Manifests für ein föderales Europa: souverän, sozial und umweltfreundlich, der von der Spinelli-Gruppe am 29. August 2022 angenommen wurde(18),
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A9-0249/2023),
A. in der Erwägung, dass die EU und ihre Parlamente gemeinsamen beispiellosen und komplexen Herausforderungen gegenüberstehen, die einerseits durch externe Faktoren wie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die COVID-19-Pandemie, die Klima- und Energiekrise, Desinformation, ausländische Einflussnahme und Digitalisierung sowie andererseits durch interne Faktoren wie das Aufkommen von Extremen und politischen Akteuren, die Polarisierung, Populismus, Nationalismus, Schuldzuweisungen und Konfrontation vor die Suche nach gemeinsamen Lösungen stellen, verursacht werden; in der Erwägung, dass in diesem Zusammenhang das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und die politischen Entscheidungsträger untergraben wird;
B. in der Erwägung, dass eine gemeinsame Begriffsbestimmung und ein gemeinsames Verständnis der liberalen parlamentarischen Demokratie und des politischen Willens, sie widerstandsfähiger zu gestalten, dringend erforderlich sind, um das Funktionieren der Gewaltenteilung sicherzustellen und die Bürgerinnen und Bürger zu ermutigen, ihr Wahlrecht bei allen Wahlen wahrzunehmen;
C. in der Erwägung, dass die europäische Demokratie durch Veränderungen und die Anpassung an aktuelle Entwicklungen mehr Legitimität schaffen kann; in der Erwägung, dass Europa dringend die liberale parlamentarische Demokratie einschließlich des Parlamentarismus, der Unionsbürgerschaft und der partizipatorischen Elemente der europäischen Demokratie erhalten, stärken und weiterentwickeln und dabei alle Instrumente im Rahmen der Verträge nutzen muss; in der Erwägung, dass eine Reform der demokratischen Grundlagen der Union erforderlich ist, gegebenenfalls durch Vertragsänderungen;
D. in der Erwägung, dass es keinen Beschluss ohne demokratische Legitimation durch die Zustimmung des Parlaments geben sollte; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament, obgleich es das einzige direkt gewählte Organ der EU und somit das Rückgrat der europäischen liberalen Demokratie ist, noch kein allgemeines direktes Initiativrecht besitzt, das seine Fähigkeit stärken würde, die Stimme der Bürgerinnen und Bürger zu vertreten und den von der Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern vorgebrachten Anliegen Rechnung zu tragen;
E. in der Erwägung, dass in Artikel 15 EUV festgelegt ist, dass der Europäische Rat weder gesetzgeberisch noch vollziehend tätig wird; in der Erwägung, dass bestimmte Aspekte des turnusmäßig wechselnden Vorsitzes des Rates sowie die Rolle des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ deren effizientes Funktionieren behindern und im Hinblick auf eine Verbesserung des Gesetzgebungsverfahrens in einem Zweikammersystem reformiert werden müssen;
F. in der Erwägung, dass institutionelle Ungleichgewichte, die im Laufe der Zeit entstanden sind, korrigiert werden müssen und die Rechenschaftspflicht der Exekutive gegenüber der Legislative verstärkt werden muss, insbesondere um dem Parlament Kontrollbefugnisse über den Europäischen Rat zu übertragen sowie die politische Rechenschaftspflicht der Kommission gegenüber dem Parlament zu verbessern; in der Erwägung, dass das oft als legislatives Zweikammersystem dargestellte Verhältnis zwischen Parlament und Rat nicht immer der tatsächlichen Praxis entspricht und auch nicht institutionalisiert worden ist;
G. in der Erwägung, dass das Fortbestehen der Beschlussfassung mit Einstimmigkeit im Rat zu einem faktischen Hindernis für das Fortschreiten der europäischen Agenda und die Weiterentwicklung und Reform der europäischen Demokratie geworden ist, da es dadurch einer Regierung eines Mitgliedstaats möglich ist, die Beschlussfassung der EU zu blockieren, häufig zum Nachteil des europäischen Interesses;
H. in der Erwägung, dass es wichtig ist, dass die Organe der Union die Rolle des Ausschusses der Regionen (AdR) und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) als Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bzw. der organisierten Zivilgesellschaft im Rechtsrahmen stärker berücksichtigen;
I. in der Erwägung, dass in den Schlussfolgerungen des Vorsitzes der Konferenz der Präsidenten der Parlamente der Europäischen Union (EUSC), die am 24./25. April 2023 in Prag stattfand, die Initiative des Europäischen Parlaments in der Konferenz der Ausschüsse für Unionsangelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC) begrüßt wurde, gemeinsam die Rolle der Parlamente in einer funktionierenden Demokratie voranzubringen und über mögliche Wege zur Stärkung des modernen Parlamentarismus nachzudenken, um der nächsten EUSC in Madrid über die diesbezüglichen Ergebnisse zu berichten;(19) in der Erwägung, dass auf der LXIX. COSAC, die vom 14. bis 16. Mai 2023 in Stockholm stattfand, diese Schlussfolgerungen der EUSC zur Kenntnis genommen wurden, insbesondere die Aufforderung an die COSAC, einen Austausch bewährter Verfahren vorzuschlagen und über mögliche Wege zur Stärkung des modernen Parlamentarismus nachzudenken;(20)
J. in der Erwägung, dass auf der Weltkonferenz zur Feier des Internationalen Tages des Parlamentarismus, die am 30. Juni und 1. Juli 2023 in León stattfand, die Erklärung von Léon zum Parlamentarismus angenommen wurde; in der Erwägung, dass diese Erklärung die Initiative des Europäischen Parlaments unterstützt, deren Ziel darin besteht, eine Charta über die Rolle des Parlamentarismus in einer wirksamen Demokratie auszuarbeiten; in der Erwägung, dass die endgültige Annahme dieser Charta auf der EUSC vom 21. bis 23. April 2024 in Madrid erfolgen soll;(21)
K. in der Erwägung, dass in den Schlussfolgerungen der Konferenz zur Zukunft Europas eine Stärkung der europäischen Demokratie, eine Verbesserung des Entscheidungsprozesses der EU zur Sicherstellung ihrer Handlungsfähigkeit und eine Ergänzung und Stärkung der repräsentativen Demokratie durch eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, einen verbesserten Zugang zu Informationen und eine stärkere Einbeziehung der Jugend gefordert werden; in der Erwägung, dass in den Schlussfolgerungen der Konferenz zur Zukunft Europas auch eine Stärkung der Unionsbürgerschaft gefordert wird, beispielsweise durch die Ausarbeitung eines Statuts der Unionsbürgerschaft, das bestimmte Rechte und Freiheiten festlegt;
L. in der Erwägung, dass die Konferenz zur Zukunft Europas und weitere bestehende erfolgreiche Projekte zur Bürgerbeteiligung gezeigt haben, dass die Bürgerinnen und Bürger an einer regelmäßigen Beteiligung am demokratischen Leben der Union interessiert sind; in der Erwägung, dass die Konferenz zur Zukunft Europas auf breiter Basis wertvolle Erfahrungen der Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern geliefert hat, aus denen Lehren zu ziehen sind;
M. in der Erwägung, dass die Unionsbürgerschaft und die damit verbundenen Rechte, die durch den Vertrag von Maastricht eingeführt und durch den Vertrag von Lissabon weiter gestärkt wurden, nur teilweise umgesetzt wurden; in der Erwägung, dass sich die Bürgerinnen und Bürger Europas ihrer mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte häufig nicht vollumfänglich bewusst sind;
N. in der Erwägung, dass die Unionsbürgerschaft derzeit zusammen mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats gewährt wird, wobei die Union selbst nur eine begrenzte Kontrolle ausübt;
O. in der Erwägung, dass mehrere Mitgliedstaaten nach wie vor sogenannte „goldene Visa“ und Investorenprogramme als Mittel anbieten, um die Staatsangehörigkeit und folglich die Unionsbürgerschaft zu erlangen;
P. in der Erwägung, dass ausländische Unionsbürger trotz der Bestimmungen der Richtlinie 93/109/EG(22) des Rates bzw. der Richtlinie 94/80/EG(23) des Rates über die Teilnahme ausländischer Unionsbürger an den Wahlen zum Europäischen Parlament bzw. an Kommunalwahlen in dem Land, in dem sie ihren Wohnsitz haben, immer noch mit vielen Hindernissen konfrontiert sind, wenn es darum geht, ihr Wahlrecht bei Wahlen zum Europäischen Parlament auszuüben;
Q. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 10 Absatz 3 EUV alle Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen, und dass Entscheidungen so offen und bürgernah wie möglich getroffen werden; in der Erwägung, dass die partizipative Demokratie als eine Möglichkeit zur Verbesserung des politischen Bewusstseins und des Dialogs mit allen Unionsbürgern angesehen wird;
R. in der Erwägung, dass die bestehenden partizipativen Instrumente wie die Europäische Bürgerinitiative, Petitionen an das Europäische Parlament, Beschwerden beim Europäischen Bürgerbeauftragten, öffentliche Konsultationen und Bürgerdialoge nach wie vor kaum bekannt sind; in der Erwägung, dass die partizipative Demokratie in der EU durch eine starke Fragmentierung der partizipativen Instrumente und durch ausbleibende Folgemaßnahmen beeinträchtigt wird, was ihren Erfolg einschränkt und verhindert, dass sie zu einer umfassenden und effizienten partizipativen Infrastruktur führen;
S. in der Erwägung, dass bei allen Maßnahmen zur Stärkung der Bürgerbeteiligung und der Demokratie die digitale Kluft in der EU und die Schwierigkeiten, die sie für die Wirksamkeit einer solchen Beteiligung mit sich bringt, überwunden werden müssen;
T. in der Erwägung, dass die von der Kommission als Folgemaßnahme zur Konferenz zur Zukunft Europas vorgeschlagenen neuen Bürgerforen in ihrem Anwendungsbereich begrenzt sind und nicht den in der Konferenz zur Zukunft Europas zum Ausdruck gebrachten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen;
U. in der Erwägung, dass das Referendum als Instrument der direkten Demokratie auf EU-Ebene derzeit nicht zur Verfügung steht; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament wiederholt eine Bewertung des Einsatzes unionsweiter Referenden zu grundlegenden Fragen gefordert hat, wodurch ein Paradigmenwechsel hinsichtlich des Handelns und der Politik der Europäischen Union – wie eine Überarbeitung der Verträge – herbeigeführt würde;
V. in der Erwägung, dass gerade bei jungen Menschen Umwälzungen bei den Gewohnheiten im Bereich des Medienkonsums stattfinden, die sich nachteilig auf den Zugang zu faktengestützten, gut recherchierten Informationen auswirken können und gleichzeitig die Verfügbarkeit qualitativ minderwertiger und polarisierter Inhalte erhöhen, was zu einer Zersplitterung der Gesellschaft und zu einer Untergrabung der Demokratie führen kann; in der Erwägung, dass der Zugang zu unabhängigen, pluralistischen und qualitativ hochwertigen Mediendiensten ein Grundpfeiler einer gut funktionierenden Demokratie ist;
Parlamentarismus
1. erkennt an, dass die liberale parlamentarische Demokratie in der gegenwärtigen Zeit gemeinsamer und beispielloser Herausforderungen unter Druck steht und dringend erhalten, gestärkt und weiterentwickelt werden muss; betont die Schlüsselrolle der Parlamente als Rückgrat der Demokratie Europas, als direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Kammern, als Gesetzgeber und als Kontrollinstanzen für die Exekutive; erkennt an, dass sich die liberale Demokratie nur dann als erfolgreich erweisen kann, wenn der Parlamentarismus gedeiht und funktioniert; betont, dass es notwendig ist, ein gemeinsames Verständnis, gemeinsame Grundprinzipien und eine gemeinsame Definition der liberalen parlamentarischen Demokratie zu erlangen; begrüßt in diesem Zusammenhang die Initiative des Europäischen Parlaments, zusammen mit den Parlamenten der EU eine gemeinsame „Charta über die Rolle der Parlamente in einer funktionierenden liberalen Demokratie“ zu erarbeiten;
2. ist der Auffassung, dass der derzeitige Trend in der EU, von einer „parlamentarischen“ zu einer „staatlichen“ Demokratie überzugehen, alle Parlamente im Entscheidungsprozess schwächt; nimmt mit Bedauern das zugunsten des Rates und des Europäischen Rates zunehmende Machtungleichgewicht zur Kenntnis, durch das das durch die Verträge begründete institutionelle Gefüge der Union ausgehöhlt wird; vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass das Gleichgewicht zugunsten der demokratischen Legitimität durch gleichwertige Rechte des Parlaments wiederhergestellt werden sollte; ist der Auffassung, dass die vom Europäischen Rat geübte Praxis der „Beauftragung des Rates und der Kommission“ über die ihm in den Verträgen zuerkannte Funktion der Ausarbeitung strategischer Leitlinien hinausgeht und damit dem Wortlaut und dem Geist der Verträge zuwiderläuft; hält es für erforderlich, die in den Verträgen festgelegte Aufteilung der Zuständigkeiten und das Subsidiaritätsprinzip zu achten;
3. ist der festen Überzeugung, dass die Parlamente in einer Demokratie an jedem Entscheidungsprozess beteiligt sein müssen; betont, dass das Europäische Parlament als einziges direkt gewähltes Organ der EU das allgemeine direkte Recht auf gesetzgeberische Initiative, das Untersuchungsrecht und die uneingeschränkte Gewalt über den Haushalt erhalten sollte und dass es als Kammer der Unionsbürgerinnen und -bürger die treibende Kraft hinter den strategischen Prioritäten der europäischen Gesetzgebungsagenda sein sollte; fordert in diesem Zusammenhang eine Änderung der Artikel 225 und 226 AEUV;
4. schlägt erneut vor, dass der Rat in eine wirkliche Gesetzgebungskammer umgewandelt wird, indem die Ratsformationen durch einen Beschluss des Europäischen Rates beschränkt werden, sodass ein echtes legislatives Zweikammersystem aus Europäischem Parlament und Rat mit der Kommission als Exekutive geschaffen wird; ist der Ansicht, dass das System des turnusmäßig wechselnden Vorsitzes des Rates reformiert werden sollte, um die Effizienz des Gesetzgebungsverfahrens in einem Zweikammersystem zu erhöhen; schlägt vor, dass die Tagungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ – ähnlich wie die Plenartagung des Parlaments – zu öffentlichen Legislativtagungen des Rates werden sollten, wohingegen alle anderen Ratsformationen zu transparenten Vorbereitungsstrukturen werden sollten, die regelmäßig öffentliche Sitzungen abhalten und ähnlich wie die Ausschüsse des Europäischen Parlaments funktionieren;
5. bekräftigt seine seit geraumer Zeit geäußerte Forderung, dass der Rat – auf kurze Sicht, wann immer dies nach den Verträgen etwa durch Aktivierung der verschiedenen in den Verträgen vorhandenen Passerelle-Klauseln möglich ist, und auf lange Sicht durch Vertragsänderungen – von der Einstimmigkeit zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit übergeht, um Blockaden im Gesetzgebungsverfahren zu überwinden, die Handlungsfähigkeit der EU zu verbessern und die Beschlussfassung der EU effizienter, wirksamer und demokratischer zu gestalten;
6. hält es für notwendig, dass das Parlament seine Funktionen der politischen Kontrolle gegenüber der Kommission stärkt, wobei hierzu auch die Möglichkeit gehört, Misstrauensanträge gegen einzelne Kommissionsmitglieder einzubringen;
7. hebt hervor, dass besondere Gesetzgebungsverfahren, bei denen dem Parlament durch die Verträge das Initiativrecht eingeräumt wird, einen gegenseitigen Austausch über die Ausarbeitung eines Gesetzgebungsplans für die betreffenden Initiativen beinhalten sollten, um die Einhaltung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit zwischen allen drei Organen sicherzustellen; erwartet vor diesem Hintergrund, dass die interinstitutionellen Gespräche zwischen dem Parlament und dem Rat über die dringend erforderliche Reform des europäischen Wahlrechts sowie über das Untersuchungsrecht des Europäischen Parlaments neue Impulse erhalten;
8. fordert Parlament, Rat und Kommission auf, die Verfahren der Zusammenarbeit mit dem AdR und dem EWSA weiter zu verbessern, und zwar auch in der prälegislativen Phase, damit deren Stellungnahmen und Bewertungen während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt werden können; schlägt insbesondere vor, den informellen Austausch zwischen den einschlägigen Akteuren der drei Organe sowohl auf Ausschuss- als auch auf Fraktionsebene zu verstärken und die Berichterstatter des AdR und des EWSA gegebenenfalls einzuladen, an der Prüfung von Berichtsentwürfen in den parlamentarischen Ausschüssen und an Ausschusssitzungen, in denen über interinstitutionelle Verhandlungen berichtet wird, teilzunehmen;
9. betont, dass Parlamente im Zentrum der Demokratie stehen und ihnen daher eine Schlüsselrolle zukommt und dass die klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Ebenen der liberalen europäischen Demokratie, nämlich der kommunalen, regionalen, nationalen und europäischen Ebene, im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip beachtet werden muss, um die demokratische Legitimität und einen effizienten Entscheidungsprozess sicherzustellen und das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten auf den verschiedenen Ebenen zu stärken; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die nationalen Parlamente am besten in der Lage sind, die Maßnahmen ihrer jeweiligen Regierungen in europäischen Angelegenheiten zu kontrollieren und den Auftrag dafür zu erteilen, während das Europäische Parlament die demokratische Rechenschaftspflicht und Legitimität der europäischen Exekutive sicherstellen sollte; betont, dass ein regelmäßiger politischer Dialog und Austausch zwischen den Parlamenten – etwa im Rahmen des EUSC und der COSAC – erforderlich sind, um die parlamentarische Arbeit und die parlamentarischen Beschlüsse verständlicher zu machen und das Bewusstsein dafür zu schärfen;
10. weist darauf hin, dass die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit bei der Arbeit der EU-Organe insbesondere durch die Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten im Einklang mit den bereits in den geltenden Verträgen vorgesehenen Vorrechten verbessert werden muss, und den Vertretern der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine wichtigere Rolle in dem Prozess eingeräumt werden muss, um eine „aktive Subsidiarität“ zu erreichen und so eine stärkere Eigenverantwortung für die EU-Politik zu fördern; schlägt ferner vor, dass die „aktive Subsidiarität“ durch ein Verfahren gestärkt wird, das den nationalen Parlamenten das Recht einräumt, dem Europäischen Parlament Vorschläge zu unterbreiten; unterstützt in diesem Zusammenhang das Programm „Building Europe with Local Councillors“, mit dem ein unionsweites Netzwerk gewählter Kommunalpolitiker geschaffen wird, mit dem die Kommunikation über die Europäische Union verbessert werden soll;
11. betont, dass ein Parlament in Präsenzform eine lebendige parlamentarische Demokratie beinhaltet; hebt hervor, dass die Digitalisierung und die Pandemie zum digitalen Wandel der Parlamente beigetragen haben und es Abgeordneten, die andernfalls ausgeschlossen gewesen wären, ermöglicht haben, am parlamentarischen Leben teilzunehmen; unterstreicht, dass digitalisierte Prozesse die Abstimmungen, Debatten und Verhandlungen in Präsenzform nicht ersetzen sollten, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor; betont, dass die verstärkte Nutzung digitaler Möglichkeiten das Potenzial birgt, zu einer besseren politischen Verständigung zwischen den Parlamenten auf nationaler, regionaler und europäischer Ebene, einer verbesserten Kommunikation, einem verbesserten Informationsaustausch und einer verbesserten Sensibilisierung, einer Verringerung der Emissionen, die sich aus Verkehr und Reisen ergeben, und zu einem verstärkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern beizutragen;
12. ist äußerst besorgt über die rasche und umfassende Entwicklung gezielter Desinformationskampagnen und den Missbrauch generativer künstlicher Intelligenz in der Absicht, die Bürgerinnen und Bürger daran zu hindern, fundierte Entscheidungen zu treffen, und letztlich die demokratischen Prozesse innerhalb der Union zu untergraben; fordert die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten auf, im Rahmen der interparlamentarischen Zusammenarbeit der COSAC einen regelmäßigen Austausch mit dem Europäischen Parlament über den Schutz der Demokratien vor Einflussnahme aus dem Ausland und Manipulation von Informationen einzurichten; fordert eine koordinierte EU-Strategie zur Bekämpfung von Gefahren für die Unabhängigkeit der Medien und die Einrichtung eines umfangreichen und dauerhaften EU-Fonds zur Unterstützung von Redaktionen und Nachrichtenmedien;
13. betont, dass das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Wahlprozesse gestärkt werden muss, indem dafür gesorgt wird, dass alle Wahlen frei und fair sind; fordert in diesem Zusammenhang die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf, während der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2024 Wahlbeobachtungsmissionen einzurichten; fordert die Mitgliedstaaten erneut auf, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen;
Unionsbürgerschaft
14. fordert, dass ein Unionsbürgerschaftsstatut geschaffen wird, mit dem die Rechte und Freiheiten, die die Bürgerinnen und Bürger in der Union verbinden, präzisiert und konsolidiert werden; fordert den Rat und die Kommission auf, konkrete Schritte gemäß dem Verfahren nach Artikel 25 AEUV zur Ausweitung der mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte und Freiheiten zu unternehmen; betont, dass das Statut die Grundsätze und Werte der Union greifbarer machen und den Bürgerinnen und Bürgern gleichzeitig neue Mittel an die Hand geben wird, um sie zu schützen und zu wahren;
15. betont, dass wirksame Bürgerdialoge und eine aktive Bürgerbeteiligung eng mit der europäischen Dimension der staatsbürgerlichen Bildung verknüpft sind; betont daher, dass die europäische Dimension der staatsbürgerlichen Bildung im Rahmen der schulischen und außerschulischen Aktivitäten gestärkt werden muss, um sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger aktiv und informiert sind, sodass sie in der Lage sind, sowohl auf europäischer Ebene als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten uneingeschränkt am gesellschaftlichen und sozialen Leben sowie am demokratischen Leben der Union teilzunehmen; fordert die Kommission auf, eine umfassende europäische Strategie zur Stärkung der Bürgerkompetenz in der EU sowie flankierende Maßnahmen auszuarbeiten, mit denen ein gleichberechtigter Zugang zu staatsbürgerlicher Bildung ermöglicht werden soll; betont die wichtige Rolle, die der Zivilgesellschaft, Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen im Rahmen einer solchen Strategie zukommen sollte;
16. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats (d. h. Unionsbürger, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen) besser über ihr aktives oder passives Wahlrecht bei Kommunal- und Europawahlen zu informieren; betont, dass eine Ausweitung dieses „mobilen“ aktiven und passiven Wahlrechts der Unionsbürger bei den regionalen und nationalen Wahlen in den Mitgliedstaaten erwogen werden sollte; weist darauf hin, dass der Rat und die Kommission diese Rechte im Wege des in Artikel 25 AEUV beschriebenen Verfahrens einzuführen können, wobei sie langfristig durch Vertragsänderungen in Artikel 22 AEUV verankert werden sollten; betont die Notwendigkeit von Sensibilisierungskampagnen für diese Rechte unter Beteiligung der Zivilgesellschaft; betont, dass alle noch bestehenden Verwaltungshemmnisse und Formen der Diskriminierung beseitigt werden müssen, um gleiche Möglichkeiten für alle mobilen Unionsbürger, insbesondere für schutzbedürftige und marginalisierte Gruppen, sicherzustellen;
17. bekräftigt seine Forderung nach der Einführung eines harmonisierten Lebensalters für das aktive und passive Wahlrecht in allen Mitgliedstaaten, um Diskriminierung zu vermeiden; empfiehlt die Einführung eines Mindestwahlalters von 16 Jahren, unbeschadet bestehender Verfassungsordnungen, um die Rechte und Pflichten widerzuspiegeln, die europäische Jugendliche in einigen Mitgliedstaaten bereits haben;
18. ruft in Erinnerung, dass das Europäische Parlament immer wieder seine Besorgnis bekundet hat, dass alle nationalen Programme, die den direkten oder indirekten Verkauf der Unionsbürgerschaft vorsehen, die eigentliche Idee der Unionsbürgerschaft untergraben; fordert die betreffenden Mitgliedstaaten auf, Praktiken dieser Art ein Ende zu setzen;
19. ist zutiefst besorgt über die Praxis einiger Mitgliedstaaten, ihren Bürgern das Wahlrecht bei nationalen Parlamentswahlen zu entziehen, wenn sie im Ausland leben; fordert die entsprechenden Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dieser Form des Wahlrechtsentzugs ein Ende zu setzen;
Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch Verbesserung der Bürgerbeteiligung
20. weist erneut darauf hin, dass sich das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission im Einklang mit dem Gründungsdokument der Konferenz zur Zukunft Europas verpflichtet haben, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten und im Einklang mit den Verträgen wirksame Folgemaßnahmen zu den Schlussfolgerungen der Konferenz zu ergreifen; fordert die rasche und konsequente Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas, die 49 Vorschläge und 326 konkrete Maßnahmen der europäischen Bürgerforen der Konferenz umfassen; bekräftigt seine Forderung nach einem Konvent zur Überarbeitung der Verträge;
21. ist der Ansicht, dass den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger Europas nach einer regelmäßigeren und sinnvolleren Beteiligung am demokratischen Leben der Union(24) unter anderem durch die Verbesserung und Entwicklung partizipativer Mechanismen innerhalb der EU Rechnung getragen werden kann;
22. betont, dass in der Union eine umfassende Beteiligungsinfrastruktur mit einer besseren Verknüpfung und Integration der bestehenden Beteiligungsinstrumente sowie bessere Möglichkeiten für eine dauerhafte Beteiligung geschaffen werden müssen; betont, dass die Fragmentierung der Beteiligungsinfrastruktur der Union beseitigt werden muss, indem eine zentrale Anlaufstelle für alle europäischen Beteiligungsinstrumente mit einem institutionellen Rahmen für die Verwaltung der zentralen Plattform und ihrer Verbindung zu den Bürgerinnen und Bürgern geschaffen wird;
23. betont, dass Mechanismen und Instrumente der direkten oder partizipativen Demokratie die repräsentative liberale parlamentarische Demokratie in einer zunehmend komplexen Welt, in der nach tragfähigen und demokratischen Kompromissen gesucht werden muss, ergänzen, aber nicht ersetzen können; stellt fest, dass Mechanismen der direkten oder partizipativen Demokratie nützliche Instrumente sein können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind; schlägt insbesondere vor, die Effizienz der bestehenden europäischen Beteiligungsinstrumente durch verbindliche und sinnvolle Folgemaßnahmen zu verbessern;
24. weist darauf hin, dass eine bessere und verstärkte Beteiligung nur möglich sein wird, wenn das Problem der Diskriminierung bewältigt wird, das sich insbesondere aus der digitalen Kluft und den daraus resultierenden Schwierigkeiten für eine wirksame Beteiligung an den Entscheidungsprozessen der Union ergibt; weist erneut darauf hin, dass digitale Anwendungen zur Förderung der Bürgerbeteiligung einfach und intuitiv sein sollten;
25. schlägt die Institutionalisierung repräsentativer Beteiligungsprozesse mit beratendem Charakter nach dem Vorbild der europäischen Bürgerforen der Konferenz zur Zukunft Europas vor; ist der Ansicht, dass der Einsatz von „Mini-Publics“ mit nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Teilnehmern, die Untergruppen der sozioökonomischen Struktur der Union und damit das gesamte Spektrum der Gesellschaft repräsentieren, in einer Weise organisiert werden müssen, die einen gleichen Zugang zur Beteiligung am demokratischen Leben der Union sicherstellt, und den Bürgerinnen und Bürgern, die andernfalls ausgeschlossen wären, die Möglichkeit bietet, ihre Ideen zum Ausdruck zu bringen;
26. ist der Ansicht, dass eine aktive Bürgerschaft und eine wirksame Bürgerbeteiligung auf Unionsebene durch den Erwerb von spezifischem Wissen über die Union und die europäische Dimension der erörterten Themen gestärkt werden muss; betont, wie wichtig es ist, die Unkenntnis der allgemeinen Öffentlichkeit im Hinblick auf die Politik und die Entscheidungsfindung der EU durch eine bessere Aufklärung über die EU in den Schulen zu verbessern; fordert insbesondere eine gezielte Schulung und einen dauerhaften Beratungsprozess, bei dem den Bürgerinnen und Bürgern in den Bürgerforen die erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden, die gegebenenfalls durch die Unterstützung von Sachverständigen ergänzt werden, um sich an offenen Debatten, die zu Empfehlungen und Schlussfolgerungen führen können, beteiligen zu können;
27. schlägt insbesondere die Schaffung eines strukturierten Beteiligungsmechanismus im Einklang mit dem EU-Besitzstand mit der Bezeichnung „Europäische Agora“ vor, der jährlich zusammentreten und über die Prioritäten der EU für das kommende Jahr beraten sollte, wobei die Ergebnisse der Beratungen als Beitrag zu den Konsultationen im Rahmen des jährlichen Arbeitsprogramms der Kommission am 9. Mai 2023 vorgelegt werden sollten; stellt fest, dass diese Ergebnisse auch einen Vorschlag für das jeweilige Thema des Europäischen Jahres im nächsten Jahreszyklus umfassen sollten; schlägt vor, dass Vertreter des Europäischen Parlaments regelmäßig über die Entwicklungen dieser Beratungen informiert werden, um sie bei seiner parlamentarischen Arbeit zu berücksichtigen;
28. betont, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Agora ganzjährig die Inhalte im Zusammenhang mit dem jeweiligen Thema des Europäischen Jahres erörtern und ihre Vorschläge und Schlussfolgerungen Ende des Jahres vorgelegt werden sollten; ist der Ansicht, dass je nach der Größe der Mehrheiten, die diese Schlussfolgerungen im Gremium unterstützen, unterschiedliche Möglichkeiten für die Weiterbehandlung durch das Parlament festgelegt werden sollten und dass diese Folgemaßnahmen Debatten, Anhörungen, parlamentarische Anfragen oder Berichte umfassen könnten;
29. schlägt vor, dass eine Jugendkomponente der Agora eine Europäische Jugendversammlung bilden sollte, die, wie von der Konferenz zur Zukunft Europas gefordert, die Anwendung eines „Jugendchecks“ im gesamten Gesetzgebungsverfahren der EU überwachen kann; schlägt vor, dass das Europäische Parlament mit dem Ausschuss der Regionen und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss zusammenarbeitet, um einen Mechanismus mit Vertretern der jugendlichen Zivilgesellschaft und der Sozialpartner einzurichten, die bei der Durchführung des Jugendchecks eng mit der Jugendversammlung zusammenarbeiten sollten; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass insbesondere mit jungen Menschen eine politische Debatte über die Zukunft Europas geführt werden muss, da die Entscheidungen von heute deren Zukunft bestimmen;
30. bekräftigt seine seit Langem bestehende Forderung, die Möglichkeit einer Änderung der EU-Verträge zu prüfen, um unionsweite Referenden zu grundlegenden Fragen zu ermöglichen, wodurch ein Paradigmenwechsel hinsichtlich des Handelns und der Politik der Europäischen Union – wie eine Überarbeitung der EU-Verträge – in Gang gebracht wird; betont in diesem Zusammenhang, dass das Ergebnis des Referendums nur dann angenommen werden sollte, wenn eine doppelte Mehrheit dafür vorliegt, die eine Mehrheit der Mitgliedstaaten und eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler repräsentiert, die sich an der Wahl beteiligen; schlägt vor, dass ein solches unionsweites Referendum im Rahmen der Wahl zum Europäischen Parlament organisiert werden könnte, indem ein zusätzlicher Stimmzettel zu der betreffenden grundlegenden verfassungsrechtlichen Frage bereitgestellt wird; weist darauf hin, dass jedes unionsweite Referendum idealerweise in der gesamten Union am gleichen Tag durchgeführt werden sollte;
31. schlägt die Einführung europaweiter Online-Bürgerbefragungen vor, die vom Europäischen Parlament organisiert werden; ist der Ansicht, dass das Vertrauen und das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger in bzw. für Entscheidungsprozesse auf Unionsebene gestärkt wird, indem allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben wird, sich zu aktuellen Themen in der Union zu äußern; ist der Auffassung, dass ein solcher neuer Beteiligungsmechanismus die Rolle des Europäischen Parlaments gegenüber den anderen Organen stärkt;
32. verweist auf das Potenzial für die Ausübung der Unionsbürgerschaft mittels Online-Instrumenten wie Online-Konsultationen und der Sammlung von Unterschriften für Europäische Bürgerinitiativen im Internet; stellt fest, dass die elektronische Identität die Nutzung derartiger Instrumente auf europäischer Ebene erleichtern und eine Vielzahl von Optionen für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen bieten kann; fordert die Mitgliedstaaten auf, auf lokaler und nationaler Ebene Instrumente für digitale Demokratie einzuführen und sie angemessen in das politische Verfahren einzubinden;
33. fordert, dass das Programm „Digitales Europa“ (DIGITAL) und andere Programme zur Förderung des digitalen Wandels in der Union die Vereinfachung des Zugangs zur Verwaltung über die verschiedenen Dienste oder durch die Nutzung digitaler Anwendungen für die Bürgerbeteiligung zum Ziel haben; fordert Forschungs- und Investitionslinien zur Erleichterung dieses Zugangs, um die digitale Kluft zu verringern und die soziale und demokratische Qualität zu maximieren;
o o o
34. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung an den Europäischen Rat, den Rat der Europäischen Union, die Kommission, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und den Europarat zu übermitteln.
Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6. Dezember 1993 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen (ABl. L 329 vom 30.12.1993, S. 34).
Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen (ABl. L 368 vom 31.12.1994, S. 38).