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Verfahren : 2023/3031(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B9-0526/2023

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 14/12/2023 - 7.13
CRE 14/12/2023 - 7.13
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P9_TA(2023)0485

Angenommene Texte
PDF 133kWORD 47k
Donnerstag, 14. Dezember 2023 - Straßburg
Versuchter Staatsstreich in Guatemala
P9_TA(2023)0485RC-B9-0526/2023

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Dezember 2023 zu dem versuchten Staatsstreich in Guatemala (2023/3031(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, insbesondere auf die Entschließung vom 14. September 2023 mit dem Titel „Guatemala: die Lage nach den Wahlen, Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz“(1),

–  unter Hinweis auf die Erklärungen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) vom 21. und 28. August 2023 zur Präsidentschaftswahl in Guatemala und vom 8. Dezember 2023 zu den jüngsten Entwicklungen in Guatemala,

–  unter Hinweis auf die vorläufigen Erklärungen der EU-Wahlbeobachtungsmission vom 27. Juni und 22. August 2023 und ihren am 13. November 2023 in Guatemala-Stadt vorgestellten Abschlussbericht,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 8. Dezember 2023 zu den jüngsten Entwicklungen im Hinblick auf den Übergang Guatemalas zur Demokratie,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte Volker Türk vom 9. Dezember 2023, in der er die anhaltenden Versuche zur Aufhebung der Wahlergebnisse verurteilt,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretariats der Organisation Amerikanischer Staaten vom 8. Dezember 2023, in der der versuchte Staatsstreich in Guatemala verurteilt wird,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Allianz für Entwicklung der Demokratie vom 8. Dezember 2023, in der die Versuche zur Aufhebung der Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahl sowie das Eingreifen in den demokratischen Wahlprozess und dessen Missachtung verurteilt werden,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des guatemaltekischen Koordinierungsausschusses der Handels-, Industrie- und Finanzkammern (Comité Coordinador de Cámaras Comerciales, Industriales y Financieras, CACIF) vom 8. Dezember 2023 zur Unterstützung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, des gewählten Präsidenten, der gewählten Vizepräsidentin und aller bei der Wahl vom 25. Juni 2023 gewählten Amtsträger,

–  gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass das Oberste Wahlgericht am 28. August 2023 die offiziellen Ergebnisse der friedlichen und gut organisierten Wahl bekannt gegeben und den klaren Sieg von Bernardo Arévalo und Karin Herrera der Partei „Movimiento Semilla“ als gewählter Präsident bzw. gewählte Vizepräsidentin Guatemalas infolge der Stichwahl am 20. August 2023 erklärt hat;

B.  in der Erwägung, dass die amtliche Eintragung der Partei „Movimiento Semilla“ am 2. November 2023 erneut vom Obersten Wahlgericht ausgesetzt wurde; in der Erwägung, dass die Partei „Movimiento Semilla“ selektiven und willkürlichen rechtlichen und verfahrenstechnischen Maßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft ausgesetzt ist, seit Bernardo Arévalo in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 25. Juni 2023 als einer der beiden Präsidentschaftskandidaten mit den meisten Stimmen bestätigt wurde; in der Erwägung, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission am 24. August 2023 vorbeugende Maßnahmen zum Schutz von Bernardo Arévalo und Karin Herrera getroffen hat;

C.  in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwaltschaft Guatemalas, insbesondere der Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straflosigkeit (Fiscalía Especial contra la Impunidad, FECI) José Rafael Curruchiche und die Staatsanwältin Leonor Morales Lazo, am 8. Dezember 2023 ankündigte, Versuche zu unternehmen, um die Ergebnisse der Wahlen vom 25. Juni 2023 für nichtig zu erklären, und sich dabei auf angebliche Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die dokumentierten Auszählungsergebnisse in den Wahllokalen (acta 4) bei allen fünf Wahlrunden sowie auf das System für die Übermittlung und Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse berief;

D.  in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwälte auch die Forderung geäußert haben, dem gewählten Präsidenten Bernardo Arévalo seine Immunität zu entziehen; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof noch keine Entscheidung in dieser Sache getroffen hat und das Verfassungsgericht noch nicht über anhängige Klagen zum Schutz des Wahlrechts entschieden hat;

E.  in der Erwägung, dass die Mitglieder des Kongresses am 15. November 2023 neue Richter des Obersten Gerichtshofs aus einer Auswahlliste von Kandidaten ernannt haben, die den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Guatemalas zufolge mutmaßlich das Ergebnis von Einflussnahme war;

F.  in der Erwägung, dass der gewählte Präsident Bernardo Arévalo diese falschen Anschuldigungen zurückgewiesen und sie als Versuch der Staatsanwälte, seinen Wahlsieg für ungültig zu erklären, betrachtet hat;

G.  in der Erwägung, dass Blanca Alfaro, Vorsitzende des Obersten Wahlgerichts, deren Aufgabe es ist, solche Situationen zu lösen, der Generalstaatsanwaltschaft unverzüglich geantwortet hat, dass die Wahlergebnisse feststehen und „gültig und bestätigt“ seien, und erklärt hat, dass die Personen, die die Wahl gewonnen haben, notwendigerweise akkreditiert seien und ihr Amt am 14. Januar 2024 antreten müssen;

H.  in der Erwägung, dass die Vorsitzende des Obersten Wahlgerichts darauf hingewiesen hat, dass jeder Versuch, gewählte Amtsträger beim Antritt ihres Mandats zu hindern, einen Zusammenbruch der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen würde;

I.  in der Erwägung, dass vier Richter des Obersten Wahlgerichts am 1. Dezember 2023 das Land verlassen haben, nachdem der Kongress dafür gestimmt hat, ihnen ihre Immunität zu entziehen, was einen klaren Versuch der Mehrheit der Mitglieder des Kongresses darstellt, die Ergebnisse weiter zu beeinflussen und den Willen der Wähler, wie er sich bei der Wahl abzeichnete, völlig außer Acht zu lassen;

J.  in der Erwägung, dass die Staatsanwälte ständig versuchen, diese Krise zu verschärfen, indem sie aus eigenem Antrieb tätig werden, oftmals unter Missachtung des Willens des guatemaltekischen Volkes und der Erklärungen und Entschließungen des Europäischen Parlaments;

K.  in der Erwägung, dass das Europäische Parlament, die EU und andere internationale Partner das Kandidaturverbot, die anhaltenden Versuche zur Aufhebung der Wahlergebnisse, die fortwährenden Schritte zur Kriminalisierung von unabhängigen Justizbeamten sowie die Instrumentalisierung von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden verurteilt haben;

L.  in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwaltschaft im November die Untersuchung einer weitgehend friedlichen Demonstration im Jahr 2022 an der Universität San Carlos angekündigt hat; in der Erwägung, dass Staatsanwälte 27 Haftbefehle gegen Aktivisten, Studierende, Akademiker und ein Mitglied der Partei „Movimiento Semilla“ beantragt haben;

M.  in der Erwägung, dass die EU-Wahlbeobachtungsmission und nationale Beobachtermissionen den gesamten Wahlprozess auf Anfrage der staatlichen Stellen Guatemalas beobachtet haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass die Wahl transparent und gut organisiert war und es keinerlei Anzeichen für Betrug gibt; in der Erwägung, dass der HR/VP Josep Borrell und der Generalsekretär der OAS die jüngsten Entscheidungen der Staatsanwaltschaft als „versuchten Staatsstreich“ bezeichnet haben;

N.  in der Erwägung, dass Versuche, die Wahlergebnisse zu missachten, zu massiven Protesten geführt haben; in der Erwägung, dass alle Kandidaten, politischen Akteure, staatlichen Institutionen und das Justizsystem den Willen der Wähler akzeptieren und respektieren müssen;

O.  in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwältin Consuelo Porras, der Sonderstaatsanwalt gegen Straflosigkeit José Rafael Curruchiche, der Richter Fredy Raúl Orellana Letona und die Staatsanwältin Cinthia Edelmira Monterroso Gómez auf der US-Liste undemokratischer und korrupter Akteure stehen;

P.  in der Erwägung, dass in dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika, das noch nicht in Kraft getreten ist, die „Wahrung der Grundsätze der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte“ als „wesentliches Element“ verankert ist;

1.  verurteilt den versuchten Staatsstreich und die anhaltenden Versuche der Generalstaatsanwaltschaft, die Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in Guatemala auf der Grundlage unbegründeter Betrugsvorwürfe für ungültig zu erklären, und fordert ein sofortiges Ende dieser Maßnahmen;

2.  lehnt alle politisch motivierten Handlungen einiger staatlicher Stellen ab, die eindeutig gegen die guatemaltekische Verfassung, die Rechtsstaatlichkeit, die Integrität des Wahlprozesses und die elementarsten Grundsätze der Demokratie, einschließlich des grundlegenden Prinzips der Gewaltenteilung, verstoßen.

3.  unterstützt den gewählten Präsidenten Bernardo Arévalo und fordert einen geordneten Übergang, der in seiner Amtseinführung als 52. Präsident Guatemalas am 14. Januar 2024 mündet;

4.  fordert die zuständigen staatlichen Stellen, insbesondere das Verfassungsgericht, den Obersten Gerichtshof, das Oberste Wahlgericht, den Kongress und Präsident Alejandro Giammattei, auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die verfassungsmäßige Ordnung und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, die inakzeptablen Versuche zur Aufhebung der Wahlergebnisse zurückzuweisen, die Achtung des von den Bürgerinnen und Bürgern Guatemalas mit ihren Stimmen zum Ausdruck gebrachten Willens sicherzustellen sowie deren bürgerliche und politische Rechte, Integrität und Sicherheit zu garantieren, einschließlich des Rechts gewählter Amtsträger, im Einklang mit den internationalen Standards und den Gesetzen Guatemalas ordnungsgemäß ihr Mandat anzutreten;

5.  betont, wie wichtig es ist, jene Personen zur Rechenschaft zu ziehen, die die Demokratie behindern; fordert den Rat in diesem Zusammenhang auf, unverzüglich gezielte restriktive Maßnahmen, einschließlich des Einfrierens von Vermögenswerten und Reiseverbote, gegen die Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras Argueta, den Leiter der FECI José Rafael Curruchiche Cacul, den Richter Fredy Raúl Orellana Letona, die Staatsanwältin der FECI Leonor Eugenia Morales Lazo und den Generalsekretär der Generalstaatsanwaltschaft Angel Arnoldo Pineda Avila zu ergreifen, die den Wahlprozess 2023 in Guatemala untergraben und die Justiz systematisch instrumentalisieren, um die Rechtsstaatlichkeit zu schwächen und Oppositionsführer zu kriminalisieren;

6.  in der Erwägung, dass die Achtung der Unabhängigkeit der Justiz, des politischen Pluralismus, der Versammlungsfreiheit und des Rechts aller Menschen in Guatemala auf freie Meinungsäußerung Grundrechte und wesentliche Säulen der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind; ist äußerst besorgt über die anhaltende Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit in Guatemala;

7.  äußert seine Besorgnis über die willkürliche Inhaftierung von Staatsanwälten, Richtern, ehemaligen Beamten der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) und unabhängigen Journalisten, unter anderem José Rubén Zamora; fordert die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller willkürlich inhaftierten Personen sowie die Abweisung aller gegen sie erhobenen unbegründeten strafrechtlichen Anklagen; ermahnt die staatlichen Stellen Guatemalas, insbesondere die Generalstaatsanwaltschaft, dass sie von jeglichen Versuchen absehen sollten, die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern, Justizbeamten und Journalisten, die Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch untersuchen und aufdecken, zu behindern;

8.  fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst, die Mitgliedstaaten und die EU-Delegation in Guatemala auf, die Lage in dem Land weiter zu beobachten, einschließlich der Entscheidungen der Staatsanwaltschaft, des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofs, bis klare und glaubwürdige Garantien dafür bestehen, dass der Wille der guatemaltekischen Wähler, den sie in der Parlamentswahl am 25. Juni 2023 und in der Stichwahl um die Präsidentschaft am 20. August 2023 zum Ausdruck gebracht haben, respektiert wird; bekräftigt seine Unterstützung für die derzeitige Tätigkeit der Sondermission der OAS, die im Einklang mit dem Mandat des Ständigen Rates der OAS den Präsidentschaftswechsel begleiten soll;

9.  fordert die zuständigen staatlichen Stellen Guatemalas auf, die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission umzusetzen, insbesondere jene, die die festgestellten Mängel in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit, die Gewaltenteilung sowie die Förderung der Menschenrechte und der politischen Rechte betreffen;

10.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der OAS, den Vereinten Nationen, den guatemaltekischen Behörden und dem PARLACEN zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0322.

Letzte Aktualisierung: 29. Mai 2024Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen