Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zur Lage in Serbien nach den Wahlen (2024/2521(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine bisherigen Entschließungen zu Serbien und insbesondere auf seine Entschließung vom 10. Mai 2023 zu dem Bericht 2022 der Kommission über Serbien(1),
– unter Hinweis auf die bisherigen Erklärungen der EU zu Serbien, insbesondere auf die gemeinsame Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, und des für Nachbarschaft und Erweiterung zuständigen Mitglieds der Kommission, Olivér Várhelyi, vom 19. Dezember 2023 zur Parlamentswahl,
– unter Hinweis auf die Erklärung zu den vorläufigen Ergebnissen und Schlussfolgerungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission zu der vorgezogenen Parlamentswahl in Serbien vom 17. Dezember 2023,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Stellungnahme des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Venedig-Kommission vom 19. Dezember 2022 zum verfassungsrechtlichen und rechtlichen Rahmen für die Funktionsweise der demokratischen Einrichtungen in Serbien – Wahlrecht und Wahlverwaltung,
– unter Hinweis auf den Wahlbeobachtungsbericht des Ad-hoc-Ausschusses des Präsidiums der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 17. Januar 2024 mit dem Titel „Observation of the early parliamentary elections in Serbia (17 December 2023)“ (Beobachtung der vorgezogenen Parlamentswahl in Serbien (17. Dezember 2023)),
– unter Hinweis auf die Rede zu den Wahlen in Serbien, die das für Justiz zuständige Kommissionsmitglied Didier Reynders am 17. Januar 2024 im Namen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR), Josep Borrell, im Plenum des Parlaments hielt,
– unter Hinweis auf den von den Vorsitzenden der Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten mehrerer EU-Mitgliedstaaten unterzeichneten offenen Brief zur Lage in Serbien nach den Wahlen,
– unter Hinweis auf den von ihm unterstützten parlamentarischen Dialog in Serbien,
– unter Hinweis auf die Verfassung Serbiens von 2006 und sein Gesetz von 2022 über die Wahl der Mitglieder des Parlaments,
– unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr. 01/2022 des Europäischen Rechnungshofs vom 10. Januar 2022 mit dem Titel „EU-Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit in den Staaten des westlichen Balkans: trotz Bemühungen bestehen weiterhin grundlegende Probleme“,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass nach den Amokläufen in Belgrad und in der Nähe von Mladenovac im Mai 2023 in ganz Serbien Massenproteste mit dem Motto „Serbien gegen Gewalt“ organisiert wurden; in der Erwägung, dass der Präsident Serbiens am 1. November 2023 auf der Grundlage von Forderungen der Opposition nach vorgezogenen Wahlen das Parlament aufgelöst hat; in der Erwägung, dass er für den 17. Dezember 2023 vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt hat;
B. in der Erwägung, dass es sich seit 2012 bei allen Parlamentswahlen in Serbien – mit einer Ausnahme – um vorgezogene Wahlen handelte; in der Erwägung, dass es sich diesmal um die dritte Parlamentswahl in weniger als vier Jahren handelte;
C. in der Erwägung, dass nach dem plötzlichen und gleichzeitigen Rücktritt von 65 Bürgermeistern der Regierungspartei, einschließlich des Bürgermeisters von Belgrad, und der Entscheidung der Versammlung der Autonomen Provinz Vojvodina, sich trotz stabiler Mehrheiten aufzulösen, für denselben Tag, den 17. Dezember 2023, vorgezogene Kommunalwahlen in einem Drittel der Gemeinden Serbiens sowie Provinzwahlen in der Provinz Vojvodina angesetzt wurden; in der Erwägung, dass die Abhaltung von Kommunalwahlen in nur einem Teil des Landes und einer landesweiten Parlamentswahl am selben Tag keine seit Langem bewährte Vorgehensweise darstellt; in der Erwägung, dass zahlreiche Beobachter die vorgezogenen Kommunalwahlen in einem Teil des Landes als Instrument zur Stärkung der Macht der derzeitigen Regierung und als Missbrauch des Wahlrechts lokaler Gemeinschaften betrachten;
D. in der Erwägung, dass die Wahlen vor dem Hintergrund einer verstärkten sozialen Polarisierung und eines intensiven Wettbewerbs gegensätzlicher politischer Agenden stattfanden; in der Erwägung, dass sie von einem beispiellosen Ausmaß an negativen Wahlkampfbotschaften und Angstmache sowie Angriffen auf die Oppositionspolitiker und Journalisten geprägt waren;
E. in der Erwägung, dass Serbien es verabsäumt hat, vor dem Wahltag die wichtigsten Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission umzusetzen, einschließlich der Empfehlungen zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen, zu Maßnahmen für die Verhinderung des Missbrauchs öffentlicher Ämter und staatlicher Ressourcen, zur Trennung zwischen Amtspflichten und Wahlkampftätigkeiten und zu wirksamen Mechanismen zur Verhinderung von Einschüchterung und Druckausübung auf die Wähler, etwa durch Stimmenkauf;
F. in der Erwägung, dass der gesamte Wahlkampf durch eine noch extremere Polarisierung, aggressive Rhetorik, persönliche Diskreditierung, verbale Angriffe und hetzerische Aussagen gekennzeichnet war; in der Erwägung, dass der Druck auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, der Missbrauch öffentlicher Mittel und Anreizprogramme für Wähler Bedenken in Bezug auf die Frage aufkommen ließen, ob die Wähler frei von ungebührlichem Druck entscheiden konnten; in der Erwägung, dass diese Vorgehensweisen – zusätzlich zu gewissen Herausforderungen beim Zugang zu öffentlichen Veranstaltungsorten für die Opposition – zu unfairen Wettbewerbsbedingungen führten und die Grenze zwischen dem Staat und der Regierungspartei verschwimmen ließen, was im Widerspruch zu internationalen Normen steht; in der Erwägung, dass die von Russland finanzierten Medien „Sputnik Srbija“ und „Russia Today Balkan“ aktiv zur Verbreitung von Desinformation – insbesondere über Oppositionskandidaten – beigetragen haben;
G. in der Erwägung, dass der Wahlkampf in großem Maße vom amtierenden Präsidenten Aleksandar Vučić dominiert wurde, der bei dieser Wahl zwar nicht kandidierte, aber durch seine intensive Beteiligung an Veranstaltungen der serbischen Fortschrittspartei (Srpska napredna stranka, SNS) im täglichen Wahlkampf eine wesentliche Rolle spielte; in der Erwägung, dass die von der SNS geführte Liste nach Aleksandar Vučić benannt wurde;
H. in der Erwägung, dass die Aufsichtsgremien für Wahlkampagnen und elektronische Medien nach wie vor weitgehend unwirksam waren, wenn es darum ging, im Wahlzeitraum Verstöße zu verhindern;
I. in der Erwägung, dass das BDIMR der OSZE, die Parlamentarische Versammlung der OSZE, die Parlamentarische Versammlung des Europarats und das Europäische Parlament eine internationale Wahlbeobachtungsmission nach Serbien entsandten, um festzustellen, ob die Wahlen den Auflagen der OSZE und anderen internationalen Verpflichtungen und Normen für demokratische Wahlen sowie den nationalen Rechtsvorschriften entsprachen;
J. in der Erwägung, dass die Wählerlisten durch das einheitliche Wählerverzeichnis aktualisiert wurden und die endgültige Zahl der Stimmberechtigten bei 6 500 666 Personen lag; in der Erwägung, dass Vorwürfe geäußert wurden, wonach zahlreiche verstorbene Personen im Wählerverzeichnis verblieben sein sollen;
K. in der Erwägung, dass die Wahlbeteiligung 58,58 % betrug und damit etwas höher war als bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2022;
L. in der Erwägung, dass zwar 43 % der 2 817 Kandidaturen für Sitze im Parlament von Frauen stammten und Anstrengungen unternommen wurden, um die Beteiligung von Frauen zu fördern, dass Frauen in gewählten und ernannten Ämtern jedoch im Allgemeinen nach wie vor unterrepräsentiert sind;
M. in der Erwägung, dass die Wahlen insgesamt reibungslos verliefen, der Wahltag jedoch von zahlreichen Verfahrensmängeln gekennzeichnet war, darunter die uneinheitliche Anwendung von Garantien während der Stimmabgabe und der Auszählung, häufige Fälle von überfüllten Wahllokalen, Verstöße gegen das Wahlgeheimnis und zahlreiche Fälle von Stimmabgaben in Gruppen sowie vereinzelte tätliche Angriffe;
N. in der Erwägung, dass der Wahlkommission der Republik Serbien zufolge die SNS 46,75 % der Stimmen erhielt, gefolgt von der größten Oppositionskoalition „Serbien gegen Gewalt“ mit 23,66 %, der Sozialistischen Partei Serbiens mit 6,55 %, der NADA-Koalition mit 5,02 %, der Liste „Wir – die Stimme des Volkes“ mit 4,69 % und fünf Minderheitenlisten, die zusammen 3,68 % erhielten;
O. in der Erwägung, dass in der Erklärung der vorläufigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission hervorgehoben wurde, dass die vorgezogene Parlamentswahl vom 17. Dezember zwar technisch gut organisiert war und den Wählern eine Wahl zwischen politischen Alternativen bot, aber von der starken Beteiligung des Präsidenten dominiert war, was zusammen mit den systemischen Vorteilen der Regierungspartei zu ungerechten Bedingungen führte; in der Erwägung, dass der Abschlussbericht des BDIMR der OSZE voraussichtlich in den kommenden Wochen veröffentlicht wird;
P. in der Erwägung, dass die wichtigsten Vorwürfe in Bezug auf Unregelmäßigkeiten am Wahltag insbesondere Belgrad betreffen, wo sogenannte „Phantomwähler“ aus anderen Gemeinden Serbiens, in denen keine Kommunalwahlen stattfanden, aber auch aus Nachbarländern von den Staatsorganen in Wohnungen registriert wurden, in denen sie nicht lebten; in der Erwägung, dass es zahlreiche Vorwürfe gab, wonach im Ausland lebende Wähler von der Regierungspartei zusammengetrommelt und mit Bussen nach Serbien gebracht wurden, um dort bei der Kommunalwahl in Belgrad ihre Stimme abzugeben;
Q. in der Erwägung, dass die serbische zivilgesellschaftliche Organisation CRTA eine eingehende Analyse durchgeführt hat, die auf begrenzten Daten und Ressourcen beruhte und zu der überaus konservativen Schätzung gelangte, dass Ungenauigkeiten im Wählerverzeichnis mindestens 30 000 Personen betreffen; in der Erwägung, dass der Organisation eindeutige Beweise dafür vorliegen, dass diese Ungenauigkeit Teil einer Strategie zur illegalen und unrechtmäßigen Steuerung der Wahlen war, mit der die Wahlergebnisse beeinflusst und den Wille der Wähler verzerrt werden sollte; in der Erwägung, dass Menschen aus ganz Serbien und aus dem Ausland (Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro) zur Kommunalwahl in Belgrad gebracht wurden, um ihre Stimme abzugeben; in der Erwägung, dass sogar Regierungsbeamte und Politiker aus Bosnien und Herzegowina öffentlich an der Kommunalwahl in Belgrad teilnahmen; in der Erwägung, dass die serbische Regierung dieses Vorgehen als gerechtfertigt verteidigte;
R. in der Erwägung, dass weitere erhebliche Vorwürfe in Bezug auf Unregelmäßigkeiten unter anderem Stimmenkauf, mediale Voreingenommenheit, Druck auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst und sozial schwache Gruppen, Missbrauch öffentlicher Mittel, Einschüchterung und die Verwendung gefälschter Wahlzettel betreffen;
S. in der Erwägung, dass die Staatsorgane Serbiens jegliche Unregelmäßigkeiten bestreiten; in der Erwägung, dass sowohl der Präsident Serbiens als auch die vom Kreml kontrollierten Medien behaupten, dass andere Länder auf brutale Weise in die Wahlen in Serbien eingegriffen haben, jedoch keine stichhaltigen Beweise für diese Behauptungen vorgelegt haben; in der Erwägung, dass Ministerpräsidentin Ana Brnabić den russischen Geheimdiensten öffentlich für Informationen über geplante Aktivitäten der Opposition gedankt hat; in der Erwägung, dass die Verbreitung von Desinformation und Narrativen aus Russland ein tief greifendes und anhaltendes Problem in Serbien darstellt, insbesondere in Wahlkampfzeiten; in der Erwägung, dass der Kreml die öffentlichen Proteste gegen die betrügerische Parlamentswahl in Serbien als Versuche des Westens verurteilt hat, die Regierung zu stürzen und einen neuerlichen „Maidan-Putsch“ zu inszenieren;
T. in der Erwägung, dass unabhängige serbische Organisationen, die die Unregelmäßigkeiten bei den aktuellen Wahlen anprangern, kontinuierlich von Regierungsbeamten angegriffen werden; in der Erwägung, dass sie zwar zahlreiche konkrete Beweise für Wahlbetrug ans Licht gebracht haben, die Staatsorgane Serbiens sich jedoch bisher weigern, diese Vorwürfe in Bezug auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen und stattdessen versuchen, Wahlbeobachter, die die Unregelmäßigkeiten öffentlich gemacht haben, zu diskreditieren und einzuschüchtern; in der Erwägung, dass führende serbische Politiker, einschließlich des Präsidenten, seit den Wahlen zu Unrecht Mitglieder des Europäischen Parlaments und andere Mitglieder der internationalen Wahlbeobachtungsmission diffamieren;
U. in der Erwägung, dass die Ergebnisse der Wahlen, insbesondere der Kommunalwahl in Belgrad, von der Opposition angefochten werden, was zu großen friedlichen Demonstrationen führte, die von der Oppositionskoalition „Serbien gegen Gewalt“ bzw. der parteilosen Vereinigung ProGlas organisiert wurden, um die Wahlen für ungültig zu erklären und die Durchführung eines neuen Wahlgangs zu fordern; in der Erwägung, dass die staatliche Wahlkommission die Beschwerden der Opposition abgewiesen hat; in der Erwägung, dass die Opposition die Nichtigerklärung der Wahlergebnisse aufgrund von Vorwürfen eines massiven Betrugs fordert;
V. in der Erwägung, dass es bei einem Protest am 24. Dezember 2023 zu gewaltsamen Ausschreitungen kam, als einige Demonstranten das Belgrader Rathaus stürmten, woraufhin die Polizei 38 Personen, darunter auch Studierende, festnahm, die wegen Anfechtung der verfassungsmäßigen Ordnung strafrechtlich verfolgt wurden und von denen einige nach wie vor unter Hausarrest stehen; in der Erwägung, dass mehrere friedliche Demonstranten angaben, die Demonstrationen seien von maskierten Hooligans infiltriert worden; in der Erwägung, dass die friedlichen Demonstranten auch den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch die Polizei scharf kritisierten;
W. in der Erwägung, dass in den letzten zehn Jahren seit Präsident Aleksandar Vučić an die Macht kam, die Medienfreiheit in Serbien kontinuierlich ausgehöhlt wurde, was sich durch politischen Druck, Drohungen und sogar tätliche Angriffe auf Journalisten äußert; in der Erwägung, dass „Reporter ohne Grenzen“ Serbien in seiner Rangliste der Pressefreiheit als eines der schlechtesten Länder Europas auf Platz 91 eingestuft hat, womit sich das Land im Jahr 2023 um zwölf Plätze verschlechtert hat;
X. in der Erwägung, dass die Rechtsstaatlichkeit und das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Einrichtungen Serbiens nach wie vor eine zentrale Herausforderung im Hinblick auf den Beitritt des Landes zur EU darstellen;
1. bedauert, dass die Parlaments- und Kommunalwahlen in Serbien vom 17. Dezember 2023 den internationalen Normen und den Zusagen Serbiens in Bezug auf freie und faire Wahlen nicht entsprachen, da die Amtsinhaber staatliche Einrichtungen und Medien konstant und systematisch missbraucht haben, um sich einen unfairen und ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen; ist der Ansicht, dass nicht behauptet werden kann, dass bei diesen Wahlen gerechte Bedingungen herrschten; ist äußerst beunruhigt über den weit verbreiteten und systemischen Betrug, der die Integrität der Wahlen in Serbien beeinträchtigt hat;
2. in der Erwägung, dass die Wahl nach Angaben der internationalen Wahlbeobachtungsmission reibungslos ablief, der Wahltag jedoch von zahlreichen Verfahrensmängeln gekennzeichnet war, darunter die uneinheitliche Anwendung von Garantien während der Stimmabgabe und der Auszählung, häufige Fälle von überfüllten Wahllokalen, Verstöße gegen das Wahlgeheimnis und zahlreiche Fälle von Stimmabgaben in Gruppen; ist zutiefst besorgt über diese Unregelmäßigkeiten und das allgemeine Umfeld der Wahlen, mit denen die für ein EU-Bewerberland zu erwartenden Normen nicht erfüllt wurden; weist die Staatsorgane Serbiens darauf hin, dass das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Einrichtungen des Landes im Mittelpunkt des EU-Beitrittsverfahrens Serbiens und der EU-Beitrittsmethodik steht;
3. nimmt mit ernster Besorgnis die zahlreichen von internationalen und inländischen Beobachtern gesammelten Beweise zur Kenntnis, aus denen hervorgeht, dass vor dem Wahltag und am Wahltag selbst Aktivitäten stattfanden, die die Wahlergebnisse möglicherweise beeinflusst haben und sich insbesondere erheblich auf die Ergebnisse der Kommunalwahl in Belgrad ausgewirkt und die Legitimität der Parlamentswahl ernsthaft untergraben haben könnten;
4. fordert eine unabhängige internationale Untersuchung der Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl, der Provinzialwahl und den Kommunalwahlen – mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Wahl der Belgrader Stadtversammlung – durch anerkannte internationale Rechtssachverständige und Einrichtungen, da bestimmte Vorwürfe, einschließlich solcher zur organisierten Umsiedlung von Wählern auf kommunaler Ebene, über den Umfang der Berichte des BDIMR der OSZE hinausgehen; unterstützt die umgehende Entsendung einer Ad-hoc-Erkundungsmission nach Serbien, an der auch das Parlament beteiligt sein sollte;
5. fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine Initiative zur Entsendung einer Expertenmission nach Serbien zu ergreifen, um die Lage in Bezug auf die jüngsten Wahlen und die Entwicklungen nach den Wahlen zu bewerten, damit die Voraussetzungen für die Einrichtung eines notwendigen gesellschaftlichen Dialogs geschaffen werden können und so versucht werden kann, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Einrichtungen wiederherzustellen und die systemischen Probleme im Bereich der Rechtsstaatlichkeit in Serbien zu bewerten und anzugehen, wobei das Beispiel der „Priebe-Berichte“ zu berücksichtigen ist;
6. missbilligt das Fehlen einer institutionellen Reaktion auf die schwerwiegenden Vorwürfe der Beteiligung der Amtsinhaber an Wahlmanipulationen und -missbrauch, was zu einer Atmosphäre der Straflosigkeit beiträgt und zum Fortbestehen dieser Vorgehensweisen führt; stellt mit Besorgnis fest, dass einige der Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der Wahlen vom Dezember 2023 möglicherweise Verstöße gegen serbisches Recht und die Verfassung des Landes darstellen; betont, dass diese Vorgehensweisen, wenn sie ohne Konsequenzen fortgesetzt werden können, das Vertrauen in die Wahlen und die Institutionen in Serbien weiter untergraben und die demokratische Ordnung und die weitere europäische Integration unwiderruflich behindern werden; betont, dass es wichtig ist, dass alle wahlbezogenen Beschwerden gründlich untersucht werden, einschließlich des jüngsten Antrags auf Nichtigerklärung der Wahl zur Stadtversammlung von Belgrad vom 17. Dezember 2023, der von einem Vertreter der Koalition „Serbien gegen Gewalt“ beim Verfassungsgericht eingereicht wurde;
7. verurteilt das Ausbleiben von Strafverfolgung und Sanktionierung von während der Wahlen begangenen Verstößen, darunter schwerwiegende Vorwürfe in Bezug auf die unrechtmäßige Manipulation des Wählerverzeichnisses und des Wahlrechts, Druck auf und Einschüchterung von Bürgern und Wahlkandidaten, Fälle von Korruption, Fälschung von Unterschriften von Bürgern, Klientelismus, unrechtmäßiger und rechtswidriger Missbrauch von Bürgerdaten, Missbrauch staatlicher Ämter, und das Fehlen wirksamer Mechanismen, um zu verhindern, dass die Amtsinhaber bei der Wahl einen unfairen institutionellen Vorteil erlangen;
8. fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, die Verantwortlichen für Straftaten während der Wahlen und für Angriffe auf Studierende zu ermitteln, strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen;
9. verurteilt die von serbischen Amtsträgern dirigierten Angriffe auf Wahlbeobachter, darunter auch Mitglieder des Europäischen Parlaments, fordert eine Rückkehr zu einem respektvollen und konstruktiven Diskurs und hebt dabei die Bedeutung des gegenseitigen Respekts im demokratischen Prozess hervor; ist zutiefst besorgt über die Versuche, die Beobachter zu diskreditieren und einzuschüchtern; fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um weitere Desinformationskampagnen gegen Wahlbeobachter zu unterbinden und Bedingungen zu schaffen, die es nationalen und internationalen Wahlbeobachtern ermöglichen, ihre Arbeit wirksam auszuführen, und sie vor jeglicher Gewalt, Drohungen, Vergeltungsmaßnahmen, nachteiliger Diskriminierung, Druck oder anderen willkürlichen Handlungen zu schützen, denen sie aufgrund der rechtmäßigen Ausübung ihrer Rechte und Freiheiten ausgesetzt sind; würdigt die Arbeit der einheimischen Beobachter des Zentrums für Forschung, Transparenz und Rechenschaftspflicht (CRTA) und des Zentrums für freie Wahlen und Demokratie (CeSID);
10. ist besorgt über die „Passivisierung“ der Wohnadressen bestimmter Gruppen von Bürgern, unter anderem in Belgrad und Südserbien, wodurch ihnen das Wahlrecht vorenthalten wird; fordert die zuständigen staatlichen Stellen auf, diese schwerwiegenden Verstöße gegen das Wahlrecht unverzüglich zu beheben;
11. fordert die Republik Serbien nachdrücklich auf, Bedenken hinsichtlich der Beteiligung nationaler Minderheiten an den Wahlen auszuräumen, die einheitliche Anwendung der Kriterien für den Status einer Minderheit sicherzustellen und gegen die Anfälligkeit für Druckausübung und Stimmenkäufe vorzugehen;
12. fordert die Staatsorgane Serbiens auf, Vorschläge für institutionelle Lösungen zur Überwindung der derzeitigen Probleme vorzulegen; fordert das Parlament und die Regierung Serbiens auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um wirksam und ohne den ständigen Zyklus von Wahlkämpfen und häufigen vorgezogenen Wahlen zu arbeiten;
13. fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, das Vertrauen der Wähler in den gesamten Prozess wiederherzustellen, vollkommen transparente Wahlverfahren festzulegen und die Rechenschaftspflicht der Staatsorgane sicherzustellen, unabhängig davon, ob sie Wahlen durchführen oder in diese eingreifen; fordert die Staatsorgane Serbiens auf, uneingeschränkt und substanziell mit dem BDIMR, der EU und dem Europarat zusammenzuarbeiten und einen inklusiven Prozess zur Stärkung der mit Wahlen verbundenen Rechte und Freiheiten sowie der entsprechenden Institutionen und Verfahren unter Beteiligung inländischer Wahlbeobachter und politischer Parteien zu fördern; begrüßt jeden tatsächlichen Schritt in diese Richtung;
14. stellt mit Besorgnis fest, dass Serbien viele seit Langem geäußerte Empfehlungen des BDIMR der OSZE zu wichtigen Fragen des Wahlverfahrens nicht umgesetzt hat, obwohl das Land – unter anderem von der Kommission – wiederholt dazu aufgefordert wurde; nimmt die jüngsten Änderungen zur Kenntnis, mit denen ausgewählte Aspekte früherer Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission berücksichtigt wurden, insbesondere diejenigen, die sich auf den rechtlichen Rahmen für die Wahlkampffinanzierung beziehen;
15. sieht dem Abschlussbericht der internationalen Wahlbeobachtungsmission des BDIMR der OSZE erwartungsvoll entgegen; fordert Serbien nachdrücklich auf, die in der gemeinsamen Stellungnahme der Venedig-Kommission und des BDIMR der OSZE vom 19. Dezember 2022 zum verfassungsrechtlichen und rechtlichen Rahmen für die Funktionsweise der demokratischen Einrichtungen in Serbien enthaltenen Empfehlungen in Absprache mit Expertenorganisationen der Zivilgesellschaft und rechtzeitig vor den nächsten Wahlen umzusetzen, um neue Unregelmäßigkeiten und Betrug zu verhindern und gleichzeitig das demokratische Funktionieren des Landes sicherzustellen, insbesondere die Empfehlungen zum Zugang der konkurrierenden Kandidaten zu den Medien, zur verbesserten Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Wahlkampffinanzierung sowie zu Maßnahmen gegen die Ausübung von Druck auf die Wähler und gegen den Missbrauch von Verwaltungsressourcen;
16. fordert Serbien auf, die Empfehlung des BDIMR der OSZE umzusetzen, eine umfassende Prüfung des einheitlichen Wählerverzeichnisses durchzuführen, um Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit auszuräumen, einschließlich der Vorwürfe in Bezug auf die Umsiedlung von Wählern und die Einträge verstorbener Personen; ist besorgt über die Vorwürfe, dass im einheitlichen Wählerverzeichnis bereits ein erheblicher Zuwachs an Wählern in Städten, in denen später im Laufe des Jahres 2024 Kommunalwahlen stattfinden werden, festzustellen ist;
17. fordert die staatliche Wahlkommission nachdrücklich auf, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Effizienz ihrer Arbeitsweise auszuräumen, einschließlich der rechtzeitigen Veröffentlichung der Beobachtungsergebnisse während der Wahlkampfphase;
18. verurteilt das Fehlen von Medienpluralismus während der Wahlkampagne sowie die Desinformation und die weit verbreitete unethische und voreingenommene Medienberichterstattung zugunsten der Amtsinhaber; stellt mit Besorgnis fest, dass zahlreiche Medien von der Regierung beeinflusst oder kontrolliert werden, was zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen für Oppositionskandidaten während des Wahlkampfs geführt hat; verurteilt die Angriffe von regierungsnahen Medien auf kritische Journalisten; missbilligt, dass sich der serbische Präsident vor und während des Wahlkampfs so stark in der Öffentlichkeit exponiert hat, dass die Grenzen zwischen dem Präsidentenamt, dem Staat und der machthabenden Partei verwischt wurden;
19. ist besorgt darüber, dass sich die Bedingungen und der Pluralismus in den Medien trotz neuer Gesetze über elektronische Medien und öffentliche Informationen und Medien verschlechtert haben; bedauert zutiefst, dass die Regulierungsbehörde für elektronische Medien (REM) ihre gesetzlichen Verpflichtungen vernachlässigt hat, den Wahlkampf in den Medien zu kontrollieren, über ihre Ergebnisse zu berichten und Medien zu sanktionieren, die gegen das Gesetz verstoßen, Hetze verbreiten oder journalistische Standards verletzen; stellt mit Besorgnis fest, dass die REM nur Ergebnisse zur Beobachtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privater Kabelkanäle veröffentlicht hat, nicht jedoch Ergebnisse zu nationalen Privatsendern, die der Regierungspartei nahestehen;
20. ist besorgt über Fälle von Beschimpfungen und verbalen Angriffen in Verbindung mit Schikanen gegen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Organisationen der Zivilgesellschaft, die in einigen Fällen von Regierungsbeamten ausgingen, insbesondere im Vorfeld der Wahlen; fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, gegen Einflussnahme und Desinformationskampagnen aus dem Ausland vorzugehen, den Schutz des unabhängigen Journalismus deutlich zu verbessern und für eine transparente Medienlandschaft zu sorgen; betont, dass die EU-Organe mehr tun müssen, um sicherzustellen, dass die Rechte und Freiheiten serbischer Journalisten und Medien geschützt werden; weist darauf hin, dass der Zugang zu Heranführungsmitteln als Hebel genutzt werden sollte, um eine weitere Verschlechterung der Lage der Medienfreiheit zu verhindern;
21. fordert eine Reform der Wirksamkeit der Mechanismen zur Überwachung der Kampagnen, einschließlich der Agentur für Korruptionsprävention und des Ad-hoc-Ausschusses für die Überwachung von Kampagnen, um eine zeitnahe und transparente Bearbeitung von Beschwerden im Zusammenhang mit dem Missbrauch öffentlicher Mittel sicherzustellen;
22. betont, dass Serbien als Bewerberland für die EU-Mitgliedschaft die grundlegenden europäischen und internationalen demokratischen Standards nicht ausreichend umgesetzt hat; fordert die serbischen Staatsorgane auf, dafür zu sorgen, dass für die Abhaltung der nächsten ordentlichen Kommunalwahl 2024 sowie künftige Wahlen ausreichende demokratische Garantien vorhanden sind;
23. stellt fest, dass – mit einer Ausnahme – alle serbischen Parlamente in den letzten zwölf Jahren vorzeitig aufgelöst wurden und dass durch weitere unnötige vorgezogene Wahlen die politische Stabilität untergraben wird; hebt hervor, dass die ständigen vorgezogenen Wahlen, der andauernde Wahlkampfmodus und die langen Verzögerungen bei der Regierungsbildung nicht zu einer effizienten demokratischen Regierungsführung des Landes beitragen, sondern das Parlament schwächen und zu einem Mangel an parlamentarischer und gesetzgeberischer Kontrolle sowie zu einem Mangel an Legitimität führen;
24. betont die Bedeutung der Redefreiheit und erkennt an, dass jeder das Recht hat, seine Meinung zu äußern und an friedlichen Protestkundgebungen teilzunehmen; verurteilt in diesem Zusammenhang die unverhältnismäßige Anwendung von Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, die gegen Wahlbetrug protestieren; ist besorgt über die Behauptungen, dass Provokateure die Proteste unterwandert haben, um die Polizei zum Eingreifen zu bewegen; ist besorgt über die Einschätzung, dass einige Teilnehmer der Proteste vom 24. Dezember 2023 von Polizei und Justiz unverhältnismäßig brutal behandelt wurden, was in eklatantem Gegensatz zur Vorgehensweise der serbischen Polizei bei früheren Protesten im Land steht; fordert die diplomatischen Vertretungen der EU und der Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die laufenden Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Protesten weiterhin zu beobachten;
25. verurteilt aufs Schärfste die haltlosen Behauptungen der Staatsorgane Serbiens, dass sich EU-Mitgliedstaaten an der Organisation der Proteste nach den Wahlen beteiligt hätten; bedauert, dass die Proteste als Vorwand genutzt werden, um in den der Regierungspartei nahestehenden Medien EU-feindliche Narrative zu verbreiten;
26. bedauert, dass die Kommission, insbesondere das für Erweiterung zuständige Kommissionsmitglied, keine klare Kritik an den zahlreichen Vorwürfen des Wahlbetrugs bei den Wahlen in Serbien geäußert hat, und fordert die Kommission auf, die Mängel, die zu diesen Vorwürfen geführt haben, unverzüglich zu beheben;
27. bekräftigt seinen Standpunkt, dass die Beitrittsverhandlungen mit Serbien nur dann vorankommen sollten, wenn das Land deutliche Fortschritte bei seinen EU-bezogenen Reformen erzielt, einschließlich der vollständigen Umsetzung der Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission; fordert die Kommission und den Rat auf, eine strenge Auflagenbindung anzuwenden; fordert die Kommission auf, die Berichte des Europäischen Rechnungshofs gründlich weiterzuverfolgen und unverzüglich mit der Prüfung der Mittel zu beginnen, die der serbischen Regierung im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe III (IPA III) und anderer Finanzinstrumente bereitgestellt wurden; betont, dass es die Aussetzung der EU-Finanzierung auf der Grundlage schwerwiegender Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit im Zusammenhang mit den Wahlen in Serbien fordert, falls die Staatsorgane Serbiens nicht bereit sind, wichtige Wahlempfehlungen umzusetzen, oder falls die Ergebnisse dieser Untersuchung darauf hindeuten, dass die Staatsorgane direkt in den Wahlbetrug verwickelt waren;
28. ist bestrebt, die Entwicklungen nach den Wahlen in Serbien genau zu beobachten, und verpflichtet sich, Reformen zu unterstützen, die die Demokratie stärken und Serbien dabei helfen, auf dem Weg zum EU-Beitritt voranzukommen; betont, dass es sich stets darum bemüht hat, den politischen Pluralismus und die Stärkung eines inklusiven Umfelds für Wahlen in Serbien durch all seine Tätigkeiten zu unterstützen, insbesondere durch den parteiübergreifenden und den parlamentarischen Dialog; betont, dass es wichtig ist, den parteiübergreifenden Dialog und den parlamentarischen Dialog fortzusetzen; fordert die EU auf, einen internen und konstruktiven Dialog in Serbien zwischen der Regierung und der Opposition zu fördern, um das derzeitige Klima einer tiefen politischen Polarisierung zu überwinden; ist der Ansicht, dass das Parlament vor diesem Hintergrund das am besten geeignete Organ ist, um als konstruktiver Vermittler zu fungieren;
29. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Rates, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten, der Regierung und der Nationalversammlung Serbiens, dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE, der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu übermitteln.