Die neue Welle von Massenfestnahmen von Regierungsgegnern und ihren Familienangehörigen in Belarus
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu der neuen Welle von Massenfestnahmen von Regierungsgegnern und ihren Familienangehörigen in Belarus (2024/2550(RSP))
‒ unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Belarus,
‒ gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Komitee für Staatssicherheit der Republik Belarus (KDB, russisch KGB) im Januar 2024 Razzien durchgeführt und dabei über 200 Familienangehörige derzeitiger und ehemaliger politischer Gefangener sowie Begünstigte der Initiative „INeedHelpBY“ wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit angeblichem Extremismus festgenommen und dann verhört hat; in der Erwägung, dass es sich bei den meisten dieser Personen um die Mütter und Ehefrauen politischer Gefangener handelt, darunter Maryna Adamowitsch, die Ehefrau von Mikalaj Statkewitsch, Tazzjana Sewjarynez, die Mutter von Pawel Sewjarynez, und Darja Lossik, die Ehefrau von Ihar Lossik, die schon zuvor festgenommen worden war;
B. in der Erwägung, dass in Abwesenheit der Beschuldigten weitere Anklagepunkte gegen 20 Politikanalytiker, Journalisten und Soziologen, die auch als „Zichanouskajas Analytiker“ bezeichnet werden, hinzugefügt wurden und denen im Fall der Verurteilung die Beschlagnahme ihres Eigentums und der Entzug der Staatsangehörigkeit droht;
C. in der Erwägung, dass politische Gefangene, darunter die Parteivorsitzenden Mikalaj Kaslou, Ryhor Kastussjou, Mikalaj Statkewitsch und Pawel Sewjarynez, Isolationshaft und Folter ausgesetzt sind, ihnen medizinische Versorgung verweigert wird und sie Zwangsarbeit verrichten müssen;
D. in der Erwägung, dass das jüngste harte Vorgehen im Vorfeld der sogenannten Parlamentswahl und der sogenannten Kommunalwahl, die beide für den 25. Februar 2024 angesetzt sind, stattfindet; in der Erwägung, dass die Parteien der demokratischen Opposition durch das sogenannte Gesetz über politische Parteien aus dem Jahr 2023 daran gehindert werden, an Wahlen teilzunehmen;
1. verurteilt aufs Schärfste die jüngste Welle von Massenfestnahmen in Belarus und fordert das unrechtmäßige Lukaschenka-Regime nachdrücklich auf, die Unterdrückung, insbesondere alle Formen der geschlechtsspezifischen strafrechtlichen Verfolgung, einzustellen, und weist das Regime erneut auf seine internationalen Verpflichtungen hin;
2. fordert, dass alle politischen Gefangenen, deren Zahl über 1400 beträgt, sofort und bedingungslos freigelassen werden und sie und ihre Familien eine Entschädigung erhalten, und dass auch alle willkürlich inhaftierten Personen sofort und bedingungslos freigelassen und all ihre Rechte vollständig wiederhergestellt werden;
3. bekräftigt seinen Standpunkt, dass es im Vorfeld der sogenannten Parlamentswahl und der sogenannten Kommunalwahl in Belarus an Transparenz, Freiheit und Fairness fehlt, und fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen;
4. fordert den Hohen Vertreter und Vizepräsidenten und den Rat auf, mit strengeren Sanktionen gegen das Lukaschenka-Regime zu reagieren, etwa in Bezug auf Güter, die von politischen Gefangenen in Zwangsarbeit hergestellt werden, und zudem strengere finanzielle Sanktionen und Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, auch gegen hochrangige Amtsträger und gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte; fordert, dass die diplomatische Präsenz von Belarus in der EU weiter verringert und die Unterstützung der Opfer des Regimes fortgesetzt wird, und zwar durch besondere Instrumente, mit denen sie Visa und Aufenthaltstitel für die EU erlangen können bzw. Fälle von Staatenlosigkeit angegangen werden;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen in Belarus weiter zu unterstützen, sich für die Umwandlung der Prüfung der Menschenrechtslage in Belarus durch das OHCHR in einen völlig unabhängigen Untersuchungsmechanismus einzusetzen, das Mandat der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Belarus aufrechtzuerhalten und die Rechenschaftspflicht im Rahmen der extraterritorialen und universellen Gerichtsbarkeit weiter zu stärken;
6. bekräftigt seine Solidarität mit der Bevölkerung von Belarus und seine Unterstützung für ihre legitimen Bestrebungen nach einer demokratischen und europäischen Zukunft und ist nach wie vor entschlossen, im Interesse der Bevölkerung von Belarus unermüdlich mit den demokratischen Kräften, der Zivilgesellschaft und den unabhängigen Medien zusammenzuarbeiten;
7. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter und Vizepräsidenten und den Mitgliedstaaten sowie den Vertretern der demokratischen Kräfte in Belarus, den De-facto-Staatsorganen von Belarus, den Vereinten Nationen und der OSZE zu übermitteln.
Die gestiegene Zahl von Hinrichtungen in Iran, insbesondere der Fall Mohammad Ghobadlu
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu der gestiegenen Zahl von Hinrichtungen in Iran, insbesondere dem Fall Mohammad Ghobadlu (2024/2551(RSP))
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass im Jahr 2023 in Iran mehr als 800 Personen hingerichtet wurden, was die höchste Zahl seit 2015 darstellt, und dass im Zuge der anhaltenden Unterdrückung der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ mehr als 500 Demonstranten getötet wurden; in der Erwägung, dass Minderheiten unverhältnismäßig stark betroffen sind;
B. in der Erwägung, dass die Berufung von Mohammad Ghobadlu, einem 23-jährigen Mann mit geistigen Behinderungen, gegen sein Todesurteil am 23. Januar 2024 abgewiesen wurde und er hingerichtet wurde; in der Erwägung, dass das unfaire Gerichtsverfahren gegen ihn mit Foltervorwürfen und mangelnder Transparenz behaftet war;
C. in der Erwägung, dass nach Angaben des UNHRC im Januar 2024 mindestens 54 Menschen hingerichtet wurden; in der Erwägung, dass laut Human Rights Watch derzeit mindestens elf Gefangenen, darunter Anwar Chesri, Kamran Scheicheh und Chosrau Bascharat, unmittelbar die Hinrichtung droht;
D. in der Erwägung, dass Iran regelmäßig auf Geiseldiplomatie als außenpolitisches Instrument zurückgreift;
1. verurteilt die Hinrichtungen friedlicher Demonstranten in Iran, einschließlich der Hinrichtung von Mohammad Ghobadlu, aufs Schärfste; bedauert, dass das Regime die Todesstrafe in großem Umfang anwendet, um die Gesellschaft zu terrorisieren und abweichende Meinungen auszumerzen; betont, dass dies staatlich sanktionierten Tötungen gleichkommt; fordert Iran nachdrücklich auf, alle Todesurteile in andere Strafen umzuwandeln und die Todesstrafe vollständig abzuschaffen; bekräftigt, dass es die Todesstrafe in allen Fällen und unter allen Umständen entschieden ablehnt; unterstützt uneingeschränkt die von der inhaftierten Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi eingeleitete Kampagne für deren Abschaffung; bekräftigt seine fortwährende Unterstützung der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ in Iran;
2. fordert die bedingungslose und sofortige Freilassung all derjenigen, die aus reiner Willkür in der Todeszelle sitzen, und aller Gefangenen aus Gewissensgründen, auch von EU-Bürgern, insbesondere von Ahmadreza Djalali und Johan Floderus;
3. fordert eine neue und mutige EU-Strategie für Iran, die auch Maßnahmen gegen die Geiseldiplomatie des Landes umfasst;
4. bekräftigt seine standhafte Forderung an den Rat, das Korps der Iranischen Revolutionsgarde als terroristische Organisation einzustufen und weitere EU-Sanktionen gegen Amtsträger und Einrichtungen zu verhängen, die an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, unter anderem gegen den Obersten Führer, den Präsidenten und den Generalstaatsanwalt;
5. verurteilt abermals die brutale Unterdrückung friedlicher Demonstranten, insbesondere von Frauen und Minderheiten, in Iran; fordert eine unparteiische, unabhängige und transparente Untersuchung der Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gegen Demonstranten;
6. fordert Iran auf, für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren zu sorgen; verurteilt die schrecklichen Haftbedingungen, den weit verbreiteten Einsatz von Folter, einschließlich sexueller Gewalt, und den fehlenden Zugang zu medizinischer Behandlung und rechtlicher Vertretung;
7. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, im Einklang mit den EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern Gerichtsverfahren zu überwachen und Besuche in Gefängnissen zu organisieren, in denen Gefangene aus Gewissensgründen, auch EU-Bürger, inhaftiert sind;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, strafrechtliche Ermittlungen gegen Amtsträger einzuleiten, die für schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Verbrechen, die unter die universelle Gerichtsbarkeit fallen, verantwortlich sind;
9. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die technische und finanzielle Unterstützung für eine starke und unabhängige Zivilgesellschaft in Iran aufzustocken; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass denjenigen, die aus Iran fliehen müssen, leichter ein Visum ausgestellt, Asyl gewährt und Soforthilfe geleistet werden kann;
10. fordert die Mitgliedstaaten auf, auf der anstehenden Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen die Erneuerung der Mandate des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für Iran und der unabhängigen internationalen Erkundungsmission zu unterstützen;
11. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Hohen Vertreter und Vizepräsidenten sowie den Staatsorganen Irans zu übermitteln.
Jüngste Anschläge an Heiligabend im nigerianischen Bundesstaat Plateau
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu den jüngsten Anschlägen an Heiligabend im nigerianischen Bundesstaat Plateau (2024/2552(RSP))
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage in Nigeria durch eine Eskalation von religiösen und ethnischen Konflikten und Konflikten zwischen Gemeinschaften verschärft hat, insbesondere in der als „Middle Belt“ bezeichneten Region des Landes, wo der Konflikt um Land- und Wasserressourcen zwischen Landwirten und nomadischen Hirten seit Weihnachten zu einer beispiellosen Zahl von Todesopfern geführt hat;
B. in der Erwägung, dass Bewaffnete zwischen dem 23. und 25. Dezember 2023 einen groß angelegten Angriff auf mehr als 160 Dörfer in den Verwaltungsbezirken Bokkos, Barkin Ladi und Magu im Bundesstaat Plateau durchgeführt haben, bei dem mehr als 335 Menschen, darunter mindestens 200 Mitglieder christlicher Gemeinschaften, ums Leben kamen;
C. in der Erwägung, dass viele der Vertriebenen derzeit in provisorischen Lagern leben, wo sie nur begrenzten Zugang zu Wasser, Sanitärversorgung, Nahrungsmitteln, Medikamenten und Gesundheitsversorgung, einschließlich Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit, haben;
D. in der Erwägung, dass nach Angaben nigerianischer nichtstaatlicher Organisationen seit 2009 52 000 Christen und 34 000 Muslime getötet und 18 000 Kirchen und 2 200 christliche Schulen zerstört wurden;
E. in der Erwägung, dass durch die Gewalt vonseiten islamischer terroristischer Gruppen wie Boko Haram und der Organisation Westafrika-Provinz des Islamischen Staates, die sowohl Christen als auch Muslime im Nordosten Nigerias ins Visier nehmen, bereits mehr als zwei Millionen Menschen vertrieben wurden;
F. in der Erwägung, dass sich die Faktoren, die die Zusammenstöße anheizen, überschneiden und unter anderem auf territoriale Streitigkeiten, ethnische Spannungen, den Zugang zu knappen Ressourcen und Umweltzerstörung zurückzuführen sind;
1. verurteilt aufs Schärfste die über Weihnachten begangenen Gewalttaten gegen Christen und andere Gemeinschaften, die zu einer beispiellosen Zahl von Toten, Verletzten und Vertriebenen geführt haben, und bekundet seine Solidarität mit den Betroffenen;
2. fordert die nigerianischen Staatsorgane auf, Maßnahmen gegen militante islamistische Gruppen zu ergreifen, die den Konflikt zwischen Landwirten und Hirten ausnutzen, und fordert sie nachdrücklich auf, gegen die Grundursachen vorzugehen; warnt davor, dass der Konflikt instrumentalisiert werden könnte, um religiösen Hass schüren; erkennt an, dass der Klimawandel, der Wettbewerb um knappe Ressourcen und das Verschwinden wirksamer Vermittlungsmechanismen zur Verschärfung des Konflikts zwischen Landwirten und Hirten beitragen, da die Hirten dazu getrieben werden, nach Süden zu ziehen;
3. fordert die nigerianischen Staatsorgane auf, eine gründliche und unabhängige Untersuchung der Angriffe rund um Weihnachten durchzuführen und sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden;
4. fordert alle Akteure der humanitären Hilfe nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass ausreichende Mittel für die Bewältigung der Krise bereitgestellt werden;
5. begrüßt die Debatte des nigerianischen Parlaments über dieses Thema und fordert die nigerianische Regierung auf, die Sicherheit der Gemeinschaften zu verbessern, den Dialog und die Konfliktvermittlung zu fördern und ihr Engagement für die sozioökonomische Erholung zu bekräftigen;
6. begrüßt die starke Partnerschaft zwischen der EU und Nigeria und fordert, dass sie in den Bereichen Sicherheit, Vermittlung, interreligiöser und interkultureller Dialog und Friedenskonsolidierung weiter vertieft wird; fordert den EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte auf, Nigeria zu besuchen; begrüßt die Ankündigung eines Global-Gateway-Pakets im Wert von 900 Mio. EUR für Nigeria im Oktober 2023;
7. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Regierung und dem Parlament Nigerias zu übermitteln.
Automatisierter Datenaustausch für die polizeiliche Zusammenarbeit („Prüm II“)
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den automatisierten Datenaustausch für die polizeiliche Zusammenarbeit („Prüm II“) und zur Änderung der Beschlüsse 2008/615/JI und 2008/616/JI des Rates sowie der Verordnungen (EU) 2018/1726, 2019/817 und 2019/818 des Europäischen Parlaments und des Rates (COM(2021)0784(COR1) – C9-0455/2021 – 2021/0410(COD))
(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2021)0784(COR1)),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 2, Artikel 16 Absatz 2, Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 88 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0455/2021),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung vom zuständigen Ausschuss angenommen wurde, und auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 29. November 2023 gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,
– gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0200/2023),
1. legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;
2. fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;
3. beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 8. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über die automatisierte Abfrage und den Austausch von Daten für die polizeiliche Zusammenarbeit und zur Änderung der Beschlüsse 2008/615/JI und 2008/616/JI des Rates sowie der Verordnungen (EU) 2018/1726, (EU) 2019/817 und (EU) 2019/818 des Europäischen Parlaments und des Rates (Prüm-II-Verordnung)
(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2024/982).
Die Prioritäten der EU für die 68. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu den Prioritäten der EU für die 68. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau (2023/2973(RSP))
– unter Hinweis auf die 68. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau und ihr vorrangiges Thema „Beschleunigung der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung der Rolle aller Frauen und Mädchen durch die Bekämpfung von Armut, die Stärkung der Institutionen und die Finanzierung unter Berücksichtigung der Geschlechterperspektive“,
– unter Hinweis auf die Erklärung und Aktionsplattform von Peking (Beijing) vom 15. September 1995 sowie die Ergebnisse ihrer Überprüfungskonferenzen,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979,
– unter Hinweis auf die Artikel 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, den Grundsatz, niemanden zurückzulassen, und insbesondere Nachhaltigkeitsziel 1, Armut zu beenden, Nachhaltigkeitsziel 5, die Geschlechtergleichstellung zu erreichen und die Lebensbedingungen von Frauen zu verbessern, und Nachhaltigkeitsziel 8, nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern,
– unter Hinweis auf den EU-Aktionsplan für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau im auswärtigen Handeln 2021–2025 (GAP III),
– unter Hinweis auf die EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025 vom 5. März 2020,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Juni 2022 zu gemeinsamen europäischen Maßnahmen im Bereich Pflege und Betreuung(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Juni 2022 zu der Frauenarmut in Europa(2),
– gestützt auf Artikel 157 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Anfragen an den Rat und die Kommission zu den Prioritäten der EU für die 68. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau (O-000056/2023 – B9-0005/2024 und O-000057/2023 – B9-0006/2024)),
– gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter,
A. in der Erwägung, dass die Sicherstellung der Rechte von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter ein Grundprinzip der EU ist, das in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union und in Artikel 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist; in der Erwägung, dass Gender-Mainstreaming und die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung wichtige Instrumente sind, um dieses Ziel zu erreichen und diese Grundsätze in alle Strategien, Maßnahmen und Aktionen der EU, auch in ihre externen Dimensionen, zu integrieren;
B. in der Erwägung, dass sich im Jahr 1995 189 Länder weltweit, darunter die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten, auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking dazu verpflichtet haben, auf die Gleichstellung der Geschlechter hinzuwirken und die Position aller Frauen und Mädchen zu stärken; in der Erwägung, dass gemäß Nachhaltigkeitsziel 5 der 2015 von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen angenommenen Agenda für nachhaltige Entwicklung spätestens bis 2030 die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen ist und alle Frauen und Mädchen in ihrer ganzen Vielfalt zu befähigen sind;
C. in der Erwägung, dass die EU ihre Verantwortung anerkennen muss, die Geschlechterperspektive in alle Bereiche ihrer Außenpolitik einzubeziehen, wie Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe, Handel, Landwirtschaft, Klima und Migration, um bei der weltweiten Beseitigung von Frauenarmut mitzuwirken;
D. in der Erwägung, dass der feministische Ansatz in der Außenpolitik darauf abzielt, Frauen und Mädchen zu stärken, Krisen zu lösen und die negativen Auswirkungen auf Frauen, Mädchen und die Gleichstellung der Geschlechter zu verringern, einschließlich der Bekämpfung von Frauenarmut; in der Erwägung, dass sich die EU bemühen sollte, bei ihrem auswärtigen Handeln einen solchen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen;
E. in der Erwägung, dass im Rahmen der Aktionsplattform von Peking von 1995 betont wurde, dass die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle von Frauen und Mädchen sowie die Verwirklichung ihrer Menschenrechte entscheidende Faktoren für die Beseitigung der Armut sind; in der Erwägung, dass Armut sowie soziale und politische Ausgrenzung eng miteinander verflochten sind; in der Erwägung, dass Frauenarmut ein komplexes, vielschichtiges Problem ist, das sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ihren Ursprung hat; in der Erwägung, dass aus diesem Grund alle Ursachen und alle Arten von Frauenarmut bekämpft werden müssen; in der Erwägung, dass dadurch ihre Fähigkeit eingeschränkt wird, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und ihre Rechte in der Gesellschaft wahrzunehmen und sich so eine nachhaltige Existenzgrundlage zu schaffen;
F. in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen im Vergleich zu Männern nach wie vor unverhältnismäßig stark von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind, insbesondere Frauen und Mädchen, die überschneidende Formen der Diskriminierung aufgrund des biologischen Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Ausrichtung,(3) des sozialen Geschlechts, der Geschlechtsidentität sowie des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit und der Geschlechtsmerkmale erfahren; in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge weltweit 383 Millionen Frauen und Mädchen – und im Vergleich dazu nur 368 Millionen Männer und Jungen – von weniger als 1,90 USD pro Tag leben(4); in der Erwägung, dass die Armutsquote bei Frauen (12,8 %) höher ist als bei Männern (12,3 %)(5);
G. in der Erwägung, dass die Armut von Frauen und das Lohn- und Rentengefälle auf die Anhäufung systemischer und struktureller Ungleichheiten und Diskriminierung zurückzuführen sind; in der Erwägung, dass nachteilige Geschlechterstereotypen und soziale Normen nach wie vor Einfluss auf die Arbeitsteilung zu Hause, in der Bildung und Arbeit sowie in der Gesellschaft haben und sich auf den Zugang zu Macht und Ressourcen, einschließlich des Zugangs zu Finanzmitteln oder Krediten über verschiedene Quellen wie Wagniskapital, unter anderem über Investitionsnetzwerke für Frauen, den Landbesitz und die Erbschaft sowie die Entscheidungsfindung auswirken; in der Erwägung, dass unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit Frauen und Mädchen unverhältnismäßig belasten und dass diese häuslichen Pflichten und Betreuungspflichten nicht angemessen anerkannt werden;
H. in der Erwägung, dass der Zugang zu Dienstleistungen, darunter zu Kinderbetreuung und Langzeitpflege, vor allem Auswirkungen auf Frauen und Mädchen hat, da sie häufig die Lücken bei der Betreuung und der Unterstützung der Familie schließen müssen, wodurch Frauen auf lange Sicht übermäßig mit unbezahlten Betreuungsaufgaben konfrontiert sind;
I. in der Erwägung, dass Frauen weltweit über 70 % der Arbeitskräfte in der Gesundheits- und Pflegebranche ausmachen(6); in der Erwägung, dass diese Art der Beschäftigung systematisch unterbewertet wird, da sie von Frauen unentgeltlich im häuslichen Bereich ausgeübt wurde und wird; in der Erwägung, dass Frauen aufgrund ihrer unverhältnismäßigen Belastung durch unbezahlte Betreuungsaufgaben vermehrt in Teilzeit beschäftigt sind; in der Erwägung, dass Frauen trotz Erwerbstätigkeit unter Armut leiden, die zu sozialer Ausgrenzung führt; in der Erwägung, dass die sozialen, gleichstellungsspezifischen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf Personen mit Betreuungspflichten dringend angegangen werden sollten;
J. in der Erwägung, dass Arbeit in von Frauen dominierten Branchen wie dem Gesundheitswesen sowie der Pflege und Betreuung systemisch unterbezahlt und unterbewertet wird; in der Erwägung, dass die Förderung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit die Anerkennung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen erfordert, um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt, gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, den Zugang zu menschenwürdigen Arbeitsmöglichkeiten sowie die Anerkennung des Zusammenhangs zwischen unterbewerteter und unterbezahlter Arbeit in von Frauen dominierten Branchen sicherzustellen;
K. in der Erwägung, dass Armut die Auswirkungen von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen verschärft, da zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten es Frauen in von Missbrauch geprägten Beziehungen erschweren, ihren Partner zu verlassen; in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein strukturelles und gesellschaftliches Problem ist, das in allen sozioökonomischen Gruppen vorkommt und unabhängig von der Herkunft oder dem Glauben ist; in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt auch zu Armut und sozialer Ausgrenzung beiträgt, da Gewalt drastische gesundheitliche Folgen hat und zum Verlust des Arbeitsplatzes und zur Obdachlosigkeit führen kann;
L. in der Erwägung, dass Armut zu einem höheren Risiko für Frauen führt, Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung zu werden, da sie und ihre Familien dadurch wirtschaftlich von den Gewalttätern abhängig werden;
M. in der Erwägung, dass es wichtig ist, die Zusammenhänge zwischen Armut und dem Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten zu verstehen; in der Erwägung, dass Armut zusammen mit anderen praktischen, rechtlichen, finanziellen, kulturellen und sozialen Hindernissen dazu führen kann, dass Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte, einschließlich sicherer und legaler Abtreibung und moderner Verhütungsmittel, für Frauen nicht zugänglich sind; in der Erwägung, dass die Verzögerung und Verweigerung des Zugangs zu sicherer und legaler Abtreibung eine Form der Gewalt gegen Frauen und Mädchen darstellen; in der Erwägung, dass mehrere Menschenrechtsgremien erklärt haben, dass die Verweigerung einer sicheren und legalen Abtreibung Folter oder grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommen kann;
N. in der Erwägung, dass Prävention, Früherkennung und Behandlung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen, Krebserkrankungen der Geschlechtsorgane, einschließlich Gebärmutterhalskrebs, sowie Behandlung und Betreuung bei Kinderwunsch wesentlich sind, um Leben zu retten;
O. in der Erwägung, dass der Zugang zu Menstruations- und Hygieneartikeln durch eine geschlechtsbezogene verzerrte Besteuerung von Menstruationsprodukten eingeschränkt wird, wodurch das Problem der Menstruationsarmut verschärft wird; in der Erwägung, dass Scham, unbehandelte Menstruationsschmerzen und diskriminierende Traditionen sowie der Mangel an Wasser- und Sanitäreinrichtungen für die Menstruationshygiene zu Schulabbrüchen und geringeren Anwesenheitsquoten bei Schulmädchen und erwerbstätigen Frauen führen;
P. in der Erwägung, dass die wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Stärkung der Rolle von Frauen, die gleiche Entlohnung für gleiche und gleichwertige Arbeit sowie die Fähigkeit, gleichberechtigt am Arbeitsmarkt und an wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen teilzunehmen, nicht nur von zentraler Bedeutung sind, wenn es darum geht, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, die Frauenrechte zu wahren und die Armut zu beenden, sondern auch der Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt zugutekommen; in der Erwägung, dass gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit und die Fähigkeit, gleichberechtigt am Arbeitsmarkt und an der wirtschaftlichen Entscheidungsfindung teilzuhaben, Voraussetzungen für Gleichstellung in den Volkswirtschaften und Gesellschaften sind; in der Erwägung, dass die Förderung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit unter anderem die Förderung des Unternehmertums und der selbstständigen Erwerbstätigkeit von Frauen erfordert und von geeigneten Maßnahmen flankiert werden sollte;
Q. in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt ein wichtiges Instrument zur Beseitigung von Frauenarmut ist, von dem nicht nur Frauen profitieren, sondern die Wirtschaft insgesamt, und das sich positiv auf das BIP, das Beschäftigungsniveau und die Produktivität auswirkt; in der Erwägung, dass die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter bis 2050 zu einem Anstieg des Pro-Kopf-BIP in der EU zwischen 6,1 % und 9,6 % und zu zusätzlichen 10,5 Millionen Arbeitsplätzen führen würde;
R. in der Erwägung, dass Frauen von Krisen, einschließlich des Klimawandels und aller damit verbundenen Folgen wie Verlust an biologischer Vielfalt, Naturkatastrophen, Pandemien und bewaffnete Konflikte, unverhältnismäßig stark betroffen sind; in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen in prekären Situationen schlechteren Zugang zu oder weniger Kontrolle über die Ressourcen haben, die für die Bewältigung und Überwindung von Krisen erforderlich sind; in der Erwägung, dass Krisen Frauen und Männer unterschiedlich stark belasten und soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheiten verschärfen; in der Erwägung, dass Armut bei Eltern und insbesondere Müttern häufig zu Kinderarmut führt;
S. in der Erwägung, dass die Inflation seit 2021 stark gestiegen ist, was in erster Linie auf die hohen Energie- und Lebensmittelkosten zurückzuführen ist; in der Erwägung, dass die Löhne voraussichtlich nicht so schnell steigen werden wie die Inflation, was zu einer Lebenshaltungskostenkrise führt; in der Erwägung, dass diese Krise die Lebensgrundlagen, die Gesundheit, das Wohlergehen und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen ernsthaft bedroht und gleichzeitig ihre Fähigkeit einschränkt, Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel und Wohnraum zu erwerben, und die Energiearmut verschärft;
T. in der Erwägung, dass in den letzten Jahren die Rolle der Frau EU-weit zwar gestärkt und eine gleichberechtigte Gesellschaft gefördert wurde, unter anderem durch Initiativen wie transparente Einstellungsverfahren in Unternehmen oder Lohntransparenz, jedoch müssen diesbezüglich größere Fortschritte erzielt werden, da dies für die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter entscheidend ist, was in Krisenzeiten besonders wichtig ist;
U. in der Erwägung, dass durch die Investitionen in Maßnahmen zugunsten von Frauen auch die Lebensbedingungen ihrer Familien und insbesondere ihrer Kinder verbessert werden; in der Erwägung, dass Alleinerziehende, bei denen es sich überwiegend um Frauen handelt, einem höheren Armutsrisiko und demnach der größeren Gefahr ausgesetzt sind, Armut auf die nächste Generation zu übertragen;
1. richtet folgende Empfehlungen an den Rat:
a)
zu bekräftigen, dass die EU unerschütterlich hinter der Aktionsplattform von Peking, den nachfolgenden Überprüfungskonferenzen und dem darin dargelegten Spektrum an Aktionen für die Gleichstellung der Geschlechter steht;
b)
die uneingeschränkte Einbeziehung des Parlaments und seines Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter in den Entscheidungsprozess über den Standpunkt der EU auf der 68. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau sicherzustellen, dafür zu sorgen, dass das Parlament zeitnah vor den Verhandlungen über angemessene Informationen und Zugang zum Positionspapier der EU verfügt, und die interinstitutionelle Zusammenarbeit und informelle Konsultation, auch vor und während der Verhandlungen, weiter zu verbessern, damit die Prioritäten des Parlaments angemessen berücksichtigt werden;
c)
zu betonen, dass im Rahmen der 68. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau, die vom 11. bis 22. März 2024 stattfinden soll, ein konkretes Ergebnis erzielt werden muss, unter anderem durch die Annahme einer Reihe vorausschauender ehrgeiziger Verpflichtungen, die in der politischen Erklärung dargelegt werden;
d)
seine entschlossene Unterstützung der Arbeit von UN Women zuzusichern, die ein zentraler Träger im System der Vereinten Nationen ist, mit dem die Rechte der Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt gefördert und alle einschlägigen Interessenträger zusammengebracht werden, um für einen politischen Wandel und abgestimmte Maßnahmen zu sorgen; alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sowie die EU aufzufordern, ausreichende Mittel für UN Women bereitzustellen;
e)
sicherzustellen, dass die EU eine Vorreiterrolle spielt und eine klare Führungsposition einnimmt, während sie gleichzeitig Geschlossenheit zeigt, wenn es um die Stärkung von Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt und die Erzielung der Geschlechtergleichstellung weltweit geht;
f)
für Chancengleichheit in der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt sowie in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen zu sorgen und gleichen Zugang zu Wirtschafts- und Finanzdienstleistungen zu garantieren;
g)
sich für Frauen und Mädchen in Führungsrollen und ihre uneingeschränkte, gleichberechtigte und sinnvolle Beteiligung auf allen Entscheidungsebenen einzusetzen, da die Beteiligung von Frauen am öffentlichen und politischen Leben und an der Entscheidungsfindung von wesentlicher Bedeutung für eine gute Regierungsführung und Politikgestaltung ist;
h)
das Gender-Mainstreaming und die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung in allen Politikbereichen der EU und der Mitgliedstaaten anzuwenden, da es sich dabei um weltweit anerkannte Instrumente zur Umsetzung der Rechte von Frauen und zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter handelt;
i)
die internen und externen Strategien und Programme der EU auszuarbeiten und anzupassen, um Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt besser zu stärken, ihre Rechte zu achten, zu schützen und zu wahren und die Gleichstellung der Geschlechter sicherzustellen;
j)
die vielfältigen systemischen Ursachen der Frauenarmut weltweit anzugehen, wie etwa die Überrepräsentation von Frauen in schlecht bezahlten, prekären und Teilzeitbeschäftigungen, die Unterbrechung der beruflichen Laufbahn von Frauen aufgrund der Betreuung von Kindern und anderen Familienmitgliedern, den fehlenden Zugang zu Arbeitsmärkten und Beschäftigung, das geschlechtsspezifische Lohn- und Rentengefälle sowie die Unterrepräsentation von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen;
k)
darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, die Rolle von Frauen und Mädchen durch allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen zu stärken, was entscheidend ist, um nachteilige Stereotype und anhaltende Ungleichheiten zu bekämpfen, die zu Armut führen, und die Beschäftigungsquote von Frauen und ihre Unterrepräsentation in bestimmten Bereichen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) und künstliche Intelligenz (KI) anzugehen;
l)
das Unternehmertum von Frauen auf allen Ebenen zu unterstützen und zu fördern, indem ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt erhöht, ihre finanzielle Unabhängigkeit verbessert und Frauen als Vorbilder, Mentorinnen und Arbeitsplatzschaffende anerkannt und gefördert werden;
m)
sicherzustellen, dass in künftigen Strategien, Programmen und politischen Initiativen der EU konkrete Maßnahmen und angemessene Mittelbindungen aufgenommen werden, um die verschiedenen Aspekte und Ursachen von Frauenarmut anzugehen, die in der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter genannt werden;
n)
die verheerenden Auswirkungen geschlechtsspezifischer Gewalt in der Gesellschaft und in bewaffneten Konflikten auf die soziale Ausgrenzung und Armut von Frauen hervorzuheben und das Bewusstsein dafür zu schärfen und zu betonen, dass starke nationale und internationale Rechtsrahmen notwendig sind, die Täter dieser Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden müssen und das Recht der Opfer auf wirksame Rechtsbehelfe und Wiedergutmachung geltend gemacht werden muss;
o)
schädliche traditionelle Praktiken wie Kinder- und Zwangsehen und Genitalverstümmelung bei Frauen anzugehen und zu bekämpfen;
p)
Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Mädchen während ihrer Menstruation dem Unterricht fernbleiben, indem an den Schulen Wasser-, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen sowie Einrichtungen für die Menstruationshygiene ausgebaut werden, die Periodenarmut angegangen wird und jedwede Stigmatisierung in diesem Bereich bekämpft wird, auch durch Ausbildung und Schulung für alle; für größere Synergieeffekte zwischen Programmen in Bezug auf Gesundheit, sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte, Wasser-, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen in Schulen und persönliche Unterstützung für Mädchen zu sorgen;
q)
die Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte durch die Umsetzung eines rechtebasierten Ansatzes anzuwenden, um den grundlegenden Sozialschutz zu garantieren;
r)
dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten entsprechend den Forderungen, die die EU-Bürger auf der Konferenz zur Zukunft Europas geäußert haben, starke Systeme der sozialen Sicherheit einführen, einschließlich der Erkundung eines Mindesteinkommens, um ein Sicherheitsnetz für alle Frauen sicherzustellen, insbesondere für jene Frauen, die am stärksten von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind;
s)
sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten Investitionen in soziale Infrastrukturen und grüne Arbeitsplätze Vorrang einräumen, um für das Wohlergehen und die Stärkung der Rolle der Frau zu sorgen;
t)
öffentliche Dienste, auch Gesundheitsdienste, hochwertige und erschwingliche staatliche Bildung sowie öffentliche Verkehrsmittel auszubauen und anzuerkennen, wie wichtig barrierefreie und zuverlässige öffentliche Verkehrsmittel sind, damit Frauen am Arbeitsleben und an der Gesellschaft teilhaben können;
u)
grüne Arbeitsplätze zu fördern und in die uneingeschränkte Beteiligung von Frauen am grünen Wandel zu investieren, da dies entscheidend ist, Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu erzielen und gleichzeitig die Gleichstellung der Geschlechter in neuen und aufstrebenden Branchen sicherzustellen;
v)
anzuerkennen, dass Frauen unverhältnismäßig stark von Energiearmut betroffen sind, und spezifische Maßnahmen vorzuschlagen, um Menschen in prekären Situationen zu unterstützen und gleichzeitig sicherzustellen, dass alle Menschen im Rahmen der grünen Energiewende Zugang zu Strom, Heizung und Kühlung haben;
w)
für den Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten zu sorgen, einschließlich altersgerechter umfassender Sexualerziehung für alle, erschwinglicher moderner Verhütungsmittel, sicherer und legaler Schwangerschaftsabbrüche und anderer Dienste im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte als hochwertige Gesundheitsdienste für Mütter;
x)
sich für die Verwirklichung des Rechts aller auf ein Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit einzusetzen, es zu fördern und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, unter anderem durch die Sicherstellung des universellen Zugangs zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten;
y)
entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um die aktuellen Rückschläge und Angriffe auf die Gleichstellung der Geschlechter und die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte, auch durch rechtsextreme Organisationen und antidemokratische Bewegungen, die darauf abzielen, die Grundrechte von Frauen, ihre Autonomie und Emanzipation in allen Bereichen zu untergraben, unmissverständlich zu verurteilen;
z)
Organisationen der Zivilgesellschaft und nichtstaatliche Organisationen, die sich für die Rechte und die Stärkung von Frauen einsetzen, zu stärken und zu unterstützen;
aa)
die Umsetzung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen, unter anderem der Ziele für nachhaltige Entwicklung, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Übereinkommens von Istanbul, des IAO-Übereinkommens Nr. 190 und der Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates, zu beschleunigen; neue Maßnahmen zur Stärkung der Stellung von Frauen und Mädchen zu unterstützen und so ihre Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen;
ab)
sich dafür einzusetzen, dass das Konzept der Bekämpfung von vielfältigen und sich überschneidenden Formen der Diskriminierung in allen Gremien der Vereinten Nationen sowie der EU und ihren Mitgliedstaaten gefördert wird;
ac)
zu bekräftigen, dass die EU bei der Förderung einer feministischen Diplomatie auf multilateraler Ebene eine führende Rolle spielen muss, um internationale Vereinbarungen im Bereich der Rechte und der Stärkung von Frauen und Mädchen in die Tat umzusetzen; fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten, die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, sich zu einer feministischen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu bekennen, die eine neue Sichtweise auf die Geschlechter umfasst, und die Gleichstellung der Geschlechter als zentralen Punkt ihrer außenpolitischen Maßnahmen und ihrer Prioritäten zu betrachten;
ad)
der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, Gender-Mainstreaming voranzubringen und die Grundsätze der Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung wirksamer zu nutzen, auch in der Außenpolitik der EU, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern weltweit anzugehen;
ae)
den EU-Aktionsplan für die Gleichstellung III vollständig umzusetzen und sicherzustellen, dass bis 2025 85 % aller neuen Maßnahmen im Rahmen der Außenbeziehungen zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung der Rolle der Frau beitragen; den ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz einer feministischen Außenpolitik in all ihren außenpolitischen Maßnahmen und Politikbereichen anzuwenden;
af)
sicherzustellen, dass vergleichbare sowie nach Alter und biologischem und sozialem Geschlecht aufgeschlüsselte Daten über die Situation von jenen Menschen erfasst werden, die vielfältigen und sich überschneidenden Formen der Diskriminierung ausgesetzt sind, um so die Datenanalyse zu verbessern und Informationen für die Gestaltung und Umsetzung politischer Maßnahmen zu erhalten, nachdem zur Überwachung des Nachhaltigkeitsziels 5 derzeit weniger als die Hälfte der Daten verfügbar ist;
2. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte zu übermitteln.
– unter Hinweis auf seine bisherigen Entschließungen zu Serbien und insbesondere auf seine Entschließung vom 10. Mai 2023 zu dem Bericht 2022 der Kommission über Serbien(1),
– unter Hinweis auf die bisherigen Erklärungen der EU zu Serbien, insbesondere auf die gemeinsame Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, und des für Nachbarschaft und Erweiterung zuständigen Mitglieds der Kommission, Olivér Várhelyi, vom 19. Dezember 2023 zur Parlamentswahl,
– unter Hinweis auf die Erklärung zu den vorläufigen Ergebnissen und Schlussfolgerungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission zu der vorgezogenen Parlamentswahl in Serbien vom 17. Dezember 2023,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Stellungnahme des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Venedig-Kommission vom 19. Dezember 2022 zum verfassungsrechtlichen und rechtlichen Rahmen für die Funktionsweise der demokratischen Einrichtungen in Serbien – Wahlrecht und Wahlverwaltung,
– unter Hinweis auf den Wahlbeobachtungsbericht des Ad-hoc-Ausschusses des Präsidiums der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 17. Januar 2024 mit dem Titel „Observation of the early parliamentary elections in Serbia (17 December 2023)“ (Beobachtung der vorgezogenen Parlamentswahl in Serbien (17. Dezember 2023)),
– unter Hinweis auf die Rede zu den Wahlen in Serbien, die das für Justiz zuständige Kommissionsmitglied Didier Reynders am 17. Januar 2024 im Namen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR), Josep Borrell, im Plenum des Parlaments hielt,
– unter Hinweis auf den von den Vorsitzenden der Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten mehrerer EU-Mitgliedstaaten unterzeichneten offenen Brief zur Lage in Serbien nach den Wahlen,
– unter Hinweis auf den von ihm unterstützten parlamentarischen Dialog in Serbien,
– unter Hinweis auf die Verfassung Serbiens von 2006 und sein Gesetz von 2022 über die Wahl der Mitglieder des Parlaments,
– unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr. 01/2022 des Europäischen Rechnungshofs vom 10. Januar 2022 mit dem Titel „EU-Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit in den Staaten des westlichen Balkans: trotz Bemühungen bestehen weiterhin grundlegende Probleme“,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass nach den Amokläufen in Belgrad und in der Nähe von Mladenovac im Mai 2023 in ganz Serbien Massenproteste mit dem Motto „Serbien gegen Gewalt“ organisiert wurden; in der Erwägung, dass der Präsident Serbiens am 1. November 2023 auf der Grundlage von Forderungen der Opposition nach vorgezogenen Wahlen das Parlament aufgelöst hat; in der Erwägung, dass er für den 17. Dezember 2023 vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt hat;
B. in der Erwägung, dass es sich seit 2012 bei allen Parlamentswahlen in Serbien – mit einer Ausnahme – um vorgezogene Wahlen handelte; in der Erwägung, dass es sich diesmal um die dritte Parlamentswahl in weniger als vier Jahren handelte;
C. in der Erwägung, dass nach dem plötzlichen und gleichzeitigen Rücktritt von 65 Bürgermeistern der Regierungspartei, einschließlich des Bürgermeisters von Belgrad, und der Entscheidung der Versammlung der Autonomen Provinz Vojvodina, sich trotz stabiler Mehrheiten aufzulösen, für denselben Tag, den 17. Dezember 2023, vorgezogene Kommunalwahlen in einem Drittel der Gemeinden Serbiens sowie Provinzwahlen in der Provinz Vojvodina angesetzt wurden; in der Erwägung, dass die Abhaltung von Kommunalwahlen in nur einem Teil des Landes und einer landesweiten Parlamentswahl am selben Tag keine seit Langem bewährte Vorgehensweise darstellt; in der Erwägung, dass zahlreiche Beobachter die vorgezogenen Kommunalwahlen in einem Teil des Landes als Instrument zur Stärkung der Macht der derzeitigen Regierung und als Missbrauch des Wahlrechts lokaler Gemeinschaften betrachten;
D. in der Erwägung, dass die Wahlen vor dem Hintergrund einer verstärkten sozialen Polarisierung und eines intensiven Wettbewerbs gegensätzlicher politischer Agenden stattfanden; in der Erwägung, dass sie von einem beispiellosen Ausmaß an negativen Wahlkampfbotschaften und Angstmache sowie Angriffen auf die Oppositionspolitiker und Journalisten geprägt waren;
E. in der Erwägung, dass Serbien es verabsäumt hat, vor dem Wahltag die wichtigsten Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission umzusetzen, einschließlich der Empfehlungen zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen, zu Maßnahmen für die Verhinderung des Missbrauchs öffentlicher Ämter und staatlicher Ressourcen, zur Trennung zwischen Amtspflichten und Wahlkampftätigkeiten und zu wirksamen Mechanismen zur Verhinderung von Einschüchterung und Druckausübung auf die Wähler, etwa durch Stimmenkauf;
F. in der Erwägung, dass der gesamte Wahlkampf durch eine noch extremere Polarisierung, aggressive Rhetorik, persönliche Diskreditierung, verbale Angriffe und hetzerische Aussagen gekennzeichnet war; in der Erwägung, dass der Druck auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, der Missbrauch öffentlicher Mittel und Anreizprogramme für Wähler Bedenken in Bezug auf die Frage aufkommen ließen, ob die Wähler frei von ungebührlichem Druck entscheiden konnten; in der Erwägung, dass diese Vorgehensweisen – zusätzlich zu gewissen Herausforderungen beim Zugang zu öffentlichen Veranstaltungsorten für die Opposition – zu unfairen Wettbewerbsbedingungen führten und die Grenze zwischen dem Staat und der Regierungspartei verschwimmen ließen, was im Widerspruch zu internationalen Normen steht; in der Erwägung, dass die von Russland finanzierten Medien „Sputnik Srbija“ und „Russia Today Balkan“ aktiv zur Verbreitung von Desinformation – insbesondere über Oppositionskandidaten – beigetragen haben;
G. in der Erwägung, dass der Wahlkampf in großem Maße vom amtierenden Präsidenten Aleksandar Vučić dominiert wurde, der bei dieser Wahl zwar nicht kandidierte, aber durch seine intensive Beteiligung an Veranstaltungen der serbischen Fortschrittspartei (Srpska napredna stranka, SNS) im täglichen Wahlkampf eine wesentliche Rolle spielte; in der Erwägung, dass die von der SNS geführte Liste nach Aleksandar Vučić benannt wurde;
H. in der Erwägung, dass die Aufsichtsgremien für Wahlkampagnen und elektronische Medien nach wie vor weitgehend unwirksam waren, wenn es darum ging, im Wahlzeitraum Verstöße zu verhindern;
I. in der Erwägung, dass das BDIMR der OSZE, die Parlamentarische Versammlung der OSZE, die Parlamentarische Versammlung des Europarats und das Europäische Parlament eine internationale Wahlbeobachtungsmission nach Serbien entsandten, um festzustellen, ob die Wahlen den Auflagen der OSZE und anderen internationalen Verpflichtungen und Normen für demokratische Wahlen sowie den nationalen Rechtsvorschriften entsprachen;
J. in der Erwägung, dass die Wählerlisten durch das einheitliche Wählerverzeichnis aktualisiert wurden und die endgültige Zahl der Stimmberechtigten bei 6 500 666 Personen lag; in der Erwägung, dass Vorwürfe geäußert wurden, wonach zahlreiche verstorbene Personen im Wählerverzeichnis verblieben sein sollen;
K. in der Erwägung, dass die Wahlbeteiligung 58,58 % betrug und damit etwas höher war als bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2022;
L. in der Erwägung, dass zwar 43 % der 2 817 Kandidaturen für Sitze im Parlament von Frauen stammten und Anstrengungen unternommen wurden, um die Beteiligung von Frauen zu fördern, dass Frauen in gewählten und ernannten Ämtern jedoch im Allgemeinen nach wie vor unterrepräsentiert sind;
M. in der Erwägung, dass die Wahlen insgesamt reibungslos verliefen, der Wahltag jedoch von zahlreichen Verfahrensmängeln gekennzeichnet war, darunter die uneinheitliche Anwendung von Garantien während der Stimmabgabe und der Auszählung, häufige Fälle von überfüllten Wahllokalen, Verstöße gegen das Wahlgeheimnis und zahlreiche Fälle von Stimmabgaben in Gruppen sowie vereinzelte tätliche Angriffe;
N. in der Erwägung, dass der Wahlkommission der Republik Serbien zufolge die SNS 46,75 % der Stimmen erhielt, gefolgt von der größten Oppositionskoalition „Serbien gegen Gewalt“ mit 23,66 %, der Sozialistischen Partei Serbiens mit 6,55 %, der NADA-Koalition mit 5,02 %, der Liste „Wir – die Stimme des Volkes“ mit 4,69 % und fünf Minderheitenlisten, die zusammen 3,68 % erhielten;
O. in der Erwägung, dass in der Erklärung der vorläufigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission hervorgehoben wurde, dass die vorgezogene Parlamentswahl vom 17. Dezember zwar technisch gut organisiert war und den Wählern eine Wahl zwischen politischen Alternativen bot, aber von der starken Beteiligung des Präsidenten dominiert war, was zusammen mit den systemischen Vorteilen der Regierungspartei zu ungerechten Bedingungen führte; in der Erwägung, dass der Abschlussbericht des BDIMR der OSZE voraussichtlich in den kommenden Wochen veröffentlicht wird;
P. in der Erwägung, dass die wichtigsten Vorwürfe in Bezug auf Unregelmäßigkeiten am Wahltag insbesondere Belgrad betreffen, wo sogenannte „Phantomwähler“ aus anderen Gemeinden Serbiens, in denen keine Kommunalwahlen stattfanden, aber auch aus Nachbarländern von den Staatsorganen in Wohnungen registriert wurden, in denen sie nicht lebten; in der Erwägung, dass es zahlreiche Vorwürfe gab, wonach im Ausland lebende Wähler von der Regierungspartei zusammengetrommelt und mit Bussen nach Serbien gebracht wurden, um dort bei der Kommunalwahl in Belgrad ihre Stimme abzugeben;
Q. in der Erwägung, dass die serbische zivilgesellschaftliche Organisation CRTA eine eingehende Analyse durchgeführt hat, die auf begrenzten Daten und Ressourcen beruhte und zu der überaus konservativen Schätzung gelangte, dass Ungenauigkeiten im Wählerverzeichnis mindestens 30 000 Personen betreffen; in der Erwägung, dass der Organisation eindeutige Beweise dafür vorliegen, dass diese Ungenauigkeit Teil einer Strategie zur illegalen und unrechtmäßigen Steuerung der Wahlen war, mit der die Wahlergebnisse beeinflusst und den Wille der Wähler verzerrt werden sollte; in der Erwägung, dass Menschen aus ganz Serbien und aus dem Ausland (Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro) zur Kommunalwahl in Belgrad gebracht wurden, um ihre Stimme abzugeben; in der Erwägung, dass sogar Regierungsbeamte und Politiker aus Bosnien und Herzegowina öffentlich an der Kommunalwahl in Belgrad teilnahmen; in der Erwägung, dass die serbische Regierung dieses Vorgehen als gerechtfertigt verteidigte;
R. in der Erwägung, dass weitere erhebliche Vorwürfe in Bezug auf Unregelmäßigkeiten unter anderem Stimmenkauf, mediale Voreingenommenheit, Druck auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst und sozial schwache Gruppen, Missbrauch öffentlicher Mittel, Einschüchterung und die Verwendung gefälschter Wahlzettel betreffen;
S. in der Erwägung, dass die Staatsorgane Serbiens jegliche Unregelmäßigkeiten bestreiten; in der Erwägung, dass sowohl der Präsident Serbiens als auch die vom Kreml kontrollierten Medien behaupten, dass andere Länder auf brutale Weise in die Wahlen in Serbien eingegriffen haben, jedoch keine stichhaltigen Beweise für diese Behauptungen vorgelegt haben; in der Erwägung, dass Ministerpräsidentin Ana Brnabić den russischen Geheimdiensten öffentlich für Informationen über geplante Aktivitäten der Opposition gedankt hat; in der Erwägung, dass die Verbreitung von Desinformation und Narrativen aus Russland ein tief greifendes und anhaltendes Problem in Serbien darstellt, insbesondere in Wahlkampfzeiten; in der Erwägung, dass der Kreml die öffentlichen Proteste gegen die betrügerische Parlamentswahl in Serbien als Versuche des Westens verurteilt hat, die Regierung zu stürzen und einen neuerlichen „Maidan-Putsch“ zu inszenieren;
T. in der Erwägung, dass unabhängige serbische Organisationen, die die Unregelmäßigkeiten bei den aktuellen Wahlen anprangern, kontinuierlich von Regierungsbeamten angegriffen werden; in der Erwägung, dass sie zwar zahlreiche konkrete Beweise für Wahlbetrug ans Licht gebracht haben, die Staatsorgane Serbiens sich jedoch bisher weigern, diese Vorwürfe in Bezug auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen und stattdessen versuchen, Wahlbeobachter, die die Unregelmäßigkeiten öffentlich gemacht haben, zu diskreditieren und einzuschüchtern; in der Erwägung, dass führende serbische Politiker, einschließlich des Präsidenten, seit den Wahlen zu Unrecht Mitglieder des Europäischen Parlaments und andere Mitglieder der internationalen Wahlbeobachtungsmission diffamieren;
U. in der Erwägung, dass die Ergebnisse der Wahlen, insbesondere der Kommunalwahl in Belgrad, von der Opposition angefochten werden, was zu großen friedlichen Demonstrationen führte, die von der Oppositionskoalition „Serbien gegen Gewalt“ bzw. der parteilosen Vereinigung ProGlas organisiert wurden, um die Wahlen für ungültig zu erklären und die Durchführung eines neuen Wahlgangs zu fordern; in der Erwägung, dass die staatliche Wahlkommission die Beschwerden der Opposition abgewiesen hat; in der Erwägung, dass die Opposition die Nichtigerklärung der Wahlergebnisse aufgrund von Vorwürfen eines massiven Betrugs fordert;
V. in der Erwägung, dass es bei einem Protest am 24. Dezember 2023 zu gewaltsamen Ausschreitungen kam, als einige Demonstranten das Belgrader Rathaus stürmten, woraufhin die Polizei 38 Personen, darunter auch Studierende, festnahm, die wegen Anfechtung der verfassungsmäßigen Ordnung strafrechtlich verfolgt wurden und von denen einige nach wie vor unter Hausarrest stehen; in der Erwägung, dass mehrere friedliche Demonstranten angaben, die Demonstrationen seien von maskierten Hooligans infiltriert worden; in der Erwägung, dass die friedlichen Demonstranten auch den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch die Polizei scharf kritisierten;
W. in der Erwägung, dass in den letzten zehn Jahren seit Präsident Aleksandar Vučić an die Macht kam, die Medienfreiheit in Serbien kontinuierlich ausgehöhlt wurde, was sich durch politischen Druck, Drohungen und sogar tätliche Angriffe auf Journalisten äußert; in der Erwägung, dass „Reporter ohne Grenzen“ Serbien in seiner Rangliste der Pressefreiheit als eines der schlechtesten Länder Europas auf Platz 91 eingestuft hat, womit sich das Land im Jahr 2023 um zwölf Plätze verschlechtert hat;
X. in der Erwägung, dass die Rechtsstaatlichkeit und das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Einrichtungen Serbiens nach wie vor eine zentrale Herausforderung im Hinblick auf den Beitritt des Landes zur EU darstellen;
1. bedauert, dass die Parlaments- und Kommunalwahlen in Serbien vom 17. Dezember 2023 den internationalen Normen und den Zusagen Serbiens in Bezug auf freie und faire Wahlen nicht entsprachen, da die Amtsinhaber staatliche Einrichtungen und Medien konstant und systematisch missbraucht haben, um sich einen unfairen und ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen; ist der Ansicht, dass nicht behauptet werden kann, dass bei diesen Wahlen gerechte Bedingungen herrschten; ist äußerst beunruhigt über den weit verbreiteten und systemischen Betrug, der die Integrität der Wahlen in Serbien beeinträchtigt hat;
2. in der Erwägung, dass die Wahl nach Angaben der internationalen Wahlbeobachtungsmission reibungslos ablief, der Wahltag jedoch von zahlreichen Verfahrensmängeln gekennzeichnet war, darunter die uneinheitliche Anwendung von Garantien während der Stimmabgabe und der Auszählung, häufige Fälle von überfüllten Wahllokalen, Verstöße gegen das Wahlgeheimnis und zahlreiche Fälle von Stimmabgaben in Gruppen; ist zutiefst besorgt über diese Unregelmäßigkeiten und das allgemeine Umfeld der Wahlen, mit denen die für ein EU-Bewerberland zu erwartenden Normen nicht erfüllt wurden; weist die Staatsorgane Serbiens darauf hin, dass das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Einrichtungen des Landes im Mittelpunkt des EU-Beitrittsverfahrens Serbiens und der EU-Beitrittsmethodik steht;
3. nimmt mit ernster Besorgnis die zahlreichen von internationalen und inländischen Beobachtern gesammelten Beweise zur Kenntnis, aus denen hervorgeht, dass vor dem Wahltag und am Wahltag selbst Aktivitäten stattfanden, die die Wahlergebnisse möglicherweise beeinflusst haben und sich insbesondere erheblich auf die Ergebnisse der Kommunalwahl in Belgrad ausgewirkt und die Legitimität der Parlamentswahl ernsthaft untergraben haben könnten;
4. fordert eine unabhängige internationale Untersuchung der Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl, der Provinzialwahl und den Kommunalwahlen – mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Wahl der Belgrader Stadtversammlung – durch anerkannte internationale Rechtssachverständige und Einrichtungen, da bestimmte Vorwürfe, einschließlich solcher zur organisierten Umsiedlung von Wählern auf kommunaler Ebene, über den Umfang der Berichte des BDIMR der OSZE hinausgehen; unterstützt die umgehende Entsendung einer Ad-hoc-Erkundungsmission nach Serbien, an der auch das Parlament beteiligt sein sollte;
5. fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine Initiative zur Entsendung einer Expertenmission nach Serbien zu ergreifen, um die Lage in Bezug auf die jüngsten Wahlen und die Entwicklungen nach den Wahlen zu bewerten, damit die Voraussetzungen für die Einrichtung eines notwendigen gesellschaftlichen Dialogs geschaffen werden können und so versucht werden kann, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Einrichtungen wiederherzustellen und die systemischen Probleme im Bereich der Rechtsstaatlichkeit in Serbien zu bewerten und anzugehen, wobei das Beispiel der „Priebe-Berichte“ zu berücksichtigen ist;
6. missbilligt das Fehlen einer institutionellen Reaktion auf die schwerwiegenden Vorwürfe der Beteiligung der Amtsinhaber an Wahlmanipulationen und -missbrauch, was zu einer Atmosphäre der Straflosigkeit beiträgt und zum Fortbestehen dieser Vorgehensweisen führt; stellt mit Besorgnis fest, dass einige der Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der Wahlen vom Dezember 2023 möglicherweise Verstöße gegen serbisches Recht und die Verfassung des Landes darstellen; betont, dass diese Vorgehensweisen, wenn sie ohne Konsequenzen fortgesetzt werden können, das Vertrauen in die Wahlen und die Institutionen in Serbien weiter untergraben und die demokratische Ordnung und die weitere europäische Integration unwiderruflich behindern werden; betont, dass es wichtig ist, dass alle wahlbezogenen Beschwerden gründlich untersucht werden, einschließlich des jüngsten Antrags auf Nichtigerklärung der Wahl zur Stadtversammlung von Belgrad vom 17. Dezember 2023, der von einem Vertreter der Koalition „Serbien gegen Gewalt“ beim Verfassungsgericht eingereicht wurde;
7. verurteilt das Ausbleiben von Strafverfolgung und Sanktionierung von während der Wahlen begangenen Verstößen, darunter schwerwiegende Vorwürfe in Bezug auf die unrechtmäßige Manipulation des Wählerverzeichnisses und des Wahlrechts, Druck auf und Einschüchterung von Bürgern und Wahlkandidaten, Fälle von Korruption, Fälschung von Unterschriften von Bürgern, Klientelismus, unrechtmäßiger und rechtswidriger Missbrauch von Bürgerdaten, Missbrauch staatlicher Ämter, und das Fehlen wirksamer Mechanismen, um zu verhindern, dass die Amtsinhaber bei der Wahl einen unfairen institutionellen Vorteil erlangen;
8. fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, die Verantwortlichen für Straftaten während der Wahlen und für Angriffe auf Studierende zu ermitteln, strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen;
9. verurteilt die von serbischen Amtsträgern dirigierten Angriffe auf Wahlbeobachter, darunter auch Mitglieder des Europäischen Parlaments, fordert eine Rückkehr zu einem respektvollen und konstruktiven Diskurs und hebt dabei die Bedeutung des gegenseitigen Respekts im demokratischen Prozess hervor; ist zutiefst besorgt über die Versuche, die Beobachter zu diskreditieren und einzuschüchtern; fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um weitere Desinformationskampagnen gegen Wahlbeobachter zu unterbinden und Bedingungen zu schaffen, die es nationalen und internationalen Wahlbeobachtern ermöglichen, ihre Arbeit wirksam auszuführen, und sie vor jeglicher Gewalt, Drohungen, Vergeltungsmaßnahmen, nachteiliger Diskriminierung, Druck oder anderen willkürlichen Handlungen zu schützen, denen sie aufgrund der rechtmäßigen Ausübung ihrer Rechte und Freiheiten ausgesetzt sind; würdigt die Arbeit der einheimischen Beobachter des Zentrums für Forschung, Transparenz und Rechenschaftspflicht (CRTA) und des Zentrums für freie Wahlen und Demokratie (CeSID);
10. ist besorgt über die „Passivisierung“ der Wohnadressen bestimmter Gruppen von Bürgern, unter anderem in Belgrad und Südserbien, wodurch ihnen das Wahlrecht vorenthalten wird; fordert die zuständigen staatlichen Stellen auf, diese schwerwiegenden Verstöße gegen das Wahlrecht unverzüglich zu beheben;
11. fordert die Republik Serbien nachdrücklich auf, Bedenken hinsichtlich der Beteiligung nationaler Minderheiten an den Wahlen auszuräumen, die einheitliche Anwendung der Kriterien für den Status einer Minderheit sicherzustellen und gegen die Anfälligkeit für Druckausübung und Stimmenkäufe vorzugehen;
12. fordert die Staatsorgane Serbiens auf, Vorschläge für institutionelle Lösungen zur Überwindung der derzeitigen Probleme vorzulegen; fordert das Parlament und die Regierung Serbiens auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um wirksam und ohne den ständigen Zyklus von Wahlkämpfen und häufigen vorgezogenen Wahlen zu arbeiten;
13. fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, das Vertrauen der Wähler in den gesamten Prozess wiederherzustellen, vollkommen transparente Wahlverfahren festzulegen und die Rechenschaftspflicht der Staatsorgane sicherzustellen, unabhängig davon, ob sie Wahlen durchführen oder in diese eingreifen; fordert die Staatsorgane Serbiens auf, uneingeschränkt und substanziell mit dem BDIMR, der EU und dem Europarat zusammenzuarbeiten und einen inklusiven Prozess zur Stärkung der mit Wahlen verbundenen Rechte und Freiheiten sowie der entsprechenden Institutionen und Verfahren unter Beteiligung inländischer Wahlbeobachter und politischer Parteien zu fördern; begrüßt jeden tatsächlichen Schritt in diese Richtung;
14. stellt mit Besorgnis fest, dass Serbien viele seit Langem geäußerte Empfehlungen des BDIMR der OSZE zu wichtigen Fragen des Wahlverfahrens nicht umgesetzt hat, obwohl das Land – unter anderem von der Kommission – wiederholt dazu aufgefordert wurde; nimmt die jüngsten Änderungen zur Kenntnis, mit denen ausgewählte Aspekte früherer Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission berücksichtigt wurden, insbesondere diejenigen, die sich auf den rechtlichen Rahmen für die Wahlkampffinanzierung beziehen;
15. sieht dem Abschlussbericht der internationalen Wahlbeobachtungsmission des BDIMR der OSZE erwartungsvoll entgegen; fordert Serbien nachdrücklich auf, die in der gemeinsamen Stellungnahme der Venedig-Kommission und des BDIMR der OSZE vom 19. Dezember 2022 zum verfassungsrechtlichen und rechtlichen Rahmen für die Funktionsweise der demokratischen Einrichtungen in Serbien enthaltenen Empfehlungen in Absprache mit Expertenorganisationen der Zivilgesellschaft und rechtzeitig vor den nächsten Wahlen umzusetzen, um neue Unregelmäßigkeiten und Betrug zu verhindern und gleichzeitig das demokratische Funktionieren des Landes sicherzustellen, insbesondere die Empfehlungen zum Zugang der konkurrierenden Kandidaten zu den Medien, zur verbesserten Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Wahlkampffinanzierung sowie zu Maßnahmen gegen die Ausübung von Druck auf die Wähler und gegen den Missbrauch von Verwaltungsressourcen;
16. fordert Serbien auf, die Empfehlung des BDIMR der OSZE umzusetzen, eine umfassende Prüfung des einheitlichen Wählerverzeichnisses durchzuführen, um Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit auszuräumen, einschließlich der Vorwürfe in Bezug auf die Umsiedlung von Wählern und die Einträge verstorbener Personen; ist besorgt über die Vorwürfe, dass im einheitlichen Wählerverzeichnis bereits ein erheblicher Zuwachs an Wählern in Städten, in denen später im Laufe des Jahres 2024 Kommunalwahlen stattfinden werden, festzustellen ist;
17. fordert die staatliche Wahlkommission nachdrücklich auf, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Effizienz ihrer Arbeitsweise auszuräumen, einschließlich der rechtzeitigen Veröffentlichung der Beobachtungsergebnisse während der Wahlkampfphase;
18. verurteilt das Fehlen von Medienpluralismus während der Wahlkampagne sowie die Desinformation und die weit verbreitete unethische und voreingenommene Medienberichterstattung zugunsten der Amtsinhaber; stellt mit Besorgnis fest, dass zahlreiche Medien von der Regierung beeinflusst oder kontrolliert werden, was zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen für Oppositionskandidaten während des Wahlkampfs geführt hat; verurteilt die Angriffe von regierungsnahen Medien auf kritische Journalisten; missbilligt, dass sich der serbische Präsident vor und während des Wahlkampfs so stark in der Öffentlichkeit exponiert hat, dass die Grenzen zwischen dem Präsidentenamt, dem Staat und der machthabenden Partei verwischt wurden;
19. ist besorgt darüber, dass sich die Bedingungen und der Pluralismus in den Medien trotz neuer Gesetze über elektronische Medien und öffentliche Informationen und Medien verschlechtert haben; bedauert zutiefst, dass die Regulierungsbehörde für elektronische Medien (REM) ihre gesetzlichen Verpflichtungen vernachlässigt hat, den Wahlkampf in den Medien zu kontrollieren, über ihre Ergebnisse zu berichten und Medien zu sanktionieren, die gegen das Gesetz verstoßen, Hetze verbreiten oder journalistische Standards verletzen; stellt mit Besorgnis fest, dass die REM nur Ergebnisse zur Beobachtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privater Kabelkanäle veröffentlicht hat, nicht jedoch Ergebnisse zu nationalen Privatsendern, die der Regierungspartei nahestehen;
20. ist besorgt über Fälle von Beschimpfungen und verbalen Angriffen in Verbindung mit Schikanen gegen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Organisationen der Zivilgesellschaft, die in einigen Fällen von Regierungsbeamten ausgingen, insbesondere im Vorfeld der Wahlen; fordert die Staatsorgane Serbiens nachdrücklich auf, gegen Einflussnahme und Desinformationskampagnen aus dem Ausland vorzugehen, den Schutz des unabhängigen Journalismus deutlich zu verbessern und für eine transparente Medienlandschaft zu sorgen; betont, dass die EU-Organe mehr tun müssen, um sicherzustellen, dass die Rechte und Freiheiten serbischer Journalisten und Medien geschützt werden; weist darauf hin, dass der Zugang zu Heranführungsmitteln als Hebel genutzt werden sollte, um eine weitere Verschlechterung der Lage der Medienfreiheit zu verhindern;
21. fordert eine Reform der Wirksamkeit der Mechanismen zur Überwachung der Kampagnen, einschließlich der Agentur für Korruptionsprävention und des Ad-hoc-Ausschusses für die Überwachung von Kampagnen, um eine zeitnahe und transparente Bearbeitung von Beschwerden im Zusammenhang mit dem Missbrauch öffentlicher Mittel sicherzustellen;
22. betont, dass Serbien als Bewerberland für die EU-Mitgliedschaft die grundlegenden europäischen und internationalen demokratischen Standards nicht ausreichend umgesetzt hat; fordert die serbischen Staatsorgane auf, dafür zu sorgen, dass für die Abhaltung der nächsten ordentlichen Kommunalwahl 2024 sowie künftige Wahlen ausreichende demokratische Garantien vorhanden sind;
23. stellt fest, dass – mit einer Ausnahme – alle serbischen Parlamente in den letzten zwölf Jahren vorzeitig aufgelöst wurden und dass durch weitere unnötige vorgezogene Wahlen die politische Stabilität untergraben wird; hebt hervor, dass die ständigen vorgezogenen Wahlen, der andauernde Wahlkampfmodus und die langen Verzögerungen bei der Regierungsbildung nicht zu einer effizienten demokratischen Regierungsführung des Landes beitragen, sondern das Parlament schwächen und zu einem Mangel an parlamentarischer und gesetzgeberischer Kontrolle sowie zu einem Mangel an Legitimität führen;
24. betont die Bedeutung der Redefreiheit und erkennt an, dass jeder das Recht hat, seine Meinung zu äußern und an friedlichen Protestkundgebungen teilzunehmen; verurteilt in diesem Zusammenhang die unverhältnismäßige Anwendung von Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, die gegen Wahlbetrug protestieren; ist besorgt über die Behauptungen, dass Provokateure die Proteste unterwandert haben, um die Polizei zum Eingreifen zu bewegen; ist besorgt über die Einschätzung, dass einige Teilnehmer der Proteste vom 24. Dezember 2023 von Polizei und Justiz unverhältnismäßig brutal behandelt wurden, was in eklatantem Gegensatz zur Vorgehensweise der serbischen Polizei bei früheren Protesten im Land steht; fordert die diplomatischen Vertretungen der EU und der Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die laufenden Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Protesten weiterhin zu beobachten;
25. verurteilt aufs Schärfste die haltlosen Behauptungen der Staatsorgane Serbiens, dass sich EU-Mitgliedstaaten an der Organisation der Proteste nach den Wahlen beteiligt hätten; bedauert, dass die Proteste als Vorwand genutzt werden, um in den der Regierungspartei nahestehenden Medien EU-feindliche Narrative zu verbreiten;
26. bedauert, dass die Kommission, insbesondere das für Erweiterung zuständige Kommissionsmitglied, keine klare Kritik an den zahlreichen Vorwürfen des Wahlbetrugs bei den Wahlen in Serbien geäußert hat, und fordert die Kommission auf, die Mängel, die zu diesen Vorwürfen geführt haben, unverzüglich zu beheben;
27. bekräftigt seinen Standpunkt, dass die Beitrittsverhandlungen mit Serbien nur dann vorankommen sollten, wenn das Land deutliche Fortschritte bei seinen EU-bezogenen Reformen erzielt, einschließlich der vollständigen Umsetzung der Empfehlungen des BDIMR der OSZE und der Venedig-Kommission; fordert die Kommission und den Rat auf, eine strenge Auflagenbindung anzuwenden; fordert die Kommission auf, die Berichte des Europäischen Rechnungshofs gründlich weiterzuverfolgen und unverzüglich mit der Prüfung der Mittel zu beginnen, die der serbischen Regierung im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe III (IPA III) und anderer Finanzinstrumente bereitgestellt wurden; betont, dass es die Aussetzung der EU-Finanzierung auf der Grundlage schwerwiegender Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit im Zusammenhang mit den Wahlen in Serbien fordert, falls die Staatsorgane Serbiens nicht bereit sind, wichtige Wahlempfehlungen umzusetzen, oder falls die Ergebnisse dieser Untersuchung darauf hindeuten, dass die Staatsorgane direkt in den Wahlbetrug verwickelt waren;
28. ist bestrebt, die Entwicklungen nach den Wahlen in Serbien genau zu beobachten, und verpflichtet sich, Reformen zu unterstützen, die die Demokratie stärken und Serbien dabei helfen, auf dem Weg zum EU-Beitritt voranzukommen; betont, dass es sich stets darum bemüht hat, den politischen Pluralismus und die Stärkung eines inklusiven Umfelds für Wahlen in Serbien durch all seine Tätigkeiten zu unterstützen, insbesondere durch den parteiübergreifenden und den parlamentarischen Dialog; betont, dass es wichtig ist, den parteiübergreifenden Dialog und den parlamentarischen Dialog fortzusetzen; fordert die EU auf, einen internen und konstruktiven Dialog in Serbien zwischen der Regierung und der Opposition zu fördern, um das derzeitige Klima einer tiefen politischen Polarisierung zu überwinden; ist der Ansicht, dass das Parlament vor diesem Hintergrund das am besten geeignete Organ ist, um als konstruktiver Vermittler zu fungieren;
29. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Rates, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten, der Regierung und der Nationalversammlung Serbiens, dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE, der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu übermitteln.
Bericht über die Umsetzung der Strategie der EU für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zur Umsetzung der Strategie der EU für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 (2023/2082(INI))
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),
– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH),
– unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 5. Juni 2018 in der Rechtssache C-673/16,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul), das am 28. Juni 2023 von der Europäischen Union ratifiziert wurde,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
– unter Hinweis auf die Yogyakarta-Prinzipien und auf die Anwendung der internationalen Menschenrechtsnormen zu sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität, dem Ausdruck der Geschlechtlichkeit und den Geschlechtsmerkmalen,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025“ (COM(2020)0698),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. September 2021 zu Rechten von LGBTIQ-Personen in der EU(1),
– unter Hinweis auf den Fortschrittsbericht der Kommission über die Umsetzung der Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. März 2021 zur Ausrufung der EU zum Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2020 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zu Verstößen gegen das EU-Recht und die Rechte von LGBTIQ-Bürgern in Ungarn infolge der im ungarischen Parlament angenommenen Gesetzesänderungen(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2022 zur Zunahme der Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Personen in Europa angesichts des jüngsten homophoben Mordes in der Slowakei(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 29. April 2023 zur allgemeinen Entkriminalisierung der Homosexualität angesichts der jüngsten Entwicklungen in Uganda(6),
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 7. Dezember 2022 für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen sowie zur Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats (COM(2022)0695),
– unter Hinweis auf die Studie seiner Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst vom Dezember 2023 mit dem Titel „The LGBTIQ Equality Strategy 2020-2025 – Implementation overview“ (Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 – Überblick über die Umsetzung)(7),
– unter Hinweis auf die von der Kommission 2022 ausgearbeiteten EU-Leitlinien für Strategien und Aktionspläne zur Verbesserung der Gleichstellung von LGBTIQ-Personen,
– unter Hinweis auf den Durchführungsbeschluss (EU) 2024/442 der Kommission vom 24. Januar 2024 betreffend den Antrag auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative „Verbot von Konversionsmaßnahmen in der Europäischen Union“ gemäß der Verordnung (EU) 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates(8),
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e und Anlage 3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12. Dezember 2002 zum Verfahren für die Genehmigung zur Ausarbeitung von Initiativberichten,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0030/2024),
A. in der Erwägung, dass die Rechte von LGBTIQ+-Personen Grundrechte sind und dass Kontrollen und Gegenkontrollen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie für den Schutz der Rechte von LGBTIQ-Personen von zentraler Bedeutung sind; in der Erwägung, dass die Sicherheit und Würde von LGBTIQ+-Personen gleichbedeutend mit der Sicherheit und Würde aller Menschen ist;
B. in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein in den Verträgen und in der Charta verankertes Grundrecht ist und uneingeschränkt geachtet werden sollte;
C. in der Erwägung, dass Gleichheit und der Schutz von Minderheiten zu den in Artikel 2 EUV verankerten Werten der EU gehören;
D. in der Erwägung, dass Artikel 21 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besagt, dass jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten;
E. in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten im Rahmen des Völkerrechts und der EU-Verträge Verpflichtungen zur Achtung, zur Gewährleistung, zum Schutz und zur Durchsetzung der Grundrechte eingegangen sind;
F. in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten Fortschritte beim Schutz und bei der Förderung der Rechte von LGBTIQ+-Personen erzielt wurden;
G. in der Erwägung, dass Diskriminierung aufgrund der tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität und des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit sowie der Geschlechtsmerkmale (SOGIESC) in der gesamten EU fortbesteht;
H. in der Erwägung, dass die Entwicklungen in einigen Mitgliedstaaten gezeigt haben, dass Fortschritte bei den Rechten von LGBTIQ+-Personen nicht als selbstverständlich angesehen werden können;
I. in der Erwägung, dass die Kommission zusammen mit dem Parlament und 15 Mitgliedstaaten im Jahr 2022 Ungarn vor dem EuGH wegen Verletzung der Rechte von LGBTIQ-Personen verklagt hat;
J. in der Erwägung, dass Lettland der Untergruppe für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen beitreten sollte, die unter der Hochrangigen Gruppe für Nichtdiskriminierung, Gleichstellung und Vielfalt eingerichtet wurde – als letzter Mitgliedstaat, der dies tut, nachdem Zypern kürzlich sein Interesse bekundet hat – mit dem Ziel, die Umsetzung der LGBTIQ-Strategie in allen Mitgliedstaaten zu verbessern;
K. in der Erwägung, dass das Parlament diskriminierende Gesetze, politische Maßnahmen und Praktiken, die sich gegen LGBTIQ+-Personen richten, wie zum Beispiel das „Anti-Homosexuellen-Gesetz“ in Uganda, aufs Schärfste verurteilt hat;
L. in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof Russlands die „internationale LGBT-Bewegung“ am 30. November 2023 zu einer extremistischen Organisation erklärt und damit verboten hat; in der Erwägung, dass dieser Beschluss einen schweren Angriff auf LGBTIQ+-Personen und Menschenrechtsverteidiger in Russland darstellt und schwerwiegende Auswirkungen auf deren Lage haben wird; in der Erwägung, dass LGBTIQ+-Personen in China zunehmend Belästigung und Zensur ausgesetzt sind, auch im Internet;
M. in der Erwägung, dass im Jahresbericht 2023 der europäischen Sektion der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans und Intersex Association (ILGA Europe) bei Gewalttaten gegen LGBTIQ+-Personen die höchsten Zahlen seit zwölf Jahren verzeichnet wurden;
N. in der Erwägung, dass die Zunahme der rechtefeindlichen Rhetorik, einschließlich seitens gewählter Politiker, dazu beigetragen hat, ein feindseliges Umfeld für LGBTIQ+-Personen und diejenigen zu schaffen, die sich für die Rechte von LGBTIQ+-Personen einsetzen;
O. in der Erwägung, dass der Aufbau sicherer, freier und inklusiver Gesellschaften für LGBTIQ+-Personen voraussetzt, dass gegen vielfältige und sich überschneidende Erscheinungsformen von Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt vorgegangen wird;
P. in der Erwägung, dass LGBTIQ+-Personen weltweit Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind;
Q. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union verpflichtet hat, die Rechte von LGBTIQ+-Personen weltweit zu fördern und zu schützen;
R. in der Erwägung, dass alle Formen und Ausprägungen von Hass und Intoleranz, einschließlich Hetze und Hassverbrechen, nicht mit den in Artikel 2 EUV verankerten Werten der EU wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte vereinbar sind;
S. in der Erwägung, dass bei sogenannten Konversionsmaßnahmen verschiedene Methoden wie beispielsweise Elektroschocks, Hormoneinnahme oder Exorzismusriten zum Einsatz kommen können, die Folterhandlungen gleichkommen; in der Erwägung, dass schätzungsweise 2 % der LGBTIQ+-Personen in der EU solchen „Konversionsmaßnahmen“ unterzogen wurden und 5 % von ihnen „Konversionsmaßnahmen“ angeboten wurden, wobei die tatsächlichen Zahlen viel höher sein könnten;
T. in der Erwägung, dass die Europäische Bürgerinitiative mit dem Titel „Verbot von Konversionsmaßnahmen in der Europäischen Union“ der Kommission am 27. November 2023 vorgelegt wurde; in der Erwägung, dass die EU darin aufgefordert wird, ein rechtsverbindliches Verbot der auf LGBTIQ+-Bürgerinnen und -Bürger ausgerichteten Konversionsmaßnahmen in der Europäischen Union vorzuschlagen; in der Erwägung, dass die Kommission diese Europäische Bürgerinitiative am 21. Januar 2024 vollständig registriert hat;
Wichtigste Schlussfolgerungen
1. begrüßt die von der Kommission am 12. November 2020 verabschiedete Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 (COM(2020)0698) und deren vor Kurzem bereitgestellten Fortschrittsbericht zur Umsetzung der Strategie; nimmt die Zusage der Kommission zur Kenntnis, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Strategie zu unterstützen, ist aber zutiefst darüber besorgt, dass die Mitgliedstaaten der Strategie nicht in gleichem Maße offen gegenüberstehen; begrüßt die Bemühungen der Kommission bei der Förderung der Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen in allen in der Strategie enthaltenen Bereichen; bedauert, dass bestimmte von der Kommission ursprünglich vorgesehene Leitaktionen bisher noch nicht umgesetzt wurden;
2. würdigt die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 erzielt wurden, betont jedoch, dass die tatsächliche Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen in der EU noch lange keine Realität ist; äußert sich besorgt über die Diskriminierung und Gewalt, denen LGBTIQ+-Personen in der EU ausgesetzt sind, und über die Folgen, die sich daraus für die uneingeschränkte Ausübung eines freien und würdevollen Lebens ergeben;
3. bedauert, dass die horizontale Antidiskriminierungsrichtlinie seit 2008 im Rat blockiert wird; ist der Ansicht, dass jede Aktualisierung dieses Vorschlags durch die Kommission auf dem Standpunkt des Parlaments aufbauen, sich mit intersektioneller Diskriminierung befassen und Diskriminierung aus jeglicher Kombination von in der Charta aufgeführten Gründen ausdrücklich verbieten muss; bedauert, dass der Rat diese Forderungen ignoriert hat, und fordert den Rat auf, sie in sein Mandat aufzunehmen und alle geeigneten Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung in der EU zu ergreifen;
4. fordert, dass die Gründe der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit und der Geschlechtsmerkmale in die EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgenommen werden, und zwar auf der Grundlage einer weiten Auslegung der Gründe der sexuellen Ausrichtung und des Geschlechts sowie des in den Verträgen verankerten Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern; weist darauf hin, dass dadurch Rechtssicherheit und ein umfassender Schutz von LGBTIQ+-Personen geschaffen wird;
5. betont, dass LGBTIQ+-Personen unverhältnismäßig stark von Obdachlosigkeit, Armut und sozioökonomischer Ausgrenzung betroffen sind; ist besorgt über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie der Lebenshaltungskosten und der Wohnungskrise auf das Leben von LGBTIQ+-Personen; weist nochmals darauf hin, dass das Recht auf Unterkunft ein Grundrecht ist;
6. bedauert, dass LGBTIQ+-Personen beim Zugang zu Beschäftigung, insbesondere zu menschenwürdigen Arbeitsplätzen, trotz der EU-Rechtsvorschriften zum Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf aufgrund der sexuellen Ausrichtung nach wie vor mit Hindernissen konfrontiert sind; vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Rechten von LGBTIQ+-Personen um Arbeitnehmerrechte handelt;
7. betont, dass eine Diskriminierung aufgrund der tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit und aufgrund der Geschlechtsmerkmale noch immer erhebliche Auswirkungen auf die körperliche, geistige und sexuelle Gesundheit und das Wohlergehen von LGBTIQ+-Personen hat; bedauert, dass LGBTIQ+-Personen beim Zugang zu Gesundheitsversorgung weiterhin Diskriminierung ausgesetzt sind; betont, dass die Gesundheitsversorgung als allgemeine,, zeitnah verfügbare und zugängliche öffentliche Dienstleistung angeboten werden sollte;
8. unterstreicht, dass in allen Mitgliedstaaten eine inklusive und sichere Bildung für LGBTIQ+-Personen gegeben sein muss, besonders für LGBTIQ+-Jugendliche;
9. bedauert, dass LGBTIQ+-Personen in manchen Mitgliedstaaten nach wie vor Diskriminierung ausgesetzt sind, was Zugang zu sozialem Schutz, sozialer Sicherung, Zugang zur Versorgung mit Gütern und zu anderen Sektoren oder Dienstleistungen betrifft;
10. bedauert, dass ältere LGBTIQ+-Personen von fehlenden Rechten für LGBTIQ+-Personen besonders betroffen sind, was ihr Gefühl der sozialen Isolation und ihre Hindernisse beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen weiter verschärft; hebt hervor, dass ältere LGBTIQ+-Personen bei der Gestaltung öffentlicher Maßnahmen und Projekte häufig vernachlässigt werden, auch bei solchen, die auf LGBTIQ+-Personen zugeschnitten sind; betont, dass ältere LGBTIQ+-Personen unverhältnismäßig von Armut und einem mangelhaften Zugang zu geeigneten Wohnungen und adäquaten Versorgungsnetzwerken betroffen sind; betont, dass in einem europäischen Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen niemand zurückgelassen werden darf;
11. hebt hervor, dass Versorgungsdienste für LGBTIQ+-Personen immer die Würde, die Selbstständigkeit, die Autonomie, das Wohlergehen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben der die Dienste empfangenden Menschen sicherstellen müssen, was das Angebot von häuslicher Pflege und gemeindenahen Diensten einschließt;
12. stellt fest, dass LGBTIQ+-Personen in ländlichen Regionen, Randgebieten und Gebieten in äußersten Randlagen beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen mit besonderen Herausforderungen und Hindernissen konfrontiert sind;
13. äußert sich zutiefst besorgt darüber, dass LGBTIQ+-Personen ihr Recht ausüben müssen, in der Europäischen Union Asyl zu beantragen; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass trans* und intersexuelle Personen bei der Beantragung von Asyl mit zusätzlichen Hindernissen konfrontiert sind; unterstreicht, dass es wichtig ist, die Situation von LGBTIQ+-Personen bei der Gestaltung der Asyl- und Migrationspolitik der Union zu berücksichtigen;
14. äußert sich zutiefst besorgt über die Zunahme von Hetze, Hassverbrechen und Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen, auch auf Online-Plattformen, wo dies dazu führen könnte, dass die Rechte der Zuschauer von LGBTIQ+-Inhalten auf Privatsphäre verletzt werden; weist erneut darauf hin, dass es vorbeugende und schützende öffentliche Maßnahmen bezüglich vorurteilsbasierter Hetze, Hassverbrechen und Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen geben muss; stellt fest, dass Fälle von Hetze und Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Personen zu selten gemeldet werden, was auf einen Mangel an Vertrauen in staatliche Behörden bezüglich der Verfolgung dieser Verbrechen zurückzuführen ist;
15. verurteilt, dass der Aufstieg rechtsextremer politischer Kräfte zu einer Zunahme der Stigmatisierung, Belästigung und Verfolgung von LGBTIQ+-Personen und zivilgesellschaftlichen LGBTIQ+-Organisationen und -Aktivisten sowie zu einem Anstieg der Gewalt gegenüber diesen Gruppen geführt hat; verurteilt, dass die LGBTIQ+-Gemeinschaft zunehmend zum Sündenbock gemacht wird und dass die Unterstützung der Rechte von LGBTIQ+-Personen schädlicherweise als „Ideologie“ bezeichnet wird;
16. betont, dass die EU in formalen Verhandlungen mit Kandidatenländern auf die Situation von LGBTIQ+-Personen eingehen und alle Erweiterungsländer dabei unterstützen muss, Rechtslücken in Bezug auf die Rechte von LGBTIQ+-Personen zu schließen und die Grundwerte von LGBTIQ+-Personen zu schützen;
17. fordert nachdrücklich, dass die EU einen gemeinsamen Ansatz bei der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen und Partnerschaften sowie von Regenbogeneltern, einschließlich trans* Eltern, sowie bei der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit verfolgen muss, um im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des EGMR bestmöglich für das Wohl der Kinder zu sorgen;
18. unterstreicht die Herausforderungen, denen trans*, nicht-binäre und intersexuelle Personen in der EU ausgesetzt sind, besonders in Hinblick auf ihren sozioökonomischen und soziodemografischen Status; unterstreicht, dass das Fehlen von oder die Hürden beim Zugang zu Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit in Mitgliedstaaten der Union gegen die Rechte von trans*, nicht-binären und intersexuellen Personen verstoßen und diese Personen in ihren Bestrebungen behindern;
19. besteht darauf, dass Regenbogenfamilien das Recht auf Freizügigkeit in der EU haben und dass Kinder von Regenbogenfamilien beim Erwerb der Unionsbürgerschaft nicht diskriminiert werden sollten;
20. äußert sich besorgt darüber, dass Technologien zur Gesichtserkennung und Profilerstellung für LGBTIQ+-Personen und vor allem für trans*, nicht-binäre und intersexuelle Personen zu größeren Risiken führen könnten;
21. bedauert, dass es keinen kohärenten Überblick über die EU-Mittel für die Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen im Rahmen der verschiedenen, die Strategie unterstützenden Programme gibt;
22. betont, dass die Kommission dringend den Zugang zu Finanzmitteln für Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für die Menschenrechte von LGBTIQ+-Personen in der Union und in Drittstaaten einsetzen, sicherstellen muss; weist darauf hin, dass eine adäquate und flexible Finanzausstattung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für die Rechte von LGBTIQ+-Personen einsetzen, eine wesentliche Voraussetzung für den Schutz und die Förderung der Rechte von LGBTIQ+-Personen in der Europäischen Union und in Drittstaaten ist;
23. begrüßt die Initiativen der EU, die auf den Schutz von Verteidigern der Menschenrechte von LGBTIQ+-Personen und die Erleichterung von deren Arbeit für den Schutz von Grundrechten abzielen; unterstreicht, dass die EU weiterhin gegen die Stigmatisierung, Einschüchterung und Belästigung von Verteidigern der Menschenrechte von LGBTIQ+-Personen auf der ganzen Welt vorgehen muss; begrüßt die Unterstützung, die die Kommission LGBTIQ+-Aktivisten in der Ukraine seit dem Beginn der Invasion und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine entgegenbringt, besonders durch die „Direktvergabe“-Modalität;
24. weist darauf hin, dass die humanitäre Hilfe der EU die Aspekte Geschlecht, Alter, Schutz und LGBTIQ+ sowie gleichzeitig Intersektionalität als übergreifendes Prinzip berücksichtigen und mit den humanitären Grundsätzen im Einklang stehen sollte;
25. betont, dass die EU beim Schutz der Grundrechte niemanden zurücklassen darf.
Empfehlungen
26. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Rechte von LGBTIQ+-Personen in allen Politikbereichen der EU wirklich durchgängig berücksichtigt werden; fordert, dass die Maßnahmen Mehrfachdiskriminierung und intersektionelle Diskriminierung abdecken, die unter anderem auf sozioökonomischem Status, Alter, Rasse, Religion, tatsächlicher oder wahrgenommener sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität, Ausdruck der Geschlechtlichkeit und Geschlechtsmerkmalen oder Behinderung beruhen kann; fordert, dass die Maßnahmen die besonderen Bedingungen in ländlichen Regionen, Randgebieten und Gebieten in äußersten Randlagen berücksichtigen;
27. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, SOGIESC in die Gründe aufzunehmen, die in den EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgeführt werden, und zwar im Einklang mit dem Mandat des Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über Standards für Gleichstellungsstellen(9);
28. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, LGBTIQ+-Personen in die politische Entscheidungsfindung, u. a. in die Gestaltung und Umsetzung von sozioökonomischen, wohnungspolitischen und bildungspolitischen Maßnahmen einzubeziehen; fordert die Mitgliedstaaten auf, auf die Lebenshaltungskosten und die Wohnungskrise einzugehen und dabei unter anderem spezifische Maßnahmen für LGBTIQ+-Personen zu definieren;
29. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf umzusetzen.
30. begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Zuständigkeit, das geltende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Anerkennung öffentlicher Zertifikate in Fragen der Elternschaft sowie über die Einführung eines europäischen Elternschaftszertifikats, um die Rechte aller Kinder zu schützen, indem sichergestellt wird, dass ihre in einem Mitgliedstaat bestehenden elterlichen Bindungen, darunter insbesondere auch gleichgeschlechtliche Eltern, in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden; fordert die Kommission auf, das Potenzial anderer Rechtsgrundlagen in den Verträgen, insbesondere der Artikel 19 und 21 AEUV, zu prüfen, um sicherzustellen, dass Eheschließungen, Partnerschaften, Elternschaft und Familienleben von LGBTIQ+-Personen vollständig und bedingungslos von allen Mitgliedstaaten diskriminierungsfrei und ohne Hürden für die Freizügigkeit anerkannt werden;
31. begrüßt den Beschluss der Kommission vom 15. Juli 2021, rechtliche Schritte gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, die die Grundrechte von LGBTIQ+-Personen verletzen; fordert die Kommission auf, die Umsetzung des EU-Rechts in den Mitgliedstaaten weiterhin genau zu überwachen und in Fällen, in denen die Grundrechte von LGBTIQ+-Personen gemäß Artikel 2 EUV, der Charta der Grundrechte oder abgeleitetem Recht, wie jeweils zutreffend, verletzt wurden, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten; fordert die Kommission auf, systematisch auf beschleunigte Verfahren und die Beantragung einstweiliger Maßnahmen vor dem EuGH zurückzugreifen;
32. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten den Urteilen des EuGH und des EGMR – insbesondere in Bezug auf LGBTIQ+-Personen und Regenbogenfamilien, die Binnengrenzen der EU überschreiten – nachkommen, indem sie in allen anderen Fällen Maßnahmen gemäß Artikel 260 Absatz 2 AEUV und der Verordnung über die Konditionalität verhängt;
33. fordert alle Mitgliedstaaten auf, sich an die Leitlinien für Strategien und Aktionspläne zur Verbesserung der Gleichstellung von LGBTIQ-Personen(10) zu halten, die von der Untergruppe für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen erstellt wurden;
34. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Abdeckung der Gesundheitsdienste auszuweiten und es LGBTIQ+-Personen zu ermöglichen, eine besondere Versorgung, die auch sexuelle und reproduktive Gesundheit und Technologien umfasst, in Anspruch zu nehmen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen im Gesundheitswesen zu ergreifen;
35. fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr Mittel für die Bereitstellung von Diensten zur Verfügung zu stellen, die LGBTIQ+-Personen helfen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind, insbesondere Frauen, und dabei ihren besonderen Bedürfnissen und Erfahrungen Rechnung zu tragen;
36. weist erneut darauf hin, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass Technologien zur Gesichtserkennung und Profilerstellung an den Grundsätzen der Transparenz, Erklärbarkeit, Fairness und Rechenschaftspflicht ausgerichtet werden, um den Vorurteilen und Risiken, die für LGBTIQ+-Personen entstehen, entgegenzuwirken;
37. fordert die EU auf, LGBTIQ+-Personen, auch solchen aus als sichere Herkunftsländer klassifizierten Drittstaaten, Zugang zu Asylverfahren zu gewähren;
38. fordert die Kommission auf, für die Unterstützung der Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds Sorge zu tragen, wie im Rahmen der Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 angekündigt, und diese Unterstützung in das Arbeitsprogramm 2023-2025 aufzunehmen;
39. fordert die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) auf, ihre praktischen Leitlinien für Personen, die auf der Basis von SOGIESC einen Antrag stellen, rasch fertigzustellen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, diese Leitlinien dann zu befolgen;
40. fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der Anti-Gender-Bewegung zu überwachen und zivilgesellschaftliche Organisationen und akademische Projekte, die diese untersuchen, zu finanzieren, um wirksam dagegen vorzugehen;
41. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, bei der Gestaltung von Maßnahmen und Programmen zur Unterstützung von LGBTIQ+-Personen in Europa und der ganzen Welt auf das empirische und systematische Wissen zurückzugreifen, das von zivilgesellschaftlichen Organisationen und der akademischen Forschung aufgebaut wird.
42. fordert die Union und die Mitgliedstaaten auf, die tatsächliche oder wahrgenommene sexuelle Ausrichtung, die Geschlechtsidentität, den Ausdruck der Geschlechtlichkeit und die Geschlechtsmerkmale als Basis für Vorurteile anzuerkennen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Hetze, Hassverbrechen und Gewalt aufgrund von SOGIESC-basierten Vorurteilen, auch im Internet, anzugehen; begrüßt die Initiative der Kommission, Hetze und Hassverbrechen in den Katalog der EU-Straftaten in Artikel 83 Absatz 1 AEUV aufzunehmen, was die Festlegung von Mindestregeln für die in allen EU-Mitgliedstaaten geltende Definition von Straftaten und Sanktionen ermöglichen würde; betont, dass eine solide strafrechtliche Antwort auf Hetze und Hassverbrechen in der EU notwendig ist; bedauert zutiefst, dass seit der Veröffentlichung der Mitteilung der Kommission fast zwei Jahre vergangen sind und dass der Rat diesbezüglich keine Fortschritte erzielt hat, während er in der Lage war, die Liste der EU-Straftatbestände zu anderen Zwecken zügig zu erweitern; bedauert diese Untätigkeit angesichts der Zunahme von Hetze und Hasskriminalität; fordert den Rat erneut auf, sorgfältig auf einen Konsens hinzuarbeiten, damit die Kommission die zweite Phase des Verfahrens einleiten kann;
43. fordert die Kommission nachdrücklich auf, ein Arbeitsprogramm zur Sensibilisierung und zur Ermutigung der Meldung von Hassverbrechen aufgrund von SOGIESC-basierten Vorteilen voranzubringen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass Polizeikräfte und Justizbedienstete zu LGBTIQ+-Angelegenheiten geschult werden, um LGBTIQ+-Personen besser unterstützen und Fälle von Hassverbrechen angemessen untersuchen und verfolgen zu können;
44. fordert die Kommission auf, den rechtlichen Rahmen der EU und die möglichen Wege, die bei der Bekämpfung und dem Verbot von „Konversionspraktiken“ auf EU-Ebene eingeschlagen werden können, zu prüfen, und die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, SOGIESC-basierte „Konversionsmaßnahmen“ zu verbieten;
45. begrüßt die förmliche Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative mit dem Titel „Verbot von Konversionsmaßnahmen in der Europäischen Union“ durch die Kommission, da mit diesem ersten Schritt auf europäischer Ebene die Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden in dieser Angelegenheit anerkannt wird; bringt seine Unterstützung für diese Europäische Bürgerinitiative zum Ausdruck; fordert die Kommission auf, entsprechend tätig zu werden und auf der Grundlage der Verträge und der Verordnung über die Bürgerinitiative(11) Rechtsakte vorzuschlagen;
46. fordert ein Verbot der Genitalverstümmelung, insbesondere bei intersexuellen Personen, Mädchen und Frauen;
47. fordert die Mitgliedstaaten auf, sich weiterhin über bewährte Vorgehensweisen beim Schutz der Grundrechte von intersexuellen Kindern auszutauschen;
48. fordert ein Verbot von Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen; betont die Bedeutung des Rechts auf Selbstbestimmung, der Autonomie sowie der körperlichen und geistigen Gesundheit von LGBTIQ+-Personen; unterstreicht, dass die Position des Parlaments bezüglich einer Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt das Hinzufügen von Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen, Genitalverstümmelung bei intersexuellen Personen und Zwangssterilisierung zu den EU-Straftatbeständen einschließt;
49. fordert die Mitgliedstaaten auf, Eheschließungen und Elternschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren für die Zwecke der Ausübung von aus Unionsrecht abgeleiteten Rechten anzuerkennen, wie vom EuGH gefordert;
50. fordert die Mitgliedstaaten auf, mit Unterstützung der Kommission zugängliche Gesetze und Verfahren zur rechtlichen Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit einzuführen;
51. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ein sicheres und inklusives Umfeld, u. a. in den Bereichen Bildung, Kultur und Sport, zu fördern;
52. fordert die Mitgliedstaaten auf, weitere Schritte zu ergreifen, um die rechtliche Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen mit Behinderungen durch einen ausdrücklichen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und Geschlechtsidentität zu garantieren; weist darauf hin, dass diese Gleichstellung in allen Lebensbereichen erforderlich ist, einschließlich Beschäftigung, Unterkunft, Bildung, öffentliche Einrichtungen und Kreditwesen;
53. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen des Rates über Wege zum schulischen Erfolg umzusetzen und insbesondere Maßnahmen gegen die Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen, besonders LGBTIQ+-Jugendlichen, zu ergreifen, um für eine sichere und inklusive Bildung Sorge zu tragen;
54. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Maßnahmen gegen Mobbing und Belästigung von LGBTIQ+-Kindern und -Jugendlichen in Schulen sowie die Sensibilisierung für solche Fälle zu verstärken; betont, dass solche Situationen zu sozialer Ausgrenzung beitragen;
55. fordert die Kommission auf, die Erasmus+-Fördermittel unter dem Thema „Förderung der Gleichstellung von LGBT+“ durch aktive Kommunikationsbemühungen in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden aufzustocken;
56. fordert die EU auf, in Einklang mit ihren EU-Menschenrechtsleitlinien über Nichtdiskriminierung im auswärtigen Handeln ein Vorbild zu sein und eine Führungsrolle bei der weltweiten Förderung der Rechte von LGBTIQ+-Personen zu übernehmen;
57. fordert die Kommission auf, einen Sonderbeauftragten für die Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen im Europäischen Auswärtigen Dienst einzusetzen, damit eine horizontale Umsetzung der Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 im Ausland sichergestellt werden kann;
58. ist besorgt über die Situation der Rechte von LGBTIQ+-Personen weltweit; fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, die Entwicklungspolitik als Instrument zur Durchsetzung von Reformen in Entwicklungsländern zu nutzen, um die Rückschritte bei der Anerkennung und dem Schutz dieser Rechte anzugehen und die Rechte von LGBTIQ+-Personen sicherzustellen;
59. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass LGBTIQ+-Personen im Rahmen von Haushalts- und Finanzierungsinstrumenten sowie umfassenderer Entwicklungshilfeprogramme unterstützt werden;
60. fordert die Kommission auf, Bewerberländer und mögliche Bewerberländer bei der Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften zu unterstützen, einschließlich im Bereich der Rechte von LGBTIQ+-Personen, und deren Fortschritte zu verfolgen;
61. fordert die Kommission auf, die Möglichkeit der erneuten finanziellen Unterstützung weiter zu verbessern und flexible Finanzmittel bereitzustellen, damit kleine Basisorganisationen, die im Bereich der Verteidigung der Menschenrechte aktiv sind, sowie andere Akteure der Zivilgesellschaft, die sich für die Rechte von LGBTIQ+-Personen einsetzen, im Einklang mit dem Unionsrecht in der Union und in Drittstaaten Zugang zu solchen Mitteln erhalten;
62. fordert die Kommission auf, ihre Kommunikation in Bezug auf Fördermöglichkeiten für den Einsatz für die Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen, besonders in Mitgliedstaaten, in denen es diesbezüglich Rückschritte gegeben hat, weiter zu verbessern;
63. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten EU-Mittel unter Einhaltung der Charta verwalten, einschließlich des Rechts auf Nichtdiskriminierung, wie durch eine zielübergreifende „grundlegende Voraussetzung“ unter der Dachverordnung(12) vorgesehen; betont, dass keine Ausgaben von der Kommission erstattet werden können, bis die entsprechenden grundlegenden Voraussetzungen erfüllt wurden;
64. fordert die EU auf, weiterhin gegen die Stigmatisierung und Belästigung von LGBTIQ+-Menschenrechtsverteidigern vorzugehen und diese in Drittstaaten zu schützen; fordert die EU nachdrücklich auf, diesen Mechanismus auf Menschenrechtsverteidiger in der EU auszuweiten, um den Schutz von LGBTIQ+-Menschenrechtsverteidigern in den Mitgliedstaaten zu ermöglichen;
65. fordert die EU nachdrücklich auf, diesen Schutz auf Menschenrechtsverteidiger in den EU-Mitgliedstaaten auszuweiten;
66. fordert die Kommission auf, die Datenerhebung zur SOGIESC-basierten Diskriminierung zu intensivieren und diese Daten zu nutzen, um inklusive öffentliche Maßnahmen zu gestalten, die auf LGBTIQ+-Personen zugeschnitten sind, und die Mitgliedstaaten bei der Nutzung dieser Daten zu unterstützen;
67. fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Fortschritte bei der Umsetzung der LGBTIQ-Strategie selbst zu bewerten und ihre Ergebnisse der Kommission und dem Parlament mitzuteilen;
68. fordert die Mitgliedstaaten auf, bis 2025 nationale LGBTIQ+-Aktionspläne und -Strategien zu verabschieden;
69. fordert die Kommission auf, eine neue Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen 2025-2030 auszuarbeiten, die auf festen Zusagen beruht und der Charta sowie den Forderungen und Erwartungen des Parlaments, der Organisationen der Zivilgesellschaft und der LGBTIQ+-Personen in Europa und auf der ganzen Welt Rechnung trägt; fordert die Kommission auf, vor der Wahl zum Europäischen Parlament 2024 einen zeitlichen Rahmen für die nächste Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ+- Personen zu kommunizieren;
70. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die nächste Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen von einem robusteren Instrument getragen und von einem zielgerichteten Umsetzungsplan, einer starken Mainstreaming-Struktur, durch die die Rechte von LGBTIQ+-Personen in die gesamte EU-Politik einbezogen werden, einschließlich der Diskriminierungsgründe sexuelle Ausrichtung, Geschlechtsidentität, Ausdruck der Geschlechtlichkeit und Geschlechtsmerkmale, und einer Ressourcenzuweisung begleitet wird; fordert die Kommission außerdem auf, einen Zeitplan und Meilensteine aufzunehmen, um die Prozesse der Überwachung, Bewertung, Rechenschaftspflicht und Erfahrungsauswertung, einschließlich der Konsultation von LGBTIQ+-Organisationen, sicherzustellen; fordert die Kommission des Weiteren auf, Gruppen in prekären Situationen, zum Beispiel LGBTIQ+-Kindern und -Jugendlichen, besondere Aufmerksamkeit zu widmen;
71. fordert die Kommission auf, in der nächsten Wahlperiode ein Portfolio für das für Gleichstellung und Vielfalt zuständige Kommissionsmitglied zu sichern;
72. legt die Einsetzung eines Koordinators für die Rechte von LGBTIQ+-Personen in der Kommission nahe;
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73. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Bewerberländer sowie der subnationalen Parlamente und der lokalen Behörden der Mitgliedstaaten und Bewerberländer zu übermitteln.
Studie „The LGBTIQ Equality Strategy 2020-2025 – Implementation overview“ (Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025 – Überblick über die Umsetzung), Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, 2023.
Vorschlag der Kommission vom 7. Dezember 2022 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Standards für Gleichstellungsstellen im Bereich der Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen und zur Streichung von Artikel 20 der Richtlinie 2006/54/EG und Artikel 11 der Richtlinie 2010/41/EU (COM(2022)0688).
Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16).
Verordnung (EU) 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Europäische Bürgerinitiative (ABl. L 130 vom 17.5.2019, S. 55).
Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 159).
Assoziierungsabkommen über die Teilnahme von Drittstaaten an Programmen der Union
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu den Assoziierungsabkommen über die Teilnahme von Drittstaaten an Programmen der Union (2023/3018(RSP))
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 218,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung von „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, sowie über dessen Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1290/2013 und (EU) Nr. 1291/2013(1) (Verordnung über Horizont Europa) und auf die im Standpunkt des Parlaments in erster Lesung vom 17. April 2019 zu der genannten Verordnung enthaltene Erklärung zu Assoziierungsabkommen(2),
– unter Hinweis auf das Partnerschaftsabkommen über die Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Neuseeland andererseits(3),
– unter Hinweis auf den Entwurf des Abkommens zwischen der Europäischen Union einerseits und Neuseeland andererseits über die Teilnahme Neuseelands an Programmen der Union(4),
– unter Hinweis auf den Entwurf des Abkommens zwischen der Europäischen Union einerseits und der Regierung der Färöer andererseits über die Teilnahme der Färöer an Programmen der Union(5),
– unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2022/1526 des Rates vom 9. September 2022 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit Kanada über ein Abkommen über die allgemeinen Grundsätze der Teilnahme Kanadas an Programmen der Union und über die Assoziierung Kanadas mit „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (2021-2027)(6),
– unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2023/1081 des Rates vom 15. Mai 2023 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit Japan über ein Abkommen über die allgemeinen Grundsätze für die Teilnahme Japans an Programmen der Union und über die Assoziierung Japans mit „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (2021-2027)(7),
– unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2023/1093 des Rates vom 15. Mai 2023 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Republik Korea über ein Abkommen über die allgemeinen Grundsätze für die Teilnahme der Republik Korea an Programmen der Union und über die Assoziierung der Republik Korea mit „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (2021-2027)(8),
– unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarung vom 20. November 2010 über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission(9),
– unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zu den Assoziierungsabkommen über die Teilnahme von Drittstaaten an Programmen der Union (O-000004/2024 – B9‑0009/2024),
– gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Entwurf einer Entschließung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie,
Allgemeine Anmerkungen
1. weist darauf hin, dass einer aktiven und für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit mit Drittstaaten, die gemeinsame demokratische Werte mit der EU teilen, das Potenzial innewohnt, die Errungenschaften von Programmen der Union noch wertvoller zu machen;
2. stellt fest, dass Horizont Europa das weltweit größte gemeinschaftliche Forschungs- und Innovationsprogramm im Zeitraum 2021-2027 ist;
3. spricht sich dafür aus, dass Drittstaaten mit guten Fähigkeiten in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation mit Horizont Europa assoziiert werden, und weist darauf hin, dass eine solche Zusammenarbeit generell zur Stärke und Wirksamkeit des auswärtigen Handelns der EU beiträgt; ersucht die Kommission, weitere Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten anzustreben und abzuschließen, da auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf der internationalen Bühne gesteigert wird; hält es für geboten, dafür Sorge zu tragen, dass alle einschlägigen Assoziierungsabkommen mit den Klimazielen von Horizont Europa im Einklang stehen;
4. hebt hervor, dass die Assoziierung von Drittstaaten mit Programmen der Union kein rein technischer Vorgang ist, sondern vielmehr eine politische Entscheidung, die die Beziehungen der assoziierten Staaten mit der EU und – insbesondere im Fall von Horizont Europa – die Freiheit der Wissenschaft und der Lehre betrifft;
5. weist auf die in den Verträgen verankerten Bestimmungen hin, die im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit eingehalten werden müssen, damit das institutionelle Gleichgewicht gewahrt wird, und ruft die Rolle des Parlaments in Erinnerung; ist der Ansicht, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit geachtet und sichergestellt werden muss, dass sich alle EU-Organe bei der Erfüllung der sich aus den Verträgen ergebenden Aufgaben gegenseitig unterstützen, damit unter anderem dafür gesorgt ist, dass der Standpunkt des Parlaments als direkte Vertretung der EU-Bürger mehr Beachtung findet;
6. stellt die Vorgehensweise der Kommission bezüglich des Abschlusses internationaler Abkommen über die Teilnahme von Drittstaaten an Programmen der Union infrage, durch die das Parlament an der Ausübung seiner Vorrechte im Rahmen der Verfahren für den Abschluss internationaler Abkommen der Union gehindert wird;
7. fordert die Kommission und den Rat eindringlich auf, die Rolle des Parlaments beim Abschluss von Assoziierungsabkommen gemäß diesem neuen Muster im Einklang mit den Verträgen umfassend zu berücksichtigen;
8. hebt hervor, dass seine Möglichkeiten, eine fundierte Zustimmung zu internationalen Abkommen – insbesondere über die Teilnahme bestimmter Länder an Programmen der Union – zu erteilen, dadurch beeinträchtigt werden, dass diese Abkommen ein Muster aufweisen, mit dem die parlamentarische Kontrolle im Rahmen eines Zustimmungsverfahrens mit Blick auf die Assoziierung mit einem bestimmten Programm der Union nicht gesichert ist;
Kooperations- und Assoziierungsabkommen zwischen Neuseeland und der Europäischen Union
9. weist auf die engen historischen und kulturellen Bande zwischen der EU und Neuseeland sowie auf die hervorragenden bilateralen Beziehungen hin, die sich auf gemeinsame demokratische Werte und zahlreiche gemeinsame Interessen stützen; würdigt die ausgezeichnete Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Außenpolitik, Forschung und Innovation sowie in multilateralen Foren;
10. betont die bedeutende Rolle Neuseelands, da es einer der wichtigsten gleichgesinnten Partner der EU in der dynamischen und strategisch und wirtschaftlich wichtigen indopazifischen Region ist; fordert eine vertiefte Zusammenarbeit in Bereichen von beiderseitigem Interesse und insbesondere im Bereich auswärtige Angelegenheiten; hebt in diesem Zusammenhang die laufende sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und Neuseeland hervor, und zwar insbesondere mit Blick auf die Einsätze und Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU; weist darauf hin, dass Neuseeland bei der Verurteilung des illegalen Einmarschs Russlands in die Ukraine denselben Standpunkt eingenommen hat wie die EU und die Ukraine unterstützt, indem es Hilfe bereitstellt und Sanktionen gegen Russland verhängt hat;
11. hebt außerdem das kürzlich geschlossene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland hervor, mit dem die bilateralen Beziehungen noch weiter vertieft und Handel und Investitionen liberalisiert und erleichtert werden sollen, sodass ein großer beiderseitiger Nutzen und wirtschaftliche Chancen für Unternehmen und Verbraucher geschaffen werden, und das außerdem robuste und verbindliche soziale und ökologische Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Übereinkommen von Paris umfasst; hebt die sinnvolle Rolle hervor, die die europäische Diaspora in Neuseeland bei der weiteren Vertiefung der Beziehungen zwischen Neuseeland und der EU spielen kann;
12. weist darauf hin, dass die EU und Neuseeland seit Langem in der Forschung zusammenarbeiten; hebt hervor, dass Neuseeland mit Blick auf die Beteiligung an Horizont 2020 mit 77 geförderten Projekten eine hervorragende Bilanz aufweist und dass neuseeländische Forscher an den beiden früheren Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation – Siebtes Forschungsrahmenprogramm und Horizont 2020 – teilnehmen konnten, was den potenziellen Nutzen einer Assoziierung Neuseelands mit Horizont Europa deutlich macht;
13. begrüßt den Vorschlag, die Partnerschaft zwischen der EU und Neuseeland im Wege der Assoziierung Neuseelands mit Horizont Europa zu vertiefen, da auf diese Weise die Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation weiter gestärkt wird und Neuseeland zum wichtigsten Partner der EU für Wissenschaft und Innovation in der Region wird; stellt jedoch fest, dass es keine Bestimmungen gibt, die eine ordnungsgemäße parlamentarische Kontrolle der künftigen Assoziierung Neuseelands mit Programmen der Union ermöglichen würden;
14. stellt fest, dass die Kommission und der Rat im Abkommen über die Teilnahme Neuseelands an Programmen der Union den mit dem Abkommen eingesetzten Gemischten Ausschuss ermächtigen, Protokolle anzunehmen, mit denen Neuseeland mit Programmen der Union assoziiert wird, obwohl sich das Parlament gegen dieses Vorrecht ausgesprochen hat, das dem Gemeinsamen Ausschuss de facto Durchführungsbefugnisse bei grundlegenden Aspekten gewährt; stellt fest, dass die grundlegenden Entscheidungen, die dem Gemeinsamen Ausschuss übertragen werden, den Umfang der Assoziierung mit einzelnen Programmen und maßgebliche Bestimmungen über den automatischen Korrekturmechanismus umfassen;
15. missbilligt, dass der Gemeinsame Ausschuss befugt ist, aktuelle Assoziierungsprotokolle im Wege von Protokollen zu ändern, was unter anderem Bestimmungen über Überprüfungen, Audits und finanzielle Unregelmäßigkeiten umfassen kann; weist darauf hin, dass diese Änderungen ohne eine zusätzliche Beteiligung des Parlaments erfolgen würden; weist darauf hin, dass das Parlament dem Gemeinsamen Ausschuss tatsächlich ein uneingeschränktes Mandat erteilen würde, wenn es seine Zustimmung erteilen würde; stellt fest, dass es dem Rat zwar obliegt, das Handeln der Kommission im Gemeinsamen Ausschuss zu überwachen, der Rat diese Aufgabe in der Praxis jedoch häufig vernachlässigt und dem Parlament nicht hinreichend Bericht erstattet, was dazu führt, dass es für diese internationalen Abkommen keine Überwachung oder Kontrolle gibt;
16. bekräftigt seinen Standpunkt zu Assoziierungsabkommen im Zusammenhang mit Horizont Europa, den es in einer Erklärung zur Annahme der Verordnung über Horizont Europa dargelegt hat, und betont, dass ein mit solchen Abkommen eingesetztes Gremium das Erfordernis, die fundierte Zustimmung des Parlaments einzuholen, nicht umgehen sollte; vertritt die Auffassung, dass wesentliche Aspekte der Beteiligung eines Drittstaats an Horizont Europa nicht an ein solches Gremium delegiert werden sollten;
17. lehnt dieses neue Muster für internationale Abkommen ab, da es das Parlament daran hindert, seine Befugnisse gemäß Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a AEUV auszuüben; ist der Ansicht, dass es ein Hindernis dafür, dass das Parlament seine Vorrechte wahrnehmen kann, darstellt, das erforderliche institutionelle Gleichgewicht missachtet und deshalb geändert werden muss;
18. weist in diesem Zusammenhang auf Artikel 218 Absatz 10 AEUV hin, wonach das Parlament in allen Phasen des Verfahrens zur Aushandlung und zum Abschluss der in dem Artikel genannten internationalen Übereinkünfte unverzüglich und umfassend unterrichtet werden sollte, und ruft in Erinnerung, dass diese Bestimmung dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zufolge Ausdruck der demokratischen Grundsätze ist, auf die sich die Union gründet; hebt insbesondere die Tatsache hervor, dass der EuGH zuvor erklärt hat, dass die Beteiligung des Parlaments am Entscheidungsprozess auf Unionsebene das grundlegende demokratische Prinzip widerspiegelt, nach dem die Völker durch eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt teilhaben sollten(10);
19. weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die fraglichen Abkommen beispiellos sind, da sie die Teilnahme einer neuen Kategorie von Drittstaaten ermöglichen und dies erstmals im Wege eines allgemeinen Abkommens, das für alle Programme der Union gilt, erfolgt; betont, dass eine solche Beteiligung in der Vergangenheit im Wege eines gesonderten Abkommens für jedes Programm der Union vereinbart worden wäre und auf einen bestimmten mehrjährigen Finanzrahmen beschränkt gewesen wäre; hebt hervor, dass dem Parlament aufgrund der Neuartigkeit dieser Abkommen keine einschlägigen Daten oder Informationen vorliegen, die es heranziehen könnte, um die potenziellen Auswirkungen dieser Abkommen auf die derzeitige Generation von Unionsprogrammen oder auf künftige Generationen von Unionsprogrammen aussagekräftig zu beurteilen;
20. ist angesichts des Vorgenannten der Auffassung, dass das Parlament die Möglichkeit haben sollte, die Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess verlässlich sicherzustellen, und zwar auch in Anbetracht des Musters dieser internationalen Abkommen, bei denen die Entscheidung über eine Assoziierung eines Drittlands – und über deren Umfang – mit einem bestimmten Programm erst in der Zukunft getroffen wird, oft lange nachdem das Parlament dem Abschluss des ursprünglichen Abkommens mit dem Drittstaat zugestimmt hat;
21. weist darauf hin, dass seine Haltung zur Vorgehensweise der Kommission nicht als Vorbehalt gegen Neuseeland oder gegen die etablierte und solide Zusammenarbeit, die seit Langem zwischen diesem Land und der EU besteht, ausgelegt werden sollte;
Beteiligung anderer gleichgesinnter Staaten an Programmen der Union
22. missbilligt, dass der Entwurf des Abkommens über die Beteiligung der Färöer und die vorgeschlagenen Assoziierungen Kanadas, der Republik Korea und Japans demselben Muster folgen wie der Entwurf des Abkommens mit Neuseeland; fordert, dass die Kommission das Parlament nicht an der Wahrnehmung seines Rechts auf Erteilung der Zustimmung zu jeglicher Assoziierung mit einem Programm der Union hindert und dass Assoziierungsabkommen mit neuen Partnern erst dann eingegangen werden, wenn das Parlament die Möglichkeit hatte, sein Recht auf Erteilung einer fundierten Zustimmung wahrzunehmen;
23. bekundet seine Besorgnis darüber, dass der kürzlich vereinbarte automatische Rabatt auf den Beitrag des Vereinigten Königreichs zu Horizont Europa im Falle einer geringer als erwartet ausfallenden Beteiligung des Vereinigten Königreichs an dem Programm Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, dem das Parlament zugestimmt hat, nach sich gezogen hat;
Das weitere Vorgehen
24. weist erneut darauf hin, dass es im Einklang mit der Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission in allen Phasen der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Abkommen unverzüglich und umfassend unterrichtet werden sollte;
25. fordert die Kommission auf, ihm regelmäßig ausführliche Berichte über die Umsetzung der Abkommen vorzulegen, darunter etwa Updates zu Gesichtspunkten wie den erreichten Etappenzielen, den Herausforderungen, den Erfolgsquoten von von Organisationen aus Drittstaaten eingereichten Vorschlägen, den jährlichen Beiträgen von Drittstaaten, dem Haushaltsvollzug und den Prüfungsergebnissen;
26. fordert die Kommission mit Nachdruck auf, Verhandlungen über eine interinstitutionelle Vereinbarung aufzunehmen, in der die allgemeinen Grundsätze der demokratischen Kontrolle der Umsetzung von Abkommen über die Beteiligung von Drittstaaten an Programmen der Union durch das Parlament festgelegt werden;
27. hofft, dass die Kommission hier Klarheit schaffen wird, indem sie die Anfrage des Parlaments zur mündlichen Beantwortung sachdienlich und zufriedenstellend beantwortet, damit die Zustimmung erteilt werden kann; ist bereit, umfassend mit der Kommission und dem Rat zusammenzuarbeiten, damit dieses Ergebnis erzielt wird;
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28. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments, festgelegt in erster Lesung am 17. April 2019, im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) …/… des Europäischen Parlaments und des Rates über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ sowie über die Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse (ABl. C 158 vom 30.4.2021, S. 184).
Urteile des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, SA Roquette Frères / Rat, Rechtssache C-138/79, ECLI:EU:C:1980:249, Rn. 33, und vom 24. Juni 2014, Parlament / Rat, Rechtssache C-658/11, ECLI:EU:C:2014:2025, Rn. 81.
Multilaterale Verhandlungen mit Blick auf die 13. WTO-Ministerkonferenz vom 26. bis 29. Februar 2024 in Abu Dhabi
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zum Thema „Multilaterale Verhandlungen mit Blick auf die 13. WTO-Ministerkonferenz vom 26. bis 29. Februar 2024 in Abu Dhabi“ (2023/2868(RSP))
– unter Hinweis auf das Übereinkommen von Marrakesch vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO),
– unter Hinweis auf die von der WTO-Ministerkonferenz am 14. November 2001 in Doha angenommene Erklärung(1),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur WTO, insbesondere die Entschließungen vom 25. November 2021 zu den multilateralen Verhandlungen im Vorfeld der 12. WTO-Ministerkonferenz(2), vom 29. November 2018 zum Thema „WTO: Wie geht es weiter?“(3) und vom 28. November 2019 zu der Krise des WTO-Berufungsgremiums(4),
– unter Hinweis auf die Abschlussdokumente, die auf den Jahrestagungen der Parlamentarischen Konferenz zur WTO am 7. Dezember 2018 in Genf(5) und am 10. Dezember 2017 in Buenos Aires(6) einvernehmlich angenommen wurden,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse der im Juni 2022 in Genf abgehaltenen 12. WTO-Ministerkonferenz, die ein Abschlussdokument, eine Reihe von Beschlüssen und Erklärungen der Minister und ein Übereinkommen über Fischereisubventionen umfassen,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse der im Dezember 2017 in Buenos Aires abgehaltenen 11. WTO-Ministerkonferenz, die eine Reihe von Ministerbeschlüssen und gemeinsamen Erklärungen zum elektronischen Geschäftsverkehr, zur Investitionsförderung, zur Regulierung inländischer Dienstleistungen und zu Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU) umfassen,
– unter Hinweis auf die am 12. Dezember 2017 in Buenos Aires gebilligte Erklärung zum Thema Handel und Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Frau sowie auf die am 23. September 2020 eingerichtete informelle Arbeitsgruppe der WTO zu Handel und Gleichstellung,
– unter Hinweis auf die Ministererklärungen der Minister, die Mitglieder der WTO vertreten, vom 10. Dezember 2021 zur Verschmutzung durch Kunststoffe und zum ökologisch nachhaltigen Handel mit Kunststoffen, vom 14. Dezember 2021 zu Handel und ökologischer Nachhaltigkeit und vom 14. Dezember 2021 zu Subventionen für fossile Brennstoffe,
– unter Hinweis auf die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung,
– unter Hinweis auf das als Teil des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) im November 2016 in Kraft getretene Übereinkommen von Paris,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. Februar 2021 mit dem Titel „Überprüfung der Handelspolitik – Eine offene, nachhaltige und entschlossene Handelspolitik“ und auf ihren Anhang mit dem Titel „Reform der WTO: Auf dem Weg zu einem nachhaltigen und wirksamen multilateralen Handelssystem“ (COM(2021)0066),
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für internationalen Handel,
A. in der Erwägung, dass die WTO gegründet wurde, um die Liberalisierung des Handels mit Waren und Dienstleistungen voranzutreiben, den Multilateralismus zu stärken und ein faires, offenes, inklusives, regelbasiertes und diskriminierungsfreies multilaterales Handelssystem zu fördern, um das Wohlergehen der Menschen in der ganzen Welt zu verbessern; in der Erwägung, dass das übergeordnete Ziel der EU-Handelspolitik darin besteht, zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen sowie zum Abbau der Zollschranken und anderer Schranken beizutragen sowie das Wohlbefinden der Menschen sicherzustellen; in der Erwägung, dass der Handel von entscheidender Bedeutung und ein wichtiges Instrument zur Unterstützung und Ergänzung der Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigen Wachstums und zur Verbesserung des Lebensstandards ist, durch die Vollbeschäftigung und hochwertigere Beschäftigung sowie ein großes und stetig wachsendes Realeinkommen im Einklang mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden, indem die Umwelt sowohl geschützt als auch erhalten wird und die Mittel hierfür entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen und Anliegen auf unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsständen gestärkt werden;
B. in der Erwägung, dass ein starkes, offenes und inklusives multilaterales Handelssystem eine noch bedeutendere Rolle bei der Erreichung der globalen Ziele in Bezug auf Klimawandel und Klimaneutralität spielen sollte, beispielsweise durch den Austausch von Waren, Dienstleistungen und Verfahren, die für saubere Energietechnologien und eine Kreislaufwirtschaft von wesentlicher Bedeutung sind;
C. in der Erwägung, dass das regelbasierte multilaterale Handelssystem derzeit stark unter Druck steht, da es geopolitischen Spannungen und einseitigen Maßnahmen ausgesetzt ist, die durch Entscheidungen einiger WTO-Mitglieder und die von ihnen ergriffenen einseitigen Maßnahmen verursacht wurden, und da sich einige seiner Mitglieder ungerechtfertigterweise auf die Ausnahme zur Wahrung der Sicherheit des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) berufen, was bereits zu einem stärker fragmentierten und weniger vorhersehbaren Hintergrund für die Handelspolitik führt; in der Erwägung, dass 75 % des Handels nach wie vor unter Anwendung von Meistbegünstigungszollsätzen durchgeführt wird, was bestätigt, dass die WTO das Rückgrat der Weltwirtschaft ist; in der Erwägung, dass das Ergebnis der 12. WTO-Ministerkonferenz gezeigt hat, dass die WTO nach wie vor multilaterale Übereinkommen schließen und auf Notfälle reagieren kann;
D. in der Erwägung, dass das WTO-Übereinkommen über Fischereisubventionen, das auf der 12. WTO-Ministerkonferenz vereinbart wurde, das erste multilaterale Handelsabkommen ist, in dessen Mittelpunkt die ökologische Nachhaltigkeit steht und mit dem verbindliche globale Regeln festgelegt werden, mit deren Hilfe pro Jahr schätzungsweise 22 Mrd. USD an schädlichen Subventionen, die die Regierungen dem Fischereisektor gewähren, eingedämmt werden sollen, wie dies im Rahmen des Ziels für nachhaltige Entwicklung Nr. 14.6 vorgeschrieben ist; in der Erwägung, dass das Abkommen noch keine Regelungen für Fischereisubventionen enthält, die zu Überkapazitäten und Überfischung beitragen, welche mehr als die Hälfte aller Fischereisubventionen ausmachen und über die noch verhandelt wird;
E. in der Erwägung, dass die 12. WTO-Ministerkonferenz (MC12) am 17. Juni 2022 einen Beschluss angenommen hat, der Flexibilität im Rahmen des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) gewährt, um die Herstellung und die Bereitstellung von COVID-19-Impfstoffen zu ermöglichen, während die Entscheidung über die Ausweitung des Umfangs dieser Flexibilitäten auf COVID-19-Behandlungs- und ‑Diagnoseverfahren aufgeschoben wurde; in der Erwägung, dass der TRIPS-Rat der WTO Verhandlungen über die Verlängerung der Aussetzung des TRIPS-Übereinkommens führt;
F. in der Erwägung, dass die Ernährungssicherheit weiterhin eine Herausforderung darstellt, da 2022 258 Millionen Menschen an zumindest kritischer akuter Ernährungsunsicherheit litten, im Vergleich zu 193 Millionen im Jahr 2021; in der Erwägung, dass das WTO-Abkommen über die Landwirtschaft im Rahmen der Uruguay-Runde explizit die Bedeutung der Ernährungssicherheit als Faktor in den laufenden Verhandlungen anerkennt; in der Erwägung, dass Handel das Potenzial hat, die Verfügbarkeit von Lebensmitteln in Regionen, wo diese beschränkt ist, zu verbessern und zu einem verbesserten wirtschaftlichen Zugang zu Lebensmitteln beizutragen, indem Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen und das Einkommen erhöht wird;
G. in der Erwägung, dass die WTO-Mitglieder ihr Engagement für die Bewältigung der Nahrungsmittelknappheit sowie für die Sicherstellung von Nahrungsmittelsoforthilfe für die Schutzbedürftigsten bewiesen haben, sowohl mit der im Rahmen der 12. WTO-Ministerkonferenz angenommenen Ministererklärung zur Notfallreaktion auf die Ernährungsunsicherheit als auch mit dem Ministerialbeschluss, vom Welternährungsprogramm für humanitäre Zwecke angekaufte Lebensmittel von Exportverboten und ‑beschränkungen auszunehmen;
H. in der Erwägung, dass nachhaltiger Handel den Klimaschutz sowie den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen kann;
I. in der Erwägung, dass das WTO-Berufungsgremium seit dem 11. Dezember 2019 seine Tätigkeit eingestellt hat, wodurch die funktionierende, unabhängige und unparteiische Berufungsinstanz zum Erliegen gekommen ist; in der Erwägung, dass sich die WTO-Mitglieder auf der 12. Ministerkonferenz verpflichtet haben, Gespräche mit dem Ziel zu führen, bis 2024 ein vollständig und ordnungsgemäß funktionierendes Streitbeilegungssystem, das allen WTO-Mitglieder offensteht, zu schaffen;
J. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament zusammen mit der Interparlamentarischen Union seit über zwanzig Jahren eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer parlamentarischen Dimension der WTO durch die Parlamentarische Konferenz zur WTO spielt;
K. in der Erwägung, dass die 13. WTO-Ministerkonferenz vom 26. bis 29. Februar 2024 in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) stattfinden wird;
1. bekräftigt sein uneingeschränktes Engagement für den dauerhaften Wert des Multilateralismus und unterstreicht, dass ein modernisiertes multilaterales System zur Regelung des Handels unerlässlich ist; fordert eine Handelsagenda auf der Grundlage eines fairen und regelbasierten Handels zum Nutzen aller, die zu nachhaltiger Entwicklung, auch jenseits der reinen Auslegung im Sinne des BIP-Wachstums, und Wohlstand beiträgt und dadurch Frieden und Sicherheit stärkt; unterstreicht, dass die WTO die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung, der Gesundheits-, Sozial-, Umwelt- und Menschenrechte fördern und sicherstellen sollte, dass multilateral vereinbarte und harmonisierte Regeln von allen angewendet werden;
2. fordert alle WTO-Mitglieder nachdrücklich auf, sich für einen erfolgreichen Abschluss der 13. WTO-Ministerkonferenz einzusetzen; ist der Ansicht, dass die 13. WTO-Ministerkonferenz der Ausgangspunkt dafür sein sollte, die WTO voranzubringen und zu modernisieren, um sicherzustellen, dass sie bei der Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, einschließlich Themen wie Klimawandel, Ernährungssicherheit, Verlust der Artenvielfalt, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Armutsbekämpfung, eine Rolle spielen kann; fordert alle WTO-Mitglieder nachdrücklich auf, sich verstärkt darum zu bemühen, sich auf konkrete Ergebnisse zu konzentrieren, die zeigen, dass die WTO die aktuellen Herausforderungen bewältigen kann; begrüßt die beim Treffen hoher Beamter vom 22. und 23. Oktober 2023 gegebenen Hinweise; fordert die WTO-Mitglieder insbesondere auf, die zweite Phase des multilateralen Übereinkommens über Fischereisubventionen abzuschließen und die bleibenden Hürden zu überwinden, damit endlich ein umfassendes Paket an institutionellen Reformen verabschiedet werden kann, einschließlich eines Beschlusses, der zu einem voll funktionsfähigen Streitbeilegungssystem führen sollte; bekräftigt, dass die Rolle des WTO-Sekretariats weiter gestärkt werden muss;
3. ist der Ansicht, dass es nun dringend erforderlich ist, die WTO grundlegend zu reformieren, und dass sich dies im Ergebnis der 13. WTO-Ministerkonferenz widerspiegeln sollte; begrüßt die in diesem Zusammenhang seit der letzten Ministerkonferenz geleistete Arbeit; fordert die WTO-Mitglieder auf, ein umfassendes Paket zur Überprüfung der Überwachungs-, Verhandlungs-, Beratungs- und Streitbeilegungsfunktionen der WTO anzunehmen, wobei auch der parlamentarischen Dimension der WTO gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, um die Wirksamkeit, Inklusivität, Transparenz, Glaubwürdigkeit und Legitimität der WTO zu erhöhen;
4. fordert ein stärkeres und noch konstruktiveres Engagement aller WTO-Mitglieder zur schnellstmöglichen Wiederherstellung eines voll funktionsfähigen Streitbeilegungssystems, das sich unter anderem mit der übermäßigen Dauer der Verfahren beschäftigen soll; lobt die Arbeit des Vermittlers bei der Steuerung des Prozesses, der zu einem konsolidierten Textentwurf führen sollte, der der 13. WTO-Ministerkonferenz vorgelegt werden soll; bedauert jedoch, dass bisher keine wesentlichen Fortschritte erzielt wurden; fordert die Mitglieder auf, konstruktive und transparente Gespräche zu führen, um auf der 13. WTO-Ministerkonferenz eine Einigung über das Streitbeilegungssystem zu erzielen; weist darauf hin, dass ein verbindliches, zweistufiges und unabhängiges Verfahren das Hauptziel bleiben sollte;
5. Fordert die Mitglieder zur Überbrückung der Zeit auf, bis ein voll funktionsfähiges Streitbeilegungsgremium auf WTO-Ebene wieder arbeitsfähig ist, und fordert die Mitglieder auf, in Erwägung zu ziehen, sich der Mehrparteien-Interimsvereinbarung (MPIA) anzuschließen, um ihr Engagement für ein faires und funktionierendes Streitbeilegungssystem unter Beweis zu stellen;
6. fordert alle WTO-Mitglieder, die dies noch nicht getan haben, nachdrücklich auf, das WTO-Übereinkommen über Fischereisubventionen rasch zu ratifizieren, damit das Übereinkommen so bald wie möglich in Kraft treten kann, wofür eine Ratifizierung durch zwei Drittel der Mitglieder erforderlich ist; betont, dass es von entscheidender Bedeutung ist, auch zügig eine Einigung über Regelungen für Fischereisubventionen zu erzielen, die zu Überkapazitäten und Überfischung beitragen, um zu verhindern, dass biologische Meeresschätze erschöpft werden, und um deren nachhaltige Bewirtschaftung zu ermöglichen; betont, dass die Bedürfnisse für besondere und differenzierte Behandlungen im Einklang mit dem Ziel 14.6 für nachhaltige Entwicklung respektiert werden müssen;
7. betont, dass die Entwicklungsdimension der WTO durchgängig berücksichtigt werden muss, unter anderem durch den WTO-Reformprozess und dadurch, dass das Prinzip der besonderen und differenzierten Behandlung den Bedürfnissen der Entwicklungsländer besser gerecht wird; bedauert, dass die WTO ihre Doha-Entwicklungsagenda noch nicht vollständig umgesetzt hat; begrüßt den bereits gefassten Beschluss über die Verlängerung der Unterstützungsmaßnahmen zur Unterstützung der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries – LDC) auf dem Weg zur Aufhebung des LDC-Status, um einen reibungslosen und nachhaltigen Übergangszeitraum für die Aufhebung der Handelspräferenzen zu schaffen; fordert erneut, dass der Mechanismus der besonderen und differenzierten Behandlung unter gebührender Einbeziehung aller WTO-Mitglieder überprüft und überarbeitet wird, damit die Indizes für die menschliche Entwicklung besser berücksichtigt werden und gleichzeitig der politische Spielraum für das Vorgehen gegen unfairen Handel gewahrt wird, und fordert die WTO-Mitglieder daher auf, das System zu überarbeiten; betont allerdings, dass die selbständige Festlegung des Entwicklungsstatus als einziges Kriterium zu unfairem Handel führen könnte;
8. betont, dass die Diskussionen über die staatliche Unterstützung für Industriesektoren innerhalb der WTO neu belebt werden müssen, einschließlich einer Aktualisierung des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, um die Transparenz zu erhöhen und das WTO-Regelwerk für Subventionen anzupassen, damit auf die aktuellen Herausforderungen, wie den Klimawandel, reagiert, die unfairen Praktiken bestimmter WTO-Mitglieder bekämpft und negative Spillover-Effekte wie Überkapazitäten und kohlenstoffintensive Lieferketten wirksam angegangen werden können; ist der Ansicht, dass die 13. WTO-Ministerkonferenz ein zeitlich begrenztes Arbeitsprogramm auf den Weg bringen sollte, um Beratungen über staatliche Maßnahmen zur Unterstützung der Industriesektoren zu ermöglichen, damit Empfehlungen für die 14. WTO-Ministerkonferenz abgegeben werden können;
9. betont, dass bei den Verhandlungen über die Landwirtschaft Fortschritte erzielt werden müssen, um glaubwürdige Ergebnisse in Bereichen wie einer dauerhaften Lösung für die öffentliche Lagerhaltung aus Gründen der Ernährungssicherheit, der internen Unterstützung, des Marktzugangs, der Baumwollproduktion, Ausfuhrbeschränkungen und des Ausfuhrwettbewerbs zu erzielen und den Agrarsektor zu stärken, um auf aktuelle Herausforderungen, einschließlich der Existenzgrundlagen im ländlichen Raum und der ökologischen Nachhaltigkeit, zu reagieren; betont, dass für Landwirte ein fairer Wettbewerb und faire Wettbewerbsbedingungen sichergestellt werden müssen; fordert einen besseren Informationsaustausch und mehr Transparenz im Hinblick auf die Agrarpolitik und Subventionen, um die Verhandlungen voranzubringen und auf WTO-Ebene einen stärkeren Austausch von Daten über den Warenhandel und private Bestände mit dem Ausschuss für Welternährungssicherheit zu unterstützen; begrüßt die Unterzeichnung einer Vereinbarung zwischen der WTO und der FAO auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen 2023 (COP 28), mit der die Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen Agrarreform, Ernährungssicherheit und Klimawandel gestärkt wird; betont, dass sich die EU für strengere Nachhaltigkeitskriterien im Einklang mit den Zielen des Grünen Deals einsetzen sollte;
10. betont, dass im Bereich Ernährungssicherheit eine Lösung gefunden werden muss, einschließlich konkreter Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der am wenigsten entwickelten Länder sowie der Entwicklungsländer, die Nettoeinführer von Nahrungsmitteln sind, in ihrer Reaktion auf die akute Nahrungsmittelinstabilität;
11. erwartet, dass im Zuge der WTO-Reform ein leichterer Weg für die Integration offener plurilateraler Übereinkommen in die multilaterale Architektur geschaffen wird, damit Fortschritte in Bereichen sichergestellt werden, die für die gesamte Mitgliedschaft noch nicht geeignet sind; bekräftigt daher seine Forderung an WTO-Mitglieder, Überlegungen darüber anzustellen, wie ein neues System mit klaren Grundsätzen und einer Mindestanzahl an Mitgliedern, die an einer plurilateralen Initiative teilnehmen sollten, entwickelt werden kann, und auf dieser Grundlage einen unkomplizierten Mechanismus zu schaffen, der es ermöglicht, die daraus resultierenden Überkommen in die Struktur der WTO zu integrieren;
12. begrüßt den Abschluss der Verhandlungen über das Abkommen über die Investitionsförderung im Dienste der Entwicklung, um ein faireres, transparenteres, effizienteres und berechenbareres Umfeld für die Erleichterung grenzüberschreitender Investitionen und die Beteiligung von Entwicklungsländern an globalen Investitionsströmen zu schaffen; unterstützt die Aufnahme dieses Abkommens in das WTO-Regelwerk gemäß Anhang 4 über plurilaterale Handelsabkommen, wie in Artikel X.9 des WTO-Übereinkommens festgelegt, und ist der Ansicht, dass dies als Vorbild für künftige plurilaterale Übereinkommen dienen kann;
13. betont, wie wichtig multilaterale und plurilaterale Regeln für den digitalen Handel sind, da er derzeit 25 % des Gesamthandels ausmacht; unterstützt nachdrücklich die Bemühungen um eine faire und dauerhafte Lösung für elektronische Übermittlungen im Zusammenhang mit dem Moratorium, besonders unter Berücksichtigung der negativen Auswirkungen einer Nichterneuerung, insbesondere auf Frauen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU); begrüßt und unterstützt die breite Beteiligung an den plurilateralen WTO-Verhandlungen über den elektronischen Geschäftsverkehr, ihre ehrgeizige Verhandlungsagenda und die bislang erzielten Fortschritte; betont, wie wichtig der freie Verkehr elektronischer Übermittlungen ist, da sie für den digitalen Handel von grundlegender Bedeutung sind, die Handelskosten senken, das Verbraucherwohl erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der Ausfuhren steigern und erhebliche Vorteile, insbesondere für KMU und Entwicklungsländer, mit sich bringen; weist erneut auf seinen Standpunkt hin, dass ein mögliches Abkommen einen fairen Marktzugang für Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem elektronischen Handel in Drittländern sowie den Schutz der Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte gewährleisten und Unternehmensinnovationen erleichtern muss; betont, dass ein mögliches Abkommen über den elektronischen Geschäftsverkehr sowohl mit den bestehenden als auch mit den künftigen EU-Rechtsvorschriften im Einklang stehen muss und dass es einen ausreichenden politischen Spielraum für die Regulierung von Fragen bezüglich des Datenverkehrs, der Datenlokalisierung, des Datenschutzes, der künstlichen Intelligenz und des Quellcodes sicherstellt; fordert alle Partner auf, sich uneingeschränkt an den Bemühungen zu beteiligen und die Bemühungen um den Abschluss der Verhandlungen auf der 13. WTO-Ministerkonferenz zu unterstützen; betont, dass die digitale Kluft überbrückt werden muss, indem bewährte Verfahren geteilt und der Kapazitätsaufbau verbessert wird;
14. weist auf das Engagement der WTO für KKMU hin und weist darauf hin, dass KKMU einen wesentlichen Teil der Weltwirtschaft ausmachen und über ungenutztes Potenzial in globalen Wertschöpfungsketten verfügen; fordert die Mitglieder nachdrücklich auf, weiterhin Lösungen zu finden, die KKMU helfen, ihre Beteiligung am Welthandel zu erhöhen, und dabei ihre spezifischen Bedürfnisse zu berücksichtigen;
15. ist der Ansicht, dass die Ergebnisse der 13. WTO-Ministerkonferenz eine handlungsbasierte Agenda für die Handelspolitik zur Unterstützung der Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 und des Übereinkommens von Paris umfassen sollten; fordert die WTO-Mitglieder nachdrücklich auf, alle möglichen Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, um zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Einklang mit dem UNFCCC und der abschließenden Erklärung der COP28 beizutragen, die Angleichung an das Übereinkommen von Paris und die Klimaneutralität sowie die Zusammenarbeit innerhalb der WTO bei im Inland ergriffenen Maßnahmen zu verbessern; begrüßt die konstruktiven Diskussionen, die im Rahmen der plurilateralen Initiativen für die Reform von Subventionen für fossile Brennstoffe, des Dialogs über Kunststoffverschmutzung und der strukturierten Gespräche über Handel und ökologische Nachhaltigkeit (TESSD) stattfanden; fordert die Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Abkommen über den Handel mit Umweltschutzgütern; bestärkt die WTO darin, den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den WTO-Mitgliedern in Methoden für die Bepreisung von CO2-Emissionen zu fördern; betont, dass die Gespräche über Waren und Dienstleistungen, einschließlich der Verarbeitungs- und Produktionsmethoden, die zur Bewältigung der Umwelt- und Klimaherausforderungen beitragen, vorangetrieben werden müssen; weist darauf hin, dass alle einseitigen Maßnahmen der Mitglieder den WTO-Regeln entsprechen müssen und dass der Beschluss, GATT-Ausnahmeregelungen anzuwenden, sorgfältig geprüft werden muss; fordert die EU nachdrücklich auf, das Bewusstsein für ihre Nachhaltigkeitsvorschriften wie die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen, das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) und die Verordnung über Entwaldung zu schärfen und die Gründe dafür zu erläutern, um sicherzustellen, dass sie als echter und nichtdiskriminierender Versuch, einen Beitrag zur Verwirklichung der globalen Umweltziele zu leisten und den Handel nachhaltiger zu gestalten, einschließlich indem mehr praktische Informationen über die Anwendung von Regelungen in der Praxis bereitgestellt werden, anerkannt werden; begrüßt den ersten „Handelstag“ bei der COP28 sowie die historische Errungenschaft der COP, sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden; erwartet, dass sich die COP-Entscheidung in der Arbeit der WTO widerspiegelt;
16. bekräftigt, dass zwischen der Gleichstellung der Geschlechter und einer inklusiven Entwicklung Zusammenhänge bestehen, und betont, dass die Stärkung der Stellung der Frauen in der Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist, wenn es darum geht, Armut zu beseitigen, und dass gleichzeitig die Beseitigung von Hindernissen für die Teilhabe von Frauen am Handel und die Bewältigung der negativen Auswirkungen der derzeitigen Handelsregeln auf Frauen in ihren verschiedenen Rollen im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung ein entscheidender Faktor ist; ruft alle WTO-Mitglieder auf, die Erklärung von Buenos Aires aus dem Jahr 2017 zum Thema Handel und Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Frau zu unterzeichnen, und fordert die Unterzeichner auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen; begrüßt die Einrichtung der informellen Arbeitsgruppe der WTO zu Handel und Gleichstellung; beglückwünscht die WTO zur Organisation des Welthandelskongresses für Gleichstellungsfragen im Dezember 2022, der ersten internationalen Forschungskonferenz zu Handel und Gleichstellung;
17. nimmt zur Kenntnis, dass die WTO-Mitglieder vereinbart haben, zu erörtern, den Geltungsbereich des TRIPS-Beschlusses auf COVID-19-Diagnostika und -Therapeutika auszudehnen; fordert die WTO-Mitglieder auf, bis zur 13. WTO-Ministerkonferenz einen Beschluss zu fassen und dabei die Anreize für Innovationen im Auge zu behalten; fordert die WTO-Mitglieder auf, ihre nationalen Gesetze und Strategien zu überprüfen, um die vollständige Eingliederung aller relevanten Flexibilitätsregelungen für das geistige Eigentum sicherzustellen, sodass der Zugang zu medizinischen Produkten geschützt ist;
18. fordert die Kommission und den Rat auf, dafür Sorge zu tragen, dass das Europäische Parlament weiterhin eng in die Vorbereitungen der 13. WTO-Ministerkonferenz eingebunden sowie während der Ministerkonferenz 2024 zeitnah auf den neusten Stand gebracht und konsultiert wird;
19. fordert die WTO-Mitglieder auf, für demokratische Legitimität und Transparenz zu sorgen, indem die parlamentarische Dimension der WTO und die parlamentarische Konferenz gestärkt werden; würdigt die wichtige Arbeit der gemeinsamen parlamentarischen Konferenz des Europäischen Parlaments und der Interparlamentarischen Union (IPU) zur WTO; betont, dass dafür gesorgt werden muss, dass Abgeordnete besseren Zugang zu allen Handelsverhandlungen haben und bei der Formulierung und Umsetzung von WTO-Beschlüssen einbezogen werden; legt den Entscheidungsträgern nahe, eine Neupositionierung des Handels zu unterstützen, sodass Handel als Wegbereiter statt als Hindernis für die Umsetzung der Nachhaltigkeit, Sicherheit und Inklusivität gesehen wird;
20. fordert die WTO-Mitglieder auf, den Austausch mit allen Akteuren, auch mit der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden, zu vertiefen und enger mit anderen internationalen Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation und im weiteren Sinne dem System der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten; erwartet, dass Entscheidungsträger auf jeder Ebene mehr über die Vorteile eines regelbasierten Handels kommunizieren;
21. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Generaldirektorin der WTO und der Interparlamentarischen Union zu übermitteln.
Russland-Gate und die mutmaßliche Einmischung Russlands in die demokratischen Prozesse der Europäischen Union
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu Russland-Gate und der mutmaßlichen Einmischung Russlands in die demokratischen Prozesse der Europäischen Union (2024/2548(RSP))
– unter Hinweis auf seinen Beschluss vom 13. September 2023 über Änderungen der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments zur Stärkung von Integrität, Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Juli 2023 zu Empfehlungen für die Reform der Vorschriften des Europäischen Parlaments zu Transparenz, Integrität, Rechenschaftspflicht und Korruptionsbekämpfung(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2023 zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2022 zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation(4),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland, insbesondere die vom 23. November 2022 zur Einstufung der Russischen Föderation als dem Terrorismus Vorschub leistender Staat(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. September 2019 zur Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2024 zu europäischem Geschichtsbewusstsein(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. März 2022 zu Russlands Angriff gegen die Ukraine(8),
– unter Hinweis auf den Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes vom 23. Januar 2024 mit dem Titel „2nd EEAS Report on Foreign Information Manipulation and Interference Threats – A Framework for Networked Defence“ (2. Bericht des EAD über ausländische Manipulation von Informationen und Bedrohungen durch Einmischung – ein Rahmen für eine vernetzte Verteidigung),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. Dezember 2023 über die Verteidigung der Demokratie (COM(2023)0630),
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 12. Dezember 2023 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Anforderungen im Binnenmarkt an die Transparenz der Interessenvertretung im Auftrag von Drittländern und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 (COM(2023)0637),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 3. Dezember 2020 mit dem Titel „Europäischer Aktionsplan für Demokratie“ (COM(2020)0790),
– unter Hinweis auf den Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung,
– unter Hinweis auf seine Geschäftsordnung und den Verhaltenskodex für die Mitglieder des Europäischen Parlaments,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 2021 zu der Verbesserung von Transparenz und Integrität in den Organen der EU durch die Einsetzung eines unabhängigen Ethikgremiums der EU(9),
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Einflussnahme aus dem Ausland, Manipulation von Informationen und Desinformation einen schweren Verstoß gegen die universellen Werte und Grundsätze darstellen, auf denen die Europäische Union beruht, wie Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; in der Erwägung, dass das Vertrauen in die Integrität des Europäischen Parlaments und in die Rechtsstaatlichkeit für das Funktionieren der europäischen Demokratie von allergrößter Bedeutung ist;
B. in der Erwägung, dass es Beweise für eine Einmischung Russlands und Manipulation durch Russland in vielen Demokratien sowie für seine tatkräftige Unterstützung extremistischer Kräfte und radikal gesinnter Organisationen zwecks Destabilisierung der Europäischen Union gibt;
C. in der Erwägung, dass der Sonderausschuss des Europäischen Parlaments zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der EU, einschließlich Desinformation, detailliert aufgezeigt hat, welche Bemühungen und Aktivitäten es unter Anleitung aus Russland gegeben hat, um die europäischen Demokratien und die Institutionen der EU zu unterwandern, zu beeinflussen und sich in ihr Handeln einzumischen; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner Reaktion auf Einflussnahme aus dem Ausland wachsamer geworden ist; in der Erwägung, dass jedoch noch entschiedenere Maßnahmen ergriffen und interne Reformen umgesetzt werden müssen, um für einen wirksamen Schutz vor unzulässiger Einflussnahme von außen zu sorgen;
D. in der Erwägung, dass Russland im Rahmen einer umfassenderen Strategie, mit der das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Prozesse in Europa untergraben werden soll, ein breites Spektrum an Taktiken der hybriden Kriegsführung anwendet, um seine Ziele zu erreichen; in der Erwägung, dass Einflussnahme aus dem Ausland und Manipulation von Informationen als Mittel zur Spaltung demokratischer Gesellschaften bereits vor dem unprovozierten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine angewendet wurden und seither zugenommen haben; in der Erwägung, dass die Verbreitung von Desinformation durch Russland sowohl über herkömmliche Medien als auch über Plattformen der sozialen Medien sowie die Vereinnahmung von Eliten, Hackerangriffe auf Kandidaten bei Wahlen und Cyberangriffe ein bislang nicht dagewesenes Ausmaß erreicht haben;
E. in der Erwägung, dass die systematische Geschichtsfälschung seit Jahrzehnten Teil des von Russland geführten Propagandakriegs ist;
F. in der Erwägung, dass der Kreml in der gesamten EU ein umfangreiches Netz von Einflussagenten betreibt, die in Wahlprozesse und die Politik in wichtigen strategischen Angelegenheiten wie der Energieinfrastruktur eingegriffen haben; in der Erwägung, dass diese Einflussagenten alle Bereiche des öffentlichen Lebens ins Visier nehmen, insbesondere die Kultur, das historische Gedächtnis, die Medien und Religionsgemeinschaften sowie Politiker und ihre Familien; in der Erwägung, dass durch intensive Recherche nachgewiesen werden konnte, dass wichtige aktive oder im Ruhestand befindliche europäische Prominente aus der Politik und dem öffentlichen Leben Verbindungen zum Kreml pflegen;
G. in der Erwägung, dass man immer noch dabei ist, die Finanzierung von politischen Aktivitäten und Politikern in der Europäischen Union aus dem Ausland vor und nach dem 24. Februar 2022, insbesondere durch Russland, aufzudecken; in der Erwägung, dass diese Finanzierung ein Risiko für die Integrität demokratischer Prozesse in den Mitgliedstaaten der EU darstellt und gründliche Untersuchungen erfordert, damit die Mittäter zur Rechenschaft gezogen werden; in der Erwägung, dass der Kreml eine Reihe rechtsextremer und linksextremer Parteien und Politiker in Europa finanziell und ideologisch unterstützt und unter anderem der Partei von Marine Le Pen im Jahr 2013 ein Darlehen einer Bank aus Russland in Höhe von 9,4 Mio. EUR gewährt hat; in der Erwägung, dass Marine Le Pen und die Mitglieder ihrer Partei wiederholt ihre kremlfreundliche Haltung zum Ausdruck gebracht haben;
H. in der Erwägung, dass Russland Kontakte zu Parteien, Persönlichkeiten und Bewegungen aufgebaut hat, um mithilfe von Akteuren in den Institutionen der Union den Standpunkten Russlands einen legitimen Anstrich zu geben, Unabhängigkeitsbewegungen und ihm treu ergebene Regierungen zu unterstützen sowie auf Sanktionserleichterungen zu drängen und die Folgen der internationalen Isolation abzumildern; in der Erwägung, dass MdEP bestimmter Fraktionen sowie einige fraktionslose MdEP im Europäischen Parlament hanebüchene Propaganda im Sinne des Kreml verbreiten;
I. in der Erwägung, dass es in den Reihen der großen politischen Parteien auch „Russlandversteher“ gibt; in der Erwägung, dass mehrere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus EU-Mitgliedstaaten, darunter ehemalige Regierungschefs und Kabinettsmitglieder, nicht zuletzt Gerhard Schröder, gut bezahlte Posten in vom Kreml kontrollierten Energieunternehmen bekleiden; in der Erwägung, dass einige von ihnen selbst nach dem groß angelegten Einmarsch Russlands in die Ukraine beschlossen haben, nicht von ihrem Posten zurückzutreten, und weiterhin das blutbefleckte Geld des Kremls kassieren, wobei ihren politischen Parteien eine stille Mittäterschaft zukommt; in der Erwägung, dass sie ihren prorussischen Einfluss sowohl in ihrer Innenpolitik als auch auf der europäischen Bühne nach wie vor nutzen;
J. in der Erwägung, dass in Berichten unabhängiger Medien vom 29. Januar 2024 konkrete Beweise dafür vorgelegt wurden, dass das Mitglied des Europäischen Parlaments Tatjana Ždanoka möglicherweise mindestens von 2004 bis 2017 als Informantin für die Abteilung Nr. 5 des Föderalen Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation (FSB) tätig war;
K. in der Erwägung, dass ihre Handlungen als politisches Engagement im Namen der Russischen Föderation, etwa durch die Organisation von Veranstaltungen, sowie die Bereitstellung von Informationen über die interne Arbeitsweise des Europäischen Parlaments beschrieben wurden; in der Erwägung, dass aus dem Recherchebericht hervorgeht, dass die betreffende Abgeordnete mindestens einmal von ihren Auftraggebern eine Zahlung zur Deckung der Kosten der erbrachten Dienste verlangt hat;
L. in der Erwägung, dass sich diese Anschuldigungen unter anderem auf durchgesickerte E-Mails zwischen der betreffenden Abgeordneten und zwei Sachbearbeitern der Abteilung Nr. 5 des FSB ab dem 3. Oktober 2005 stützen;
M. in der Erwägung, dass die Abgeordnete während ihrer gesamten Zeit als MdEP bestens bekannt für ihre prorussische Haltung und die konsequente Verbreitung von gegen Lettland und die EU gerichteten Narrativen ist, darunter ihre Ablehnung der Existenz Lettlands als souveräner Staat und ihre Weigerung, den Einmarsch Russlands in die Ukraine zu verurteilen; in der Erwägung, dass darüber hinaus das höchst problematische politische Verhalten der Abgeordneten bekannt ist, unter anderem ihre Teilnahme an einer Mission zur Beobachtung eines Referendums auf der von Russland besetzten Krim im Jahr 2014, ein Besuch beim syrischen Diktator Baschar al-Assad im Jahr 2016 und ihre Teilnahme an kremlfreundlichen Fernsehshows in Moskau; in der Erwägung, dass die Abgeordnete bewusst den Eindruck erweckt hat, dass diese Reisen im Namen des Europäischen Parlaments oder der EU durchgeführt werden; in der Erwägung, dass die betreffende Abgeordnete Veranstaltungen im Europäischen Parlament mit kremltreuen Vertretern aus den Gebieten Donezk und Luhansk vor deren rechtswidriger Annexion organisiert und für sie geworben hat; in der Erwägung, dass ihre Aktivitäten Angaben zufolge häufig von vom Kreml finanzierten Tarnorganisationen wie der Stiftung „Russki Mir“ gefördert wurden; in der Erwägung, dass die betreffende Abgeordnete zusammen mit anderen MdEP öffentliche Veranstaltungen organisiert hat und nach Litauen gereist ist, um ihre Unterstützung für Algirdas Paleckis zu bekunden, einen Staatsbürger Litauens und ehemaligen Diplomaten und Politiker, der wegen Spionage für Russland verurteilt wurde;
N. in der Erwägung, dass in Zeitungsberichten schon seit längerer Zeit auf Kontakte und enge persönliche Beziehungen zwischen Sezessionisten in Katalonien, einschließlich Regierungsstellen der Autonomen Gemeinschaft Katalonien, und dem Kreml hingewiesen worden ist; in der Erwägung, dass investigative Journalisten darüber berichtet haben, dass der ehemalige russische Diplomat Nikolai Sadownikow am Vorabend des rechtswidrigen Referendums in Katalonien im Oktober 2017 in Barcelona mit dem damaligen Separatistenführer und jetzigen MdEP Carles Puigdemont zusammengetroffen ist; in der Erwägung, dass Russland mit seinem Netz an Kontakten und Beziehungen das Ziel verfolgt, politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu gewinnen, um die Demokratie in der Europäischen Union zu destabilisieren; in der Erwägung, dass das Untersuchungsgericht Nr. 1 in Barcelona, das für die Ermittlungen in dem Fall Voloh bzw. Wolchow zuständig ist, deren Gegenstand unter anderem die Verbindungen des ehemaligen Präsidenten Kataloniens und seines engeren Umfelds zu Russland sind, die Ermittlungen unlängst um sechs Monate verlängert hat; in der Erwägung, dass Vertreter einer Gruppe katalanischer Sezessionisten in Spanien, die Beziehungen zu dem Kreml nahestehenden Persönlichkeiten unterhalten, darunter auch das betroffene MdEP, eine Amnestie für ihre mutmaßlichen Delikte verlangen;
O. in der Erwägung, dass die betreffende Abgeordnete aus ihrer Fraktion ausgeschlossen wurde und nun fraktionslos ist; in der Erwägung, dass sie Unterstützung von einigen anderen MdEP erhalten hat, die ähnliche Standpunkte zu internationalen Angelegenheiten vertreten;
P. in der Erwägung, dass die Präsidentin des Europäischen Parlaments im Anschluss an die Enthüllungen umgehend die Einleitung einer internen Untersuchung, einschließlich einer Befassung des Beratenden Ausschusses zum Verhalten von Mitgliedern, bekannt gegeben hat; in der Erwägung, dass die Untersuchung derzeit noch nicht abgeschlossen ist; in der Erwägung, dass zu den möglichen Sanktionen gemäß der Geschäftsordnung der Verlust des Anspruchs auf Tagegeld, die vorübergehende Aussetzung der Teilnahme an allen oder einigen Tätigkeiten des Europäischen Parlaments und die Beschränkung des Rechts auf Zugang zu vertraulichen Informationen oder Verschlusssachen gehören; in der Erwägung, dass der Sicherheitsdienst Lettlands bekannt gegeben hat, dass er die Vorwürfe ebenfalls untersuchen wird;
Q. in der Erwägung, dass die betreffende Abgeordnete nicht das einzige Mitglied des Europäischen Parlaments ist, das an Aktivitäten beteiligt war, zu denen unter anderem die Teilnahme an gefälschten Wahlbeobachtungsmissionen in von Russland besetzten Gebieten und Versuche gehören, diese Missionen als offizielle Missionen des Europäischen Parlaments erscheinen zu lassen; in der Erwägung, dass gegen mehrere MdEP im Rahmen des Verfahrens der Koordinierungsgruppe Demokratieförderung und Wahlen Sanktionen wegen dieser Verstöße verhängt wurden; in der Erwägung, dass diese Besuche planmäßig in Russland und von Russland besetzten Gebieten stattfanden;
R. in der Erwägung, dass Fälle gemeldet wurden, in denen MdEP unter Verwendung von Ressourcen des Europäischen Parlaments Aktivitäten Vorschub geleistet haben, die direkt oder indirekt mit Fällen von Einflussnahme aus dem Ausland zusammenhängen, beispielsweise im Dezember 2022, als der staatliche belarussische Propagandakanal STV Zugang zu den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments und der dort befindlichen Videoaufzeichnungsanlage VoxBox bekam und infolgedessen mehrere MdEP die Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments für die Erstellung kremlfreundlicher und EU-feindlicher Inhalte der Desinformation genutzt haben;
S. in der Erwägung, dass die regierende Partei Russlands, „Jedinaja Rossija“ (Einiges Russland), 2016 eine Kooperationsvereinbarung mit der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) unterzeichnet hat, in dem eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien und engere politische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Wien und Moskau gefordert werden; in der Erwägung, dass diese Vereinbarung in Anwesenheit eines MdEP der FPÖ unterzeichnet wurde, das seither wiederholt eine Lockerung der EU-Sanktionen gegen Russland gefordert und kremlfreundliche Desinformation verbreitet hat;
T. in der Erwägung, dass das deutsche Auswärtige Amt eine groß angelegte Desinformationskampagne aufgedeckt hat, die von Russland auf der Plattform X (vormals Twitter) orchestriert worden sein soll, um die öffentliche Meinung zu manipulieren; in der Erwägung, dass renommierte deutsche Medien offengelegt haben, dass ein Mitarbeiter eines Mitglieds des Deutschen Bundestages, das der Partei Alternative für Deutschland (AfD) angehört, als Kontaktperson des FSB identifiziert wurde;
U. in der Erwägung, dass einige MdEP seit mehreren Jahren Staatsangehörige Russlands, die Unterstützer des Regimes von Putin sind, als Praktikanten, akkreditierte parlamentarische Assistenten und Fraktionsberater eingestellt und beschäftigt und diese Praxis auch nach Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine weitergeführt haben; in der Erwägung, dass Jelisaweta Peskowa, die Tochter des Pressesprechers Wladimir Putins, Dmitri Peskow, 2018 und 2019 als Praktikantin bei einem MdEP gearbeitet hat;
V. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament im Anschluss an die Katargate-Enthüllungen im September 2023 seinen Rahmen für die interne Integrität aktualisiert und erheblich gestärkt hat, unter anderem durch eine eingehende Überarbeitung seiner Geschäftsordnung, des Verhaltenskodex für MdEP und der einschlägigen Beschlüsse des Präsidiums;
W. in der Erwägung, dass 2024 ein entscheidendes Wahljahr ist und in Mitgliedstaaten zusätzlich zu der für den 6. bis 9. Juni 2024 anberaumten Wahl zum Europäischen Parlament eine Reihe von Präsidentschafts-, Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen anstehen; in der Erwägung, dass die Wahl zum Europäischen Parlament 2024 wahrscheinlich ein besonderes Ziel für Desinformationskampagnen auf lokaler, regionaler und EU-Ebene sein wird;
1. ist vollkommen entrüstet und zutiefst besorgt über die anhaltenden Bemühungen Russlands, die Demokratie in der EU zu zersetzen; ist entsetzt über glaubwürdige Berichte, die Aufschluss über die Bemühungen Russlands geben, Spaltungen zwischen den EU-Bürgern Vorschub zu leisten, indem MdEP als Einflussagenten angeworben werden, sowie über die Bemühungen Russlands, über europäische politische Parteien gezielt ein System von Abhängigkeiten zu schaffen, wobei diese Parteien dann als Sprachrohr für die Propaganda des Kremls fungieren und seinen Interessen dienen; weist erneut darauf hin, dass Russland mit einer langfristigen Strategie der Einflussnahme aus dem Ausland versucht, die Demokratie in der EU zu schwächen und letztlich zu zerstören; weist auf die Bemühungen Putins hin, jede Form der Demokratie in Russland vollständig zu zerschlagen, und betont, dass diese Tatsache als Warnsignal zu verstehen ist, bei der Erkennung der langfristigen Ziele Putins nicht tatenlos zuzusehen, sondern vielmehr mit außerordentlicher Ernsthaftigkeit gegen die Einmischungsversuche Russlands vorzugehen; betont, dass diese Taktiken Russlands zu Konsequenzen führen müssen; fordert die Mitgliedstaaten erneut auf, die Maßnahmen in den angenommenen Sanktionspaketen, die sich gegen die Russische Föderation richten, weiterzuentwickeln und noch besser zu justieren und Schlupflöcher bei der Durchsetzung der derzeit geltenden restriktiven Maßnahmen zu schließen;
2. verurteilt unmissverständlich die anhaltenden Bemühungen Russlands, die historische Erinnerung an die dunkelsten Zeiten Europas, wie die Folgen des Hitler-Stalin-Pakts und der anschließende Terror in den von Nazi-Deutschland und dem kommunistischen Russland eroberten Gebieten, zu verfälschen und zu dem Zweck zu missbrauchen, seine derzeitige brutale, unrechtmäßige und unmenschliche Aggression und seine Expansionspolitik zu rechtfertigen;
3. ist zutiefst besorgt über Berichte, wonach Tatjana Ždanoka während ihrer Mandatszeit als Mitglied des Europäischen Parlaments möglicherweise als Informantin für die Abteilung Nr. 5 des FSB tätig war; betont, dass eine Informantin des FSB, die als Mitglied des Europäischen Parlaments Zugang zu Leistungen und Informationen hat, eine erhebliche Bedrohung für die Sicherheit und Demokratie der EU verkörpert; erachtet es als absolut unerlässlich, dass das Europäische Parlament und die Behörden Lettlands diese Angelegenheit gründlich untersuchen, damit unverzüglich geeignete Sanktionen festgelegt und Strafverfahren eingeleitet werden können;
4. betont, dass die betreffende Abgeordnete aufgrund ihrer Standpunkte zu Russland und der Ukraine aus ihrer Fraktion ausgeschlossen wurde und nun fraktionslos ist; betont, dass die überwiegende Mehrheit der MdEP diese Ansichten nicht teilt und den unrechtmäßigen Einmarsch Russlands in die Ukraine, den Einsatz von Taktiken der hybriden Kriegsführung gegen die europäische Demokratie und andere aggressive und antidemokratische politische Entscheidungen aus den vergangenen Jahren aus tiefster Überzeugung verurteilt; stellt jedoch fest, dass sich einige wenige MdEP, die öffentlich für Russland Partei ergreifen und ähnliche Standpunkte wie die betreffende MdEP vertreten, gemeinsam mit dieser Person an einschlägigen Aktionen beteiligt haben;
5. gibt seine Zusage, die Behörden Lettlands bei ihren Ermittlungen zum Verhalten des betreffenden MdEP uneingeschränkt zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten; fordert die zuständigen Behörden auf, zu prüfen, ob die betreffende MdEP nach innerstaatlichem Recht strafrechtlich verfolgt werden kann, und steht weiterhin uneingeschränkt für Unterstützung und Zusammenarbeit bereit;
6. begrüßt, dass sich der Beratende Ausschuss zum Verhalten von Mitgliedern mit dem Fall der betreffenden Abgeordneten befasst; gibt seine Zusage, seinen geltenden internen Sanktionsrahmen vollständig durchzusetzen; stellt fest, dass die mutmaßlichen Aktivitäten vor der jüngsten Annahme der Reform des Integritätsrahmens des Europäischen Parlaments erfolgten; ist der Ansicht, dass die Regeln das mutmaßliche verwerfliche Verhalten des MdEP nicht verhindert hätten; ist dennoch nach wie vor bereit, die Funktionsweise seines Integritätsrahmens, der nach Katargate gestärkt wurde, und die darin festgelegte Sanktionsregelung weiter zu überprüfen und zu verfeinern;
7. unterstützt die laufenden Ermittlungen, hebt aber hervor, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte geachtet werden müssen; bekräftigt, dass politische Präferenzen nicht unter Strafe gestellt werden dürfen und dass es bei der Ausübung des rechtmäßigen Mandats der MdEP nicht zu weiteren Einschränkungen der Meinungsäußerung kommen darf;
8. weist auf weitere Fälle hin, in denen MdEP wissentlich den Interessen Russlands dienen; betont, dass durch die Aktivitäten dieser MdEP die Sicherheit und Glaubwürdigkeit der EU und die Widerstandsfähigkeit ihrer Demokratie geschwächt werden; ist zutiefst besorgt darüber, was für Beziehungen die betreffende Abgeordnete möglicherweise mit anderen MdEP unterhalten hat, und verurteilt nachdrücklich alle internen koordinierten Versuche, die politische Agenda des Kreml im Europäischen Parlament zu befördern; hält es für unerlässlich, umgehend gründliche interne Ermittlungen durchzuführen, um alle möglichen Fälle von Einflussnahme aus dem Ausland durch Russland und anderer Arten böswilliger Einmischung in die Tätigkeit des Europäischen Parlaments in Augenschein zu nehmen;
9. ist besonders besorgt über die jüngsten Berichte, wonach die Staatsorgane Russlands rechtsextreme politische Parteien und Akteure in mehreren Ländern der EU, hauptsächlich in Deutschland und Frankreich, eigens mit Narrativen versorgen, mit denen die öffentliche Unterstützung für die Ukraine nach der groß angelegten Invasion durch Russland im Jahr 2022 untergraben werden soll; betont, dass die Verbindungen Russlands zu Parteien und Politikern in der EU und Russlands umfassende Einmischung in sezessionistische Bewegungen in anderen Gebieten Europas, etwa in Katalonien, ein ernstzunehmendes Problem sind;
10. bekräftigt seine Entrüstung über die regelmäßigen Enthüllungen, dass Russland in großem Ausmaß Parteien, Politiker, Amtsträger und Bewegungen in mehreren demokratischen Ländern in der Absicht finanziert, in deren innerstaatliche Prozesse einzugreifen und Einfluss darauf zu gewinnen; stellt fest, dass Spenden aus dem Ausland an politische Parteien und Kandidaten in der überwältigenden Mehrheit der Mitgliedstaaten ganz oder teilweise verboten sind; ist besorgt über die Verbindungen Russlands zu einer Reihe von Parteien und Politikern in der EU; weist erneut darauf hin, dass auch in den Fällen, in denen Politikfinanzierung nur aus eingeschränkten Quellen gesetzlich zulässig ist, Akteure aus Russland Wege zur Umgehung dieser Einschränkungen gefunden haben und ihren Verbündeten Unterstützung angeboten haben, etwa über die Aufnahme von Darlehen bei ausländischen Banken (wie im Fall der französischen Partei „Front National“ im Jahr 2016), durch Kauf- und Geschäftsvereinbarungen (wie laut den Vorwürfen des „Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“ vom 17. Mai 2019 gegen die österreichische FPÖ sowie von „BuzzFeed“ und „L’Espresso“ vom 10. Juli 2019 gegen die italienische „Lega Nord“) und durch finanzielle Aktivitäten (wie von der britischen Presse über die Kampagne „Leave.eu“ berichtet wurde);
11. ist äußerst besorgt darüber, dass die katalanischen Sezessionisten und die Regierung Russlands mutmaßlich Beziehungen zueinander pflegen; stellt fest, dass sich die Einmischung Russlands in Katalonien – wenn sie denn nachgewiesen werden sollte – in die breiter angelegte Strategie Russlands einfügen würde, der Destabilisierung der EU im Innern und der Uneinigkeit der EU Vorschub zu leisten; ist zutiefst besorgt darüber, dass Russland in großem Ausmaß Desinformationskampagnen in Katalonien betrieben hat und dass mutmaßlich intensive Kontakte und zahlreiche Treffen zwischen den Agenten, die für die Einflussnahme Russlands auf die Unabhängigkeitsbewegung und die Regionalregierung der Autonomen Gemeinschaft Katalonien zuständig sind, stattgefunden haben; fordert die zuständigen Justizbehörden auf, die Verbindungen der MdEP, die mit dem Kreml und Russlands Versuchen der Destabilisierung und Einflussnahme in der EU und ihren Mitgliedstaaten in Verbindung stehen, wirksam zu untersuchen; missbilligt sämtliche Angriffe auf die Richter, die die Ermittlungen in den Fällen zu Aktivitäten im Zusammenhang mit Einflussnahme leiten; fordert, dass die Fälle der betreffenden katalanischen MdEP an den Beratenden Ausschuss für den Verhaltenskodex verwiesen werden;
12. verurteilt aufs Schärfste den jüngsten Vorfall in der Slowakei, bei dem der Auslandsnachrichtendienst Russlands in einem provozierenden Schritt während des Wahlkampfmoratoriums vor der Wahl eine Erklärung veröffentlicht hat, in der die Integrität des Wahlprozesses der Slowakischen Republik infrage gestellt wurde; ist besorgt über die sichtbare und unmittelbare Rolle der Diplomatie Russlands im öffentlichen und politischen Leben in der Slowakei seit der Parlamentswahl im September 2023;
13. verurteilt aufs Schärfste die vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland aufgedeckte groß angelegte Desinformationskampagne, die von Russland auf der Plattform X orchestriert worden sein soll, um die öffentliche Meinung in Deutschland zu manipulieren;
14. nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die Plattform X den freiwillig zu befolgenden Verhaltenskodex für den Bereich der Desinformation nicht mehr anwendet; ist besorgt über die weite Verbreitung von Desinformation und illegalen Inhalten auf dieser Plattform;
15. bekräftigt seinen früheren Standpunkt, dass der außergewöhnliche Charakter der Einflussnahme aus dem Ausland durch Russland besondere Anstrengungen der Institutionen der Mitgliedstaaten und der Institutionen der EU – auch des Europäischen Parlaments – erfordert, um diese besondere Bedrohungslage zu erkennen, gegen die Bedrohungen vorzugehen und sie zu abzuwehren;
16. verurteilt aufs Schärfste, dass ein Mitarbeiter eines Mitglieds des Deutschen Bundestages, das der Partei AfD angehört, als Kontaktperson des FSB tätig war, was eine beunruhigende Enthüllung renommierter deutscher Medien ist und erhebliche Besorgnis hinsichtlich einer möglichen Einflussnahme aus dem Ausland auf die politische Landschaft Deutschlands aufwirft;
17. weist darauf hin, dass Einflussnahme aus dem Ausland eine systemische Bedrohung ist, der energisch entgegengewirkt werden muss; betont, dass hybride Kriegsführung sowie die Manipulation von Informationen und Einflussnahme aus dem Ausland nicht nur die Außenpolitik und Sicherheitsfragen betreffen, sondern in Wirklichkeit die Fundamente der Demokratien in der EU bedrohen; fordert die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU nachdrücklich auf, einen ständigen bereichsübergreifenden Ansatz zwecks wirksamerer Bekämpfung der Manipulation von Informationen und Einflussnahme aus dem Ausland zu verfolgen; vertritt die Auffassung, dass eine Einmischung in Wahlen in einem Mitgliedstaat Folgen für die EU als Ganzes hat, da sich eine solche Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Institutionen der EU auswirken kann; ist der Ansicht, dass weder die nationalen staatlichen Stellen diesen Bedrohungen allein begegnen können noch die Selbstregulierung der Privatwirtschaft die Patentlösung dafür sein kann; begrüßt die Arbeit, die der Europäische Auswärtige Dienst in seinem am 23. Januar 2024 veröffentlichten zweiten Bericht über Bedrohungen durch die Manipulation von Informationen und Einflussnahme aus dem Ausland geleistet hat und empfiehlt eine engere Kooperation mit der NATO in diesem Bereich; ist nach wie vor entschlossen, seine Bemühungen im Kampf gegen die Einflussnahme aus dem Ausland in der EU in den kommenden Jahren fortzusetzen, unter anderem durch ein spezielles parlamentarisches Gremium;
18. unterstützt weiterhin nachdrücklich die Bemühungen um die Verbesserung und Durchsetzung der Vorschriften zum Schutz der Integrität dieses Organs als Säule der europäischen Demokratie; ist der Ansicht, dass an den Vorwürfen in Bezug auf die betreffende Abgeordnete nochmals deutlich wird, dass die Sicherheitskultur im Europäischen Parlament verbessert werden muss; fordert, dass den Empfehlungen für eine Reform der Vorschriften des Europäischen Parlaments zu Transparenz, Integrität, Rechenschaftspflicht und Korruptionsbekämpfung, die am 13. Juli 2023 angenommen wurden, seitens der Politik und der Verwaltung höchste Aufmerksamkeit gewidmet wird, und fordert, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen vollständig umgesetzt bzw. eingeführt werden, auch die obligatorische Sicherheitsschulung für MdEP und das Personal, eine angemessene Sicherheitsüberprüfung und die verstärkte Überprüfung des Personals, insbesondere von Personen, die an Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit teilnehmen; fordert strengere Kontrollen im Hinblick auf die Organisation von Veranstaltungen, die Einladung externer Gäste ins Europäische Parlament und den Zugang zu seinen Kommunikationsplattformen; fordert die nationalen Behörden auf, bei Anträgen auf Sicherheitsüberprüfung von MdEP und Bediensteten des Parlaments sowie bei allen Sicherheitsüberprüfungen im Zusammenhang mit den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU die Verfahren und einen gemeinsamen Zeitplan einzuhalten; ist der festen Überzeugung, dass seine Ressourcen wie die finanzielle Förderung von Veranstaltungen und Reisen, die Gewährung des Zugangs zu Videostudios und anderen Kommunikationsplattformen und die Finanzierung von Kommunikationsprojekten von Fraktionen oder MdEP nicht dazu verwendet werden dürfen, die Werte der EU zu zersetzen oder feindselige Informationen autoritärer Regime zu verbreiten; bekräftigt seine Forderung nach strengeren Regeln für Reisen von MdEP, die von Drittstaaten und ausländischen Einrichtungen bezahlt werden; ist der Ansicht, dass ähnliche Vorschriften für Reisen von akkreditierten parlamentarischen Assistenten oder Bediensteten der Fraktionen ausgearbeitet werden sollten;
19. bekräftigt sein vehementes Eintreten für anhaltende ernsthafte und konkrete Reformen im Europäischen Parlament, damit man keine Toleranz gegenüber Korruption und korrumpierende politische Einflussnahme zeigt sowie die Demokratie in Europa schützt;
20. bekräftigt seine Unterstützung für die schnellstmögliche Einrichtung eines unabhängigen Ethikgremiums gemäß seiner Entschließung vom 16. September 2021; fordert alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU auf, mehr Ambitionen in Bezug auf die Einrichtung dieses Gremiums an den Tag zu legen;
21. fordert das Sekretariat des EU-Transparenzregisters auf, gemäß dem Beschluss des Rates vom 3. Juni 2022 über restriktive Maßnahmen(10) Einrichtungen mit direkten oder indirekten Beziehungen zur Regierung Russlands zu verbieten;
22. erwartet, dass die Kommission und der Rat das Paket zur Verteidigung der Demokratie tatsächlich umsetzen, sodass dringend Maßnahmen ergriffen und die zahlreichen Schlupflöcher in den Rechtsvorschriften der EU zur Parteienfinanzierung geschlossen werden, ein verbindliches Regulierungssystem für große Plattformen eingeführt und die Cyberabwehr der EU gegen mögliche Angriffe auf das Wahlsystem der EU verstärkt wird; fordert die Institutionen der EU und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, umfangreiche und dauerhafte Investitionen in die Stärkung der Resilienz der Demokratie in der EU und der Rechtsstaatlichkeit zu tätigen, unter anderem durch Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeiten der EU im Bereich Spionageabwehr; betont, dass strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit Spionagevorwürfen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen; weist darauf hin, dass in fast allen Mitgliedstaaten russische Spionagenetzwerke aufgedeckt worden sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen und ihre Zusammenarbeit zu verstärken, auch um Versuche zu vereiteln, sensible Technologien von EU-Unternehmen zu erwerben, mit der die militärischen Fähigkeiten Russlands gestärkt werden sollen; begrüßt, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten eigens Untersuchungsausschüsse eingerichtet haben, die sich der Bekämpfung russischer Einflussnahme widmen, wobei andere ihre Ausschüsse kürzlich jedoch wieder aufgelöst haben;
23. verurteilt sämtliche Arten der Vereinnahmung von Eliten und die Methode der Kooptierung hochrangiger Beamter und ehemaliger Politiker aus der EU, unter anderem durch die Schaffung lukrativer Arbeitsplätze in Unternehmen, die Verbindungen zu Regierungen haben, die aktiv an gegen die EU gerichteten Handlungen der Einflussnahme mitwirken; fordert, dass es MdEP untersagt wird, bezahlte Nebentätigkeiten oder Tätigkeiten im Namen von im Transparenzregister eingetragenen Organisationen oder Einzelpersonen oder im Namen von Drittländern auszuüben, damit potenzielle Interessenkonflikte und Einflussnahme aus dem Ausland begrenzt werden;
24. stellt fest, dass Gesetze zur Bekämpfung von Korruption und kriminellem Verhalten von wesentlicher Bedeutung sind, aber durch Gesetze kriminelle und unethische Handlungen einzelner MdEP an sich nicht verhindert werden können; betont, dass alle Fraktionen im Europäischen Parlament eine gewisse Verantwortung dafür tragen, auf die Handlungen ihrer Mitglieder zu achten, und weist daher alle Fraktionen nochmals darauf hin, dass sie rasch handeln müssen, wenn sie auf ein Verhalten aufmerksam gemacht werden, das Zweifel an der Integrität eines ihrer Mitglieder aufkommen lässt; fordert alle MdEP und alle Fraktionen auf, in diesem Zusammenhang uneingeschränkt mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und der EU zusammenzuarbeiten;
25. ist der Überzeugung, dass freie und faire Wahlen das Kernstück des demokratischen Prozesses sind, und fordert daher die Institutionen der EU und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, damit tatsächlich allein der Wille des Volkes als Grundlage für ein Regierungsmandat dient, ohne dass sich böswillige Akteure aus dem Ausland darin einmischen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die Vorbereitungen für die Wahl zum Europäischen Parlament vom 6. bis 9. Juni 2024 gelegt werden sollte; fordert die Mitgliedstaaten und Institutionen der EU auf, mit Blick auf diese Wahl Resilienzstrategien umzusetzen, und betont, dass man die ständigen Bemühungen zur Überwachung verstärkt und deren Umsetzung rechtzeitig verbessern muss, bevor Wahlen, Referenden oder andere wichtige politische Prozesse in ganz Europa anstehen;
26. betont, dass dem investigativen Journalismus eine entscheidende Aufgabe dabei zukommt, Versuche von Einflussnahme aus dem Ausland und verdeckte Aktivitäten aufzudecken; bekräftigt seine Forderung an die Institutionen der EU und die Mitgliedstaaten, für eine ausreichende und dauerhafte Finanzierung des investigativen Journalismus Sorge zu tragen;
27. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu übermitteln.
Beschluss (GASP) 2022/884 des Rates vom 3. Juni 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. L 153 vom 3.6.2022, S. 128).
Die anhaltende Unterdrückung der demokratischen Kräfte in Venezuela und die Übergriffe gegen die Präsidentschaftskandidatin María Corina Machado
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Februar 2024 zu der anhaltenden Unterdrückung der demokratischen Kräfte in Venezuela und den Übergriffen gegen die Präsidentschaftskandidatin María Corina Machado (2024/2549(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Venezuela,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere Menschenrechtsverträge und -instrumente der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 29. Januar 2024,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretariats der Organisation Amerikanischer Staaten vom 28. Januar 2024 zu den jüngsten Ereignissen in Venezuela,
– unter Hinweis auf das von der Regierung Maduro und dem venezolanischen Oppositionsbündnis Plataforma Unitaria im Oktober 2023 unterzeichnete Teilabkommen über die Förderung der politischen Rechte und Wahlgarantien für alle (Abkommen von Barbados),
– unter Hinweis auf den ersten Bericht der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission der Vereinten Nationen betreffend die Bolivarische Republik Venezuela, der am 16. September 2020 veröffentlicht wurde,
– unter Hinweis auf die Verfassung Venezuelas,
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der EU-Wahlbeobachtungsmission (EU EOM) in Venezuela vom 22. Februar 2022 mit dem Titel „Regional and municipal elections 21 November 2021“ (Regional- und Kommunalwahlen am 21. November 2021) und die Erklärung des Vorsitzenden der Wahlbeobachtungsdelegation des Europäischen Parlaments, Jordi Cañas, vom 23. November 2021 zu den Regional- und Kommunalwahlen in Venezuela im Jahr 2021,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Wahl in Venezuela im Jahr 2024 einen Wendepunkt von einer korrupten Autokratie hin zu einer Rückkehr zur Demokratie darstellen könnte, wenn alle Punkte des Abkommens von Barbados eingehalten werden; in der Erwägung, dass die bürgerlichen und politischen Rechte in Venezuela nach wie vor verletzt werden, was zu jahrelanger Instabilität und Gewalt geführt hat; in der Erwägung, dass sich bislang etwa acht Millionen Menschen gezwungen sahen, das Land zu verlassen;
B. in der Erwägung, dass die Information der Öffentlichkeit, das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sowie das Recht, sich friedlich zu versammeln, systematisch eingeschränkt worden sind, insbesondere für Regimekritiker, Gewerkschafter, Menschenrechtsverteidiger und die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft;
C. in der Erwägung, dass das Maduro-Regime und das Oppositionsbündnis Plataforma Unitaria am 17. Oktober 2023 in Venezuela zwei Abkommen unterzeichneten, die als Abkommen von Barbados bekannt sind und in denen unter anderem die Förderung der politischen Rechte und von Wahlgarantien für alle sowie die Freilassung politischer Gefangener behandelt wurden; in der Erwägung, dass dieses Abkommen wichtige Themen, etwa die Möglichkeit der Teilnahme internationaler Beobachter am Wahlprozess, umfasst; in der Erwägung, dass das Abkommen als erster Schritt zur Gewährleistung freier und fairer Wahlen in Venezuela unterzeichnet wurde;
D. in der Erwägung, dass María Corina Machado am 22. Oktober 2023 bei den Vorwahlen mit 92,35 % der Stimmen zur Präsidentschaftskandidatin der demokratischen Opposition gewählt wurde;
E. in der Erwägung, dass María Corina Machado und einige Mitglieder ihres Wahlkampfteams – darunter Juan Freites, Luis Camacaro und Guillermo López, die rechtswidrig inhaftiert wurden und seither als vermisst gelten – sowie Organisationen der Zivilgesellschaft, Rechtsanwälte, nichtstaatliche Organisationen und andere politische Akteure der demokratischen Opposition seit mehreren Monaten Zielscheibe willkürlicher, politisch motivierter Manöver sind, die darauf abzielen, sie von der Ausübung öffentlicher Ämter auszuschließen; in der Erwägung, dass sich unter den Betroffenen auch Henrique Capriles befindet, der bereits zweimal für das Amt des Präsidenten kandidiert hat und dessen Ausschluss in derselben Erklärung vom 26. Januar 2024 ebenfalls bestätigt wurde;
F. in der Erwägung, dass beim Prozess zur Rehabilitierung von María Corina Machado grundlegende Aspekte missachtet wurden, da sie weder eine Kopie der gegen sie erhobenen Anschuldigungen noch die Möglichkeit erhielt, auf diese Anschuldigungen zu reagieren; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof des Regimes auf seiner Website eine Zusammenfassung seiner Entscheidung veröffentlicht hat, die keine Rechtsgrundlage hat; in der Erwägung, dass in der Verfassung Venezuelas festgelegt ist, dass die politischen Rechte von Personen nicht durch Verwaltungsentscheidungen eingeschränkt werden dürfen und dass Personen durch solche Entscheidungen nicht von der Ausübung eines öffentlichen Amtes ausgeschlossen werden dürfen; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof des Regimes daher nicht in der Lage war, in dieser Angelegenheit ein verfassungskonformes Urteil zu erlassen;
G. in der Erwägung, dass Roberto Abdul, ein Mitglied der Kommission, die die Vorwahlen der Opposition des Regimes plante, am 6. Dezember 2023 wegen angeblichen Hochverrats verhaftet wurde; in der Erwägung, dass zur gleichen Zeit Haftbefehle gegen Henry Alviarez, Claudia Macero und Pedro Urruchurtu, Mitglieder der Partei Vente Venezuela, wegen angeblicher Straftaten wie Hochverrat, Verschwörung und Geldwäsche erlassen wurden;
H. in der Erwägung, dass diese willkürlichen Entscheidungen mit der Zusage der Vertreter von Nicolás Maduro, 2024 eine kompetitive Präsidentschaftswahl in Venezuela abzuhalten, nicht vereinbar sind und im Widerspruch zu den Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission stehen; in der Erwägung, dass das Recht der Venezolaner, ihre Vertreter zu wählen, durch den fortgesetzten willkürlichen Ausschluss von Kandidaten der Opposition durch die Verwaltungsbehörden stark eingeschränkt wird;
I. in der Erwägung, dass das Parlament in seiner Entschließung vom 13. Juli 2023 zum Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter in Venezuela(1) den Umstand, dass das venezolanische Regime Kandidaten mit einem Verbot der Ausübung politischer Ämter belegt hat, bereits scharf verurteilt hatte; in der Erwägung, dass in dieser Entschließung ausdrücklich der willkürliche und verfassungswidrige für 15 Jahre geltende Ausschluss von María Corina Machado und anderen prominenten politischen Persönlichkeiten verurteilt und bedauert wurde, dass die Empfehlungen der letzten EU-Wahlbeobachtungsmission völlig ignoriert worden waren;
J. in der Erwägung, dass das Maduro-Regime dem leitenden Wahlbeobachter der EU die Einreise nach Venezuela zur Präsentation seines Abschlussberichts über die Regional- und Kommunalwahlen von 2021 verweigerte, da die EU-Wahlbeobachtungsmission zuvor des Landes verwiesen worden war;
K. in der Erwägung, dass das Regime am 22. Januar über den Generalstaatsanwalt 14 Haftbefehle basierend auf frei erfundenen Vorwürfen des Hochverrats und des Magnizids gegen mehrere Personen – darunter die Menschenrechtsverteidigerin Tamara Sujú, die Journalistin Sebastiana Barráez, der ehemalige Bürgermeister von Caracas Antonio Ledezma, der Spitzenpolitiker Leopoldo López, der ehemalige Interimspräsident Venezuelas Juan Guaidó und der ehemalige Bürgermeister David Smolansky – erlassen hat, und zwar nur deshalb, weil sie von ihrer Freiheit Gebrauch gemacht hatten, sich gegen das Regime auszusprechen;
L. in der Erwägung, dass das venezolanische Parlament, das vom Maduro-Regime kontrolliert wird, ein neues Gesetz über die Finanzierung und Leistung von nichtstaatlichen Organisationen vorbereitet hat, um die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft, sich zu organisieren und ihre Rechte zu verteidigen, einzuschränken;
M. in der Erwägung, dass Maduro am 31. Januar einen Aufruf der vom Regime kontrollierten Nationalversammlung unterstützte, ab dem 5. Februar im Dialog mit verschiedenen Sektoren einen Vorschlag für einen Zeitplan für die Präsidentschaftswahl auszuarbeiten, die für die zweite Jahreshälfte 2024 erwartet wird, für die es aber noch kein konkretes Datum gibt;
N. in der Erwägung, dass der im Abkommen von Barbados enthaltene Fahrplan für die Wahl nach wie vor eine Möglichkeit ist, um die seit Langem bestehende politische, wirtschaftliche und humanitäre Krise Venezuelas zu lösen und in Venezuela eine kompetitive, freie und inklusive Wahl abzuhalten; in der Erwägung, dass das Regime mit der Verfolgung von Kandidaten der Opposition erheblich gegen die im Abkommen von Barbados vereinbarten politischen Rechte und Wahlgarantien verstößt;
O. in der Erwägung, dass das Regime auch Änderungen am Nationalen Wahlrat (Consejo Nacional Electoral – CNE) vorgenommen hat, um den Wahlprozess zu behindern und jegliche Aussicht auf eine Rückkehr zur Demokratie zu zerstreuen; in der Erwägung, dass drei der fünf Hauptrektoren des Nationalen Wahlrats im Juni 2023 zurücktraten, wodurch die beiden übrigen zum Rücktritt gezwungen wurden; in der Erwägung, dass die Nationalversammlung des Regimes eine Sonderkommission aus Vertretern des Regimes, einschließlich der Ehefrau von Nicolás Maduro, ernannte, um die neuen Rektoren aus den Reihen des Regimes zu wählen;
1. verurteilt aufs Schärfste die Versuche, die Präsidentschaftskandidatin der demokratischen Opposition, María Corina Machado, und andere Personen, wie etwa Henrique Capriles, von der Ausübung eines öffentlichen Amtes auszuschließen; weist darauf hin, dass beim Prozess zur Rehabilitierung von María Corina Machado grundlegende Aspekte missachtet wurden, da sie weder eine Kopie der gegen sie erhobenen Anschuldigungen noch die Möglichkeit erhielt, auf diese Anschuldigungen zu reagieren;
2. verurteilt aufs Schärfste die Übergriffe gegen Mitglieder des Teams von María Corina Machado und andere Vertreter der Opposition und der Zivilgesellschaft sowie gegen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, ihr mutmaßliches Verschwindenlassen und ihre Verhaftung sowie die gegen sie ausgestellten Haftbefehle; verurteilt aufs Schärfste die Einmischung des Maduro-Regimes in den Wahlprozess;
3. fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller willkürlich festgenommenen politischen und gesellschaftlichen Führungspersönlichkeiten, einschließlich Juan Freites, Luis Camacaro und Guillermo Lopez, Wahlkampfmitarbeiter der Präsidentschaftskandidatin der Opposition, María Corina Machado;
4. bekräftigt, dass die Maßnahmen von Nicolás Maduro und seinen Vertretern, einschließlich der Verfolgung von Mitgliedern der demokratischen Opposition und der Versuche, Kandidaten an der Teilnahme an der diesjährigen Präsidentschaftswahl zu hindern, ein eindeutiger Verstoß gegen die Abkommen sind, die von Vertretern Nicolás Maduros und der Plataforma Unitaria mit dem Ziel unterzeichnet wurden, 2024 eine kompetitive Präsidentschaftswahl in Venezuela abzuhalten;
5. betont, dass die Erklärung des Obersten Gerichtshofs des Regimes verfassungswidrig und rechtswidrig ist, da sie auf willkürlichen und politisch motivierten Anschuldigungen beruht, und dass das angewandte Verfahren nicht mit dem Gesetz im Einklang stand; ist daher der Ansicht, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der vom Regime ernannt wurde, keine rechtliche Grundlage hat und dass María Corina Machado nach wie vor das Recht hat, bei der Wahl zu kandidieren;
6. ist der Ansicht, dass diese Handlungen eindeutig einen Versuch der politischen Verfolgung durch ein diktatorisches Regime darstellen, durch den die bürgerlichen und politischen Rechte des venezolanischen Volkes verletzt werden, und dass diese vorhersehbaren Handlungen, insbesondere angesichts der Vorgeschichte des Regimes, erneut jede Aussicht auf freie und faire Wahlen zunichtemachen;
7. würdigt die Bemühungen der Opposition, als demokratische Lösung für Venezolaner im In- und Ausland Vorwahlen zu organisieren; fordert die Staatsorgane Venezuelas nachdrücklich auf, die Voraussetzungen für faire, freie, inklusive und transparente Wahlen zu schaffen;
8. fordert das venezolanische Regime nachdrücklich auf, die Verfolgung von María Corina Machado, die die Vorwahlen gewonnen hat und somit eine völlig legitime Kandidatin der Opposition ist, und die Verfolgung weiterer Oppositionspolitiker umgehend einzustellen und mit der Umsetzung des Abkommens von Barbados zu beginnen, unter anderem durch die Einhaltung der Grundsätze des Fahrplans für die Wahlen und von Absatz 1 des Abkommens, gemäß dem die Parteien das Recht jedes politischen Akteurs, seinen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl frei auszuwählen, anerkennen und achten müssen, was bedeuten würde, dass die Oppositionsführerin María Corina Machado ungehindert an einer kompetitiven und wirklich demokratischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 teilnehmen kann;
9. weist auf die entsetzlichen sozialen, wirtschaftlichen und humanitären Bedingungen hin, die in Venezuela seit Jahren herrschen und die die Bevölkerung Venezuelas schon zu lange erdulden muss; verurteilt aufs Schärfste die Ermordung, die anhaltende Unterdrückung und die systematische Folter des venezolanischen Volkes und von Menschenrechtsverteidigern sowie die Verletzung ihrer Menschenrechte und ihrer bürgerlichen und politischen Rechte; fordert das venezolanische Regime nachdrücklich auf, die Verfolgung und Unterdrückung seiner politischen Gegner und des venezolanischen Volkes sowie die Verletzung ihrer bürgerlichen und politischen Rechte umgehend einzustellen sowie die Haftbefehle gegen politische Gegner aufzuheben und politische Gefangene freizulassen;
10. verurteilt den Missbrauch des Rechtsrahmens, um die Verteidigung der Menschenrechte und die Vereinigungsfreiheit einzuschränken, und ist insbesondere besorgt über den Gesetzesentwurf zur Kontrolle, Regulierung, Tätigkeit und Finanzierung nichtstaatlicher und mit ihnen in Verbindung stehender Organisationen;
11. weist darauf hin, dass es wichtig ist, allen Venezolanern sowohl in Venezuela als auch im Ausland die Teilnahme an den Wahlen zu ermöglichen, indem das ständige Wählerverzeichnis und das Wählerverzeichnis im Ausland aktualisiert werden, wie dies in Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe e des Abkommens von Barbados vorgesehen ist;
12. verurteilt aufs Schärfste die Einmischung in die Ernennung der Mitglieder des Nationalen Wahlrats und fordert ein unabhängiges Nominierungsverfahren für neue Ernennungen für den Nationalen Wahlrat;
13. unterstützt uneingeschränkt die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs und der unabhängigen Erkundungsmission der Vereinten Nationen zu den vom venezolanischen Regime ausgehenden umfangreichen Verbrechen und Repressionen und fordert die EU auf, die aktuell im Rahmen des Römischen Statuts geprüften Ermittlungen zu den mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu unterstützen, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können;
14. ist nach wie vor fest entschlossen, den Dialog zwischen den Parteien und das Streben des venezolanischen Volkes nach einer demokratischen Zukunft zu unterstützen; fordert die EU auf, mit der internationalen Gemeinschaft und allen friedlichen demokratischen Akteuren des gesamten politischen Spektrums in Venezuela zusammenzuarbeiten und alle ihr zur Verfügung stehenden Mechanismen zu nutzen, um eine Rückkehr zu den Grundsätzen des Abkommens von Barbados zu fördern;
15. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die gegen das Maduro-Regime verhängten Sanktionen aufrechtzuerhalten; beharrt darauf, dass die Sanktionen verschärft werden sollten, bis das Regime sich – im Einklang mit dem Abkommen von Barbados – eindeutig und dauerhaft zur Wahrung grundlegender demokratischer Standards, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte verpflichtet; fordert weitere gezielte Sanktionen im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (Magnitski-Gesetz der EU) gegen die Richter des Obersten Gerichtshofs Venezuelas, die an den Versuchen beteiligt waren, María Corina Machado die Ausübung öffentlicher Ämter zu untersagen, sowie gegen die Mitglieder der venezolanischen Sicherheitskräfte, die sich an den systematischen Übergriffen gegen Regierungsgegner beteiligt haben;
16. fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst, die EU-Delegation in Venezuela und die Mitgliedstaaten sowie die internationale Gemeinschaft auf, die Lage im Land weiterhin zu beobachten und eine entschlossenere und sichtbarere Rolle zu spielen;
17. beharrt darauf, dass die EU die Entsendung einer Wahlbeobachtungsmission nach Venezuela erst dann in Erwägung ziehen darf, wenn es klare und glaubwürdige Garantien dafür gibt, dass das Abkommen von Barbados und der Fahrplan für die Wahl uneingeschränkt eingehalten werden, wenn Oppositionspolitiker, denen die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt wurde, wieder zugelassen werden, wenn María Corina Machado an der Wahl teilnehmen darf und wenn die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission von 2021 ordnungsgemäß umgesetzt worden sind;
18. betont, dass die Wahl und deren Ergebnis nicht anerkannt werden, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind;
19. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie den Teilnehmern des Gipfeltreffens der Union und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika, der Organisation Amerikanischer Staaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und den Behörden des venezolanischen Regimes zu übermitteln.