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Mittwoch, 28. Februar 2024 - Straßburg
Führerscheine
 Einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel
 Einheitliches ergänzendes Zertifikat für Arzneimittel
 Ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel (Neufassung)
 Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel (Neufassung)
 Standardessentielle Patente
 Geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse
 Schnellere und sicherere Verfahren für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern
 Berichtspflichten
 Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Jahresbericht 2023
 Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Jahresbericht 2023
 Menschenrechte und Demokratie in der Welt und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich – Jahresbericht 2023
 Finanztätigkeit der Europäischen Investitionsbank – Jahresbericht 2023
 Bericht über den Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2023
 Empfehlung an den Rat, die Kommission und den EAD zur Lage in Syrien

Führerscheine
PDF 663kWORD 304k
Entschließung
Konsolidierter Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2022/2561 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EU) Nr. 383/2012 der Kommission (COM(2023)0127 – C9-0035/2023 – 2023/0053(COD))
P9_TA(2024)0095A9-0445/2023

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2023)0127),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 91 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0035/2023),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 14. Juni 2023(1),

–  nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

–  gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (A9-0445/2023),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2022/2561 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EU) Nr. 383/2012 der Kommission

P9_TC1-COD(2023)0053


(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 91 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gestützt auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

gestützt auf die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(-1)   Die Union verpflichtet sich ihrer „Vision Null Straßenverkehrstote“ bis 2050, wie in der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität von 2020 dargelegt. Im Jahr 2017 erklärte der informelle Rat „Verkehr“ in Valletta, dass die anhaltend hohe Zahl von Verkehrstoten und Schwerverletzten im Straßenverkehr ein großes gesellschaftliches Problem darstellt, und gab eine Erklärung ab, in der die Kommission unter anderem aufgefordert wurde, einen verbesserten EU-Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit und einen Rechtsrahmen für das Jahrzehnt nach 2020 auszuarbeiten, damit weniger tödliche Verkehrsunfälle geschehen und speziell die ungeschützten Verkehrsteilnehmer, die am häufigsten zu Opfern werden, besser geschützt werden. [Abänd. 1]

(-1a)   Die bisherigen Bemühungen der Behörden haben zu einer Verringerung der Zahl der Verkehrstoten von 51 400 im Jahr 2001 auf 19 800 im Jahr 2021 geführt. Damit wurde das Ziel der Union, die Zahl der Verkehrstoten von 2001 bis 2020 um 75 % zu senken, verfehlt. Darüber hinaus sind die in den ersten zehn Jahren erzielten Fortschritte bei der Halbierung der Zahl der Verkehrstoten später stagniert. [Abänd. 2]

(1)  Die Regelungen zum Führerschein sind wesentliche Bestandteile der gemeinsamen Verkehrspolitik, tragen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei und erleichtern die Freizügigkeit der Personen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der den Führerschein ausgestellt hat, niederlassen. Angesichts der Bedeutung der individuellen Verkehrsmittel fördert und erleichtert der Besitz eines vom Aufnahmemitgliedstaat offiziell anerkannten Führerscheins die Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit der Personen. Desgleichen wirkt sich jede rechtswidrige Erlangung eines solchen Dokuments bzw. der Fahrerlaubnis oder der Verlust eines rechtmäßig erworbenen Führerscheins durch rechtswidrige Verhaltensweisen nicht nur auf den Mitgliedstaat aus, in dem die Verstöße begangen wurden, sondern auch auf die Straßenverkehrssicherheit in der gesamten Union.

(2)  Der derzeitige Rechtsrahmen sollte so aktualisiert werden, dass er der heutigen Zeit gerecht wird und nachhaltig, inklusiv, intelligent und resilient ist. Er sollte der Notwendigkeit Rechnung tragen, dass die Emissionen und der Energieverbrauch aus dem Verkehr verringert werden müssen, auch durch eine verstärkte Nutzung von alternativ angetriebenen Fahrzeugen, und auch die Digitalisierung, die demografischen Trends und technologischen Entwicklungen berücksichtigen, die die Grundlage für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft bilden. Die Verwaltungsverfahren müssen unbedingt vereinfacht und digitalisiert werden, um Hindernisse wie den Verwaltungsaufwand zu beseitigen, die nach wie vor die Freizügigkeit von Fahrzeugführern behindern, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der den Führerschein ausgestellt hat, begründen. Ein harmonisierter Rahmen für einen unionsweiten Führerscheinstandard sollte sowohl physische als auch digitale Führerscheine aller Klassen umfassen und deren gegenseitige Anerkennung vorsehen, sofern sie gemäß dieser Richtlinie ordnungsgemäß ausgestellt wurden. [Abänd. 3]

(3)  Die Europäische Union führte am 4. Dezember 1980 den ersten physischen Führerschein nach dem „Gemeinschaftsmodell“ ein. Seitdem sind die Vorschriften im Zusammenhang mit diesem Gemeinschaftsmodell, das mehr als 250 Millionen Fahrzeugführer umfasst, zur Referenz für die fortschrittlichsten Führerscheinsysteme der Welt geworden. Die Richtlinie sollte daher auf den gesammelten Erfahrungen und der bisherigen Praxis aufbauen und harmonisierte Vorschriften zu den unionsweiten Standards für den physischen Führerschein festlegen. Die in der Europäischen Union ausgestellten physischen Führerscheine sollten mithilfe von Maßnahmen zur Fälschungsbekämpfung insbesondere ein hohes Maß an Schutz vor Betrug und Fälschung bieten und die Möglichkeit vorsehen, auch Mikrochips und QR-Codes darauf anzubringen.

(4)  Es sollte sichergestellt werden, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Umsetzung dieser Richtlinie mit dem Datenschutzrahmen der Union, insbesondere der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates(4) und der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(5), im Einklang steht. [Abänd. 5]

(5)  Mit dieser Richtlinie wird – im Einklang mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e und gegebenenfalls Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2016/679 – zum Zwecke des Nachweises und der Überprüfung der Fahrerlaubnis und der Identität einer Person eine Rechtsgrundlage für die Speicherung eines obligatorischen Satzes personenbezogener Daten in den physischen Führerscheinen und ihren Mikrochips oder QR-Codes und den digitalen Führerscheinen geschaffen, um ein hohes Maß an Straßenverkehrssicherheit in der gesamten Union zu gewährleisten. Diese Daten sollten auf das Maß beschränkt sein, das erforderlich ist, um die Fahrerlaubnis einer Person nachzuweisen, diese Person zu identifizieren und ihre Fahrerlaubnisse und Identität zu überprüfen. Die Richtlinie sieht auch zusätzliche Garantien vor, um den Schutz personenbezogener Daten, die während des Überprüfungsverfahrens offengelegt werden, zu gewährleisten. [Abänd. 6]

(6)  Um für Rechtssicherheit zu sorgen und den nahtlosen Übergang zwischen dieser Richtlinie und der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein(6) zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten zusätzliche personenbezogene Daten auf einem Mikrochip speichern können, sofern dies im nationalen Recht vorgesehen ist und mit der Verordnung (EU) 2016/679 im Einklang steht. In jedem Fall werden die auf diesem Mikrochip gespeicherten Daten nur bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer des Führerscheins gespeichert. Diese Richtlinie dient jedoch nicht als Rechtsgrundlage für die Aufnahme solcher zusätzlichen Daten. [Abänd. 7]

(7)  Dagegen sollte es der mit dieser Richtlinie festgelegte QR-Code, der die Überprüfung der Echtheit der auf dem physischen Führerschein aufgedruckten Informationen ermöglicht, nicht erlauben, mehr Informationen zu speichern als auf dem physischen Führerschein angegeben sind.

(8)  Diese Richtlinie bietet keine Rechtsgrundlage für die Einrichtung oder Unterhaltung von Datenbanken auf nationaler Ebene für die Speicherung biometrischer Daten in den Mitgliedstaaten, da es sich dabei um eine Angelegenheit des nationalen Rechts handelt, das mit dem Datenschutzrecht der Union in Einklang stehen muss. Darüber hinaus bietet diese Richtlinie keine Rechtsgrundlage für die Einrichtung oder Unterhaltung einer zentralen Datenbank biometrischer Daten auf Unionsebene.

(8a)   Der digitale Führerschein sollte in Bezug auf die personenbezogenen Daten, die zur Identifizierung und Authentifizierung verwendet werden, ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten, unabhängig davon, ob diese Daten lokal, in dezentralen Registern oder über cloudgestützte Lösungen gespeichert werden, wobei den unterschiedlichen Risikostufen Rechnung zu tragen ist. Ungeachtet der Notwendigkeit einer starken Nutzerauthentifizierung sollte die Verwendung biometrischer Daten zur Identifizierung und Authentifizierung keine Voraussetzung für die Nutzung des digitalen Führerscheins sein. Biometrische Daten, die für die Authentifizierung einer natürlichen Person im Rahmen der Verordnung (EU) 2016/679 verwendet werden, sollten ohne ausdrückliche Zustimmung des Nutzers nicht in Cloud-basierten Lösungen gespeichert werden. Die Verwendung biometrischer Daten sollte gemäß Artikel 9 auf bestimmte Szenarien beschränkt sein, und sie erfordert organisatorische Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen, die dem Risiko entsprechen, das eine solche Verarbeitung für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen mit sich bringen kann, und muss im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 erfolgen. [Abänd. 8]

(9)  Weitere Verpflichtungen sind erforderlich, um die Bekämpfung von Fälschungen und Betrug in Bezug auf Führerscheine zu beschleunigen. Daher ist es wünschenswert, dass der ursprünglich in der Richtlinie 2006/126/EG festgelegte Termin, zu dem alle bereits ausgestellten bzw. in Umlauf befindlichen physischen Führerscheine alle im Unionsrecht festgelegten Anforderungen erfüllen müssen, vorgezogen wird.

(10)  Der digitale Wandel ist eine der Prioritäten der Union. Im Straßenverkehr wird er dazu beitragen, die verbleibenden administrativen Hindernisse für die Freizügigkeit – z. B. lange Fristen für die Ausstellung des physischen Führerscheins – zu beseitigen. Daher sollte ein gesonderter unionsweiter Standard für die in der Union ausgestellten digitalen Führerscheine festgelegt werden. Um den digitalen Wandel zu erleichtern, sollten ab dem [Datum der Annahme + 4 Jahre] standardmäßig digitale Führerscheine zusätzlich zu den physischen Führerscheinen ausgestellt werden, unbeschadet des Rechts des Bewerbers, entweder auf einen physischen oder gleichzeitig sowohl einen physischen als auchauf einen digitalen Führerschein zu verzichten. Der Bewerber sollte das Recht haben, seinen Führerschein in dem Format zu erwerben, auf das er zunächst verzichtet hatte. Freiwilligkeit sollte nach wie vor die Norm bleiben, wobei sichergestellt werden sollte, dass die Bewerber aus wirtschaftlicher und operativer Sicht gleichberechtigten Zugang zum physischen und digitalen Format erhalten. Daher darf auf keinen Fall von der Entscheidung für einen physischen Führerschein abgeraten werden. Insbesondere sollte der Zugang zu einem physischen Führerschein auch dann erhalten bleiben, wenn Bewerber einen digitalen Führerschein nicht erwerben können oder wollen. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass der physische Führerschein unverzüglich und spätestens innerhalb von zwei Wochen ab dem Tag, an dem er angefordert wurde, ausgestellt oder neu ausgestellt wird. [Abänd. 9]

(11)  Der digitale Führerschein sollte nicht nur die Informationen, die auf dem physischen Führerschein angegeben sind, enthalten, sondern auch Informationen, die es ermöglichen, dass die Echtheit der Daten zu überprüfenüberprüft werden kann, sowie einen Einmal-Zeiger. Es sollte jedoch gewährleistet sein, dass selbst in solchen Fällen die verfügbar gemachten personenbezogenen Daten auf die Angaben des physischen Führerscheins beschränkt sind, und die Informationen zur Überprüfung der Echtheit dieser Daten, insbesondere der elektronischen Signatur der ausstellenden Behörde, nicht über das hierfür strikt erforderliche Maß hinausgehen. Diese zusätzlichen Daten sollten andere sein, wenn die Person im Besitz mehrerer digitaler Führerscheine ist; dies ist möglich, sofern diese von demselben Mitgliedstaat ausgestellt werden. [Abänd. 10]

(12)  Die Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität ist auf das Ziel der EU ausgerichtet, die Nachhaltigkeit von Mobilität und Verkehr deutlich zu verbessern. Zu den Emissionen des Straßenverkehrssektors zählen Treibhausgase, Luftschadstoffe, Lärm sowie Mikroplastik durch Reifen- und Straßenabrieb. Eine stärkere Präsenz von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb ist für den grünen Wandel von maßgeblicher Bedeutung. Die Möglichkeit, dass die neuen Modelle dieser Fahrzeuge, die ein höheres Gewicht aufweisen, unter die Führerscheinklassen B, C oder D fallen würden, sollte in dieser Richtlinie berücksichtigt werden. Der Fahrstil beeinflusst diese Emissionen und hat möglicherweise negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Daher sollte die Fahrausbildung und Fahrprüfungen die Fahrzeugführer in die Lage versetzen, ihren Anteil an den Emissionen unter anderem durch eine umweltbewusste Fahrweise zu verringern, und sie auf das Führen emissionsfreier oder emissionsarmer Fahrzeuge vorbereiten. [Abänd. 11]

(13)  Damit die Bürger und Gebietsansässigen die Vorteile des Binnenmarkts unmittelbar nutzen können, ohne dass ihnen unnötiger zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht, sieht die Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates(7) allgemeine Regeln für den Zugang zu Online-Verfahren vor, die für das Funktionieren des Binnenmarkts relevant sind, einschließlich für grenzüberschreitende Nutzer. Die unter diese Richtlinie fallenden Informationen sind bereits in Anhang I der Verordnung (EU) 2018/1724 enthalten. Anhang II der genannten Verordnung sollte geändert werden, um zu gewährleisten, dass jeder Bewerber von komplett online durchgeführten Verfahren profitieren kann.

(13a)   Die nationalen oder regionalen Unterschiede bei der Einteilung von Krankenwagen und den für das Führen dieser Fahrzeuge erforderlichen Führerscheinklassen bergen das Risiko, den grenzüberschreitenden Verkehr oder den Verkehr innerhalb des Mitgliedstaates zu behindern. Krankenwagen sollten daher im Rahmen dieser Richtlinie besonders behandelt werden. Es sollte daher in der gesamten Union gestattet sein, dass Personen zwei Jahre nach der erstmaligen Ausstellung eines Führerscheins der Klasse B Krankenwagen mit einem Führerschein der Klasse B fahren dürfen, sofern die zulässige Gesamtmasse des Krankenwagens 4 250 kg nicht überschreitet. [Abänd. 12]

(14)  Die Führerscheine sollten nach der Art der Fahrzeuge, zu deren Führen sie berechtigen, klassifiziert werden. Dies sollte in klarer und kohärenter Weise und unter uneingeschränkter Achtung der technischen Merkmale der betreffenden Fahrzeuge und der für ihr Führen erforderlichen Fähigkeiten erfolgen.

(14a)   Individuelle Verkehrsmittel spielen für die Mobilitätsbedürfnisse von Millionen von EU-Bürgern, insbesondere für Bewohner ländlicher Gebiete und für Personen mit eingeschränkter Mobilität, eine wesentliche Rolle. Jedoch stellen die mit einem Führerschein verbundenen Kosten manchmal ein Hindernis dar. Die Mitgliedstaaten sollten den Ausbau einer geeigneten Infrastruktur in städtischen, stadtnahen und ländlichen Gebieten, mit der sich die Zahl der Verkehrsunfälle und der Verkehrsstaus verringern lässt, sowie zielgerichtete politische Strategien und Förderprogramme für von Mobilitätsarmut bedrohte Menschen in Erwägung ziehen. [Abänd. 13]

(15)  Im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006, dem die EU am 21. Januar 2011 beigetreten ist, sollten spezifische Bestimmungen erlassen werden, um Menschen mit Behinderungen das Führen von Fahrzeugen zu erleichtern. Darüber hinaus müssen Personen mit eingeschränkter Mobilität unabhängig von ihrer Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen, ihre Mobilitätsrechte in Anspruch nehmen können, um Mobilitätsarmut zu verhindern. Die wirksame Umsetzung dieser Mobilitätsrechte könnte die Nutzung angepasster Einzel- oder Sammelfahrzeuge, einschließlich besonderer Merkmale oder Ausrüstung, und geeignete Infrastruktur umfassen, auch in ländlichen Gebieten. Daher sollte es den Mitgliedstaaten – mit vorheriger Zustimmung der Kommission – gestattet sein, bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Anwendung von Artikel 6 auszunehmen. [Abänd. 14]

(16)  Das Mindestalter der Bewerber für die verschiedenen Führerscheinklassen sollte auf Unionsebene festgelegt werden. Allerdings sollte es den Mitgliedstaaten gestattet sein, zur weiteren Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit eine höhere Altersgrenze für das Führen von Fahrzeugen bestimmter Klassen vorzusehen. Unter außergewöhnlichen UmständenIn Ausnahmefällen sollte es den Mitgliedstaaten gestattet sein, niedrigere Altersgrenzen vorzusehen, um innerstaatlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, insbesondere um das Fahren von Fahrzeugen der Feuerwehr, des Zivilschutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder auch Pilotprojekte im Zusammenhang mit neuen Fahrzeugtechnologien zu ermöglichen. [Abänd. 15]

(16a)   Die aktive Mobilität, wozu das Gehen und die Nutzung von Fahrrädern oder Elektrofahrrädern und anderen leichten Verkehrsmitteln wie E-Scootern gehören, wird vor dem Hintergrund des grünen Wandels immer beliebter. Die Nutzer der verschiedenen Formen der aktiven Mobilität nehmen immer häufiger die europäischen Straßen in Anspruch, die sie sich mit anderen individuellen Verkehrsmitteln teilen. Junge Nutzer, die zunehmend insbesondere E-Scooter nutzen, verfügen häufig nicht über ausreichende Kenntnisse der geltenden Gesetze, da sie noch keinerlei Führerschein besitzen. Dadurch steigt die Zahl der Unfälle, an denen E-Scooter beteiligt sind und bei denen sowohl Fußgänger als auch Nutzer von E-Scootern vorrangig zu Unfallopfern werden. Angesichts der Herausforderungen beim Thema Straßenverkehrssicherheit sollten Mitgliedstaaten altersgerechtes Training zur Straßenverkehrsordnung und zur Sensibilisierung für Risiken in ihre Schullehrpläne aufnehmen, um die Straßenverkehrssicherheit zu erhöhen. Dies sollte eine umfassende und tiefgehende Kenntnis der Sicherheitsmaßnahmen wie der Verwendung von Sicherheitsgurten und Helmen und insbesondere der sicheren Verkehrsteilnahme von gefährdeten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern, Radfahrern oder Nutzern von E-Scootern, einschließlich ihrer sicheren Interaktion mit Kraftwagen, sicherstellen. Mitgliedstaaten können weitere Maßnahmen für Nutzer von Elektrokleinstfahrzeugen mit dem Ziel einzuführen, die Zahl der Verkehrsunfälle zu verringern, die Verkehrssicherheitsbestimmungen zu verbessern und das Risikobewusstsein zu stärken. [Abänd. 16]

(16b)   Ein angemessenes Mindestalter für den Erwerb von Führerscheinen der einzelnen Klassen, das sowohl die Unabhängigkeit junger Fahrer bei der Mobilität als auch ihren frühzeitigen Zugang zum beruflichen Fahren ermöglicht, sowie strengere Auflagen für Fahranfänger unter anderem in Bezug auf Alkoholbegrenzungen können die Straßenverkehrssicherheit verbessern. [Abänd. 17]

(16c)   Die Bewertung der Tauglichkeit eines Fahrers zum sicheren Führen von Fahrzeugen sollte anhand von bestimmten Kriterien durchgeführt werden, wobei insbesondere der Gesundheitszustand des Fahrers berücksichtigt werden sollte. Entscheidungen über die Aufnahme von Beschränkungen in den Führerschein oder die Aussetzung, Entziehung oder Aufhebung des Führerscheins sollten einzelfallbezogen getroffen werden und auf den objektiven Ergebnissen von Untersuchungen und Prüfungen basieren. Eine Diskriminierung von Fahrern mit gültigem Führerschein allein aufgrund ihres Alters darf – gleich welcher Form – nicht hingenommen werden. [Abänd. 18]

(16d)   Das Recht auf einen Führerschein stellt einen Anspruch auf Freizügigkeit und auf Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben dar, insbesondere in ländlichen und weniger besiedelten Gebieten mit nur grobmaschigem öffentlichem Verkehrsnetz. Vor allem für ältere oder einsame Menschen, für Personen mit eingeschränkter Mobilität oder Menschen mit Behinderungen ist der Individualverkehr ein wichtiges Element, das sie in ihrer Unabhängigkeit unterstützt und ihnen dabei hilft, ein selbstständiges Leben zu führen. Beschränkungen des Rechts auf einen Führerschein sollten auf objektiven Kriterien basieren, die für jeden Einzelfall gesondert festgelegt werden, und sollten keine Gefahr von Diskriminierungen bergen. [Abänd. 19]

(17)  Es sollte ein Stufensystem eingeführt werden, d. h. der Erwerb des Führerscheins der Klasse B sollte als Voraussetzung dafür gelten, dass der Bewerber zum Erwerb bestimmter anderer Führerscheinklassen zugelassen wird, und es sollten Äquivalenzen zwischen den verschiedenen Führerscheinklassen festgelegt werden, unter anderem gegebenenfalls eine Mindestdauer in Bezug auf die Fahrpraxis vor der Zulassung. Ein solches System sollte für alle Mitgliedstaaten teilweise verbindlich sein, aber es sollte diesen auch die Möglichkeit bieten, es in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten untereinander anzuwenden. Den Mitgliedstaaten sollte es zudem gestattet sein, bestimmte Äquivalenzen festzulegen, die nur für ihr eigenes Hoheitsgebiet gelten. [Abänd. 20]

(18)  Aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit ist es notwendig, Mindestanforderungen für die Ausstellung eines Führerscheins festzulegen. Die Standards für Fahrprüfungen und die Erteilung der Fahrerlaubnis sollten harmonisiert werden. Daher sollten die zum Führen eines Kraftfahrzeugs erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen festgelegt werden, auf denen die Fahrprüfung beruhen sollte, und sollten Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen solcher Fahrzeuge festgelegt werden. Bei diesen Anforderungen sollte der unterschiedlichen Praxis in allen Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden. [Abänd. 242 und 305]

(18a)   Derzeit haben die meisten Mitgliedstaaten bei der Ausstellung von Führerscheinen für die Gruppe 1, insbesondere für Fahrzeugführer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, A2, AM, B, B1 und BE, über die Untersuchung des Sehvermögens hinaus irgendeine Form der Untersuchung der Fahrtauglichkeit eingeführt. Dies kann von einem Formular für die Selbsteinschätzung bis hin zu einer ärztlichen Untersuchung durch einen Allgemeinmediziner, einen Facharzt oder in einem Untersuchungszentrum reichen. Bei der Erneuerung von Führerscheinen der Gruppe 1 verlangen nur wenige Mitgliedstaaten eine ärztliche Untersuchung. Außerdem haben nur wenige Mitgliedstaaten einen nationalen Mechanismus für die Meldung wesentlicher Änderungen der Fahrtauglichkeit eingerichtet. Im Allgemeinen sind die Anforderungen bei der Ausstellung und Erneuerung von Führerscheinen für die Gruppe 2, d. h. für Fahrzeugführer von Fahrzeugen der Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 und D1E schärfer und ausführlicher, und es ist eine ärztliche Untersuchung vorgeschrieben. [Abänd. 243 und 306]

(19)  Der Nachweis über die Einhaltung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen von Fahrzeugen zur Personen- oder Güterbeförderung sollte bei Ausstellung des Führerscheins und danach in regelmäßigen Abständen erbracht werden. Durch die regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der Mindestanforderungen gemäß den nationalen Vorschriften soll zur Verwirklichung der Freizügigkeit, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur besseren Berücksichtigung der besonderen Verantwortung der Führer solcher Fahrzeuge beigetragen werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, ärztliche Untersuchungen vorzuschreibenvorschreiben, um die Einhaltung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen anderer Kraftfahrzeuge zu gewährleisten. Aus Gründen der Transparenz sollten solche Untersuchungen mit einer Erneuerung des Führerscheins zusammenfallen. [Abänd. 21]

(19a)   In jüngster Zeit haben neue medizinische Technologien zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit beigetragen. Mit diesen Technologien, die auf den Markt gebracht wurden und inzwischen bei Patienten zum Einsatz kommen, wird das mit bestimmten Erkrankungen einhergehende Risiko für die Verkehrssicherheit gemindert oder beseitigt. Dank Überwachungstechnologien wie kontinuierlich messenden Glukosesensoren (CGM) für Menschen mit Diabetes mellitus können Betroffene wirksam und fortlaufend ihre Erkrankung überwachen und so das damit einhergehende Risiko für die Verkehrssicherheit beseitigen. Darüber hinaus werden CGM und andere Technologien derzeit in rasantem Tempo weiterentwickelt und optimiert, womit eine immer bessere Überwachung des Gesundheitszustands sichergestellt und somit die Straßenverkehrssicherheit verbessert wird. [Abänd. 22]

(19b)   Mit seiner Entschließung vom 23. November 2022 zu dem Thema „Vorbeugung von, Umgang mit und bessere Versorgung bei Diabetes in der EU anlässlich des Weltdiabetestags1a(8)“ hat das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, den einschlägigen Rechtsrahmen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und die Rechtsvorschriften im Bereich der Straßenverkehrssicherheit zu überprüfen, um eine weitere Diskriminierung von Menschen mit Diabetes zu vermeiden. [Abänd. 23]

(20)  Zur Gewährleistung einheitlicher Rechte in der gesamten Union und unter Berücksichtigung der Straßenverkehrssicherheit sollten Führerscheine der Klassen AM, A1, A2, A, B1 und B eine Gültigkeitsdauer von 15 Jahren haben, und Führerscheine der Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 und D1E eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, in Ausnahmefällen im Sinne dieser Richtlinie kürzere Gültigkeitsdauern festzulegen.

(20a)   Auffrischungskurse für erfahrene Fahrzeugführer können zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit beitragen, indem das Bewusstsein gestärkt wird und die Fahrer angehalten sind, zusätzliche Erfahrung in neuen technologischen Lösungen zu sammeln, wozu beispielsweise fortgeschrittene Fahrerassistenzsysteme oder das teilautomatisierte und automatisierte Fahren gehören. Zu diesem Zweck könnte der Einsatz von Simulatoren den entscheidenden Ausschlag geben, um die Fähigkeiten erfahrener Fahrzeugführer zu verbessern. Darüber hinaus könnten die Fahrer in Fahrsimulatoren mit ungünstigen Bedingungen oder Notfallszenarien konfrontiert werden und so ihre Fähigkeit verbessern, in kritischen Situationen zu reagieren und entsprechende Entscheidungen zu treffen. [Abänd. 24]

(20b)   Lebenslanges Lernen ist von entscheidender Bedeutung, um die Kenntnisse erfahrener Fahrer auf dem neuesten Stand zu halten, insbesondere im Hinblick auf umweltfreundliches Fahren, die zunehmende Masse der Fahrzeuge, die kontinuierliche technologische Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und anderen automatisierten Geräten sowie alternative Antriebsarten von Fahrzeugen. Die Mitgliedstaaten sollten daher aufgefordert werden, Ausbildungsmodule für erfahrene Fahrzeugführer zu entwickeln. [Abänd. 25]

(21)  Um es den Mitgliedstaaten und – in hinreichend begründeten Fällen der Union als Ganzes – zu ermöglichen, auf Krisen zu reagieren, die es den nationalen Behörden unmöglich machen, Führerscheine zu erneuern, sollte die Gültigkeitsdauer von Führerscheinen, deren Gültigkeit andernfalls ablaufen würde, um die unbedingt erforderliche Gültigkeitsdauer verlängert werden können.

(22)  Der Grundsatz „ein Inhaber – ein Führerschein“ sollte verhindern, dass eine Person mehr als einen physischen Führerschein besitzt. Der Grundsatz sollte jedoch erweitert werden, um auch den technischen Besonderheiten von digitalen Führerscheinen Rechnung zu tragen.

(23)  Die Mitgliedstaaten sollten aus Gründen der Verkehrssicherheit die Möglichkeit haben, ihre nationalen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Erneuerung und die Aufhebung von Führerscheinen auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat.

(24)  Fahrzeugführer, die nach einem Umtausch eines von einem Drittland ausgestellten Führerscheins im Besitz eines Führerscheins sind, der von dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, ausgestellt wurde, sollten in der gesamten Union zum Führen eines Kraftfahrzeugs berechtigt sein, so als hätten sie den Führerschein ursprünglich in der Union erworben. Ein solcher Umtausch könnte unterschiedliche Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit und den freien Personenverkehr haben.

(25)  Die Kommission sollte die Befugnis erhalten, einen Beschluss zu erlassen, in dem Drittländer benannt werden, die ein mit der Union vergleichbares Sicherheitsniveau im Straßenverkehr gewährleisten, und den Inhabern von Führerscheinen, die von diesen Ländern ausgestellt wurden, die Möglichkeit zu geben, ihre Führerscheine zu ähnlichen Bedingungen umzutauschen, als wären sie von einem Mitgliedstaat ausgestellt worden. Die Kommission sollte in dieser Hinsicht die Möglichkeit erhalten zu überprüfen, ob ein Drittland über Fahrschulen für Berufskraftfahrer, Vorschriften für die Ausstellung von Führerscheinen und Prüfverfahren verfügt, die vollständig oder teilweise mit dem Niveau in der Union vergleichbar sind und dazu dienen, am Ende eine mit dem Befähigungsnachweis vergleichbare Bescheinigung auszustellen. Die Inhaber einer solchen Bescheinigung aus einem Drittland können dadurch diese möglicherweise gegen einen europäischen Befähigungsnachweis eintauschen, sofern sie zusätzlichen Unterricht nehmen. Dieser Befähigungsnachweis kann neben dem Führerschein die zweite verpflichtende Voraussetzung für Berufskraftfahrer sein, um für in der Union ansässige Transportunternehmen Verkehrsleistungen erbringen zu dürfen. Diese Bedingungen sollten für alle einschlägigen Führerscheinklassen ausführlich und klar definiert sein. [Abänd. 26]

(26)  In Bezug auf Führerscheine, die von Drittländern ausgestellt wurden, für die kein solcher Beschluss der Kommission vorliegt oder für die ein solcher Beschluss den Umtausch nicht ausdrücklich gestattet oder verbietet, sollte es den Mitgliedstaaten gestattet sein, sie im Einklang mit ihren nationalen Vorschriften umzutauschen, sofern der einschlägige Unionscode auf dem umgetauschten Führerschein verwendet wird. Wenn der Inhaber eines solchen Führerscheins seinen Wohnsitz in einen neuen Mitgliedstaat verlegt, sollte letzterer nicht verpflichtet sein, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auf diesen Führerschein anzuwenden.

(27)  Der „Führerscheintourismus“, d. h. die Praxis, den Wohnsitz zu wechseln, um einen neuen Führerschein zu erwerben, um die Auswirkungen eines in einem anderen Mitgliedstaat verhängten Fahrverbots zu umgehen, ist ein weitverbreitetes Phänomen, das sich negativ auf die Straßenverkehrssicherheit auswirkt. Kraftfahrer sollten die Anforderungen, die ihnen zur Wiedererlangung ihrer Fahrerlaubnis oder ihres Führerscheins auferlegt werden, nicht umgehen können, indem sie den Wohnsitz wechseln. Gleichzeitig sollte klargestellt werden, dass das Fahrverhalten einer Person nur dann zu einem unbefristeten Fahrverbot führen sollte, wenn dies hinreichend begründet ist, und dass eine solche Entscheidung auf das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der sie erlassen hat, beschränkt sein sollte.

(27a)   Als nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte gilt eine große Vielfalt von Maschinen, die in der Regel auf vielfältige Weise nicht auf der Straße eingesetzt werden. Dazu gehören z. B. Bau- und Forstmaschinen (Bagger, Radlader, Bulldozer usw.) und landwirtschaftliche Maschinen (Pflück- und Erntemaschinen, Grubber usw.). Für diese Maschinen gilt die bestehende Richtlinie nicht. Sie unterliegen jedoch einem Flickenteppich nationaler Vorschriften über die erforderlichen Führerscheine und besonderen Ausbildungsanforderungen, da sie für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen sind. Die Mitgliedstaaten sollten zusammenarbeiten, um den Einsatz von nicht für den Straßenverkehr bestimmten mobilen Maschinen in der gesamten Union zu erleichtern, insbesondere in länderübergreifenden Zusammenhängen, bei Saisonarbeit oder bei der Arbeit entsandter Arbeitnehmer. Die Kommission sollte eine Plattform für die Zusammenarbeit einrichten und dazu die nationalen Behörden und die einschlägigen Interessenträger einladen, um Wissen und Informationen über bewährte Verfahren für Fahrzeugführer von Spezialfahrzeugen wie mobilen Maschinen und Geräten in allen Mitgliedstaaten zu bündeln, zu verarbeiten und zu verbreiten. Die Erörterungen der Plattform für die Zusammenarbeit sollten als Grundlage für den Bericht der Kommission darüber dienen, wie sich die Anwendung nationaler Vorschriften auf nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte auswirkt und was daraus für den Binnenmarkt und die Straßenverkehrssicherheit folgt. Diesem Bericht könnte erforderlichenfalls ein Gesetzgebungsvorschlag an das Europäische Parlament und den Rat beigefügt werden, um den Einsatz nicht für den Straßenverkehr bestimmter mobiler Maschinen und Geräte in der gesamten Union zu erleichtern. [Abänd. 310]

(28)  Zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit sollte für bestimmtedie Führerscheinklassen B, C und C1 eine unionsweite Regelung für begleitetes Fahren eingeführt werden. Nach den Vorschriften einer solchen Regelung sollten die Bewerber die Möglichkeit haben, Führerscheine in den betreffenden Klassen zu erwerben, bevor das erforderliche Mindestalter erreicht ist. Diese Führerscheine sollten jedoch nur in Begleitung eines erfahrenen Fahrzeugführers verwendet werden dürfen. In solchen Fällen sollte es den Mitgliedstaaten aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit gestattet sein, in ihrem Hoheitsgebiet strengere Bedingungen und Vorschriften für die von ihnen ausgestellten Führerscheine festzulegen. [Abänd. 27]

(29)  Die Regelung für das begleitete Fahren sollte unbeschadet ihres Gesamtziels, die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern, den Beruf des Lastkraftwagenfahrers für die jüngere Generation zugänglicher und attraktiver machen, um ihre beruflichen Möglichkeiten zu erweitern und einen Beitrag zur Bekämpfung des Mangels an Lastkraftwagenfahrern in der Union zu leisten. Sie sollte sich auf Führerscheine der Klasse CKlassen C und C1 und die dafür erforderlichen Führerscheine der Klasse B erstrecken. [Abänd. 28]

(29a)   Die Partnerschaft zwischen Berufsschulen einerseits und Transport- und Logistikunternehmen andererseits sollte durch Anreize, unter anderem durch spezielle Hilfen aus dem EU-Haushalt und gemäß der Richtlinie 2015/413 des Europäischen Parlaments und des Rates1a(9)zweckgebundene Einnahmen, gestärkt werden, um dem Mangel an Berufskraftfahrern in der Union entgegenzuwirken. Diese Partnerschaft sollte angehenden Berufskraftfahrern die Möglichkeit bieten, sich näher mit den Vorteilen und Herausforderungen des Berufsstands zu beschäftigen, ihre Kenntnisse im Betriebswesen und ihre organisatorischen Fähigkeiten zu verbessern sowie Erfahrungen zu sammeln, und zwar unter Verwendung fortschrittlicher Technologien und Methoden. Diese Hilfen können unter anderem die Form einer EU-Kofinanzierung für den Erwerb bestimmter Qualifikationen wie des Befähigungsnachweises oder für die Absolvierung spezieller Schulungen für angehende Fahrer annehmen. [Abänd. 29]

(30)  Es sollte sichergestellt werden, dass Fahrzeugführer, die ihren Führerschein in einer bestimmten Klasse seit Kurzem erworben haben, die Straßenverkehrssicherheit nicht aufgrund ihrer Unerfahrenheit gefährden. Für diese Fahranfänger sollte eine Probezeit von mindestens zwei Jahren festgelegt werden. Sollte ein Fahranfänger bereits einen gültigen Führerschein für eine andere Klasse besitzen, so sollte die Probezeit lediglich den Zeitraum der potenziell verbleibenden Probezeit des vorhandenen Führerscheins umfassen, mindestens jedoch sechs Monate. Während deren siedieser Probezeit sollten Fahrer unionsweit strengeren Vorschriften und Sanktionen unterworfen werden sollten, sofern sie beispielsweise aufgrund von AlkoholeinflussAlkohol- oder Drogeneinfluss, Geschwindigkeitsübertretungen, der Benutzung nicht zugelassener Fahrzeuge, fehlender Sicherheitsausrüstung oder Fahren ohne gültigen Führerschein gegen diese Vorschriften verstoßen. Strafverfolgungsbehörden müssen gegebenenfalls einen technischen Null-Toleranz-Schwellenwert für effektive Messungen festlegen, der nicht höher als 0,2 g/ml sein sollte, um die unbeabsichtigte Aufnahme von Alkohol zu berücksichtigen. Die Sanktionen für ein solches Verhalten sollten wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nichtdiskriminierend sein, und ihre Schwere sollte so weit wie möglich den mittel- und langfristigen Zielen der Union, nämlich die Zahl der Toten und Schwerverletzten zu halbieren und auf nahezu Null zu bringen, Rechnung tragen. Was sonstige Beschränkungen für Fahranfänger betrifft, so sollte es den Mitgliedstaaten freistehen, zusätzliche Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet anzuwenden. [Abänd. 30]

(31)  Es sollten Mindestanforderungen für den Zugang zum Beruf des Fahrprüfers sowie Anforderungen an die Ausbildung von Fahrprüfern festlegt werden, unter anderem in Form von Kursen zum Thema Gefahrenerkennung, damit die Fahrprüfer über bessere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen und zugleich sichergestellt wird, dass Führerscheinbewerber objektiver beurteilt und die Fahrprüfungen einheitlicher gestaltet werden. Der Kommission sollte ferner die Befugnis übertragen werden, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um diese Mindestanforderungen erforderlichenfalls an technische, operative oder wissenschaftliche Entwicklungen in diesem Bereich, einschließlich neuer fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme, anzupassen. [Abänd. 31]

(32)  Der Begriff des gewöhnlichen Wohnsitzes sollte so definiert werden, dass Probleme gelöst werden können, die sich ergeben, wenn es nicht möglich ist, den gewöhnlichen Wohnsitz auf der Grundlage beruflicher oder familiärer Bindungen festzustellen. Ferner müssen die Bewerber die Möglichkeit haben, die theoretischen oder praktischen Prüfungen in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, abzulegen, wenn der Mitgliedstaat, in dem sie ihren ordentlichen Wohnsitz haben, nicht die Möglichkeit bietet, diese Prüfungen in der Amtssprache des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, abzulegen. Für Diplomaten und ihre Familien solltenkönnen besondere Regeln festgelegt werden, wenn sie aufgrund ihres Auftrags für einen längeren Zeitraum im Ausland leben müssen, sofern damit keine zusätzlichen Risiken für die Straßenverkehrssicherheit verbunden sind. [Abänd. 32]

(33)  Die Mitgliedstaaten unterstützen sich gegenseitig bei der Durchführung dieser Richtlinie. Zu diesem Zweck sollten sie nach Möglichkeit das EU-Führerscheinnetz nutzen. Das EU-Führerscheinnetz („RESPER“) ist eine gemeinsame Datenbank für den Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden, die für die Ausstellung der Führerscheine zuständig sind, und soll die Umsetzung dieser Richtlinie erleichtern.

(34)  Ziel des EU-Führerscheinnetzes ist es, die Anerkennung von aus den Mitgliedstaaten stammenden Dokumenten und erworbenen Rechten zu gewährleisten, Dokumentenbetrug zu bekämpfen, die mehrfache Ausstellung von Führerscheinen zu verhindern und die Durchsetzung von Fahrverboten zu erleichtern. Insbesondere sollte den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, systematisch zu überprüfen, ob die Gründe, die zu zuvor verhängten Einschränkungen, Aussetzungen, Entziehungen oder Aufhebungen eines Führerscheins oder einer Fahrerlaubnis geführt haben, weggefallen sind. Die Nutzung von RESPER für die Durchführung anderer Rechtsakte der Union sollte nur zulässig sein, wenn dies in dieser Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist.

(35)  Damit aussagekräftige Berichte über die Umsetzung dieser Richtlinie erstellt werden können, sollte die Kommission jährlich über die Anzahl der ausgestellten, erneuerten, ersetzten, entzogenen und umgetauschten Führerscheine in jeder Klasse, einschließlich der Ausstellung und Verwendung von digitalen Führerscheinen, informiert werden.

(35a)   Bei den Vorbereitungen für die Überarbeitung dieser Richtlinie sollte die Kommission in vollem Umfang berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit vor unterschiedlichen geografischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stehen. Während einige Mitgliedstaaten die Straßenverkehrsvorschriften mit sogenannten Strafpunktesystemen erfolgreich durchzusetzen versuchen, setzen andere Mitgliedstaaten auf andere Methoden, etwa auf die sofortige Verhängung strengerer Sanktionen oder verstärkte Anstrengungen bei gezielten Durchsetzungs- und Präventionskampagnen. Darüber hinaus sollte auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass sich die Strafpunktesysteme auch in den Mitgliedstaaten, in denen sie Anwendung finden, erheblich voneinander unterscheiden können. Daher sollten andere Maßnahmen, mit denen die Straßenverkehrssicherheit erhöht werden kann, mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden und die entsprechende Aufmerksamkeit erhalten, während es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben sollte, die unterschiedlichen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, auf die Weise anzugehen, die sie für am wirksamsten halten. [Abänd. 247 und 311]

(35b)   Ebenso sollten die Mitgliedstaaten Daten über ihre bewährten Verfahren im Hinblick auf Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit und Kurse zum Thema Risikobewusstsein, insbesondere für Fahranfänger und im Zusammenhang mit dem lebenslangen Lernen, auf die Anwendung von Hilfsmaßnahmen nach Altersgruppe in Form von Feedback-Interventionen mit Teilnahmebestätigungen und Empfehlungen eines Fahrlehrers, Verkehrspsychologen oder Fahrprüfers sowie auf Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit von gefährdeten Verkehrsteilnehmern zur Verfügung stellen. [Abänd. 34]

(36)  Zur Erreichung der Ziele dieser Richtlinie, insbesondere zur Anpassung ihrer Anhänge an etwaige technische, operative oder wissenschaftliche Entwicklungen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte zur Änderung folgender Anhänge zu erlassen: Anhang I Teile A, B und D (Spezifikationen für physische Führerscheine), Anhang I Teil C (Spezifikationen für digitale Führerscheine), Anhang I Teil E (Vorschriften für die anwendbaren Codes der Mitgliedstaaten und der Union), Anhänge II, III, V und VI (Festlegung bestimmter Mindestanforderungen für die Ausstellung, Gültigkeit und Erneuerung von Führerscheinen) und Anhang IV (Festlegung der Mindestanforderungen für Fahrprüfer). Diese Befugnis sollte für einen Zeitraum von fünf Jahren erteilt werden, da technische, operative und wissenschaftliche Entwicklungen in den von diesen Anhängen erfassten Bereichen häufig vorkommen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(10) niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(37)  Vor dem Hintergrund der schrittweisen Digitalisierung und Automatisierung, immer strengerer Anforderungen an die Emissionsminderung im Straßenverkehr und des steten technischen Fortschritts bei Kraftfahrzeugen ist es notwendig, alle Fahrzeugführer im Hinblick auf das Wissen über neue Technologien, die Straßenverkehrssicherheit und die Nachhaltigkeit auf dem neuesten Stand zu halten. Die Förderung des lebenslangen LernensMitgliedstaaten sollten Anstrengungen unternehmen, um das lebenslange Lernen von Fahrern zu fördern und Kurse für sicheres Fahren mit Anreizen zu unterstützen, darunter Feedback-Interventionen mit Teilnahmebestätigungen und Empfehlungen eines Fahrlehrers, Verkehrspsychologen oder Fahrprüfers, was zu einer inklusiveren Mobilität beitragen kann. Dies kann entscheidend dazu beitragen, die Fähigkeiten erfahrener Fahrzeugführer in Bezug auf die Straßenverkehrssicherheit, neue Technologien, umweltbewusste Fahrweise, die die Kraftstoffeffizienz verbessert und die Emissionen verringert, und Geschwindigkeitskontrolle auf dem neuesten Stand zu halten. [Abänd. 35]

(38)  Um einheitliche Bedingungen für die Durchführung dieser Richtlinie zu gewährleisten, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden, damit sie die Interoperabilitätsmerkmale und Sicherheitsmaßnahmen für die auf den physischen Führerscheinen eingeführten QR-Codes festlegen kann, Bestimmungen über Interoperabilität, Sicherheit und Prüfung von digitalen Führerscheinen erlassen kann, im Krisenfall die Verlängerung der Gültigkeitsdauer von Führerscheinen in der gesamten Union beschließen kann, den Inhalt der von Fahrzeugführern der Gruppe 1 durchzuführenden Selbsteinschätzung der körperlichen und geistigen Tauglichkeit bestimmen kann, die Bedingungen für den Umtausch von Führerscheinen aus Drittländern gegen von den Mitgliedstaaten ausgestellte Führerscheine, ohne dass der Umtausch auf dem Führerschein vermerkt wird, festlegen kann und die Interoperabilität zwischen den an das EU-Führerscheinnetz angeschlossenen nationalen Führerscheinsystemen sowie den Schutz der in diesem Zusammenhang ausgetauschten personenbezogenen Daten gewährleisten kann. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(11) ausgeübt werden.

(39)  Im Interesse der Kohärenz sollten die Richtlinie (EU) 2022/2561 des Europäischen Parlaments und des Rates(12), in der bestimmte unter die vorliegende Richtlinie fallende Aspekte behandelt werden, und die Verordnung (EU) 2018/1724 geändert werden.

(40)  Die Richtlinie 126/2006/EG und die Verordnung (EU) Nr. 383/2012(13) der Kommission sollten aufgehoben werden.

(41)  Da die Ziele dieser Richtlinie auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil die Vorschriften für die Ausstellung, die Erneuerung, die Ersetzung und den Umtausch von Führerscheinen zu so unterschiedlichen Anforderungen führen würden, dass das Niveau der Straßenverkehrssicherheit und der Freizügigkeit der Bürger, das von harmonisierten Vorschriften geboten wird, nicht erreicht werden könnte, lassen sich diese Ziele besser auf Unionsebene erreichen, und zwar durch die Festlegung von Mindestanforderungen. Die Union kann daher im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(42)  Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 angehört und hat am [DD/MM/JJJJ] eine Stellungnahme abgegeben.

(43)  Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten(14) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. Bei dieser Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung solcher Dokumente für gerechtfertigt –

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1)  Diese Richtlinie enthält gemeinsame Vorschriften über

a)  Führerscheinmuster, Standards für Führerscheine und Führerscheinklassen;

b)  die Ausstellung, Gültigkeit, Erneuerung und gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen;

c)  bestimmte Aspekte des Umtauschs, der Ersetzung, des Entzugs, der Einschränkung, der Aussetzung und der Aufhebung von Führerscheinen;

d)  bestimmte Aspekte, die unter anderem Fahranfänger betreffen. [Abänd. 36]

(2)  Unbeschadet der Artikel 12a und 20 der vorliegenden Richtlinie und des Rechts der Mitgliedstaaten, den von ihnen gemäß Anhang I ausgestellten Führerscheinen eigene Klassen hinzuzufügen, gilt diese Richtlinie giltnicht für selbstfahrende bewegliche Maschinen, die unter die Richtlinie 2006/42/EG fallen und für die Verrichtung von Arbeiten entworfen oder gebaut wurden, beispielsweise nicht für Kraftfahrzeuge auf Rädern oder Ketten mit wenigstens zwei Achsen, deren Aufgabe im Wesentlichen in der Zugleistung besteht und die besonders zum Ziehen, Schieben, Tragen oder zur Betätigung bestimmter, in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Geräte,den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen oder Anhänger ausgelegt sind und deren Einsatz zur Personen- oder Güterbeförderung oder zum Ziehen von Fahrzeugen zur Personen- oder Güterbeförderung imund Geräte, wie [in der Verordnung über die Genehmigung und die Marktüberwachung von nicht für den Straßenverkehr nur einen Nebenzweck erfülltbestimmten mobilen Maschinen und Geräten auf öffentlichen Straßen zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1020 2023/0090(COD) definiert]. [Abänd. 312]

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.  „Führerschein“ ein elektronisches oder physisches Dokument, ob in physischer oder digitaler Form oder beides, mit dem die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen bescheinigt wird und in dem die Bedingungen angegeben sind, unter denen der Inhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt ist;

2.  „physischer Führerschein“ einen gemäß Artikel 4 ausgestellten Führerschein in physischer Form;

3.  „digitaler Führerschein“ einen gemäß Artikel 5 ausgestellten Führerschein in digitaler Form;

4.  „Kraftfahrzeug“ jedes auf der Straße mit eigener Kraft verkehrende Fahrzeug mit Antriebsmotor mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen;

5.  „zweirädriges Kraftfahrzeug“ ein Fahrzeug im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(15);

6.  „dreirädriges Kraftfahrzeug“ ein Fahrzeug im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates;

7.  „leichtes vierrädriges Kraftfahrzeug“ ein Fahrzeug im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates;

8.  „Kraftrad“ ein zweirädriges Fahrzeug mit oder ohne Beiwagen im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben c und d der Verordnung (EU) Nr. 168/2013;

9.  „dreirädriges Kraftfahrzeug“ ein Fahrzeug im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates;

10.  „Kraftwagen“ alle Kraftfahrzeuge, die üblicherweise auf der Straße zur Beförderung von Personen oder Gütern oder zum Ziehen von Fahrzeugen, die für die Personen- oder Güterbeförderung benutzt werden, dienen. Dieser Begriff schließt Oberleitungsomnibusse — d. h. nicht schienengebundene, mit einer elektrischen Leitung verbundene Fahrzeuge — ein;

11.  „schweres vierrädriges Kraftfahrzeug“ ein Fahrzeug im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe g der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates;

11a.   „Krankenwagen“ gemäß „Kriterien für die Klasseneinteilung von Fahrzeugen“, „Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung“ in Anhang I Teil A Nummer 5.3 der Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates(16) ein Fahrzeug der Klasse M, das für die Beförderung Kranker oder Verletzter bestimmt und zu diesem Zweck mit besonderer Ausrüstung ausgestattet ist; [Abänd. 39]

11b.   „Wohnmobil“ gemäß „Kriterien für die Klasseneinteilung von Fahrzeugen“, „Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung“ in Anhang I Teil A Nummer 5.1 der Verordnung (EU) 2018/858 ein Fahrzeug der Klasse M mit einem Wohnbereich, der Sitzgelegenheiten und einen Tisch, getrennte oder durch Umstellung von Sitzen geschaffene Schlafgelegenheiten, Kochgelegenheiten und Einrichtungen zur Unterbringung von Gepäck und sonstigen Gegenständen umfasst, die alle im Wohnbereich fest anzubringen sind; [Abänd. 40]

11c.   „Fahrzeug mit alternativem Antrieb“1a ein Kraftfahrzeug, das ganz oder teilweise mit einem alternativen Energieträger angetrieben wird und gemäß der Verordnung (EU) 2018/858 genehmigt wurde; [Abänd. 41]

11d.   „alternative Energieträger“ einen Kraftstoff oder eine Kraftquelle, der/die zumindest teilweise als Ersatz für Erdöl als Energieträger für den Verkehrssektor dient und zur Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen und die Umweltverträglichkeit des Verkehrssektors erhöhen kann; dazu zählt Folgendes:

a)   Strom in allen Arten von Elektrofahrzeugen,

b)   Wasserstoff,

c)   Erdgas, einschließlich Biomethan, gasförmig (komprimiertes Erdgas – CNG) und flüssig (Flüssigerdgas – LNG),

d)   Flüssiggas (LPG),

e)   mechanische Energie aus bordeigenen Speichern/bordeigenen Quellen, einschließlich Abwärme;

f)   jeder andere „CO2-neutrale Kraftstoff“, also alle Kraftstoffe im Sinne der Richtlinie (EU) 2018/2001, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass die Emissionen des Kraftstoffs bei der Nutzung (eu) netto null betragen, was beispielsweise bedeutet, dass das CO2-Äquivalent des in der chemischen Zusammensetzung des verwendeten Kraftstoffs (eu) enthaltenen Kohlenstoffs biogenen Ursprungs ist und/oder abgeschieden wurde, sodass es nicht als CO2 in die Atmosphäre gelangt ist, oder dass es aus der Umgebungsluft abgeschieden wurde, darunter Folgendes:

i)   erneuerbare und/oder synthetische Kraftstoffe wie Biokraftstoff, Biogas, Kraftstoff aus Biomasse, erneuerbare flüssige oder gasförmige Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBO) oder wiederverwendete kohlenstoffhaltige Kraftstoffe (RCF);

ii)   andere nicht in der Richtlinie (EU) 2018/2001 aufgeführte Kraftstoffe können unter den Begriff „CO2-neutraler Kraftstoff“ fallen, sofern diese Bedingungen und die Nachhaltigkeitskriterien dieser Richtlinie und der mit ihr verknüpften delegierten Rechtsakte eingehalten werden; und

iii)   ein Gemisch aus zwei oder mehr CO2-neutralen Kraftstoffen gilt als CO2-neutraler Kraftstoff; [Abänd. 42]

12.  „Fahrverbot“ jede Entscheidung, die den Entzug, die Aufhebung, die Einschränkung oder die Aussetzung des Führerscheins oder der Erlaubnis einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Folge hat und gegen die kein Rechtsbehelf mehr eingelegt werden kann. Die Maßnahme kann entweder eine primäre, sekundäre oder ergänzende Sanktion oder eine Sicherheitsmaßnahme sein.

Artikel 3

Standardspezifikationen der Union für Führerscheine und gegenseitige Anerkennung

(1)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die von ihnen ausgestellten Führerscheine im Einklang mit den Bestimmungen dieser Richtlinie ausgestellt werden und den Standardspezifikationen der Union sowie weiteren Kriterien entsprechen, die sich aus folgenden Vorschriften ergeben:

a)  Artikel 4 in Bezug auf den physischen Führerschein;

b)  Artikel 5 in Bezug auf den digitalen Führerschein.

(2)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass physische und digitale Führerscheine, die derselben Person ausgestellt werden, in jeder Hinsicht gleichwertig sind und genau die gleichen Rechte und Bedingungen anführen, nach bzw. unter denen die betreffende Person zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt ist.

(3)  Die Mitgliedstaaten dürfen nicht als Voraussetzung verlangen, dass der Bewerber Inhaber eines physischen oder digitalen Führerscheins ist, wenn sie einen Führerschein in dem anderen Format ausstellen, ersetzen, erneuern oder umtauschen.

(4)  Bis zum [Datum der Annahme + 4 Jahre] stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass allen Bewerbern grundsätzlich nur noch digitale Führerscheinesowohl ein digitaler als auch ein physischer Führerschein ausgestellt werdenwird. Bis zu diesem Zeitpunkt können die Mitgliedstaaten beschließen, digitale Führerscheine auszustellen. [Abänd. 44]

(5)  Abweichend von Absatz 4 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass Bewerber das Recht erhalten, auf Antrag des Bewerbers ein physischerauf den physischen oder den digitalen Führerschein anstelle eines digitalen Führerscheins oder zusammen mit diesem ausgestellt werden kannzu verzichten. Die Mitgliedstaaten müssen solche Anträge durch Bewerber unterstützen und dürfen diese in keiner Weise beeinflussen. [Abänd. 45]

(5a)   In Abweichung von Absatz 5 müssen Mitgliedstaaten Bewerbern, die auf eines der in Absatz 4 erwähnten Führerscheinformate verzichtet haben, das Recht einräumen, die Ausstellung oder erneute Ausstellung dieses Formats anzufordern. Jede Ausstellung oder erneute Ausstellung eines Formats, auf das zuvor verzichtet wurde, hat unverzüglich und spätestens zwei Wochen nach Beantragung durch den Bewerber zu erfolgen. [Abänd. 46]

(6)  Die Mitgliedstaaten erkennen die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine an.

(7)  Abweichend von Absatz 6 erkennen die Mitgliedstaaten nur jene digitalen Führerscheine anderer Mitgliedstaaten an, die nach dem [Datum der Annahme + 3 Jahre] gemäß Artikel 5 ausgestellt werden. Vor diesem Datum von anderen Mitgliedstaaten ausgestellte digitale Führerscheine, die Anforderungen des Artikels 5 erfüllen, werden nach diesem Datum anerkannt.

Artikel 4

Physische Führerscheine

(1)  Die Mitgliedstaaten stellen physische Führerscheine nach den Standardspezifikationen der Union in Anhang I Teil A1 aus.

(2)  Die Mitgliedstaaten treffen alle zweckdienlichen Vorkehrungen, um der Fälschung von Führerscheinen, einschließlich der vor Inkrafttreten dieser Richtlinie ausgestellten Führerscheinmuster, vorzubeugen. Sie unterrichten die Kommission hiervon.

Der physische Führerschein ist nach den Standardspezifikationen der Union in Anhang I Teil A2 gegen Fälschung zu sichern. Die Mitgliedstaaten können zusätzliche Sicherheitsmerkmale einführen.

(3)  Begründet der Inhaber eines gültigen physischen Führerscheins ohne Gültigkeitsdauer seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der diesen Führerschein ausgestellt hat, so kann der Aufnahmemitgliedstaat nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Tag, an dem der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats begründet hat, die in Artikel 10 Absatz 2 genannte Gültigkeitsdauer anwenden, indem er den Führerschein erneuert.

(4)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Führerscheine, die ausgestellt werden oder in Umlauf sind, bis zum 19. Januar 20302033 alle Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen. [Abänd. 47]

(5)  Die Mitgliedstaaten können beschließen, ein Speichermedium (Mikrochip) als Bestandteil des physischen Führerscheins einzuführen. Beschließt ein Mitgliedstaat, einen Mikrochip als Bestandteil des physischen Führerscheins einzuführen, so kann er ebenfalls beschließen, über die Daten in Anhang I Teil D hinaus weitere Daten auf dem Mikrochip zu speichern, sofern die nationalen Rechtsvorschriften für den Führerschein dies vorsehen. Der Aufbewahrungszeitraum für die auf dem Mikrochip gespeicherten personenbezogenen Daten sollte sich nach Möglichkeit nach der Gültigkeitsdauer des Führerscheins richten. [Abänd. 48]

Sehen die Mitgliedstaaten einen Mikrochip als Bestandteil des physischen Führerscheins vor, so halten sie die technischen Anforderungen in Anhang I Teil B ein. Die Mitgliedstaaten können zusätzliche Sicherheitsmerkmale einführen.

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über den Beschluss, einen Mikrochip als Bestandteil des physischen Führerscheins einzuführen, oder über jede Änderung eines solchen Beschlusses innerhalb von drei Monaten nach dessen Erlass. Mitgliedstaaten, die bereits einen Mikrochip als Bestandteil des physischen Führerscheins eingeführt haben, teilen dies der Kommission innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Richtlinie mit.

(6)  Wird der Mikrochip nicht als Bestandteil des physischen Führerscheins eingeführt, so können die Mitgliedstaaten beschließen, in das auf den von ihnen ausgestellten physischen Führerscheinen dafür vorgesehene Feld einen QR-Code zu drucken. Der QR-Code muss es ermöglichen, die Echtheit der Angaben auf dem physischen Führerschein zu überprüfen.

(7)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die personenbezogenen Daten, die zur Überprüfung der Angaben auf dem physischen Führerschein erforderlich sind, nicht von der Prüfstelle aufbewahrt werden und die den Führerschein ausstellende Behörde nicht über das Prüfverfahren benachrichtigt wird.

Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, um detaillierte Bestimmungen für die Interoperabilitätsmerkmale und die Sicherheitsmaßnahmen festzulegen, denen die auf die physischen Führerscheine gedruckten QR-Codes entsprechen müssen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über jede Maßnahme zur Einführung eines QR-Codes auf den physischen Führerscheinen oder jede Änderung einer solchen Maßnahme innerhalb von drei Monaten nach deren Annahme.

(8)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung von Anhang I Teile A, B und D zu erlassen, sofern dies erforderlich ist, um technischen, operativen oder wissenschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Artikel 5

Digitale Führerscheine

(1)  Die Mitgliedstaaten stellen digitale Führerscheine nach den Standardspezifikationen der Union in Anhang I Teil C aus.

(2)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Personen mit ordentlichem Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet oder Personen, die auf andere Weise berechtigt sind, Inhaber eines von ihnen ausgestellten digitalen Führerscheins zu sein, unentgeltliche elektronische Anwendungen für digitale Führerscheine zur Verfügung stehen, mit denen die Fahrerlaubnisse des Inhabers des Führerscheins überprüft werden können.

Diesen Anwendungen müssen die im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates(17) ausgestellten EUid-Brieftaschen (European Digital Identity Wallets) zugrunde liegen und es muss für ein angemessenes Sicherheitsniveau für diese Anwendungen Sorge getragen werden. [Abänd. 49]

(3)  Die Mitgliedstaaten veröffentlichen und aktualisieren regelmäßig die Liste der verfügbaren elektronischen Anwendungen, die für die Zwecke dieses Artikels erstellt und gepflegt werden.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die elektronischen Anwendungen nicht mehr als die in Anhang I Teil D genannten Daten enthalten oder bei Verwendung eines Zeigers nicht mehr als diese Daten bereitstellen. [Abänd. 50]

(4)  Die Mitgliedstaaten stellen einander die Informationen, die für den Zugang zu den in Anhang I Teil C genannten nationalen Systemen zur Überprüfung von digitalen Führerscheinen erforderlich sind, zur Verfügung und aktualisieren diese Informationen in regelmäßigen Abständen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die personenbezogenen Daten, die für die Überprüfung der Fahrerlaubnisse des Inhabers des digitalen Führerscheins erforderlich sind, nicht von der Prüfstelle aufbewahrt werden und die den Führerschein ausstellende Behörde die im Wege der Benachrichtigung erhaltenen Informationen nur für die Zwecke der Beantwortung des Prüfersuchens bearbeitet. Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt im Einklang mit den Verordnungen (EU) 2016/679 und (EU) 2018/1725 und gegebenenfalls der Richtlinie 2002/58/EG, wobei die Grundsätze der „Datenminimierung“, der „Zweckbindung“ und des „Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen“, insbesondere in Bezug auf technische Maßnahmen, umgesetzt werden. [Abänd. 51]

(5)  Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Liste der einschlägigen nationalen Systeme mit, die zur Ausgabe von Daten und Zeigern für digitale Führerscheine zugelassen sind. Die Kommission macht die Liste der einschlägigen nationalen Systeme in elektronisch signierter oder besiegelter und für die automatisierte Verarbeitung geeigneter Form über einen sicheren Kanal öffentlich zugänglich. [Abänd. 52]

(6)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung von Anhang I Teil C zu erlassen, sofern dies erforderlich ist, um technischen, operativen oder wissenschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

(7)  Bis zum [Datum der Annahme + 18 Monate] erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte, um detaillierte Bestimmungen für die Interoperabilität, Sicherheit und Erprobung von digitalen Führerscheinen festzulegen, auch für die Merkmale der Überprüfung und die Schnittstelle mit den nationalen Systemen, wobei die notwendigen Vorschriften berücksichtigt werden müssen, die die Anerkennung dieser Führerscheine durch die regelsetzenden Behörden in Drittländern sicherstellen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. [Abänd. 53]

(7a)   Die Kommission unterstützt diesbezüglich die Mitgliedstaaten, die gemeinsam an der weltweiten Nutzung und Anerkennung des europäischen Führerscheins arbeiten sollen, durch eine entsprechende Änderung der Übereinkommen über den Straßenverkehr hin, d. h. des Genfer Abkommens vom 19. September 1949, des Internationalen Abkommens vom 24. April 1926 und des Wiener Abkommens vom 8. November 1968. [Abänd. 54]

Artikel 6

Führerscheinklassen

(1)  Der Führerschein berechtigt zum Führen von Kraftfahrzeugen der folgenden Klassen:

a)  Kleinkrafträder:

Klasse AM:

—  zweirädrige oder dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 45 km/h und einer maximalen Nennleistung von bis zu 4 kW (mit Ausnahme solcher Fahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 25 km/h); [Abänd. 55]

—  leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge;

b)  Krafträder und dreirädrige Kraftfahrzeuge:

i)  Klasse A1:

—  Krafträder mit einem Hubraum von bis zu 125 cm3cm3, einer Leistungmaximalen Nennleistung von bis zu 11 kW und einem Leistungsgewicht von bis zu 0,1 kW/kg; [Abänd. 56]

—  dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer Leistungmaximalen Nennleistung von bis zu 15 kW; [Abänd. 57]

ii)  Klasse A2:

—  Krafträder mit einer Leistungmaximalen Nennleistung von bis zu 35 kW und einem Leistungsgewicht von bis zu 0,2 kW/kg, die nicht von einem Fahrzeug mit einer Leistung von mehr als 70 kW abgeleitet sind; [Abänd. 58]

iii)  Klasse A:

—  Krafträder:

—  dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer Leistung von bis zumaximalen Nennleistung von mehr als 15 kW;

Unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betroffenen Fahrzeuge dürfen Kraftfahrzeuge aus den in Buchstabe a und b genannten Klassen einen Anhänger mit einem amtlich zulässigen Gesamtgewicht von höchstens der Hälfte des Gewichts der Leermasse des Zugfahrzeugs mitführen; [Abänd. 59]

c)  Kraftwagen:

i)  Klasse B1:

—  schwere vierrädrige Kraftfahrzeuge.

Klasse B1 ist fakultativ; in Mitgliedstaaten, die diese Führerscheinklasse nicht einführen, ist ein Führerschein der Klasse B zum Führen dieser Fahrzeuge erforderlich.

Die Mitgliedstaaten können beschließen, diese Klasse ausschließlich für die in Artikel 9 Absatz 4 Unterabsatz 1 Buchstabe c genannten Fahrzeuge unter den in jenem Absatz aufgeführten Bedingungen einzuführen. Trifft ein Mitgliedstaat einen entsprechenden Beschluss, so vermerkt er dies auf dem Führerschein mittels des Unionscodes 60.03;

ii)  Klasse B:

—  Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis zu 3500 kg, die zur Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind;

—  hinter Kraftwagen dieser Klasse darf ein Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis zu 750 kg mitgeführt werden.

Unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betreffenden Fahrzeuge darf hinter Kraftwagen dieser Klasse ein Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg mitgeführt werden, sofern die zulässige Gesamtmasse dieser Fahrzeugkombination 4250 kg nicht übersteigt. Übersteigt die zulässige Gesamtmasse der Fahrzeugkombination 3500 kg, so schreiben die Mitgliedstaaten im Einklang mit den Bestimmungen des Anhangs V vor, dass das Führen dieser Fahrzeugkombination nur zulässig ist, wenn zuvor

—  eine Schulung abgeschlossen wurde oder

—  eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen erfolgreich abgelegt wurde.

Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass sowohl die Schulung als auch die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu absolvieren ist.

Die Mitgliedstaaten vermerken die Erlaubnis zum Führen einer solchen Fahrzeugkombination mittels des entsprechenden Unionscodes in Anhang I Teil E auf dem Führerschein.

iii)  Klasse BE:

—  unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betreffenden Fahrzeuge: Fahrzeugkombinationen, die aus einem Zugfahrzeug der Klasse B und einem Anhänger oder Sattelanhänger bestehen, sofern die zulässige Gesamtmasse des Anhängers oder Sattelanhängers 3500 kg nicht übersteigt;

iv)  Klasse C1:

—  nicht unter die Klassen D oder D1 fallende Kraftwagen, deren zulässige Gesamtmasse mehr als 3500 kg, jedoch nicht mehr als 7500 kg beträgt, und die zur Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind.

—  Hinter Kraftwagen dieser Klasse darf ein Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis zu 750 kg mitgeführt werden;

v)  Klasse C1E:

—  unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betreffenden Fahrzeuge: Fahrzeugkombinationen, die aus einem Zugfahrzeug der Klasse C1 und einem Anhänger oder Sattelanhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg bestehen, sofern die zulässige Masse der Fahrzeugkombination 12 000 kg nicht übersteigt;

—  unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betreffenden Fahrzeuge: Fahrzeugkombinationen, die aus einem Zugfahrzeug der Klasse B und einem Anhänger oder Sattelanhänger mit einer zulässigen Masse von mehr als 3500 kg bestehen, sofern die zulässige Masse der Fahrzeugkombination 12 000 kg nicht übersteigt;

vi)  Klasse C:

—  nicht unter die Klassen D und D1 fallende Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3500 kg, die zur Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind.

—  Hinter Kraftwagen dieser Klasse darf ein Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis zu 750 kg mitgeführt werden;

vii)  Klasse CE:

—  unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betreffenden Fahrzeuge: Fahrzeugkombinationen, die aus einem Zugfahrzeug der Klasse C und einem Anhänger oder Sattelanhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg bestehen;

viii)  Klasse D1:

—  Kraftwagen, die zur Beförderung von nicht mehr als 8 und bis 16 Personen außer dem Fahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind und deren Länge bis zu 8 m beträgt. [Abänd. 60]

—  Hinter Kraftwagen dieser Klasse darf ein Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis zu 750 kg mitgeführt werden;

ix)  Klasse D1E:

—  unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betreffenden Fahrzeuge: Fahrzeugkombinationen, die aus einem Zugfahrzeug der Klasse D1 und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg bestehen;

x)  Klasse D:

—  Kraftwagen, die zur Beförderung von mehr als acht Personen außer dem Fahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind. Hinter Kraftwagen, die mit einem Führerschein der Klasse D geführt werden dürfen, darf ein Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von bis zu 750 kg mitgeführt werden;

xi)  Klasse DE:

—  unbeschadet der Vorschriften zur Typgenehmigung der betreffenden Fahrzeuge: Fahrzeugkombinationen, die aus einem Zugfahrzeug der Klasse D und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg bestehen.

(2)  Mit vorheriger Zustimmung der Kommission, die die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahme auf die Straßenverkehrssicherheit bewertet, können die Mitgliedstaaten bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, einschließlich Sonderfahrzeugen für Menschen mit Behinderungen oder Fahrzeuge für den Einsatz im Bauwesen, die unter anderem als nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte gelten, von der Anwendung dieses Artikels ausnehmen. [Abänd. 69]

Die Mitgliedstaaten können Kraftfahrzeugarten, die von den Streitkräften und dem Katastrophenschutz eingesetzt werden oder deren Kontrolle unterstellt sind, von der Anwendung dieser Richtlinie ausnehmen. Sie unterrichten die Kommission hiervon.

Artikel 7

Mindestalter

(1)  Das Mindestalter für die Ausstellung eines Führerscheins beträgt

a)  für die Klassen AM, A1, B1 und T und B1 16 Jahre; [Abänd. 70]

b)  für die Klassen A2, B, BE, C1 und C1E 18 Jahre;

c)  für Klasse A

i)  20 Jahre bei Krafträdern. Für das Führen von Krafträdern dieser Klasse ist jedoch eine mindestens zweijährige Fahrpraxis auf Krafträdern mit einem Führerschein der Klasse A2 vorzuschreiben. Diese vorherige Fahrpraxis ist entbehrlich, wenn der Bewerber mindestens das 24. Lebensjahr vollendet hat;

ii)  21 Jahre bei dreirädrigen Kraftfahrzeugen mit einer Leistung von mehr als 15 kW;

d)  für die Klassen C, CE, D1 und D1E 21 Jahre;

da)   unbeschadet der in Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2022/2561 dargelegten Umstände für die Klassen C, CE, D1 und D1E für Berufsfahrer, die den Führerschein national und international nutzen, 18 Jahre, sofern sie über einen Befähigungsnachweis verfügen; [Abänd. 71]

e)  für die Klassen D und DE 24 Jahre.

ea)   unbeschadet der in Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2022/2561 dargelegten Umstände für die Klassen D und DE für Berufsfahrer, die den Führerschein national und international nutzen, 21 Jahre, sofern sie über einen Befähigungsnachweis verfügen. [Abänd. 72]

(2)  Die Mitgliedstaaten können das Mindestalter für die Ausstellung eines Führerscheins

a)  für die Klasse AM bis auf 14 Jahre senken oder bis auf 18 Jahre anheben;

(b)  für die Klasse B1 bis auf 18 Jahre anheben;

Mitgliedstaaten dürfen Kandidaten über 21 Jahren keinen Führerschein für die Klasse B1 für die in Artikel 9 Absatz 4, Unterabsatz 1, Buchstabe c genannten Fahrzeuge und unter den im Absatz genannten Bedingungen ausstellen. [Abänd. 73]

c)  für die Klasse A1 bis auf 18 Jahre anheben, sofern

i)  der Unterschied zwischen dem Mindestalter für die Klasse A1 und dem Mindestalter für die Klasse A2 zwei Jahre beträgt und

ii)  für das Führen von Krafträdern der Klasse A eine mindestens zweijährige Fahrpraxis auf Krafträdern der Klasse A2 gemäß Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i vorgeschrieben ist;

d)  für die Klassen B und BE bis auf 17 Jahre senken.

(3)  Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf folgende Kraftfahrzeuge das Mindestalter für die Klasse C auf 18 Jahre und für die Klasse D auf 21 Jahre senken:

a)  Kraftfahrzeuge, die von der Feuerwehr, vom Zivilschutz und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung eingesetzt werden; [Abänd. 74]

b)  Kraftfahrzeuge, die zu Reparatur- oder Wartungszwecken Prüfungen auf der Straße unterzogen werden.

Die Mitgliedstaaten können in ihrem Hoheitsgebiet Führerscheine anerkennen, die in anderen Mitgliedstaaten Personen ausgestellt wurden, deren Alter unter dem in diesem Absatz genannten Mindestalter liegt. [Abänd. 75]

(4)  Nach den Absätzen 2 und 3Absatz 2 ausgestellte Führerscheine sind nur im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats gültig, bis der Inhaber des Führerscheins das in Absatz 1 genannte Mindestalter erreicht hat. [Abänd. 76]

Die Mitgliedstaaten können in ihrem Hoheitsgebiet Führerscheine anerkennen, die Personen ausgestellt wurden, deren Alter unter dem in Absatz 1 genannten Mindestalter liegt.

(5)  Abweichend von Absatz 1 Buchstaben d und e gilt für Bewerber, die den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 der Richtlinie (EU) 2022/2561 besitzen, folgendes Mindestalter für die Ausstellung eines Führerscheins:

a)   für die Klassen C und CE das Mindestalter gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer i der Richtlinie (EU) 2022/2561;

b)   für die Klassen D1 und D1E das Mindestalter gemäß Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Richtlinie (EU) 2022/2561;

c)   für die Klassen D und DE das Mindestalter gemäß Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i Unterabsatz 1, Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer ii Unterabsatz 1 und Artikel 5 Absatz 3 Buchstaben b der genannten Richtlinie. [Abänd. 77]

Erlaubt ein Mitgliedstaat in seinem Hoheitsgebiet im Einklang mit Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i Unterabsatz 2 oder Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer ii Unterabsatz 2 der Richtlinie (EU) 2022/2561 das Führen von Kraftfahrzeugen ab einem niedrigeren Alter, so ist der Führerschein nur im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats gültig, bis der Führerscheininhaber das Mindestalter gemäß Unterabsatz 1 dieses Absatzes erreicht hat und einen Befähigungsnachweis besitzt.

Artikel 8

Bedingungen und Einschränkungen

(1)  Die Mitgliedstaaten versehen Führerscheine, die einer Person unter einer oder mehreren Bedingungen, unter der oder denen sie zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt ist, ausgestellt werden, mit einem Vermerk. Zu diesem Zweck verwenden die Mitgliedstaaten die entsprechenden Unionscodes in Anhang I Teil E. Für Bedingungen, die in Anhang I Teil E nicht erfasst sind, können auch nationale Codes verwendet werden, und in diesem Fall haben sie dies unverzüglich vor Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie und im Falle von [späteren] neuen Ergänzungen oder Modifikationen der vorhandenen Codes der Kommission zu melden, zusammen mit Details zu den Codes und den Fällen, in denen diese verwendet werden. [Abänd. 78]

Wird die Fahrerlaubnis aufgrund einer körperlichen Untüchtigkeit nur für bestimmte Arten von Fahrzeugen oder nur für Fahrzeuge, die für eine solche Untüchtigkeit angepasst sind, erteilt, so ist die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen gemäß Artikel 10 Absatz 1 auf einem solchen Fahrzeug durchzuführen.

(2)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung von Anhang I Teil E zu erlassen, sofern dies erforderlich ist, um technischen, operativen oder wissenschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Artikel 9

Staffelung der Führerscheinklassen und Äquivalenzen zwischen ihnen

(1)  Führerscheine der Klassen BE, C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D und DE dürfen nur Personen ausgestellt werden, die bereits zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B berechtigt sind.

(2)  Die Gültigkeit des Führerscheins ist wie folgt festzulegen:

a)  Für die Klasse C1E, CE, D1E oder DE ausgestellte Führerscheine gelten auch für Fahrzeugkombinationen der Klasse BE;

b)  für die Klasse CE ausgestellte Führerscheine gelten auch für die Klasse DE, sofern die Inhaber zum Führen von Fahrzeugen der Klasse D berechtigt sind;

c)  für die Klasse C1E oder CE ausgestellte Führerscheine gelten auch für die Klasse D1E, sofern die Inhaber zum Führen von Fahrzeugen der Klasse D1 berechtigt sind;

ca)   für die Klasse CE und DE ausgestellte Führerscheine gelten auch für die Klasse C bzw. D; [Abänd. 80]

d)  für die Klasse CE oder DE ausgestellte Führerscheine gelten auch für Fahrzeugkombinationen der Klasse C1E bzw. D1E;

da)   für die Klasse C1E und D1E ausgestellte Führerscheine gelten auch für die Klasse C1 bzw. D1; [Abänd. 81]

e)  die Führerscheine aller Klassen gelten auch für Fahrzeuge der Klasse AM. Bei in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Führerscheinen kann ein Mitgliedstaat jedoch die Äquivalenzen für die Klasse AM auf die Klassen A1, A2 und A beschränken, wenn dieser Mitgliedstaat zur Erlangung eines Führerscheins der Klasse AM eine praktische Prüfung vorschreibt;

f)  für die Klasse A2 ausgestellte Führerscheine gelten auch für die Klasse A1;

g)  für die Klasse A, B, C oder D ausgestellte Führerscheine gelten auch für die Klasse A1, A2, B1, C1 bzw. D1;

h)  für die Klasse B ausgestellte Führerscheine gelten zwei Jahre nach ihrer erstmaligen Ausstellung für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb gemäß Artikel 2 derAbsatz 11c dieser Richtlinie 96/53/EG des Rates(18)für die Klassen M und N, wie in Verordnung EU 2018/858(19) festgelegt, die für die Nutzung auf öffentlichen Straßen bestimmt sind, einschließlich derer, die in einer oder in mehreren Stufen konzipiert und gefertigt wurden, und zwar mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 35003 500 kg, jedoch nicht mehr als 42504 250 kg, ohne Anhänger, sowie für die Personenbeförderung mit einer Sitzplatzkapazität von höchstens acht Sitzen außer dem Fahrzeugführer. Hinter diesen Kraftwagen darf ein Anhänger bzw. Sattelanhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse des Gespanns von höchstens 5 000 kg mitgeführt werden; [Abänd. 82]

(ha)   für die Klasse B ausgestellte Führerscheine gelten zwei Jahre nach ihrer erstmaligen Ausstellung für Krankenwagen im Sinne von Artikel 2 [Absatz 11a] und für andere Sonderfahrzeuge sowie Wohnmobile im Sinne von Artikel 2 [Absatz 11b] dieser Richtlinie, sofern diese Fahrzeuge 4 250 kg nicht überschreiten;

In den periodischen Berichten an das Europäische Parlament und den Rat gemäß Artikel 20 dieser Richtlinie überprüft die Kommission die Auswirkungen von technologischen Fortschritten im Bereich der Notfallmedizinausstattung und/oder der Nutzung von alternativen Kraftstoffen auf die Gesamtmasse von Krankenwagen. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung dieser Richtlinie zu erlassen, um das zulässige Höchstgewicht von Krankenwagen basierend auf den abschließenden Erklärungen dieser periodischen Berichte zu aktualisieren.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung dieser Richtlinie zu erlassen, um das zulässige Höchstgewicht der in Unterabsatz 1 dieses Buchstaben genannten Fahrzeuge zu aktualisieren und den Auswirkungen der technologischen Neuerungen und der Entwicklung alternativer Energieträger für Krankenwagen Rechnung zu tragen; [Abänd. 83]

hb)   für die Klasse BE ausgestellte Führerscheine gelten zwei Jahre nach ihrer erstmaligen Ausstellung für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb gemäß Artikel 2 Absatz 11c dieser Richtlinie für die Klassen M und N, wie in Verordnung EU 2018/858 festgelegt, die für die Nutzung auf öffentlichen Straßen bestimmt sind, einschließlich derer, die in einer oder in mehreren Stufen konzipiert und gefertigt wurden, und zwar mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3 500 kg, jedoch nicht mehr als 4 250 kg, ohne Anhänger. Hinter diesen Kraftwagen darf ein Anhänger bzw. Sattelanhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse des Anhängers oder Sattelanhängers von höchstens 3 500 kg mitgeführt werden; [Abänd. 84]

hc)   für die Klasse C1 ausgestellte Führerscheine gelten drei Jahre nach ihrer erstmaligen Ausstellung für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb gemäß Artikel 2 [Absatz 11c] dieser Richtlinie mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7 500 kg, jedoch nicht mehr als 8 250 kg, ohne Anhänger, die in einer oder in mehreren Stufen für die Beförderung von höchstens acht Personen zusätzlich zum Fahrzeugführer konzipiert und gefertigt sein können. Hinter diesen Kraftwagen darf ein Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von höchstens 750 kg mitgeführt werden; [Abänd. 85]

hd)   für die Klasse C1E ausgestellte Führerscheine gelten drei Jahre nach ihrer erstmaligen Ausstellung für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe h c sowie deren Anhänger bzw. Sattelanhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg, sofern die zulässige Gesamtmasse der Fahrzeugkombination 12 750 kg nicht überschreitet; [Abänd. 86]

he)   für die Klasse D1 ausgestellte Führerscheine gelten drei Jahre nach ihrer erstmaligen Ausstellung für Fahrzeuge, die zur Beförderung von nicht mehr als 22 Personen außer dem Fahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind und deren Länge bis zu 8 m beträgt. [Abänd. 88]

In ihrem zweiten der in Artikel 20 dieser Richtlinie vorgesehenen Durchführungsbericht an das Europäische Parlament und den Rat beurteilt die Kommission die Auswirkungen der Entwicklung und Einführung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb und/oder die Anwendung der [Buchstaben h bis hd dieses Artikels] auf die Straßenverkehrssicherheit. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung dieser Richtlinie zu erlassen, um die Massenschwellwerte von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb zu aktualisieren. [Abänd. 89]

(3)  Die Mitgliedstaaten können für das Führen von Fahrzeugen in ihrem Hoheitsgebiet folgende Äquivalenzen festlegen:

a)  Dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer Leistung von mehr als 15 kW fallen unter den Führerschein der Klasse B, sofern der Inhaber des Führerscheins das 21. Lebensjahr vollendet hat;

b)  Krafträder der Klasse A1 fallen unter den Führerschein der Klasse B.

Mitgliedstaaten, die Äquivalenzen gemäß Unterabsatz 1 festlegen, erkennen von anderen Mitgliedstaaten gemäß jenem Unterabsatz festgelegte Äquivalenzen an.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen gemäß Unterabsatz 1 nur mittels des entsprechenden Unionscodes in Anhang I Teil E auf dem Führerschein vermerken.

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission unverzüglich über die in ihrem Hoheitsgebiet gemäß Unterabsatz 1 festgelegten Äquivalenzen einschließlich der nationalen Codes, die möglicherweise vor Inkrafttreten dieser Richtlinie verwendet wurden. Die Kommission macht diese Informationen den Mitgliedstaaten zugänglich, um die Anwendung dieses Absatzes zu erleichtern.

(4)  Die Mitgliedstaaten können in ihrem Hoheitsgebiet das Führen von Fahrzeugen der folgenden Klassen erlauben:

a)  von Fahrzeugen der Klasse D1 mit einer zulässigen Gesamtmasse von 3500 kg ohne Sonderausrüstung für die Beförderung von Personen mit Behinderungen durch Inhaber eines Führerscheins der Klasse B, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, sofern seit der erstmaligen Ausstellung des Führerscheins mindestens zwei Jahre vergangen sind, die Fahrzeuge von nichtgewerblichen Organisationen für soziale Zwecke eingesetzt werden und der Fahrzeugführer seine Dienste freiwillig leistet;

b)  von Fahrzeugen mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3500 kg durch Inhaber eines Führerscheins der Klasse B, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, sofern seit der erstmaligen Ausstellung des Führerscheins mindestens zwei Jahre vergangen sind und die Fahrzeuge

i)  im Stand dazu bestimmt sind, nur für Unterrichts- oder Freizeitzwecke genutzt zu werden;

ii)  von nichtgewerblichen Organisationen für soziale Zwecke eingesetzt werden;

iii)  so verändert wurden, dass sie weder für die Beförderung von mehr als neun Personen noch für die Beförderung anderer als der für ihre Zwecke unbedingt erforderlichen Güter eingesetzt werden können;

c)  von Fahrzeugen der Klasse B mit einer zulässigen Gesamtmasse von 2500 kg und einer physisch auf 45 km/h begrenzten Höchstgeschwindigkeit durch Inhaber eines Führerscheins der Klasse B1, die das 21. Lebensjahr vollendet haben.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen gemäß Unterabsatz 1 Buchstaben a und b nur mittels der entsprechenden nationalen Codes auf dem Führerschein vermerken.

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über alle nach diesem Absatz erteilten Fahrerlaubnisse.

(4a)   Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, in ihrem Gebiet Inhabern eines Führerscheins der Klasse C das Führen von Fahrzeugen der Klasse D bzw. D1 zu gestatten, sofern im Fahrzeug keine anderen Personen befördert werden und der Fahrer die technische Überwachung gemäß der Richtlinie 2014/45/EU durchführt oder Werkstattmechaniker ist, der eine Testfahrt durchführt, nachdem das Fahrzeug repariert wurde oder zu Wartungs- oder Prüfungszwecken, und zwar jeweils im Umkreis von 5 km um die Werkstatt. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über alle nach diesem Absatz erteilten Fahrerlaubnisse. [Abänd. 91]

Artikel 10

Ausstellung, Gültigkeit und Erneuerung

(1)  Ein Führerschein darf nur an Bewerber ausgestellt werden, die die folgenden Bedingungen erfüllen:

a)  Sie haben eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung bestanden und erfüllen die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit nach Maßgabe der Anhänge II und III;

b)  für die Klasse AM haben sie lediglich eine theoretische Prüfung bestanden. Die Mitgliedstaaten können die Ausstellung eines Führerscheins dieser Klasse vom Bestehen einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen und von einer ärztlichen Untersuchung abhängig machen.

Für dreirädrige und vierrädrige Kraftfahrzeuge dieser Klasse können die Mitgliedstaaten eine besondere Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen vorschreiben. Zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Fahrzeugen der Klasse AM kann auf dem Führerschein ein nationaler Code vermerkt werden;

c)  für die Klasse A2 oder die Klasse A und unter der Voraussetzung, dass sie über eine mindestens zweijährige Fahrpraxis auf einem Kraftrad der Klasse A1 bzw. der Klasse A2 haben sie entweder

i)  lediglich eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen bestanden oder

ii)  eine Schulung gemäß Anhang VI abgeschlossen;

d)  für die Klasse B für das Führen einer Fahrzeugkombination gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer ii Unterabsatz 3 haben sie eine Schulung abgeschlossen oder eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen bestanden oder eine Schulung abgeschlossen und eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen gemäß Anhang V bestanden;

e)  sie haben ihren ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats oder können nachweisen, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben.

(1a)   Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Vorschriften, um sicherzustellen, dass Personen mit Behinderungen, deren Prüfung in einem an ihre Behinderung angepassten Fahrzeug durchgeführt wird, von der Ausführung von Übungen befreit sind, die mit ihrer Behinderung unvereinbar sind. [Abänd. 94]

(2)  Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine haben mindestens die folgende Gültigkeitsdauer: [Abänd. 95]

a)  für die Klassen AM, A1, A2, A, B, B1 und BE 15 Jahre;

b)  für die Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 und D1E fünf Jahre.

Mit der Erneuerung eines Führerscheins kann eine neue Gültigkeitsdauer für eine andere Klasse oder andere Klassen, die zu führen der Führerscheininhaber berechtigt ist, beginnen, sofern dies den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen entspricht.

Das Vorhandensein eines Mikrochips nach Artikel 4 Absatz 5 oder eines QR-Codes nach Artikel 4 Absatz 6 darf keine Voraussetzung für die Gültigkeit eines Führerscheins sein. Verlust, Unlesbarkeit oder sonstige Beschädigung des Mikrochips oder des QR-Codes dürfen keine Auswirkung auf die Gültigkeit des Führerscheins haben.

Die Mitgliedstaaten können die Gültigkeitsdauer des für Fahranfänger ausgestellten Führerscheins im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 für alle Klassen begrenzen, um zur Erhöhung der Verkehrssicherheit dieser Fahrzeugführer besondere Maßnahmen durchführen zu können.

Unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips können die Mitgliedstaaten können die Gültigkeitsdauer von Führerscheinen in Einzelfällen bei allen Klassen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Tauglichkeit zum Führen eines Fahrzeugs und der Fahrtüchtigkeit gemäß Anhang III beschränken, falls sie häufigere ärztliche KontrollenUntersuchungen oder sonstige besondere Maßnahmen für erforderlich halten, einschließlich Beschränkungendarunter auch nach Verkehrsverstößen verhängte Beschränkungen zur weiteren Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit. [Abänd. 253, 315 und 335]

Die Mitgliedstaaten müssen die in Unterabsatz 1 festgelegte Gültigkeitsdauer von Führerscheinen, deren Inhaber ihren Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet und das Alter von 70 Jahren erreicht haben, auf bis zu fünf Jahre begrenzen, um häufigere ärztliche Kontrollen oder sonstige besondere Maßnahmen wie Auffrischungskurse vorschreiben zu können. Eine derartige Verringerung der Gültigkeitsdauer wird nur bei der Erneuerung eines Führerscheins angewendet. [Abänd. 97]

Die Mitgliedstaaten können die in diesem Absatz genannte Gültigkeitsdauer der Führerscheine von Personen verkürzen, denen in ihrem Hoheitsgebiet ein befristeter Aufenthaltstitel erteilt wurde oder denen nach nationalem Recht vorübergehender Schutz oder angemessener Schutz gewährt wird. Zu diesem Zweck entspricht diese verkürzte Gültigkeitsdauer der Gültigkeitsdauer derjenigen des befristeten Aufenthaltstitels oder des vorübergehenden Schutzes oder angemessenen Schutzes oder ist kürzer als diese.

(3)  Die Erneuerung eines Führerscheins bei Ablauf der Gültigkeitsdauer ist von den beiden folgenden Bedingungen abhängig zu machen:

a)  anhaltende Erfüllung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen eines Fahrzeugs gemäß Anhang III;

b)  Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats oder Nachweis, dass der Bewerber während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert hat, zum Zeitpunkt der Beantragung.

(4)  Im Krisenfall können die Mitgliedstaaten die Gültigkeitsdauer von Führerscheinen, die andernfalls ablaufen würden, um höchstens sechs Monate verlängern. Sollte die Krise andauern, kann eine weitere Verlängerung erfolgen.

Eine solche Verlängerung ist ordnungsgemäß zu begründen und der Kommission unverzüglich mitzuteilen. Die Kommission veröffentlicht diese Informationen unmittelbar im Amtsblatt der Europäischen Union. Die Mitgliedstaaten erkennen die gemäß diesem Absatz verlängerte Gültigkeitsdauer von Führerscheinen an.

Wenn mehrere Mitgliedstaaten von einer Krise betroffen sind, kann die Kommission Durchführungsrechtsakte erlassen, um die Gültigkeitsdauer aller oder bestimmter Führerscheinklassen, die andernfalls ablaufen würde, zu verlängern. Diese Verlängerung darf sechs Monate nicht überschreiten und kann erneut erfolgen, sofern die Krise andauert. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 22 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.

Ist ein Mitgliedstaat nicht von Schwierigkeiten betroffen, die die Erneuerung von Führerscheinen infolge der Krise gemäß Unterabsatz 3 undurchführbar gemacht haben, und wird dies voraussichtlich auch nicht sein oder hat er geeignete nationale Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen der Krise abzumildern, so kann dieser Mitgliedstaat nach vorheriger Unterrichtung der Kommission beschließen, die mit dem Durchführungsrechtsakt gemäß Unterabsatz 3 eingeführte Verlängerung nicht anzuwenden. Die Kommission setzt die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis und veröffentlicht eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.

Für die Zwecke dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck „Krise“ ein außergewöhnliches, unerwartetes, plötzliches, natürliches oder vom Menschen verursachtes Ereignis von außergewöhnlicher Art und Tragweite innerhalb oder außerhalb der Union, das erhebliche direkte oder indirekte Auswirkungen auf den Straßenverkehr hat und auch die Möglichkeit der Inhaber von Führerscheinen oder der zuständigen nationalen Behörden, die für deren Erneuerung erforderlichen Schritte einzuleiten, verhindert oder erheblich beeinträchtigt.

(5)  Die Mitgliedstaaten können unbeschadet der nationalen straf- und polizeirechtlichen Vorschriften nationale Vorschriften über andere als die in dieser Richtlinie genannten Bedingungen auf die Ausstellung von Führerscheinen anwenden. Sie unterrichten die Kommission hiervon.

(6)  Statt der in Nummer 3 des Anhangs III genannten Selbsteinschätzung können die Mitgliedstaaten die Ausstellung oder Erneuerung von Führerscheinen der Klassen AM, A, A1, A2, B, B1 und BE von einer Prüfung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen dieser Fahrzeuge gemäß diesem Anhang abhängig machen. In diesem Fall erstreckt sich die ärztliche Untersuchung auf alle in Anhang III aufgeführten medizinisch bedingten Gründe für Fahruntüchtigkeit.

Die Kommission erlässt bis zum [Datum der Annahme + 18 Monate] Durchführungsrechtsakte, in denen der Inhalt der Selbsteinschätzung gemäß Anhang III Nummer 3 festgelegt und alle in diesem Anhang aufgeführten medizinisch bedingten Gründe für Fahrunfähigkeit abgedeckt werden. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. [Abänd. 99]

Unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips können die Mitgliedstaaten die Erneuerung von Führerscheinen der Klassen AM, A, A1, A2, B, B1, BE und T von einer Prüfung der Mindestanforderungen an die Tauglichkeit für das Führen dieser Fahrzeuge gemäß Anhang III abhängig machen. [Abänd. 256 und 318]

(6a)   Die Mitgliedstaaten erarbeiten erkenntnisgestützte Leitlinien für Allgemein- und Hausärzte zur besseren Ermittlung von Personen, die beim Führen eines Fahrzeugs eine Gefahr darstellen können, und arbeiten mit den Fahrerlaubnisbehörden zusammen. [Abänd. 100]

(6b)   Die Mitgliedstaaten entwickeln nationale Sensibilisierungskampagnen, mit deren Hilfe das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit für die körperlichen bzw. geistigen Signale geschärft werden soll, die dazu führen können, dass eine Person beim Führen eines Fahrzeugs eine Gefahr darstellt. [Abänd. 101]

(7)  Jede Person kann nur Inhaber eines einzigen physischen Führerscheins sein. Eine Person kann einen digitalen Führerschein jedoch Inhaber mehrerer digitaler Führerscheine sein, sofern diese vom selben Mitgliedstaat ausgestellt wurdenauf mehreren Geräten speichern. [Abänd. 102]

Niemand darf Führerscheine besitzen, die von mehr als einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden.

Ein Mitgliedstaat lehnt es ab, einen Führerschein auszustellen, wenn erwiesen ist, dass der Bewerber bereits einen von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein besitzt.

Die Mitgliedstaaten ergreifen die für die Zwecke der Anwendung des Unterabsatzes 3 erforderlichen Schritte. Bei der Ausstellung, Ersetzung, Erneuerung oder dem Umtausch eines Führerscheins bestehen die erforderlichen Schritte darin, zusammen mit anderen Mitgliedstaaten Nachforschungen anzustellen, wenn ein hinreichend begründeter Verdacht besteht, dass der Bewerber bereits Inhaber eines anderen Führerscheins ist. Zu diesem Zweck nutzen die Mitgliedstaaten das in Artikel 19 genannte EU-Führerscheinnetz.

Unbeschadet des Artikels 3 Absatz 6 achten die Mitgliedstaaten bei der Ausstellung eines Führerscheins sorgfältig darauf, dass eine Person die Anforderungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels erfüllt; sie wenden ihre nationalen Vorschriften für die Aufhebung oder den Entzug des Führerscheins an, wenn feststeht, dass ein Führerschein ausgestellt worden ist, ohne dass diese Voraussetzungen erfüllt waren.

(8)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung der Anhänge II, III, V und VI zu erlassen, sofern dies erforderlich ist, um technischen, operativen oder wissenschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

(8a)   Auf der Grundlage von Expertenempfehlungen entwickelt die Kommission eine Online-Fortbildung für Allgemeinärzte, in deren Rahmen die Kompetenz erworben werden kann, alle Aspekte der Fahrtauglichkeit eines Bewerbers zu bewerten.

Artikel 11

Umtausch und Ersetzung von durch die Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheinen

(1)  Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so kann er einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen. Der umtauschende Mitgliedstaat prüft, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist.

(2)  Vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsgrundsatzes kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung des Führerscheins anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen.

(3)  Der umtauschende Mitgliedstaat, der einen physischen Führerschein umtauscht, leitet den abgegebenen Führerschein an die zuständige Stelle des Mitgliedstaats, der ihn ausgestellt hat, zurück und gibt die Gründe dafür an. Der umtauschende Mitgliedstaat unterrichtet die Behörden des Mitgliedstaates, der ihn ausgestellt hat, und gibt die Gründe für den Umtausch an. Der Mitgliedstaat, der den Führerschein ursprünglich ausgestellt hat, hat dafür Sorge zu tragen, dass der vorherige digitale Führerschein nicht mehr eingesehen werden kann. Für Kommunikationszwecke nutzen die Mitgliedstaaten das in Artikel 19 Absatz 1 genannte EU-Führerscheinnetz. [Abänd. 104]

(4)  Die Ersetzung eines Führerscheins infolge beispielsweise von Verlust oder Diebstahl kann nur bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats erlangt werden, in dem der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Diese nehmen die Ersetzung anhand der ihnen vorliegenden Informationen oder gegebenenfalls anhand einer Bescheinigung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vor, die den ursprünglichen Führerschein ausgestellt haben.

Artikel 11a

Vorläufiger Führerschein

(1)   Während der Ersetzung, der Erneuerung oder des Umtauschs eines Führerscheins stellt der Mitgliedstaat, der den Ersatz, die Erneuerung oder den Umtausch vornimmt, einen vorläufigen Führerschein in Form einer Bescheinigung aus, selbst wenn es sich um denselben Mitgliedstaat handelt, der den vorherigen Führerschein ausgestellt hat. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, bis 31. Dezember 2025 gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um diese Richtlinie durch eine standardisierte Form einer solchen Bescheinigung zu ergänzen. Beim Erlass dieser delegierten Rechtsakte berücksichtigt die Kommission das Risiko einer Fälschung dieser Formulare.

(2)   Die von einem Mitgliedstaat nach diesem Artikel ausgestellte Bescheinigung gilt für einen Zeitraum von höchstens einem Monat. Die Bescheinigung muss von den Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt werden. Nimmt die Ersetzung, die Erneuerung oder der Umtausch des Führerscheins länger in Anspruch, können die Mitgliedstaaten diese Bescheinigung zweimal um jeweils nicht mehr als einen Monat verlängern. Die Bescheinigung verliert automatisch ihre Gültigkeit, sobald der Inhaber in Besitz eines physischen oder digitalen Führerscheins gemäß Artikel 3 ist. [Abänd. 105]

Artikel 12

Umtausch von durch ein Drittland ausgestellten Führerscheinen

(1)  Sieht ein Mitgliedstaat den Umtausch eines von einem Drittland ausgestellten Führerscheins vor, dessen Inhaber in seinem Hoheitsgebiet einen ordentlichen Wohnsitz begründet hat, so tauscht dieser Mitgliedstaat den Führerschein nach Maßgabe dieses Artikels um.

(2)  Tauscht ein Mitgliedstaat einen Führerschein von einem Drittland um, für das ein Durchführungsbeschluss nach Absatz 7 angenommen wurde, so wird dieser Umtausch ebenso wie jede spätere Erneuerung oder Ersetzung mit dem entsprechenden Code aus Anhang I Teil E auf dem von diesem Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein vermerkt. Verlegt der Inhaber dieses Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat, so braucht dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gemäß Artikel 3 Absatz 6 nicht anzuwenden.

Für diesen Umtausch wenden die Mitgliedstaaten ihre nationalen Rechtsvorschriften im Einklang mit den in diesem Absatz vorgesehenen Bedingungen an.

(3)  Wird der Führerschein in einer Klasse und von einem Drittland ausgestellt, für die/das ein Durchführungsbeschluss nach Absatz 7 angenommen wurde, so wird dieser Umtausch nicht in dem von dem betreffenden Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein vermerkt. In diesen Fällen tauschen die Mitgliedstaaten den Führerschein gemäß den Bedingungen des entsprechenden Durchführungsbeschlusses um.

(4)  Wurde ein von einem Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein gegen einen von einem Drittland ausgestellten Führerschein umgetauscht, so schreiben die Mitgliedstaaten weder die Erfüllung weiterer als der in Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe a genannten Bedingungen vor, noch vermerken die Mitgliedstaaten für den Umtausch dieses Führerscheins gegen einen von ihnen ausgestellten Führerschein zusätzliche Informationen in Bezug auf die Klassen des ursprünglichen Führerscheins.

Beantragt ein Bewerber in dem in Unterabsatz 1 genannten Fall den Umtausch eines Führerscheins, der auch für Klassen gilt, für die er die Fahrerlaubnis in einem Drittland erworben hat, so finden folgende Vorschriften Anwendung:

a)  Wurde der Führerschein in einer Klasse und von einem Drittland ausgestellt, für die/das ein Durchführungsbeschluss nach Absatz 7 angenommen wurde, so findet Absatz 3 Anwendung;

b)  liegt kein solcher Durchführungsbeschluss vor, so findet Absatz 2 Anwendung.

(5)  Der Umtausch gemäß den Absätzen 2, 3 und 4 darf nur dann vorgenommen werden, wenn der von einem Drittland ausgestellte Führerschein den zuständigen Behörden des umtauschenden Mitgliedstaats ausgehändigt worden ist.

(6)  Die Kommission kann bestimmen, dass ein Drittland über einen Straßenverkehrsrahmen verfügt, der ein vollständig oder teilweise mit dem der Union vergleichbares Sicherheitsniveau im Straßenverkehr gewährleistet, sodass die von diesem Drittland ausgestellten Führerscheine umgetauscht werden können, ohne dass ein solcher Umtausch auf den von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheinen vermerkt wird, wobei möglicherweise bestimmte vorab festgelegte Bedingungen erfüllt werden müssen.

Zur Bestimmung eines solchen Drittlands kann die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten den Straßenverkehrsrahmen des Drittlands bewerten. Die Mitgliedstaaten haben sechs Monate Zeit, um zu dem in dem betreffenden Drittland geltenden Straßenverkehrsrahmen Stellung zu nehmen. Die Kommission nimmt die Bewertung vor, sobald sie die Stellungnahmen aller Mitgliedstaaten erhalten hat oder wenn die Frist für die Übermittlung der Stellungnahmen abgelaufen ist, je nachdem, welcher Zeitpunkt der späterefrühere ist. [Abänd. 106]

Bei der Bewertung des in einem Drittland bestehenden Straßenverkehrsrahmens berücksichtigt die Kommission mindestens die folgenden Elemente:

a)  die für die Ausstellung eines Führerscheins geltenden Anforderungen, z. B. die Einteilung der Führerscheinklassen, Mindestalter, Vorgaben für die Schulung und Fahrprüfungen sowie gesundheitliche Anforderungen für die Ausstellung des Führerscheins;

b)  ob das Drittland digitale Führerscheine ausstellt und wenn ja, welche technischen und strukturellen Einzelheiten für den Betrieb des Systems gelten;

c)  das Ausmaß, in dem gefälschte Führerscheine im Umlauf sind, und welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Fälschung von Führerscheinen zu verhindern;

d)  die Gültigkeitsdauer der vom Drittland ausgestellten Führerscheine;

e)  die Verkehrsbedingungen in dem Drittland und ob sie mit den Verkehrsbedingungen auf dem Straßennetz in der Union vergleichbar sind;

f)  die Leistungsfähigkeit des Drittlandes im Bereich der Straßenverkehrssicherheit.

fa)   das von dem Drittland angewandte System für den Umtausch von EU-Führerscheinen. [Abänd. 107]

(7)  Die Kommission kann nach Durchführung der Bewertung gemäß Absatz 6 und im Wege von Durchführungsbeschlüssen beschließen, dass ein Drittland über einen Straßenverkehrsrahmen verfügt, der ein vollständig oder teilweise mit dem der Union vergleichbares Sicherheitsniveau im Straßenverkehr gewährleistet, sodass die von diesem Drittland ausgestellten Führerscheine umgetauscht werden können, ohne dass ein solcher Umtausch auf den von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheinen vermerkt wird.

Der Durchführungsbeschluss enthält mindestens folgende Angaben:

a)  die Führerscheinklassen gemäß Artikel 6, die umgetauscht werden können, ohne dies auf dem von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein zu vermerken;

b)  die Ausstellungsdaten der Drittlandsführerscheine, die umgetauscht werden können, ohne dies auf dem von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein zu vermerken;

c)  die allgemeinen Bedingungen, die für die Überprüfung der Echtheit des auszutauschenden amtlichen Dokuments zu erfüllen sind;

d)  die allgemeinen Bedingungen, die der Bewerber vor dem Umtausch erfüllen muss, um die Einhaltung der in Anhang III festgelegten gesundheitlichen Anforderungen nachzuweisen.

Lässt der Führerschein des Bewerbers die Einhaltung von Unterabsatz 2 Buchstabe a oder b dieses Absatzes nicht zu, so können die Mitgliedstaaten beschließen, den Führerschein gemäß Absatz 2 umzutauschen. Kann der Bewerber Unterabsatz 2 Buchstabe c oder d dieses Absatzes nicht einhalten, so verweigern die Mitgliedstaaten den Umtausch des Führerscheins. Bei jeder zusätzlichen Bedingung, die der Durchführungsbeschluss möglicherweise enthält, wird entweder die Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats gemäß Absatz 2 oder die Verweigerung des Umtauschs des Führerscheins vorgesehen, wenn der Bewerber diese Bedingungen nicht erfüllt.

Die Durchführungsbeschlüsse werden gemäß dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(8)  In dem in Absatz 7 genannten Durchführungsbeschluss ist eine regelmäßige, mindestens alle vier Jahre stattfindende Überprüfung der Straßenverkehrssicherheit in dem betreffenden Drittland vorgesehen. Je nach den Ergebnissen der Überprüfung behält die Kommission den in Absatz 7 genannten Durchführungsbeschluss bei, ändert ihn, setzt ihn aus oder hebt ihn auf, wie erforderlich.

8a.   Ein von einem Drittland gemäß Absatz 2 ausgestellter Befähigungsnachweis oder gleichwertiger Nachweis kann durch einen von einem Mitgliedstaat ausgestellten neuen Befähigungsnachweis ersetzt werden, sofern der Inhaber in diesem Mitgliedstaat eine zusätzliche Schulung von bis zu 35 Stunden abschließt. Diese zusätzliche Schulung muss in der vom [Kandidaten] am besten beherrschten EU-Sprache absolviert werden. Erforderlichenfalls muss eine angemessene Sprachunterstützung im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2022/2561 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Straßenfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr(20) bereitgestellt werden, damit ein hohes Maß an Befähigung und Straßenverkehrssicherheit sichergestellt wird.

Um festzustellen, ob ein Drittland über Regeln verfügt, die vollständig oder teilweise mit den EU-Regeln vergleichbar sind und ein Maß an Straßenverkehrssicherheit garantieren, das vollständig oder teilweise mit dem in der Union vergleichbar ist, wird der Kommission die Befugnis übertragen, bis [zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie zur Änderung] delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 21 zu erlassen, die diese Richtlinie ergänzen, indem sie die Bedingungen für und die anzuwendenden Kriterien und Methoden darlegen, um die Vorschriften eines Drittlandes für die berufsbezogene Schulung von Fahrzeugführern oder für die Verfahren zur Ausstellung von Bescheinigungen oder zur Prüfung, oder beides, zu beurteilen.

Auf Grundlage dieser [delegierten Rechtsakte/Beurteilungsbedingungen, -kriterien und -methoden] und in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in Einklang mit dem in Absatz 6 dargelegten Verfahren erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte zur Absteckung ihrer Entscheidung, dass ein bestimmtes Drittland über Vorschriften für die berufsbezogene Schulung von Fahrzeugführern und/oder für die Verfahren zur Ausstellung von Bescheinigungen oder zur Prüfung verfügt, die vollständig oder teilweise mit den entsprechenden Vorschriften der Union vergleichbar sind und die ein Maß an Straßenverkehrssicherheit garantieren, das vollständig oder teilweise mit dem in der Union vergleichbar ist. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. [Abänd. 108]

(9)  Die Kommission veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union und auf ihrer Website eine Liste der Drittländer, für die ein Durchführungsbeschluss nach Absatz 7 und 8a angenommen wurde, und veröffentlicht entsprechend auch alle gemäß Absatz 98 vorgenommenen einschlägigen Änderungen. [Abänd. 109]

(10)  Die Kommission richtet ein Wissensnetz ein, um Kenntnisse und Informationen über bewährte Verfahren für die Integration ausländischer Berufskraftfahrer in den Binnenmarkt zusammenzutragen, zu verarbeiten und zu verbreiten. Dem Netz gehören die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, Exzellenzzentren, Hochschulen, Forscherinnen und Forscher, die Sozialpartner und andere relevante Akteure des Straßenverkehrssektors an.

Artikel 12a

Plattform für die Zusammenarbeit

(1)   Die Kommission richtet eine Plattform für die Zusammenarbeit ein, auf der Wissen und Informationen über bewährte Verfahren in Bezug auf folgende Sachverhalte gebündelt, verarbeitet und verbreitet werden:

a)   die Ausbildungsprogramme für Fahrzeugführer in den Mitgliedstaaten, auch hinsichtlich der Ausbildung für Spezialfahrzeuge wie nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte;

b)   die Zulassung und den üblichen Einsatz von Spezialfahrzeugen wie nicht für den Straßenverkehr bestimmten mobilen Maschinen und Geräten in den verschiedenen Mitgliedstaaten, auch in Bezug auf die länderübergreifenden Auswirkungen unterschiedlicher Vorschriften und mit dem Ziel, den Einsatz dieser Maschinen und Geräte zu erleichtern; und

c)   sonstige für zweckmäßig erachtete Sachverhalte.

(2)   An der Plattform beteiligen sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die einschlägigen Interessenträger der Straßenverkehrswirtschaft, und die Plattform erleichtert nach Möglichkeit die Umsetzung dieser bewährten Verfahren in die Praxis. [Abänd. 320]

Artikel 13

Auswirkungen einer Einschränkung, einer Aussetzung, eines Entzugs oder einer Aufhebung der Fahrerlaubnis oder des Führerscheins

(1)  Ein Mitgliedstaat lehnt es ab, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt, entzogen oder aufgehoben wurde, einen Führerschein auszustellen.

(2)  Ein Mitgliedstaat lehnt die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein oder Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt, entzogen oder aufgehoben worden ist.

(3)  Ein Führerschein oder die Fahrerlaubnis gilt für die Zwecke dieses Artikels als eingeschränkt, ausgesetzt, entzogen oder aufgehoben, solange die betreffende Person die ihr von einem Mitgliedstaat zur Wiedererlangung oder Neubeantragung der Fahrerlaubnis oder des Führerscheins auferlegten Bedingungen nicht erfüllt.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Bedingungen, die sie auferlegen, damit der Inhaber seine Fahrerlaubnis oder seinen Führerschein wiedererlangen oder neu beantragen kann, verhältnismäßig und für Inhaber von Führerscheinen, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden, nicht diskriminierend sind und dass sie für sich allein nicht dazu führen, dass die Ausstellung eines Führerscheins oder die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins auf unbestimmte Zeit verweigert wird.

Ein Mitgliedstaat muss einen Führerschein aussetzen, sofern die ärztliche Untersuchung zur Bestätigung der Gültigkeit gemäß Artikel 10 ergibt, dass die körperlichen und geistigen Anforderungen in Bezug auf die in Anhang III aufgeführten medizinischen Fahruntüchtigkeitsgründe vorübergehend nicht erfüllt sind.

(4)  Dieser Artikel ist nicht so zu verstehen, dass er die Mitgliedstaaten daran hindert, einer Person das Fahren in ihrem Hoheitsgebiet auf unbestimmte Zeit zu untersagen, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Fahrerlaubnis oder ihren Führerschein wiederzuerlangen oder neu zu beantragen, wenn dies aufgrund ihres Verhaltens gerechtfertigt ist.

Hat ein Mitgliedstaat gemäß diesem Absatz ein unbefristetes Fahrverbot verhängt, so kann dieser Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins in seinem Hoheitsgebiet auf unbestimmte Zeit verweigern. Abweichend von Absatz 1 können andere Mitgliedstaaten nach Rücksprache mit dem Mitgliedstaat, der das unbefristete Fahrverbot verhängt hat, dieser Person einen Führerschein ausstellen.

Artikel 14

Begleitetes Fahren

(1)  Abweichend von Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und d stellen die Mitgliedstaaten Bewerbern, die das 17. Lebensjahr vollendet haben, im Einklang mit Artikel 10 Absatz 1 Führerscheine für die Klassen B, C und C1 und C aus, in denen der Unionscode 98.02 gemäß Anhang I Teil E vermerkt ist. [Abänd. 111]

2.  Inhaber eines Führerscheins mit dem Unionscode 98.02, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen nur dann Fahrzeuge führen, wenn sie von einer Person auf dem Beifahrersitz begleitet werden, die während des Fahrens Unterstützung leisten kann. Die Begleitperson muss die Vorschriften über das Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder in einem aus anderen Gründen nicht fahrtüchtigen Zustand einhalten und folgende Bedingungen erfüllterfüllen: [Abänd. 112]

a)  Sie ist mindestens 25 Jahre alt;

b)  sie ist Inhaber eines vor mehr als fünf Jahren ausgestellten FührerscheinsEU-Führerscheins der entsprechenden Klasse; [Abänd. 113]

c)  sie wurde in den letzten fünf Jahren nicht mit einem Fahrverbot belegt;

d)  sie wurde nicht aufgrund einer mit dem Straßenverkehr zusammenhängenden Straftat verurteilt;

e)  sie verfügt im Falle eines Fahrzeugs der Klasse CKlassen C und C1 über die Qualifikation und Ausbildung gemäß der Richtlinie (EU) 2022/2561. [Abänd. 114]

ea)   sie hat im Falle von Fahrzeugen der Klassen C und C1 im Rahmen ihrer regelmäßigen Weiterbildung zum Befähigungsnachweis eine siebenstündige Schulung absolviert, um die erforderlichen beruflichen und pädagogischen Fähigkeiten zu erwerben. [Abänd. 115]

Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Dauer der Schulung auf 14 Stunden zu erhöhen. [Abänd. 116]

(3)  Die Mitgliedstaaten können die Identifizierung der in Absatz 2 genannten Begleitpersonen vorschreiben, um die Einhaltung dieses Artikels zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können die Zahl der möglichen Begleitpersonen begrenzen.

(3a)   Das begleitete Fahren schränkt die bestehenden Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, das Mindestalter für die Klasse B zu senken, wie in Artikel 7 Absatz 2 dieser Richtlinie dargelegt, und entsprechende Bedingungen auf nationaler Ebene anzuwenden, nicht ein. [Abänd. 117]

(4)  Die Mitgliedstaaten können zusätzliche Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins mit dem Unionscode 98.02 für Bewerber anwenden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Sie unterrichten die Kommission hiervon. Die Kommission macht diese Informationen der Öffentlichkeit zugänglich.

(4a)   Die Mitgliedstaaten können das in Absatz 1 festgelegte Alter für Personen mit ordentlichem Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet herabsetzen, um Pilotprojekte durchzuführen und Daten zur Wirkung des begleiteten Fahrens in einem früheren Alter im Rahmen der Fahrausbildung von Bewerbern zu sammeln, bis diese 3 500 km absolviert haben. Sollte ein Mitgliedstaat diese Option nutzen wollen, reicht er einen begründeten Antrag bei der Kommission ein. Die Kommission prüft diesen Antrag im Rahmen eines Dialogs mit dem jeweiligen Mitgliedstaat und trifft innerhalb von drei Monaten eine Entscheidung. Die Kommission kann den Antrag durch Übermittlung einer begründeten Stellungnahme genehmigen oder ablehnen oder ihn unter weiteren Bedingungen genehmigen, um für die die Straßenverkehrssicherheit Sorge zu tragen. Die Absätze 2, 3 und 4 bleiben auch anwendbar, wenn die Kommission eine Ausnahmeregelung gewährt. Die Mitgliedstaaten überwachen die Ergebnisse der genehmigten Pilotprojekte und melden sie der Kommission. Die Kommission prüft die Anträge und – sofern verfügbar – die Ergebnisse der genehmigten Pilotprojekte in ihren regelmäßigen Überprüfungen. [Abänd. 118]

Artikel 15

Probezeit

(1)  Der Inhaber eines erstmals ausgestellten Führerscheins einer bestimmten Klasse gilt als Fahranfänger und unterliegt einer Probezeit von mindestens zwei Jahren. Die Mitgliedstaaten legen Regeln zur Länge des Zeitraums und zu Sanktionen für Fahranfänger fest. [Abänd. 119]

(1a)   Die Mitgliedstaaten verpflichten Fahranfänger, während der gesamten Dauer ihrer Probezeit an der Heckscheibe ihres Fahrzeugs einen standardisierten runden Aufkleber der Union anzubringen. Die Kommission erlässt spätestens [sechs Monate nach Inkrafttreten dieser Richtlinie] einen delegierten Rechtsakt gemäß Artikel 21 zur Festlegung der gemeinsamen visuellen Spezifikationen für den standardisierten runden Aufkleber. [Abänd. 268]

(2)  Die Mitgliedstaaten legen Sanktionen für Fahranfänger fest, die mit einem Blutalkoholspiegel von mehr als 0,0 g/ml0,2g/ml oder unter dem Einfluss von psychotropen Stoffen oder Betäubungsmitteln fahren. Die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten legen einen technischen Null-Toleranz-Schwellenwert auf Grundlage der niedrigsten Bestimmungsgrenze fest, der die passive oder unbeabsichtigte Aufnahme berücksichtigt, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchsetzung sicherzustellen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nicht diskriminierend sein und können den Entzug der Fahrerlaubnis umfassen. [Abänd. 120]

(2a)   Die Mitgliedstaaten legen strengere Vorschriften zu Sanktionen für Fahranfänger fest, die beispielsweise keine Sicherheitsausrüstung benutzen oder ohne gültigen Führerschein fahren, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchsetzung sicherzustellen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nicht diskriminierend sein. [Abänd. 121]

(2b)   Die Mitgliedstaaten können die Anwendung des Null-Toleranz-Systems für Alkohol und illegale psychoaktive Drogen auf alle Fahrzeugführer ausweiten. [Abänd. 269]

(3)  Die Mitgliedstaaten können in ihrem Hoheitsgebiet zusätzliche Vorschriften für Fahranfänger während der Probezeit festlegen, um die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Sie unterrichten die Kommission hiervon. Mit diesen Regeln darf das Fahren in der Nacht nicht eingeschränkt werden. [Abänd. 122]

(4)  Die Mitgliedstaaten kennzeichnen die für eine Probezeit ausgestellten Führerscheine mit dem Unionscode 98.01 gemäß Anhang I Teil E.

(5)  Eine Probezeit wird nicht auf Fahrzeugführer angewandt, die einen Führerschein der Klasse A2 oder A gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c erwerben.

(5a)   Bei Fahrern, die während der Probezeit für eine zuvor ausgestellte Führerscheinklasse eine neue Klasse erwerben, kann die Probezeit für die neue Klasse auf der Grundlage der bereits absolvierten Probezeit, die nicht kürzer als sechs Monate sein darf, verkürzt werden. Diese Reduzierung ist nicht anwendbar, wenn der vorhandene Führerschein ausschließlich für die Klasse AM ausgestellt wurde. [Abänd. 123]

(5b)   Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, altersgerechte Schulungen zu Vorschriften über die Straßenverkehrssicherheit und Schulungen zur Sensibilisierung für Verkehrsrisiken in ihre Grund- und Sekundarschullehrpläne aufzunehmen. Die Mitgliedstaaten können die gemäß der [Richtlinie (EU) 2015/413 des Europäischen Parlaments und des Rates(21)] zweckgebundenen Einnahmen zur finanziellen Unterstützung solcher Initiativen verwenden. Die Kommission kann die in [Artikel 8a derselben Richtlinie] genannten Mittel auch zur finanziellen Unterstützung solcher Initiativen verwenden. [Abänd. 124]

Artikel 16

Fahrprüfer

(1)  Fahrprüfer müssen den Mindestanforderungen des Anhangs IV genügen.

Die Fahrprüfer, die ihren Beruf bereits vor dem 19. Januar 2013Inkrafttreten dieser Richtlinie ausüben, sind nur den Bestimmungen über die Qualitätssicherung und die regelmäßigen Weiterbildungsmaßnahmen zu unterwerfen. [Abänd. 125]

(2)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 21 delegierte Rechtsakte zur Änderung des Anhangs IV zu erlassen, sofern dies erforderlich ist, um technischen, operativen oder wissenschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Artikel 17

Ordentlicher Wohnsitz

(1)  Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem sich ein Führerscheininhaber wegen persönlicher undoder beruflicher Bindungen oderund – bei Personen ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d. h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, aufhält. [Abänd. 126]

Als ordentlicher Wohnsitz eines Führerscheininhabers, dessen berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und der sich daher abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufhalten muss, gilt jedoch der Ort seiner persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt. Diese letztgenannte Voraussetzung muss nicht erfüllt sein, wenn sich der Führerscheininhaber in einem Mitgliedstaat zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer aufhält. Der Besuch einer Universität oder einer Schule hat keine Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes zur Folge.

(2)  Für die Zwecke des Artikels 10 Absatz 3 Buchstabe b und des Artikels 11 Absatz 4 liegt der gewöhnliche Wohnsitz der Angehörigen der diplomatischen Dienste der Union oder ihrer Mitgliedstaaten sowie ihrer Familienangehörigen, die zu ihrem Haushalt gehören, im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, die die Führerscheine, die erneuert oder ersetzt werden, ausgestellt haben.

Für die Zwecke dieses Artikels umfasst der Begriff „diplomatische Dienste der Union“ Beamte der zuständigen Dienststellen des Generalsekretariats des Rates und der Kommission sowie abgeordnetes Personal der nationalen diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten und alle sonstigen Bediensteten oder Auftragnehmer, die für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union im Bereich der Außenvertretung tätig sind und die zur Erfüllung ihrer vertraglichen Aufgaben in einem Kalenderjahr mindestens 181 Tage im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Drittländer leben müssen.

(3)  Kann der Inhaber eines Führerscheins nicht nachweisen, dass er seinen ordentlichen Wohnsitz in einem bestimmten Mitgliedstaat gemäß Absatz 1 begründet hat, so kann er seinen Führerschein als letztes Mittel in dem Mitgliedstaat erneuern lassen, der ihn ursprünglich ausgestellt hat.

(4)  Abweichend von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe e und für den besonderen Zweck der erstmaligen Ausstellung eines Führerscheins der Klasse B kann ein Bewerber, der seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begründet hat, seinen Führerschein von letzterem Mitgliedstaat ausstellen lassen, wenn der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes nicht die Möglichkeit vorsieht, die theoretischen oder praktischen Prüfungen in einer der AmtssprachenEU-Amtssprachen des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder mithilfe eines Dolmetschers abzulegen. [Abänd. 127]

Artikel 18

Äquivalenzen zwischen nicht dem Unionsstandardmuster entsprechenden Führerscheinen

(1)  Die Mitgliedstaaten wenden die mit dem Beschluss (EU) 2016/1945 der Kommission(22) festgelegten Äquivalenzen zwischen vor dem 19. Januar 2013Inkrafttreten dieser Richtlinie erworbenen Fahrberechtigungen und den in Artikel 6 der vorliegenden Richtlinie festgelegten Führerscheinklassen an. [Abänd. 128]

(2)  Eine vor dem 19. Januar 2013Inkrafttreten dieser Richtlinie erteilte Fahrberechtigung darf aufgrund der Bestimmungen dieser Richtlinie weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden. [Abänd. 129]

Artikel 19

Amtshilfe

(1)  Die Mitgliedstaaten unterstützen einander bei der Durchführung dieser Richtlinie. Sie tauschen Informationen über die von ihnen ausgestellten, umgetauschten, ersetzten, erneuerten, eingeschränkten, ausgesetzten, entzogenen, aufgehobenen oder widerrufenen Führerscheine sowie über die Fahrverbote aus, die sie verhängt haben oder zu verhängen beabsichtigen, um zu prüfen, ob für einen Führerscheinbewerber in keinem Mitgliedstaat ein Fahrverbot gilt. Sie nutzen das zu diesen Zwecken eingerichtete EU-Führerscheinnetz.

(2)  Die Mitgliedstaaten können das EU-Führerscheinnetz auch für den Informationsaustausch nutzen, um

a)  ihre Behörden in die Lage zu versetzen, die Gültigkeit und Echtheit eines Führerscheins bei Straßenkontrollen oder im Rahmen von Maßnahmen zur Fälschungsbekämpfung zu überprüfen;

b)  im Einklang mit der Richtlinie (EU) 2015/413 des Europäischen Parlaments und des Rates(23) Ermittlungen zur Feststellung der Person zu erleichtern, die für die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte haftbar ist;

c)  mit dem Straßenverkehr zusammenhängende Straftaten gemäß [VERWEIS AUF PRÜM II] zu verhüten und aufzudecken sowie diesbezüglich zu ermitteln, sofern alle darin für diesen Zweck angegebenen Bedingungen erfüllt sind und unter Einhaltung der Grundsätze der Zweckbindung, der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit; [Abänd. 130]

d)  die Richtlinie (EU) 2022/2561 durchzusetzen;

e)  die [NEUE RICHTLINIE ÜBER DIE UNIONSWEITE WIRKUNG BESTIMMTER FAHRVERBOTE] durchzuführen und umzusetzen.

(3)  Der Zugriff auf das Netz wird geschützt. Das Netz gewährleistet sowohl einen synchronen (Echtzeit-) und asynchronen Informationsaustausch als auch den Versand und Empfang gesicherter Nachrichten, Benachrichtigungen und Anlagen.

Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die über das Netz ausgetauschten Informationen auf dem neuesten Stand sind.

Die Mitgliedstaaten dürfen den Zugriff zu dem Netz lediglich den zuständigen Behörden für die in den Absätzen 1 und 2 genannten Zwecke gewähren.

(4)  Die Mitgliedstaaten unterstützen einander auch bei der Einführung des digitalen Führerscheins, insbesondere um eine nahtlose Interoperabilität zwischen den in Anhang I Teil C genannten Anwendungen und Überprüfungsmerkmalen zu gewährleisten.

(5)  Um die Interoperabilität zwischen den an das EU-Führerscheinnetz angeschlossenen nationalen Systemen und den Schutz der in diesem Zusammenhang ausgetauschten personenbezogenen Daten zu gewährleisten, erlässt die Kommission bis zum 6. Juni 2026 Durchführungsrechtsakte, in denen die Einzelheiten der operativen und technischen Anforderungen sowie der Schnittstellenanforderungen an das EU-Führerscheinnetz festgelegt werden. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(6)  Die Mitgliedstaaten können bei der Durchsetzung einer teilweisen Einschränkung, Aussetzung, Entziehung oder Aufhebung der Fahrerlaubnis oder eines Führerscheins zusammenarbeiten, insbesondere wenn die jeweiligen Maßnahmen auf bestimmte Führerscheinklassen oder auf das Hoheitsgebiet bestimmter Mitgliedstaaten beschränkt sind, insbesondere durch Vermerke auf den von ihnen ausgestellten Führerscheinen.

Artikel 20

Überprüfung

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission jährlich über die Anzahl der ausgestellten, erneuerten, ersetzten, entzogenen und umgetauschten Führerscheine für jede Klasse, einschließlich Daten über die Ausstellung und Verwendung von digitalen Führerscheinen. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission ferner innerhalb von drei Monaten, wenn die von ihnen erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, so geändert werden, dass sie die Anwendung dieser Richtlinie berühren. [Abänd. 131]

Ebenso müssen die Mitgliedstaaten Daten über ihre bewährten Verfahren im Hinblick auf Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit und Kurse zum Thema Risikobewusstsein, insbesondere für Fahranfänger und im Zusammenhang mit dem lebenslangen Lernen, auf Arten von Untersuchungen der gesundheitlichen Tauglichkeit nach Altersgruppe, auf die Anwendung von Hilfsmaßnahmen nach Altersgruppe in Form von Feedback-Interventionen mit Teilnahmebestätigungen und Empfehlungen eines Fahrlehrers, Verkehrspsychologen oder Fahrprüfers sowie auf Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit von gefährdeten Verkehrsteilnehmern, darunter Maßnahmen zur Regelung der Mikromobilität, zur Verfügung stellen. [Abänd. 132]

Die Kommission legt bis zum 1. Juli 2027 dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht darüber vor, wie sich die Anwendung nationaler Vorschriften auf nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte auswirkt und was daraus für den Binnenmarkt und die Straßenverkehrssicherheit folgt. Diesem Bericht kann erforderlichenfalls ein Gesetzgebungsvorschlag an das Europäische Parlament und den Rat beigefügt werden, um den Einsatz nicht für den Straßenverkehr bestimmter mobiler Maschinen und Geräte in der gesamten Union zu erleichtern. [Abänd. 321]

Die Mitgliedstaaten melden der Kommission jährlich Statistiken über Verkehrsunfälle der einzelnen Führerscheinklassen, die von Fahranfängern im Rahmen des begleiteten Fahrens gemäß Artikel 14 verursacht wurden. Die Kommission wird aufgefordert, alle drei Jahre in einem Bericht die Unfälle von Fahrern, die ihren Führerschein im Rahmen des begleiteten Fahrens erworben haben, mit denen anderer Fahrer zu vergleichen. Der Bericht muss Daten für die einzelnen Führerscheinklassen berücksichtigen. Die Kommission veröffentlicht den Bericht, unter anderem im Portal für den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen, wie in der [Richtlinie über den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen] festgelegt. [Abänd. 133]

Bis zum [Inkrafttreten + 5 Jahre] und danach alle fünf Jahre legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie, einschließlich ihrer Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit, vor.

Artikel 21

Ausübung der Befugnisübertragung

(1)  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

(2)  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 4 Absatz 8, Artikel 5 Absatz 6, Artikel 8 Absatz 2, Artikel 9 Absatz 2, Artikel 10 Absatz 8, Artikel 11 Buchstabe a, Artikel 12 Absatz 8a und Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 16a Absatz 2 wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab [Datum des Inkrafttretens der Richtlinie] übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums. [Abänd. 134]

(3)  Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 4 Absatz 8, Artikel 5 Absatz 6, Artikel 8 Absatz 2, Artikel 10 Absatz 8 und Artikel 16 Absatz 2 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

(4)  Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

(5)  Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

(6)  Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 4 Absatz 8, Artikel 5 Absatz 6, Artikel 8 Absatz 2, Artikel 10 Absatz 8 und Artikel 16 Absatz 2 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Artikel 22

Ausschussverfahren

(1)  Die Kommission wird von dem Ausschuss für den Führerschein unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

(2)  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Wird die Stellungnahme des Ausschusses im schriftlichen Verfahren eingeholt, so wird das Verfahren ohne Ergebnis abgeschlossen, wenn der Vorsitz des Ausschusses dies innerhalb der Frist zur Abgabe der Stellungnahme beschließt oder eine einfache Mehrheit der Ausschussmitglieder dies verlangt.

Gibt der Ausschuss keine Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den Durchführungsrechtsakt nicht und Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 findet Anwendung.

(3)  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 23

Änderungen der Richtlinie (EU) 2022/2561

Die Richtlinie (EU) 2022/2561 wird wie folgt geändert:

(1)  In Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2022/2561 wird folgender Buchstabe c angefügt:"

„c) ab 17 Jahren: von Fahrzeugen der Führerscheinklasse CFührerscheinklassen C und C1, sofern er den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 besitzt und die Bedingungen gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Richtlinie [VERWEIS AUF DIE VORLIEGENDE RICHTLINIE] erfüllt.“ [Abänd. 135]

"

(2)  Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a erhält folgende Fassung:"

a) ab 21 Jahren:

   i) von Fahrzeugen der Führerscheinklassen D und D + E, sofern er den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 2 besitzt.

Jeder Mitgliedstaat kann einem Fahrzeugführer das Führen von Fahrzeugen der Führerscheinklassen D1 und D1 + E in seinem Hoheitsgebiet ab dem Alter von 18 Jahren gestatten, sofern der Fahrzeugführer den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 besitzt.

Jeder Mitgliedstaat kann das Mindestalter für die Führerscheinklassen D und DE für Berufsfahrer von Bussen und Reisebussen wie folgt senken:

   auf 19 Jahre in seinem Hoheitsgebiet, sofern der Fahrzeugführer eine vollständige Berufsausbildung absolviert hat und den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2022/2561 besitzt;
   auf 18 Jahre in seinem Hoheitsgebiet, sofern der Fahrzeugführer eine vollständige Berufsausbildung absolviert hat und den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2022/2561 besitzt und diese Fahrzeuge ohne Fahrgäste oder – auf Linien mit einer Länge von unter 50 km – mit Fahrgästen führt.
   ii) von Fahrzeugen der Führerscheinklassen D und D + E, sofern er den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 besitzt.

Jeder Mitgliedstaat kann das Mindestalter für die Führerscheinklassen D und DE für Berufsfahrer von Bussen und Reisebussen wie folgt senken:

   auf 19 Jahre in seinem Hoheitsgebiet, sofern der Fahrzeugführer eine vollständige Berufsausbildung absolviert hat und den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2022/2561 besitzt;
   sgebiet, sofern der Fahrzeugführer eine vollständige Berufsausbildung absolviert hat und den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2022/2561 besitzt und diese Fahrzeuge ohne Fahrgäste oder – auf Linien mit einer Länge von unter 50 km – mit Fahrgästen führt. [Abänd. 322]

"

(3)  Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b wird gestrichen. [Abänd. 323]

Artikel 24

Änderungen der Verordnung (EU) 2018/1724

Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1724 wird wie folgt geändert:

a)  in Spalte 2 der Zeile „Umzug“ wird folgende Zelle eingefügt: „Erwerb und Verlängerung eines Führerscheins“

b)  in Spalte 3 der Zeile „Umzug“ wird folgende Zelle eingefügt: „Ausstellung, Umtausch und Ersetzung von EU-Führerscheinen“

Artikel 25

Umsetzung

(1)  Die MitgliedstaatenUnbeschadet Absatz 1 erlassen und veröffentlichen die Mitgliedstaaten spätestens am [Datum der Annahme + 2 Jahre] die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit. [Abänd. 324]

SieUnbeschadet Absatz 1a wenden sie diese Vorschriften ab dem [Datum der Annahme + 3 Jahre] an. [Abänd. 325]

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

1a.   Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen spätestens am … [Datum der Annahme + 4 Monate] die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um Artikel 9 Absatz 2 dieser Richtlinie nachzukommen.

Sie wenden diese Vorschriften ab dem … [Datum der Annahme + 4 Monate] an. [Abänd. 326]

(2)  Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 26

Aufhebung

(1)  Die Richtlinie 2006/126/EG wird mit Wirkung vom [Datum der Annahme + 3 Jahre] aufgehoben.

Bezugnahmen auf die Richtlinie 2006/126/EG gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle im Anhang VII zu lesen.

(2)  Die Verordnung (EU) Nr. 383/2012 wird mit Wirkung vom [Datum der Annahme + 3 Jahre] aufgehoben.

(3)  Bezugnahmen auf die Verordnung (EU) Nr. 383/2012 gelten als Bezugnahmen auf Anhang I Teil B der vorliegenden Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle im Anhang VII zu lesen.

Artikel 27

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 28

Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu … am …

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Die Präsidentin Der Präsident / Die Präsidentin

Anhang I

BESTIMMUNGEN FÜR DIE VON DEN MITGLIEDSTAATEN AUSGESTELLTEN FÜHRERSCHEINE

TEIL A1: ALLGEMEINE SPEZIFIKATIONEN FÜR DEN PHYSISCHEN FÜHRERSCHEIN

(1)  Die äußeren Merkmale der für den Führerschein gemäß dem Unionsmuster zu verwendenden Karte entsprechen den ISO-Normen 7810 und 7816-1.

Die Karte besteht aus Polycarbonat.

Die Verfahren, mit denen die Merkmale der Führerscheine auf Übereinstimmung mit den internationalen Normen geprüft werden, entsprechen der ISO-Norm 10373.

(2)  Der Führerschein muss zwei Seiten haben und dem Muster in Abbildung 1 entsprechen.

Seite 1 Seite 2

20240228-P9_TA(2024)0095_DE-p0000002.png

20240228-P9_TA(2024)0095_DE-p0000003.png

Abbildung 1: Unionsmuster für den Führerschein

Text Abbildung:

1.  Name, 2. Vorname, 3. Geburtsdatum und Geburtsort, 4a. Ausstellungsdatum, 4b. Ablaufdatum, 4c. Ausgestellt von, 5. Führerscheinnummer, 10. Gültig ab, 11. Gültig bis, 12. Codes

(3)  Der Führerschein enthält die folgenden Angaben gemäß Teil D:

Seite 1 enthält:

(a)  in Blockbuchstaben die Aufschrift „Führerschein“ in der (den) Sprache(n) des Mitgliedstaats, der den Führerschein ausstellt;

(b)  den Namen des Mitgliedstaats, der den Führerschein ausstellt (fakultativ);

(c)  das Unterscheidungszeichen des Mitgliedstaats, der den Führerschein ausstellt, im Negativdruck in einem blauen Rechteck, umgeben von zwölf gelben Sternen, gemäß Teil D Nummer 1;

(d)  Angaben, die bei Ausstellung des Führerscheins einzutragen sind (Felder 1 bis 9), gemäß Teil D Nummer 3;

(e)  die Aufschrift „Muster der Europäischen Union“ in der (den) Sprache(n) des Mitgliedstaats, der den Führerschein ausstellt, und die Aufschrift „Führerschein“ in den anderen Sprachen der Europäischen Union in rosafarbenem Druck als Hintergrund des Führerscheins gemäß Teil D Nummer 2.

Seite 2 enthält:

(f)  Angaben zu den Führerscheinklassen, die bei Ausstellung des Führerscheins einzutragen sind (Felder 9 bis 12), gemäß Teil D Nummer 4;

(g)  Angaben zur Verwaltung des Führerscheins, die bei Ausstellung des Führerscheins einzutragen sind (Felder 13 bis 14), gemäß Teil D Nummer 5;

(h)  Erläuterungen zu den nummerierten Feldern auf den Seiten 1 und 2 des Führerscheins: 1, 2, 3, 4a, 4b, 4c, 5, 10, 11 und 12.

Will ein Mitgliedstaat diese Eintragungen in einer anderen Landessprache abfassen als auf Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch oder Ungarisch, so erstellt er unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Anhangs unter Verwendung einer der vorgenannten Sprachen eine zweisprachige Fassung des Führerscheins.

Auf dem Führerschein gemäß dem Unionsmuster muss ein Feld für die eventuelle Einführung eines Mikrochips oder eines gleichwertigen elektronischen Bestandteils oder zum Aufdrucken eines QR-Codes vorgesehen werden.

Die Referenzfarben sind die folgenden:

–  blau: Pantone Reflex Blue;

–  gelb: Pantone Yellow.

(4)  Besondere Bestimmungen

(a)  Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat gemäß diesem Anhang ausgestellten Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat, so kann dieser Mitgliedstaat in den Führerschein die für dessen Verwaltung unerlässlichen Angaben aufnehmen, sofern er dieselben Angaben auch in die von ihm ausgestellten Führerscheine aufnimmt und sofern auf dem Führerschein genügend Platz vorhanden ist.

(b)  Die Mitgliedstaaten können unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Anhangs Farben oder Kennzeichnungen wie Strichcodes und nationale Symbole hinzufügen. Die Mitgliedstaaten unterrichten hiervon die Kommission.

Im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine darf der Strichcode keine anderen Informationen als diejenigen enthalten, die bereits auf dem Führerschein zu lesen sind oder die für die Ausstellung des Führerscheins unerlässlich sind.

(c)  Angaben auf der Vorder- und Rückseite der Karte müssen mit bloßem Auge lesbar sein, wofür in den Felder 9 bis 12 auf Seite 2 eine Fontgröße von mindestens 5 Punkten zu verwenden ist.

TEIL A2: SPEZIFIKATIONEN ZUM SCHUTZ DES PHYSISCHEN FÜHRERSCHEINS VOR FÄLSCHUNG 

(1)   Die physische Sicherheit von Führerscheinen ist bedroht durch

(a)  die Herstellung gefälschter Karten: Schaffung eines neuen Objekts, das große Ähnlichkeit mit dem Dokument aufweist, entweder selbst hergestellt oder als Kopie eines Originaldokuments;

(b)  grundlegende Veränderung: Änderung einer Eigenschaft des Originaldokuments, z. B. Änderung einiger auf dem Dokument aufgedruckter Daten.

(2)  Die Gesamtsicherheit ist durch das System in seiner Gesamtheit bedingt, das folgende Einzelkomponenten umfasst: Antragsverfahren, Übermittlung von Daten, Trägermaterial der Karte, Drucktechnik, Mindestmenge unterschiedlicher Sicherheitsmerkmale und Personalisierung.

(3)  Das Trägermaterial für Führerscheine ist mit folgenden Techniken fälschungssicher zu gestalten (obligatorische Sicherheitsmerkmale):

(a)  Kartenträger ohne optische Aufheller;

(b)  Sicherheits-Untergrundmuster, das durch die Verwendung von Irisdruck mit Mehrfarben-Sicherheitsdruckfarbe und Positiv- und Negativ-Guillochendruck vor Fälschung durch Scannen, Drucken oder Kopieren geschützt ist. Das Muster darf nicht aus den Primärfarben (CMYK) zusammengesetzt sein; es muss einen komplexen Musteraufbau in mindestens zwei Spezialfarben und Mikroschrift aufweisen;

(c)  optisch variable Komponenten, die einen angemessenen Schutz gegen Kopieren und Manipulation des Lichtbilds bieten;

(d)  Lasergravur;

(e)  im Bereich des Lichtbilds überlappen sich der Sicherheitsuntergrund und das Lichtbild mindestens an dessen Rand (verlaufendes Muster).

(4)  Darüber hinaus ist das Trägermaterial für Führerscheine mit mindestens drei der folgenden Techniken zusätzlich vor Fälschung zu schützen (zusätzliche Sicherheitsmerkmale):

(a)  vom Blickwinkel abhängige Farben*;

(b)  thermochromatische Farbe*;

(c)  spezielle Hologramme*;

(d)  variable Laserbilder*;

(e)  sichtbare und transparente UV-Fluoreszenzfarbe;

(f)  irisierender Druck;

(g)  digitales Wasserzeichen im Untergrund;

(h)  IR-Pigmente oder phosphoreszierende Pigmente;

(i)  fühlbare Zeichen, Symbole oder Muster*.

(5)  Die Mitgliedstaaten können zusätzliche Sicherheitsmerkmale einführen. Als Grundlage sind die mit einem Stern versehenen Techniken vorzuziehen, da sie es den Strafverfolgungsbeamten ermöglichen, die Gültigkeit der Karte ohne besondere Hilfsmittel zu überprüfen.

TEIL B: SPEZIFIKATIONEN FÜR DEN ALS BESTANDTEIL DES PHYSISCHEN FÜHRERSCHEINS EINGEFÜHRTEN MIKROCHIP 

(1)  Der Mikrochip und die auf dem Mikrochip enthaltenen Daten, einschließlich zusätzlicher Informationen, die in den nationalen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über Führerscheine vorgesehen sind, müssen den Bestimmungen von Teil B1 entsprechen.

(2)  Teil B2 enthält eine Aufstellung der anwendbaren Normen für Führerscheine, die einen Mikrochip enthalten.

(3)  Führerscheine, die einen Mikrochip enthalten, werden gemäß den Bestimmungen von Teil B3 einem EU-Typgenehmigungsverfahren unterzogen.

(4)  Sind gemäß den Absätzen 1 bis 3 alle einschlägigen Voraussetzungen für die EU-Typgenehmigung eines Führerscheins, der einen Mikrochip enthält, erfüllt, so stellen die Mitgliedstaaten dem Hersteller oder dessen Vertreter einen EU-Typgenehmigungsbogen aus.

(5)  Erforderlichenfalls kann der Mitgliedstaat den von ihm ausgestellten EU-Typgenehmigungsbogen wieder zurücknehmen, insbesondere um sicherzustellen, dass die Bestimmungen dieses Teils erfüllt sind.

(6)  Die EU-Typgenehmigungsbögen und die Mitteilungen über die Rücknahme einer solchen Genehmigung müssen dem in Teil B4 aufgeführten Muster entsprechen.

(7)  Die Kommission wird über alle ausgestellten oder zurückgenommenen EU-Typgenehmigungsbögen unterrichtet. Eine Rücknahme ist ausführlich zu begründen.

Die Kommission unterrichtet die Mitgliedstaaten über jegliche Rücknahme eines EU-Typgenehmigungsbogens.

(8)  Die Mitgliedstaaten erkennen die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten EU-Typgenehmigungsbögen gegenseitig anerkannt.

(9)  Stellt ein Mitgliedstaat wiederholt fest, dass eine erhebliche Anzahl von Führerscheinen, die einen Mikrochip enthalten, nicht mit diesem Teil von Anhang I im Einklang steht, teilt er dies der Kommission mit. Er gibt dabei die für diese Führerscheine geltende Nummer des EU-Typgenehmigungsbogens an und beschreibt die Abweichung. Die Kommission unterrichtet alle anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über die ihr gemäß diesem Absatz mitgeteilten Fakten.

(10)  Der Mitgliedstaat, der die betreffenden Führerscheine ausgestellt hat, untersucht das Problem unverzüglich und trifft angemessene Korrekturmaßnahmen, die gegebenenfalls auch eine Rücknahme des EU-Typgenehmigungsbogens umfassen können.

TEIL B1: Allgemeine Anforderungen an Führerscheine, die einen Mikrochip enthalten 

Die in diesem Anhang aufgeführten allgemeinen Anforderungen an Führerscheine, die einen Mikrochip enthalten, beruhen auf internationalen Normen, insbesondere auf den Normen der ISO/IEC-Reihe 18013. Sie umfassen

(a)  die Spezifikationen in Bezug auf den Mikrochip und die logische Datenstruktur auf dem Mikrochip;

(b)  die Spezifikationen in Bezug auf die zu speichernden harmonisierten und zusätzlichen Angaben;

(c)  die Spezifikationen in Bezug auf die Datenschutzmechanismen für die digital auf dem Mikrochip gespeicherten Angaben.

1.  ABKÜRZUNGEN

Abkürzung

Bedeutung

AID

Application Identifier (Anwendungskennung)

BAP

Basic Access Protection (grundlegender Zugangsschutz)

DG

Datengruppe

EAL 4+

Evaluation Assurance Level 4 Augmented (Vertrauenswürdigkeitsstufe 4+)

EF

Elementary File (Elementardatei)

EFID

Elementary File Identifier (Kennung der Elementardatei)

eMRTD

Machine Readable Travel Document (maschinenlesbares Reisedokument)

ICC

Integrated Circuit Card (Chipkarte)

ISO

International Organization for Standardization (Internationale Organisation für Normung)

LDS

Logical Data Structure (logische Datenstruktur)

PICC

Proximity Integrated Circuit Card (kontaktlose Chipkarte)

PIX

Proprietary Application Identifier Extension (Anwendungskennungserweiterung des Providers)

RID

Registered Application Identifier (registrierte Anwendungskennung)

SOd

Document Security Object (Sicherheitsobjekt)

2.  AUF DEM MIKROCHIP GESPEICHERTE ANGABEN

(1)  Harmonisierte obligatorische und fakultative Führerscheinangaben

Auf dem Mikrochip werden die in Teil D aufgeführten harmonisierten Führerscheinangaben gespeichert. Beschließt ein Mitgliedstaat die Aufnahme von in Teil D als fakultativ gekennzeichneten Angaben auf dem Führerschein, so werden diese ebenfalls auf dem Mikrochip gespeichert.

(2)  Zusätzliche Angaben

Die Mitgliedstaaten können zusätzliche Daten auf dem Mikrochip speichern, die in ihren nationalen Rechtsvorschriften über Führerscheine vorgesehen sind. Sie unterrichten die Kommission hiervon.

3.  MIKROCHIP

(1)  Art des Speichermediums

Das Speichermedium für Führerscheinangaben besteht aus einem Mikrochip mit einer Kontaktschnittstelle, einer kontaktlosen Schnittstelle oder einer Kombination aus beiden (duale Schnittstelle) gemäß Teil B2 Nummer 1.

(2)  Anwendungen

Alle Daten auf einem Mikrochip werden in elektronischen Anwendungen gespeichert. Alle Anwendungen auf dem Mikrochip werden anhand eines eindeutigen Codes, der Anwendungskennung (AID), gemäß Teil B2 Nummer 2 identifiziert.

(a)  EU-Führerscheinanwendung

Obligatorische und fakultative Führerscheinangaben gemäß Anhang I Teil D werden auf der dazu vorgesehenen EU-Führerscheinanwendung gespeichert. Die AID für die EU-Führerscheinanwendung lautet

„A0 00 00 04 56 45 44 4C 2D 30 31“

und setzt sich aus Folgendem zusammen:

–  der registrierten Anwendungskennung (RID) der Europäischen Kommission „A0 00 00 04 56“

–  sowie der Anwendungskennungserweiterung des Providers (PIX) für die EU-Führerscheinanwendung „45 44 4C 2D 30 31“ (EDL-01).

Die Daten werden im Rahmen einer logischen Datenstruktur (LDS) in Datengruppen (DG) zusammengefasst.

Die Datengruppen werden als Elementardateien (EF) in der EU-Führerscheinanwendung gespeichert und entsprechend Teil B2 Nummer 3 geschützt.

(b)  Sonstige Anwendungen

Neben der EU-Führerscheinanwendung gibt es eine oder mehrere spezifische Anwendungen zur Speicherung sonstiger zusätzlicher Angaben. Jede dieser Anwendungen wird anhand einer eindeutigen AID identifiziert.

4.  LOGISCHE DATENSTRUKTUR DER EU-FÜHRERSCHEINANWENDUNG

(1)  Logische Datenstruktur

Die Führerscheinangaben werden in einer logischen Datenstruktur (LDS) gemäß Teil B2 Nummer 4 auf dem Mikrochip gespeichert. Unter dieser Nummer sind zusätzliche Anforderungen an die obligatorischen und zusätzlichen DG festgelegt.

Jede Datengruppe wird in einer Elementardatei (EF) gespeichert. Die für die EU-Führerscheinanwendung zu verwendenden EF werden anhand der Elementardateikennungen (EFID) und der Kurz-Elementardateikennung (Short EFID) gemäß Teil B2 Nummer 5 identifiziert.

(2)  Obligatorische Datengruppen

Die obligatorischen und fakultativen Datenelemente werden in den folgenden DG gespeichert:

a)  DG 1: alle obligatorischen und fakultativen Datenelemente auf dem Dokument, mit Ausnahme des Gesichts und der Unterschrift;

b)  DG 5: Bild der Unterschrift des Führerscheininhabers;

c)  DG 6: Bild des Gesichts des Führerscheininhabers.

Die Daten der DG 1 werden gemäß Nummer 6 dieses Anhangs sowie gemäß Teil B2 Nummer 6 strukturiert. Die in DG 5 und DG 6 enthaltenen Daten werden gemäß den in Teil B2 Nummer 7 aufgeführten Spezifikationen gespeichert.

(3)  Zusätzliche Datengruppen

Die zusätzlichen Datenelemente, sofern dies in den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Führerscheine vorgesehen ist, werden in folgenden Datengruppen gespeichert:

a)  DG 2: Angaben zum Führerscheininhaber, mit Ausnahme biometrischer Daten;

b)  DG 3: Angaben zur ausstellenden Behörde;

c)  DG 4: Foto (Porträt);

d)  DG 7: biometrische Daten (zu den Fingerabdrücken) des Führerscheininhabers;

e)  DG 8: biometrische Daten (zur Iris) des Führerscheininhabers; [Abänd. 138]

f)  DG 11: sonstige Angaben, wie z. B. der vollständige Name des Führerscheininhabers im nationalen Alphabet.

Die in diesen DG enthaltenen Daten werden gemäß den in Teil B2 Nummer 8 aufgeführten Spezifikationen gespeichert.

5.  DATENSICHERHEITSMECHANISMEN

Zur Validierung der Authentizität und Integrität des Mikrochips und der darauf gespeicherten Daten sowie zur Beschränkung des Zugangs zu Führerscheindaten sind angemessene Mechanismen anzuwenden.

Die Daten auf dem Mikrochip werden gemäß den in Teil B2 Nummer 3 aufgeführten Spezifikationen geschützt. Dieser Abschnitt enthält weitere Anforderungen, die einzuhalten sind.

(1)  Überprüfung der Authentizität

(a)  Obligatorische passive Authentifizierung

Alle in der EU-Führerscheinanwendung gespeicherten DG werden im Wege der passiven Authentifizierung geschützt.

Die mit der passiven Authentifizierung in Verbindung stehenden Daten müssen den in Teil B2 Nummer 9 festgelegten Anforderungen entsprechen.

(b)  Fakultative aktive Authentifizierung

Fakultative aktive Authentifizierungsmechanismen werden angewandt, um sicherzustellen, dass der ursprüngliche Mikrochip nicht ausgetauscht wurde.

(2)  Zugangsbeschränkung

(a)  Obligatorischer grundlegender Zugangsschutz

Der Mechanismus für den grundlegenden Zugangsschutz (BAP) wird auf alle Daten in der EU-Führerscheinanwendung angewandt. Im Interesse der Interoperabilität mit bestehenden Systemen, z. B. für maschinenlesbare Reisedokumente (eMRTD), ist ein einzeiliger maschinenlesbarer Bereich (Machine Readable Zone, MRZ) gemäß Teil B2 Nummer 10 vorzusehen.

Der für den Zugriff auf den Chip verwendete Schlüssel Kdoc wird aus der einzeiligen MRZ generiert, die entweder manuell oder mithilfe eines Lesegeräts zur optischen Zeichenerkennung (Optical Character Recognition, OCR) eingegeben werden kann. Dabei ist die gemäß Teil B2 Nummer 10 für eine einzeilige MRZ definierte BAP-1-Konfiguration anzuwenden.

(b)  Bedingte erweiterte Zugangskontrolle

Werden personenbezogene Daten gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 auf dem Mikrochip gespeichert, so wird der Zugang zu diesen Daten durch zusätzliche Maßnahmen geschützt.

Die Mechanismen zur erweiterten Zugangskontrolle müssen den in Teil B2 Nummer 11 aufgeführten Spezifikationen entsprechen.

(3)  Public-Key-Infrastruktur (PKI) für Führerscheine, die einen Mikrochip enthalten

Die Mitgliedstaaten treffen gemäß Anhang A der ISO-Norm 18013-3 auf nationaler Ebene die erforderlichen Vorkehrungen für die Verwaltung der öffentlichen Schlüssel.

6.  DATENDARSTELLUNG

(1)  Formatierung der Daten in DG 1

Tag

L

Wert

Kodierung

O/F

61

V

DG1 Datenelemente (geschachtelt)

 

 

 

 

Tag

L

Wert

 

 

 

 

5F 01

V

Nummer der Typgenehmigung

ans

O

 

 

5F 02

V

Zusammengesetztes Datenobjekt aus demografischen Datenelementen

 

O

 

 

 

 

Tag

L

Wert

 

 

 

 

 

 

5F 03

3

Ausstellungsmitgliedstaat

a3

O

 

 

 

 

5F 04

V

Nachname(n) des Inhabers

as

O

 

 

 

 

5F 05

V

Vorname(n) des Inhabers

as

O

 

 

 

 

5F 06

4

Geburtsdatum (TTMMJJJJ)

n8

O

 

 

 

 

5F 07

V

Geburtsort

ans

O

 

 

 

 

5F 08

3

Staatsangehörigkeit

a3

F

 

 

 

 

5F 09

1

Geschlecht

M/W/U

F

 

 

 

 

5F 0A

4

Ausstellungsdatum des Führerscheins (TTMMJJJJ)

n8

O

 

 

 

 

5F 0B

4

Ablaufdatum des Führerscheins (TTMMJJJJ)

n8

O

 

 

 

 

5F 0C

V

Ausstellende Behörde

ans

O

 

 

 

 

5F 0D

V

Verwaltungsnummer (nicht Dokumentennummer)

ans

F

 

 

 

 

5F 0E

V

Dokumentennummer

an

O

 

 

 

 

5F 0F

V

Wohnort, Wohnsitz oder Postanschrift

ans

F

 

 

7F 63

V

Zusammengesetztes Datenobjekt aus Fahrzeugklassen/Beschränkungen/Bedingungen

 

O

 

 

 

 

Tag

L

Wert (wie nachstehend definiert kodiert)

 

 

 

 

 

 

02

1

Zahl der Klassen/Beschränkungen/Bedingungen

N

O

 

 

 

 

87

V

Klasse/Beschränkung/Bedingung

ans

O

 

 

 

 

87

V

Klasse/Beschränkung/Bedingung

ans

F

 

 

 

 

 

 

 

 

87

V

Klasse/Beschränkung/Bedingung

ans

F

(2)  Logisches Aufzeichnungsformat

Die Kategorien der Fahrzeuge, Beschränkungen und Bedingungen werden in einem Datenobjekt zusammengestellt, das die in folgender Tabelle angegebene Struktur aufweist:

Fahrzeugklasse (Code)

Ausstellungsdatum

Ablaufdatum

Code

Zeichen

Wert

Dabei gilt:

(a)  Die Fahrzeugklassen werden anhand der in Artikel 6 festgelegten Codes (wie AM, A1, A2, A, B1, B usw.) angegeben.

(b)  Das Ausstellungsdatum wird in der Form TTMMJJJJ (Tag in zwei Ziffern, gefolgt vom Monat in zwei Ziffern, gefolgt vom Jahr in vier Ziffern) für die Fahrzeugklasse angegeben.

(c)  Das Ablaufdatum wird in der Form TTMMJJJJ (Tag in zwei Ziffern, gefolgt vom Monat in zwei Ziffern, gefolgt vom Jahr in vier Ziffern) für die Fahrzeugklasse angegeben.

(d)  Code, Zeichen und Wert betreffen zusätzliche Informationen oder Beschränkungen hinsichtlich der Fahrzeugklasse oder des Fahrzeugführers.

TEIL B2: Liste der anwendbaren Normen für Führerscheine, die ein Speichermedium enthalten 

Nummer

Gegenstand

Anforderung

Anwendbar auf

1

Schnittstelle des Speichermediums, Organisation und Befehle

ISO/IEC-Reihe 7816 (Kontaktschnittstelle), ISO/IEC-Reihe 14443 (kontaktlose Schnittstelle) gemäß ISO/IEC 18013-2:2008, Anhang C

Teil B1 Nummer 3.1

2

Anwendungskennung

ISO/IEC 7816-5:2004

Teil B1 Nummer 3.2

3

Datensicherheitsmechanismen

ISO/IEC 18013-3:2009

Teil B1 Nummer 3.2 Buchstabe a

Teil B1 Nummer 5

4

Logische Datenstruktur

ISO/IEC 18013-2:2008

Teil B1 Nummer 4.1

5

Elementardatei-Kennungen

ISO/IEC 18013-2:2008, Tabelle C.2

Teil B1 Nummer 4.1

6

Datendarstellung für DG 1

ISO 18013-2:2008, Anhang C.3.8

Teil B1 Nummer 4.2

Teil B1 Nummer 6.1

7

Darstellung obligatorischer Daten für DG 5 und DG 6

ISO/IEC 18013-2:2008, Anhang C.6.6 und Anhang C.6.7, die Bilder von Gesicht und Unterschrift sind im JPEG- oder JEPG2000-Format zu speichern

Teil B1 Nummer 4.2

8

Darstellung fakultativer und zusätzlicher Daten

ISO/IEC 18013-2:2008, Anhang C

Teil B1 Nummer 4.3

9

Passive Authentifizierung

ISO/IEC 18013-3:2009, Absatz 8.1, Daten werden im EF.SOd (Document Security Object) in der LDS gespeichert

Teil B1 Nummer 5.1 Buchstabe a

10

Grundlegende Zugangsbeschränkung

ISO/IEC 18013-3:2009 und deren Version 1

Teil B1 Nummer 5.2 Buchstabe a

 

Konfiguration der grundlegenden Zugangsbeschränkung

ISO/IEC 18013-3:2009, Anhang B.8

11

Erweiterte Zugangsbeschränkung

Technische Richtlinie TR-03110, „Advanced Security Mechanisms for Machine Readable Travel Documents — Extended Access Control (EAC) Version 1.11“

Teil B1 Nummer 5.2 Buchstabe b

12

Prüfverfahren

ISO 18013 4:2011

Teil B3 Nummer 1

13

Sicherheitszertifikat

Vertrauenswürdigkeits-Stufe 4+ (EAL 4+) oder gleichwertige Stufe

Teil B3 Nummer 2

14

Funktionszertifikat

Chipkartenprüfung gemäß ISO-Reihe 10373

Teil B3, Nummer 3.

TEIL B3: Verfahren für die EU-Typgenehmigung in Bezug auf Führerscheine, die einen Mikrochip enthalten 

1.  ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Hersteller, die eine EU-Typgenehmigung für Führerscheine mit einem Mikrochip beantragen, müssen ein Sicherheitszertifikat und ein Funktionszertifikat vorlegen.

Alle beabsichtigten Änderungen des Herstellungsverfahrens, auch an der Software, sind der Behörde, die die Typgenehmigung erteilt hat, vorab zu melden. Die Behörde kann vor der Genehmigung der Änderung weitere Informationen anfordern und die Durchführung weiterer Prüfungen verlangen.

Die Prüfungen werden anhand der in Teil B2 Nummer 12 dieser Verordnung festgelegten Verfahren durchgeführt.

2.  SICHERHEITSZERTIFIKAT

Im Rahmen der Sicherheitsprüfung werden die Mikrochips von Führerscheinen anhand der in Teil B2 Nummer 13 angegebenen Kriterien bewertet.

Ein Sicherheitszertifikat wird nur erteilt, wenn erfolgreich nachgewiesen wurde, dass der Mikrochip vor Datenmanipulation und ‑änderungen geschützt ist.

3.  FUNKTIONSZERTIFIKAT

Die Funktionsprüfung von Führerscheinen, die einen Mikrochip enthalten, erfolgt als Laborprüfung gemäß den in Teil B2 Nummer 14 angegebenen Kriterien.

Mitgliedstaaten, die einen Mikrochip auf Führerscheinen einführen, stellen sicher, dass die einschlägigen Funktionsnormen und die in Teil B1 aufgeführten Anforderungen erfüllt sind.

Der Hersteller erhält ein Funktionszertifikat, sofern alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

–  Ein gültiges Sicherheitszertifikat für den Mikrochip liegt vor;

–  die Erfüllung der in Teil B2 aufgeführten Anforderungen wurde nachgewiesen;

–  die Funktionsprüfungen wurden bestanden.

Für die Ausstellung des Funktionszertifikats ist die einschlägige Behörde des Mitgliedstaats zuständig. Auf dem Funktionszertifikat sind die ausstellende Behörde, der Bewerber, die Kennung des Mikrochips und eine detaillierte Liste der Prüfungen und ihrer Ergebnisse anzugeben.

4.  EU-TYPGENEHMIGUNGSBOGEN

(1)  Musterbogen

Die Mitgliedstaaten stellen die EU-Typgenehmigungsbögen bei Vorlage der Sicherheits- und Funktionszertifikate gemäß diesem Anhang aus. Die EU-Typgenehmigungsbögen müssen dem Muster in Teil B4 entsprechen.

(2)  Nummerierungssystem

Die EU-Typgenehmigungsnummer umfasst folgende Bestandteile:

(a)  den Kleinbuchstaben „e“, gefolgt von der Kennziffer des Mitgliedstaats, der die EU-Typgenehmigung erteilt hat:

1 für Deutschland

2 für Frankreich

3 für Italien

4 für die Niederlande

5 für Schweden

6 für Belgien

7 für Ungarn

8 für die Tschechische Republik

9 für Spanien

12 für Österreich

13 für Luxemburg

17 für Finnland

18 für Dänemark

19 für Rumänien

20 für Polen

21 für Portugal

23 für Griechenland

24 für Irland

25 für Kroatien

26 für Slowenien

27 für die Slowakei

29 für Estland

32 für Lettland

34 für Bulgarien

36 für Litauen

49 für Zypern

50 für Malta;

(b)  die Buchstabenkombination DL nach einem Bindestrich, gefolgt von den zwei Ziffern, die der laufenden Nummer dieses Anhangs bzw. dessen letzter wesentlicher technischer Änderung entsprechen. Die laufende Nummer dieses Anhangs lautet 00;

(c)  eine von dem ausstellenden Mitgliedstaat zugeteilte eindeutige Kennziffer der EU-Typgenehmigung.

Beispiel für eine EU-Typgenehmigungsnummer: e50-DL00 12345

Die Genehmigungsnummer wird in jedem Führerschein, der einen Mikrochip enthält, in der DG 1 dieses Mikrochips gespeichert.

TEIL B4: Muster eines EU-Typgenehmigungsbogens für Führerscheine, die einen Mikrochip enthalten 

Zuständige Behörde: …

Mitteilung betreffend  (*):

—  Genehmigung

—  Rücknahme der Genehmigung

für einen EU-Führerschein mit einem Mikrochip.

Genehmigungsnummer: …

1.  Marke oder Warenzeichen des Herstellers: …

2.  Modell: …

3.  Name des Herstellers bzw. seines Vertreters: …

4.  Adresse des Herstellers bzw. seines Vertreters: …

5.  Laborprüfberichte:

5.1.  Nr. des Sicherheitszertifikats: … Datum: …

Ausgestellt von: …

5.2.  Nr. des Sicherheitszertifikats: … Datum: …

Ausgestellt von: …

6.  Datum der Genehmigung: …

7.  Datum der Rücknahme der Genehmigung: …

8.  Ort: …

9.  Datum: …

10.  Anlagen (Beschreibungen usw.): …

11.  Unterschrift: …

(*) Bitte Zutreffendes ankreuzen.

TEIL C: SPEZIFIKATIONEN FÜR DEN DIGITALEN FÜHRERSCHEIN 

(1)  Anwendungen für digitale Führerscheine müssen für die gängigsten mobilen Betriebssysteme verfügbar sein und den befugten Personen mindestens folgende Merkmale bieten:

(a)  Abruf und Speicherung von Daten oder Zeiger zum Nachweis der Fahrerlaubnis einer Person;

(b)  Anzeige und Übermittlung dieser Daten oder dieses Zeigers.

(2)  Die Anwendung und andere einschlägige Systeme müssen der Norm ISO/IEC 18013-5 über mobile Führerscheinanwendungen und der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 entsprechen.

(3)  Für die Zwecke dieses Anhangs gilt der Inhaber eines gemäß dieser Richtlinie ausgestellten digitalen Führerscheins nur dann als der berechtigte Benutzer, wenn er als solcher identifiziert ist. Das primäre Identifizierungsmittel ist die elektronische Identifizierung. Für die elektronische Identifizierung dieser Personen werden mindestens alle in der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 genannten elektronischen Identifizierungsmittel akzeptiert.

(4)  Das einschlägige nationale System ist das entsprechende Führerscheinregister des Mitgliedstaats, in dem der Inhaber des Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz hat.

(5)  Die Anwendung muss es dem Inhaber des Führerscheins ermöglichen, aus dem einschlägigen nationalen System überprüfbare Daten mit den in Teil D aufgeführten Informationen und einem Einmal-Token abzurufen. Sind im nationalen System nicht alle in Teil D aufgeführten Informationen verfügbar, so kann der Inhaber des Führerscheins seine fehlenden Datenelemente auf andere sichere Weise abrufen (z. B. Lichtbild des Führerscheininhabers aus seinem biometrischen Pass mithilfe von Nahfeldkommunikation).

Die Anwendung muss die automatische oder manuelle Aktualisierung der überprüfbaren Daten (Daten nach Teil D in Bezug auf den Inhaber, die der Führerschein enthält) aus dem einschlägigen nationalen System des Mitgliedstaats, in dem der Inhaber des Führerscheins seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, ermöglichen. In der Anwendung dürfen keine anderen Mittel zur Änderung der abgerufenen Daten vorgesehen sein.

Die Anwendung muss es dem Inhaber des Führerscheins ermöglichen, die im digitalen Führerschein enthaltenen Daten ganz oder teilweise anzuzeigen oder an Dritte weiterzuleiten. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sind berechtigt, die in den digitalen Führerscheinen enthaltenen Daten abzurufen, um die Fahrerlaubnis des Inhabers des Führerscheins feststellen zu können (Überprüfung).

Die Anwendung muss es dem Inhaber des Führerscheins ermöglichen, einem Dritten ein von einem nationalen System abgerufenes Einmal-Token zu übermitteln. Dieses Token kann von der empfangenden Partei verwendet werden, um die in Teil D aufgeführten Informationen aus dem betreffenden nationalen System abzurufen, sofern die empfangende Partei von dem betreffenden Mitgliedstaat dazu ermächtigt wurde. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sind berechtigt, auf die nationalen Systeme anderer Mitgliedstaaten zuzugreifen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass nach der Überprüfung der Daten des Führerscheininhabers die übermittelten Daten nicht gespeichert werden.

Die unmittelbar aus der Anwendung übermittelten oder mit dem Einmal-Token abgerufenen Informationen müssen es den zuständigen Behörden ermöglichen, die Fahrerlaubnis des Inhabers des digitalen Führerscheins zu bestimmen (Überprüfung), einschließlich etwaiger Beschränkungen, die in der Union oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelten. Die Mitgliedstaaten betrachten Daten als ungültig, wenn sie mehr als sieben Tage vor dem Zeitpunkt der Überprüfung abgerufen wurden oder wenn die Nummer des Führerscheins in der Sperrliste des Mitgliedstaats, der den digitalen Führerschein ausgestellt hat, aufgeführt ist. Eine Sperrliste enthält Angaben zu allen Führerscheinen, deren Inhaber nicht mehr zur Ausübung ihrer Fahrerlaubnis berechtigt sind.

(6)  Abweichend von der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 und zu dem alleinigen Zweck, dem Inhaber des digitalen Führerscheins die Möglichkeit zu geben, seine Fahrerlaubnis nachzuweisen, bleiben die Funktionen zur Anzeige und Übermittlung von Daten oder Einmal-Token verfügbar, wenn die mit EUid-Brieftaschen verbundenen Personenidentifizierungsdaten gemäß Artikel 3 der genannten Verordnung ungültig sind.

(7)  Die nationalen Systeme speichern oder bearbeiten keine Anfragen auf der Grundlage des oben genannten Einmal-Tokens für einen anderen Zweck als die Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie. Zu diesem Zweck kann das in Artikel 19 genannte EU-Führerscheinnetz genutzt werden.

(8)  Inhaber von digitalen Führerscheinen haben die Möglichkeit, ihre Führerscheine in der Union über die von den Mitgliedstaaten bereitgestellte Anwendung oder ein spezielles Portal für digitale Dienste zu erneuern, zu ersetzen oder umzutauschen.

TEIL D: IN DEN EU-FÜHRERSCHEIN AUFZUNEHMENDE DATEN 

(1)  Die Unterscheidungszeichen der Mitgliedstaaten, die den Führerschein ausstellen, sind wie folgt:

B: Belgien

BG: Bulgarien

CZ: Tschechische Republik

DK: Dänemark

D: Deutschland

EST: Estland

GR: Griechenland

E: Spanien

F: Frankreich

HR: Kroatien

IRL: Irland

I: Italien

CY: Zypern

LV: Lettland

LT: Litauen

L: Luxemburg

H: Ungarn

M: Malta

NL: Niederlande

A: Österreich

PL: Polen

P: Portugal

RO: Rumänien

SLO: Slowenien

SK: Slowakei

FIN: Finnland

S: Schweden

(2)  Das Wort „Führerschein“ ist in der (den) Sprache(n) der Mitgliedstaaten auf dem Führerschein aufzudrucken:

Свидетелство за управление на МПС

Permiso de Conducción

Řidičský průkaz

Kørekort

Führerschein

Juhiluba

Άδεια Οδήγησης

Driving Licence

Permis de conduire

Ceadúas Tiomána

Vozačka dozvola

Patente di guida

Vadītāja apliecība

Vairuotojo pažymėjimas

Vezetői engedély

Liċenzja tas-Sewqan

Rijbewijs

Prawo Jazdy

Carta de Condução

Permis de conducere

Vodičský preukaz

Vozniško dovoljenje

Ajokortti

Körkort

(3)  Die folgenden Angaben sind bei Ausstellung des Führerscheins einzutragen:

Feld

Angaben

1

Nachname des Inhabers

2

Vorname(n) des Inhabers

3

Geburtsdatum und Geburtsort des Inhabers

4a

Ausstellungsdatum des Führerscheins

4b

Datum, an dem der Führerschein ungültig wird, oder Strich bei unbeschränkter Gültigkeitsdauer nach Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 2

4c

Bezeichnung der Behörde, die den Führerschein ausstellt

4d

andere Nummer als in Feld 5 für Zwecke der Verwaltung des Führerscheins (fakultativ)

5

Nummer des Führerscheins

6

Lichtbild des Inhabers

7

Unterschrift des Inhabers

8

Wohnort, Wohnsitz oder Postanschrift (fakultativ)

9

Klassen der Fahrzeuge, die der Inhaber zu führen berechtigt ist (die nationalen Klassen sind mit anderen Schrifttypen zu drucken als die harmonisierten Klassen)

(4)  Die folgenden Angaben zu den Führerscheinklassen sind bei Ausstellung des Führerscheins einzutragen:

Feld

Angaben

9

Klassen der Fahrzeuge, die der Inhaber zu führen berechtigt ist (die nationalen Klassen sind mit anderen Schrifttypen zu drucken als die harmonisierten Klassen)

10

Datum der erstmaligen Ausstellung des Führerscheins für jede Klasse (dieses Datum ist bei jeder späteren Ersetzung oder jedem späteren Umtausch erneut in dem Führerschein einzutragen); jedes Datumsfeld ist mit zwei Ziffern in der folgenden Reihenfolge anzugeben: Tag.Monat.Jahr (TT.MM.JJ)

11

Datum, an dem der Führerschein für die jeweilige Klasse ungültig wird; jedes Datumsfeld ist mit zwei Ziffern in der folgenden Reihenfolge anzugeben: Tag.Monat.Jahr (TT.MM.JJ)

12

gegebenenfalls Zusatzangaben oder Einschränkungen in kodierter Form neben der betroffenen Klasse gemäß Teil E.

Gilt ein Code gemäß Teil E für alle Klassen, für die der Führerschein ausgestellt ist, so kann er unterhalb der Felder 9, 10 und 11 gedruckt werden.

(5)  Die folgenden Angaben zur Verwaltung des Führerscheins sind bei Ausstellung des Führerscheins einzutragen:

Feld

Angaben

13

etwaiger Eintrag von Angaben, die für die Verwaltung des Führerscheins erforderlich sind, durch den Aufnahmemitgliedstaat in Anwendung von Teil A1 Absatz 4 Buchstabe a;

14

etwaiger Eintrag von Angaben, die für die Verwaltung des Führerscheins erforderlich sind oder die Verkehrssicherheit betreffen (fakultativ), durch den ausstellenden Mitgliedstaat. Fallen die Angaben unter eine der in diesem Anhang aufgeführten Rubriken, so muss vor den Angaben die Nummer des entsprechenden Felds aufgeführt werden.

Mit schriftlicher Zustimmung des Führerscheininhabers können in dieses Feld auch Angaben eingetragen werden, die nicht mit der Verwaltung des Führerscheins oder mit der Verkehrssicherheit zusammenhängen; durch diese Angaben wird die Verwendung des Musters als Führerschein nicht berührt.

TEIL E: CODES DER UNION UND DER MITGLIEDSTAATEN 

Codes 01 bis 99 sind harmonisierte Codes der Europäischen Union

FAHRZEUGFÜHRER (medizinische Gründe) 

01

.

Korrektur des Sehvermögens und/oder Augenschutz

 

01.01.  

Brille

 

01.02.  

Kontaktlinse(n)

 

01.05.  

Augenschutz

 

01.06.  

Brille oder Kontaktlinsen

 

01.07.  

Spezifische optische Hilfe

02

 

Hörprothese/Kommunikationshilfe

03

 

Prothese/Orthese der Gliedmaßen

 

03.01.  

Prothese/Orthese der Arme

 

03.02.  

Prothese/Orthese der Beine

FAHRZEUGANPASSUNGEN 

10

 

Angepasste Schaltung

 

10.02.  

Automatische Wahl des Getriebegangs

 

10.04.  

Angepasste Schalteinrichtung

15

 

Angepasste Kupplung

 

15.01.  

Angepasstes Kupplungspedal

 

15.02.  

Handkupplung

 

15.03.  

Automatische Kupplung

 

15.04.  

Maßnahme, um eine Blockierung oder Betätigung des Kupplungspedals zu verhindern

20

 

Angepasste Bremsvorrichtungen

 

20.01.  

Angepasstes Bremspedal

 

20.03.  

Bremspedal, geeignet für Betätigung mit dem linken Fuß

 

20.04.  

Bremspedal mit Gleitschiene

 

20.05.  

Bremspedal (Kipppedal)

 

20.06.  

Mit der Hand betätigte Bremse

 

20.07.  

Bremsbetätigung mit maximaler Kraft von … N(24) (z. B.: „20.07(300N)“)

 

20.09.  

Angepasste Feststellbremse

 

20.12.  

Maßnahme, um eine Blockierung oder Betätigung des Bremspedals zu verhindern

 

20.13.  

Mit dem Knie betätigte Bremse

 

20.14.  

Durch Fremdkraft unterstützte Bremsanlage

25

 

Angepasste Beschleunigungsvorrichtung

 

25.01.  

Angepasstes Gaspedal

 

25.03.  

Gaspedal (Kipppedal)

 

25.04.  

Handgas

 

25.05.  

Mit dem Knie betätigter Gashebel

 

25.06.  

Durch Fremdkraft unterstützte Betätigung des Gaspedals/‑hebels

 

25.08.  

Gaspedal links

 

25.09.  

Maßnahme, um eine Blockierung oder Betätigung des Gaspedals zu verhindern

31

 

Anpassungen und Sicherungen der Pedale

 

31.01.  

Extrasatz Parallelpedale

 

31.02.  

Pedale auf der gleichen (oder fast gleichen) Ebene

 

31.03.  

Maßnahme, um eine Blockierung oder Betätigung des Gas- und des Bremspedals zu verhindern, wenn Pedale nicht mit dem Fuß betätigt werden

 

31.04.  

Bodenerhöhung

32

 

Kombinierte Beschleunigungs- und Betriebsbremsvorrichtungen

 

32.01.  

Gas und Betriebsbremse als kombinierte, mit einer Hand betätigte Vorrichtung

 

32.02.  

Gas und Betriebsbremse als kombinierte, mit Fremdkraft betätigte Vorrichtung

33

 

Kombinierte Betriebsbrems-, Beschleunigungs- und Lenkvorrichtungen

 

33.01.  

Gas, Betriebsbremse und Lenkung als kombinierte, mit Fremdkraft mit einer Hand betätigte Vorrichtung

 

33.02.  

Gas, Betriebsbremse und Lenkung als kombinierte, mit Fremdkraft mit zwei Händen betätigte Vorrichtung

35

 

Angepasste Bedienvorrichtungen (Schalter für Licht, Scheibenwischer/‑waschanlage, akustisches Signal, Fahrtrichtungsanzeiger usw.)

 

35.02.  

Gebrauch der Bedienvorrichtung möglich, ohne Lenkvorrichtung loszulassen

 

35.03.  

Gebrauch der Bedienvorrichtung mit der linken Hand möglich, ohne Lenkvorrichtung loszulassen

 

35.04.  

Gebrauch der Bedienvorrichtung mit der rechten Hand möglich, ohne Lenkvorrichtung loszulassen

 

35.05.  

Gebrauch der Bedienvorrichtung möglich, ohne Lenkvorrichtung und Beschleunigungs- und Bremsvorrichtungen loszulassen

40

 

Angepasste Lenkung

 

40.01.  

Lenkung mit maximaler Kraft von … N(25) (z. B.: „40.01(140N)“)

 

40.05.  

Angepasstes Lenkrad (mit verbreitertem/verstärktem Lenkradteil; verkleinertem Durchmesser usw.)

 

40.06.  

Angepasste Position des Lenkrads

 

40.09.  

Fußlenkung

 

40.11.  

Assistenzeinrichtung am Lenkrad

 

40.14.  

Andersartig angepasstes, mit einer Hand/einem Arm bedientes Lenksystem

 

40.15.  

Andersartig angepasstes, mit zwei Händen/Armen bedientes Lenksystem

42

 

Angepasste Einrichtung für die Sicht nach hinten/zur Seite

 

42.01.  

Angepasste Einrichtung für die Sicht nach hinten

 

42.03.  

Zusätzliche Innenvorrichtung zur Erweiterung der Sicht zur Seite

 

42.05.  

Einrichtung für die Sicht in den toten Winkel

43

 

Sitzposition des Fahrzeugführers

 

43.01.  

Höhe des Führersitzes für normale Sicht und in normalem Abstand zum Lenkrad und zu den Pedalen

 

43.02.  

Der Körperform angepasster Sitz

 

43.03.  

Führersitz mit Seitenstützen zur Verbesserung der Stabilität

 

43.04.  

Führersitz mit Armlehne

 

43.06.  

Angepasster Sicherheitsgurt

 

43.07.  

Sicherheitsgurte mit Unterstützung zur Verbesserung der Stabilität

44

 

Anpassungen an Krafträdern (obligatorische Verwendung von Untercodes)

 

44.01.  

Einzeln gesteuerte Bremsen

 

44.02.  

Angepasste Vorderradbremse

 

44.03.  

Angepasste Hinterradbremse

 

44.04.  

Angepasste Beschleunigungsvorrichtung

 

44.08.  

Sitzhöhe muss im Sitzen die Berührung des Bodens mit beiden Füßen gleichzeitig sowie das Balancieren des Kraftrades beim Anhalten und Stehen ermöglichen

 

44.09.  

Maximale Betätigungskraft der Vorderradbremse … N(26) (z. B. „44.09(140N)“)

 

44.10.  

Maximale Betätigungskraft der Hinterradbremse … N(27) (z. B. „44.10(240N)“)

 

44.11.  

Angepasste Fußraste

 

44.12.  

Angepasster Handgriff

45

 

Kraftrad nur mit Seitenwagen

46

 

Nur dreirädrige Kraftfahrzeuge

47

 

Beschränkt auf Fahrzeuge mit mehr als zwei Rädern, die vom Fahrzeugführer beim Anfahren, Anhalten und Stehen nicht im Gleichgewicht ausbalanciert werden müssen

50

 

Beschränkung auf ein bestimmtes Fahrzeug/eine bestimmte Fahrgestellnummer (Angabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer)

In Kombination mit den Codes 01 bis 44 für eine weitere Präzisierung verwendete Buchstaben:

a links

b rechts

c Hand

d Fuß

e Mitte

f Arm

g Daumen

CODES FÜR BESCHRÄNKUNGEN 

60

 

Optionale Äquivalenzen

 

60.01.  

Dem Inhaber wird die optionale Äquivalenz gemäß Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe a gewährt.

 

60.02.  

Dem Inhaber wird die optionale Äquivalenz gemäß Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe b gewährt.

 

60.03.  

Die Fahrerlaubnis für Klasse B1 ist auf die in Artikel 9 Absatz 4 Buchstabe c genannten Fahrzeuge beschränkt.

61

 

Beschränkung auf Fahrten bei Tag (z. B. eine Stunde nach Sonnenaufgang und eine Stunde vor Sonnenuntergang)

62

 

Beschränkung auf Fahrten in einem Umkreis von … km vom Wohnsitz oder innerorts in …/innerhalb der Region …

63

 

Fahren ohne Beifahrer

64

 

Beschränkt auf Fahrten mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als … km/h

65

 

Fahren nur mit Beifahrer, der Inhaber eines Führerscheins von mindestens der gleichwertigen Klasse sein muss

66

 

Ohne Anhänger

67

 

Fahren auf Autobahnen nicht erlaubt

68

 

Kein Alkohol

69

 

Beschränkt auf Fahrzeuge mit einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre gemäß EN 50436. Angabe eines Ablaufdatums ist fakultativ (z. B. „69“ oder „69(01.01.2016)“)

ANGABEN FÜR VERWALTUNGSZWECKE

70

 

Umtausch des Führerscheins Nummer …, ausgestellt durch … (EU/UN-Kennzeichnung im Falle eines Drittlandes, z. B. „70.0123456789.NL“)

71

 

Duplikat des Führerscheins Nummer … (EU/UN-Kennzeichnung im Falle eines Drittlandes, z. B. „71.987654321.HR“)

73

 

Nur für vierrädrige Kraftfahrzeuge der Klasse B (B1)

78

 

Nur Fahrzeuge mit Automatikgetriebe

79

 

Im Rahmen der Anwendung des Artikels 19 dieser Richtlinie nur Fahrzeuge, die den in Klammern angegebenen Spezifikationen entsprechen.

 

79.01.  

Beschränkung auf zweirädrige Kraftfahrzeuge mit oder ohne Beiwagen

 

79.02.  

Beschränkung auf dreirädrige Kraftfahrzeuge oder vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge der Klasse AM

 

79.03.  

Beschränkung auf dreirädrige Kraftfahrzeuge

 

79.04.  

Beschränkung auf dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von 750 kg

 

79.05.  

Krafträder der Klasse A1 mit einem Leistungsgewicht von mehr als 0,1 kW/kg

 

79.06.  

Fahrzeuge der Klasse BE, bei denen die zulässige Gesamtmasse des Anhängers 3500 kg übersteigt

80

 

Beschränkung auf Inhaber eines Führerscheins, der zum Führen von dreirädrigen Kraftfahrzeugen der Klasse A berechtigt ist und das 24. Lebensjahr nicht vollendet hat

81

 

Beschränkung auf Inhaber eines Führerscheins, der zum Führen von zweirädrigen Kraftfahrzeugen der Klasse A berechtigt ist und das 21. Lebensjahr nicht vollendet hat

95

 

Kraftfahrer, der Inhaber eines Befähigungsnachweises ist und die Befähigungspflicht gemäß der Richtlinie (EU) 2022/2561 bis zum … erfüllt (z. B. „95(01.01.12)“)

96

 

Fahrzeuge der Klasse B mit einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg, wobei die zulässige Gesamtmasse dieser Fahrzeugkombination mehr als 3500 kg, jedoch nicht mehr als 4250 kg beträgt

97

 

Berechtigt nicht zum Führen eines Fahrzeugs der Klasse C1, das in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates(28) fällt

98

 

 

 

98.01  

Der Fahrzeugführer gilt als Fahranfänger und unterliegt den Bedingungen für die Probezeit. Wird der Führerschein umgetauscht, erneuert oder ersetzt, ist der Code durch das Enddatum der Probezeit zu ergänzen (z. B. 98.01.13.04.2028).

 

98.02  

Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres muss der Inhaber die Bedingungen für das begleitete Fahren erfüllen.

Codes 100 und darüber sind nationale Codes mit ausschließlicher Geltung für den Verkehr im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der den Führerschein ausgestellt hat.

Anhang II

MINDESTANFORDERUNGEN AN DIE FAHRPRÜFUNGEN UND KENNTNISSE, FÄHIGKEITEN UND VERHALTENSWEISEN BEIM FÜHREN EINES KRAFTFAHRZEUGS

I.  MINDESTANFORDERUNGEN AN DIE FAHRPRÜFUNGEN

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Führerscheinbewerber tatsächlich über die für das Führen eines Kraftfahrzeugs erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen verfügen. Die dazu eingeführte Prüfung muss bestehen aus

–  einer theoretischen Prüfung;

–  nach erfolgreicher Teilnahme an der theoretischen Prüfung einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen.

Diese Prüfungen sollen unter den nachfolgenden Bedingungen durchgeführt werden.

A.  THEORETISCHE PRÜFUNG

1.   Form

Die Form ist so zu wählen, dass festgestellt werden kann, ob der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse in den Sachgebieten besitzt, die unter den Nummern 2, 3 und 4 angeführt sind.

Jeder Führerscheinbewerber, der die theoretische Prüfung für den Führerschein einer anderen Klasse erfolgreich abgelegt hat, kann von den unter den Nummern 2, 3 und 4 vorgesehenen gemeinsamen Bestimmungen befreit werden.

2.   Inhalt der theoretischen Prüfung für alle Fahrzeugklassen

Die Fragen müssen sich auf alle nachfolgend aufgeführten Themen erstrecken, wobei der Inhalt und die Form der Fragen dem Ermessen jedes Mitgliedstaats überlassen bleibt:

(a)  Straßenverkehrsvorschriften:

–  insbesondere Verkehrszeichen, einschließlich Markierungen und Signalanlagen, Vorfahrtsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen;

(b)  Fahrzeugführer:

–  Bedeutung der Aufmerksamkeit und des Verhaltens gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern, einschließlich der Mikromobilitätsnutzer;

–  allgemeine Wahrnehmung, einschließlich Gefahrenerkennung, Beurteilung und Entscheidung in Bezug auf Verkehrssituationen, insbesondere Reaktionszeit, Änderungen im Verhalten des Fahrzeugführers unter der Einwirkung von Alkohol, Drogen und Arzneimitteln sowie Auswirkungen von Gemüts- und Ermüdungszuständen;

–  Auswirkungen auf das Risiko einer Ablenkung aufgrund der Nutzung von Mobiltelefonen oder anderen elektronischen Geräten während des Fahrens und Auswirkungen auf die Sicherheit; [Abänd. 139]

(c)  Straße:

–  wichtigste Grundsätze im Zusammenhang mit der Einhaltung des Sicherheitsabstands zu anderen Fahrzeugen, dem Bremsweg und der Bodenhaftung des Fahrzeugs bei verschiedenen Witterungs- und Fahrbahnverhältnissen, darunter insbesondere bei Schnee und Glätte; [Abänd. 140]

–  Gefahren aufgrund des insbesondere je nach Witterungsverhältnissen, Tages- oder Nachtzeit unterschiedlichen Zustands der Fahrbahn, einschließlich Erkennung und Voraussehen von Gefahren;

–  Besonderheiten der verschiedenen Straßenarten und jeweilige Rechtsvorschriften;

–  sicheres Fahren in Straßentunneln;

(d)  andere Verkehrsteilnehmer:

–  spezifische Risikofaktoren im Zusammenhang mit der mangelnden Erfahrung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere gefährdeter Verkehrsteilnehmer, die im Verkehr weniger geschützt sind als die Nutzer von Kraftfahrzeugen wie Pkw, Bussen und Lastkraftwagen und die den Kollisionskräften unmittelbar ausgesetzt sind. Zu dieser Kategorie gehören Kinder, Fußgänger, Radfahrer, Nutzer von zweirädrigen Kraftfahrzeugen, Nutzer von persönlichen Mobilitätshilfen sowie Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität und Orientierung. [Abänd. 141]

–  Gefahren aufgrund des Verkehrs und der Interaktion verschiedener Arten von Fahrzeugen, und deren Fahreigenschaften aufgrund unterschiedlicher Dimensionen und Fahrdynamiken und der unterschiedlichen Sicht der Fahrzeugführer, einschließlich Fahrzeugen mit fortschrittlichen Fahrassistenzsystemen und anderen automatisierten Merkmalen; [Abänd. 142]

–  tote Winkel und Änderungen im Gefälle; [Abänd. 143]

–  ordnungsgemäße und rechtzeitige Verwendung von Fahrtrichtungsanzeigern; [Abänd. 144]

(e)  allgemeine Vorschriften und Verschiedenes:

–  Vorschriften über amtliche Papiere für die Benutzung des Fahrzeugs;

–  allgemeine Regeln für das Verhalten des Fahrzeugführers bei Unfällen (Sicherung des Verkehrs, Unfallmeldung) und Maßnahmen, die er gegebenenfalls treffen kann, um Opfern eines Straßenverkehrsunfalls Hilfe zu leisten;

–  Vorschriften für das Verhalten im Falle eines sich nähernden Einsatzfahrzeugs sowie für das Verhalten an der Unfallstelle; [Abänd. 145]

–  die Sicherheit des Fahrzeugs, der Ladung und der beförderten Personen betreffende Faktoren;

–  Kenntnisse über Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit Fahrzeugen mit alternativem Antrieb und/oder mit Akkus, insbesondere der Gefahr einer spontanen Explosion/eines Großfeuers oder einer chemischen Reaktion bei einem Unfall oder einer Störung; [Abänd. 146]

(f)  Vorsichtsmaßnahmen beim Verlassen des Fahrzeugs , einschließlich der Sicherstellung, dass das Öffnen der Fahrzeugtür sicher ist und es zu keiner Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer und Fahrer von Mikromobilitätsfahrzeugen kommt [Abänd. 147]

(g)  mechanische Zusammenhänge, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind: Führerscheinbewerber müssen die häufigsten Mängel erkennen können, insbesondere an der Lenkung, der Aufhängung, den Bremsanlagen, den Reifen, den Scheinwerfern und Leuchten, den Fahrtrichtungsanzeigern, den Rückstrahlern, den Rückspiegeln, den Scheibenwaschanlagen und den Scheibenwischern, der Auspuffanlage, den Sicherheitsgurten und der Schallzeichenanlage;

(h)  Sicherheitsausrüstung der Fahrzeuge, insbesondere Benutzung der Sicherheitsgurte, der Kopfstützen und der Sicherheitseinrichtungen für Kinder, sowie Ladung elektrischer Fahrzeuge;

(i)  Umweltaspekte der Fahrzeugnutzung und entsprechende Vorschriften, auch in Bezug auf Elektrofahrzeuge: angemessene Verwendung von Vorrichtungen für Schallzeichenanlagen, maßvoller Kraftstoff-/Energieverbrauch, Begrenzung der Emissionen (Treibhausgasemissionen, Luftschadstoffe, Lärm und Mikroplastik durch Reifen-, Bremsen- und Straßenabnutzung usw.). [Abänd. 148]

(ia)  Erste-Hilfe-Grundkenntnisse und Fähigkeit, Erste-Hilfe-Ausrüstung zu nutzen und Erste Hilfe zu leisten, einschließlich Herz-Lungen-Reanimation;

Die Mitgliedstaaten können alternativ festlegen, dass ein zuvor abgeschlossener, zertifizierter praktischer Erste-Hilfe-Kurs, der die Herz-Lungen-Reanimation umfassen muss, zur Befreiung vom Erste-Hilfe-Inhalt der Theorieprüfung berechtigt; [Abänd. 149]

(ib)  sichere Interaktion mit fortschrittlichen Fahrerassistenzfunktionen und anderen Automatisierungsfunktionen, einschließlich der damit zusammenhängenden Vorteile, Beschränkungen und Risiken; [Abänd. 150]

(ic)  grundlegender Rechtsrahmen für Zufahrtsbeschränkungen in Städten, einschließlich Niedrigemissionszonen; [Abänd. 151]

3.  Besondere Bestimmungen für die Klassen A1, A2 und A

Zwingend vorgeschrieben ist die Überprüfung der nachfolgenden allgemeinen Kenntnisse:

(a)  Verwendung der Sicherheitsausrüstung wie Handschuhe, Stiefel, Bekleidung und Sturzhelm;

(b)  deutliche Sichtbarkeit von Motorradfahrern für andere Verkehrsteilnehmer;

(c)  Risikofaktoren, die mit den oben beschriebenen unterschiedlichen Straßenzuständen zusammenhängen, unter besonderer Berücksichtigung rutschiger Verhältnisse auf Kanalabdeckungen, auf Straßenmarkierungen wie Linien und Pfeilen und auf Straßenbahnschienen;

(d)  mechanische Zusammenhänge, die – wie oben dargelegt – für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind, unter besonderer Berücksichtigung des Notschalters, der Flüssigkeitsstände und des Antriebsstrangs.

4.   Besondere Bestimmungen für die Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1, und D1E und T [Abänd. 152]

(1)  Zwingend vorgeschrieben ist die Überprüfung der nachfolgenden allgemeinen Kenntnisse:

(a)  Vorschriften über die Ruhe- und Lenkzeiten, wie in der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates festgelegt(29); Benutzung des Fahrtenschreibers, wie in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 festgelegt;

(b)  Vorschriften für die Beförderungsart: Güter oder Personen;

(c)  Kenntnis der Fahrzeug- und Beförderungsdokumente, die für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr vorgeschrieben sind;

(d)  Verhalten bei Unfällen; Kenntnis der nach Unfällen und ähnlichen Ereignissen zu treffenden Maßnahmen, einschließlich Notfallmaßnahmen wie Evakuierung von Fahrgästen, sowie Grundkenntnisse in erster Hilfe, einschließlich Herz-Lungen-Reanimation; [Abänd. 153]

(e)  Kenntnis der Vorsichtsmaßregeln beim Demontieren von Rädern und beim Radwechsel;

(f)  Vorschriften über Gewichte und Abmessungen von Fahrzeugen; Vorschriften über Geschwindigkeitsbegrenzer;

(fa)  Zweck und Einsatz von Getriebebremsen/Auspuff und Bremsen; [Abänd. 154]

(g)  Behinderung der Sicht des Fahrzeugführers aufgrund der Bauart des Fahrzeugs, insbesondere in Bezug auf Fußgänger an der Vorderseite des Fahrzeugs und Radfahrer an der Seite und Vorderseite des Fahrzeugs; [Abänd. 155]

(h)  Lesen einer Straßenkarte, Streckenplanung, einschließlich der Benutzung eines elektronischen Navigationssystems (fakultativ);

(ha)  defensive und umweltbewusste Fahrweise: Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug; Überholen in Kurven, Spurwechsel, Vorrangregeln, Geschwindigkeitsbegrenzungen; [Abänd. 156]

(i)  Sicherheitsfaktoren im Zusammenhang mit der Beladung des Fahrzeugs: Kontrolle des Ladeguts (Verstauen und Verzurren), Beherrschen von Schwierigkeiten mit verschiedenen Arten von Ladegut (z. B. flüssiges Ladegut, hängendes Ladegut usw.), Be- und Entladen von Gütern und dafür erforderliche Verwendung von Ladevorrichtungen (nur bei den Klassen C, CE, C1, und C1E und T);  [Abänd. 157]

(ia)  Sicherheitsmaßnahmen, -verfahren und -protokolle in Bezug auf sichere Parkflächen; [Abänd. 158]

(j)  Kenntnis der Verantwortung des Fahrzeugführers bei der Personenbeförderung; Komfort und Sicherheit der Passagiere, insbesondere von Menschen mit Behinderungen und eingeschränkter Mobilität, sowie angemessene Reaktion bei geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt; Beförderung von Kindern; notwendige Kontrolle vor dem Abfahren; alle Bustypen müssen Teil der theoretischen Prüfung sein (öffentliche Busse und Reisebusse, Busse mit speziellen Abmessungen usw.) (nur bei den Klassen D, DE, D1 und D1E). [Abänd. 159]

(k)  Die Mitgliedstaaten können Bewerber um Führerscheine, die zum Führen von nicht unter die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 fallenden Fahrzeugen der Klasse C1 oder C1E berechtigen, von der Pflicht befreien, Kenntnisse in den unter Nummer 4.1 Buchstabe a bis Nummer 4.1 Buchstabe c aufgeführten Sachgebieten nachzuweisen.

(2)  Zwingend vorgeschriebene Kontrolle der allgemeinen Kenntnisse der nachstehenden zusätzlichen Bestimmungen für die Klassen C, CE, D und DE:

(a)  Kenntnis der Prinzipien der Bauart und Funktionsweise folgender Aggregate und Systeme: Verbrennungsmaschine, Flüssigkeiten (z. B. Motoröl, Kühlmittel, Waschflüssigkeit), Kraftstoffsystem, elektrische Anlage, Zündung, Kraftübertragung (Kupplung, Getriebe usw.);

(b)  Kenntnis der Schmier- und Frostschutzmittel;

(c)  Kenntnis der Prinzipien der Bauweise sowie der Montage, der richtigen Verwendung und Wartung von Reifen;

(d)  Kenntnis der Prinzipien der verschiedenen Arten von Bremsanlagen und Geschwindigkeitsreglern, deren Arbeitsweise, Hauptbestandteile, Anschlüsse, Bedienung und tägliche Wartung sowie die Verwendung des Antiblockiersystems;

(e)  Kenntnis der Prinzipien der verschiedenen Arten von Anhängerkupplungssystemen, deren Funktionsweise, Hauptbestandteile, Verbindung, Verwendung und tägliche Wartung (nur für die Klassen CE und DE);

(f)  Kenntnis von Methoden zur Lokalisierung von Störungen am Kraftfahrzeug;

(g)  Kenntnisse über vorbeugende Wartung von Kraftfahrzeugen und rechtzeitige Veranlassung von notwendigen betriebsbedingten Reparaturen;

(h)  Kenntnis der Verantwortung des Fahrzeugführers während der Entgegennahme, Beförderung und Ablieferung der Güter im Rahmen der vereinbarten Bedingungen (nur für die Klassen C und CE).

B.  PRÜFUNG DER FÄHIGKEITEN UND VERHALTENSWEISEN

5.  Fahrzeug und Ausrüstung

(1)  Fahrzeuggetriebe

(a)  Das Führen eines Fahrzeugs mit Handschaltgetriebe setzt das Bestehen einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf einem Fahrzeug mit Handschaltgetriebe voraus.

Unter einem „Fahrzeug mit Handschaltgetriebe“ ist ein Fahrzeug mit einem Kupplungspedal (oder im Falle der Klassen A, A2 und A1 mit einem Schalthebel) zu verstehen, das (der) vom Fahrzeugführer beim Anfahren und Anhalten des Fahrzeugs und beim Gangwechsel zu betätigen ist.

(b)  Fahrzeuge, die die Kriterien unter Nummer 5.1. Buchstabe a nicht erfüllen, gelten als Fahrzeuge mit Automatikgetriebe.

Legt der Führerscheinbewerber die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf einem Fahrzeug mit Automatikgetriebe ab, so ist dies unbeschadet Nummer 5.1 Buchstabe c auf dem Führerschein, der aufgrund einer solchen Prüfung ausgestellt wird, mittels des entsprechenden Unionscodes in Anhang I Teil E zu vermerken. Ein Führerschein mit diesem Vermerk berechtigt nur zum Führen eines Fahrzeugs mit Automatikgetriebe.

(c)  Der Unionscode, der auf einem Führerschein der Klassen A1, A2, A, B1, B und BE, der aufgrund einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf einem Fahrzeug mit Automatikgetriebe ausgestellt wurde, vermerkt ist, wird nicht auferlegt oder wird gestrichen, wenn der Inhaber eine spezielle Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen besteht oder eine spezielle Schulung absolviert, die vor oder nach der Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf einem Fahrzeug mit Automatikgetriebe erfolgen kann. [Abänd. 160]

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um

i)  die spezielle Schulung zu genehmigen und zu überwachen oder, auch als Teil der allgemeinen Fahrzeugführerschulung; oder [Abänd. 161]

ii)  die spezielle Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen abzuhalten.

Fahrzeuge, die für die unter diesen Buchstaben fallende Schulung oder Prüfung eingesetzt werden, müssen mit Handschaltgetriebe ausgestattet sein und der Klasse angehören, für die die Führerscheinbewerber eine Fahrerlaubnis erwerben möchten.

Die Dauer der Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie die bei der Prüfung zurückgelegte Strecke müssen für die Bewertung der in Nummer 6 oder 7 dieses Anhangs genannten Fähigkeiten und Verhaltensweisen ausreichen, wobei dem Betrieb des Fahrzeuggetriebes besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist.

Die Schulung erstreckt sich auf alle in Nummer 6 oder 7 dieses Anhangs aufgeführten Aspekte, wobei dem Betrieb des Fahrzeuggetriebes besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Jeder Schulungsteilnehmer muss am praktischen Teil der Schulung teilnehmen und seine Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf öffentlichen Straßen unter Beweis stellen. Die Schulungsdauer beträgt mindestens 7 Stunden.

(d)  Besondere Bestimmungen für Fahrzeuge der Klassen BE, C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 und, D1E und T [Abänd. 162]

Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass auf Führerscheinen für Fahrzeuge der Klassen BE, C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 oder D1E gemäß Nummer 5.1 Buchstabe b keine Beschränkung auf Fahrzeuge mit Automatikgetriebe zu vermerken ist, wenn der Bewerber bereits Inhaber eines Führerscheins ist, der mit einem Fahrzeug mit Handschaltgetriebe für mindestens eine der Klassen B, BE, C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 oder D1E erworben wurde, und während der Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen die unter Nummer 8.4 beschriebenen Fahrübungen absolviert hat.

(2)  Fahrzeuge, auf denen die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen abgelegt wird, müssen den nachstehenden Mindestkriterien genügen. Die Mitgliedstaaten können diese Kriterien verschärfen bzw. weitere Kriterien hinzufügen. Die Mitgliedstaaten können bei Fahrzeugen der Klassen A1, A2 und A, auf denen die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen abgelegt wird, eine Unterschreitung des vorgeschriebenen Mindesthubraums um bis zu 5 cm3 tolerieren.

(a)  Klasse A1:

Krafträder der Klasse A1 ohne Beiwagen mit einer Leistung von bis zu 11 kW und einem Leistungsgewicht bis zu 0,1 kW/kg, die eine Geschwindigkeit von mindestens 90 km/h erreichen.

Bei Krafträdern mit Verbrennungsmotor muss dieser einen Hubraum von mindestens 120 cm3 haben.

Bei Krafträdern mit Elektromotor muss das Fahrzeug über ein Leistungsgewicht von mindestens 0,08 kW/kg verfügen;

(b)  Klasse A2:

Krafträder ohne Beiwagen mit einer Leistung von mindestens 20 kW, jedoch nicht mehr als 35 kW, und einem Leistungsgewicht von höchstens 0,2 kW/kg.

Bei Krafträdern mit Verbrennungsmotor muss dieser einen Hubraum von mindestens 250 cm3 haben.

Bei Krafträdern mit Elektromotor muss das Fahrzeug über ein Leistungsgewicht von mindestens 0,15 kW/kg verfügen;

(c)  Klasse A:

Krafträder ohne Beiwagen mit einer Leermasse mehr als 180 kg und einer Leistung von mindestens 50 kW. Die Mitgliedstaaten können die Unterschreitung der vorgeschriebenen Mindestmasse um bis zu 5 kg tolerieren.

Bei Krafträdern mit Verbrennungsmotor muss dieser einen Hubraum von mindestens 600 cm3 haben.

Bei Krafträdern mit Elektromotor muss das Fahrzeug über ein Leistungsgewicht von mindestens 0,25 kW/kg verfügen.

(d)  Klasse B:

Vierrädrige Fahrzeuge der Klasse B, die eine Geschwindigkeit von mindestens 100 km/h erreichen;

(e)  Klasse BE:

Fahrzeugkombinationen, bestehend aus einem Prüfungsfahrzeug der Klasse B und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 1000 kg, die eine Geschwindigkeit von mindestens 100 km/h erreichen und nicht der Klasse B zuzurechnen sind; der Frachtraum des Anhängers besteht aus einem geschlossenen Körper, der mindestens genauso breit und hoch wie das Zugfahrzeug ist; der geschlossene Körper des Anhängers kann geringfügig weniger breit sein, sofern sichergestellt ist, dass die Sicht nach hinten nur über die Außenrückspiegel des Zugfahrzeugs möglich ist; der Anhänger ist mit einer tatsächlichen Gesamtmasse von mindestens 800 kg zu verwenden;

(f)  Klasse B1:

Vierrädrige Kraftfahrzeuge, die eine Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h erreichen;

(g)  Klasse C:

Fahrzeuge der Klasse C mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 12 000 kg, einer Länge von mindestens 8 m und einer Breite von mindestens 2,40 m, die eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen; ausgestattet mit einem Antiblockiersystem und einem Kontrollgerät, wie es in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 beschrieben ist; der Frachtraum besteht aus einem geschlossenen Körper, der mindestens so breit und hoch wie die Führerkabine ist; das Fahrzeug ist mit einer tatsächlichen Gesamtmasse von mindestens 10 000 kg zu verwenden; [Abänd. 163]

(h)  Klasse CE:

Sattelkraftfahrzeuge oder Kombinationen aus einem Prüfungsfahrzeug der Klasse C und einem Anhänger mit einer Länge von mindestens 7,5 m; das Sattelkraftfahrzeug oder die Kombination muss eine zulässige Gesamtmasse von mindestens 20 000 kg, eine Länge von mindestens 14 m und eine Breite von mindestens 2,40 m aufweisen, eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen sowie mit einem Antiblockiersystem, einem fünften Rad, einem Getriebe mit mindestens acht Vorwärtsgängen und mit einem Kontrollgerät, wie es in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 beschrieben ist, ausgestattet sein; der Frachtraum besteht aus einem geschlossenen Körper, der mindestens so breit und hoch wie die Führerkabine ist; das Sattelkraftfahrzeug oder die Kombination ist mit einer tatsächlichen Gesamtmasse von mindestens 15 000 kg zu verwenden; [Abänd. 164]

(i)  Klasse C1:

Fahrzeuge der Klasse C1 mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 4000 kg und einer Länge von mindestens 5 m, die eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen; ausgestattet mit einem Antiblockiersystem und einem Kontrollgerät, wie es in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 beschrieben ist; der Frachtraum besteht aus einem geschlossenen Körper, der mindestens so breit und hoch wie die Führerkabine ist; [Abänd. 165]

(j)  Klasse C1E:

Kombinationen aus einem Prüfungsfahrzeug der Unterklasse C1 und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 1250 kg. Die Fahrzeugkombination muss eine Länge von mindestens 8 m aufweisen und eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen; der Frachtraum des Anhängers besteht aus einem geschlossenen Körper, der mindestens genauso breit und hoch wie die Führerkabine ist; der geschlossene Körper des Anhängers kann geringfügig weniger breit sein, sofern sichergestellt ist, dass die Sicht nach hinten nur über die Außenrückspiegel des Zugfahrzeugs möglich ist; der Anhänger ist mit einer tatsächlichen Gesamtmasse von mindestens 800 kg zu verwenden; [Abänd. 166]

(k)  Klasse D:

Fahrzeuge der Klasse D mit einer Länge von mindestens 10 m und eine Breite von mindestens 2,40 m, die eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen; ausgestattet mit einem Antiblockiersystem und einem Kontrollgerät, wie es in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 beschrieben ist;

(l)  Klasse DE:

Kombinationen aus einem Prüfungsfahrzeug der Klasse D und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 1250 kg und eine Breite von mindestens 2,40 m, die eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen; der Frachtraum des Anhängers besteht aus einem geschlossenen Körper, der mindestens 2 m breit und 2 m hoch ist; der Anhänger ist mit einer tatsächlichen Gesamtmasse von mindestens 800 kg zu verwenden; [Abänd. 167]

(m)  Klasse D1:

Fahrzeuge der Klasse D1 mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 4000 kg und einer Länge von mindestens 5 m, die eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen; ausgestattet mit einem Antiblockiersystem und einem Kontrollgerät, wie es in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 beschrieben ist;

(n)  Klasse D1E:

Kombinationen aus einem Prüfungsfahrzeug der Unterklasse D1 und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mindestens 1250 kg, die eine Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h erreichen; der Frachtraum des Anhängers besteht aus einem geschlossenen Körper, der mindestens 2 m breit und 2 m hoch ist; der Anhänger ist mit einer tatsächlichen Gesamtmasse von mindestens 800 kg zu verwenden;

6.   Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen für die Klassen A1, A2 und A

(1)  Vorbereitung und technische Kontrolle des Fahrzeugs, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind

Die Bewerber müssen zeigen, dass sie in der Lage sind, sich auf ein sicheres Fahren vorzubereiten, wozu sie folgenden Anforderungen genügen müssen:

(a)  ordnungsgemäße Verwendung der Sicherheitsausrüstung wie Handschuhe, Stiefel, Kleidung und Sturzhelm;

(b)  stichprobenartige Überprüfung des ordnungsgemäßen Zustands der Reifen, der Bremsanlagen, der Lenkung, des Notschalters (sofern vorhanden), der Kette, des Ölstands, der Scheinwerfer und Leuchten, der Rückstrahler, der Fahrtrichtungsanzeiger und der Schallzeichenanlage.

(2)  Zu prüfende spezielle Fahr- und Bedienübungen, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind:

(a)  das Kraftrad auf seinem Ständer abstellen und von seinem Ständer herunternehmen und durch Schieben von der Seite ohne Motorkraft fortbewegen;

(b)  das Kraftrad auf seinem Ständer parken;

(c)  mindestens zwei Fahrübungen bei langsamer Geschwindigkeit, darin inbegriffen ein langsamer Slalom; dadurch soll es ermöglicht werden, die Fähigkeit zur Bedienung der Kupplung in Kombination mit der Bremse, das Halten des Gleichgewichts, die Blickrichtung und die Sitzposition auf dem Kraftrad zu überprüfen, wobei die Füße auf den Pedalen verbleiben sollen;

(d)  mindestens zwei Fahrübungen bei höherer Geschwindigkeit, wobei eine Fahrübung im zweiten oder dritten Gang mit einer Geschwindigkeit von mindestens 30 km/h absolviert wird und eine weitere das Vermeiden eines Hindernisses bei mindestens 50 km/h beinhalten muss; dadurch soll es ermöglicht werden, die Sitzposition auf dem Kraftrad, die Blickrichtung, das Halten des Gleichgewichts, die Lenkfähigkeit und die Beherrschung des Gangwechsels zu überprüfen;

(e)  Bremsen: mindestens zwei Bremsmanöver, darin inbegriffen eine Notbremsung bei einer Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h; dadurch soll es ermöglicht werden, die Bedienung der Vorder- und Hinterradbremse, die Blickrichtung und die Sitzposition auf dem Kraftrad zu überprüfen.

(3)  Verhaltensweisen im Verkehr

Die Bewerber müssen folgende Fahrübungen in normalen Verkehrsverhältnissen völlig sicher und mit der erforderlichen Vorsicht durchführen:

(a)  Anfahren nach Parken und im Verkehr; aus einer Einfahrt herausfahren;

(b)  auf gerader Straße fahren; an entgegenkommenden Fahrzeugen auch an Engstellen vorbeifahren;

(c)  Fahren in Kurven;

(d)  an Kreuzungen und Einmündungen heranfahren und sie überqueren;

(e)  Richtung wechseln: nach links und nach rechts abbiegen oder die Fahrbahn wechseln oder wenden; [Abänd. 169]

(f)  Auffahrt auf oder Ausfahrt von Autobahnen oder ähnlichen Straßen (soweit verfügbar): Auffahrt vom Beschleunigungsstreifen; Ausfahrt auf der Verzögerungsspur;

(g)  Überholen/Vorbeifahren: Überholen anderer Fahrzeuge (soweit möglich), einschließlich Radfahrern, Fahrern von Mikromobilitätsfahrzeugen, Fußgängern; an Hindernissen (z. B. parkenden Fahrzeugen) vorbeifahren; (ggf.) von anderen Fahrzeugen überholt werden;  [Abänd. 170]

(h)  spezielle Teile der Straße (soweit verfügbar): Kreisverkehr; Eisenbahnübergänge, Fahrstreifen für den Fahrradverkehr; Straßenbahn-/Bushaltestelle; Fußgängerübergänge; auf langen Steigungen aufwärts-/abwärtsfahren; Tunnel;  [Abänd. 171]

(ha)  Interaktion mit anderen Fahrzeugen, einschließlich des Vorhersehens toter Winkel und des angemessenen Einsatzes von Fahrtrichtungsanzeigern; [Abänd. 172]

(i)  Reaktion auf und Voraussehen von Gefahrensituationen mithilfe von Simulatoren;

(j)  beim Verlassen des Fahrzeugs die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen treffen, insbesondere in Bezug auf Radfahrer. [Abänd. 173]

7.  Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen für die Klassen B, B1 und BE

(1)  Vorbereitung und technische Kontrolle des Fahrzeugs, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind

Die Bewerber müssen zeigen, dass sie in der Lage sind, sich auf ein sicheres Fahren vorzubereiten, wozu sie folgenden Anforderungen genügen müssen:

(a)  die für eine richtige Sitzhaltung erforderlichen Einstellungen am Sitz vornehmen;

(b)  die Rückspiegel, den Sicherheitsgurt und, sofern verfügbar, die Kopfstützen einstellen;

(c)  überprüfen, ob die Türen geschlossen sind;

(d)  den ordnungsgemäßen Zustand der Reifen, der Lenkung, der Bremsanlage, der Flüssigkeiten (z. B. Motoröl, Kühlmittel, Waschflüssigkeit), der Scheinwerfer und Leuchten, der Rückstrahler, der Fahrtrichtungsanzeiger und der Schallzeichenanlage stichprobenartig überprüfen;

(e)  Sicherheitsfaktoren in Bezug auf die Fahrzeugbeladung überprüfen: Fahrzeugkarosserie, Blechabdeckung, Frachttüren, Verriegelung der Kabine, Art der Beladung, Sicherung der Ladung (nur für die Klasse BE);

(f)  den Kupplungsmechanismus, die Bremsen und die elektrischen Verbindungen überprüfen (nur für die Klasse BE).

(2)  Klassen B und B1 – zu prüfende spezielle Fahrübungen, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind:

Folgende Fahrübungen werden stichprobenartig geprüft (mindestens zwei Fahrübungen aus den folgenden vier Nummern, davon eine im Rückwärtsgang):

(a)  in gerader Richtung rückwärtsfahren und rückwärts nach rechts oder nach links an einer Straßenecke abbiegen und dabei den richtigen Fahrstreifen benutzen;

(b)  unter Benutzung des Vorwärts- und des Rückwärtsgangs wenden;

(c)  das Fahrzeug parken und ausparken (parallel, schräg oder im rechten Winkel zum Fahrbahnrand, unter Benutzung des Vorwärts- und des Rückwärtsgangs, sowohl auf ebener als auch auf ansteigender und abfallender Straße);

(d)  das Fahrzeug genau zum Halten bringen; die Anwendung der höchstmöglichen Bremskraft des Fahrzeugs ist allerdings fakultativ.

(3)  Klasse BE – zu prüfende spezielle Fahr- und Bedienübungen, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind:

(a)  den Anhänger oder den Sattelaufleger an das Zugfahrzeug ankuppeln und von diesem abkuppeln; zu Beginn dieser Übung müssen das Fahrzeug und der Anhänger nebeneinanderstehen (d. h. nicht in einer Linie);

(b)  rückwärts eine Kurve fahren, deren Verlauf dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleibt;

(c)  zum Be- oder Entladen sicher parken.

(4)  Verhaltensweisen im Verkehr

Die Bewerber müssen folgende Fahrübungen in normalen Verkehrsverhältnissen völlig sicher und mit der erforderlichen Vorsicht durchführen:

(a)  Anfahren nach Parken und im Verkehr; aus einer Einfahrt herausfahren;

(b)  auf gerader Straße fahren; an entgegenkommenden Fahrzeugen auch an Engstellen vorbeifahren;

(c)  Fahren in Kurven;

(d)  an Kreuzungen und Einmündungen heranfahren und sie überqueren;

(e)  Richtung wechseln: nach links und nach rechts abbiegen oder die Fahrbahn wechseln;

(f)  Auffahrt auf oder Ausfahrt von Autobahnen oder ähnlichen Straßen (soweit verfügbar): Einfahrt vom Beschleunigungsstreifen; Ausfahrt auf der Verzögerungsspur;

(g)  Überholen/Vorbeifahren: Überholen anderer Fahrzeuge Verkehrsteilnehmer, einschließlich Radfahrer (soweit möglich); an Hindernissen (z. B. parkenden Fahrzeugen) vorbeifahren; (ggf.) von anderen Fahrzeugen überholt werden; [Abänd. 174]

(ga)  unabhängiges Fahren zu einem bestimmten Zielort ohne spezifische Abbiegeanweisungen; [Abänd. 175]

(h)  spezielle Teile der Straße (soweit verfügbar): Kreisverkehr; mit einem großen Fahrzeug in einen Kreisverkehr einfahren; Rechts- und Linksverkehr; Eisenbahnübergänge; Straßenbahn-/Bushaltestelle; Fußgängerübergänge; Fahrstreifen für den Fahrradverkehr; auf langen Steigungen aufwärts-/abwärtsfahren; Änderungen im Gefälle; Tunnel;  [Abänd. 176]

(ha)  Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern, einschließlich des Vorhersehens toter Winkel und des angemessenen Einsatzes von Fahrtrichtungsanzeigern; [Abänd. 177]

(i)  beim Einsteigen ins Fahrzeug und Verlassen des Fahrzeugs die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen treffen, einschließlich der Sicherstellung, dass das Öffnen der Fahrzeugtür sicher ist und es zu keiner Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer und Fahrer von Mikromobilitätsfahrzeugen kommt, mit besonderem Augenmerk auf dem Öffnen der Tür mit der Hand, die am weitesten entfernt ist; [Abänd. 178]

(j)  Reaktion auf und Voraussehen von Gefahrensituationen, unter anderem mithilfe von Simulatoren. [Abänd. 179]

8.   Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen für die Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 und D1E

(1)  Vorbereitung und technische Kontrolle des Fahrzeugs, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind

Die Bewerber müssen zeigen, dass sie in der Lage sind, sich auf ein sicheres Fahren vorzubereiten, wozu sie folgenden Anforderungen genügen müssen:

(a)  die für eine richtige Sitzhaltung erforderlichen Einstellungen am Sitz vornehmen;

(b)  die Rückspiegel, den Sicherheitsgurt und, sofern verfügbar, die Kopfstützen einstellen;

(c)  den ordnungsgemäßen Zustand der Reifen, der Lenkung, der Bremsanlage, der Scheinwerfer und Leuchten, der Rückstrahler, der Fahrtrichtungsanzeiger und der Schallzeichenanlage stichprobenartig überprüfen;

(d)  die Brems- und Lenkhilfe überprüfen; den Zustand der Räder, der Radmuttern, der Schmutzfänger, der Windschutzscheibe, der Fenster, der Scheibenwischer und der Flüssigkeiten (z. B. Motoröl, Kühlmittel, Waschflüssigkeit) überprüfen; die Instrumententafel einschließlich des Kontrollgeräts, wie es in der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 beschrieben ist, überprüfen und verwenden. Letzteres gilt nicht für Bewerber um Führerscheine, die zum Führen eines Fahrzeugs der Klasse C1 oder der Klasse C1E berechtigen, das nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt;

(e)  den Luftdruck, die Luftbehälter und die Radaufhängung überprüfen;

(f)  Sicherheitsfaktoren in Bezug auf die Fahrzeugbeladung überprüfen: Fahrzeugkarosserie, Blechabdeckung, Frachttüren, Ladevorrichtung (wenn vorhanden), Verriegelung der Kabine (wenn vorhanden), Art der Beladung, Sicherung der Ladung (nur für die Klassen C, CE, C1 und C1E);

(g)  den Kupplungsmechanismus, die Bremsen und die elektrischen Verbindungen überprüfen (nur für die Klassen CE, C1E, DE und D1E);

(h)  Nachweis der Befähigung, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen vornehmen zu können: die Fahrzeugkarosserie, die Fahrgasttüren, den Notausstieg, die Erste-Hilfe-Ausrüstung, die Feuerlöscher und andere Sicherheitsausrüstung kontrollieren (nur für die Klassen D, DE, D1 und D1E);

(i)  Lesen einer Straßenkarte, Streckenplanung, einschließlich der Benutzung eines elektronischen Navigationssystems (fakultativ).

(2)  Zu prüfende spezielle Fahr- und Bedienmanöver, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung sind

(a)  den Anhänger oder den Sattelaufleger an das Zugfahrzeug ankuppeln und von diesem abkuppeln; zu Beginn dieser Übung müssen das Zugfahrzeug und der Anhänger oder Aufleger nebeneinanderstehen (d. h. nicht in einer Linie) (nur für die Klassen CE, C1E, DE und D1E);

(aa)  die verschiedenen Kupplungsmechanismen zwischen Anhängern und Lastkraftwagen, auch die Sattelkupplung für Sattelkraftfahrzeuge (für Sattelanhänger) und die Bolzenkupplung für Deichselanhänger (Solofahrzeuge), sowie die Standardarbeitsanweisungen und -protokolle für das Ankuppeln von Anhängern an und das Abkuppeln von Anhängern von Lastkraftwagen unter Verwendung dieser Kupplungsmechanismen; [Abänd. 184]

(b)  rückwärts eine Kurve fahren, deren Verlauf dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleibt;

(c)  zum Be- oder Entladen sicher an einer Laderampe/‑plattform oder einer ähnlichen Einrichtung parken (nur für die Klassen C, CE, C1 und, C1E und T); [Abänd. 185]

(d)  Parken, um Fahrgästen ein sicheres Ein- und Aussteigen in den/aus dem Bus zu ermöglichen (nur für die Klassen D, DE, D1 und D1E).

(3)  Verhaltensweisen im Verkehr

Die Bewerber müssen folgende Fahrübungen in normalen Verkehrsverhältnissen völlig sicher und mit der erforderlichen Vorsicht durchführen:

(a)  Anfahren nach Parken und im Verkehr; aus einer Einfahrt herausfahren;

(b)  auf gerader Straße fahren; an entgegenkommenden Fahrzeugen auch an Engstellen vorbeifahren;

(c)  Fahren in Kurven;

(d)  an Kreuzungen und Einmündungen heranfahren und sie überqueren;

(e)  Richtung wechseln: nach links und nach rechts abbiegen oder die Fahrbahn wechseln oder wenden; [Abänd. 186]

(ea)  tote Winkel berücksichtigen; [Abänd. 187]

(f)  Auffahrt auf oder Ausfahrt von Autobahnen oder ähnlichen Straßen (soweit verfügbar): Einfahrt vom Beschleunigungsstreifen; Ausfahrt auf der Verzögerungsspur;

(g)  Überholen/Vorbeifahren: Überholen anderer Fahrzeuge Verkehrsteilnehmer, einschließlich Radfahrer und Fußgänger (soweit möglich); an Hindernissen (z. B. parkenden Fahrzeugen) vorbeifahren; (ggf.) von anderen Fahrzeugen überholt werden; [Abänd. 188]

(h)  spezielle Teile der Straße (soweit verfügbar): in einen Kreisverkehr; mit einem großen Fahrzeug einfahren; Rechts- und Linksverkehr; Eisenbahnübergänge; Straßenbahn-/Bushaltestelle; Fußgängerübergänge, Fahrstreifen für den Fahrradverkehr; auf langen Steigungen aufwärts-/abwärtsfahren; Tunnel; [Abänd. 189]

(i)  beim Einsteigen ins Fahrzeug und Verlassen des Fahrzeugs die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen treffen., einschließlich der Sicherstellung, dass das Öffnen der Fahrzeugtür sicher ist und es zu keiner Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer und Fahrer von Mikromobilitätsfahrzeugen kommt; [Abänd. 190]

(ia)  die Vorsichtsmaßnahmen, die beim sicheren Einsteigen und Aussteigen aus einem Fahrzeug zu treffen sind. [Abänd. 191]

(4)  Sichere und energieeffiziente Fahrweise

(a)  Nachweis einer Fahrweise, durch die die Sicherheit gewährleistet und Kraftstoff-/Energieverbrauch und Emissionen beim Beschleunigen, Verlangsamen, auf ansteigender und abfallender Straße verringert werden, Abstand halten zum vorausfahrenden Fahrzeug; Überholen in Kurven, Spurwechsel, Vorrangregeln, Geschwindigkeitsbegrenzungen; [Abänd. 192]

(b)  Reaktion auf und Voraussehen von Gefahrensituationen, unter anderem mithilfe von Simulatoren. [Abänd. 193]

9.   Bewertung der Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen

(1)  Bei jeder der genannten Verkehrssituationen gemäß den Nummern 6, 7 und 8 wird bewertet, wie vertraut der Bewerber im Umgang mit den verschiedenen Bedienvorrichtungen des Fahrzeugs ist; darüber hinaus muss er seine Fähigkeit nachweisen, im Straßenverkehr sicher ein Fahrzeug führen zu können. Der Prüfer muss sich während der gesamten Fahrprüfung sicher fühlen. Fahrfehler oder gefährliche Verhaltensweisen, die das Prüfungsfahrzeug, seine Insassen oder andere Straßenverkehrsteilnehmer unmittelbar gefährden, führen – unabhängig davon, ob der Prüfer oder die Begleitperson eingreifen musste oder nicht – zum Nichtbestehen der Prüfung. Der Prüfer kann jedoch frei entscheiden, ob die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu Ende zu führen ist.

Die Fahrprüfer müssen so ausgebildet werden, dass sie korrekt beurteilen können, ob der Bewerber in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen. Die Arbeit der Fahrprüfer muss von einer unabhängigen, durch den Mitgliedstaat zugelassenen Stelle kontrolliert und überwacht werden, um eine korrekte und konsequente Fehlerbewertung gemäß den Kriterien dieses Anhangs zu gewährleisten. [Abänd. 194]

(2)  Fahrprüfer achten während der Bewertung insbesondere darauf, ob der Bewerber defensiv und rücksichtsvoll fährt. Dies muss sich im gesamten Fahrstil widerspiegeln und der Fahrprüfer muss dies auch bei der Gesamtbeurteilung des Bewerbers berücksichtigen. Dies schließt angepasstes und zielstrebiges (sicheres) Fahren unter Berücksichtigung der Wetterlage, des Straßenzustands und anderer – insbesondere gefährdeter – Verkehrsteilnehmer sowie vorausschauendes Fahren ein.

(3)  Die Fahrprüfer bewerten außerdem folgende Verhaltensweisen des Bewerbers:

(a)  Gebrauch der Bedienvorrichtungen des Fahrzeuges: richtige Verwendung der Sicherheitsgurte, moderner Sicherheits- und Fahrhilfen, der Rückspiegel, der Kopfstützen, des Sitzes, der Scheinwerfer und Leuchten und der sonstigen Ausrüstungsgegenstände des Fahrzeugs, der Kupplung, der Gangschaltung, des Gaspedals, der Bremssysteme (auch eines dritten Bremssystems, wenn vorhanden), der Lenkung; das Fahrzeug unter verschiedenen Umständen und bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten beherrschen; die Gleichmäßigkeit der Fahrweise wahren, die Eigenschaften, das Gewicht und die Abmessungen des Fahrzeugs berücksichtigen, das Gewicht und die Art der Ladung berücksichtigen (nur für die Klassen BE, C, CE, C1, C1E, DE, und D1E und T); den Komfort der Fahrgäste berücksichtigen (nur für die Klassen D, DE, D1 und D1E) (kein schnelles Beschleunigen, ruhiges Fahren und kein scharfes Bremsen); [Abänd. 195]

(b)  sparsames, sicheres und energieeffizientes Fahren, unter Berücksichtigung der Drehzahl, des Gangwechsels, der Verzögerung und der Beschleunigung, und Nutzung der eingebauten Fahrhilfen und/oder Sicherheitsvorkehrungen im Auto (nur für die Klassen B, BE, C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 und D1E); [Abänd. 196]

(c)  Einhaltung der Aufmerksamkeitsregeln: Rundblick, richtige Benutzung der Spiegel und neuer Technologien, Sicht auf kurze, lange und mittlere Entfernungen; [Abänd. 197]

(d)  Einhaltung der Vorfahrtsregeln: Vorfahrt an Kreuzungen und Einmündungen; Vorfahrtgewähren unter anderen Umständen (z. B. Richtungs- und Fahrbahnwechsel, Ausführung bestimmter Fahrübungen);

(e)  ordnungsgemäßes Einordnen auf der Fahrbahn: richtiges Einordnen auf der Straße, auf den Fahrstreifen, in einen Kreisverkehr, in Kurven unter Berücksichtigung des Typs und der Eigenschaften des Kraftfahrzeugs; vorausschauende Positionierung auf der Straße;

(f)  Abstand halten: ausreichenden Abstand nach vorne und zur Seite halten; ausreichenden Abstand zu anderen – insbesondere gefährdeten – Verkehrsteilnehmern halten;

(g)  Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen und Richtgeschwindigkeit: die maximale zugelassene Geschwindigkeit nicht überschreiten; die Geschwindigkeit an die Wetter-/Verkehrsbedingungen und gegebenenfalls an nationale Geschwindigkeitsbegrenzungen anpassen; mit solcher Geschwindigkeit fahren, dass das Anhalten innerhalb der sichtbaren freien Straße möglich ist; die Geschwindigkeit an die allgemeine Geschwindigkeit gleichartiger Verkehrsteilnehmer anpassen;

(h)  Beachtung von Ampeln, Verkehrsschildern und anderen Hinweisen: richtiges Verhalten an Ampeln; Anweisungen von Verkehrspolizisten befolgen; richtiges Verhalten bei Verkehrsschildern (Verbote oder Gebote); Straßenmarkierungen angemessen beachten;

(i)  Geben von Signalen: bei Bedarf notwendige, richtige und rechtzeitige Signale geben; Fahrtrichtungen korrekt anzeigen; auf alle Signale von anderen Verkehrsteilnehmern angemessen reagieren;

(j)  kontrolliertes Bremsen und Anhalten: rechtzeitiges Verlangsamen, den Umständen angepasstes Bremsen oder Anhalten; vorausschauendes Fahren; Verwendung der verschiedenen Bremssysteme (nur für die Klassen C, CE, D und DE); andere Systeme zur Geschwindigkeitsreduktion, darunter bordeigene Technologien, verwenden (nur für die Klassen C, CE, D und DE). [Abänd. 198]

10.   Prüfungsdauer

Prüfungsdauer und Prüfungsstrecke müssen so bemessen sein, dass die Fähigkeiten und Verhaltensweisen gemäß dem Titel B dieses Anhangs bewertet werden können. Die Mindestfahrzeit zur Kontrolle der Verhaltensweisen darf in keinem Falle weniger als 25 Minuten für die Klassen A, A1, A2, B, B1 und BE und weniger als 45 Minuten für die übrigen Klassen betragen. Dies beinhaltet nicht die Begrüßung und den Empfang des Bewerbers, die Vorbereitung des Fahrzeugs, die technische Überprüfung des Fahrzeugs, die für die Straßenverkehrssicherheit von Bedeutung ist, die speziellen Fahr- und Bedienübungen und die Bekanntgabe des Ergebnisses der praktischen Prüfung.

11.    Prüfungsort

Der Prüfungsteil zur Bewertung der speziellen Fahr- und Bedienübungen darf auf einem besonderen Prüfungsgelände durchgeführt werden. Der Prüfungsteil zur Bewertung der Verhaltensweisen im Verkehr findet nach Möglichkeit auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften, auf Schnellstraßen und auf Autobahnen (oder ähnlichen Straßen) sowie auf allen Arten von Straßen in bebautem Gebiet (Wohngebiete, Gebiete mit Beschränkung auf 30 km/h und 50 km/h, städtische Schnellstraßen) statt, damit die verschiedenartigen Schwierigkeiten erfasst sind, auf die ein Fahrzeugführer stoßen kann. Es ist ebenso wünschenswert, die Prüfung bei unterschiedlicher Verkehrsdichte abzuhalten. Die auf der Straße verbrachte Zeit ist bestmöglich zu nutzen, um die Fähigkeiten des Bewerbers in allen verschiedenen Verkehrsgebieten zu bewerten, unter besonderer Berücksichtigung des Wechsels zwischen diesen Gebieten.

II.  KENNTNISSE, FÄHIGKEITEN UND VERHALTENSWEISEN BEIM FÜHREN EINES KRAFTFAHRZEUGS

Der Führer eines beliebigen Kraftfahrzeugs muss zu jeder Zeit die unter den Nummern 1 bis 9 beschriebenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen aufweisen, um in der Lage zu sein,

–  die Gefahren des Straßenverkehrs zu erkennen und vorherzusehen sowie deren Ausmaß abzuschätzen;

–  sein Fahrzeug ausreichend zu beherrschen, um keine gefährlichen Situationen zu verursachen, und angemessen zu reagieren, wenn solche Situationen eintreten;

–  die Straßenverkehrsvorschriften zu beachten, insbesondere diejenigen, die Straßenverkehrsunfälle verhüten und für einen flüssigen Verkehr sorgen sollen;

–  die wichtigsten technischen Mängel, vor allem diejenigen, welche die Sicherheit beeinträchtigen, an seinem Fahrzeug zu erkennen und sie in geeigneter Weise beheben zu lassen;

–  alle Faktoren, die das Fahrverhalten beeinträchtigen (z. B. Alkohol, Ermüdung, Sehschwächen, Verwendung elektronischer Geräte usw.), zu berücksichtigen, damit er stets im Vollbesitz der für das sichere Führen des Fahrzeugs erforderlichen Fähigkeiten ist; [Abänd. 199]

–  durch rücksichtsvolles Verhalten zur Sicherheit aller – insbesondere gefährdeter – Verkehrsteilnehmer beizutragen;

–  über ausreichende Kenntnisse über Risikofaktoren im Zusammenhang mit Radfahrern, Fußgängern und Fahrern von Mikromobilitätsmitteln zu verfügen; [Abänd. 200]

–  über ausreichende Kenntnisse über Sicherheit im Zusammenhang mit der Nutzung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb zu verfügen;

–  über ausreichende Kenntnisse über die Nutzung fortschrittlicher Fahrassistenzsysteme und anderer Automatisierungsaspekte eines Fahrzeugs zu verfügen.

Die Mitgliedstaaten könnenwerden aufgefordert, angemessene Maßnahmen anzunehmen und zu treffen, um sicherzustellen, dass Fahrer, die die unter den Nummern 1 bis 9 beschriebenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen nicht mehr aufweisen, diese Kenntnisse und Fähigkeiten wiedererlangen können, sodass sie sich weiterhin in einer Weise verhalten, die für das Führen eines Kraftfahrzeugs erforderlich ist. Die Mitgliedstaaten können die gemäß der Richtlinie (EU) 2015/413 zweckgebundenen Einnahmen zur finanziellen Unterstützung solcher Initiativen verwenden. [Abänd. 201]

Anhang III

MINDESTANFORDERUNGEN AN DIE KÖRPERLICHE UND GEISTIGE TAUGLICHKEIT ZUM FÜHREN EINES KRAFTFAHRZEUGS [Abänd. 258, 327 und 338]

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

1.  Für die Zwecke dieses Anhangs werden die Fahrzeugführer in zwei Gruppen eingeteilt:

(1)  Gruppe 1: Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, A2, AM, B, B1, und BE und T; [Abänd. 202]

(2)  Gruppe 2: Führer von Fahrzeugen der Klassen C, CE, C1, C1E, D, DE, D1 und D1E.

(3)  Die nationalen Rechtsvorschriften können müssen Bestimmungen enthalten, wonach auf Führer von Fahrzeugen der Klasse B, die ihren Führerschein für berufliche Zwecke verwenden (Taxis, Krankenwagen usw.), die in diesem Anhang enthaltenen Bestimmungen für Fahrzeugführer der Gruppe 2 angewandt werden. [Abänd. 203]

2.  Bewerber um die erstmalige Ausstellung oder die Erneuerung eines Führerscheins werden dementsprechend der Gruppe zugeordnet, zu der sie nach Ausstellung oder Erneuerung des Führerscheins gehören.

ÄRZTLICHE UNTERSUCHUNGEN TAUGLICHKEIT ZUM FÜHREN EINES KRAFTFAHRZEUGS [Abänd. 259, 328 und 339]

3.  Gruppe 1:

Die Bewerber müssen gemäß dem im Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes geltenden nationalen System entweder eine Selbsteinschätzung ihrer körperlichen und geistigen Tauglichkeit abgeben oder eine ärztliche Untersuchung für das Führen eines Kraftfahrzeugs abgeben durchführen lassen. [Abänd. 260 und 329]

Bewerber müssen im Verlauf des vorgeschriebenen Verfahrens oder der Prüfungen zur Erlangung eines Führerscheins ärztlich untersucht werden, wenn sich aus der Selbsteinschätzung ihrer körperlichen und geistigen Tauglichkeit im Verlauf des vorgeschriebenen Verfahrens oder der Prüfungen zur Erlangung eines Führerscheins ergibt, dass bei ihnen wahrscheinlich ein oder mehrere der in diesem Anhang aufgeführten medizinisch bedingten Gründe für Fahruntüchtigkeit vorliegen einschließlich einer geeigneten Untersuchung ihres Sehvermögens gemäß Nummer 6, und erhalten ein begründetes ärztliches Gutachten von einer ärztlichen Stelle, die über einschlägige Kompetenzen angesichts der Komplexität der kombinierten Ziele dieses Anhangs verfügt. [Abänd. 205]

Inhaber eines Führerscheins unterliegen bei der Erneuerung ihres Führerscheins demselben Verfahren können Fahrzeugführer einer ärztlichen Untersuchung der Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs, einer Selbsteinschätzung oder einer anderen Art der Überprüfung der Fahrtauglichkeit gemäß dem im Mitgliedstaat ihres ordentlichen Wohnsitzes geltenden nationalen System unterzogen werden [Abänd. 262, 331 und 341]

(3a)  Die Mitgliedstaaten können strengere Standards und Regeln als die in diesem Anhang für die Ausstellung oder anschließende Verlängerung von Führerscheinen genannten festlegen. [Abänd. 206]

4.  Gruppe 2:

Vor der erstmaligen Ausstellung eines Führerscheins müssen die Bewerber ärztlich auf ihre körperliche und mentale Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs untersucht werden; in der Folgezeit müssen die Inhaber eines Führerscheins gemäß den nationalen Vorschriften im Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes bei jeder Erneuerung ihres Führerscheins ärztlich untersucht werden. Die ärztliche Untersuchung kann von einem Allgemeinmediziner durchgeführt werden, sofern dieser die Online-Schulung gemäß Artikel 10 Absatz 8a absolviert hat. [Abänd. 207]

(4a)  Inhaber eines Führerscheins unterliegen bei der Erneuerung ihres Führerscheins demselben Verfahren. [Abänd. 208]

5.  Für die Ausstellung oder die Erneuerung eines Führerscheins können die Mitgliedstaaten strengere als die in diesem Anhang genannten Auflagen vorschreiben.

SEHVERMÖGEN

6.  Alle Bewerber um einen Führerschein oder eine Verlängerung des Führerscheins müssen sich einer angemessenen Untersuchung unterziehen, um sicherzustellen, dass sie eine für das sichere Führen von Kraftfahrzeugen ausreichende Sehschärfe, die anhand einer anerkannten Sehprobentafel festzustellen ist, und ein ebensolches Gesichtsfeld haben. In Zweifelsfällen sollte der Bewerber von einer zuständigen ärztlichen Stelle oder einem nach nationalem Recht zugelassenen qualifizierten Augenspezialisten untersucht werden. Bei dieser Untersuchung ist unter anderem auf Sehschärfe, Gesichtsfeld, Dämmerungssehen, Blend- und Kontrastempfindlichkeit, Diplopie sowie andere Störungen der Sehfunktion zu achten, die ein sicheres Fahren infrage stellen können. [Abänd. 209]

Für Fahrzeugführer der Gruppe 1 darf die Ausstellung des Führerscheins „in einzelnen Ausnahmefällen“ in Betracht gezogen werden, wenn die Anforderungen an das Gesichtsfeld oder die Sehschärfe zwar nicht erfüllt sind, aber Grund zur Annahme besteht, dass die Ausstellung eines Führerscheins für den Bewerber die Straßenverkehrssicherheit nicht beeinträchtigen würde; in diesen Fällen muss der Fahrzeugführer einer Untersuchung durch eine zuständige ärztliche Stelle oder einen nach nationalem Recht zugelassenen qualifizierten Augenspezialisten unterzogen werden, um sicherzustellen, dass keine andere Störung von Sehfunktionen wie Blend- und Kontrastempfindlichkeit oder Dämmerungssehen vorliegt. Daneben muss der Fahrzeugführer oder Bewerber eine praktische Prüfung durch eine zuständige Stelle erfolgreich absolvieren. [Abänd. 210]

Gruppe 1:

(1)  Alle Bewerber um die Ausstellung oder Erneuerung eines Führerscheins müssen, erforderlichenfalls mithilfe von Korrekturgläsern, beim beidäugigen Sehen eine Gesamtsehschärfe von mindestens 0,5 (ausgedrückt in einer Dezimalzahl) haben. [Abänd. 211]

Daneben muss das horizontale Gesichtsfeld mindestens 120 Grad betragen, die Erweiterung muss nach rechts und links mindestens 50 Grad und nach oben und unten mindestens 20 Grad betragen. Innerhalb des Radius der mittleren 20 Grad darf keine Beeinträchtigung vorliegen.

Wird eine fortschreitende Augenkrankheit festgestellt oder angegeben, so darf ein Führerschein ausgestellt oder erneuert werden, sofern der Bewerber regelmäßig einer Untersuchung durch eine zuständige ärztliche Stelle unterzogen wird.

(2)  Alle Bewerber um die Ausstellung oder Erneuerung eines Führerscheins, die unter dem völligen funktionalen Verlust des Sehvermögens eines Auges leiden oder (z. B. bei Diplopie) nur ein Auge benutzen, müssen, erforderlichenfalls mithilfe von Korrekturgläsern, eine Sehschärfe von mindestens 0,5 (ausgedrückt in einer Dezimalzahl) haben. Die zuständige ärztliche Stelle muss bescheinigen, dass diese Einäugigkeit ausreichend lange bestanden hat, um dem Betreffenden eine Anpassung zu ermöglichen, und dass das Gesichtsfeld des betreffenden Auges den in Nummer 6.1 genannten Anforderungen genügt. [Abänd. 212]

(3)  Bei in jüngerer Zeit eingetretener Diplopie und nach dem Verlust des Sehvermögens auf einem Auge muss ein geeigneter Anpassungszeitraum (z. B. sechs Monate) eingehalten werden, während dessen das Führen von Fahrzeugen nicht erlaubt ist. Danach ist das Führen von Fahrzeugen nur mit einem befürwortenden Gutachten von Sachverständigen für das Sehvermögen und das Führen von Kraftfahrzeugen erlaubt. Die regelsetzende Behörde kann vorübergehende Einschränkungen in Bezug auf die Gültigkeitsdauer sowie gegebenenfalls in Bezug auf nächtliche Fahrten vorschreiben. [Abänd. 213]

Gruppe 2:

(4)  Alle Bewerber um die Ausstellung oder Erneuerung eines Führerscheins müssen beidäugig sehen und dabei, erforderlichenfalls mit Korrekturgläsern, eine Sehschärfe von mindestens 0,8 (ausgedrückt in einer Dezimalzahl) auf dem besseren Auge und von mindestens 0,1 (ausgedrückt in einer Dezimalzahl) auf dem schlechteren Auge haben. Werden diese Werte mit Korrekturgläsern erreicht, so muss das Mindestsehvermögen (0,8 und 0,1) mittels einer Brille, deren Gläserstärke nicht über plus acht Dioptrien liegt, oder mittels Kontaktlinsen erreicht werden. Die Korrektur muss gut verträglich sein. Die ärztliche Untersuchung kann von einem Allgemeinmediziner durchgeführt werden, der eine Online-Schulung gemäß Artikel 10 Absatz 8a absolviert hat. [Abänd. 214]

Daneben muss das horizontale Gesichtsfeld mit beiden Augen mindestens 160 Grad betragen, die Erweiterung muss nach rechts und links mindestens 70 Grad und nach oben und unten mindestens 30 Grad betragen. Innerhalb des Radius der mittleren 30 Grad darf keine Beeinträchtigung vorliegen.

Bewerbern oder Fahrzeugführern mit einer Störung, die eine erhebliche Beeinträchtigung des Dämmerungssehens oder der Kontrastempfindlichkeit, ein unzureichendes Sehvermögens bei Blendung mit einer unzulänglichen Erholungszeit auch des besser sehenden Auges oder eine Diplopie aufweisen, darf ein Führerschein weder ausgestellt noch darf ihr Führerschein erneuert werden. [Abänd. 215]

Nach einem erheblichen Verlust des Sehvermögens auf einem Auge muss ein geeigneter Anpassungszeitraum (z. B. sechs Monate) eingehalten werden, während dessen dem Betreffenden das Führen von Fahrzeugen nicht erlaubt ist. Danach ist das Führen von Fahrzeugen nur mit einem befürwortenden Gutachten von Sachverständigen für das Sehvermögen und das Führen von Kraftfahrzeugen erlaubt. Die zuständige ärztliche Stelle kann die Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen mit etwaigen Anordnungen oder Einschränkungen erteilen. [Abänd. 216]

HÖRVERMÖGEN

7.  Die Ausstellung oder Erneuerung eines Führerscheins kann bei Bewerbern oder Fahrzeugführern der Gruppe 2 vorbehaltlich des Gutachtens der zuständigen ärztlichen Stellen erfolgen; bei der ärztlichen Untersuchung sind insbesondere die Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

PERSONEN MIT EINER KÖRPERLICHEN BEHINDERUNG

8.  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit motorischen Erkrankungen oder Einschränkungen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges beeinträchtigen, darf ein Führerschein weder ausgestellt noch darf ihr Führerschein erneuert werden.

Gruppe 1:

(1)  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit körperlichen Behinderungen kann nach dem Gutachten einer zuständigen ärztlichen Stelle ein Führerschein mit Beschränkungen ausgestellt werden. Das Gutachten muss auf der ärztlichen Beurteilung der betreffenden Erkrankung oder Einschränkung und gegebenenfalls auf einer praktischen Prüfung beruhen. Es muss angegeben werden, welche Art von Anpassung am Fahrzeug erforderlich ist und ob der Fahrzeugführer orthopädische Hilfsmittel verwenden muss, sofern die Prüfung zur Kontrolle der Fähigkeiten und Verhaltensweisen zeigt, dass das Führen eines Fahrzeugs mit diesen Hilfsmitteln nicht gefährlich ist.

(2)  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit einer fortschreitenden Erkrankung kann ein Führerschein ausgestellt oder es kann ihr Führerschein erneuert werden, sofern sie in regelmäßigen Abständen ärztlich untersucht werden, um zu überprüfen, ob die betreffende Person das Fahrzeug noch immer vollkommen sicher führen kann.

Ein Führerschein kann ohne regelmäßige ärztliche Kontrolle des Bewerbers ausgestellt oder erneuert werden, wenn die körperliche Behinderung stabil ist.

Gruppe 2:

(3)  Die zuständige ärztliche Stelle muss die zusätzlichen Risiken und Gefahren gebührend berücksichtigen, die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbunden sind.

HERZ-KREISLAUF-ERKRANKUNGEN

9.  Herz-Kreislauf-Erkrankungen können zu einer plötzlichen Beeinträchtigung der Hirnfunktionen führen und so die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden. Diese Erkrankungen sind Anlass für vorübergehende oder permanente Fahrbeschränkungen.

(1)  Bei folgenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann Bewerbern oder Fahrzeugführern in den aufgeführten Gruppen ein Führerschein nur dann ausgestellt oder es kann ihr Führerschein nur dann erneuert werden, wenn die Erkrankung wirksam behandelt wurde, eine fachärztliche Genehmigung vorliegt und erforderlichenfalls eine regelmäßige medizinische Bewertung erfolgt:

(a)  bradykarde Herzrhythmusstörungen (Sinusknotenerkrankungen und Störungen des Reizleitungssystems) und tachykarde Herzrhythmusstörungen (supraventrikuläre und ventrikuläre Herzrhythmusstörungen) mit Anamnese von Synkopen oder synkopalen Episoden aufgrund von Herzrhythmusstörungen (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(b)  bradykarde Herzrhythmusstörungen: Sinusknotenerkrankungen und Störungen des Reizleitungssystems mit AV-Block zweiten Grades Mobitz Typ II, AV-Block dritten Grades oder alternierendem Schenkelblock (gilt nur für Gruppe 2);

(c)  tachykarde Herzrhythmusstörungen (supraventrikuläre und ventrikuläre Herzrhythmusstörungen) mit

–  strukturellen Herzerkrankungen und anhaltenden ventrikulären Tachykardien (VT) (gilt für Gruppe 1 und 2), oder

–  polymorphen nichtanhaltenden VT, anhaltenden ventrikulären Tachykardien oder mit Indikation für einen Defibrillator (gilt nur für Gruppe 2);

(d)  Angina-Symptomatik (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(e)  Implantation oder Austausch eines permanenten Schrittmachers (gilt nur für Gruppe 2);

(f)  Implantation oder Austausch eines Defibrillators oder angemessene oder nicht angemessene Schockabgabe (gilt nur für Gruppe 1);

(g)  Synkope (vorübergehender Verlust des Bewusstseins und Tonusverlust, gekennzeichnet durch plötzliches Einsetzen, kurze Dauer und spontane Erholung, zurückzuführen auf eine globale Minderdurchblutung des Gehirns, vermutlich reflexvermittelt, Ursache unbekannt, ohne Anzeichen einer bestehenden Herzerkrankung) (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(h)  akutes Koronarsyndrom (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(i)  stabile Angina, wenn Symptome bei leichter körperlicher Beanspruchung nicht auftreten (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(j)  perkutane Koronarintervention (PCI) (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(k)  Koronararterien-Bypass (CABG) (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(l)  Schlaganfall/vorübergehende Durchblutungsstörung (TIA) (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(m)  signifikante Verengung der Halsschlagader (gilt nur für Gruppe 2);

(n)  maximaler Aortendurchmesser übersteigt 5,5 cm (gilt nur für Gruppe 2);

(o)  Herzversagen:

–  New York Heart Association (NYHA) Stadien I, II, III (gilt nur für Gruppe 1),

–  NYHA Stadien I und II, vorausgesetzt, die linksventrikuläre Ejektionsfraktion beträgt mindestens 35 % (gilt nur für Gruppe 2);

(p)  Herztransplantation (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(q)  herzunterstützendes Gerät (gilt nur für Gruppe 1);

(r)  Herzklappenchirurgie (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(s)  maligne Hypertonie (Erhöhung des systolischen Blutdrucks ≥ 180 mmHg oder des diastolischen Blutdrucks ≥ 110 mmHg, verbunden mit drohender oder progressiver Organschädigung) (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(t)  Blutdruck Stadium III (diastolischer Blutdruck ≥ 110 mmHg und/oder systolischer Blutdruck ≥ 180 mmHg) (gilt nur für Gruppe 2);

(u)  angeborene Herzerkrankung (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(v)  hypertrophe Kardiomyopathie, wenn keine Synkope auftritt (gilt nur für Gruppe 1);

(w)  Long-QT-Syndrom mit Synkope, Torsade des Pointes oder QTc > 500 ms (gilt nur für Gruppe 1).

(2)  Bei folgenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen darf Bewerbern oder Fahrzeugführern in den angegebenen Gruppen ein Führerschein weder ausgestellt noch darf ihr Führerschein erneuert werden:

(a)  Implantation eines Defibrillators (gilt nur für Gruppe 2);

(b)  periphere Gefäßerkrankung — thorakales und abdominales Aortenaneurysma, wenn der maximale Aortendurchmesser zu einer Prädisposition für ein signifikantes Risiko einer plötzlichen Ruptur und folglich einer unvermittelten Fahrunfähigkeit führt (gilt für Gruppe 1 und Gruppe 2);

(c)  Herzversagen:

–  NYHA Stadium IV (gilt nur für Gruppe 1);

–  NYHA Stadium III und IV (gilt nur für Gruppe 2);

(d)  herzunterstützende Geräte (gilt nur für Gruppe 2);

(e)  Herzklappenerkrankung mit Aorteninsuffizienz, Aortenstenose, Mitralinsuffizienz oder Mitralstenose, wenn die funktionelle Fähigkeit als NYHA Stadium IV eingeschätzt wird oder wenn synkopale Episoden aufgetreten sind (gilt nur für Gruppe 1);

(f)  Herzklappenerkrankung im NYHA Stadium III oder IV oder mit Ejektionsfraktion (EF) unter 35 %, Mitralstenose und schwerer pulmonaler Hypertonie oder mit schwerer echokardiographischer Aortenstenose oder Aortenstenose, die Synkopen auslöst; außer für vollständig asymptomatische schwere Aortenstenose, wenn die Anforderungen des Belastungstests erfüllt sind (gilt nur für Gruppe 2);

(g)  strukturelle und elektrische Kardiomyopathien – hypertrophe Kardiomyopathie mit Anamnese von Synkopen oder wenn zwei oder mehr der folgenden Probleme bestehen: Wanddicke der linken Herzkammer (LV) > 3 cm, nichtanhaltende ventrikuläre Tachykardie, Familienanamnese von plötzlichem Tod (bei Verwandten ersten Grades), keine Erhöhung des Blutdrucks unter Belastung (gilt nur für Gruppe 2);

(h)  Long-QT-Syndrom mit Synkope, Torsade des Pointes und QTc > 500 ms (gilt nur für Gruppe 2);

(i)  Brugada-Syndrom mit Synkope oder Zustand nach erfolgreicher Reanimation (gilt für Gruppe 1 und 2).

Führerscheine können in Ausnahmefällen ausgestellt oder erneuert werden, wenn dies durch ein fachärztliches Gutachten gebührend begründet und durch regelmäßige ärztliche Begutachtung sichergestellt wird, dass die betreffende Person auch angesichts der Auswirkungen der Erkrankung noch in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen.

(3)  Sonstige Kardiomyopathien

Das Risiko plötzlich eintretender Ereignisse, die zum Verlust der Fahrtüchtigkeit führen, wird bei Bewerbern oder Fahrzeugführern mit bereits hinreichend beschriebenen Kardiomyopathien (z. B. arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, Non-Compaction-Kardiomyopathie, katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie und Short-QT-Syndrom) oder mit eventuell neu entdeckten Formen von Kardiomyopathien bewertet. Es ist eine sorgfältige Bewertung durch einen Spezialisten erforderlich. Die Prognosemerkmale der betreffenden Kardiomyopathie müssen berücksichtigt werden.

(4)  Die Mitgliedstaaten können die Ausstellung oder Erneuerung von Führerscheinen für Bewerber oder Fahrzeugführer mit anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschränken.

DIABETES MELLITUS

10.  Für den Zweck der folgenden Punkte gelten folgenden Definitionen:

Bei „schwerer Hypoglykämie“ ist die Hilfe einer anderen Person notwendig;

„wiederholte Hypoglykämie“ bezeichnet eine zweite schwere Hypoglykämie innerhalb von 12 Monaten.

Gruppe 1:

(1)  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit Diabetes Mellitus kann ein Führerschein ausgestellt oder es kann ihr Führerschein erneuert werden. Bei einer medikamentösen Behandlung der betreffenden Person muss ein entsprechendes Gutachten einer zuständigen ärztlichen Stelle vorliegen und regelmäßig eine fallspezifisch geeignete ärztliche Kontrolle durchgeführt werden, wobei der Abstand zwischen den Untersuchungen fünf Jahre nicht überschreiten darf.

(2)  Ein Bewerber oder Fahrzeugführer mit Diabetes, der mit Medikamenten behandelt wird, die zu Hypoglykämie führen können, muss nachweisen, dass er das Risiko einer Hypoglykämie versteht und die Erkrankung angemessen unter Kontrolle hat, einschließlich durch ein System zur kontinuierlichen Überwachung, sofern von der zuständigen ärztlichen Stelle als notwendig erachtet. [Abänd. 217]

Führerscheine werden nicht ausgestellt oder erneuert, wenn Bewerber oder Fahrzeugführer eine unzureichende Hypoglykämiewahrnehmung haben.

Treten beim Bewerber oder Fahrzeugführer wiederholt schwere Hypoglykämien auf, darf ein Führerschein nur dann ausgestellt oder erneuert werden, wenn fachärztliche Gutachten und eine regelmäßige ärztliche Bewertung dies unterstützen. Bei wiederholt auftretenden schweren Hypoglykämien im Wachzustand wird ein Führerschein erst drei Monate nach der letzten Episode ausgestellt oder erneuert.

Führerscheine können in Ausnahmefällen ausgestellt oder erneuert werden, wenn dies durch ein fachärztliches Gutachten gebührend begründet und durch regelmäßige ärztliche Begutachtung sichergestellt wird, dass die betreffende Person auch angesichts der Auswirkungen der Erkrankung noch in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen.

Gruppe 2:

(3)  Die Ausstellung bzw. Erneuerung eines Führerscheins der Gruppe 2 für Fahrzeugführer mit Diabetes Mellitus kann in Betracht gezogen werden. Bei einer mit Hypoglykämierisiko behafteten medikamentösen Behandlung (d. h. mit Insulin oder bestimmten Tabletten) gelten die folgenden Kriterien:

(a)  In den letzten 12 Monaten darf keine schwere Hypoglykämie aufgetreten sein;

(b)  es besteht keine Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung;

(c)  der Fahrzeugführer muss eine angemessene Kontrolle der Krankheit durch regelmäßige Blutzuckertests, Insulinpumpe, Insulinpen und/oder hybrides Closed-Loop-System nachweisen, die mindestens zweimal täglich sowie zu den für das Führen eines Fahrzeugs relevanten Zeiten erfolgt;

(d)  der Fahrzeugführer muss zeigen, dass er die mit Hypoglykämie verbundenen Risiken versteht;

(e)  es dürfen keine anderen Komplikationen von Diabetes vorliegen, die das Führen von Fahrzeugen ausschließen.

Außerdem wird der Führerschein in diesen Fällen nur mit Zustimmung einer zuständigen ärztlichen Stelle und unter der Voraussetzung einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle durch einen Spezialisten ausgestellt oder erneuert, wobei der Abstand zwischen den Untersuchungen drei Jahre nicht überschreiten darf. [Abänd. 218]

(4)  Eine schwere Hypoglykämie im Wachzustand muss, auch wenn dabei kein Fahrzeug geführt wurde, gemeldet werden und Anlass zu einer erneuten Prüfung der Eignung zum Führen von Fahrzeugen sein.

KRANKHEITEN DES NERVENSYSTEMS UND OBSTRUKTIVES SCHLAFAPNOE-SYNDROM

11.  Die folgenden Regeln gelten für Bewerber mit Krankheiten des Nervensystems und obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom.

KRANKHEITEN DES NERVENSYSTEMS

(1)  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit einer schweren Erkrankung des Nervensystems darf ein Führerschein nur dann ausgestellt oder es darf ihr Führerschein nur dann erneuert werden, wenn der Antrag durch das Gutachten einer zuständigen ärztlichen Stelle, ausgestellt durch einen Spezialisten oder das zuständige Gesundheitsamt, befürwortet wird. [Abänd. 219]

Störungen des Nervensystems, die auf Entwicklungsstörungen, Erkrankungen, medizinische Behandlungen oder Operationen des zentralen oder peripheren Nervensystems zurückzuführen sind, sich in kognitiven, verhaltensbezogenen, motorischen oder sensorischen Einschränkungen äußern und die Leistung/Funktion, das Gleichgewicht und die Koordinierung stören, sind aufgrund der Funktions- und Entwicklungsmöglichkeiten Funktionsmöglichkeiten zu beurteilen. Die Risiken des Fortschreitens einer Beeinträchtigung und die Einhaltung der Behandlungserfordernisse müssen berücksichtigt werden. Bei Gefahr einer Verschlechterung kann die Ausstellung oder Erneuerung des Führerscheins in diesen Fällen von regelmäßigen Untersuchungen abhängig gemacht werden. [Abänd. 220]

OBSTRUKTIVES SCHLAFAPNOE-SYNDROM

(2)  Für die Zwecke der folgenden Nummern bezeichnet ein

„mittelschweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom“ eine Anzahl von Apnoen und Hypopnoen (Apnoe-Hypopnoe-Index) zwischen 15 und 29 pro Stunde und ein

„schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom“ einen Apnoe-Hypopnoe-Index von mindestens 30, jeweils im Zusammenhang mit übermäßiger Tagesmüdigkeit.

(3)  Bewerber oder Fahrzeugführer, bei denen der Verdacht auf ein mittelschweres oder schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom besteht, werden zur Einholung eines medizinischen Gutachtens an eine anerkannte ärztliche Stelle weiterverwiesen, bevor ein Führerschein ausgestellt oder erneuert wird. Ihnen kann bis zur Bestätigung der Diagnose vom Führen eines Fahrzeugs abgeraten werden.

(4)  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit mittelschwerem oder schwerem obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, die ihren Zustand angemessen unter Kontrolle haben, eine geeignete Behandlung einhalten und deren Müdigkeit (falls zutreffend) sich verbessert hat, was durch das Gutachten einer anerkannten ärztlichen Stelle bestätigt wird, kann ein Führerschein ausgestellt werden.

(5)  Bewerber oder Fahrzeugführer mit mittelschwerem oder schwerem obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, die sich in Behandlung befinden, müssen sich einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle in Abständen von höchstens drei Jahren für Fahrzeugführer der Gruppe 1 und einem Jahr für Fahrzeugführer der Gruppe 2 unterziehen, um den Grad der Einhaltung der Behandlung und die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Behandlung sowie einer weiterhin hohen Vigilanz zu bestimmen.

EPILEPSIE

12.  Epileptische Anfälle oder andere anfallsartige Bewusstseinsstörungen stellen beim Führen eines Kraftfahrzeugs eine ernste Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr dar.

Für die Zwecke der folgenden Nummern bezeichnet

„Epilepsie“ eine Erkrankung, bei der die betreffende Person zwei oder mehr epileptische Anfälle innerhalb von weniger als fünf Jahren gehabt hat;

„provozierter epileptischer Anfall“ bezeichnet einen Anfall mit erkennbarer und vermeidbarer Ursache.

Einer Person, die einen erstmaligen oder isolierten Anfall oder Bewusstseinsverlust erlitten hat, ist vom Führen eines Fahrzeugs abzuraten. Es ist ein Sachverständigenbericht zu erstellen, in dem die Dauer des Fahrverbots und die notwendigen Folgemaßnahmen aufgeführt sind.

Es ist von größter Wichtigkeit, dass das spezifische Epilepsiesyndrom der betreffenden Person und die Art des Anfalls ermittelt werden, sodass deren Fahrsicherheit (und das Risiko künftiger Anfälle) richtig eingeschätzt und geeignete Therapiemaßnahmen getroffen werden können. Dies erfolgt durch einen Neurologen.

Gruppe 1:

(1)  Der Führerschein von Fahrzeugführern mit Epilepsie in Gruppe 1 unterliegt der Überprüfung, bis diese mindestens fünf Jahre lang anfallsfrei waren.

Personen mit Epilepsie erfüllen die Kriterien für die Ausstellung eines bedingungslosen Führerscheins nicht. Die ausstellende Behörde ist zu unterrichten.

(2)  Provozierter epileptischer Anfall: Bewerber, die eine solche Erkrankung aufgrund einer erkennbaren Ursache hatten, deren erneutes Auftreten am Steuer unwahrscheinlich ist, können auf der Grundlage eines neurologischen Gutachtens (Beurteilung gegebenenfalls im Einklang mit anderen einschlägigen Abschnitten von Anhang III (z. B. bei Alkoholproblematik oder Komorbidität)) individuell als zum Führen eines Fahrzeugs geeignet erklärt werden.

(3)  Erster oder einmaliger nicht provozierter Anfall: Bewerber, die erstmals einen nicht provozierten epileptischen Anfall erlitten haben, können auf der Grundlage einer geeigneten ärztlichen Untersuchung nach sechs anfallsfreien Monaten als zum Führen eines Fahrzeugs geeignet erklärt werden. Die nationalen Behörden können Fahrzeugführern mit anerkannt guten Prognoseindikatoren bereits vorher das Führen von Fahrzeugen erlauben.

(4)  Sonstiger Bewusstseinsverlust: Bewusstseinsverlust muss im Hinblick auf das Risiko eines erneuten Eintretens während des Führens eines Fahrzeugs bewertet werden.

(5)  Epilepsie: Fahrzeugführer oder Bewerber können nach einem anfallsfreien Jahr als zum Führen von Fahrzeugen geeignet erklärt werden.

(6)  Ausschließlich im Schlaf auftretende Anfälle: Bewerber oder Fahrzeugführer, die ausschließlich schlafgebundene Anfälle erlitten haben, können als zum Führen von Fahrzeugen geeignet erklärt werden, sofern dieses Krankheitsmuster während eines Zeitraums festgestellt wurde, der mindestens dem für Epilepsie geforderten Zeitraum der Anfallsfreiheit entspricht. Nach einem im Wachzustand erlittenen Anfall müssen die Betreffenden mindestens ein Jahr lang anfallsfrei sein, bevor ein Führerschein ausgestellt werden kann (siehe „Epilepsie“ unter Nummer 12.5).

(7)  Anfälle ohne Beeinträchtigung des Bewusstseins oder der Handlungsfähigkeit: Bewerber oder Fahrzeugführer, die stets nur Anfälle erlitten haben, die nachweislich weder das Bewusstsein beeinträchtigen noch funktionelle Störungen verursachen, können als zum Führen eines Fahrzeugs geeignet erklärt werden, sofern dieses Krankheitsmuster während eines Zeitraums festgestellt wurde, der mindestens dem für Epilepsie geforderten Zeitraum der Anfallsfreiheit entspricht. Nach einem Anfall anderer Art müssen die Betreffenden mindestens ein Jahr lang anfallsfrei sein, bevor ein Führerschein ausgestellt werden kann (siehe „Epilepsie“ unter Nummer 12.5).

(8)  Anfälle infolge einer ärztlich verordneten Änderung oder Reduzierung der Epilepsietherapie: Dem Patienten kann empfohlen werden, ab dem Zeitpunkt des Absetzens der Behandlung während eines Zeitraums von sechs Monaten kein Fahrzeug zu führen. Wird nach einem Anfall, der infolge einer ärztlich verordneten Änderung oder Absetzung der Medikation eingetreten ist, die zuvor wirksame Behandlung wieder aufgenommen, so darf drei Monate lang kein Fahrzeug geführt werden.

(9)  Nach chirurgischer Epilepsietherapie: siehe „Epilepsie“ unter Nummer 12.5.

Gruppe 2:

(10)  Der Bewerber darf während des vorgeschriebenen Zeitraums der Anfallsfreiheit keine Antiepileptika einnehmen. Eine geeignete medizinische Nachbehandlung muss erfolgt sein. Eine umfassende neurologische Untersuchung darf keinen pathologischen zerebralen Befund ergeben und das Elektroenzephalogramm (EEG) keine epileptiforme Aktivität gezeigt haben. Nach der akuten Episode muss ein EEG erstellt und eine neurologische Bewertung vorgenommen werden.

(11)  Provozierter epileptischer Anfall: Bewerber, die einen provozierten epileptischen Anfall aufgrund einer erkennbaren Ursache erlitten haben, deren Auftreten am Steuer unwahrscheinlich ist, können auf der Grundlage eines neurologischen Gutachtens individuell als zum Führen von Fahrzeugen für den privaten Gebrauch, nicht aber für die Beförderung Dritter geeignet erklärt werden. Nach der akuten Episode muss ein EEG erstellt und eine neurologische Bewertung vorgenommen werden. [Abänd. 222]

Personen mit struktureller intrazerebraler Läsion und erhöhtem Anfallsrisiko dürfen so lange keine Fahrzeuge der Gruppe 2 führen, bis das Epilepsierisiko mindestens auf 2 % pro Jahr gefallen ist. Die Beurteilung muss gegebenenfalls (z. B. bei Alkoholproblematik) im Einklang mit anderen einschlägigen Abschnitten von Anhang III erfolgen.

(12)  Erster oder einmaliger nicht provozierter Anfall: Bewerber, die erstmals einen nicht provozierten epileptischen Anfall erlitten haben, können auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen neurologischen Bewertung nach fünf anfallsfreien Jahren ohne Einnahme von Antiepileptika als zum Führen eines Fahrzeugs geeignet erklärt werden. Die nationalen Behörden können Fahrzeugführern mit anerkannt guten Prognoseindikatoren bereits vorher das Führen von Fahrzeugen erlauben. [Abänd. 223]

(13)  Sonstiger Bewusstseinsverlust: Bewusstseinsverlust muss im Hinblick auf das Risiko eines erneuten Eintretens während des Führens eines Fahrzeugs bewertet werden. Das Risiko des erneuten Eintretens darf höchstens 2 % pro Jahr betragen.

(14)  Epilepsie: Ohne die Einnahme von Antiepileptika muss Anfallsfreiheit während eines Zeitraums von zehn Jahren erreicht worden sein. Die nationalen Behörden können Fahrzeugführern mit anerkannt guten Prognoseindikatoren bereits vorher das Führen von Fahrzeugen erlauben. Dies gilt auch im Falle von „juveniler Epilepsie“.

Bestimmte Gesundheitsstörungen (z. B. arteriovenöse Fehlbildungen oder intrazerebrale Blutungen) gehen mit erhöhtem Anfallsrisiko einher, selbst wenn bislang noch keine Anfälle aufgetreten sind. In solchen Fällen sollte von einer zuständigen ärztlichen Stelle eine Bewertung vorgenommen werden; das Anfallsrisiko darf höchstens 2 % pro Jahr betragen, damit ein Führerschein ausgestellt werden kann.

GEISTIGE EINSCHRÄNKUNGEN

13.  Die folgenden Vorschriften gelten für Bewerber oder Fahrzeugführer mit geistigen Einschränkungen oder Intelligenzminderung:

Gruppe 1:

(1)  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit

(a)  angeborenen oder infolge von Krankheiten, Verletzungen oder neurochirurgischen Eingriffen erworbenen schweren geistigen, kognitiven oder verhaltensbezogenen Einschränkungen, [Abänd. 224]

(b)  schwerwiegender Intelligenzminderung, [Abänd. 225]

(c)  schwerwiegenden Verhaltensauffälligkeiten, durch Alterungsprozesse bedingten Verhaltensauffälligkeiten oder Persönlichkeitsstörungen, die zu schwerwiegenden Störungen des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung führen, [Abänd. 226]

darf ein Führerschein nur dann ausgestellt oder es darf ihr Führerschein nur dann erneuert werden, wenn der Antrag durch ein entsprechendes Gutachten einer zuständigen ärztlichen Stelle unterstützt und, falls notwendig, regelmäßig eine ärztliche Kontrolle durchgeführt wird.

Gruppe 2:

(2)  Die zuständige ärztliche Stelle muss die zusätzlichen Risiken und Gefahren gebührend berücksichtigen, die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbunden sind. Die zuständige ärztliche Stelle kann vorübergehende Einschränkungen in Bezug auf die Gültigkeitsdauer sowie gegebenenfalls in Bezug auf die Fahrt vorschreiben. [Abänd. 227]

ALKOHOL

14.  Alkoholgenuss ist eine große Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr. Da es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt, ist auf medizinischer Ebene große Wachsamkeit geboten.

Gruppe 1:

(1)  Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig sind Alkoholkonsumstörungen haben oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, darf ein Führerschein weder ausgestellt noch darf ihr Führerschein erneuert werden, wenn keine geeigneten Beschränkungen durch ihre Teilnahme an Rehabilitationsprogrammen, einschließlich Überwachung und ärztlicher Aufsicht, und den Einsatz von Technologien zum Ausgleich der Abhängigkeit (z. B.einschließlich durch die verpflichtende Verwendung einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre) angewendet werden. [Abänd. 228]

Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig waren, kann nach einem nachgewiesenen Zeitraum der Abstinenz vorbehaltlich des Gutachtens einer zuständigen ärztlichen Stelle und einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle durch das zuständige Gesundheitsamt ohne weitere Beschränkungen ein Führerschein ausgestellt oder es kann ihr Führerschein erneuert werden. [Abänd. 229]

Gruppe 2:

(2)  Die zuständige ärztliche Stelle muss die zusätzlichen Risiken und Gefahren gebührend berücksichtigen, die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbunden sind.

(2a)  Die zuständige ärztliche Stelle kann Einschränkungen in Bezug auf die Gültigkeitsdauer sowie gegebenenfalls in Bezug auf die Fahrt vorschreiben. [Abänd. 230]

DROGEN UND ARZNEIMITTEL

15.  Die folgenden Vorschriften gelten für Drogen und Arzneimittel.

Missbrauch

(1)  Bewerbern oder Fahrzeugführern, die von psychotropen Stoffen abhängig sind oder, auch ohne abhängig zu sein, von solchen Stoffen regelmäßig übermäßig Betäubungsmitteln Gebrauch machen, darf ein Führerschein unabhängig von der beantragten Führerscheinklasse weder ausgestellt noch darf ihr Führerschein erneuert werden. [Abänd. 231]

Regelmäßige Einnahme

Gruppe 1:

(2)  Bewerbern oder Fahrzeugführern, die regelmäßig psychotrope Stoffe in irgendeiner Form missbrauchen oder regelmäßig einnehmen, darf, wenn die aufgenommene Menge so groß ist, dass die Fahrtüchtigkeit nachteilig beeinflusst wird, ein Führerschein weder ausgestellt noch darf ihr Führerschein erneuert werden. Dies gilt auch für alle anderen Arzneimittel oder Kombinationen von Arzneimitteln, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.

Die zuständige ärztliche Stelle kann Einschränkungen in Bezug auf die Gültigkeitsdauer sowie gegebenenfalls in Bezug auf die Fahrt vorschreiben. [Abänd. 232]

Gruppe 2:

(3)  Die zuständige ärztliche Stelle muss die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbundenen zusätzlichen Risiken und Gefahren gebührend berücksichtigen, die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbunden sind und kann Einschränkungen in Bezug auf die Gültigkeitsdauer sowie gegebenenfalls in Bezug auf die Fahrt vorschreiben. [Abänd. 233]

NIERENERKRANKUNGEN

16.  Die folgenden Vorschriften gelten für Bewerber mit Nierenerkrankungen.

Gruppe 1:

(1)  Vorbehaltlich des Gutachtens einer zuständigen ärztlichen Stelle kann Bewerbern oder Fahrzeugführern mit einer schweren Niereninsuffizienz ein Führerschein ausgestellt oder es kann ihr Führerschein erneuert werden, sofern sich der Betreffende regelmäßig einer ärztlichen Kontrolle unterzieht.

Gruppe 2:

(2)  Bewerbern oder Fahrzeugführern mit einer schweren irreversiblen Niereninsuffizienz darf ein Führerschein nur in Ausnahmefällen und nur dann ausgestellt werden, wenn ein entsprechendes Gutachten einer zuständigen ärztlichen Stelle vorliegt und regelmäßig eine ärztliche Kontrolle durchgeführt wird.

VERSCHIEDENE BESTIMMUNGEN

17.  Es gelten die folgenden verschiedenen Bestimmungen.

Gruppe 1:

(1)  Bewerbern oder Fahrzeugführern, an denen eine Organtransplantation vorgenommen wurde oder die ein künstliches Implantat erhalten haben, darf, wenn sich dies auf die Fahrtüchtigkeit auswirken kann, ein Führerschein nur vorbehaltlich des Gutachtens einer zuständigen ärztlichen Stelle und gegebenenfalls einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle ausgestellt oder ihr Führerschein nur unter den gleichen Voraussetzungen erneuert werden.

Gruppe 2:

(2)  Die zuständige ärztliche Stelle muss die zusätzlichen Risiken und Gefahren gebührend berücksichtigen, die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbunden sind.

Im Allgemeinen darf Bewerbern oder Fahrzeugführern mit einer unter den Nummern dieses Anhangs nicht genannten Krankheit, die eine funktionelle Untauglichkeit bedeuten oder zur Folge haben kann, sodass dadurch beim Führen eines Kraftfahrzeugs die Sicherheit im Straßenverkehr gefährdet wird, ein Führerschein weder ausgestellt noch darf ihr Führerschein erneuert werden, außer wenn der Antrag durch ein ärztliches Gutachten einer zuständigen Stelle unterstützt und erforderlichenfalls eine regelmäßige ärztliche Kontrolle vorgenommen wird.

Anhang IV

MINDESTANFORDERUNGEN AN PERSONEN, DIE PRAKTISCHE FAHRPRÜFUNGEN ABNEHMEN

1.   Erforderliche Befähigung von Fahrprüfern

(1)  Eine Person, die befugt ist, in einem Kraftfahrzeug die praktischen Fahrleistungen eines Bewerbers zu bewerten, muss hinsichtlich der unter den Nummern 1.2 bis 1.6 aufgeführten Sachgebiete über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie über das erforderliche Verständnis verfügen.

(2)  Die Befähigung eines Fahrprüfers muss es ihm gestatten, die Fahrleistung eines Bewerbers zu bewerten, der einen Führerschein der Klasse erhalten möchte, für die die Fahrprüfung stattfindet.

(3)  Kenntnisse und Verständnis in Bezug auf das Führen eines Fahrzeugs und dessen Bewertung in folgenden Bereichen:

(a)  Theorie des Fahrverhaltens;

(b)  Gefahrenerkennung und Unfallvermeidung;

(c)  Lehrplan der Fahrprüfungsanforderungen;

(d)  Anforderungen der Fahrprüfung;

(e)  einschlägige Straßenverkehrsvorschriften einschließlich einschlägiger Rechtsvorschriften und Auslegungsleitlinien der Union und der Mitgliedstaaten;

(f)  Theorie und Praxis der Bewertung;

(g)  defensives Fahren.

(ga)  Verständnis und Berücksichtigung gefährdeter und nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer. [Abänd. 234]

(4)  Bewertungsfähigkeiten:

(a)  Fähigkeit, die Leistung des Bewerbers insgesamt genau zu beobachten, zu kontrollieren und zu bewerten, und zwar insbesondere

(b)  das richtige und umfassende Erkennen gefährlicher Situationen;

(c)  die genaue Bestimmung von Ursache und voraussichtlicher Auswirkung derartiger Situationen;

(d)  das Tauglichkeitsniveau und die Erkennung von Fehlern;

(e)  die Einheitlichkeit und Kohärenz der Bewertung;

(f)  rasche Aneignung von Informationen und Herausfiltern von Kernpunkten;

(g)  vorausschauendes Handeln, Erkennung potenzieller Probleme und Entwicklung von entsprechenden Abhilfestrategien;

(h)  rechtzeitige und konstruktive Rückmeldungen.

(5)  Persönliche Fahrfähigkeiten:

Eine Person, die befugt ist, eine praktische Prüfung für eine Führerscheinklasse abzunehmen, muss in der Lage sein, Kraftfahrzeuge des betreffenden Typs mit beständig hohem Fahrniveau zu führen.

(6)  Qualität der Dienstleistung:

(a)  Festlegung und Vermittlung, worauf sich der Bewerber in der Prüfung einzustellen hat;

(b)  klare Kommunikation, wobei Inhalt, Stil und Wortwahl der Zielgruppe entsprechen müssen und auf Fragen der Bewerber einzugehen ist;

(c)  klare Rückmeldung in Bezug auf das Prüfungsergebnis;

(d)  nichtdiskriminierende und respektvolle Behandlung aller Bewerber.

(7)  Fahrzeugtechnische und physikalische Kenntnisse:

(a)  fahrzeugtechnische Kenntnisse, z. B. über Lenkung, Reifen, Bremsen, Scheinwerfer und Leuchten, insbesondere bei Motorrädern und Lastkraftwagen;

(b)  Kenntnisse der Ladungssicherung;

(c)  Kenntnisse der Fahrzeugphysik wie Geschwindigkeit, Reibung, Dynamik, Energie.

(8)  Kraftstoff-/Energiesparende und umweltfreundliche Fahrweise.

2.   Allgemeine Bedingungen

(1)  Ein Fahrprüfer für Führerscheine der Klasse B

(a)  muss seit mindestens drei Jahren Inhaber eines Führerscheins der Klasse B sein;

(b)  muss mindestens das 23. Lebensjahr vollendet haben;

(c)  muss die Grundqualifikation gemäß Nummer 3 dieses Anhangs erworben haben und anschließend die Qualitätssicherung und die regelmäßigen Weiterbildungsmaßnahmen gemäß Nummer 4 dieses Anhangs absolviert haben;

(d)  muss eine Berufsausbildung für einen Abschluss mindestens der Stufe 3 entsprechend der Internationalen Standardklassifikation für das Bildungswesen (International Standard Classification of Education, ISCED)(30) abgeschlossen haben;

(e)  darf nicht gleichzeitig als gewerblicher Fahrlehrer in einer Fahrschule tätig sein.

(2)  Ein Fahrprüfer für Führerscheine der übrigen Klassen

(a)  muss Inhaber eines Führerscheins der betreffenden Klasse sein oder gleichwertige Kenntnisse aufgrund einer angemessenen Berufsqualifikation besitzen;

(b)  muss die Grundqualifikation gemäß Nummer 3 dieses Anhangs erworben haben und anschließend die Qualitätssicherung und die regelmäßigen Weiterbildungsmaßnahmen gemäß Nummer 4 dieses Anhangs absolviert haben;

(c)  muss mindestens drei Jahre lang den Beruf des Fahrprüfers für Führerscheine der Klasse B ausgeübt haben; von der Einhaltung dieser Frist kann abgesehen werden, wenn der Fahrprüfer Folgendes nachweisen kann:

i)  eine mindestens fünfjährige Fahrpraxis in der betreffenden Klasse oder

ii)  den theoretischen und praktischen Nachweis einer Fahrpraxis von höherem Niveau, als für den Erwerb eines Führerscheins erforderlich ist, wodurch die betreffende Anforderung überflüssig wird;

(d)  muss eine Berufsausbildung für einen Abschluss mindestens der Stufe 3 entsprechend der Internationalen Standardklassifikation für das Bildungswesen (International Standard Classification of Education, ISCED) abgeschlossen haben;

(e)  darf nicht gleichzeitig als gewerblicher Fahrlehrer in einer Fahrschule tätig sein.

(3)  Äquivalenzen

(a)  Die Mitgliedstaaten können einem Fahrprüfer gestatten, Fahrprüfungen für die Klassen AM, A1, A2 und A abzunehmen, wenn er für eine dieser Klassen die Grundqualifikation gemäß Nummer 3 erworben hat.

(b)  Die Mitgliedstaaten können einem Fahrprüfer gestatten, Fahrprüfungen für die Klassen C1, C, D1 und D abzunehmen, wenn er für eine dieser Klassen die Grundqualifikation gemäß Nummer 3 erworben hat.

(c)  Die Mitgliedstaaten können einem Fahrprüfer gestatten, Fahrprüfungen für die Klassen BE, C1E, CE, D1E und DE abzunehmen, wenn er für eine dieser Klassen die Grundqualifikation gemäß Nummer 3 erworben hat.

3.   Grundqualifikation

(1)  Grundausbildung

(a)  Bevor einer Person die Abnahme von Fahrprüfungen gestattet wird, muss sie entsprechend etwaiger Vorgaben des betreffenden Mitgliedstaats ein Ausbildungsprogramm erfolgreich abgeschlossen haben, um die unter Nummer 1 beschriebene Befähigung zu erwerben.

(b)  Die Mitgliedstaaten legen fest, ob der Inhalt eines bestimmten Ausbildungsprogramms sich auf die Zulassung zur Abnahme von Fahrprüfungen für eine oder für mehrere Führerscheinklassen bezieht.

(2)  Prüfungen

(a)  Bevor einer Person die Abnahme von Fahrprüfungen gestattet wird, muss sie in Bezug auf alle unter Nummer 1 aufgeführten Sachgebiete Kenntnisse, Verständnis, Fähigkeiten und Tauglichkeit von ausreichendem Niveau nachweisen.

(b)  Die Mitgliedstaaten legen ein Prüfungsverfahren zugrunde, bei dem auf eine in pädagogischer Hinsicht geeignete Art und Weise geprüft wird, ob die betreffende Person über die Befähigung gemäß Nummer 1 — insbesondere Nummer 1.4 — verfügt. Dieses Prüfungsverfahren muss barrierefrei sein(31) und sowohl eine theoretische als auch eine praktische Komponente aufweisen. Computerunterstützte Formen der Bewertung sind gegebenenfalls zulässig. Die Einzelheiten in Bezug auf Art und Dauer von Einzelprüfungen und Bewertungen im Rahmen der Prüfung liegen im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaats.

(c)  Die Mitgliedstaaten legen fest, ob der Inhalt einer bestimmten Prüfung sich auf die Zulassung zur Abnahme von Fahrprüfungen für eine oder für mehrere Führerscheinklassen bezieht.

4.   Qualitätssicherung und regelmäßige Weiterbildung

(1)  Qualitätssicherung

(a)  Die Mitgliedstaaten müssen über Qualitätssicherungsregelungen verfügen, die die Aufrechterhaltung der Anforderungen an Fahrprüfer gewährleisten.

(b)  Die Qualitätssicherungsregelungen müssen die Überwachung der Fahrprüfer bei ihrer Tätigkeit, Zusatzausbildungen, die Erneuerung ihrer Zulassung, ihre berufliche Weiterbildung und die regelmäßige Überprüfung der Ergebnisse der von ihnen abgenommenen Fahrprüfungen einschließen.

(c)  Die Mitgliedstaaten sorgen im Rahmen der unter Nummer 4.1 Buchstabe b vorgesehenen Qualitätssicherungsregelungen dafür, dass jeder Fahrprüfer einer jährlichen Überwachung unterliegt. Ferner sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass jeder Fahrprüfer einmal alle fünf Jahre für einen Mindestzeitraum von insgesamt einem halben Tag bei der Abnahme von Fahrprüfungen beobachtet wird, sodass mehrere Fahrprüfungen beobachtet werden können. Werden Probleme festgestellt, sind Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Die die Überwachung durchführende Person muss von dem jeweiligen Mitgliedstaat für diesen Zweck zugelassen worden sein.

(d)  Ist ein Fahrprüfer für die Abnahme von Fahrprüfungen für mehrere Klassen zugelassen, so können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass die Überwachungsanforderung in Bezug auf mehrere Klassen durch die Überwachung in einer Klasse erfüllt ist.

(e)  Die Fahrprüfungstätigkeit muss von einer unabhängigen, von dem betreffenden Mitgliedstaat ermächtigten Stelle beobachtet und überwacht werden, um die korrekte und einheitliche Anwendung der Bewertung zu gewährleisten. [Abänd. 235]

(2)  Regelmäßige Weiterbildung

(a)  Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass sich Fahrprüfer zur Beibehaltung ihrer Zulassung ungeachtet der Zahl der Klassen, für die sie zugelassen sind, Folgendem unterziehen:

(i)  mindestens einer regelmäßigen Weiterbildung von insgesamt vier Tagen in einem Zeitraum von zwei Jahren, um

–  die erforderlichen Kenntnisse und die Prüfungsfähigkeiten Prüfungs- und Kommunikationsfähigkeiten zu erhalten und aufzufrischen, [Abänd. 236]

–  neue Befähigungen, die zur Ausübung des Berufs erforderlich geworden sind, zu entwickeln,

–  dafür zu sorgen, dass er die Prüfungen nach wie vor nach fairen und einheitlichen Anforderungen durchführt;

(ii)  mindestens einer regelmäßigen Weiterbildung von insgesamt fünf Tagen in einem Zeitraum von fünf Jahren, um

–  die erforderlichen praktischen Fahrfähigkeiten zu entwickeln und zu erhalten.

(b)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass Fahrprüfern, bei denen das geltende Qualitätssicherungssystem ernstliche Fehlleistungen festgestellt hat, unverzüglich eine spezielle Weiterbildung erhalten.

(c)  Die regelmäßige Weiterbildung kann in Form von Besprechungen, Unterricht, herkömmlicher oder computergestützter Vermittlung sowie einzeln oder in Gruppe erfolgen. Sie kann, soweit die Mitgliedstaaten dies für angezeigt erachten, eine Neufestsetzung der Anforderungen enthalten.

(d)  Ist ein Fahrprüfer für die Abnahme von Fahrprüfungen für mehrere Klassen zugelassen, so können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass die Weiterbildungsanforderung für Fahrprüfer in Bezug auf mehrere Klassen durch die Weiterbildung in einer Klasse erfüllt ist, sofern die Anforderungen der Nummer 4.2 Buchstabe e erfüllt sind.

(e)  Hat ein Fahrprüfer innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten für eine Klasse keine Fahrprüfungen abgenommen, so hat er sich einer entsprechenden Wiederholungsprüfung zu unterziehen, bevor ihm gestattet wird, für diese Klasse weitere Fahrprüfungen abzunehmen. Die Wiederholungsprüfung kann im Rahmen der Anforderung der Nummer 4.2 Buchstabe a erfolgen.

5.   Erworbene Rechte

(1)  Die Mitgliedstaaten können es Personen, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Bestimmungen der dieser Richtlinie 2006/126/EG zur Abnahme von Fahrprüfungen zugelassen waren, gestatten, weiterhin Fahrprüfungen abzunehmen, auch wenn sie nicht gemäß den allgemeinen Bedingungen der Nummer 2 oder dem Verfahren für die Grundqualifikation der Nummer 3 zugelassen worden sind. [Abänd. 237]

(2)  Die betreffenden Fahrprüfer unterliegen jedoch der regelmäßigen Überwachung und den Qualitätssicherungsregelungen der Nummer 4.

Anhang V

MINDESTANFORDERUNGEN AN FAHRZEUGFÜHRERSCHULUNG UND FAHRPRÜFUNG FÜR DIE IN ARTIKEL 6 ABSATZ 1 BUCHSTABE C ZWEITER GEDANKENSTRICH UNTERABSATZ 2 GENANNTEN FAHRZEUGKOMBINATIONEN

1.  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um

(a)  die Schulung nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d zu genehmigen und zu überwachen oder

(b)  die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d abzuhalten.

2.  Die Dauer der Fahrzeugführerschulung beträgt mindestens 7 Stunden.

3.  Inhalt der Fahrzeugführerschulung

Die Fahrzeugführerschulung erstreckt sich auf die in Anhang II Nummern 2 und 7 beschriebenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Dabei ist Folgendem besondere Aufmerksamkeit zu widmen: Fahrzeugdynamik, Sicherheitskriterien, Zugfahrzeug und Anhänger (Kupplungsmechanismus), richtiges Beladen und Sicherheitszubehör.

Der praktische Teil der Schulung erstreckt sich auf folgende Übungen: Beschleunigen, Verlangsamen, Wenden, Bremsen, Anhalteweg, Spurwechsel, Bremsen/Ausweichen, Pendeln des Anhängers, Abkuppeln und Ankuppeln des Anhängers vom bzw. an das Zugfahrzeug, Parken.

Jeder Schulungsteilnehmer muss am praktischen Teil der Schulung teilnehmen und seine Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf öffentlichen Straßen unter Beweis stellen.

Die für die Schulung verwendeten Fahrzeugkombinationen müssen der Klasse angehören, für die die Führerscheinbewerber eine Fahrerlaubnis erwerben möchten.

4.  Dauer und Inhalt der Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen

Die Dauer der Prüfung und die bei der Prüfung zurückgelegte Strecke müssen für die Bewertung der in Nummer 3 genannten Fähigkeiten und Verhaltensweisen ausreichen.

Anhang VI

MINDESTANFORDERUNGEN AN FAHRZEUGFÜHRERSCHULUNG UND FAHRPRÜFUNG FÜR KRAFTRÄDER DER KLASSE A (STUFENWEISER ZUGANG)

1.  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um

(a)  die Schulung nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c zu genehmigen und zu überwachen oder

(b)  die Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c abzuhalten.

2.  Die Dauer der Fahrzeugführerschulung beträgt mindestens 7 Stunden.

3.  Inhalt der Fahrzeugführerschulung

Die Fahrzeugführerschulung erstreckt sich auf alle in Anhang II Nummer 6 aufgeführten Aspekte.

Jeder Schulungsteilnehmer muss am praktischen Teil der Schulung teilnehmen und seine Fähigkeiten und Verhaltensweisen auf öffentlichen Straßen unter Beweis stellen.

Die für die Schulung verwendeten Krafträder müssen der Klasse angehören, für die die Führerscheinbewerber eine Fahrerlaubnis erwerben möchten.

4.  Dauer und Inhalt der Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen

Die Dauer der Prüfung und die bei der Prüfung zurückgelegte Strecke müssen für die Bewertung der in Nummer 3 genannten Fähigkeiten und Verhaltensweisen ausreichen.

Anhang VII

ENTSPRECHUNGSTABELLE

Richtlinie 2006/126/EG

Verordnung (EU) Nr. 383/2012 

Neue Richtlinie

–  

 

Artikel 1

–  

 

Artikel 2 Nummern 1, 2, 3 und 12

–  

 

Artikel 3 Absätze 1, 2, 3, 4, 5 und 7

Artikel 1 Absatz 1

 

Artikel 4 Absatz 1

Artikel 1 Absatz 2

 

Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1

Artikel 1 Absatz 3 Unterabsatz 1

 

Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 Satz 1

Artikel 1 Absatz 3 Unterabsatz 2

 

Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 Satz 2

Artikel 1 Absatz 3 Unterabsatz 3

 

Artikel 4 Absatz 8

Artikel 1 Absatz 4

 

–  

Artikel 2 Absatz 1

 

Artikel 3 Absatz 6

Artikel 2 Absatz 2

 

Artikel 4 Absatz 3

Artikel 3 Absatz 1

 

Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1

Artikel 3 Absatz 2

 

Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2

Artikel 3 Absatz 3

 

Artikel 4 Absatz 4

–  

 

Artikel 4 Absatz 6 und Artikel 4 Absatz 7 Unterabsätze 1 und 2

–  

 

Artikel 5

Artikel 4 Absatz 1 Satz 1

 

Artikel 6 Absatz 1

Artikel 4 Absatz 1 Satz 2

 

Artikel 7 Absätze 1, 2, 3 und 5

Artikel 4 Absatz 2 Einleitung

Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a Einleitung

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 1

Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a erster und zweiter Gedankenstrich

Artikel 2 Absätze 5 und 6

Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a dritter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a

Artikel 4 Absatz 3 Einleitung

 

 

Artikel 4 Absatz 3 erster Gedankenstrich

 

Artikel 2 Nummer 8

Artikel 4 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 2 Nummer 9

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Einleitung

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a erster und zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i erster und zweiter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b Einleitung

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b erster Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii erster Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b Unterabsatz 5

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe c zweiter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe e dritter Gedankenstrich

 

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c Einleitung

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c Ziffer i Einleitung

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c Ziffer ii Einleitung

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii erster Gedankenstrich

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii zweiter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c Ziffer i erster Gedankenstrich

 

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i

Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c Ziffer ii erster Gedankenstrich

 

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer ii

Artikel 4 Absatz 4 Einleitung

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 erster Gedankenstrich

 

Artikel 2 Nummer 10

Artikel 4 Absatz 4 zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe a Einleitung

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe a erster Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich

Artikel 2 Nummer 7

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i

Artikel 2 Nummer 11

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe a dritter Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i dritter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b Unterabsätze 1 bis 4

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer ii

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer ii Unterabsätze 1 bis 4

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe c Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe c erster Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii erster Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe d

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iv

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe e Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe e erster und zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer v

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer v erster und zweiter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe f

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer vi

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe g Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe g erster Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer vii erster Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe g zweiter Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe i zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe h

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer viii

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe i Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe i erster Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer ix

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe j

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer x

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe k Einleitung

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe k erster Gedankenstrich

 

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer xi

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer xi erster Gedankenstrich

Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe k zweiter Gedankenstrich

 

Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe e

Artikel 4 Absatz 5

 

Artikel 6 Absatz 2

Artikel 4 Absatz 6 Unterabsatz 1

 

Artikel 7 Absatz 2

Artikel 4 Absatz 6 Unterabsatz 2

 

Artikel 7 Absatz 3

Artikel 4 Absatz 6 Unterabsätze 3 und 4

 

Artikel 7 Absatz 4

Artikel 4 Absatz 7

 

Artikel 7 Absatz 5

Artikel 5 Absatz 1

 

Artikel 8 Absatz 1

Artikel 5 Absatz 2

 

Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 2

Artikel 6 Absatz 1

 

Artikel 9 Absatz 1

Artikel 6 Absatz 2 Einleitung

 

Artikel 9 Absatz 2 Einleitung

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b

–  

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe d

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe d

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe e

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe f

Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe f

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe g

–  

 

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe h

Artikel 6 Absatz 3

 

Artikel 9 Absatz 3

Artikel 6 Absatz 4

 

Artikel 9 Absatz 4

Artikel 7 Absatz 1

 

Artikel 10 Absatz 1

Artikel 7 Absatz 2

 

Artikel 10 Absatz 2

 

 

Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 3

Artikel 7 Absatz 3 Einleitung

Artikel 7 Absatz 3 Buchstaben a und b

 

Artikel 10 Absatz 3 Einleitung

Artikel 10 Absatz 3 Buchstaben a und b

Artikel 7 Absatz 3 Unterabsatz 1

 

Artikel 10 Absatz 6

Artikel 7 Absatz 3 Unterabsatz 2

 

Artikel 10 Absatz 3 Unterabsatz 1

Artikel 7 Absatz 3 Unterabsatz 3

 

Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 3

Artikel 7 Absatz 3 Unterabsatz 4

 

 

Artikel 7 Absatz 3 Unterabsatz 5

 

Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 5

–  

 

Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 7

–  

 

Artikel 10 Absatz 4

Artikel 7 Absatz 4

 

Artikel 10 Absatz 5

Artikel 7 Absatz 5

 

Artikel 10 Absatz 7

Artikel 8

 

Artikel 4 Absatz 8 und Artikel 8 Absatz 2 für Anhang I

Artikel 10 Absatz 8 für die Anhänge II, III, V und VI

Artikel 16 Absatz 2 und Anhang IV

Artikel 9

 

Artikel 22

Artikel 10

 

Artikel 16 Absatz 1

Artikel 11 Absätze 1, 2 und 3

 

Artikel 11 Absätze 1, 2 und 3

Artikel 11 Absatz 4 Unterabsätze 1 und 3

 

Artikel 13 Absatz 1

Artikel 11 Absatz 4 Unterabsatz 2

 

Artikel 13 Absatz 2

–  

 

Artikel 13 Absätze 3 und 4

Artikel 11 Absatz 5

 

Artikel 11 Absatz 4

Artikel 11 Absatz 6 Unterabsatz 1

 

Artikel 12 Absatz 2 Satz 1

Artikel 11 Absatz 6 Unterabsatz 2 Satz 1

 

Artikel 12 Absatz 5

Artikel 11 Absatz 6 Unterabsatz 2 Satz 2

 

Artikel 12 Absatz 2 Satz 2

–  

 

Artikel 12 Absätze 1, 3, 4, 6, 7, 8 und 9

–  

 

Artikel 14

–  

 

Artikel 15

Artikel 12

 

Artikel 17 Absatz 1

–  

 

Artikel 17 Absätze 2, 3 und 4

Artikel 13

 

Artikel 18

Artikel 14

 

Artikel 20

Artikel 15 Absatz 1

 

Artikel 19 Absatz 1

Artikel 15 Absatz 2

 

Artikel 19 Absatz 2

Artikel 15 Absatz 3

 

Artikel 15 Absatz 4 Satz 1

 

Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Satz 1

–  

 

Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 1 Satz 2

Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 2

Artikel 15 Absatz 4 Satz 2

 

Artikel 19 Absatz 3 Unterabsatz 3

–  

 

Artikel 19 Absätze 4 und 5

–  

 

Artikel 22

–  

 

Artikel 24

Artikel 16

 

Artikel 25

Artikel 17

 

Artikel 26

Artikel 18

 

Artikel 27

Artikel 19

 

Artikel 28

Anhang I

 

Anhang I Teile A1 und A2

Anhang I Teil D

Anhang I Teil E

 

Artikel 1

 

Artikel 2 Absatz 1

Anlage I Teil B Absatz 1

 

Artikel 2 Absatz 2

Anhang I Teil B1 Nummer 2 Absatz 1

 

Artikel 2 Absatz 3

 

Artikel 3

Anlage I Teil B Absatz 2

 

Artikel 4

Anlage I Teil B Absatz 3

 

Artikel 5 Absatz 1

Anlage I Teil B Absatz 4

 

Artikel 5 Absatz 2

Anlage I Teil B Absatz 5

 

Artikel 5 Absatz 3

Anlage I Teil B Absatz 6

 

Artikel 5 Absatz 4

Anlage I Teil B Absatz 7

 

Artikel 5 Absatz 5

Anlage I Teil B Absatz 8

 

Artikel 6

 

Artikel 7 Absatz 1

Anlage I Teil B Absatz 9

 

Artikel 7 Absatz 2

Anlage I Teil B Absatz 10

 

Artikel 8

 

Anhang I

Anhang I Teil B1

 

Anhang II

Anhang I Teil B2

 

Anhang III

Anhang I Teil B3

 

Anhang IV

Anhang I Teil B4

 

Anhang I Teil C

Anhang II

 

Anhang II

Anhang III

 

Anhang III

Anhang IV

 

Anhang IV

Anhang V

 

Anhang V

Anhang VI

 

Anhang VI

Anhang VII

 

Anhang VIII

 

Anhang VII

(1) ABl. C 293 vom 18.8.2023, S. 133.
(2)ABl. C vom , S. .
(3)ABl. C vom , S. .
(4)Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(5) Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABI. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).
(6)Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 vom 30.12.2006, S. 18).
(7)Verordnung (EU) 2018/1724 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Oktober 2018 über die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors zu Informationen, Verfahren, Hilfs- und Problemlösungsdiensten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 1).
(8)ABl. C 167 vom 11.5.2023, S. 36.
(9)ABl. L 68 vom 13.3.2015, S. 9. ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2015/413/oj.
(10)ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.
(11)Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(12)Richtlinie (EU) 2022/2561 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr (ABl. L 330 vom 23.12.2022, S. 46).
(13)Verordnung (EU) Nr. 383/2012 der Kommission vom 4. Mai 2012 zur Festlegung technischer Anforderungen in Bezug auf Führerscheine, die ein Speichermedium (einen Mikrochip) enthalten (ABl. L 120 vom 5.5.2012, S. 1).
(14)ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.
(15)Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen (ABl. L 60 vom 2.3.2013, S. 52).
(16)Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. L 151 vom 14.6.2018, S. 1).
(17)Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73).
(18)Richtlinie 96/53/EG des Rates vom 25. Juli 1996 zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr in der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr (ABl. L 235 vom 17.9.1996, S. 59).
(19) Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. L 151 vom 14.6.2018, S. 1).
(20)Richtlinie (EU) 2022/2561 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr (ABl. L 330 vom 23.12.2022, S. 46).
(21)Richtlinie (EU) 2015/413 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte (ABl. L 68 vom 13.3.2015, S. 9).
(22)Beschluss (EU) 2016/1945 der Kommission vom 14. Oktober 2016 über Äquivalenzen zwischen Führerscheinklassen (ABl. L 302 vom 9.11.2016, S. 62).
(23)Richtlinie (EU) 2015/413 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte (ABl. L 68 vom 13.3.2015, S. 9).
(24)Diese Kraft gibt die Fähigkeit des Fahrzeugführers zur Betätigung des Systems an.
(25)Diese Kraft gibt die Fähigkeit des Fahrzeugführers zur Betätigung des Systems an.
(26)Diese Kraft gibt die Fähigkeit des Fahrzeugführers zur Betätigung des Systems an.
(27)Diese Kraft gibt die Fähigkeit des Fahrzeugführers zur Betätigung des Systems an.
(28)Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 1).
(29)Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 1).
(30)https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=International_Standard_Classification_of_Education_(ISCED)#Implementation_of_ISCED_2011_.28levels_of_education.29
(31)Gemäß den einschlägigen Anforderungen der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen.


Einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel
PDF 282kWORD 83k
Entschließung
Konsolidierter Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel (COM(2023)0221 – C9-0152/2023 – 2023/0126(COD))
P9_TA(2024)0096A9-0020/2024

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2023)0221),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 118 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0152/2023),

–  unter Hinweis auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0020/2024),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel

P9_TC1-COD(2023)0126


(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 118 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)  Die Forschung im Bereich der Pflanzenschutzmittel trägt entscheidend zu ständigen Verbesserungen in der Landwirtschaft bei. Pflanzenschutzmittel, insbesondere solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, können nur dann weiterhin in der Union entwickelt werden, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

(2)  Durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Pflanzenschutzmittel und der Genehmigung für dessen Inverkehrbringen wird der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

(2a)   Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die Pflanzenschutzforschung und die Wettbewerbsfähigkeit dieses Wirtschaftsbereichs hat. [Abänd. 1]

(3)  Ein einheitlicher Patentschutz sowie ein zusätzlicher Schutz innerhalb des Binnenmarkts oder zumindest eines bedeutenden Teils davon sollten zu den Rechtsinstrumenten gehören, die den agrochemischen Unternehmen zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zur Verfügung stehen.

(4)  In ihrer Mitteilung vom 25. November 2020 mit dem Titel „Das Innovationspotenzial der EU optimal nutzen – Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU“(3) hob die Kommission hervor, dass die nach wie vor bestehende Fragmentierung des Systems der Union für geistiges Eigentum angegangen werden muss. In dieser Mitteilung stellte die Kommission fest, dass für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel ergänzender Schutz nur auf nationaler Ebene verfügbar ist. Gleichzeitig gibt es ein zentralisiertes Verfahren für die Erteilung Europäischer Patente. Darüber hinaus tritt das „einheitliche Patent“ gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012(4) für alle Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ratifiziert haben, am 1. Juni 2023 in Kraft.

(5)  Mit der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 wurde die Möglichkeit geschaffen, einheitliche Patente vorzusehen. Die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 sieht jedoch kein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat (im Folgenden „einheitliches Zertifikat“) vor.

(6)  Gibt es kein einheitliches Zertifikat, könnte ein einheitliches Patent nur verlängert werden, indem nationale Zertifikate in jedem Mitgliedstaat, in dem Schutz angestrebt wird, angemeldet werden, wodurch verhindert wird, dass der Inhaber eines einheitlichen Patents während des gesamten Zeitraums mit kombiniertem Schutz, der durch dieses einheitliche Patent und im Anschluss daran durch diese Zertifikate gewährt wird, einheitlichen Schutz erhält. Daher sollte ein einheitliches Zertifikat für Pflanzenschutzmittel geschaffen werden, mit dem ein einheitliches Patent auf einheitliche Weise verlängert werden könnte. Ein solches einheitliches Zertifikat sollte auf der Grundlage eines einheitlichen Grundpatents angemeldet werden und würde dieselben Rechtswirkungen entfalten wie nationale Zertifikate in allen Mitgliedstaaten, in denen dieses Grundpatent einheitliche Wirkung hat. Das Hauptmerkmal eines solchen einheitlichen Zertifikats sollte seine Einheitlichkeit sein.

(7)  Ein einheitliches Zertifikat sollte einheitlichen Schutz bieten und die gleiche Wirkung in allen Mitgliedstaaten entfalten, in denen das Grundpatent, auf das es sich stützt, einheitliche Wirkung hat, außer im Falle einer vorübergehenden Aussetzung der Wirkung, mit der die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermöglicht werden soll. Folglich sollte ein einheitliches Zertifikat nur im Hinblick auf alle diese Mitgliedstaaten übertragen oder widerrufen werden bzw. auslaufen.

(8)  Die Verordnung [COM(2023) 223] ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) und enthält neue Bestimmungen zur Festlegung eines zentralisierten Verfahrens für die Prüfung von ergänzenden Schutzzertifikaten für Pflanzenschutzmittel.

(9)  In Anbetracht der Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten dem einheitlichen Patentsystem noch nicht beigetreten sind, sollten die von den nationalen Patentämtern erteilten Zertifikate weiterhin verfügbar bleiben.

(10)  Damit eine Diskriminierung zwischen Anmeldern von Zertifikaten gemäß der Verordnung [COM(2023) 223] und von einheitlichen Zertifikaten gemäß dieser Verordnung sowie Verzerrungen des Binnenmarkts vermieden werden, sollten nach entsprechenden Anpassungen für Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 223] und für einheitliche Zertifikate, insbesondere in Bezug auf die Bedingungen für die Erteilung eines Zertifikats, sowie für die Laufzeit und die Wirkungen eines Zertifikats dieselben materiellrechtlichen Vorschriften gelten.

(11)  Insbesondere sollte die Laufzeit des durch ein einheitliches Zertifikat gewährten Schutzes mit der für nationale Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 223] vorgesehenen Laufzeit identisch sein; dies bedeutet, dass demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines einheitlichen Patents und eines einheitlichen Zertifikats ist, insgesamt höchstens 15 Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Pflanzenschutzmittels in der Union eingeräumt werden sollten. Da das einheitliche Zertifikat bei Erlöschen des Grundpatents wirksam würde, sollte, damit Divergenzen zwischen den nationalen Praktiken hinsichtlich des Datums des Erlöschens eines Patents, die zu Unterschieden von einem Tag führen können, Rechnung getragen wird, mit dieser Verordnung klargestellt werden, wann genau der durch ein einheitliches Zertifikat gewährte Schutz wirksam werden sollte.

(12)  Mit der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates(6) wurde gemäß deren Artikel 2 ein Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) errichtet. Im Interesse des Binnenmarkts und aufgrund des autonomen Charakters des einheitlichen Zertifikats sollte das Prüf- und Erteilungsverfahren von einer einzigen Prüfbehörde durchgeführt werden. Dies kann erreicht werden, indem das Amt mit der Aufgabe betraut wird, sowohl Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten gemäß dieser Verordnung und der Verordnung [COM(2023) 222] als auch zentralisierte Anmeldungen von Zertifikaten gemäß den Verordnungen [COM(2023) 231] und [COM(2023) 223] zu prüfen.

(13)  Gibt es keine zentralisierte Genehmigung für das Inverkehrbringen werden Genehmigungen für das Inverkehrbringen auf nationaler Ebene erteilt. Somit könnten Genehmigungen in Bezug auf ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten einen etwas anderen Geltungsbereich aufweisen. Dennoch sollte ein einheitliches Zertifikat dem Pflanzenschutzmittel nur in dem Ausmaß Schutz gewähren, in dem es von den Genehmigungen für das Inverkehrbringen in jedem Mitgliedstaat, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, ordnungsgemäß abgedeckt ist.

(14)  Die Tatsache, dass Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Bezug auf ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten erteilt werden können, würde in vielen Fällen die Erteilung eines einheitlichen Zertifikats für ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel unmöglich machen, wenn vorgeschrieben wäre, dass Genehmigungen in allen relevanten Mitgliedstaaten – d. h. in den Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat – bis zur Einreichung einer Anmeldung erteilt worden sein müssen. Einem Anmelder sollte es daher gestattet sein, eine Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats einzureichen, wenn Genehmigungen für das Inverkehrbringen in allen relevanten Mitgliedstaaten beantragt wurden, sofern solche Genehmigungen vor Abschluss des Prüfverfahrens erteilt werden, das aus diesem Grund nicht früher als 18 Monate nach Einreichung einer Anmeldung abgeschlossen werden sollte. Wurde in einem relevanten Mitgliedstaat vor Abschluss der Prüfung keine Genehmigung erteilt, so sollte das einheitliche Zertifikat in Bezug auf diesen Mitgliedstaat solange keine Wirkung haben, bis in diesem Mitgliedstaat eine gültige Genehmigung erteilt wurde. Diese aufschiebende Wirkung sollte jedoch aufgehoben werden, wenn eine ausstehende Genehmigung zwar nach Erteilung des einheitlichen Zertifikats, im Sinne der Rechtssicherheit aber vor Erlöschen des Grundpatents – auf entsprechenden Antrag des Inhabers des einheitlichen Zertifikats – vorbehaltlich einer Überprüfung dieses Antrags durch das Amt erteilt wird.

(15)  Einem Anmelder sollte ferner gestattet werden, eine „kombinierte Anmeldung“ einzureichen, in der auch andere Mitgliedstaaten als diejenigen benannt würden, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, und in denen die Erteilung nationaler Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 223] beantragt würde. Für eine derartige kombinierte Anmeldung sollte ein einziges Prüfungsverfahren durchlaufen werden.

(16)  In einem solchen Fall sollte ein doppelter Schutz sowohl durch ein einheitliches Zertifikat als auch durch ein nationales Zertifikat – unabhängig davon, ob er auf der Grundlage einer nationalen Anmeldung oder einer zentralisierten Anmeldung erlangt wurde – in jedem Mitgliedstaat ausgeschlossen werden.

(17)  Eine der Voraussetzungen für die Erteilung eines Zertifikats sollte darin bestehen, dass das Erzeugnis durch das Grundpatent in dem Sinne geschützt sein sollte, dass das Erzeugnis in den Geltungsbereich eines oder mehrerer Ansprüche dieses Patents fällt, so wie dieser vom Fachmann ausgelegt wird, durch dieim Lichte der Beschreibung und der Zeichnungen des Patents auf der Grundlage der allgemeinen Kenntnisse dieser Person in dem einschlägigen Bereich und des Stands der Technik am Tag der Einreichung fälltoder am Prioritätstag des Grundpatents ausgelegt wird. Dadurch sollte nicht zwingend vorgeschrieben sein, dass der Wirkstoff des Erzeugnisses in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wird, bzw. sollte im Fall einer Zubereitung sollte dadurch ebenso wenig zwingend vorgeschrieben sein, dass jeder ihrer Wirkstoffe in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wird, sofern jeder von ihnen anhand aller durch das Patent offengelegten Angaben auf der Grundlage des Stands der Technik am Tag der Einreichung oder am Prioritätstag des Grundpatents spezifisch identifizierbar ist. [Abänd. 2]

(18)  Damit übermäßiger Schutz vermieden wird, sollte vorgesehen werden, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein entweder nationales oder einheitliches Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt sein darf. Daher sollte vorgeschrieben werden, dass das Erzeugnis oder jedes Derivat wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische oder Komplexe, die dem Erzeugnis aus pflanzenschutzrechtlicher Sicht gleichwertig sind, nicht bereits Gegenstand eines früheren Zertifikats gewesen sein soll, und zwar weder allein noch in Kombination mit einem oder mehreren weiteren Wirkstoffen und gleichgültig ob für dieselbe oder eine andere Anmeldung. [Abänd. 3]

(19)  In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes sollte sich der durch das einheitliche Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, nämlich den Wirkstoff oder Kombinationen davon erstrecken, welches von den Genehmigungen für dessen Inverkehrbringen erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel, die vor Ablauf des einheitlichen Zertifikats genehmigt wurden.

(20)  Zur Gewährleistung eines ausgewogenen Schutzes sollte jedoch ein einheitliches Zertifikat dessen Inhaber dazu berechtigen, einen Dritten daran zu hindern, nicht nur das im einheitlichen Zertifikat angegebene Erzeugnis, sondern auch dessen Derivate wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische oder Komplexe, die dem Erzeugnis aus pflanzenschutzrechtlicher Sicht gleichwertig sind, selbst dann herzustellen, wenn diese Derivate in der Beschreibung des Erzeugnisses im einheitlichen Zertifikat nicht ausdrücklich genannt sind. Daher ist in Erwägung zu ziehen, den durch das einheitliche Zertifikat gewährten Schutz in den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes auf solche gleichwertigen Derivate auszuweiten.

(21)  Als weitere Maßnahme, mit der sichergestellt werden sollte, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt werden kann, sollte dem Inhaber von mehr als einem Patent für dasselbe Erzeugnis nicht mehr als ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden. In Fällen, in denen zwei Patente zum Schutz des Erzeugnisses von zwei Inhabern gehalten werden, sollte jedoch jedem dieser Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden können, wenn diese nachweisen können, dass sie nicht wirtschaftlich verbunden sind. Überdies sollte dem Inhaber eines Grundpatents in Bezug auf ein Erzeugnis, das einer im Besitz eines Dritten befindlichen Genehmigung unterliegt, ohne dessen Zustimmung kein Zertifikat erteilt werden.

(22)  Was die Anmeldungen eines einheitlichen Zertifikats für Pflanzenschutzmittel betrifft, so sollte die mit der Genehmigung zusammenhängende Voraussetzung als erste in jedem einzelnen Land erfüllt werden.

(23)  Im Interesse der Angleichung an die für einheitliche Patente geltenden Vorschriften sollte ein einheitliches Zertifikat als Gegenstand des Vermögens in seiner Gesamtheit und in allen Mitgliedstaaten, in denen es Wirkung hat, als nationales Zertifikat desjenigen Mitgliedstaats, der im Einklang mit dem für das Grundpatent geltenden Recht bestimmt wird, behandelt werden.

(24)  Damit ein faires und transparentes Verfahren sowie Rechtssicherheit gewährleistet sind und das Risiko späterer Anfechtungen der Gültigkeit eingedämmt wird, sollten Dritte nach der Veröffentlichung der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten beim Amt während der Durchführung der zentralisierten Prüfung Bemerkungen einzureichen. Zu diesen Dritten, denen es gestattet ist, Bemerkungen einzureichen, sollten auch die Mitgliedstaaten gehören. Dies sollte jedoch nicht das Recht Dritter berühren, in der Folge ein Nichtigkeitsverfahren vor dem Amt einzuleiten. Diese Bestimmungen sind notwendig, damit die Einbeziehung Dritter sowohl vor als auch nach der Erteilung der Zertifikate gewährleistet ist.

(25)  Die Prüfung einer Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats sollte unter Aufsicht des Amtes von einem Prüfgremium durchgeführt werden, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei bei den nationalen Patentämtern beschäftigte Prüfer angehören. Dadurch würde sichergestellt, dass das derzeit nur bei den nationalen Ämtern vorhandene Fachwissen für ergänzende Schutzzertifikate betreffende Fragen und damit verbundene Patentangelegenheiten bestmöglich genutzt wird. Damit eine optimale Qualität der Prüfung gewährleistet wird, sollten das Amt und die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen, dass die benannten Prüfer über das einschlägige Fachwissen und ausreichend Erfahrung bei der Bewertung von ergänzenden Schutzzertifikaten verfügen. Zusätzliche geeignete Kriterien sollten für die Teilnahme bestimmter Prüfer am Verfahren – insbesondere in Bezug auf deren Qualifikation und auf Interessenkonflikte – festgelegt werden. [Abänd. 4]

(26)  Das Amt sollte die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats prüfen und eine Stellungnahme zur Prüfung abgeben. Aus dieser Stellungnahme sollte hervorgehen, aus welchen Gründen die Stellungnahme positiv oder negativ ausfällt.

(27)  Damit die Verfahrensrechte Dritter gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen gewährleistet ist, sollten Dritte in der Lage sein, eine Stellungnahme zur Prüfung anzufechten, indem sie innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der Veröffentlichung dieser Stellungnahme ein Widerspruchsverfahren einleiten, wobei dieser Widerspruch zu einer Änderung dieser Stellungnahme führen kann.

(28)  Nach Abschluss der Prüfung einer Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats und nach Ablauf der Beschwerde- und Widerspruchsfristen oder in dem Fall, dass eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen ist, sollte das Amt unverzüglich die Stellungnahme zur Prüfung umsetzen, indem es ein einheitliches Zertifikat erteilt oder die Anmeldung gegebenenfalls ablehnt. [Abänd. 5]

(29)  Wird der Anmelder oder ein anderer Beteiligter durch eine Entscheidung des Amtes beschwert, so sollte der Anmelder oder dieser Beteiligte das Recht haben, gegen die Entscheidung innerhalb von zwei Monaten gegen eine Gebühr Beschwerde bei einer Beschwerdekammer des Amtes einzulegen, damit die Verfahrensrechte gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen sichergestellt ist. Dies gilt auch für die Stellungnahme zur Prüfung, die vom Anmelder angefochten werden kann. Die Entscheidungen dieser Beschwerdekammer sollten ihrerseits mit der Klage beim Gericht anfechtbar sein; dieses kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern. Im Falle einer kombinierten Anmeldung einschließlich der Benennung weiterer Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Erteilung nationaler Zertifikate kann ein gemeinsamer Rechtsbehelf eingelegt werden. [Abänd. 6]

(30)  Bei der Ernennung von Mitgliedern der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten betreffen, sollten deren einschlägiges Fachwissen, Unabhängigkeit und ausreichend frühere Erfahrungen mit ergänzenden Schutzzertifikaten oder Patentangelegenheiten berücksichtigt werden. [Abänd. 7]

(31)  Jede Person kann die Gültigkeit eines einheitlichen Zertifikats anfechten, indem sie beim Amt einen Antrag auf Nichtigerklärung einreicht.

(32)  Das Amt sollte die Möglichkeit haben, eine Gebühr für die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats sowie andere Verfahrensgebühren, z. B. für Widersprüche, Beschwerden und Nichtigkeit, zu erheben. Die vom Amt erhobenen Gebühren sollten in einem Durchführungsrechtsakt festgelegt werden.

(33)  Die (auch als Verlängerungsgebühren bezeichneten) Jahresgebühren für einheitliche Zertifikate sollten an das Amt entrichtet werden, das einen Teil davon zur Deckung der Kosten einbehalten sollte, die durch die Wahrnehmung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Erteilung von einheitlichen Zertifikaten entstehen, während der übrige Teil mit den Mitgliedstaaten geteilt wird, in denen einheitliche Zertifikate Wirkung haben.

(34)  Im Interesse der Transparenz sollte ein Register eingerichtet werden, das als zentrales Zugangsportal für Informationen über Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten sowie über erteilte einheitliche Zertifikate und deren Status dienen kann. Das Register sollte in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung stehen.

(35)  Für die dem Amt im Rahmen dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sollten die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union sein, damit die Akteure in der gesamten Union auf einfache Weise einheitliche Zertifikate anmelden oder Bemerkungen Dritter einreichen können und optimale Transparenz für alle Interessenträger in der gesamten Union erreicht wird. Das Amt sollte überprüfte Übersetzungen von Dokumenten und Informationen in eine der Amtssprachen der Union akzeptieren. Das Amt kann gegebenenfalls überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

(36)  Durch Finanzvorschriften sollte sichergestellt werden, dass die am zentralisierten Verfahren beteiligten zuständigen nationalen Behörden eine angemessene Vergütung für ihre Teilnahme erhalten.

(37)  Die notwendigen Einrichtungskosten im Zusammenhang mit den dem Amt übertragenen Aufgaben, einschließlich der Kosten für neue digitale Systeme, sollten aus dem kumulierten Haushaltsüberschuss des Amtes finanziert werden.

(38)  Zur Ergänzung bestimmter nicht wesentlicher Elemente dieser Verordnung sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu erlassen, in denen Folgendes festgelegt wird: i) der Inhalt und die Form der Beschwerdeschrift sowie der Inhalt und die Form der Entscheidung der Beschwerdekammer, ii) die die Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren über Zertifikate betreffenden Einzelheiten, iii) die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter, iv) die Modalitäten für mündliche Verfahren im Einzelnen, v) die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen, vi) die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen, vii) die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen und viii) die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens im Einzelnen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(7) niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(39)  Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf Folgendes übertragen werden: i) die zu verwendenden Anmeldeformulare; ii) die Vorschriften über die Einreichungsverfahren, die Verfahren über die Art und Weise, in der die Prüfungsgremien zentralisierte Anmeldungen prüfen und Stellungnahmen zur Prüfung abfassen, sowie die Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt, iii) die Kriterien über die Art und Weise der Einrichtung der Prüfungsgremien und die Kriterien für die Auswahl der Prüfer, iv) die Höhe der an das Amt zu entrichtenden entsprechenden Gebühren, v) die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten sowie vi) die Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Beteiligung der zuständigen nationalen Behörden zu entrichtende Vergütung. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(8) ausgeübt werden.

(40)  Die Kommission sollte über die Durchführung dieser Verordnung regelmäßig Bericht erstatten, wobei dies in Abstimmung mit den einschlägigen Vorschriften der Verordnung [COM(2023) 223] erfolgt.

(41)  Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) anerkannt wurden. Die Bestimmungen dieser Verordnung sollten im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden. Insbesondere soll mit dieser Verordnung sichergestellt werden, dass das Eigentumsrecht, das Recht auf Gesundheitsschutz und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 17 und 47 der Charta in vollem Umfang gewahrt bleiben.

(42)  Da die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr aufgrund des autonomen Charakters des einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats, das unabhängig von nationalen Systemen ist, auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(43)  Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725(9) angehört und hat am XXX [Amt für Veröffentlichungen: Bitte entsprechende Angaben einfügen, sobald diese verfügbar sind] eine Stellungnahme abgegeben.

(44)  Es sollten geeignete Vorkehrungen getroffen werden, um eine reibungslose Umsetzung der in dieser Verordnung vorgesehenen Vorschriften zu erleichtern. Damit dem Amt ausreichend Zeit für die Vorbereitung der operativen Einrichtung und der Einleitung des für die Erteilung von einheitlichen Zertifikaten gemäß dieser Verordnung zu verwendenden Verfahrens bleibt, sollte die Anwendung dieser Verordnung aufgeschoben werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

In dieser Verordnung werden Vorschriften für das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat (im Folgenden „einheitliches Zertifikat“ für Pflanzenschutzmittel festgelegt, die durch ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung geschützt sind und vor dem Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel ein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(10) zu durchlaufen haben.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

(1)  „Pflanzenschutzmittel“ bezeichnet Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie an den Anwender geliefert werden, und die dazu bestimmt sind,

a)  Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder ihrer Einwirkung vorzubeugen, insoweit diese Stoffe oder Zubereitungen im Folgenden nicht anders definiert werden;

b)  in einer anderen Weise als ein Nährstoff die Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen (z. B. Wachstumsregler);

c)  Pflanzenerzeugnisse zu konservieren, soweit solche Stoffe oder Zubereitungen nicht besonderen Vorschriften des Rates oder der Kommission über konservierende Stoffe unterliegen;

d)  unerwünschte Pflanzen zu vernichten;

e)  Pflanzenteile zu vernichten, ein unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu hemmen oder einem solchen Wachstum vorzubeugen;

(2)  „Stoffe“ bezeichnet chemische Elemente und deren Verbindungen, wie sie natürlich vorkommen oder industriell hergestellt werden, einschließlich jeglicher bei der Herstellung nicht zu vermeidenden Verunreinigung;

(3)  „Wirkstoffe“ bezeichnet Stoffe und Mikroorganismen, einschließlich Viren, mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung

a)  gegen Schadorganismen,

b)  auf Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzenerzeugnisse;

(4)  „Zubereitungen“ bezeichnet Gemenge, Gemische oder Lösungen aus zwei oder mehr Stoffen, davon mindestens einem Wirkstoff, die als Pflanzenschutzmittel angewendet werden;

(5)  „Pflanzen“ bezeichnet lebende Pflanzen oder lebende Teile von Pflanzen, einschließlich frischer Früchte und Samen;

(6)  „Pflanzenerzeugnisse“ bezeichnet Erzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, unverarbeitet oder durch vereinfachte Verfahren wie Mahlen, Trocknen oder Pressen bearbeitet, soweit sie keine Pflanzen sind;

(7)  „Schadorganismen“ bezeichnet Feinde von Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen tierischer oder pflanzlicher Art sowie Viren, Bakterien und Mykoplasmen oder andere Krankheitserreger;

(8)  „Erzeugnis“ bezeichnet den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels;

(9)  „Europäisches Patent“ bezeichnet ein Patent, das vom Europäischen Patentamt (im Folgenden „EPA“) nach den Vorschriften und Verfahren des Europäischen Patentübereinkommens(11) (im Folgenden „EPÜ“) erteilt wird;

(10)  „einheitliches Patent“ bezeichnet ein Europäisches Patent, das in den Mitgliedstaaten, die an der Verstärkten Zusammenarbeit gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 teilnehmen, einheitliche Wirkung hat;

(11)  „Grundpatent“ bezeichnet ein einheitliches Patent, das ein Erzeugnis als solches, eine Zubereitung, ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von seinem Inhaber für die Zwecke des Verfahrens zur Erteilung eines einheitlichen Zertifikats angegeben wird;

(12)  „zentralisierte Anmeldung“ bezeichnet eine Anmeldung beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) gemäß Kapitel III der Verordnung [COM(2023) 223] mit Blick auf die Erteilung von Zertifikaten für das in der Anmeldung genannte Erzeugnis in den angegebenen Mitgliedstaaten;

(13)  „zuständige nationale Behörde“ bezeichnet die nationale Behörde, die in einem bestimmten Mitgliedstaat für die Erteilung von Zertifikaten und für die Zurückweisung der Anmeldung von Zertifikaten zuständig ist.

(13a)  „wirtschaftlich verbunden“ bedeutet in Bezug auf unterschiedliche Inhaber von zwei oder mehr Grundpatenten, durch die dasselbe Erzeugnis geschützt wird, dass ein Inhaber direkt oder indirekt über eine oder mehrere zwischengeschaltete Stellen einen anderen Inhaber kontrolliert, von ihm kontrolliert wird, oder sie unter gemeinsamer Kontrolle stehen. [Abänd. 8]

Artikel 3

Bedingungen für die Erlangung des einheitlichen Zertifikats

1.  Das einheitliche Zertifikat wird auf der Grundlage eines Grundpatents vom Amt erteilt, wenn in allen Mitgliedstaaten, in den dieses Grundpatent einheitliche Wirkung hat, zum Zeitpunkt der Anmeldung alle nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

a)  das Erzeugnis ist durch dieses in Kraft befindliche Grundpatent geschützt;

b)   in mindestens einem der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, wurde eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt; [Abänd. 9]

c)  für das Erzeugnis wurde weder bereits ein Zertifikat noch ein einheitliches Zertifikat erteilt;

d)  die unter Buchstabe b genannte Genehmigung ist die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel.

2.  Verfügt ein Inhaber über mehrere Patente für dasselbe Erzeugnis, so dürfen ihm nicht mehrere Zertifikate oder einheitliche Zertifikate für dieses Erzeugnis für einen bestimmten Mitgliedstaat erteilt werden.

Sind zwei oder mehr – nationale oder zentralisierte – Anmeldungen von Zertifikaten oder Anmeldungen einheitlicher Zertifikate für dasselbe Erzeugnis, die von zwei oder mehr Inhabern unterschiedlicher Patente für einen bestimmten Mitgliedstaat eingereicht werden, anhängig, kann eine zuständige nationale Behörde bzw. das Amt jedem dieser Inhaber ein Zertifikat oder einheitliches Zertifikat erteilen, sofern sie nicht wirtschaftlich verbunden sind. Derselbe Grundsatz gilt entsprechend für Anmeldungen des Inhabers für dasselbe Erzeugnis, für das zuvor anderen Inhabern unterschiedlicher Patente ein oder mehrere Zertifikate oder einheitliche Zertifikate erteilt wurden. [Abänd. 10]

3.  Ein einheitliches Zertifikat für ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel wird auch dann erteilt, wenn die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

a)  zum Zeitpunkt der Anmeldung wurde in allen Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, für das Erzeugnis eine Genehmigung für das Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 beantragt, jedoch in mindestens einem dieser Mitgliedstaaten noch keine Genehmigung erteilt;

b)  bevor die Stellungnahme zur Prüfung angenommen wird, wurden in allen Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, Genehmigungen erteilt.

4.  Ist die Bedingung gemäß Absatz 3 Buchstabe a erfüllt, wird die Stellungnahme zur Prüfung frühestens 18 Monate, nachdem die Anmeldung eingereicht wurde, angenommen.

5.  Abweichend von Absatz 3 wird, sofern in Bezug auf einen Mitgliedstaat, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, ausschließlich die Bedingung gemäß Absatz 3 Buchstabe a erfüllt ist, ein einheitliches Zertifikat erteilt, das jedoch in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Wirkung hat.

Wird ein einheitliches Zertifikat nach Unterabsatz 1 erteilt, kann der Anmelder dem Amt eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Mitgliedstaat vor Erlöschen des Grundpatents erteilt wurde, gemeinsam mit einem Antrag auf Wiederaufnahme der Wirkung des einheitlichen Zertifikats in diesem Mitgliedstaat vorlegen. Das Amt prüft, ob die Bedingungen gemäß Absatz 1 in Bezug auf diesen Mitgliedstaat erfüllt sind und erlässt einen Beschluss darüber, ob die Wirkung wiederaufgenommen wird.

Artikel 4

Schutzumfang

In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das einheitliche Zertifikat gewährte Schutz in allen Mitgliedstaaten, in denen dieses einheitliche Patent gilt, allein auf das Erzeugnis, das von den Genehmigungen für das Inverkehrbringen des entsprechenden Pflanzenschutzmittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel, die vor Ablauf des einheitlichen Zertifikats genehmigt wurden.

Artikel 5

Wirkungen des einheitlichen Zertifikats

1.  Das einheitliche Zertifikat gewährt die gleichen Rechte wie das Grundpatent und unterliegt in allen Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen.

2.  Ein einheitliches Zertifikat hat einen einheitlichen Charakter. Es bietet einheitlichen Schutz und entfaltet in allen Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, gleiche Wirkung. Das einheitliche Zertifikat kann nur im Hinblick auf alle diese Mitgliedstaaten beschränkt werden, übertragen oder widerrufen werden oder erlöschen.

Artikel 6

Recht auf das einheitliche Zertifikat

1.  Das Recht auf das einheitliche Zertifikat steht dem Inhaber des Grundpatents oder dem Rechtsnachfolger dieses Inhabers zu.

2.  Unbeschadet des Absatzes 1 wird, wenn ein Grundpatent für ein Erzeugnis, für das ein Dritter eine Genehmigung innehat, dem Inhaber des Grundpatents ohne Zustimmung dieses Dritten kein einheitliches Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt.

Artikel 7

Das einheitliche Zertifikat als Gegenstand des Vermögens

Ein einheitliches Zertifikat oder eine Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats als Gegenstand des Vermögens wird in jedem Mitgliedstaat, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften für das Grundpatent als Gegenstand des Vermögens, im Ganzen behandelt.

Artikel 8

Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b in einem der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, erteilt wurde, eingereicht werden.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 muss die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats dann, wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen in einem Mitgliedstaat, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, vor der Erteilung der einheitlichen Wirkung für das Grundpatent erfolgt, innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach dem Zeitpunkt der Erteilung der einheitlichen Wirkung für das Grundpatent eingereicht werden.

Artikel 9

Inhalt der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats muss Folgendes enthalten:

a)  einen Antrag auf Erteilung eines einheitlichen Zertifikats, der folgende Angaben umfasst:

i)  Name und Anschrift des Anmelders;

ii)  falls der Anmelder einen Vertreter bestellt hat, Name und Anschrift des Vertreters;

iii)  Nummer des Grundpatents sowie Bezeichnung der Erfindung;

iv)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie, falls diese nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union ist, auch Nummer und Zeitpunkt der letztgenannten Genehmigung;

(b)  eine Kopie der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b, aus der die Identität des Erzeugnisses ersichtlich ist und die insbesondere Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses gemäß Teil A Abschnitt 1 Nummern 1.1 bis 1.7 der Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission(12) oder Teil B Abschnitt 1 Nummern 1.1 bis 1.4.3 der genannten Verordnung oder gemäß gleichwertigen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats enthält, in dem die Anmeldung eingereicht wird;

(c)  wenn die Genehmigung nach Buchstabe b nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel in der Union ist, die Angabe der Identität des so genehmigten Erzeugnisses und der Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage dieses Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde, sowie eine Kopie der betreffenden Stelle des entsprechenden amtlichen Mitteilungsblatts, in dem die Genehmigung veröffentlicht wurde, oder, in Ermangelung einer solchen Veröffentlichung, jedes Dokument, das als Nachweis der Erteilung der Genehmigung, des Zeitpunkts der Genehmigung und der Identität des so genehmigten Erzeugnisses dient.

ca)   gegebenenfalls die Zustimmung des Dritten gemäß Artikel 6 Absatz 2 dieser Verordnung; [Abänd. 11]

2.  Die in diesem Artikel genannte Anmeldung wird unter Verwendung eines spezifischen Anmeldeformulars eingereicht.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für das zu verwendende Anmeldeformular zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 50 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 10

Einreichung der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

Die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats ist beim Amt einzureichen.

Artikel 11

Prüfung der Zulässigkeit der zentralisierten Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Das Amt prüft,

a)  ob die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats mit Artikel 9 im Einklang steht;

b)  ob die Anmeldung mit Artikel 8 im Einklang steht;

c)  ob die in Artikel 29 Absatz 1 genannte Anmeldegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist entrichtet wurde.

2.  Entspricht die zentralisierte Anmeldung nicht den in Absatz 1 genannten Erfordernissen, fordert das Amt den Anmelder auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Erfordernissen zu entsprechen, und legt dafür eine Frist fest.

3.  Wurde die in Absatz 1 Buchstabe c genannte Gebühr nicht oder nicht vollständig entrichtet, so teilt das Amt dies dem Anmelder mit.

4.  Erfüllt der Anmelder die Erfordernisse gemäß Absatz 1 nicht innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist, weist das Amt die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats zurück.

Artikel 12

Veröffentlichung der Anmeldung

Entspricht die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats Artikel 11 Absatz 1, veröffentlicht das Amt die Anmeldung unverzüglich im Register. [Abänd. 12]

Artikel 13

Prüfung der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Das Amt prüft die Anmeldung auf der Grundlage aller Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 1 für alle Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat. [Abänd. 13]

2.  Entsprechen die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, Artikel 3 und Artikel 6 Absatz 12 für jeden der in Absatz 1 genannten Mitgliedstaaten, stellt das Amt eine begründete positive Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich der Erteilung eines einheitlichen Zertifikats aus. Das Amt bringt dem Anmelder diese Stellungnahme zur Kenntnis und veröffentlicht sie unverzüglich im Register. [Abänd. 14]

3.  Entsprechen die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, Artikel 3 und Artikel 6 Absatz 12 in Bezug auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten nicht, stellt das Amt eine begründete negative Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich der Erteilung eines einheitlichen Zertifikats aus. Das Amt bringt dem Anmelder diese Stellungnahme zur Kenntnis und veröffentlicht sie unverzüglich im Register. [Abänd. 15]

4.  Die Stellungnahme zur Prüfung wird in die Amtssprachen aller Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, übersetzt. Das Amt kann zu diesem Zweck überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für Verfahren im Zusammenhang mit der Einreichung und für Verfahren bezüglich der Art und Weise der Prüfung von Anmeldungen einheitlicher Zertifikate durch die Prüfungsgremien sowie der Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung und der Abgabe von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 50 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 14

Bemerkungen Dritter

1.  Jede natürliche oder juristische Person kann dem Amt schriftliche Bemerkungen vorlegen, die die Zulässigkeit ergänzenden Schutzes für das Erzeugnis, auf das sich die Anmeldung bezieht in einem oder mehreren der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, betreffen.

2.  Eine natürliche oder juristische Person, die schriftliche Bemerkungen nach Absatz 1 vorgelegt hat, darf keine Verfahrensbeteiligte sein.

3.  Bemerkungen Dritter sind innerhalb von 3 Monaten nach der Veröffentlichung der Anmeldung im Register vorzulegen.

4.  Alle Bemerkungen Dritter sind schriftlich in einer der Amtssprachen der Union und unter Angabe der Gründe, auf die sich stützen, vorzulegen.

5.  Alle Bemerkungen Dritter werden dem Anmelder zur Kenntnis gebracht. Der Anmelder kann die Bemerkungen innerhalb einer vom Amt festgelegten Frist kommentieren.

Artikel 15

Widerspruch

1.  Innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der Stellungnahme zur Prüfung bezüglich einer Anmeldung des einheitlichen Zertifikats kann jede Person (im Folgenden „Widerspruchsführer“) eine Widerspruchsschrift zu dieser Stellungnahme einreichen.

2.  Ein Widerspruch kann nur dann eingelegt werden, wenn eine oder mehrere der in Artikel 3 festgelegten Bedingungen in einem oder mehreren der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, nicht erfüllt sind.

3.  Der Widerspruch ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst dann als ordnungsgemäß eingereicht, wenn die Widerspruchsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die Widerspruchsschrift enthält Folgendes:

a)  die Bezugnahmen auf die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats, gegen die Widerspruch eingelegt wird, den Namen des Inhabers und die Identifizierung des Erzeugnisses;

b)  die Angaben zum Widerspruchsführer und gegebenenfalls zu dessen Vertreter;

c)  eine Erklärung darüber, in welchem Ausmaß Widerspruch gegen die Stellungnahme zur Prüfung eingelegt wird, sowie der Gründe, auf die sich der Widerspruch stützt.

ca)   alle Beweismittel, auf die sich der Widerspruchsführer in seinem Widerspruch stützt. [Abänd. 16]

5.  Der Widerspruch wird von einem Widerspruchsgremium untersucht, das vom Amt im Einklang mit den Vorschriften eingesetzt wurde, die für Prüfungsgremien gemäß Artikel 17 gelten. Dem Widerspruchsgremium darf jedoch kein Prüfer angehören, der zuvor an dem Prüfungsgremium beteiligt war, das die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats geprüft hat.

6.  Stellt das Widerspruchsgremium fest, dass die Widerspruchsschrift Absatz 2, 3 oder 4 nicht entspricht, weist siees den Widerspruch als unzulässig zurück und teilt diesseine Entscheidung sowie die Gründe für seine Entscheidung dem Widerspruchsführer mit, sofern diesbezüglich nicht vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist für die Einreichung eines Widerspruchs Abhilfe geschaffen wird. [Abänd. 17]

7.  Die Entscheidung darüber, ob ein Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wird, wird dem Inhaber der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats zusammen mit einer Kopie der Widerspruchsschrift übermittelt.

8.  Eine Widerspruchsschrift ist unzulässig, wenn das Amt einen vorangegangenen Widerspruch wegen desselben Anspruchs in der Hauptsache bereits entschieden hat und die Entscheidung des Amtes über diesen Widerspruch bereits eine unanfechtbare Entscheidung ist.

9.  Wird der Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen, übermittelt das Amt die Widerspruchsschrift unverzüglich dem Anmelder und veröffentlicht sie im Register. Wurden mehrere Widerspruchsschriften eingereicht, übermittelt sie das Amt unverzüglich an die anderen Widerspruchsführer.

(9a)   In Fällen, in denen mehrere Widersprüche gegen eine Stellungnahme zur Prüfung eingelegt wurden, bearbeitet das Amt die Widersprüche gemeinsam und trifft für alle eingelegten Widersprüche eine einzige Entscheidung. [Abänd. 18]

10.  Das Amt trifft innerhalb von 6sechs Monaten eine Entscheidung über den Widerspruch einschließlich einer ausführlichen Begründung seiner Entscheidung, sofern die Komplexität der Sache keinen längeren Zeitraum erforderlich macht. [Abänd. 19]

11.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass kein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, weist es den Widerspruch zurück und unterrichtet den Widerspruchsführer von seiner Entscheidung, und das Amt vermerkt dies im Register. [Abänd. 20]

12.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass mindestens ein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, nimmt es eine geänderte Stellungnahme an, und das Amt vermerkt dies im Register.

(12a)   Während des gesamten Widerspruchsverfahrens, das – soweit möglich – öffentlich ist, ist für uneingeschränkte Transparenz zu sorgen. [Abänd. 21]

13.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten des Verfahrens zur Einreichung und Prüfung eines Widerspruchs festgelegt werden.

Artikel 16

Rolle der zuständigen nationalen Behörden

1.  Auf Ersuchen des Amtes kann jede zuständige nationale Behörde vom Amt als am Prüfverfahren teilnehmende Stelle ernannt werden. Sobald eine zuständige nationale Behörde im Einklang mit diesem Artikel ernannt wurde, benennt sie einen oder mehrere Prüfer, die an der Prüfung einer oder mehrerer Anmeldungen einheitlicher Zertifikate beteiligt werdenauf der Grundlage einschlägiger Fachkenntnisse und ausreichender Erfahrung, die für das zentralisierte Prüfverfahren erforderlich sind, zu beteiligen sind. [Abänd. 22]

2.  Das Amt und die zuständige nationale Behörde schließen eine Verwaltungsvereinbarung ab, bevor diese zuständige nationale Behörde als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernannt wird.

In der Vereinbarung werden die Rechte und Pflichten der Beteiligten, insbesondere die förmliche Verpflichtung der betreffenden zuständigen nationalen Behörde, diese Verordnung in Bezug auf die Prüfung von Anmeldungen einheitlicher Zertifikate einzuhalten, festgeschrieben.

3.  Das Amt kann eine zuständige nationale Behörde für 5 Jahre als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernennen. Diese Ernennung kann um weitere Zeiträume von 5 Jahren verlängert werden.

4.  Vor Ernennung einer zuständigen nationalen Behörde, vor Verlängerung der Ernennung oder vor Ablauf einer solchen Ernennung hört das Amt die betreffende zuständige nationale Behörde an.

5.  Jede gemäß diesem Artikel ernannte zuständige nationale Behörde stellt dem Amt eine Liste der einzelnen Prüfer zur Verfügung, die für die Teilnahme an Prüfungs-, Widerspruchs- und Nichtigkeitsverfahren bereitstehen. Jede dieser zuständigen nationalen Behörden aktualisiert die Liste bei Änderungen.

Artikel 17

Prüfungsgremien

1.  Die Bewertungen gemäß den Artikeln 13, 15 und 22 werden unter der Aufsicht des Amtes von einem Prüfungsgremium durchgeführt, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei Prüfer gemäß Artikel 16 Absatz 1 von zwei verschiedenen zuständigen nationalen Behörden angehören.

2.  Die Prüfer sind in der Wahrnehmung ihrer Pflichten unparteiisch und legen zum Zeitpunkt ihrer Benennung alle tatsächlichen oder vermeintlichen Interessenkonflikte dem Amt offen.

3.  Bei der Zusammenstellung des Prüfungsgremiums stellt das Amt Folgendes sicher:

a)  geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden ÄmternVorhandensein einschlägiger Fachkenntnisse und ausreichender Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten, wobei insbesondere dafür zu sorgen ist, dass mindestens eines der Mitglieder des Prüfungsgremiums über eine mindestens fünfjährige Erfahrung mit der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten verfügt; [Abänd. 23]

aa)   geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden Ämtern, sofern dies möglich ist; [Abänd. 24]

b)  die jeweilige Arbeitsbelastung der Prüfer wird berücksichtigt;

c)  höchstens einkein Prüfer ist bei einer zuständigen nationalen Behörde, die die Ausnahme nach Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung [COM(2023) 2230231] in Anspruch nimmt, beschäftigt. [Abänd. 25]

4.  Das Amt veröffentlicht eine jährliche Übersicht über die Anzahl der Verfahren, einschließlich der Verfahren zu Prüfung, Widerspruch, Beschwerde und Nichtigkeit, an denen die einzelnen zuständigen nationalen Behörden teilgenommen haben.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Kriterien für die Zusammenstellung von Gremien sowie für die Auswahl der Prüfer zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 50 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 18

Erteilung des einheitlichen Zertifikats oder Zurückweisung der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

Ist die Frist, innerhalb derer eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht werden kann, abgelaufen, ohne dass eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht wurde, oder nachdem eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen ist, trifft das Amt unverzüglich eine der folgenden Entscheidungen: [Abänd. 26]

a)  bei einer positiven Stellungnahme zur Prüfung erteilt das Amt ein einheitliches Zertifikat;

b)  bei einer negativen Stellungnahme zur Prüfung weist das Amt die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats zurück.

Das Amt unterrichtet den Anmelder unverzüglich von seiner Entscheidung. [Abänd. 27]

Artikel 19

Laufzeit des einheitlichen Zertifikats

1.  Das einheitliche Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents, nämlich dem zwanzigsten Jahrestag des Datums der Einreichung der Anmeldung für das Patent, für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.

2.  Die Laufzeit des einheitlichen Zertifikats beträgt höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.

Artikel 20

Erlöschen des einheitlichen Zertifikats

1.  Das einheitliche Zertifikat erlischt unter folgenden Umständen:

a)  am Ende des in Artikel 19 festgelegten Zeitraums;

b)  bei Verzicht des Inhabers des einheitlichen Zertifikats;

c)  bei nicht rechtzeitiger Zahlung der in Übereinstimmung mit Artikel 29 Absatz 3 festgesetzten Jahresgebühr.

2.  Wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in einem Mitgliedstaat, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, zurückgenommen, hat das Zertifikat in diesem Mitgliedstaat keine Wirkung mehr. Das Amt kann das von Amts wegen oder auf Ersuchen eines Dritten entscheiden.

Artikel 21

Nichtigkeit des einheitlichen Zertifikats

Das einheitliche Zertifikat ist unter folgenden Umständen nichtig:

a)  wenn das Zertifikat entgegen den Vorschriften des Artikels 3aus Artikel 3 und Artikel 6 Absatz 2 erteilt wurde; [Abänd. 28]

b)  wenn das Grundpatent vor Ablauf seiner gesetzlichen Laufzeit erloschen ist;

c)  wenn das Grundpatent widerrufen oder derartig beschränkt wird, dass das Erzeugnis, für welches das einheitliche Zertifikat erteilt worden ist, nicht mehr von den Ansprüchen des Grundpatents erfasst wird, oder wenn nach Erlöschen des Grundpatents Widerrufsgründe vorliegen, die den Widerruf oder die Beschränkung gerechtfertigt hätten.

Artikel 22

Handeln mit Blick auf Erklärung der Nichtigkeit

1.  Jedermann kann beim Amt einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit eines einheitlichen Zertifikats einreichen.

2.  Ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit kann nur mit der Begründung eingereicht werden, dass einer oder mehrere der in Artikel 21 festgelegten Bedingungen in einem oder mehreren der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, nicht erfüllt sind.

3.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst als ordnungsgemäß eingereicht, wenn die diesbezügliche Gebühr entrichtet worden ist.

4.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit muss Folgendes enthalten:

a)  die Bezugnahmen auf die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats, gegen die der Antrag eingereicht wird, den Namen des Inhabers und die Identifizierung des Erzeugnisses;

b)  die Angaben der in Absatz 1 genannten Person (im Folgenden „Antragsteller“) und gegebenenfalls seines Vertreters;

c)  die Angabe der Gründe, auf die sich der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit stützt.

5.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit wird von einem Nichtigkeitsgremium untersucht, das vom Amt im Einklang mit den Vorschriften für Prüfungsgremien eingesetzt wurde. Dem Nichtigkeitsgremium darf jedoch kein Prüfer angehören, der zuvor an dem Prüfungsgremium beteiligt war, das die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats geprüft hat, und – sofern zutreffend – auch kein Prüfer, der an möglichen einschlägigen Widerspruchsverfahren oder Beschwerdeverfahren beteiligt war.

6.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit ist unzulässig, wenn entweder das Amt oder ein gemäß Artikel 24 zuständiges Gericht über einen Antrag wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Beteiligten in der Hauptsache bereits entschieden hat und diese Entscheidung unanfechtbar geworden ist.

7.  Stellt das Nichtigkeitsgremium fest, dass der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit Absatz 2, 3 oder 4 nicht entspricht, weist es den Antrag als unzulässig zurück und teilt dies dem Antragsteller mit.

8.  Die Entscheidung der Zurückweisung eines Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit als unzulässig wird dem Inhaber des einheitlichen Zertifikats gemeinsam mit einer Kopie des Antrags mitgeteilt.

9.  Wird der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit nicht als unzulässig abgewiesen, übermittelt das Amt diesen Antrag unverzüglich dem Inhaber des einheitlichen Zertifikats und veröffentlicht ihn im Register. Wurden mehrere Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit eingereicht, übermittelt sie das Amt unverzüglich an die anderen Antragsteller.

10.  Das Amt trifft innerhalb von 6 Monaten eine Entscheidung über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit, sofern die Komplexität der Sache keinen längeren Zeitraum erforderlich macht.

11.  Ergibt die Untersuchung des Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit, dass eine oder mehrere der in Artikel 21 festgelegten Bedingungen erfüllt sind, wird das einheitliche Zertifikat für nichtig erklärt. Andernfalls wird der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit zurückgewiesen. Das Ergebnis wird im Register vermerkt.

12.  Die in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen des einheitlichen Zertifikats gelten In dem Umfang, in dem esdas einheitliche Zertifikat für nichtig erklärt worden ist, gelten seine in dieser Verordnung festgelegten Wirkungen als von Anfang an nicht eingetreten. [Abänd. 29]

13.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten des Verfahrens zur Erklärung der Nichtigkeit festgelegt werden.

Artikel 23

Widerklage auf Nichtigkeit eines Zertifikats

1.  Die Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit kann nur auf die in Artikel 21 geregelten Nichtigkeitsgründe gestützt werden.

2.  Das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats weist eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit ab, wenn das Amt über einen Antrag wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Beteiligten bereits eine unanfechtbar gewordene Entscheidung erlassen hat.

3.  Wird die Widerklage in einem Rechtsstreit erhoben, in dem der Inhaber des einheitlichen Zertifikats noch kein Beteiligter ist, so ist dieser Inhaber hiervon zu unterrichten und kann dem Rechtsstreit nach Maßgabe der für das zuständige Gericht geltenden Bedingungen beitreten.

4.  Das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit eines einheitlichen Zertifikats erhoben worden ist, nimmt die Prüfung der Widerklage erst dann vor, wenn entweder die betroffene Partei oder das Gericht dem Amt den Tag der Erhebung der Widerklage mitgeteilt hat. Das Amt vermerkt diese Information im Register. War beim Amt ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des einheitlichen Zertifikats bereits eingereicht worden, bevor die Widerklage erhoben wurde, wird das Gericht vom Amt hiervon unterrichtet; das Gericht setzt in diesem Fall das Verfahren so lange aus, bis abschließend über den Antrag entschieden wurde oder der Antrag zurückgezogen wird.

5.  Ist die Entscheidung eines zuständigen nationalen Gerichts über eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit eines einheitlichen Zertifikats unanfechtbar geworden, so wird eine Ausfertigung dieser Entscheidung dem Amt entweder durch das Gericht oder einen der Beteiligten des nationalen Verfahrens unverzüglich zugestellt. Das Amt oder jede andere betroffene Partei kann dazu nähere Auskünfte anfordern. Das Amt trägt einen Hinweis auf die Entscheidung im Register ein und trifft die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Tenors der Entscheidung.

6.  Das mit einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit befasste zuständige Gericht kann auf Antrag des Inhabers eines einheitlichen Zertifikats nach Anhörung der anderen Beteiligten das Verfahren aussetzen und den Beklagten auffordern, innerhalb einer zu bestimmenden Frist beim Amt die Erklärung der Nichtigkeit zu beantragen. Wird der Antrag nicht innerhalb der Frist gestellt, wird das Verfahren fortgesetzt; die Widerklage gilt als zurückgenommen. Setzt das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats das Verfahren aus, kann es für die Dauer der Aussetzung einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen treffen.

Artikel 24

Bekanntmachung des Erlöschens oder der Nichtigkeit

Erlischt ein einheitliches Zertifikat gemäß Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b oder c oder Artikel 20 Absatz 2 oder ist es gemäß den Artikeln 21 und 22 nichtig, veröffentlicht das Amt unverzüglich eine diesbezügliche Mitteilung.

Artikel 25

Umwandlung

1.  Wird die einheitliche Wirkung des Grundpatents widerrufen, während die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats noch anhängig ist, kann der Inhaber dieser Anmeldung gegen eine Gebühr die Umwandlung dieser Anmeldung in eine zentralisierte Anmeldung für Zertifikate beantragen.

2.  Ist die einheitliche Wirkung des Grundpatents widerrufen, nachdem ein einheitliches Zertifikat erteilt wurde, kann der Inhaber dieses Zertifikats gegen eine Gebühr die Umwandlung dieses einheitlichen Zertifikats in nationale Zertifikate beantragen.

3.  Ein Umwandlungsantrag kann beim Amt innerhalb von 3 Monaten nach Bekanntmachung des Widerrufs der einheitlichen Wirkung des Grundpatents eingereicht werden.

4.  Ein Umwandlungsantrag und sein Ergebnis werden im Register veröffentlicht.

5.  Das Amt überprüft, ob der Umwandlungsantrag den Erfordernissen dieses Artikels entspricht und die formalen Erfordernisse erfüllt, die in dem gemäß Absatz 8 erlassenen Durchführungsrechtsakt festgelegt sind. Sind die Erfordernisse für den Antrag nicht erfüllt, so teilt das Amt dem Antragsteller die Mängel mit. Werden die Mängel nicht innerhalb einer vom Amt festgesetzten Frist beseitigt, so weist es den Umwandlungsantrag zurück. Wird die Umwandlungsgebühr nicht innerhalb der maßgeblichen Frist von 3 Monaten gezahlt, so teilt das Amt dem Antragsteller mit, dass der Umwandlungsantrag als nicht gestellt gilt.

6.  Steht ein Antrag gemäß Absatz 1 mit Absatz 5 in Einklang, wandelt das Amt die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats in eine zentralisierte Anmeldung für Zertifikate um, in denen die Mitgliedstaaten angegeben sind, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hatte. Im Falle einer kombinierten Anmeldung wird die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hatte, der Angabe weiterer Mitgliedstaaten hinzugefügt, die bereits in der kombinierten Anmeldung aufgeführt waren.

7.  Steht ein Antrag gemäß Absatz 2 mit Absatz 5 im Einklang, übermittelt das Amt den Umwandlungsantrag an die zuständigen nationalen Behörden aller Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hatte und für die der Antrag für zulässig befunden wurde. Die zuständigen nationalen Behörden treffen Entscheidungen dementsprechend.

8.  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, in denen die Einzelheiten festgelegt sind, die ein Umwandlungsantrag der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats oder eines einheitlichen Zertifikats in eine zentralisierte Anmeldung für Zertifikate oder nationale Zertifikate zu enthalten hat. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 50 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 26

Beschwerden

1.  Alle Beteiligten in Verfahren gemäß dieser Verordnung, die durch eine Entscheidung des Amtes beschwert sind, einschließlich durch eine Stellungnahme zur Prüfung, können bei der Beschwerdekammer gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen.

2.  Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Eine Entscheidung des Amtes, gegen die kein Einspruch erhoben wurde, wird am Tag nach dem Datum des Ablaufs der in Absatz 3 genannten Beschwerdefrist wirksam.

3.  Die Beschwerde ist innerhalb von 2zwei Monaten nach Bekanntmachung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Bei einer Beschwerde wirdwerden eine schriftliche Beschwerdebegründung sowie Belege, die Grundlage dieser Begründung sind, innerhalb von vierdrei Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung vorgelegt.

Eine Antwort auf die Beschwerdebegründung ist spätestens drei Monate nach dem Tag der Vorlage der Beschwerdebegründung in Schriftform zu übermitteln. Das Amt setzt gegebenenfalls innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung der Antwort oder innerhalb von sechs Monaten nach Vorlage der Beschwerdebegründung einen Termin für die mündliche Verhandlung fest, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt. Das Amt erlässt innerhalb von drei Monaten nach der mündlichen Verhandlung oder nach der Übermittlung der Antwort auf die Beschwerdebegründung, je nachdem, was zutreffend ist, eine schriftliche Entscheidung. [Abänd. 30]

4.  Nach der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden die Beschwerdekammern über die Begründetheit der Beschwerde.

5.  Führt eine Beschwerde zu einer Entscheidung, die mit der Stellungnahme zur Prüfung nicht im Einklang steht, kannwird die Stellungnahme durch die Entscheidung der Kammern die Stellungnahme aufheben oder ändernaufgehoben oder geändert. [Abänd. 31]

6.  Eine Entscheidung der Beschwerdekammern, die hinsichtlich einer Beschwerde getroffen wurde, ist mit einer Klage wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrags über die Arbeitsweise der Union, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs bei dem Gericht der Europäischen Union innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung anfechtbar. Die Klage steht den an dem Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligten zu, soweit sie durch deren Entscheidung beschwert sind. Das Gericht kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern.

7.  Die Entscheidungen der Beschwerdekammern werden erst am Tag nach Ablauf der in Absatz 6 vorgesehenen Frist oder, wenn innerhalb dieser Frist eine Klage beim Gericht erhoben worden ist, am Tag nach deren Abweisung oder am Tag nach der Abweisung einer beim Gerichtshof der Europäischen Union eingelegten Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts wirksam. Das Amt ergreift die notwendigen Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichts oder, im Falle der Einlegung einer Beschwerde gegen dieses Urteil, des Gerichtshofs ergeben.

8.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen der Inhalt und die Form der in Absatz 3 genannten Beschwerde, das Verfahren zur Einreichung und Prüfung einer Beschwerde sowie der Inhalt und die Form der in Absatz 4 genannten Entscheidung der Beschwerdekammern festgelegt werden.

Artikel 27

Beschwerdekammern

1.  Zusätzlich zu den ihnen mit Artikel 165 der Verordnung (EU) 2017/1001 übertragenen Befugnissen sind die mit der genannten Verordnung eingesetzten Beschwerdekammern für Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtes gemäß Artikel 26 Absatz 1 zuständig.

2.  Eine Beschwerdekammer für Fragen im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten besteht aus drei Mitgliedern, von denen mindestens zwei rechtskundig sein müssen. Die Beschwerdekammer kann zwei zusätzliche Mitglieder für eine Sache hinzuziehen, wenn sie der Ansicht ist, dass die Beschaffenheit der Beschwerde dies erfordert.

3.  Für Fragen im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten gibt es keine Große Kammer im Sinne des Artikels 165 Absätze 2, 3 und 4 und des Artikels 167 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001. Entscheidungen eines einzigen Mitglieds gemäß Artikel 165 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 sind nicht möglich.

4.  Die Mitglieder der Beschwerdekammern für Fragen im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten werden im Einklang mit Artikel 166 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/1001 ernannt. Bei der Ernennung der Mitglieder der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten betreffen, sind deren frühere Erfahrungen mit ergänzenden Schutzzertifikaten oder Patentangelegenheiten gebührend zu berücksichtigen. [Abänd. 32]

(4a)   Artikel 166 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2017/1001 gilt für Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die einheitliche Zertifikate betreffen. [Abänd. 33]

Artikel 28

Übertragung von Befugnissen für Beschwerdekammern

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 49 delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten der Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten im Rahmen dieser Verordnung festgelegt werden.

Artikel 29

Gebühren

1.  Das Amt erhebt eine Gebühr für eine Anmeldung des einheitlichen Zertifikats.

2.  Das Amt erhebt eine Gebühr für Beschwerden, für Widersprüche, für Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit und für Umwandlungen.

3.  Für das einheitliche Zertifikat wird eine an das Amt zu entrichtende Jahresgebühr erhoben.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Höhe der vom Amt erhobenen Gebühren, der Fristen für deren Entrichtung sowie der diesbezüglichen Zahlungsmodalitäten zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 50 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 30

Kombinierte Anmeldungen

Eine Anmeldung des einheitlichen Zertifikats kann Teil einer kombinierten zentralisierten Anmeldung sein, mit der der Anmelder auch die Erteilung nationaler Zertifikate in den angegebenen Mitgliedstaaten gemäß dem zentralisierten Verfahren nach der Verordnung [COM(2023) 223] beantragt. In diesem Fall findet Artikel 38 jener Verordnung Anwendung.

Artikel 31

Sprache

1.  Alle Unterlagen und Informationen, die dem Amt im Zusammenhang mit den Verfahren gemäß dieser Verordnung übermittelt werden, müssen in einer der Amtssprachen der Union abgefasst sein.

2.  Für die dem Amt gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sind die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union gemäß der Verordnung Nr. 1 des Rates(13).

Artikel 32

Mitteilungen an das Amt

1.  Mitteilungen an das Amt könnenerfolgen auf elektronischem Wege erfolgen. Der Exekutivdirektor bestimmt, in welchem Umfang und unter welchen technischen Bedingungen diese Mitteilungen elektronisch übermittelt werden könnenmüssen. [Abänd. 34]

2.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter festgelegt werden.

Artikel 33

Register

1.  Mit Blick auf Anmeldungen einheitlicher Zertifikate für Pflanzenschutzmittel umfasst das gemäß Artikel 35 der Verordnung [COM(2023) 231](14) eingerichtete Register für jedes einheitliche Zertifikat oder jede Anmeldung des einheitlichen Zertifikats – sofern zutreffend – die folgenden Angaben:

a)  Name und Anschrift des Anmelders oder des Inhabers des Zertifikats;

b)  Name und die Geschäftsanschrift des Vertreters, soweit es sich nicht um einen Vertreter im Sinne des Artikels 36 Absatz 3 handelt;

c)  Anmeldung sowie Datum der Einreichung und Datum der Veröffentlichung;

d)  die Anmeldung betrifft ein Arzneimittel oder ein Pflanzenschutzmittel;

e)  Nummer des Grundpatents;

f)  Identifizierung des Erzeugnisses, für das ein einheitliches Zertifikat beantragt wird;

g)  Nummern und Zeitpunkte der Genehmigungen für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie eine Identifizierung des durch die jeweilige Genehmigung identifizierten Erzeugnisses;

h)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union;

i)  Datum und eine Zusammenfassung der vom Amt verfasstenverfasste Stellungnahme zur Prüfung für jeden der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat; [Abänd. 35]

j)  gegebenenfalls Nummer und Laufzeit des einheitlichen Zertifikats;

k)  gegebenenfalls Einreichung eines Widerspruchs, dessen Status und das und Ergebnis des Widerspruchsverfahrens, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung; [Abänd. 36]

l)  gegebenenfalls Einreichung einer Beschwerde, deren Bearbeitungsstand und das und Ergebnis des Beschwerdeverfahrens, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung; [Abänd. 37]

m)  gegebenenfalls Hinweis darauf, dass ein Zertifikat erloschen ist oder für nichtig erklärt wurde;

n)  gegebenenfalls etwaige Entscheidungen bezüglich des geografischen Geltungsbereichs des einheitlichen Zertifikats mit Blick auf eine Ausnahme gemäß Artikel 3 Absatz 5 oder Artikel 20 Absatz 2;

o)  gegebenenfalls Einreichung eines Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit und, sobald verfügbar, das Ergebnis einschlägiger Verfahren;

p)  gegebenenfalls Angaben zu einem Umwandlungsantrag sowie dessen Ausgang;

q)  Angaben zur Entrichtung von Jahresgebühren.

2.  Änderungen der in Absatz 1 genannten Informationen, einschließlich Übertragungen, werden jeweils mit dem Datum der Eintragung im Register vermerkt.

3.  Das Register sowie die in den Absätzen 1 und 2 genannten Informationen werden in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung gestellt. Für die im Register zu veröffentlichenden Informationen kann das Amt überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

4.  Der Exekutivdirektor des Amtes kann festlegen, dass andere Informationen als die in den Absätzen 1 und 2 genannten im Register vermerkt werden.

5.  Das Amt erhebt, organisiert, veröffentlicht und speichert die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Informationen, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, zu den in Absatz 7 genannten Zwecken. Das Amt sorgt dafür, dass das Register für jedermann zur Einsichtnahme einfach zugänglich ist.

6.  Das Amt stellt auf Antrag und gegen Entrichtung einer Gebühr beglaubigte oder unbeglaubigte Auszüge aus dem Register aus.

7.  Die Verarbeitung der Daten betreffend die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Angaben, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, findet zu folgenden Zwecken statt:

a)  der Verwaltung der Anmeldungen und der einheitlichen Zertifikate gemäß dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten;

b)  der Pflege des Registers und der Ermöglichung der Einsichtnahme durch öffentliche Stellen und Wirtschaftsakteure;

c)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

8.  Alle Daten, einschließlich personenbezogener Daten, betreffend die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Angaben gelten als von öffentlichem Interesse und sind für alle Dritten gebührenfrei zugänglich. Aus Gründen der Rechtssicherheit werden die Eintragungen im Register auf unbestimmte Zeit aufbewahrt.

Artikel 34

Datenbank

1.  Zusätzlich zur Verpflichtung, ein Register zu führen, sammelt das Amt alle Angaben, die von den Anmeldern oder in sonstigen Bemerkungen Dritter gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten bereitgestellt werden, und speichert diese in einer elektronischen Datenbank.

2.  Die elektronische Datenbank kann personenbezogene Daten beinhalten, die über jene hinausgehen, im Register enthalten sind, insoweit diese Angaben gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten vorgeschrieben sind. Die Sammlung, Speicherung und Verarbeitung dieser Daten dient folgenden Zwecken:

(a)  der Verwaltung der Anmeldungen und/oder Eintragungen der Zertifikate gemäß dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten;

b)  dem Zugang zu den Informationen, die erforderlich sind, um die einschlägigen Verfahren einfacher und effizienter durchzuführen;

c)  der Kommunikation mit den Anmeldern und sonstigen Dritten;

d)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

3.  Der Exekutivdirektor bestimmt die Bedingungen für den Zugang zu der elektronischen Datenbank und die Art, in der ihr Inhalt, mit Ausnahme der in Absatz 2 dieses Artikels genannten personenbezogenen Daten, aber einschließlich der in Artikel 33 Absatz 3 aufgelisteten personenbezogenen Daten, in maschinenlesbarer Form bereitgestellt werden können, einschließlich der Gebühren für den Zugang.

4.  Der Zugang zu den in Absatz 2 genannten personenbezogenen Daten wird beschränkt, und diese Daten werden nur öffentlich zugänglich gemacht, wenn der betreffende Beteiligte seine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat.

5.  Alle Daten werden auf unbestimmte Zeit aufbewahrt. Der betreffende Beteiligte kann die Löschung personenbezogener Daten aus der Datenbank jedoch 18 Monate nach Ablauf des einheitlichen Zertifikats oder gegebenenfalls nach Abschluss des einschlägigen Inter-partes-Verfahrens beantragen. Der betreffende Beteiligte hat das Recht, jederzeit die Berichtigung unrichtiger oder falscher Daten zu veranlassen.

Artikel 35

Transparenz

1.  Für Dokumente im Besitz des Amtes gilt die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(15).

2.  Der Verwaltungsrat des Amtes beschließt die Einzelheiten zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 im Zusammenhang mit der vorliegenden Verordnung.

3.  Gegen Entscheidungen des Amtes nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 kann nach Maßgabe der Artikel 228 bzw. 263 AEUV Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten oder Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union erhoben werden.

4.  Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Amt unterliegt der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(16).

Artikel 36

Vertretung

1.  Natürliche oder juristische Personen, die weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung im Europäischen Wirtschaftsraum haben, müssen in jedem durch diese Verordnung geschaffenen Verfahren mit Ausnahme der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats gemäß diesem Artikel vor dem Amt vertreten werden.

2.  Natürliche oder juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz oder einer tatsächlichen und nicht nur zum Schein bestehenden gewerblichen oder Handelsniederlassung in der Union können sich vor dem Amt durch einen ihrer Angestellten vertreten lassen.

Angestellte einer juristischen Person können auch andere juristische Personen, die mit der von diesen Angestellten vertretenen Person wirtschaftlich verbunden sind, vertreten.

Unterabsatz 2 gilt auch, wenn diese anderen juristischen Personen weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in der Union haben.

Angestellte, die natürliche oder juristische Personen vertreten, haben beim Amt auf Verlangen des Amtes oder gegebenenfalls des Verfahrensbeteiligten eine unterzeichnete Vollmacht zu den Akten einzureichen.

3.  Ein gemeinsamer Vertreter ist zu bestellen, wenn mehr als ein Anmelder oder mehr als ein Dritter gemeinsam handeln.

4.  Nur ein in der Union niedergelassener Rechtspraktiker, der als zugelassener Vertreter in Patentangelegenheiten vor nationalen Ämtern oder dem Europäischen Patentamt auftreten darf, oder ein Rechtsanwalt, der vor Gerichten oder Tribunalen eines Mitgliedstaats zugelassen ist, darf natürliche oder juristische Personen vor dem Amt vertreten.

Artikel 37

Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate

Beim Amt wird eine Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate (im Folgenden „SPC-Abteilung“) eingerichtet, die – zusätzlich zu den Zuständigkeiten gemäß den Verordnungen [COM(2023) 231] und [COM(2023) 223] – für die in der vorliegenden Verordnung und in der Verordnung [COM(2023) 222] festgelegten Durchführungsaufgaben, zuständig ist, insbesondere für Folgendes:

a)  Entgegennahme von Anmeldungen einheitlicher Zertifikate, Beschwerden und Bemerkungen Dritter sowie Aufsicht über die Prüfung;

b)  Annahme von Stellungnahmen zur Prüfung im Auftrag des Amtes in Bezug auf Anmeldungen einheitlicher Zertifikate;

c)  Treffen von Entscheidungen über Widersprüche gegen Stellungnahmen zur Prüfung;

d)  Treffen von Entscheidungen über Anträge auf Nichtigerklärung;

e)  Bearbeitung von Umwandlungsanträgen;

f)  Pflege des Registers und der Datenbank.

Artikel 38

Entscheidungen und Mitteilungen des Amtes

1.  Zu Entscheidungen des Amtes im Rahmen dieser Verordnung gehören Stellungnahmen zur Prüfung; darin werden die Gründe angegeben, auf die sich diese stützen. Sie dürfen sich nur auf Gründe stützen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Findet eine mündliche Verhandlung vor dem Amt statt, so kann die Entscheidung mündlich ergehen. Die Entscheidung oder Stellungnahme wird den Beteiligten anschließend in Schriftform zugestellt.

2.  In allen Entscheidungen, Stellungnahmen, Mitteilungen oder Bescheiden des Amtes gemäß dieser Verordnung sind die SPC-Abteilung und das einschlägige Gremium sowie die Namen des oder der zuständigen Prüfer anzugeben. Sie sind von diesen Prüfern zu unterzeichnen oder stattdessen mit einem vorgedruckten oder aufgestempelten Dienstsiegel des Amtes zu versehen. Der Exekutivdirektor kann bestimmen, dass andere Mittel zur Identifizierung der SPC-Abteilung und der zuständigen Prüfer oder eine andere Identifizierung als das Siegel verwendet werden dürfen, wenn Entscheidungen oder andere Mitteilungen über technische Kommunikationsmittel übermittelt werden.

3.  Die Entscheidungen des Amtes gemäß dieser Verordnung, die mit der Beschwerde angefochten werden können, sind mit einer schriftlichen Belehrung darüber zu versehen, dass jede Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntmachung der fraglichen Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen ist. In der Belehrung sind die Beteiligten auch auf die Bestimmungen des Artikels 26 hinzuweisen. Die Beteiligten können aus der Unterlassung der Beschwerden betreffenden Belehrung seitens des Amtes keine Ansprüche herleiten.

Artikel 39

Mündliche Verhandlung

1.  Das Amt ordnet von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten eine mündliche Verhandlung an, sofern es dies für sachdienlich erachtet.

2.  Mündliche Verhandlungen vor einem Prüfungsgremium, einem Widerspruchsgremium oder einem Nichtigkeitsgremium sind nichtöffentlich.

3.  Mündliche Verhandlungen vor den Beschwerdekammern, einschließlich der Verkündung der Entscheidung und gegebenenfalls einer überarbeiteten Stellungnahme sind öffentlich, sofern die Beschwerdekammern in Fällen, in denen eine Zulassung der Öffentlichkeit schwerwiegende und ungerechtfertigte Nachteile, insbesondere für einen Verfahrensbeteiligten, haben könnte, nicht anderweitig entscheiden.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für mündliche Verhandlungen im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 40

Beweisaufnahme

1.  In den Verfahren vor dem Amt sind insbesondere folgende Beweismittel zulässig:

a)  Vernehmung der Beteiligten;

b)  Einholung von Auskünften;

c)  Vorlegung von Urkunden und Beweisstücken;

d)  Vernehmung von Zeugen;

e)  Begutachtung durch Sachverständige;

f)  schriftliche Erklärungen, die unter Eid oder an Eides statt abgegeben werden oder nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie abgegeben werden, eine ähnliche Wirkung haben.

2.  Das befasste Gremium kann eines seiner Mitglieder mit der Durchführung der Beweisaufnahme beauftragen.

3.  Hält das Amt oder das einschlägige Gremium die mündliche Vernehmung eines Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen für erforderlich, so wird der Betroffene zu einer Vernehmung vor dem Amt geladen. Wird ein Sachverständiger geladen, so prüft das Amt oder gegebenenfalls das einschlägige Gremium, dass bei diesem Sachverständigen keine Interessenkonflikte vorliegen. Die Frist für die Ladung beträgt mindestens 1einen Monat, sofern dieseder Betroffene nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden sindist.

4.  Die Beteiligten werden von der Vernehmung eines Zeugen oder eines Sachverständigen vor dem Amt benachrichtigt. Sie sind berechtigt, an der Zeugenvernehmung teilzunehmen und Fragen an den Zeugen oder Sachverständigen zu richten.

5.  Der Exekutivdirektor setzt die Beträge der zu erstattenden Auslagen, einschließlich der Beträge etwaiger Vorschüsse, für die Kosten fest, die im Fall einer Beweisaufnahme nach diesem Artikel entstehen.

6.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 41

Zustellung

1.  Das Amt stellt von Amts wegen alle Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, und Ladungen sowie alle Bescheide oder sonstigen Mitteilungen zu, durch die eine Frist in Gang gesetzt wird oder die nach anderen Bestimmungen dieser Verordnung oder nach den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten zuzustellen sind oder für die der Exekutivdirektor die Zustellung vorgeschrieben hat.

2.  Die Zustellung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, einschließlich auf elektronischem Weg. Die Einzelheiten bezüglich des elektronischen Weges werden vom Exekutivdirektor festgelegt.

3.  Erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, bestimmt der Exekutivdirektor die Art der öffentlichen Bekanntmachung und legt den Beginn der einmonatigen Frist fest, nach deren Ablauf die Dokumente als zugestellt gelten.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 42

Fristen

1.  Die Fristen werden nach vollen Jahren, Monaten, Wochen oder Tagen berechnet. Die Berechnung beginnt an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem das relevante Ereignis eingetreten ist. Die Dauer der Fristen beträgt nicht weniger als 1 Monat und nicht mehr als 6 Monate.

2.  Der Exekutivdirektor legt vor Beginn eines jeden Kalenderjahres die Tage fest, an denen das Amt für die Entgegennahme von Dokumenten nicht geöffnet ist oder an denen gewöhnliche Postsendungen am Sitz des Amtes nicht zugestellt werden.

3.  Im Falle einer allgemeinen Unterbrechung der Postzustellung in dem Mitgliedstaat, in dem das Amt seinen Sitz hat, oder bei einer Störung des Zugangs des Amtes zu den zulässigen elektronischen Kommunikationsmitteln stellt der Exekutivdirektor die Dauer der Unterbrechung fest.

4.  Wird die Kommunikation zwischen dem Amt und den Verfahrensbeteiligten durch ein nicht vorhersehbares Ereignis wie eine Naturkatastrophe oder einen Streik unterbrochen oder gestört, kann der Exekutivdirektor bestimmen, dass für die Verfahrensbeteiligten, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ihren Wohnsitz oder Sitz haben oder einen Vertreter mit Geschäftssitz in diesem Mitgliedstaat bestellt haben, alle Fristen, die normalerweise am oder nach dem Tag des vom Exekutivdirektor festgestellten Ereigniseintritts ablaufen, bis zu einem vom Exekutivdirektor festzusetzenden Tag verlängert werden. Bei der Festsetzung dieses Tages berücksichtigt der Exekutivdirektor das voraussichtliche Ende des unvorhersehbaren Ereignisses. Ist der Sitz des Amtes von dem Ereignis betroffen, stellt der Exekutivdirektor fest, dass die Fristverlängerung für alle Verfahrensbeteiligten gilt.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen festgelegt werden.

Artikel 43

Berichtigung von Fehlern und offensichtlichen Versehen

1.  Das Amt berichtigt sprachliche Fehler oder Transkriptionsfehler und offensichtliche Versehen in seinen Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, oder technische Fehler bei der Veröffentlichung von Informationen im Register von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten.

2.  Nimmt das Amt eine Eintragung ins Register vor oder trifft es eine Entscheidung, so löscht es diese Eintragung oder widerruft diese Entscheidung, wenn die Eintragung oder die Entscheidung offensichtlich mit einem dem Amt anzulastenden Fehler behaftet ist. Die Löschung der Eintragung in das Register oder der Widerruf der Entscheidung erfolgen binnen eines Jahres ab dem Datum der Eintragung in das Register oder dem Erlass der Entscheidung nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten.

3.  Das Amt führt Aufzeichnungen über diese Berichtigungen oder Löschungen.

4.  Korrekturen und Löschungen werden vom Amt veröffentlicht.

Artikel 44

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

1.  Der Anmelder, der Inhaber des einheitlichen Zertifikats oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt gemäß dieser Verordnung Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage war, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach dieser Verordnung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsbehelfs zur unmittelbaren Folge hat.

2.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen. Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig.

3.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen anzugeben sind. Er gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die SPC-Abteilung oder gegebenenfalls die Beschwerdekammern entscheiden über den Antrag.

5.  Dieser Artikel ist nicht auf die in Absatz 2 dieses Artikels oder in Artikel 15 Absätze 1 und 3 genannten Fristen anzuwenden.

Artikel 45

Unterbrechung des Verfahrens

1.  Das Verfahren vor dem Amt im Rahmen dieser Verordnung wird unterbrochen,

a)  wenn der Anmelder oder die Person, die nach nationalem Recht berechtigt ist, im Namen des Anmelders zu handeln, stirbt oder seine bzw. ihre Geschäftsfähigkeit verliert. Solange der Tod oder der Verlust der Geschäftsfähigkeit der genannten Personen die Vertretungsbefugnis eines gemäß Artikel 36 bestellten Vertreters nicht berührt, wird das Verfahren jedoch nur auf Antrag dieses Vertreters unterbrochen;

b)  wenn der Anmelder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen;

c)  wenn der Vertreter des Anmelders stirbt, seine Geschäftsfähigkeit verliert oder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen.

2.  Das Verfahren vor dem Amt wird wieder aufgenommen, sobald die Identität der Person, die zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt ist, festgestellt ist.

3.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 49 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Amt im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 46

Kostenverteilung

1.  Der unterliegende Beteiligte im Widerspruchsverfahren, im Verfahren zur Erklärung der Nichtigkeit, einschließlich in zugehörigen Beschwerdeverfahren, trägt die von dem anderen Beteiligten entrichteten Gebühren. Der unterliegende Beteiligte trägt ebenfalls alle für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten, die dem anderen Beteiligten entstehen, einschließlich der Reise- und Aufenthaltskosten und der Kosten des Vertreters im Rahmen der Höchstsätze, die für jede Kostengruppe in dem gemäß Absatz 7 zu erlassenden Durchführungsrechtsakt festgelegt werden. Die von dem unterliegenden Beteiligten zu tragenden Gebühren beschränken sich auf die von den anderen Beteiligten in diesen Verfahren entrichteten Gebühren.

2.  Wenn die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert, beschließt die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer eine andere Kostenverteilung.

3.  Bei Abschluss des Verfahrens entscheidet die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer über die Kosten nach freiem Ermessen.

4.  Vereinbaren die Beteiligten vor der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer eine andere als die in den Absätzen 1 bis 3 vorgesehene Kostenregelung, so nimmt die betreffende Stelle diese Vereinbarung zur Kenntnis.

5.  Die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer setzt den Betrag der nach den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels zu erstattenden Kosten fest, wenn sich diese Kosten auf die an das Amt gezahlten Gebühren und die Vertretungskosten beschränken. In allen anderen Fällen setzt die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer oder die SPC-Abteilung auf Antrag den zu erstattenden Betrag fest. Der Antrag ist nur innerhalb der Frist von 2 Monaten zulässig, die mit dem Tag beginnt, an dem die Entscheidung, für die die Kostenfestsetzung beantragt wird, unanfechtbar wird; dem Antrag sind eine Kostenaufstellung und entsprechende Belege beizufügen. Für Vertretungskosten reicht eine Zusicherung des Vertreters, dass diese Kosten entstanden sind. Für sonstige Kosten genügt, dass sie nachvollziehbar dargelegt werden. Wird der Betrag der Kosten gemäß Satz 1 dieses Absatzes festgesetzt, so werden Vertretungskosten in der in dem nach Absatz 7 dieses Artikels erlassenen Durchführungsrechtsakt festgelegten Höhe gewährt, unabhängig davon, ob sie tatsächlich entstanden sind.

6.  In den nach Absatz 5 angenommenen Entscheidungen zur Kostenfestsetzung werden die Gründe angegeben, auf die sich stützen; und sie können innerhalb eines Monats ab Datum der Zustellung der Kostenfestsetzung durch eine Entscheidung der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer überprüft werden. Der Antrag gilt erst als eingereicht, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung entrichtet worden ist. Die SPC-Abteilung bzw. die Beschwerdekammer entscheidet ohne mündliches Verfahren über den Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung zur Kostenfestsetzung.

7.  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, in denen die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten im Einzelnen festgelegt werden. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 50 genannten Prüfverfahren erlassen.

8.  Bei der Festlegung der Höchstsätze in Bezug auf die Reise- und Aufenthaltskosten berücksichtigt die Kommission die Entfernung zwischen dem Wohnsitz oder Geschäftssitz des Beteiligten, Vertreters oder Zeugen oder Sachverständigen und dem Ort der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensstufe, in der die Kosten entstehen, und, soweit es um die Kosten der Vertretung geht, die Erforderlichkeit sicherzustellen, dass die Pflicht der Kostenübernahme von dem anderen Beteiligten nicht aus verfahrenstaktischen Gründen missbraucht werden kann. Ferner werden die Aufenthaltskosten gemäß dem Statut der Beamten der Union und den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union, festgelegt durch die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates(17), berechnet. Der unterliegende Beteiligte trägt lediglich die Kosten eines Verfahrensbeteiligten und gegebenenfalls eines einzigen Vertreters.

Artikel 47

Vollstreckung der Entscheidungen, die Kosten festsetzen

1.  Jede Entscheidung des Amtes, die Kosten festsetzt, ist ein vollstreckbarer Titel.

2.  Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet. Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine einzige Behörde, die für die Prüfung der Echtheit des in Absatz 1 genannten Titels zuständig ist, und teilt deren Kontaktangaben dem Amt, dem Gerichtshof und der Kommission mit. Die Vollstreckungsklausel wird von dieser Behörde nach einer Prüfung, die sich lediglich auf die Echtheit des Titels erstreckt, erteilt.

3.  Sind diese Formvorschriften auf Antrag des die Vollstreckung betreibenden Beteiligten erfüllt, so kann dieser Beteiligte die Zwangsvollstreckung nach innerstaatlichem Recht betreiben, indem er die zuständige Stelle unmittelbar anruft.

4.  Die Zwangsvollstreckung kann nur durch eine Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt werden. Für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen sind jedoch die Rechtsprechungsorgane des betreffenden Mitgliedstaats zuständig.

Artikel 48

Finanzvorschriften

1.  Die dem Amt im Zuge der Wahrnehmung zusätzlicher Aufgaben, die ihm gemäß dieser Verordnung übertragen werden, entstehenden Kosten werden durch die von den Anmeldern zu entrichtenden Verfahrensgebühren sowie einem Anteil der von Inhabern einheitlicher Zertifikate entrichteten Jahresgebühren gedeckt, während der übrige Teil der Jahresgebühren unter den Mitgliedstaaten gemäß der Zahl der einheitlichen Zertifikate, die in jedem von diesen Rechtswirkung haben, aufgeteilt wird. Der Anteil an den Jahresgebühren, der unter den Mitgliedstaaten aufzuteilen ist, wird zunächst in einer bestimmten Höhe festgesetzt, jedoch alle 5 Jahre überprüft, sodass die finanzielle Tragfähigkeit der vom Amt gemäß dieser Verordnung sowie den Verordnungen [COM(2023) 231], [COM(2023) 223] und [COM(2023) 222] ausgeführten Tätigkeiten gesichert ist.

2.  Für die Zwecke des Absatzes 1 führt das Amt Aufzeichnungen über die von den Inhabern einheitlicher Zertifikate, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten gelten, entrichteten Jahresgebühren.

3.  Die einer zuständigen nationalen Behörde für die Teilnahme an Verfahren gemäß diesem Kapitel entstehenden Kosten werden vom Amt getragen und jährlich auf der Grundlage der Zahl der Verfahren, an denen die zuständige nationale Behörde während des vorangegangenen Jahres beteiligt war, gezahlt.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Teilnahme in Absatz 3 genannter zuständiger nationaler Behörden zu entrichtende Vergütung zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 50 genannten Prüfverfahren erlassen.

5.  Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 gilt für die in Bezug auf einheitliche Zertifikate fälligen Jahresgebühren.

Artikel 49

Ausübung der Befugnisübertragung

1.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

2.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 15 Absatz 13, Artikel 22 Absatz 13, Artikel 26 Absatz 8, Artikel 28, Artikel 32 Absatz 2, Artikel 39 Absatz 4, Artikel 40 Absatz 6, Artikel 41 Absatz 4, Artikel 42 Absatz 5 und Artikel 45 Absatz 3 wird der Kommission mit Wirkung vom XXX [Amt für Veröffentlichungen: bitte Datum einfügen = Datum des Inkrafttretens] auf unbestimmte Zeit übertragen.

3.  Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 15 Absatz 13, Artikel 22 Absatz 13, Artikel 26 Absatz 8, Artikel 28, Artikel 32 Absatz 2, Artikel 39 Absatz 4, Artikel 40 Absatz 6, Artikel 41 Absatz 4, Artikel 42 Absatz 5 und Artikel 45 Absatz 3 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

4.  Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

5.  Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

6.  Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 15 Absatz 13, Artikel 22 Absatz 13, Artikel 26 Absatz 8, Artikel 28, Artikel 32 Absatz 2, Artikel 39 Absatz 4, Artikel 40 Absatz 6, Artikel 41 Absatz 4, Artikel 42 Absatz 5 und Artikel 45 Absatz 3 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Artikel 50

Ausschussverfahren

1.  Die Kommission wird von einem Ausschuss für ergänzende Schutzzertifikate unterstützt, der mit der Verordnung [COM(2023) 231] eingerichtet wurde. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

2.  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 51

Bewertung

Bis zum [Amt für Veröffentlichungen,… [Amtsblatt: bitte einfügen: fünf Jahre nach dem Tag der Anwendung] und danach alle fünf Jahre nimmt die Kommission eine Bewertung der Durchführung dieser Verordnung vor und übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die wichtigsten Feststellungen. Im Zuge dieser Bewertung beurteilt die Kommission die Durchführbarkeit und die Vorteile der Einführung eines zentralen Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel im Rahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. [Abänd. 39]

Artikel 52

Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am XXX [Amt für Veröffentlichungen – bitte Datum einsetzen – 20. Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union] in Kraft.

Sie gilt ab dem xxxxx [Amt für Veröffentlichungen – bitte Datum einsetzen: erster Tag des 12. Monats nach dem Datum des Inkrafttretens].

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am …

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Die Präsidentin Der Präsident / Die Präsidentin

(1)ABl. C […], […], S. […].
(2)ABl. C […], […], S. […].
(3)COM(2020) 760 final.
(4)Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1).
(5)Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (ABl. L 198 vom 8.8.1996, S. 30).
(6)Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. L 154 vom 16.6.2017, S. 1).
(7)Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung (ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1).
(8)Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(9)Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(10)Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1).
(11)Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973 in der am 17. Dezember 1991 und am 29. November 2000 geänderten Fassung.
(12)Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 93 vom 3.4.2013, S. 1).
(13)Verordnung Nr. 1 des Rates zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 17 vom 6.10.1958, S. 385).
(14)Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel [COM(2023) 231].
(15)Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).
(16)Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).
(17)Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (ABl. L 56 vom 4.3.1968, S. 1).


Einheitliches ergänzendes Zertifikat für Arzneimittel
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Entschließung
Konsolidierter Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Zertifikat für Arzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001, der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 und der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 (COM(2023)0222 – C9-0148/2023 – 2023/0127(COD))
P9_TA(2024)0097A9-0019/2024

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2023)0222),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 118 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0148/2023),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0019/2024),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat, der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Zertifikat für Arzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001, der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 und der Verordnung (EU) Nr. 608/2013

P9_TC1-COD(2023)0127


(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 118 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,(1)

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)  Die Forschung im pharmazeutischen Bereich trägt entscheidend zu ständigen Verbesserungen der öffentlichen Gesundheit und zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Union bei. Arzneimittel, insbesondere solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, können nur dann weiterhin in der Union entwickelt werden, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht. Es ist jedoch schwierig, einen direkten Zusammenhang zwischen einer solchen günstigen Regelung und der Wettbewerbsfähigkeit der Union herzustellen, da eine solche Regelung zwar die Attraktivität der Unionsmärkte erhöht, aber dabei der geografische Ursprung der Arzneimittel nicht berücksichtigt wird und zugelassene Arzneimittel aus Drittländern in den Genuss aller Anreize in der Union kommen können, ebenso wie innovative Unternehmen mit Sitz in der Union von Anreizen in Drittländern profitieren können. [Abänd. 1]

(2)  Durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und dessen Zulassung wird der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

(2a)   Dieser Umstand führt zu einem unzureichenden Schutz, der sich nachteilig auf die pharmazeutische Forschung auswirkt, und es besteht die Gefahr, dass in den Mitgliedstaaten angesiedelte Forschungseinrichtungen in Länder verlagert werden, die einen besseren Schutz bieten. [Abänd. 2]

(3)  Ein einheitlicher Patentschutz sowie ein Schutz durch ein ergänzendes Zertifikat innerhalb des Binnenmarkts oder zumindest eines bedeutenden Teils davon sollten zu den Rechtsinstrumenten gehören, die den pharmazeutischen Unternehmen zur Verfügung stehen.

(4)  In ihrer Mitteilung vom 25. November 2020 mit dem Titel „Das Innovationspotenzial der EU optimal nutzen – Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU“(3) hob die Kommission hervor, dass die nach wie vor bestehende Fragmentierung des Systems der Union für geistiges Eigentum angegangen werden muss. In dieser Mitteilung stellte die Kommission fest, dass für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel ergänzender Schutz nur auf nationaler Ebene verfügbar ist. Gleichzeitig gibt es ein zentralisiertes Verfahren für die Erteilung Europäischer Patente sowie ein zentralisiertes Verfahren für Zulassungen von Arzneimitteln. Darüber hinaus tritt das „einheitliche Patent“ gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(4) im Juni 2023 für die Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ratifiziert haben, in Kraft.

(5)  Mit der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 wurde die Möglichkeit geschaffen, einheitliche Patente vorzusehen. Die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 sieht jedoch kein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat (im Folgenden „einheitliches Zertifikat“) vor.

(6)  Gibt es kein einheitliches Zertifikat, könnte ein einheitliches Patent nur verlängert werden, indem nationale Zertifikate in jedem Mitgliedstaat, in dem Schutz angestrebt wird, angemeldet werden, wodurch verhindert wird, dass der Inhaber eines einheitlichen Patents während des gesamten Zeitraums mit kombiniertem Schutz, der durch dieses einheitliche Patent und im Anschluss daran durch diese Zertifikate gewährt wird, einheitlichen Schutz erhält. Daher sollte ein einheitliches Zertifikat für Arzneimittel geschaffen werden, mit dem ein einheitliches Patent auf einheitliche Weise verlängert werden könnte. Ein solches einheitliches Zertifikat sollte auf der Grundlage eines einheitlichen Grundpatents und einer zentralisierten Zulassung angemeldet werden und würde dieselben Rechtswirkungen entfalten wie nationale Zertifikate in allen Mitgliedstaaten, in denen dieses Grundpatent einheitliche Wirkung hat. Das Hauptmerkmal eines solchen einheitlichen Zertifikats sollte seine Einheitlichkeit sein.

(7)  Ein einheitliches Zertifikat sollte einheitlichen Schutz bieten und die gleiche Wirkung in allen Mitgliedstaaten entfalten, in denen das Grundpatent, auf das es sich stützt, einheitliche Wirkung hat. Folglich sollte ein einheitliches Zertifikat nur im Hinblick auf alle diese Mitgliedstaaten übertragen oder widerrufen werden bzw. auslaufen.

(8)  Die Verordnung [COM(2023) 231] ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) und enthält neue Bestimmungen zur Festlegung eines zentralisierten Verfahrens für die Prüfung von ergänzenden Schutzzertifikaten für Arzneimittel.

(9)  In Anbetracht der Tatsache, dass Erzeugnissen, die nach anderen Verfahren als dem zentralisierten Verfahren zugelassen wurden, weiterhin zusätzlicher Schutz eingeräumt werden sollte und dass einige Mitgliedstaaten dem einheitlichen Patentsystem noch nicht beigetreten sind, sollten die von den nationalen Patentämtern erteilten Zertifikate weiterhin verfügbar bleiben.

(10)  Damit eine Diskriminierung zwischen Anmeldern von Zertifikaten gemäß der Verordnung [COM(2023) 231] und von einheitlichen Zertifikaten gemäß dieser Verordnung sowie Verzerrungen des Binnenmarkts vermieden werden, sollten nach entsprechenden Anpassungen für Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 231] und für einheitliche Zertifikate, insbesondere in Bezug auf die Bedingungen für die Erteilung eines Zertifikats, sowie für die Laufzeit und die Wirkungen eines Zertifikats dieselben materiellrechtlichen Vorschriften gelten.

(11)  Insbesondere sollte die Laufzeit des durch ein einheitliches Zertifikat gewährten Schutzes mit der für nationale Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 231] vorgesehenen Laufzeit identisch sein; dies bedeutet, dass demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines einheitlichen Patents und eines einheitlichen Zertifikats ist, insgesamt höchstens 15 Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Zulassung des betreffenden Arzneimittels in der Union eingeräumt werden sollte. Da das einheitliche Zertifikat bei Erlöschen des Grundpatents wirksam würde, sollte, damit Divergenzen zwischen den nationalen Praktiken hinsichtlich des Datums des Erlöschens eines Patents, die zu Unterschieden von einem Tag führen können, Rechnung getragen wird, mit dieser Verordnung klargestellt werden, wann genau der durch ein einheitliches Zertifikat gewährte Schutz wirksam werden sollte.

(12)  Mit der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates(6) wurde gemäß deren Artikel 2 ein Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) errichtet. Im Interesse des Binnenmarkts und aufgrund des autonomen Charakters des einheitlichen Zertifikats sollte das Prüf- und Erteilungsverfahren von einer einzigen Prüfbehörde durchgeführt werden. Dies kann vom Amt erreicht werden, wenn es mit der Aufgabe betraut wird, sowohl Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten gemäß dieser Verordnung und der Verordnung [COM(2023) 221] als auch zentralisierte Anmeldungen von Zertifikaten gemäß den Verordnungen [COM(2023) 231] und [COM(2023) 223] zu prüfen. Zur Gewährleistung der Kohärenz mit dieser Verordnung sollte die Verordnung (EU) 2017/1001 geändert werden.

(13)  Ein einheitliches Zertifikat für ein Arzneimittel sollte nur auf einer zentralisierten Zulassung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates(7) oder der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates(8) beruhen. Diese Zulassungen beziehen sich auf Humanarzneimittel beziehungsweise Tierarzneimittel. Eine solche Zulassung bezieht sich im Gegensatz zu nationalen Zulassungen auf dasselbe Arzneimittel in der gesamten Union, was wiederum die Prüfung von Anmeldungen einheitlicher Zertifikate erleichtern würde.

(14)  Einem Anmelder sollte ferner gestattet werden, eine „kombinierte Anmeldung“ einzureichen, in der auch andere Mitgliedstaaten als diejenigen genannt würden, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, und in denen die Erteilung nationaler Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 231] beantragt würde. Für eine derartige kombinierte Anmeldung sollte ein einziges Prüfverfahren durchlaufen werden.

(14a)   Um unnötige administrative und finanzielle Belastungen sowohl für die Pharmaindustrie als auch für die nationalen Behörden und das Amt zu vermeiden, sollten bestimmte Maßnahmen zur Vereinfachung der Verfahren eingeführt werden. Es sollte ermöglicht werden, einheitliche und kombinierte Anmeldungen für ergänzende Schutzzertifikate auf elektronischem Wege einzureichen. Die beim Amt eingereichten Anmeldungen sollten dem Grundsatz „standardmäßig digital“ folgen und daher in elektronischer Form beim Amt eingereicht werden. Die Anmeldungen sollten auf der Grundlage der vom Anmelder gemäß dieser Verordnung eingereichten Unterlagen geprüft werden. [Abänd. 3]

(15)  In einem solchen Fall sollte ein doppelter Schutz sowohl durch ein einheitliches Zertifikat als auch durch ein nationales Zertifikat – unabhängig davon, ob er auf der Grundlage einer nationalen Anmeldung oder einer zentralisierten Anmeldung erlangt wurde – in jedem Mitgliedstaat ausgeschlossen werden.

(16)  Eine der Voraussetzungen für die Erteilung eines Zertifikats sollte darin bestehen, dass das Erzeugnis durch das Grundpatent in dem Sinne geschützt sein sollte, dass das Erzeugnis in den Geltungsbereich eines oder mehrerer Ansprüche dieses Patents fällt, so wie dieser vom Fachmann ausgelegt wird, durch dievon der fachkundigen Person im Lichte der Beschreibung und der Zeichnungen des Patents auf der Grundlage der allgemeinen Kenntnisse dieser Person in dem einschlägigen Bereich und des Stands der Technik am Tag der Einreichung fällt. Dadurchoder am Prioritätstag des Grundpatents ausgelegt wird. Dies sollte nicht zwingend vorgeschrieben seinerfordern, dass der Wirkstoff des Erzeugnisses in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wird.sein muss, oder dass im Fall einer Arzneimittelkombination sollte dadurch ebenso wenig zwingend vorgeschrieben sein, dass jeder seinerihrer Wirkstoffe in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wirdsein muss, sofern jeder von ihnen anhandWirkstoff im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben spezifischauf der Grundlage des Stands der Technik am Tag der Einreichung oder am Prioritätstag des Grundpatents in spezifischer Weise identifizierbar ist. [Abänd. 4]

(17)  Damit ein übermäßiger Schutz vermieden wird, sollte vorgesehen werden, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein entweder nationales oder einheitliches Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt sein darf. Daher sollte vorgeschrieben werden, dass das Erzeugnis oder jedes therapeutisch gleichwertige Derivat wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische, Komplexe oder Biosimilars nicht bereits Gegenstand eines früheren Zertifikats gewesen soll, und zwar weder allein noch in Kombination mit einem oder mehreren weiteren Wirkstoffen undsein darf, gleichgültig ob für dieselbe oder eine andere Anmeldungtherapeutische Indikation. [Abänd. 5]

(18)  In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes sollte sich der durch das einheitliche Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, nämlich den Wirkstoff oder Kombinationen davon erstrecken, welches von den Zulassungen erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des einheitlichen Zertifikats genehmigt wurden.

(19)  Zur Gewährleistung eines ausgewogenen Schutzes sollte jedoch ein einheitliches Zertifikat dessen Inhaber dazu berechtigen, einen Dritten daran zu hindern, nicht nur das im einheitlichen Zertifikat angegebene Erzeugnis, sondern auch dessen therapeutisch gleichwertige Derivate wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische oder Komplexe sowie Biosimilars selbst dann herzustellen, wenn diese Derivate in der Beschreibung des Erzeugnisses im einheitlichen Zertifikat nicht ausdrücklich genannt sind. Daher ist in Erwägung zu ziehen, den durch das einheitliche Zertifikat gewährten Schutz in den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes auf solche gleichwertigen Derivate auszuweiten.

(20)  Als weitere Maßnahme, mit der sichergestellt werden sollte, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt werden kann, sollte dem Inhaber von mehr als einem Patent für dasselbe Erzeugnis nicht mehr als ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden. In Fällen, in denen zwei Patente zum Schutz des Erzeugnisses von zwei Inhabern gehalten werden, sollte jedoch jedem dieser Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden können, wenn diese nachweisen können, dass sie wirtschaftlich nicht miteinander verbunden sind. Überdies sollte dem Inhaber eines Grundpatents in Bezug auf ein Erzeugnis, das einer Zulassung, die ein Dritter innehat, unterliegt, ohne dessen Zustimmung kein Zertifikat erteilt werden.

(20a)   Um ein breites Angebot an durch ergänzende Schutzzertifikate geschützten Erzeugnissen sicherzustellen, sollten die Inhaber von einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikaten dazu angehalten werden, ihre Rechte aus solchen Zertifikaten so auszuüben, dass es möglich ist, die Erzeugnisse in Märkte zu liefern, auf denen die Inhaber nicht beabsichtigen, Erzeugnisse in Verkehr zu bringen. In diesem Zusammenhang könnten die Inhaber freiwillige Lizenzvereinbarungen in Bezug auf die durch das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat gewährten Rechte in diesen Märkten treffen. Ziel ist es, die Versorgung von Lizenznehmern mit Erzeugnissen zu ermöglichen, wenn die Inhaber der einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikate beschließen, ein Produkt nicht in Verkehr zu bringen. [Abänd. 6]

(21)  Wird in der Zulassung, die für die Zwecke der Anmeldung des Zertifikats für ein biologisches Arzneimittel vorgelegt wird, dieses mit seinem internationalen Freinamen (INN) bezeichnet, so sollte sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz auf alle therapeutisch gleichwertigen ErzeugnisseBiosimilars mit demselben internationalen Freinamen wie das in der Zulassung genannte Erzeugnis ungeachtet etwaiger geringfügiger Unterschiede zwischen einem später entwickelten Biosimilar und dem zugelassenen Arzneimittel erstrecken, welche aufgrund der Beschaffenheit biologischer Erzeugnisse normalerweise unvermeidbar sind. [Abänd. 7]

(21a)   Die zügige Markteinführung von Generika und Biosimilars in der Union ist wichtig, um insbesondere den Wettbewerb anzukurbeln, die Preise zu senken und sowohl für tragfähige Gesundheitssysteme als auch für einen besseren Zugang der Patienten zu erschwinglichen Arzneimitteln zu sorgen. Wie wichtig eine zügige Markteinführung ist, hat der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 17. Juni 2016 zur Verstärkung der Ausgewogenheit der Arzneimittelsysteme in der Union und ihren Mitgliedstaaten hervorgehoben. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Rechte des geistigen Eigentums nach wie vor eine grundlegende Voraussetzung für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum im Binnenmarkt bilden. [Abänd. 8]

(22)  Die Verordnung [COM(2023) 231] sieht eine Ausnahmeregelung vor, wonach sich unter sehr genaueng definierten Umständen und unter Einhaltung verschiedener Sicherungsmaßnahmen der durch ein nationales ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel gewährte Schutz nicht auf ein Erzeugnis erstreckt, das in der Union von einer anderen Person als dem Inhaber dieses Zertifikats hergestellt würde, wenn es zum Zwecke der Ausfuhr in ein Drittland oder der Lagerungzu dem Zweck hergestellt wird, auf einen Drittlandmarkt ausgeführt zu werden, auf dem kein Schutz besteht oder dieser abgelaufen ist, oder in der Union mit dem Ziel des Eintritts in den Unionsmarkthergestellt und gelagert zu werden, um nach Ablauf des entsprechenden Zertifikats hergestellt wirdauf den Markt eines Mitgliedstaats zu gelangen (Tag-1-Markteintritt in der EU), sowie alle damit verbundenen Handlungen. Damit eine Diskriminierung zwischen Anmeldern von Zertifikaten gemäß der Verordnung [COM(2023) 231] und von einheitlichen Zertifikaten gemäß dieser Verordnung vermieden wird, sollten durch Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 231] und durch einheitliche Zertifikate ähnliche Rechte und Beschränkungen begründet werden, weshalb diesedie genannte Ausnahmeregelung auch für einheitliche Zertifikate auch verfügbar sein sollte. Die Gründe für die Einführung der Ausnahmeregelung und die Bedingungen für ihre Anwendung sollten auf einheitliche Zertifikate anwendbar sein. [Abänd. 9]

(22a)   Bei Vorliegen solcher besonderen und eng definierten Umstände sowie zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen in der Union ansässigen Herstellern und Herstellern aus Drittländern ist es angezeigt, den durch ein ergänzendes Schutzzertifikat gemäß der Verordnung (EU) 2019/933 verliehenen Schutz zu beschränken, um die Herstellung zum ausschließlichen Zweck der Ausfuhr in Drittländer und alle damit verbundenen, für die Herstellung oder die eigentliche Ausfuhr unbedingt erforderlichen Handlungen in der Union zu gestatten, wenn diese Handlungen ansonsten die Zustimmung des Zertifikatsinhabers erfordern würden („verbundene Handlungen“). Solche verbundenen Handlungen könnten beispielsweise der Besitz, die Lieferung, das Anbieten, die Einfuhr, die Verwendung oder die Synthese eines Wirkstoffes zum Zweck der Herstellung eines Arzneimittels, das dieses Erzeugnis enthält, die zeitweilige Lagerung des Erzeugnisses oder die Werbung für den ausschließlichen Zweck der Ausfuhr in Drittländer umfassen. Die Ausnahmeregelung sollte auch für verbundene Handlungen Dritter gelten, die in einem Vertragsverhältnis zu dem Hersteller stehen. [Abänd. 10]

(23)  Im Interesse der Angleichung an die für einheitliche Patente geltenden Vorschriften sollte ein einheitliches Zertifikat als Gegenstand des Vermögens in seiner Gesamtheit und in allen Mitgliedstaaten, in denen es Wirkung hat, als nationales Zertifikat desjenigen Mitgliedstaats, der im Einklang mit dem für das Grundpatent geltenden Recht bestimmt wird, behandelt werden.

(24)  Damit eine Diskriminierung zwischen Anmeldern von Zertifikaten gemäß der Verordnung [COM(2023) 231] und Anmeldern einheitlicher Zertifikate gemäß dieser Verordnung vermieden wird, sollte eine Verlängerung der Laufzeit eines Zertifikats gemäß Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(9) für einheitliche Zertifikate auch verfügbar sein. Zu diesem Zweck sollte die genannte Verordnung geändert werden.

(25)  Damit ein faires und transparentes Verfahren sowie Rechtssicherheit gewährleistet sind und das Risiko späterer Anfechtungen der Gültigkeit eingedämmt wird, sollten Dritte nach der Veröffentlichung der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten beim Amt während der Durchführung der zentralisierten Prüfung Bemerkungen einzureichen. Zu diesen Dritten, denen es gestattet ist, Bemerkungen einzureichen, sollten auch die Mitgliedstaaten gehören. Dies sollte jedoch nicht das Recht Dritter berühren, in der Folge ein Nichtigkeitsverfahren vor dem Amt einzuleiten. Diese Bestimmungen sind notwendig, damit die Einbeziehung Dritter sowohl vor als auch nach der Erteilung der Zertifikate gewährleistet ist.

(26)  Die Prüfung einer Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats sollte unter Aufsicht des Amtes von einem Prüfgremium durchgeführt werden, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei bei den nationalen Patentämtern beschäftigte Prüfer angehören. Dadurch würde sichergestellt, dass das derzeit nur bei den nationalen Ämtern vorhandene Fachwissen fürin Bezug auf ergänzende Schutzzertifikate betreffende Fragenund damit zusammenhängende Patentangelegenheiten bestmöglich genutzt wird. Damit eine optimale Qualität der Prüfung gewährleistet wird, sollten die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen, dass die benannten Prüfer über einschlägiges Fachwissen und ausreichend Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von ergänzenden Schutzzertifikaten verfügen. Zusätzliche geeignete Kriterien sollten für die Teilnahme bestimmter Prüfer am Verfahren – insbesondere in Bezug auf deren Qualifikation und auf Interessenkonflikte – festgelegt werden. [Abänd. 11]

(26a)   Um in bestimmten dringenden Fällen für einen wirksamen Schutz von Innovationen zu sorgen, unter anderem wenn der Ablauf des Grundpatents unmittelbar bevorsteht, könnte ein beschleunigtes Prüfverfahren erforderlich sein, wobei jedoch Dritte die Möglichkeit haben sollten, Bemerkungen einzureichen und von anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen. Daher sollte ein Mechanismus vorgesehen werden, der es Anmeldern ermöglicht, ein beschleunigtes Prüfverfahren zu beantragen. [Abänd. 12]

(27)  Das Amt sollte die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats prüfen und eine Stellungnahme zur Prüfung abgeben. Aus dieser Stellungnahme sollte hervorgehen, aus welchen Gründen die Stellungnahme positiv oder negativ ausfällt.

(28)  Damit die Verfahrensrechte Dritter gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen gewährleistet ist, sollten Dritte in der Lage sein, eine Stellungnahme zur Prüfung anzufechten, indem sie innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der Veröffentlichung dieser Stellungnahme ein Widerspruchsverfahren einleiten, wobei dieser Widerspruch zu einer Änderung dieser Stellungnahme führen kann.

(29)  Nach Abschluss der Prüfung einer Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats und nach Ablauf der Beschwerde- und Widerspruchsfristen oder in dem Fall, dass eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen ist, sollte das Amt die Stellungnahme zur Prüfung unverzüglich umsetzen, indem es ein einheitliches Zertifikat erteilt oder die Anmeldung gegebenenfalls ablehnt. [Abänd. 13]

(30)  Wird der Anmelder oder ein anderer Beteiligter durch eine Entscheidung des Amtes beschwert, so sollte der Anmelder oder dieser Beteiligte das Recht haben, gegen die Entscheidung innerhalb von zwei Monaten gegen eine Gebühr Beschwerde bei einer Beschwerdekammer des Amtes einzulegen, damit die Verfahrensrechte gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen sichergestellt ist. Dies gilt auch für die Stellungnahme zur Prüfung, die vom Anmelder angefochten werden kann. Die Entscheidungen dieser Beschwerdekammer sollten ihrerseits mit der Klage beim Gericht anfechtbar sein; dieses kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern. Im Falle einer kombinierten Anmeldung einschließlich der Benennung weiterer Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Erteilung nationaler Zertifikate kann ein gemeinsamer Rechtsbehelfeine gemeinsame Beschwerde eingelegt werden. [Abänd. 14]

(31)  Bei der Ernennung von Mitgliedern der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten betreffen, sollten deren einschlägiges Fachwissen, Unabhängigkeit und ausreichende frühere Erfahrungen mit ergänzenden Schutzzertifikaten oder Patentangelegenheiten berücksichtigt werden. [Abänd. 15]

(32)  Jede Person kann die Gültigkeit eines einheitlichen Zertifikats anfechten, indem sie beim Amt einen Antrag auf Nichtigerklärung einreicht.

(33)  Das Amt sollte die Möglichkeit haben, eine Gebühr für die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats und für deneinen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats im Fall von Kinderarzneimittelnfür Kinderarzneimittel gemäß Artikel 86 der Richtlinie (EU) .../... [2023/0132(COD)] sowie andere Verfahrensgebühren, z. B. für Widersprüche, Beschwerden und NichtigkeitNichtigerklärung, zu erheben. Die vom Amt erhobenen Gebühren sollten in einem Durchführungsrechtsakt festgelegt werden. [Abänd. 16]

(34)  Die (auch als Verlängerungsgebühren bezeichneten) Jahresgebühren für einheitliche Zertifikate sollten an das Amt entrichtet werden, das einen Teil davon zur Deckung der Kosten einbehalten sollte, die durch die Wahrnehmung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Erteilung von einheitlichen Zertifikaten entstehen, während der übrige Teil mit den Mitgliedstaaten geteilt wird, in denen einheitliche Zertifikate Wirkung haben.

(35)  Im Interesse der Transparenz sollte ein Register eingerichtet werden, das als zentrales Zugangsportal für Informationen über Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten sowie über erteilte einheitliche Zertifikate und deren Status dienen kann. Das Register sollte in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung stehen. Die im Register enthaltenen Informationen sollten jedoch nicht für Patent-Linkage-Praktiken verwendet werden, und Regulierungs- oder Verwaltungsentscheidungen im Zusammenhang mit Generika oder Biosimilars, wie Zulassungen, Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungsentscheidungen oder im Rahmen einer Ausschreibung eingereichte Angebote, in denen auf das Vorliegen des ergänzenden Schutzzertifikats hingewiesen wird, sollten nicht auf im Register enthaltene Informationen gestützt werden. [Abänd. 17]

(36)  Für die dem Amt im Rahmen dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sollten die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union sein, damit die Akteure in der gesamten Union auf einfache Weise einheitliche Zertifikate anmelden oder Bemerkungen Dritter einreichen können und optimale Transparenz für alle Interessenträger in der gesamten Union erreicht wird. Das Amt sollte überprüfte Übersetzungen von Dokumenten und Informationen in eine der Amtssprachen der Union akzeptieren. Das Amt kann gegebenenfalls überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

(37)  Durch Finanzvorschriften sollte sichergestellt werden, dass die am zentralisierten Verfahren beteiligten zuständigen nationalen Behörden eine angemessene Vergütung für ihre Teilnahme erhalten.

(38)  Die notwendigen Einrichtungskosten im Zusammenhang mit den dem Amt übertragenen Aufgaben, einschließlich der Kosten für neue digitale Systeme, sollten aus dem kumulierten Haushaltsüberschuss des Amtes finanziert werden.

(39)  Damit sichergestellt ist, dass die Verordnung (EU) Nr. 608/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(10) auch einheitliche Zertifikate abdeckt, sollte die genannte Verordnung geändert werden.

(40)  Zur Ergänzung bestimmter nicht wesentlicher Elemente dieser Verordnung sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu erlassen, in denen Folgendes festgelegt wird: i) der Inhalt und die Form der Beschwerdeschrift sowie der Inhalt und die Form der Entscheidung der Beschwerdekammer, ii) die die Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren über Zertifikate betreffenden Einzelheiten, iii) die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter, iv) die Modalitäten für mündliche Verfahren im Einzelnen, v) die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen, vi) die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen, vii) die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen und viii) die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens im Einzelnen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(11) niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(41)  Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf Folgendes übertragen werden: i) die zu verwendenden Anmeldeformulare; ii) die Vorschriften über die Einreichungsverfahren, die Verfahren über die Art und Weise, in der die Prüfungsgremien zentralisierte Anmeldungen prüfen und Stellungnahmen zur Prüfung abfassen, sowie die Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt, iii) die Kriterien über die Art und Weise der Einrichtung der Prüfungsgremien und die Kriterien für die Auswahl der Prüfer, iv) die Höhe der an das Amt zu entrichtenden entsprechenden Gebühren, v) die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten sowie vi) die Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Beteiligung der zuständigen nationalen Behörden zu entrichtende Vergütung. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(12) ausgeübt werden.

(42)  Die Kommission sollte über die Durchführung dieser Verordnung regelmäßig Bericht erstatten, wobei dies in Abstimmung mit den einschlägigen Vorschriften der Verordnung [COM(2023) 231] erfolgt. Die Kommission sollte die Auswirkungen eines einheitlichen ergänzenden Schutzes auf den Zugang zu Arzneimitteln regelmäßig bewerten.

(43)  Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Grundrechtecharta“) anerkannt wurden. Die Bestimmungen dieser Verordnung sollten im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden. Insbesondere zielt diese Verordnung darauf ab, sicherzustellen, dass die in Artikel 17 und 35 sowie 47 der Grundrechtecharta verankerten Rechte auf Eigentum und auf Gesundheitsvorsorge sowie das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in vollem Umfang gewahrt bleiben. Dies gilt auch für die oben genannte Ausnahmeregelung, mit der die Kernrechte aus dem Zertifikat beibehalten werden, indem diese Regelung auf die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels beschränkt wird, die nur zum Zwecke seiner Ausfuhr aus der Union oder zum Zwecke seiner Lagerung für einen begrenzten Zeitraum mit dem Ziel des Eintritts in den Unionsmarkt nach Ablauf des Schutzes erfolgt, sowie auf die Handlungen, die für eine solche Herstellung oder für die eigentliche Ausfuhr oder die eigentliche Lagerung unbedingt erforderlich sind. Angesichts dieser Grundrechte und Grundsätze geht diese Ausnahmeregelung nicht über das hinaus, was notwendig und angemessen ist, um das übergeordnete Ziel zu erreichen, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit der Union zu stärken, indem Standortverlagerungen abgewendet werden und den in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars ermöglicht wird, einerseits auf schnell wachsenden Märkten in der Welt, auf denen kein Schutz besteht oder auf denen der Schutz bereits abgelaufen ist, und andererseits zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer des Zertifikats auf dem Unionsmarkt wettbewerbsfähig zu sein.

(44)  Da die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr aufgrund des autonomen Charakters des einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats, das unabhängig von nationalen Systemen ist, auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(45)  Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725(13) angehört und hat am XXX [Amt für Veröffentlichungen: Bitte entsprechende Angaben einfügen, sobald diese verfügbar sind] eine Stellungnahme abgegeben.

(46)  Es sollten geeignete Vorkehrungen getroffen werden, um eine reibungslose Umsetzung der in dieser Verordnung vorgesehenen Vorschriften zu erleichtern. Damit dem Amt ausreichend Zeit für die Vorbereitung der operativen Einrichtung und der Einleitung des für die Erteilung von einheitlichen Zertifikaten gemäß dieser Verordnung zu verwendenden Verfahrens bleibt, sollte die Anwendung dieser Verordnung aufgeschoben werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand

In dieser Verordnung werden Vorschriften für das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat (im Folgenden „einheitliches Zertifikat“) für Arzneimittel festgelegt, die durch ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung geschützt sind und vor dem Inverkehrbringen als Arzneimittel ein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder der Verordnung (EU) 2019/6 zu durchlaufen haben.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

(1)  „Arzneimittel“ bezeichnet einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der bzw. die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet wird, sowie einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der bzw. die dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden;

(2)  „Erzeugnis“ bezeichnet den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels;

(3)  „Europäisches Patent“ bezeichnet ein Patent, das vom Europäischen Patentamt (im Folgenden „EPA“) nach den Regeln und Verfahren des Europäischen Patentübereinkommens(14) (im Folgenden „EPÜ“) erteilt wird;

(4)  „einheitliches Patent“ bezeichnet ein Europäisches Patent, das in denjenigen Mitgliedstaaten, die an der Verstärkten Zusammenarbeit gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 teilnehmen, einheitliche Wirkung hat;

(5)  „Grundpatent“ bezeichnet ein einheitliches Patent, das ein Erzeugnis als solches, ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von seinem Inhaber für das Verfahren zur Erteilung eines Zertifikats bestimmt ist;

(6)  „Antrag auf Verlängerung der Laufzeit“ bezeichnet einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines gemäß Artikel 20 Absatz 3 dieser Verordnung und Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 erteilten einheitlichen Zertifikats;

(7)  „Hersteller“ bezeichnet eine in der Union ansässige Person, in deren Namen die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer oder der Lagerung erfolgt;

(8)  „zentralisierte Anmeldung“ bezeichnet eine Anmeldung beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) gemäß Kapitel III der Verordnung [COM(2023) 231] mit Blick auf die Erteilung von Zertifikaten für das in der Anmeldung genannte Erzeugnis in den angegebenen Mitgliedstaaten;

(9)  „zuständige nationale Behörde“ bezeichnet die nationale Behörde, die in einem bestimmten Mitgliedstaat für die Erteilung von Zertifikaten und für die Zurückweisung der Anmeldung von Zertifikaten zuständig ist.

9a.   „wirtschaftlich verbunden“ bedeutet in Bezug auf unterschiedliche Inhaber von zwei oder mehr Grundpatenten, durch die dasselbe Erzeugnis geschützt wird, dass ein Inhaber direkt oder indirekt über ein oder mehrere zwischengeschaltete Unternehmen einen anderen Inhaber kontrolliert, von ihm kontrolliert wird, oder sie unter gemeinsamer Kontrolle stehen. [Abänd. 18]

Artikel 3

Bedingungen für die Erlangung des einheitlichen Zertifikats

1.  Das einheitliche Zertifikat wird auf der Grundlage eines Grundpatents vom Amt erteilt, wenn in allen Mitgliedstaaten, in den dieses Grundpatent einheitliche Wirkung hat, zum Zeitpunkt der Anmeldung die folgenden Bedingungen ausnahmslos erfüllt sind:

(a)  das Erzeugnis ist durch dieses in Kraft befindliche Grundpatent geschützt;

(b)  eine gültige Zulassung des Erzeugnisses als Arzneimittel wurde gemäß der Richtlinie (EU) … [2023/0132 (COD)], der Verordnung (EU) 2019/6 oderbzw. gemäß dem zentralisierten Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt; [Abänd. 19]

(c)  für das Erzeugnis wurde weder bereits ein Zertifikat noch ein einheitliches Zertifikat erteilt;

(d)  die unter Buchstabe b genannte Zulassung ist die erste Zulassung dieses Erzeugnisses als Arzneimittel.

2.  Verfügt ein Inhaber über mehrere Patente für dasselbe Erzeugnis, so dürfen ihm nicht mehrere Zertifikate oder einheitliche Zertifikate für dieses Erzeugnis für einen bestimmten Mitgliedstaat erteilt werden.

Sind zwei oder mehr – nationale oder zentralisierte – Anmeldungen von Zertifikaten oder Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten für dasselbe Erzeugnis, die von zwei oder mehr Inhabern unterschiedlicher Patente in einem bestimmten Mitgliedstaat eingereicht werdenwurden, anhängig, kann eine zuständige nationale Behörde bzw. das Amt jedem dieser Inhaber ein Zertifikat oder einheitliches Zertifikat erteilen, sofern sie nicht wirtschaftlich verbunden sind. Derselbe Grundsatz gilt entsprechend für Anmeldungen des Inhabers für dasselbe Erzeugnis, für das zuvor anderen Inhabern unterschiedlicher Patente ein oder mehrere Zertifikate oder einheitliche Zertifikate erteilt wurden. [Abänd. 20]

Artikel 4

Schutzumfang

In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das einheitliche Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von der Zulassung des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des einheitlichen Zertifikats zugelassen wurden.

Artikel 5

Wirkungen des einheitlichen Zertifikats

1.  Das einheitliche Zertifikat gewährt die gleichen Rechte wie das Grundpatent und unterliegt in allen Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen.

2.  Ein einheitliches Zertifikat hat einen einheitlichen Charakter. Es bietet einheitlichen Schutz und entfaltet in allen Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, gleiche Wirkung. Das einheitliche Zertifikat kann nur im Hinblick auf alle diese Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen oder widerrufen werden oder erlöschen.

3.  Abweichend von Absatz 1 schütztund gemäß der Verordnung (EU) .../... [2023/0130 COD] gewährt das einheitliche Zertifikat nicht vor bestimmtenkeinen Schutz gegen bestimmte Handlungen, die ansonsten die Zustimmung des Inhabers des einheitlichen Zertifikats erfordern würden, wenn die folgenden BedingungenVoraussetzungen ausnahmslos erfüllt sind: [Abänd. 21]

(a)  Die Handlungen schließen Folgendes ein:

i)  die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels für den Zweck der Ausfuhr in Drittländer; oder [Abänd. 22]

ii)  jede damit verbundene Handlung, die für die Herstellung in der Union oder die eigentliche Ausfuhr unbedingt erforderliche Handlung gemäß Ziffer i;erforderlich ist, oder [Abänd. 23]

iii)  die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, frühestens 6sechs Monate vor Ablauf des einheitlichen Zertifikats, um es im Herstellungsmitgliedstaat zu lagern und nach Ablauf des entsprechenden Zertifikats in den Mitgliedstaaten in Verkehr zu bringen; oder [Abänd. 24]

iv)  jede damit verbundene Handlung, die für die Herstellung in der Union gemäß Ziffer iii oder für die eigentliche Lagerung unbedingt erforderlich ist, sofern diese verbundene Handlung frühestens 6 Monate vor Ablauf des einheitlichen Zertifikats durchgeführt wird. [Abänd. 25]

(b)  Der Hersteller übermittelt durch geeignete und dokumentierte Mittel dem Amt, der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats sowie dem Inhaber des einheitlichen Zertifikats die in Absatz 6 genannten Informationen spätestens 3 Monate vor dem Datum des Beginns der Herstellung in diesem Mitgliedstaat bzw. spätestens 3 Monate vor der ersten verbundenen Handlung vor dieser Herstellung, die andernfalls durch den durch ein einheitliches Zertifikat verliehenen Schutz untersagt wäre, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt.

(c)  Ändern sich die in Absatz 6 des vorliegenden Artikels genannten Informationen, so setzt der Hersteller das Amt sowie die für den gewerblichen Rechtsschutz zuständige Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats in Kenntnis und benachrichtigt den Zertifikatsinhaber, bevor diese Änderungen wirksam werden.

(d)  Im Falle von — in Buchstabe a Ziffer i dieses Absatzes genannten — Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln, die zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer hergestellt werden, stellt der Hersteller sicher, dass an der äußeren Verpackung des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels ein Logo gemäß der Vorlage in Anhang I und, wenn durchführbar, an dessen Primärverpackung angebracht wird.

(e)  Der Hersteller erfüllt Absatz 10 dieses Artikels und, gegebenenfalls, Artikel 31 Absatz 4.

4.  Absatz 3 gilt für keine Handlung oder Tätigkeit, die der Einfuhr von Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln in die Union lediglich zum Zwecke der Umverpackung, Wiederausfuhr oder Lagerung dient.

5.  Die Informationen, die dem Inhaber des einheitlichen Zertifikats für die Zwecke des Absatzes 3 Buchstaben b und c übermittelt werden, werden ausschließlich verwendet, um zu überprüfen, ob die Anforderungen dieser Verordnung eingehalten wurden, und gegebenenfalls gerichtliche Schritte wegen Verstoßes gegen die Anforderungen einzuleiten.

6.  Für die Zwecke des Absatzes 3 Buchstabe b stellt der Hersteller folgende Informationen ausnahmslos bereit:

(a)  Name und Anschrift des Herstellers;

(b)  die Angabe, ob die Herstellung zum Zwecke der Ausfuhr, der Lagerung oder der Ausfuhr und der Lagerung erfolgt;

(c)  Mitgliedstaat, in dem die Herstellung und, je nach Sachlage, die Lagerung vorgenommen wird, und der Mitgliedstaat, in dem die etwaige erste verbundene Handlung vor dieser Herstellung vorgenommen wird;

(d)  Nummer des einheitlichen Zertifikats, das im Herstellungsmitgliedstaat Wirkung hat und die Nummer des Zertifikats oder einheitlichen Zertifikats, das in dem Mitgliedstaat der etwaigen ersten verbundenen Handlung vor dieser Herstellung erteilt wird;

(e)  bei Arzneimitteln, deren Ausfuhr in Drittländer vorgesehen ist, die Nummer der Zulassung oder etwas dieser Zulassung Gleichwertiges in jedem Ausfuhrdrittland, sobald diese öffentlich verfügbar ist.

7.  Für die Mitteilungen an das Amt und an die für den gewerblichen Rechtsschutz zuständige Behörde gemäß Absatz 3 Buchstaben b und c verwendet der Hersteller das Standardformular für die Mitteilung nach Anhang II.

8.  Werden die in Absatz 6 Buchstabe e genannten Informationen in Bezug auf ein Drittland nicht übermittelt, so wirkt sich dies nur auf Ausfuhren in dieses Drittland aus, und diese Ausfuhren fallen nicht unter die Ausnahmeregelung nach Absatz 3.

9.  Der Hersteller stellt sicher, dass die gemäß Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i hergestellten Arzneimittel kein aktives individuelles Erkennungsmerkmal im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2016/161(15) tragen.

10.  Der Hersteller trägt durch geeignete und dokumentierte Mittel dafür Sorge, dass alle Personen, die mit ihm in einem Vertragsverhältnis stehen und Handlungen nach Absatz 3 Buchstabe a vornehmen, in vollem Umfang über alle der folgenden Punkte informiert sind:

(a)  dass diese Handlungen Absatz 3 unterliegen;

(b)  dass das Inverkehrbringen, die Einfuhr oder die Wiedereinfuhr des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels gemäß Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i oder das Inverkehrbringen des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels gemäß Absatz 3 Buchstabe a Ziffer iii eine Verletzung des in diesem Absatz genannten einheitlichen Zertifikats darstellen könnten, soweit und solange dieses Zertifikat gilt.

Artikel 6

Recht auf das einheitliche Zertifikat

1.  Das Recht auf das einheitliche Zertifikat steht dem Inhaber des Grundpatents oder dem Rechtsnachfolger dieses Inhabers zu.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 wird, wenn ein Grundpatent für ein Erzeugnis, für das ein Dritter eine Zulassung innehat, dem Inhaber des Grundpatents ohne Zustimmung dieses Dritten kein einheitliches Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt.

Artikel 7

Das einheitliche Zertifikat als Gegenstand des Vermögens

Ein einheitliches Zertifikat oder eine Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats als Gegenstand des Vermögens wird in jedem Mitgliedstaat, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften für das Grundpatent als Gegenstand des Vermögens, in seiner Gesamtheit behandelt.

Artikel 8

Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats muss innerhalb einer Frist von 6 Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem für das Erzeugnis als Arzneimittel die Zulassung nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erteilt wurde, eingereicht werden.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 muss die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats dann, wenn die Zulassung vor der Erteilung der einheitlichen Wirkung für das Grundpatent erfolgt, innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach dem Zeitpunkt der Erteilung der einheitlichen Wirkung für das Grundpatent eingereicht werden.

3.  Der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit kann zum gleichen Zeitpunkt gestellt werden, zu dem ein einheitliches Zertifikat angemeldet wird oder wenn die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats anhängig ist und die entsprechenden Anforderungen des Artikels 9 Absatz 1 Buchstabe d bzw. des Artikels 9 Absatz 2 erfüllt sind.

4.  Der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines bereits erteilten einheitlichen Zertifikats ist spätestens 2 Jahre vor Ablauf des einheitlichen Zertifikats zu stellen.

(4a)   Die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats ist auf elektronischem Wege unter Verwendung der vom Amt zur Verfügung gestellten Formate einzureichen. [Abänd. 26]

Artikel 9

Inhalt der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats muss Folgendes enthalten:

(a)  einen Antrag auf Erteilung eines einheitlichen Zertifikats, der folgende Angaben umfasst:

i)  Name und Anschrift des Anmelders;

ii)  falls der Anmelder einen Vertreter bestellt hat, Name und Anschrift des Vertreters;

iii)  Nummer des Grundpatents sowie Bezeichnung der Erfindung;

iv)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Zulassung des Erzeugnisses gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie, falls diese nicht die erste Zulassung in der Union ist, auch Nummer und Zeitpunkt der letztgenannten Zulassung;

iva)   Angaben über jede direkte öffentliche finanzielle Förderung, die für Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Erzeugnisses gewährt wurde, für das die Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats beantragt wird. [Abänd. 27]

(b)  eine Kopie der Zulassung gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b, aus der die Identität des Erzeugnisses ersichtlich ist und die insbesondere Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(16) bzw. Artikel 35 der Verordnung (EU) 2019/6 enthält;

(c)  falls die in Buchstabe b genannte Zulassung nicht die erste Zulassung dieses Erzeugnisses als Arzneimittel in der Union ist, die Angabe der Identität des so zugelassenen Erzeugnisses und der Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage dieses Zulassungsverfahren durchgeführt wurde, sowie eine Kopie der betreffenden Stelle des amtlichen Mitteilungsblatts, in dem die Zulassung veröffentlicht wurde, oder, in Ermangelung einer solchen Veröffentlichung, jedes Dokument, das als Nachweis der Zulassung, des Zeitpunkts der Zulassung und der Identität des so zugelassenen Erzeugnisses dient;

(d)  falls in der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats eines Arzneimittels eine Verlängerung der Laufzeit beantragt wird:

i)  eine Kopie der Erklärung über die Übereinstimmung mit einem gebilligten und ausgeführten pädiatrischen Prüfkonzept gemäß Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006;

ii)  falls erforderlich, zusätzlich zu der Kopie der Zulassung gemäß Buchstabe b den Nachweis, dass das Erzeugnis in allen anderen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 36 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 zugelassen ist.

da)   gegebenenfalls die Zustimmung des Dritten gemäß Artikel 6 Absatz 2; [Abänd. 28]

2.  Ist eine Anmeldung des einheitlichen Zertifikats im Gange, so enthält ein Antrag auf Verlängerung der Laufzeit nach Artikel 8 Absatz 3 die in Absatz 1 Buchstabe d dieses Artikels genannten Dokumente und einen Hinweis darauf, dass eine Zertifikatsanmeldung bereits eingereicht worden ist.

3.  Der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines bereits erteilten einheitlichen Zertifikats enthält die in Absatz 1 Buchstabe d genannten Dokumente und eine Kopie des bereits erteilten Zertifikats.

4.  Die in diesem Artikel genannten Anmeldungen werden unter Verwendung eines spezifischen Anmeldeformulars eingereicht.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für das zu verwendende Anmeldeformular zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 10

Einreichung der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

Die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats und gegebenenfalls der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats ist bei dem Amt in elektronischer Form einzureichen.

Das Amt trifft die erforderlichen Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass der Austausch von Daten und Informationen auf elektronischem Wege erfolgt und die Vertraulichkeit der ausgetauschten Informationen geschützt wird. Die Bestimmungen über den regulatorischen Schutz bleiben davon unberührt. [Abänd. 29]

Artikel 11

Prüfung der Zulässigkeit der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Das Amt prüft,

(a)  ob die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats Artikel 9 entspricht;

(b)  ob die Anmeldung Artikel 8 entspricht;

(c)  ob die in Artikel 31 Absatz 1 genannte Anmeldegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist entrichtet wurde.

2.  Entspricht die zentralisierte Anmeldung nicht den in Absatz 1 genannten Erfordernissen, fordert das Amt den Anmelder auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Erfordernissen zu entsprechen, und legt dafür eine Frist fest.

3.  Wurde die in Absatz 1 Buchstabe c genannte Gebühr nicht oder nicht vollständig entrichtet, so teilt das Amt dies dem Anmelder mit.

4.  Erfüllt der Anmelder die Erfordernisse in Absatz 1 nicht innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist, weist das Amt die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats zurück.

Artikel 12

Veröffentlichung der Anmeldung

Entspricht die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats Artikel 11 Absatz 1 bzw. entspricht ein Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats Artikel 9 Absatz 3, so veröffentlicht das Amt die Anmeldung unverzüglich, spätestens jedoch fünf Werktage nach Einreichung der Anmeldung, im Register. [Abänd. 30]

Artikel 13

Prüfung der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

1.  Das Amt prüft die Anmeldung auf der Grundlage aller Bedingungen nachin Artikel 3 und Artikel 6 Absatz 1 für2 genannten Voraussetzungen in Bezug auf alle Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat. [Abänd. 31]

2.  Entsprechen die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, Artikel 3 Absatz 1 fürin Bezug auf jeden der in Absatz 1 genannten Mitgliedstaaten, den Anforderungen von Artikel 3 und Artikel 6 Absatz 2, so stellt das Amt eine begründete positive Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich der Erteilung eines einheitlichen Zertifikats aus. Das Amt bringt demsetzt den Anmelder dieseüber die elektronische Plattform von dieser Stellungnahme zurin Kenntnis und veröffentlicht sie unverzüglich im Register. [Abänd. 32]

3.  Entsprechen die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, Artikel 3 Absatz 1 in Bezug auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten nicht den Anforderungen von Artikel 3 und Artikel 6 Absatz 2, so stellt das Amt eine begründete negative Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich der Erteilung eines einheitlichen Zertifikats aus. Das Amt bringt dem Anmelder diese Stellungnahme über die elektronische Plattform zur Kenntnis und veröffentlicht sie unverzüglich im Register. [Abänd. 33]

4.  Das Amt übersetzt die Stellungnahme zur Prüfung in die Amtssprachen aller angegebenen Mitgliedstaaten. Das Amt kann zu diesem Zweck auf überprüfte Maschinenübersetzungen verwendenmaschinelle Übersetzungen zurückgreifen. Das Amt veröffentlicht die Stellungnahme zur Prüfung so bald wie möglich nach ihrer Abgabe im Register. [Abänd. 34]

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für Verfahren im Zusammenhang mit der Einreichung und für Verfahren bezüglich der Art und Weise der Prüfung von Anmeldungen einheitlicher Zertifikate durch die Prüfungsgremien sowie der Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung und der in elektronischer Form erfolgenden Abgabe von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen. [Abänd. 35]

(5a)   Innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats gibt das Amt eine Stellungnahme zur Prüfung ab. Unbeschadet der Artikel 14, 25 und 28 kann der Anmelder, wenn dies aus Gründen der Dringlichkeit hinreichend gerechtfertigt ist, einen Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren stellen. Wird der Antrag auf ein beschleunigtes Prüfverfahren als begründet erachtet, so gibt das Amt innerhalb von vier Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats eine Stellungnahme zur Prüfung ab. [Abänd. 36]

Artikel 14

Bemerkungen Dritter

1.  Jede natürliche oder juristische Person kann dembeim Amt schriftliche Bemerkungen vorlegeneinreichen, die die Zulässigkeit des ergänzenden Schutzes für das Erzeugnis, auf das sich die Anmeldung bezieht, in einem oder mehreren der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, betreffen. Diese schriftlichen Bemerkungen sind dem Amt auf elektronischem Wege zu übermitteln. [Abänd. 37]

2.  Eine natürliche oder juristische Person, die schriftliche Bemerkungen nach Absatz 1 vorgelegt hat, darf keine Verfahrensbeteiligte sein.

3.  Bemerkungen Dritter sind innerhalb von 3 Monaten nach der Veröffentlichung der Anmeldung im Register vorzulegen.

Kommt das beschleunigte Verfahren gemäß Artikel°13 Absatz°5a zur Anwendung, so sind die Bemerkungen innerhalb von sechs Wochen nach Veröffentlichung der Anmeldung im Register zu übermitteln. [Abänd. 38]

4.  Alle Bemerkungen eines Dritten sind schriftlichauf elektronischem Wege in einer der Amtssprachen der Union und unter Angabe der Gründe, auf die sich stützen, vorzulegenzu übermitteln. [Abänd. 39]

5.  Alle Bemerkungen eines Dritten werden dem Anmelder zur Kenntnis gebracht. Der Anmelder kann sich zu den Bemerkungen innerhalb einer vom Amt festgelegten Frist äußern.

Artikel 15

Widerspruch

1.  Innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der Stellungnahme zur Prüfung bezüglich einer Anmeldung des einheitlichen Zertifikats kann jede Person (im Folgenden „Widerspruchsführer“) eine Widerspruchsschrift zu dieser Stellungnahme einreichen.

2.  Ein Widerspruch kann nur dann eingelegt werden, wenn eine oder mehrere der in Artikel 3 festgelegten Bedingungen in Bezug auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, nicht erfüllt sind.

3.  Der Widerspruch ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst dann als ordnungsgemäß eingereicht, wenn die Widerspruchsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die Widerspruchsschrift enthält Folgendes:

(a)  die Bezugnahmen auf die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats, gegen die Widerspruch eingelegt wird, den Namen des Inhabers und die Identifizierung des Erzeugnisses;

(b)  die Angaben zum Widerspruchsführer und gegebenenfalls zu dessen Vertreter;

(c)  eine Erklärung darüber, in welchem Ausmaß Widerspruch gegen die Stellungnahme zur Prüfung eingelegt wird, sowie der Gründe, auf die sich der Widerspruch stützt.

ca)   alle Beweismittel, auf die der Widerspruchsführer seinen Widerspruch stützt. [Abänd. 40]

5.  Der Widerspruch wird von einem Widerspruchsgremium geprüft, das vom Amt im Einklang mit den Vorschriften eingesetzt wurde, die für Prüfungsgremien gemäß Artikel 17 gelten. Dem Widerspruchsgremium darf jedoch kein Prüfer angehören, der zuvor an dem Prüfungsgremium beteiligt war, das die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats geprüft hat.

6.  Stellt das Widerspruchsgremium fest, dass die Widerspruchsschrift den Anforderungen von Absatz 2, 3 oder 4 nicht entspricht, so weist siees den Widerspruch als unzulässig zurück und teilt diesseine Entscheidung unter Angabe der Gründe dem Widerspruchsführer so bald wie möglich nach Einreichung der Widerspruchsschrift mit, sofern diese Mängel nicht vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist für die Einreichung eines Widerspruchs beseitigt wurden. [Abänd. 41]

7.  Die Entscheidung darüber, dass ein Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wird, wird dem Inhaber der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats zusammen mit einer Kopie der Widerspruchsschrift übermittelt.

8.  Eine Widerspruchsschrift ist unzulässig, wenn das Amt einen vorangegangenen Widerspruch wegen desselben Anspruchs in der Hauptsache bereits entschieden hat und die Entscheidung des Amtes über diesen Widerspruch bereits eine unanfechtbare Entscheidung ist.

9.  Wird der Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen, übermittelt das Amt die Widerspruchsschrift unverzüglich dem Anmelder und veröffentlicht sie im Register. Wurden mehrere Widerspruchsschriften eingereicht, übermittelt sie das Amt unverzüglich an die anderen Widerspruchsführer.

(9a)   Wurden mehrere Widersprüche gegen eine Stellungnahme eingelegt, so bearbeitet das Amt die Widersprüche gemeinsam und erlässt eine einzige Entscheidung über alle eingelegten Widersprüche. [Abänd. 42]

10.  Das Amt triffterlässt innerhalb von 6sechs Monaten eine mit einer ausführlichen Begründung versehene Entscheidung über den Widerspruch, sofern die Komplexität der Sache keinen längeren Zeitraum erforderlich macht. [Abänd. 43]

11.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass kein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, weist es den Widerspruch zurück, und das Amt vermerkt dies im Register.

12.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass mindestens ein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, nimmtso gibt es eine geänderte Stellungnahme anab, und das Amt vermerkt diesveröffentlicht den vollständigen Wortlaut seiner Entscheidung im Register. [Abänd. 44]

(12a)   Während des gesamten Widerspruchsverfahrens ist für uneingeschränkte Transparenz zu sorgen und – soweit möglich – eine Beteiligung der Öffentlichkeit zuzulassen. [Abänd. 45]

(12b)   Die gesamte Kommunikation zwischen dem Amt, dem Inhaber und dem Widerspruchsführer erfolgt auf elektronischem Wege. [Abänd. 46]

13.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten des Verfahrens zur Einreichung und Prüfung eines Widerspruchs festgelegt werden.

Artikel 16

Rolle der zuständigen nationalen Behörden

1.  Auf Ersuchen des Amtes kann jede zuständige nationale Behörde vom Amt als teilnehmende Stelle am Prüfverfahren teilnehmende Behörde ernannt werden. Sobald eine zuständige nationale Behörde im Einklang mit diesem Artikel ernannt wurde, gibtbenennt sie einen oder mehrere Prüfer an, die an der Prüfung einer oder mehrerer Anmeldungen einheitlicher Zertifikate auf der Grundlage einschlägiger Fachkenntnisse und ausreichender Erfahrung, die für das zentralisierte Prüfverfahren erforderlich sind, zu beteiligen sind. [Abänd. 47]

2.  Das Amt und die zuständige nationale Behörde schließen eine Verwaltungsvereinbarung ab, bevor diese zuständige nationale Behörde als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernannt wird.

In der Vereinbarung werden die Rechte und Pflichten der Beteiligten, insbesondere die förmliche Verpflichtung der betreffenden zuständigen nationalen Behörde, diese Verordnung in Bezug auf die Prüfung von Anmeldungen einheitlicher Zertifikate einzuhalten, festgeschrieben.

3.  Das Amt kann eine zuständige nationale Behörde für 5 Jahre als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernennen. Diese Ernennung kann um jeweils 5 Jahre verlängert werden.

4.  Vor Ernennung einer zuständigen nationalen Behörde, vor Verlängerung der Ernennung oder vor Ablauf einer solchen Ernennung hört das Amt die betreffende zuständige nationale Behörde an.

5.  Jede gemäß diesem Artikel ernannte zuständige nationale Behörde stellt dem Amt eine Liste der einzelnen Prüfer zur Verfügung, die für die Teilnahme an Prüfungs-, Widerspruchs- und Nichtigkeitsverfahren bereitstehen. Jede dieser zuständigen nationalen Behörden aktualisiert die Liste bei Änderungen.

Artikel 17

Prüfungsgremien

1.  Die Bewertungen gemäß den Artikeln 13, 15, 19 und 23 werden unter der Aufsicht des Amtes von einem Prüfungsgremium durchgeführt, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei Prüfer gemäß Artikel 16 Absatz 1 von zwei verschiedenen zuständigen nationalen Behörden angehören.

2.  Die Prüfer sind in der Wahrnehmung ihrer Pflichten unparteiisch und legen zum Zeitpunkt ihrer Benennung alle tatsächlichen oder vermeintlichen Interessenkonflikte dem Amt offen.

3.  Bei der Zusammenstellung des Prüfungsgremiums stellt das Amt Folgendes sicher:

(a)  geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden StellenVorhandensein einschlägiger Fachkenntnisse und ausreichender Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten, wobei insbesondere dafür zu sorgen ist, dass mindestens eines der Mitglieder des Prüfungsgremiums über eine mindestens fünfjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten verfügt; [Abänd. 48]

aa)   geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden Behörden, sofern dies möglich ist; [Abänd.49 ]

(b)  die jeweilige Arbeitsbelastung der Prüfer wird berücksichtigt;

(c)  höchstens einkein Prüfer ist bei einer zuständigen nationalen Behörde, die die Ausnahme nach Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung [COM(2023) 231] in Anspruch nimmt, beschäftigt. [Abänd. 50]

4.  Das Amt veröffentlicht eine jährliche Übersicht über die Anzahl der Verfahren, einschließlich der Verfahren zu Prüfung, Widerspruch, Beschwerde und Nichtigkeit, an denen die einzelnen zuständigen nationalen Behörden teilgenommen haben.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Kriterien für die Zusammenstellung von Gremien sowie für die Auswahl der Prüfer zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 18

Erteilung eines einheitlichen Zertifikats oder Zurückweisung der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats

Ist die Frist, innerhalb derer eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht werden kann, abgelaufen, ohne dass eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht wurde, oder nachdemist eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen, so ist, trifft das Amt unverzüglich eine der folgenden Entscheidungen: [Abänd. 51]

(a)  bei einer positiven Stellungnahme zur Prüfung erteilt das Amt ein einheitliches Zertifikat;

(b)  bei einer negativen Stellungnahme zur Prüfung weist das Amt die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats zurück.

Das Amt teilt dem Anmelder seine Entscheidung unverzüglich mit. [Abänd. 52]

Artikel 19

Erteilung der Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats

1.  Nachdem das Amt sichergestellt hat, dass der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats mit Artikel 9 Absatz 3 in Einklang steht, bewertet es diesen Antrag auf der Grundlage der Bedingungen gemäß Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006.

2.  Dritte können auch zu einem Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats Bemerkungen oder Widersprüche einreichen. [Abänd. 53]

3.  Entspricht der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit den in Absatz 1 genannten Bedingungen, so gewährt das Amt eine Verlängerung der Laufzeit des einheitlichen Zertifikats.

4.  Entspricht der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit nicht den in Absatz 1 genannten Bedingungen, so weist das Amt den Antrag zurück.

Artikel 20

Laufzeit des einheitlichen Zertifikats

1.  Das einheitliche Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents, nämlich dem zwanzigsten Jahrestag des Datums der Einreichung der Anmeldung für das Patent, für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Zulassung in der Union entspricht, abzüglich eines Zeitraums von 5 Jahren.

2.  Die Laufzeit des einheitlichen Zertifikats beträgt höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.

3.  Die in den Absätzen 1 und 2 festgelegten Zeiträume werden im Falle der Anwendung von Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 um 6 Monate verlängert. In diesem Fall kann die in Absatz 1 dieses Artikels festgelegte Laufzeit nur einmal verlängert werden.

Artikel 21

Erlöschen des einheitlichen Zertifikats

Das einheitliche Zertifikat erlischt unter folgenden Umständen:

(a)  am Ende des in Artikel 20 festgelegten Zeitraums;

(b)  bei Verzicht des Inhabers des einheitlichen Zertifikats;

(c)  bei nicht rechtzeitiger Zahlung der in Übereinstimmung mit Artikel 31 Absatz 3 festgesetzten Jahresgebühr;

(d)  wenn und solange das durch das einheitliche Zertifikat geschützte Erzeugnis infolge Widerrufs der betreffenden Zulassung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder der Verordnung (EU) 2019/6 nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf.

Das Amt kann für die Zwecke des Unterabsatzes 1 Buchstabe d über das Erlöschen des Zertifikats von Amts wegen oder auf Antrag eines Dritten entscheiden.

Artikel 22

Nichtigkeit des einheitlichen Zertifikats

Das einheitliche Zertifikat ist unter folgenden Umständen nichtig:

(a)  das einheitliche Zertifikat wurde entgegen den Vorschriften des Artikels 3der Artikel 3 und Artikel 6 Absatz 2 erteilt; [Abänd. 54]

(b)  das Grundpatent ist vor Ablauf seiner gesetzlichen Laufzeit erloschen;

(c)  das Grundpatent wird widerrufen oder derartig beschränkt, dass das Erzeugnis, für welches das einheitliche Zertifikat erteilt worden ist, nicht mehr von den Ansprüchen des Grundpatents erfasst wird, oder es liegen nach Erlöschen des Grundpatents Widerrufsgründe vor, die den Widerruf oder die Beschränkung gerechtfertigt hätten.

Artikel 23

Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit

1.  Jede Person kann beim Amt einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit eines einheitlichen Zertifikats einreichen.

2.  Ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit kann nur mit der Begründung eingereicht werden, dass einer oder mehrere der in Artikel 22 festgelegten Bedingungen in einem oder mehreren der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, nicht erfüllt sind.

3.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit ist schriftlichauf elektronischem Wege einzureichen und zu begründen. Er gilt erst als ordnungsgemäß eingereicht, wenn die diesbezügliche Gebühr entrichtet worden ist.

4.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit muss Folgendes enthalten:

(a)  die Bezugnahmen auf die Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats, gegen die der Antrag eingereicht wird, den Namen des Inhabers und die Identifizierung des Erzeugnisses;

(b)  die Angaben der in Absatz 1 genannten Person (im Folgenden „Antragsteller“) und gegebenenfalls seines Vertreters;

(c)  die Angabe der Gründe, auf die sich der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit stützt.

5.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit wird von einem Nichtigkeitsgremium geprüft, das vom Amt im Einklang mit den Vorschriften für Prüfungsgremien eingesetzt wurde. Dem Nichtigkeitsgremium darf jedoch kein Prüfer angehören, der zuvor an dem Prüfungsgremium beteiligt war, das die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats geprüft hat, und – sofern zutreffend – auch kein Prüfer, der an möglichen einschlägigen Widerspruchsverfahren oder Beschwerdeverfahren beteiligt war.

6.  Der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit ist unzulässig, wenn entweder das Amt oder ein gemäß Artikel 24 zuständiges Gericht über einen Antrag wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Beteiligten in der Hauptsache bereits entschieden hat und diese Entscheidung unanfechtbar geworden ist.

7.  Stellt das Nichtigkeitsgremium fest, dass der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit Absatz 2, 3 oder 4 nicht entspricht, weist es den Antrag als unzulässig zurück und teilt dies dem Antragsteller mit.

8.  Die Entscheidung der Zurückweisung eines Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit als unzulässig wird dem Inhaber des einheitlichen Zertifikats gemeinsam mit einer Kopie des Antrags mitgeteilt.

9.  Wird der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit nicht als unzulässig abgewiesen, übermittelt das Amt diesen Antrag unverzüglich dem Inhaber des einheitlichen Zertifikats und veröffentlicht ihn im Register. Wurden mehrere Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit eingereicht, übermittelt sie das Amt unverzüglich an die anderen Antragsteller.

10.  Das Amt trifft innerhalb von 6 Monaten eine Entscheidung über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit, sofern die Komplexität der Sache keinen längeren Zeitraum erforderlich macht.

11.  Ergibt die Prüfung des Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit, dass eine oder mehrere der in Artikel 22 festgelegten Bedingungen erfüllt sind, wird das einheitliche Zertifikat für nichtig erklärt. Andernfalls wird der Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit zurückgewiesen. Das Ergebnis wird im Register vermerkt.

12.  Die in dieser Verordnung festgelegten Wirkungen des einheitlichen Zertifikats gelten in dem Umfang, in dem es für nichtig erklärt worden ist, als von Anfang an nicht eingetreten.

13.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten des Verfahrens zur Erklärung der Nichtigkeit festgelegt werden.

Artikel 24

Widerklage auf Nichtigkeit eines Zertifikats

1.  Die Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit kann nur auf die in Artikel 22 festgelegten Nichtigkeitsgründe gestützt werden.

2.  Das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats weist eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit ab, wenn das Amt über einen Antrag wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bereits eine unanfechtbar gewordene Entscheidung erlassen hat.

3.  Wird die Widerklage in einem Rechtsstreit erhoben, in dem der Inhaber des einheitlichen Zertifikats noch nicht Partei ist, so ist dieser Inhaber hiervon zu unterrichten und kann dem Rechtsstreit nach Maßgabe der für das zuständige Gericht geltenden Bedingungen beitreten.

4.  Das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit eines einheitlichen Zertifikats erhoben worden ist, nimmt die Prüfung der Widerklage erst dann vor, wenn entweder die betroffene Partei oder das Gericht dem Amt den Tag der Erhebung der Widerklage mitgeteilt hat. Das Amt vermerkt diese Information im Register. War beim Amt ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des einheitlichen Zertifikats bereits eingereicht worden, bevor die Widerklage erhoben wurde, wird das Gericht vom Amt hiervon unterrichtet; das Gericht setzt in diesem Fall das Verfahren so lange aus, bis abschließend über den Antrag entschieden wurde oder der Antrag zurückgezogen wird.

5.  Ist die Entscheidung eines zuständigen nationalen Gerichts über eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit eines einheitlichen Zertifikats unanfechtbar geworden, so wird eine Ausfertigung dieser Entscheidung dem Amt entweder durch das Gericht oder einer der Parteien des nationalen Verfahrens unverzüglich zugestellt. Das Amt oder jede andere betroffene Partei kann dazu nähere Auskünfte anfordern. Das Amt trägt einen Hinweis auf die Entscheidung im Register ein und trifft die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Tenors der Entscheidung.

6.  Das mit einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit befasste zuständige Gericht kann auf Antrag des Inhabers eines einheitlichen Zertifikats nach Anhörung der anderen Parteien das Verfahren aussetzen und den Beklagten auffordern, innerhalb einer zu bestimmenden Frist beim Amt die Erklärung der Nichtigkeit zu beantragen. Wird der Antrag nicht innerhalb der Frist gestellt, wird das Verfahren fortgesetzt; die Widerklage gilt als zurückgenommen. Setzt das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats das Verfahren aus, kann es für die Dauer der Aussetzung einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen treffen.

Artikel 25

Widerruf der Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats für ein Arzneimittel

1.  Das Amt kann eine Verlängerung der Laufzeit widerrufen, wenn diese entgegen den Vorschriften des Artikels 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 gewährt wurde.

2.  Jede Person kann beim Amt einen Antrag auf Widerruf der Verlängerung der Laufzeit einreichen.

Artikel 26

Bekanntmachung des Erlöschens oder der Nichtigkeit

1.  Erlischt ein einheitliches Zertifikat gemäß Artikel 21 Buchstabe b, c oder d oder ist es gemäß den Artikeln 22 und 23 nichtig, veröffentlicht das Amt unverzüglich eine diesbezügliche Mitteilung.

2.  Wird die Verlängerung der Laufzeit nach Artikel 25 widerrufen, so veröffentlicht das Amt unverzüglich eine diesbezügliche Mitteilung.

Artikel 27

Umwandlung

1.  Wird die einheitliche Wirkung des Grundpatents widerrufen, während die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats noch anhängig ist, kann der Inhaber dieser Anmeldung gegen eine Gebühr die Umwandlung dieser Anmeldung in eine zentralisierte Zertifikatsanmeldung beantragen.

2.  Wird die einheitliche Wirkung des Grundpatents widerrufen, nachdem ein einheitliches Zertifikat erteilt worden war, kann der Inhaber dieses Zertifikats gegen eine Gebühr die Umwandlung dieses einheitlichen Zertifikats in nationale Zertifikate beantragen.

3.  Ein Umwandlungsantrag kann beim Amt innerhalb von 3 Monaten nach Bekanntmachung des Widerrufs der einheitlichen Wirkung des Grundpatents eingereicht werden.

4.  Ein Umwandlungsantrag und sein Ergebnis werden im Register veröffentlicht.

5.  Das Amt überprüft, ob der Umwandlungsantrag den Erfordernissen dieses Artikels entspricht und die formalen Erfordernisse erfüllt, die in dem gemäß Absatz 8 erlassenen Durchführungsrechtsakt festgelegt sind. Sind die Erfordernisse für den Antrag nicht erfüllt, so teilt das Amt dem Antragsteller die Mängel mit. Werden die Mängel nicht innerhalb einer vom Amt festgesetzten Frist beseitigt, so weist es den Umwandlungsantrag zurück. Wird die Umwandlungsgebühr nicht innerhalb der maßgeblichen Frist von 3 Monaten entrichtet, so teilt das Amt dem Antragsteller mit, dass der Umwandlungsantrag als nicht gestellt gilt.

6.  Steht ein Antrag gemäß Absatz 1 mit Absatz 5 in Einklang, wandelt das Amt die Anmeldung des einheitlichen Zertifikats in eine zentralisierte Zertifikatsanmeldung um, worin die Mitgliedstaaten angegeben sind, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hatte. Im Falle einer kombinierten Anmeldung wird die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hatte, der Angabe weiterer Mitgliedstaaten hinzugefügt, die bereits in der kombinierten Anmeldung aufgeführt waren.

7.  Steht ein Antrag gemäß Absatz 2 mit Absatz 5 im Einklang, übermittelt das Amt den Umwandlungsantrag an die zuständigen nationalen Behörden aller Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hatte und für die der Antrag für zulässig befunden wurde. Die zuständigen nationalen Behörden treffen Entscheidungen dementsprechend.

8.  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, in denen die Einzelheiten festgelegt sind, die ein Umwandlungsantrag der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats oder eines einheitlichen Zertifikats in eine zentralisierte Zertifikatsanmeldung oder nationale Zertifikate zu enthalten hat. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 28

Beschwerden

1.  Alle Beteiligten in Verfahren gemäß dieser Verordnung, die durch eine Entscheidung des Amtes beschwert sind, einschließlich durch eine Stellungnahme zur Prüfung, können bei der Beschwerdekammer gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen.

2.  Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Eine Entscheidung des Amtes, gegen die kein Einspruch erhoben wurde, wird am Tag nach dem Datum des Ablaufs der in Absatz 3 genannten Beschwerdefrist wirksam.

3.  Die Beschwerde ist innerhalb von 2zwei Monaten nach Bekanntmachung der Entscheidung schriftlichauf elektronischem Wege beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. BeiIm Falle einer Beschwerde wirdsind eine schriftliche Beschwerdebegründung sowie die Beweismittel, auf die die Beschwerde gestützt wird, innerhalb von vierdrei Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung vorgelegtauf elektronischem Wege einzureichen.

Eine Beschwerdeerwiderung ist spätestens drei Monate nach dem Tag der Einreichung der Beschwerdebegründung in Schriftform zu übermitteln. Das Amt setzt gegebenenfalls innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung der Erwiderung oder innerhalb von sechs Monaten nach Einreichung der Beschwerdebegründung - je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt - einen Termin für die mündliche Verhandlung fest. Das Amt erlässt innerhalb von drei Monaten nach der mündlichen Verhandlung bzw. nach der Übermittlung der Beschwerdeerwiderung eine schriftliche Entscheidung. [Abänd. 56]

4.  Nach der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden die Beschwerdekammern über die Begründetheit der Beschwerde.

5.  Steht die Entscheidung überFührt eine Beschwerde nicht im Einklang mitzu einer Entscheidung, die von der Stellungnahme zur Prüfung abweicht, so wird, kann die Stellungnahme durch die Entscheidung der Kammern aufgehoben oder geändert werden. [Abänd. 57]

6.  Eine Entscheidung der Beschwerdekammern, die hinsichtlich einer Beschwerde getroffen wurde, ist mit einer Klage wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrags über die Arbeitsweise der Union, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs bei dem Gericht der Europäischen Union innerhalb von 2 Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung anfechtbar. Die Klage steht den an dem Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligten zu, soweit sie durch deren Entscheidung beschwert sind. Das Gericht kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern.

7.  Die Entscheidungen der Beschwerdekammern werden erst am Tag nach Ablauf der in Absatz 6 vorgesehenen Frist oder, wenn innerhalb dieser Frist eine Klage beim Gericht erhoben worden ist, am Tag nach deren Abweisung oder am Tag nach der Abweisung einer beim Gerichtshof der Europäischen Union eingelegten Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts wirksam. Das Amt ergreift die notwendigen Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichts oder, im Falle der Einlegung einer Beschwerde gegen dieses Urteil, des Gerichtshofs der Europäischen Union ergeben.

8.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen der Inhalt und die Form der in Absatz 3 genannten Beschwerde, das Verfahren zur Einreichung und Prüfung einer Beschwerde sowie der Inhalt und die Form der in Absatz 4 genannten Entscheidung der Beschwerdekammern festgelegt werden.

Artikel 29

Beschwerdekammern

1.  Zusätzlich zu den ihnen mit Artikel 165 der Verordnung (EU) 2017/1001 übertragenen Befugnissen sind die mit der genannten Verordnung eingesetzten Beschwerdekammern für Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtes gemäß Artikel 25 Absatz 1 zuständig.

2.  Eine Beschwerdekammer für Fragen im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten besteht aus drei Mitgliedern, von denen mindestens zwei rechtskundig sein müssen. Die Beschwerdekammer kann zwei zusätzliche Mitglieder für eine Sache hinzuziehen, wenn sie der Ansicht ist, dass die Beschaffenheit der Beschwerde dies erfordert.

3.  Für Fragen im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten gibt es keine Große Kammer im Sinne des Artikels 165 Absätze 2, 3 und 4 und des Artikels 167 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001. Entscheidungen eines einzigen Mitglieds gemäß Artikel 165 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 sind nicht möglich.

4.  In Angelegenheiten im Zusammenhang mit Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten werden die Mitglieder der Beschwerdekammern für Fragen im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten werden im Einklang mit Artikel 166 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/1001 ernannt. Bei der Ernennung der Mitglieder der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die Anmeldungen von einheitlichen Zertifikaten betreffen, sind deren frühere Erfahrungen auf dem Gebiet der ergänzenden Schutzzertifikate oder des Patentrechts gebührend zu berücksichtigen. [Abänd. 58]

(4a)   In Angelegenheiten, die einheitliche Zertifikate betreffen, findet Artikel 166 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2017/1001 auf die Beschwerdekammern Anwendung. [Abänd. 59]

Artikel 30

Übertragung von Befugnissen für Beschwerdekammern

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 54 delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten der Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikaten im Rahmen dieser Verordnung festgelegt werden.

Artikel 31

Gebühren

1.  Das Amt erhebt eine Gebühr für eine Anmeldung des einheitlichen Zertifikats und für einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit des einheitlichen Zertifikats.

2.  Das Amt erhebt eine Gebühr für Beschwerden, für Widersprüche, für Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit und für Umwandlungen.

3.  Für das einheitliche Zertifikat wird eine an das Amt zu entrichtende Jahresgebühr für die Aufrechterhaltung erhoben.

4.  Für die Mitteilungen gemäß Artikel 5 Absatz 3 Buchstaben b und c ist eine Gebühr an das Amt zu entrichten.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Höhe der vom Amt erhobenen Gebühren, der Fristen für deren Entrichtung sowie der diesbezüglichen Zahlungsweise zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 32

Kombinierte Anmeldungen

Eine Anmeldung des einheitlichen Zertifikats kann Teil einer kombinierten zentralisierten Anmeldung sein, mit der der Anmelder auch die Erteilung nationaler Zertifikate in den angegebenen Mitgliedstaaten gemäß dem zentralisierten Verfahren nach der Verordnung [COM(2023) 231] beantragt. In diesem Fall findet Artikel 39 jener Verordnung Anwendung.

Der Anmelder reicht die kombinierte zentralisierte Anmeldung auf elektronischem Wege und unter Verwendung der vom Amt bereitgestellten Formate beim Amt ein. [Abänd. 60]

Artikel 33

Sprachen

1.  Alle Unterlagen und Informationen, die dem Amt im Zusammenhang mit den Verfahren gemäß dieser Verordnung übermittelt werden, müssen in einer der Amtssprachen der Union abgefasst sein.

2.  Für die dem Amt gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sind die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union gemäß der Verordnung Nr. 1 des Rates(17).

Artikel 34

Mitteilungen an das Amt

1.  Mitteilungen an das Amt könnenerfolgen auf elektronischem Wege erfolgen. Der Exekutivdirektor bestimmt, in welchem Umfang und unter welchen technischen Bedingungen diese Mitteilungen elektronisch übermittelt werden könnenzu übermitteln sind. [Abänd. 61]

2.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter festgelegt werden.

Artikel 35

Register

1.  Mit Blick auf Anmeldungen einheitlicher Zertifikate für Arzneimittel umfasst das gemäß Artikel 35 der Verordnung [COM(2023) 231](18) eingerichtete Register für jedes einheitliche Zertifikat, jede Anmeldung des einheitlichen Zertifikats oder jeden Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats – sofern zutreffend – die folgenden Angaben:

(a)  Name und Anschrift des Antragstellers oder des Inhabers des Zertifikats;

(b)  Name und die Geschäftsanschrift des Vertreters, soweit es sich nicht um einen Vertreter im Sinne des Artikels 38 Absatz 3 handelt;

(c)  Anmeldung sowie Datum der Einreichung und Datum der Veröffentlichung;

(d)  die Anmeldung betrifft ein Arzneimittel oder ein Pflanzenschutzmittel;

(e)  gegebenenfalls die Angabe, dass die Anmeldung einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit enthält;

(f)  Nummer des Grundpatents;

(g)  Identifizierung des Erzeugnisses, für das ein einheitliches Zertifikat beantragt wird;

(h)  Nummer und Zeitpunkt der Zulassung gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie eine Identifizierung des hierin jeweils identifizierten Erzeugnisses;

(i)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Zulassung in der Union;

ia)   Informationen über jede direkte öffentliche finanzielle Förderung für Forschungstätigkeiten in Verbindung mit der Entwicklung des Erzeugnisses; [Abänd. 62]

(j)  Datum und Zusammenfassung der vom Amt verfasstenverfasste Stellungnahme zur Prüfung für jeden der Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat; [Abänd. 63]

(k)  gegebenenfalls Nummer und Laufzeit des einheitlichen Zertifikats;

(l)  gegebenenfalls Datum und Zusammenfassung der Stellungnahme zur Prüfung im Zusammenhang mit einem Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats;

(m)  gegebenenfalls Angaben über die Einreichung eines Widerspruchs, dessen Bearbeitungsstand und das und Ergebnis des Widerspruchsverfahrens, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung, falls zutreffend; [Abänd. 64]

(n)  gegebenenfalls Angaben über die Einreichung einer Beschwerde, deren Bearbeitungsstand und das und Ergebnis des Beschwerdeverfahrens, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung, falls zutreffend; [Abänd. 65]

(o)  gegebenenfalls Hinweis darauf, dass ein Zertifikat erloschen ist oder für nichtig erklärt wurde;

(p)  gegebenenfalls Einreichung eines Antrags auf Erklärung der Nichtigkeit und, sobald verfügbar, das Ergebnis des diesbezüglichen Verfahrens;

(q)  gegebenenfalls Angaben zu einem Umwandlungsantrag sowie dessen Ausgang;

(r)  Angaben zur Entrichtung von Jahresgebühren.

2.  Änderungen der Angaben nach Absatz 1, einschließlich Übertragungen, werden jeweils mit dem Datum der Eintragung im Register vermerkt.

3.  Das Register sowie die in den Absätzen 1 und 2 genannten Informationen werden in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung gestellt. Für die im Register zu veröffentlichenden Informationen kann das Amt überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

4.  Der Exekutivdirektor des Amtes kann festlegen, dass andere Angaben als die in den Absätzen 1 und 2 genannten im Register vermerkt werden.

5.  Das Amt erhebt, organisiert, veröffentlicht und speichert die in den Absätzen 1 und 2 genannten Angaben, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, zu den in Absatz 7 genannten Zwecken. Das Amt sorgt dafür, dass das Register für jedermann zur Einsichtnahme einfach zugänglich ist.

6.  Das Amt stellt auf Antrag und gegen Entrichtung einer Gebühr beglaubigte oder unbeglaubigte Auszüge aus dem Register aus.

7.  Die Verarbeitung der Daten betreffend die in den Absätzen 1 und 2 festgelegten Angaben, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, findet zu folgenden Zwecken statt:

(a)  der Verwaltung der Anmeldungen und der einheitlichen Zertifikate gemäß dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten;

(b)  der Pflege des Registers und der Ermöglichung der Einsichtnahme durch öffentliche Stellen und Wirtschaftsakteure;

(c)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

8.  Alle Daten, einschließlich personenbezogener Daten, betreffend die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Angaben gelten als von öffentlichem Interesse und sind für alle Dritten zugänglich. Aus Gründen der Rechtssicherheit werden die Eintragungen im Register auf unbestimmte Zeit aufbewahrt.

(8a)   Die im Register enthaltenen Informationen dürfen von Behörden nicht für Patent-Linkage-Praktiken verwendet werden. Regulierungs- oder Verwaltungsentscheidungen in Bezug auf Generika oder Biosimilars dürfen nicht auf Informationen aus dem Register gestützt werden. Informationen aus dem Register dürfen nicht für die Ablehnung, Aussetzung, Verzögerung, Rücknahme oder den Widerruf von Genehmigungen für das Inverkehrbringen, für Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungsentscheidungen oder für Angebote im Rahmen von Ausschreibungen verwendet werden. [Abänd. 66]

Artikel 36

Datenbank

1.  Zusätzlich zur Verpflichtung, ein Register zu führen, sammelt das Amt alle Angaben, die von den Anmeldern oder in sonstigen Bemerkungen Dritter gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten bereitgestellt werden, und speichert diese in einer elektronischen Datenbank.

2.  Die elektronische Datenbank kann personenbezogene Daten beinhalten, die über jene hinausgehen, im Register enthalten sind, insoweit diese Angaben gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten vorgeschrieben sind. Die Sammlung, Speicherung und Verarbeitung dieser Daten dient folgenden Zwecken:

(a)  der Verwaltung der Anmeldungen und/oder Eintragungen der Zertifikate gemäß dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten;

(b)  dem Zugang zu den Informationen, die erforderlich sind, um die einschlägigen Verfahren einfacher und effizienter durchzuführen;

(c)  der Kommunikation mit den Anmeldern und sonstigen Dritten;

(d)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

3.  Der Exekutivdirektor bestimmt die Bedingungen für den Zugang zu der elektronischen Datenbank und die Art, in der ihr Inhalt, mit Ausnahme der in Absatz 2 dieses Artikels genannten personenbezogenen Daten, aber einschließlich der in Artikel 35 aufgelisteten personenbezogenen Daten, in maschinenlesbarer Form bereitgestellt werden können, einschließlich der Gebühren für den Zugang.

4.  Der Zugang zu den in Absatz 2 genannten personenbezogenen Daten wird beschränkt, und diese Daten werden nur öffentlich zugänglich gemacht, wenn der betreffende Beteiligte seine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat.

5.  Alle Daten werden auf unbestimmte Zeit aufbewahrt. Der betreffende Beteiligte kann die Löschung personenbezogener Daten aus der Datenbank jedoch 18 Monate nach Ablauf des einheitlichen Zertifikats oder gegebenenfalls nach Abschluss des einschlägigen Inter-partes-Verfahrens beantragen. Der betreffende Beteiligte hat das Recht, jederzeit die Berichtigung unrichtiger oder falscher Daten zu veranlassen.

Artikel 37

Transparenz

1.  Für Dokumente im Besitz des Amtes gilt die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(19).

2.  Der Verwaltungsrat des Amtes beschließt die Einzelheiten zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 im Zusammenhang mit der vorliegenden Verordnung.

3.  Gegen Entscheidungen des Amtes nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 kann nach Maßgabe der Artikel 228 bzw. 263 AEUV Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten oder Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union erhoben werden.

4.  Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Amt unterliegt der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(20).

Artikel 38

Vertretung

1.  Natürliche oder juristische Personen, die weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung im Europäischen Wirtschaftsraum haben, müssen in jedem durch diese Verordnung geschaffenen Verfahren mit Ausnahme der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats gemäß diesem Artikel vor dem Amt vertreten werden.

2.  Natürliche oder juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz oder einer tatsächlichen und nicht nur zum Schein bestehenden gewerblichen oder Handelsniederlassung in der Union können sich vor dem Amt durch einen ihrer Angestellten vertreten lassen.

Angestellte einer juristischen Person können auch andere juristische Personen, die mit der von diesen Angestellten vertretenen Person wirtschaftlich verbunden sind, vertreten.

Unterabsatz 2 gilt auch, wenn diese anderen juristischen Personen weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in der Union haben.

Angestellte, die natürliche oder juristische Personen vertreten, haben beim Amt auf Verlangen des Amtes oder gegebenenfalls des Verfahrensbeteiligten eine unterzeichnete Vollmacht zu den Akten einzureichen.

3.  Ein gemeinsamer Vertreter ist zu bestellen, wenn mehr als ein Anmelder oder mehr als ein Dritter gemeinsam handeln.

4.  Nur ein in der Union niedergelassener Rechtspraktiker, der als zugelassener Vertreter in Patentangelegenheiten vor nationalen Ämtern oder dem Europäischen Patentamt auftreten darf, oder ein Rechtsanwalt, der vor Gerichten oder Tribunalen eines Mitgliedstaats zugelassen ist, darf natürliche oder juristische Personen vor dem Amt vertreten.

Artikel 39

Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate

Beim Amt wird eine Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate (im Folgenden „SPC-Abteilung“) eingerichtet, die – zusätzlich zu den Zuständigkeiten gemäß den Verordnungen [COM(2023) 231] und [COM(2023) 223] – für die in der vorliegenden Verordnung und in der Verordnung [COM(2023) 221] festgelegten Durchführungsaufgaben, zuständig ist, insbesondere für Folgendes:

(a)  Entgegennahme von Anmeldungen sowie Aufsicht über die Prüfung einheitlicher Zertifikate, von Anträgen auf Verlängerung der Laufzeit eines einheitlichen Zertifikats, Beschwerden und Bemerkungen Dritter;

(b)  Annahme von Stellungnahmen zur Prüfung im Auftrag des Amtes in Bezug auf Anmeldungen einheitlicher Zertifikate sowie in Bezug auf Anträge auf Verlängerung der Laufzeit einheitlicher Zertifikate;

(c)  Treffen von Entscheidungen über Widersprüche gegen Stellungnahmen zur Prüfung;

(d)  Treffen von Entscheidungen über Anträge auf Nichtigerklärung;

(e)  Bearbeitung von Umwandlungsanträgen;

(f)  Pflege des Registers und der Datenbank.

Artikel 40

Entscheidungen und Mitteilungen des Amtes

1.  ZuIn Entscheidungen des Amtes im Rahmen dieser Verordnung, zu denen auch gehören Stellungnahmen zur Prüfung; darin werden gehören, sind die Gründe angegebenanzugeben, auf die sich diese stützensie gestützt werden. Sie dürfen sich nur auf Gründe stützengestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Findet eine mündliche Verhandlung vor dem Amt statt, so kann die Entscheidung mündlich ergehen. Die Entscheidung oder Stellungnahme wird den Beteiligten anschließend in Schriftform zugestelltauf elektronischem Wege übermittelt. [Abänd. 67]

2.  In allen Entscheidungen, Stellungnahmen, Mitteilungen oder Bescheiden des Amtes gemäß dieser Verordnung sind die SPC-Abteilung und das einschlägige Gremium sowie die Namen des oder der zuständigen Prüfer anzugeben. Sie sind von diesen Prüfern zu unterzeichnen oder stattdessen mit einem vorgedruckten oder aufgestempelten Dienstsiegel des Amtes zu versehen. Der Exekutivdirektor kann bestimmen, dass andere Mittel zur Identifizierung der SPC-Abteilung und der zuständigen Prüfer oder eine andere Identifizierung als das Siegel verwendet werden dürfen, wenn Entscheidungen oder andere Mitteilungen über technische Kommunikationsmittel übermittelt werden.

3.  Die Entscheidungen des Amtes gemäß dieser Verordnung, die mit der Beschwerde angefochten werden können, sind mit einer schriftlichen Belehrung darüber zu versehen, dass jedeeine Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntmachung der fraglichen Entscheidung schriftlichauf elektronischem Wege beim Amt einzulegen ist. In der Belehrung sind die Beteiligten auch auf die Bestimmungen des Artikels 28 hinzuweisen. Die Beteiligten können aus der Unterlassung der Beschwerden betreffenden BelehrungRechtsbehelfsbelehrung seitens des Amtes keine Ansprüche herleiten. [Abänd. 68]

Artikel 41

Mündliche Verhandlung

1.  Das Amt ordnet von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten eine mündliche Verhandlung an, sofern es dies für sachdienlich erachtet.

2.   Mündliche Verhandlungen vor einem Prüfungsgremium, einem Widerspruchsgremium oder einem Nichtigkeitsgremium sind nichtöffentlich. [Abänd. 69]

3.  Die mündliche Verhandlungen vorVerhandlung vor einem Prüfungsgremium, einem Widerspruchsgremium oder den Beschwerdekammern, einschließlich der Verkündung der Entscheidung und gegebenenfalls einer überarbeiteten Stellungnahme, ist sind öffentlich, sofern das Prüfungsgremium, das Widerspruchsgremium oder die Beschwerdekammern in Fällen, in denen eine Zulassung der Öffentlichkeit zur gesamten oder zu einem Teil der mündlichen Verhandlung schwerwiegende und ungerechtfertigte Nachteile, insbesondere für einen Verfahrensbeteiligten, haben könnte, nicht anderweitig entscheiden. [Abänd. 70]

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für mündliche Verhandlungen im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 42

Beweisaufnahme

1.  In den Verfahren vor dem Amt sind insbesondere folgende Beweismittel zulässig:

(a)  Vernehmung der Beteiligten;

(b)  Einholung von Auskünften;

(c)  Vorlegung von Urkunden und Beweisstücken;

(d)  Vernehmung von Zeugen;

(e)  Begutachtung durch Sachverständige;

(f)  schriftliche Erklärungen, die unter Eid oder an Eides statt abgegeben werden oder nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie abgegeben werden, eine ähnliche Wirkung haben.

2.  Das befasste Gremium kann eines seiner Mitglieder mit der Durchführung der Beweisaufnahme beauftragen.

3.  Hält das Amt oder das einschlägige Gremium die mündliche Vernehmung eines Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen für erforderlich, so wird der Betroffene zu einer Vernehmung vor dem Amt geladen. Wird ein Sachverständiger geladen, so vergewissert sich das Amt bzw. das einschlägige Gremium, dass bei diesem kein Interessenkonflikt vorliegt. Die Frist für die Ladung beträgtmuss mindestens 1 Monat betragen, es sei denn, die geladene Person ist, sofern diese nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden sind. [Abänd. 71]

4.  Die Beteiligten werden von der Vernehmung eines Zeugen oder eines Sachverständigen vor dem Amt benachrichtigt. Sie sind berechtigt, an der Zeugenvernehmung teilzunehmen und Fragen an den Zeugen oder Sachverständigen zu richten.

5.  Der Exekutivdirektor setzt die Beträge der zu erstattenden Auslagen, einschließlich der Beträge etwaiger Vorschüsse, für die Kosten fest, die im Fall einer Beweisaufnahme nach diesem Artikel entstehen.

6.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 43

Zustellung

1.  Das Amt stellt von Amts wegen alle Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, und Ladungen sowie alle Bescheide oder sonstigen Mitteilungen zu, durch die eine Frist in Gang gesetzt wird oder die nach anderen Bestimmungen dieser Verordnung oder nach den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten zuzustellen sind oder für die der Exekutivdirektor die Zustellung vorgeschrieben hat.

2.  Die Zustellung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, einschließlich auf elektronischem Weg. Die Einzelheiten bezüglich des elektronischen Weges werden vom Exekutivdirektor festgelegt.

3.  Erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, bestimmt der Exekutivdirektor die Art der öffentlichen Bekanntmachung und legt den Beginn der einmonatigen Frist fest, nach deren Ablauf die Dokumente als zugestellt gelten.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 44

Fristen

1.  Die Fristen werden nach vollen Jahren, Monaten, Wochen oder Tagen berechnet. Die Berechnung beginnt an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem das relevante Ereignis eingetreten ist. Die Dauer der Fristen beträgt nicht weniger als 1 Monat und nicht mehr als 6 Monate.

2.  Der Exekutivdirektor legt vor Beginn eines jeden Kalenderjahres die Tage fest, an denen das Amt für die Entgegennahme von Dokumenten nicht geöffnet ist oder an denen gewöhnliche Postsendungen am Sitz des Amtes nicht zugestellt werden.

3.  Im Falle einer allgemeinen Unterbrechung der Postzustellung in dem Mitgliedstaat, in dem das Amt seinen Sitz hat, oder bei einer Störung des Zugangs des Amtes zu den zulässigen elektronischen Kommunikationsmitteln stellt der Exekutivdirektor die Dauer der Unterbrechung fest.

4.  Wird die Kommunikation zwischen dem Amt und den Verfahrensbeteiligten durch ein nicht vorhersehbares Ereignis wie eine Naturkatastrophe oder einen Streik unterbrochen oder gestört, kann der Exekutivdirektor bestimmen, dass für die Verfahrensbeteiligten, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ihren Wohnsitz oder Sitz haben oder einen Vertreter mit Geschäftssitz in diesem Mitgliedstaat bestellt haben, alle Fristen, die normalerweise am oder nach dem Tag des vom Exekutivdirektor festgestellten Ereigniseintritts ablaufen, bis zu einem vom Exekutivdirektor festzusetzenden Tag verlängert werden. Bei der Festsetzung dieses Tages berücksichtigt der Exekutivdirektor das voraussichtliche Ende des unvorhersehbaren Ereignisses. Ist der Sitz des Amtes von dem Ereignis betroffen, stellt der Exekutivdirektor fest, dass die Fristverlängerung für alle Verfahrensbeteiligten gilt.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen festgelegt werden.

Artikel 45

Berichtigung von Fehlern und offensichtlichen Versehen

1.  Das Amt berichtigt sprachliche Fehler oder Transkriptionsfehler und offensichtliche Versehen in seinen Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, oder technische Fehler bei der Veröffentlichung von Informationen im Register von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten.

2.  Nimmt das Amt eine Eintragung ins Register vor oder trifft es eine Entscheidung, so löscht es diese Eintragung oder widerruft diese Entscheidung, wenn die Eintragung oder die Entscheidung offensichtlich mit einem dem Amt anzulastenden Fehler behaftet ist. Die Löschung der Eintragung in das Register oder der Widerruf der Entscheidung erfolgen binnen eines Jahres ab dem Datum der Eintragung in das Register oder dem Erlass der Entscheidung nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten.

3.  Das Amt führt Aufzeichnungen über diese Berichtigungen oder Löschungen.

4.  Korrekturen und Löschungen werden vom Amt veröffentlicht.

Artikel 46

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

1.  Der Anmelder, der Inhaber des einheitlichen Zertifikats oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt gemäß dieser Verordnung Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage war, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach dieser Verordnung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsbehelfs zur unmittelbaren Folge hat.

2.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlichauf elektronischem Wege einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen. Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig. [Abänd. 72]

3.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen anzugeben sind. Er gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die SPC-Abteilung oder gegebenenfalls die Beschwerdekammern entscheiden über den Antrag.

5.  Dieser Artikel ist nicht auf die in Absatz 2 dieses Artikels oder in Artikel 15 Absätze 1 und 3 genannten Fristen anzuwenden.

Artikel 47

Unterbrechung des Verfahrens

1.  Das Verfahren vor dem Amt im Rahmen dieser Verordnung wird unterbrochen,

(a)  wenn der Anmelder oder die Person, die nach nationalem Recht berechtigt ist, im Namen des Anmelders zu handeln, stirbt oder seine bzw. ihre Geschäftsfähigkeit verliert. Solange der Tod oder der Verlust der Geschäftsfähigkeit der genannten Personen die Vertretungsbefugnis eines gemäß Artikel 39 bestellten Vertreters nicht berührt, wird das Verfahren jedoch nur auf Antrag dieses Vertreters unterbrochen;

(b)  wenn der Anmelder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen;

(c)  wenn der Vertreter des Anmelders stirbt, seine Geschäftsfähigkeit verliert oder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen.

2.  Das Verfahren vor dem Amt wird wieder aufgenommen, sobald die Identität der Person, die zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt ist, festgestellt ist.

3.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Amt im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 48

Kostenverteilung

1.  Der unterliegende Beteiligte im Widerspruchsverfahren, im Verfahren zur Erklärung der Nichtigkeit, einschließlich in zugehörigen Beschwerdeverfahren, trägt die von dem anderen Beteiligten entrichteten Gebühren. Der unterliegende Beteiligte trägt ebenfalls alle für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten, die dem anderen Beteiligten entstehen, einschließlich der Reise- und Aufenthaltskosten und der Kosten des Vertreters im Rahmen der Höchstsätze, die für jede Kostengruppe in dem gemäß Absatz 7 zu erlassenden Durchführungsrechtsakt festgelegt werden. Die von dem unterliegenden Beteiligten zu tragenden Gebühren beschränken sich auf die von den anderen Beteiligten in diesen Verfahren entrichteten Gebühren.

2.  Wenn die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert, beschließt die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer eine andere Kostenverteilung.

3.  Bei Abschluss des Verfahrens entscheidet die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer über die Kosten nach freiem Ermessen.

4.  Vereinbaren die Beteiligten vor der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer eine andere als die in den Absätzen 1 bis 3 vorgesehene Kostenregelung, so nimmt die betreffende Stelle diese Vereinbarung zur Kenntnis.

5.  Die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer setzt den Betrag der nach den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels zu erstattenden Kosten fest, wenn sich diese Kosten auf die an das Amt entrichteten Gebühren und die Vertretungskosten beschränken. In allen anderen Fällen setzt die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer oder die SPC-Abteilung auf Antrag den zu erstattenden Betrag fest. Der Antrag ist nur innerhalb der Frist von 2 Monaten zulässig, die mit dem Tag beginnt, an dem die Entscheidung, für die die Kostenfestsetzung beantragt wird, unanfechtbar wird; dem Antrag sind eine Kostenaufstellung und entsprechende Belege beizufügen. Für Vertretungskosten reicht eine Zusicherung des Vertreters, dass diese Kosten entstanden sind. Für sonstige Kosten genügt, dass sie nachvollziehbar dargelegt werden. Wird der Betrag der Kosten gemäß Satz 1 dieses Absatzes festgesetzt, so werden Vertretungskosten in der in dem nach Absatz 7 dieses Artikels erlassenen Durchführungsrechtsakt festgelegten Höhe gewährt, unabhängig davon, ob sie tatsächlich entstanden sind.

6.  In den nach Absatz 5 angenommenen Entscheidungen zur Kostenfestsetzung werden die Gründe angegeben, auf die sich stützen; und sie können innerhalb eines Monats ab Datum der Zustellung der Kostenfestsetzung durch eine Entscheidung der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer überprüft werden. Der Antrag gilt erst als eingereicht, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung entrichtet worden ist. Die SPC-Abteilung bzw. die Beschwerdekammer entscheidet ohne mündliches Verfahren über den Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung zur Kostenfestsetzung.

7.  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, in denen die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten im Einzelnen festgelegt werden. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

8.  Bei der Festlegung der Höchstsätze in Bezug auf die Reise- und Aufenthaltskosten berücksichtigt die Kommission die Entfernung zwischen dem Wohnsitz oder Geschäftssitz des Beteiligten, Vertreters oder Zeugen oder Sachverständigen und dem Ort der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensstufe, in der die Kosten entstehen, und, soweit es um die Kosten der Vertretung geht, die Erforderlichkeit sicherzustellen, dass die Pflicht der Kostenübernahme von dem anderen Beteiligten nicht aus verfahrenstaktischen Gründen missbraucht werden kann. Ferner werden die Aufenthaltskosten gemäß dem Statut der Beamten der Union und den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union, festgelegt durch die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates(21), berechnet. Der unterliegende Beteiligte trägt lediglich die Kosten eines Verfahrensbeteiligten und gegebenenfalls eines einzigen Vertreters.

Artikel 49

Vollstreckung der Entscheidungen, die Kosten festsetzen

1.  Jede Entscheidung des Amtes, die Kosten festsetzt, ist ein vollstreckbarer Titel.

2.  Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet. Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine einzige Behörde, die für die Prüfung der Echtheit des in Absatz 1 genannten Titels zuständig ist, und teilt deren Kontaktangaben dem Amt, dem Gerichtshof und der Kommission mit. Die Vollstreckungsklausel wird von dieser Behörde nach einer Prüfung, die sich lediglich auf die Echtheit des Titels erstreckt, erteilt.

3.  Sind diese Formvorschriften auf Antrag des die Vollstreckung betreibenden Beteiligten erfüllt, so kann dieser Beteiligte die Zwangsvollstreckung nach innerstaatlichem Recht betreiben, indem er die zuständige Stelle unmittelbar anruft.

4.  Die Zwangsvollstreckung kann nur durch eine Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt werden. Für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen sind jedoch die Rechtsprechungsorgane des betreffenden Mitgliedstaats zuständig.

Artikel 50

Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001

Die Verordnung (EU) 2017/1001 wird wie folgt geändert:

(1)  Artikel 151 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

a)  Buchstabe c erhält folgende Fassung:"

„c) Förderung der Abstimmung von Verfahren und Instrumentarien im Bereich des Marken- und Geschmacksmusterwesens sowie ergänzender Schutzzertifikate in Zusammenarbeit mit den Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz der Mitgliedstaaten einschließlich des Benelux-Amtes für geistiges Eigentum;“

"

b)  die folgenden Buchstaben f und g werden angefügt:"

„f) die in Kapitel III der Verordnung [COM(2023) 231] und in Kapitel III der Verordnung [COM(2023) 223] sowie in den Verordnungen [COM(2023) 222] und [COM(2023) 221] genannten Aufgaben;

   g) auf der Grundlage von Anträgen auf Beteiligung am zentralisierten Prüfverfahren und nachdem der Kommission Gelegenheit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen, durch Abschluss einer Vereinbarung die Bestellung derjenigen zuständigen nationalen Behörden, deren Prüfer an der zentralisierten Prüfung von zentralisierten Zertifikatsanmeldungen gemäß den Verordnungen [COM(2023) 231] und [COM(2023) 223], einschließlich Widerspruchsverfahren, sowie an der Prüfung von Anmeldungen einheitlicher Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 222] und der Verordnung [COM(2023) 221], einschließlich Widerspruchs- und Nichtigkeitsverfahren, teilnehmen können.“

"

(2)  Artikel 152 Absatz 1 Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung:"

„Das Amt, die Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz der Mitgliedstaaten und das Benelux-Amt für geistiges Eigentum arbeiten zusammen, um die Verfahren und Instrumentarien im Bereich von Marken, Geschmacksmustern und ergänzenden Schutzzertifikaten besser aufeinander abzustimmen.“

"

Artikel 51

Änderung der Verordnung (EU) Nr. 608/2013

Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 wird wie folgt geändert:

(1)  Die Buchstaben f und g erhalten folgende Fassung:"

„f) ein ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel im Sinne der Verordnung [COM(2023) 231] des Europäischen Parlaments und des Rates vom ddddd über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel [Amt für Veröffentlichungen: bitte nach Annahme Nr. und Datum von COM(2023) 231 sowie den Amtsblattverweis in der Fußnote einfügen];

   g) ein ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel im Sinne der Verordnung ([COM(2023) 223] des Europäischen Parlaments und des Rates vom ddddd über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel [Amt für Veröffentlichungen: bitte nach Annahme Nr. und Datum von COM(2023) 223 sowie den Amtsblattverweis in der Fußnote einfügen];“

"

(2)  die folgenden Buchstaben m und n werden angefügt:"

„m) ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel im Sinne der Verordnung [COM(2023) 222] des Europäischen Parlaments und des Rates vom ddddd über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001, der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 sowie der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 [Amt für Veröffentlichungen: bitte nach Annahme Nr. und Datum von COM(2023) 222 sowie den Amtsblattverweis in der Fußnote einfügen];

   n) ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel im Sinne der Verordnung [COM(2023) 221] des Europäischen Parlaments und des Rates vom ddddd über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel [Amt für Veröffentlichungen: bitte nach Annahme Nr. und Datum von COM(2023) 221 sowie den Amtsblattverweis in der Fußnote einfügen].“

"

Artikel 52

Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006

Die Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 wird wie folgt geändert:

(1)  Artikel 2 Nummer 4 erhält folgende Fassung:"

„(4) Zulassung für die pädiatrische Verwendung‘: eine Zulassung, die für ein Humanarzneimittel erteilt wird, das nicht durch ein ergänzendes Schutzzertifikat oder ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat nach der Verordnung [COM(2023) 231] oder der Verordnung [COM(2023) 222] oder durch ein Patent, das für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats infrage kommt, geschützt ist und das ausschließlich therapeutische Indikationen abdeckt, die für die pädiatrische Bevölkerungsgruppe oder deren Untergruppen von Bedeutung sind, wobei Stärke, Darreichungsform oder Verabreichungsweg dieses Mittels adäquat sein müssen.“

"

(2)  Artikel 8 Absatz 1 erhält folgende Fassung:"

„Im Falle zugelassener Arzneimittel, die entweder durch ein ergänzendes Schutzzertifikat oder ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat nach der Verordnung [COM(2023) 231] oder der Verordnung [COM(2023) 222] oder durch ein Patent geschützt sind, das für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats infrage kommt, gilt Artikel 7 der vorliegenden Verordnung für Anträge auf Genehmigung neuer Indikationen, einschließlich pädiatrischer Indikationen, neuer Darreichungsformen und neuer Verabreichungswege.“

"

(3)  Artikel 36 wird wie folgt geändert:

(a)  Absatz 1 Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung:"

„Beinhaltet ein Genehmigungsantrag nach Artikel 7 oder 8 die Ergebnisse sämtlicher Studien, die entsprechend einem gebilligten pädiatrischen Prüfkonzept durchgeführt wurden, so wird dem Inhaber des Patents, des ergänzenden Schutzzertifikats oder des einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats eine sechsmonatige Verlängerung der Zeiträume nach Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Verordnung [COM(2023) 231] oder Artikel 20 Absätze 1 und 2 der Verordnung [COM(2023) 222] gewährt.“

"

(b)  Absatz 4 Satz 1 erhält folgende Fassung:"

„Die Absätze 1, 2 und 3 gelten für Arzneimittel, die durch ein ergänzendes Schutzzertifikat oder ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat nach der Verordnung [COM(2023) 231] oder der Verordnung [COM(2023) 222] oder durch ein Patent, das für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats infrage kommt, geschützt sind.“

"

Artikel 53

Finanzvorschriften

1.  Die dem Amt im Zuge der Wahrnehmung zusätzlicher Aufgaben, die ihm gemäß dieser Verordnung übertragen werden, entstehenden Kosten, werden von den von den Anmeldern zu entrichtenden Verfahrensgebühren sowie einem Anteil der von Inhabern einheitlicher Zertifikate entrichteten Jahresgebühren gedeckt, während der übrige Teil der Jahresgebühren unter den Mitgliedstaaten gemäß der Zahl der einheitlichen Zertifikate, die in jedem von diesen Rechtswirkung haben, aufgeteilt wird. Der Anteil an den Jahresgebühren, der unter den Mitgliedstaaten aufzuteilen ist, wird zunächst in einer bestimmten Höhe festgesetzt, jedoch alle 5 Jahre überprüft, sodass die finanzielle Tragfähigkeit der vom Amt gemäß dieser Verordnung sowie den Verordnungen [COM(2023) 231], [COM(2023) 223] und [COM(2023) 221] ausgeführten Tätigkeiten gesichert ist.

2.  Für die Zwecke des Absatzes 1 führt das Amt Aufzeichnungen über die von den Inhabern einheitlicher Zertifikate, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten gelten, entrichteten Jahresgebühren.

3.  Die einer zuständigen nationalen Behörde für die Teilnahme an Verfahren gemäß diesem Kapitel entstehenden Kosten werden vom Amt getragen und jährlich auf der Grundlage der Zahl der Verfahren, an denen die zuständige nationale Behörde während des vorangegangenen Jahres beteiligt war, ersetzt.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Teilnahme in Absatz 3 genannter zuständiger nationaler Behörden zu entrichtende Vergütung zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

5.  Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 gilt für die in Bezug auf einheitliche Zertifikate fälligen Jahresgebühren.

Artikel 54

Ausübung der Befugnisübertragung

1.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

2.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 15 Absatz 13, Artikel 23 Absatz 13, Artikel 28 Absatz 8, Artikel 30, Artikel 34 Absatz 2, Artikel 41 Absatz 4, Artikel 42 Absatz 6, Artikel 43 Absatz 4, Artikel 44 Absatz 5 und Artikel 47 Absatz 3 wird der Kommission mit Wirkung vom XXX [Amt für Veröffentlichungen: bitte Datum einfügen = Datum des Inkrafttretens] auf unbestimmte Zeit übertragen.

3.  Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 15 Absatz 13, Artikel 23 Absatz 13, Artikel 28 Absatz 8, Artikel 30, Artikel 34 Absatz 2, Artikel 41 Absatz 4, Artikel 42 Absatz 6, Artikel 43 Absatz 4, Artikel 44 Absatz 5 und Artikel 47 Absatz 3 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

4.  Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

5.  Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

6.  Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 15 Absatz 13, Artikel 23 Absatz 13, Artikel 28 Absatz 8, Artikel 30, Artikel 34 Absatz 2, Artikel 41 Absatz 4, Artikel 42 Absatz 6, Artikel 43 Absatz 4, Artikel 44 Absatz 5 und Artikel 47 Absatz 3 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Artikel 55

Ausschussverfahren

1.  Die Kommission wird von einem Ausschuss für ergänzende Schutzzertifikate unterstützt, der mit der Verordnung [COM(2023) 231] eingerichtet wurde. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

2.  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 56

Bewertung

Bis zum ... [Amt für Veröffentlichungen, bitte einfügen: fünf Jahre nach dem Tag der AnwendungAnwendbarkeit] und danach alle fünf Jahre nimmt die Kommission eine Bewertung der Durchführung dieser Verordnung vor und legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die wichtigsten Erkenntnisse vor. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Auswirkungen des Widerspruchs gemäß Artikel 15 dieser Verordnung und der Frage, ob die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs zu erheblichen Verzögerungen bei der Erteilung einheitlicher Zertifikate führt, sowie den Auswirkungen dieser Verordnung auf die Amortisierung von Investitionen in Forschung und Entwicklung im Lichte der Richtlinie (EU) XXX/XX [COM(2023) 192]. [Abänd. 73]

Artikel 57

Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am XXX [Amt für Veröffentlichungen – bitte Datum einsetzen – 20. Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union] in Kraft.

Sie gilt ab dem xxxxx [Amt für Veröffentlichungen – bitte Datum einsetzen: erster Tag des 12. Monats nach dem Datum des Inkrafttretens].

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu … am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Die Präsidentin Der Präsident /// Die Präsidentin

ANHANG I

Logo

Dieses Logo ist in schwarz und so groß anzubringen, dass es hinreichend erkennbar ist.

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ANHANG II

Standardformular für die Mitteilung gemäß Artikel 5 Absatz 3 Buchstaben b und c.

Bitte kreuzen Sie das entsprechende Kästchen an.

□ Neue Mitteilung

□ Aktualisierung einer bestehenden Mitteilung

(a)  Name und Anschrift des Herstellers

(b)  Herstellungszweck

□ Ausfuhr

□ Lagerung

□ Ausfuhr und Lagerung

(c)  Mitgliedstaat, in dem die Herstellung vorgenommen werden soll, und Mitgliedstaat, in dem die (etwaige) erste verbundene Handlung vor der Herstellung stattfinden soll

Herstellungsmitgliedstaat

 

(Mitgliedstaat der (etwaigen) ersten verbundenen Handlung)

 

(d)  Nummer des einheitlichen Zertifikats, das im Herstellungsmitgliedstaat Wirkung hat und Nummer des im Mitgliedstaat der (etwaigen) ersten verbundenen Handlung vor der Herstellung erteilten Zertifikats

Einheitliches Zertifikat, das im Herstellungsmitgliedstaat Wirkung hat

 

(Im Mitgliedstaat der (etwaigen) ersten verbundenen Handlung vor der Herstellung erteiltes Zertifikat)

 

(e)  Bei Arzneimitteln, die in Drittländer ausgeführt werden sollen, Nummer der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder etwas einer solchen Genehmigung Gleichwertiges in jedem Ausfuhrdrittland

 

(1)ABl. C […], […], S. […].
(2)ABl. C […], […], S. […].
(3)COM(2020) 760 final.
(4)Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1).
(5)Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 1).
(6)Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. L 154 vom 16.6.2017, S. 1).
(7)Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).
(8)Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43).
(9)Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1).
(10)Verordnung (EU) Nr. 608/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates.
(11)Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung (ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1).
(12)Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(13)Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(14)Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973 in der am 17. Dezember 1991 und am 29. November 2000 geänderten Fassung.
(15)Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission vom 2. Oktober 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln (ABl. L 32 vom 9.2.2016, S. 1).
(16)Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67).
(17)Verordnung Nr. 1 des Rates zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 17 vom 6.10.1958, S. 385).
(18)Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel [COM(2023) 231].
(19)Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).
(20)Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).
(21)Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (ABl. L 56 vom 4.3.1968, S. 1).


Ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel (Neufassung)
PDF 291kWORD 83k
Entschließung
Konsolidierter Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel (Neufassung) (COM(2023)0223 – C9-0149/2023 – 2023/0128(COD))
P9_TA(2024)0098A9-0023/2024

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren – Neufassung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2023)0223),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 114 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0149/2023),

–  unter Hinweis auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 27. September 2023(1),

–  gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 28. November 2001 über die systematischere Neufassung von Rechtsakten(2),

–  gestützt auf die Artikel 110 und 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0023/2024),

A.  in der Erwägung, dass der Vorschlag der Kommission nach Auffassung der beratenden Gruppe der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission keine anderen inhaltlichen Änderungen enthält als diejenigen, die im Vorschlag als solche ausgewiesen sind, und dass sich der Vorschlag in Bezug auf die Kodifizierung der unveränderten Bestimmungen der bisherigen Rechtsakte mit jenen Änderungen auf eine reine Kodifizierung der bestehenden Rechtstexte ohne inhaltliche Änderungen beschränkt;

1.  legt unter Berücksichtigung der Empfehlungen der beratenden Gruppe der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über das ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel (Neufassung)

P9_TC1-COD(2023)0128


(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union , insbesondere auf Artikel 114 Absatz 1 ,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(4),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)  Die Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) wurde mehrfach und erheblich geändert.(6) Aus Gründen der Klarheit empfiehlt es sich, im Rahmen der anstehenden Änderungen die genannte Verordnung neu zu fassen.

(2)  Die Erforschung von Stoffen zum Pflanzenschutz trägt zur ständigen Verbesserung der Erzeugung und zur Erzielung von reichlichen Mengen an Nahrungsmitteln zu erschwinglichen Preisen und von guter Qualität bei.

(3)  Die Forschung im Bereich der Pflanzenschutzmittel trägt zur ständigen Verbesserung der Pflanzenerzeugung bei.

(4)  Pflanzenschutzmittel, vor allem solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, können in der Union weiterentwickelt werden, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

(5)  Die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors der Pflanzenschutzmittel erfordert aufgrund der ihm eigenen Gegebenheiten den gleichen Schutz für Neuerungen, wie er für Arzneimittel aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(7) [Amt für Veröffentlichungen, bitte neuen Verweis auf COM(2023) 231 einfügen] besteht.

(6)  Durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Pflanzenschutzmittel und der Genehmigung für dessen Inverkehrbringen wird der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen und für die Aufbringung der nötigen Mittel für den Fortbestand einer leistungsfähigen Forschung unzureichend ist.

(7)  Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die Pflanzenschutzforschung und die Wettbewerbsfähigkeit dieses Wirtschaftsbereichs hat.

(8)  Eines der wesentlichen Ziele des ergänzenden Schutzzertifikats (im Folgenden „Zertifikat“) besteht darin, der europäischen Industrie die gleichen Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, wie sie Drittländer vorfinden.

(9)  Auf Union sebene ist eine einheitliche Lösung zu finden, um auf diese Weise einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, die neue Unterschiede zur Folge hätte, welche geeignet wären, den freien Verkehr von Pflanzenschutzmitteln innerhalb der Union zu behindern und dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar zu beeinträchtigen.

(10)  Es ist deshalb notwendig, ein Zertifikat für Pflanzenschutzmittel, deren Inverkehrbringen genehmigt ist, vorzusehen , das der Inhaber eines nationalen Patents oder eines europäischen Patents mit einheitlicher oder ohne einheitliche Wirkung unter denselben Bedingungen in jedem Mitgliedstaat erhalten kann. Das Zertifikat sollte seinem Inhaber eine angemessene zusätzliche Frist wirksamen Schutzes nach Erlöschen des Grundpatents bieten. Eine Anmeldung eines solchen Zertifikats sollte bei der zuständigen Behörde für den gewerblichen Rechtsschutz (im Folgenden „zuständige nationale Behörde“) des betreffenden Mitgliedstaats eingereicht werden.

(11)  Eine der Bedingungen für die Erteilung eines Zertifikats sollte darin bestehen, dass das Erzeugnis durch das Grundpatent in dem Sinne geschützt ist, dass das Erzeugnis in den Geltungsbereich eines oder mehrerer Ansprüche dieses Patents fällt, so wie dieserer vom Fachmann ausgelegt wird, durch dieim Lichte der Beschreibung des Patents auf der Grundlage der allgemeinen Kenntnisse dieser Person in dem einschlägigen Bereich und des Stands der Technik am Tag der Einreichung fälltoder am Prioritätstag des Grundpatents ausgelegt wird. Dadurch sollte nicht zwingend vorgeschrieben sein, dass der Wirkstoff des Erzeugnisses in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wird, bzw. sollte im Fall einer Zubereitung sollte dadurch ebenso wenig zwingend vorgeschrieben sein, dass jeder ihrer Wirkstoffe in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wird, sofern jeder von ihnen anhand aller durch das Patent offengelegten Angaben auf der Grundlage des Stands der Technik am Tag der Einreichung oder am Prioritätstag des Grundpatents spezifisch identifizierbar ist. [Abänd. 1]

(12)  Damit übermäßiger Schutz vermieden wird, sollte vorgesehen werden, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein entweder nationales oder einheitliches Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt sein darf. Daher sollte vorgeschrieben werden, dass das Erzeugnis oder jedes Derivat wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische oder Komplexe, die dem Erzeugnis aus pflanzenschutzrechtlicher Sicht gleichwertig sind, nicht bereits Gegenstand eines früheren Zertifikats gewesen sein soll, und zwar weder allein noch in Kombination mit einem oder mehreren weiteren Wirkstoffen und gleichgültig ob für dieselbe oder eine andere Anmeldung. [Abänd. 2]

(13)  In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes sollte sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, nämlich den Wirkstoff oder Kombinationen davon erstrecken, welches von den Genehmigungen für dessen Inverkehrbringen erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt wurden.

(14)  Zur Gewährleistung eines ausgewogenen Schutzes sollte jedoch ein Zertifikat dessen Inhaber dazu berechtigen, einen Dritten daran zu hindern, nicht nur das im Zertifikat angegebene Erzeugnis, sondern auch dessen Derivate wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische oder Komplexe, die dem Erzeugnis aus pflanzenschutzrechtlicher Sicht gleichwertig sind, selbst dann herzustellen, wenn diese Derivate in der Beschreibung des Erzeugnisses im Zertifikat nicht ausdrücklich genannt sind. Daher ist in Erwägung zu ziehen, den durch das Zertifikat gewährten Schutz in den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes auf solche gleichwertigen Derivate auszuweiten.

(15)  Als weitere Maßnahme, mit der sichergestellt werden sollte, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt werden kann, sollte dem Inhaber von mehr als einem Patent für dasselbe Erzeugnis nicht mehr als ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden. In Fällen, in denen zwei Patente zum Schutz des Erzeugnisses von zwei Inhabern gehalten werden, sollte jedoch jedem dieser Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden können, wenn diese nachweisen können, dass sie nicht wirtschaftlich verbunden sind. Überdies sollte dem Inhaber eines Grundpatents in Bezug auf ein Erzeugnis, das einer im Besitz eines Dritten befindlichen Genehmigung unterliegt, ohne dessen Zustimmung kein Zertifikat erteilt werden.

(16)  Damit maximale Flexibilität gewährleistet ist und Inhaber unterschiedlicher Arten von Patenten nicht unangemessen diskriminiert werden, sollte es keine Begrenzung der Art des Patents geben, auf das ein nationales Zertifikat vor einer zuständigen nationalen Behörde angewendet werden kann. Daher sollte dies auf der Grundlage eines nationalen Patents oder eines Europäischen Patents – und insbesondere auch in Bezug auf ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung (im Folgenden „einheitliches Patent“) – weiterhin möglich sein.

(17)  Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes muss so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens 15 Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Pflanzenschutzmittels in der Union eingeräumt werden.

(18)  In einem so komplexen und empfindlichen Bereich wie dem der Pflanzenschutzmittel sollten alle auf dem Spiel stehenden Interessen berücksichtigt werden. Deshalb kann das Zertifikat nicht für mehr als 5 Jahre erteilt werden. Der gewährte Schutz sollte im Übrigen streng auf das Erzeugnis beschränkt sein, für das die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel in einem Mitgliedstaat erteilt wurde.

(19)  Nur durch ein Eingreifen auf Unionsebene kann ein ausreichender Schutz der Innovation in der Pflanzenschutzindustrie sichergestellt und zugleich ein angemessenes Funktionieren des Binnenmarktes für Pflanzenschutzmittel gewährleistet werden .

(20)  Die in den Erwägungsgründen 13, 14 und 15 genannten sowie in Artikel 4, Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 17 Absatz 2 dieser Verordnung vorgesehenen Modalitäten gelten sinngemäß auch für die Auslegung insbesondere des Erwägungsgrunds 9 und der Artikel 3 und 4, des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe c und des Artikels 17 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 [Amt für Veröffentlichungen, bitte neuen Verweis auf COM(2023) 231 einfügen].

(21)  Seit der Schaffung des einheitlichen Schutzes wurden Zertifikate nur auf nationaler Ebene angemeldet und erteilt, sodass mehrere ähnliche Anmeldungen in mehreren Mitgliedstaaten parallel eingereicht und geprüft werden müssen. Dies hatte sowohl für Anmelder als auch für die zuständigen Behörden für den gewerblichen Rechtsschutz (im Folgenden „zuständige nationale Behörden“), die für ein bestimmtes Erzeugnis getrennte Prüfverfahren durchgeführt haben, Doppelarbeit mit sich gebracht sowie zu gelegentlichen Abweichungen zwischen den Entscheidungen der zuständigen nationalen Behörden in verschiedenen Mitgliedstaaten geführt. Solche Unterschiede sind gewöhnlich den Bedingungen für die Erteilung oder Verweigerung eines Zertifikats geschuldet; sie schließen die Erteilung eines Zertifikats in einem Mitgliedstaat ein, die in einem anderen für dasselbe Erzeugnis aber verweigert wird, oder Unterschiede in Bezug auf die Anwendung der im Vorfeld der Genehmigung für das Inverkehrbringen geltenden Bedingungen, oder beziehen sich darauf, ob das Erzeugnis bereits durch ein ergänzendes Schutzzertifikat geschützt war. Dies führt zu Rechtsunsicherheit und steht mit den Zielen des Binnenmarkts nicht im Einklang.

(22)  Es gibt ein zentralisiertes Verfahren für die Erteilung Europäischer Patente. Darüber hinaus tritt das „einheitliche Patent“ gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) für alle Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ratifiziert haben, am 1. Juni 2023 in Kraft.

(23)  Daher ist es erforderlich, die bestehenden nationalen Verfahren für die Erteilung von Zertifikaten für Pflanzenschutzmittel mit einem zentralisierten Verfahren zu ergänzen. Wenn das Grundpatent ein Europäisches Patent, einschließlich eines einheitlichen Patents ist, sollte es durch dieses Verfahren möglich werden, die Erteilung von nationalen Zertifikaten für zwei oder mehr angegebene Mitgliedstaaten auf dem Wege der Einreichung und Prüfung einer einzigen „zentralisierten“ Anmeldung zu beantragen. Nach der Erteilung von Zertifikaten im Rahmen des zentralisierten Verfahrens sollten diese Zertifikate mit den im Rahmen nationaler Verfahren erteilten Zertifikaten gleichwertig sein und denselben Vorschriften unterliegen.

(24)  Mit der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates(9) wurde gemäß deren Artikel 2 ein Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) errichtet. Im Interesse des Binnenmarkts sollte das zentralisierte Verfahren von einer einzigen Prüfstelle durchgeführt werden. Dies kann erreicht werden, indem dem Amt die Aufgabe der Prüfung von Zertifikatsanmeldungen im Rahmen des zentralisierten Verfahrens gemäß dieser Verordnung übertragen wird.

(25)  Damit eine vereinfachte Prüfung einer zentralisierten Anmeldung erfolgen kann, sollte eine solche nur auf der Grundlage eines Europäischen Patents – einschließlich eines einheitlichen Patents – eingereicht werden können. Die zentralisierte Anmeldung sollte auf der Grundlage einer Reihe unabhängiger nationaler Patente nicht verfügbar sein, da die betreffenden Ansprüche unterschiedlich sein dürften und damit eine komplexere Prüfung erfordern würden als in Fällen, in denen das Grundpatent ein Europäisches Patent ist.

(26)  Da Genehmigungen für das Inverkehrbringen für ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel zu unterschiedlichen Zeitpunkten in verschiedenen Mitgliedstaaten erteilt worden sein können, wären die Mitgliedstaaten, die in einer zentralisierten Zertifikatsanmeldung für ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel gültig angegeben werden könnten, erheblich eingeschränkt, sofern vorgeschrieben würde, dass in allen in der Anmeldung angegebenen Mitgliedstaaten Genehmigungen erteilt worden sein müssten. Die Erteilung von Zertifikaten auf der Grundlage einer solchen zentralisierten Anmeldung sollte daher gestattet werden, wenn zumindest in allen angegebenen Mitgliedstaaten Genehmigungen für das Inverkehrbringen beantragt wurden, sofern diese Genehmigungen vor Ende des Prüfverfahrens erteilt werden. Aus diesem Grund sollte die Stellungnahme zur Prüfung frühestens 18 Monate nach der Einreichung der zentralisierten Anmeldung angenommen werden. Wurde in einem angegebenen Mitgliedstaat vor Ablauf dieses Zeitraums keine Genehmigung erteilt, sollte das Amt jedoch das Prüfverfahren in Bezug auf diesen Mitgliedstaat aussetzen und auf Antrag wieder aufnehmen, sofern eine solche Genehmigung letztlich vor Erlöschen des Grundpatents erteilt wird.

(27)  Das Amt sollte die Möglichkeit haben, eine Gebühr für die zentralisierte Zertifikatsanmeldung sowie andere Verfahrensgebühren, z. B. eine Gebühr für Widersprüche oder Beschwerden, zu erheben. Die vom Amt erhobenen Gebühren sollten in einem Durchführungsrechtsakt festgelegt werden.

(28)  Ferner sollte ein Anmelder eine „kombinierte Anmeldung“ einreichen können, die eine Anmeldung des einheitlichen Zertifikats gemäß der Verordnung [ABl: Verweis auf COM(2023) 221 einfügen] umfassen würde. Für eine derartige kombinierte Anmeldung sollte ein einziges Prüfungsverfahren durchlaufen werden.

(29)  Zur Vermeidung eines doppelten Schutzes sollten weder nationale Zertifikate noch einheitliche Zertifikate für das gleiche Erzeugnis in demselben Mitgliedstaat auf der Grundlage sowohl einer nationalen Anmeldung als auch einer zentralisierten Anmeldung erteilt werden können.

(30)  Damit ein faires und transparentes Verfahren sowie Rechtssicherheit gewährleistet sind und das Risiko späterer Anfechtungen der Gültigkeit eingedämmt wird, sollten Dritte nach der Veröffentlichung der zentralisierte Zertifikatsanmeldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten beim Amt während der Durchführung der zentralisierten Prüfung Bemerkungen einzureichen. Zu diesen Dritten, denen es gestattet ist, Bemerkungen einzureichen, sollten auch die Mitgliedstaaten gehören. Die Rechte Dritter, Nichtigkeitsverfahren bei der Stelle anzustrengen, die nach nationalem Recht für die Erklärung des Widerrufs des entsprechenden Grundpatents zuständig ist, sollten davon jedoch unberührt bleiben. Diese Bestimmungen sind notwendig, damit die Einbeziehung Dritter sowohl vor als auch nach der Erteilung der Zertifikate gewährleistet ist.

(31)  Das Amt sollte die zentralisierte Zertifikatsanmeldung prüfen und eine Stellungnahme zur Prüfung abgeben. Aus dieser Stellungnahme sollte für jeden der angegebenen Mitgliedstaaten hervorgehen, aus welchen Gründen die Stellungnahme positiv oder negativ ausfällt

(32)  Die Prüfung einer zentralisierten Zertifikatsanmeldung sollte unter Aufsicht des Amtes von einem Prüfgremium durchgeführt werden, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei bei den nationalen Patentämtern beschäftigte Prüfer angehören. Dadurch würde sichergestellt, dass das derzeit nur bei den nationalen Ämtern vorhandene Fachwissen für ergänzende Schutzzertifikate betreffende Fragenund damit verbundene Patentangelegenheiten bestmöglich genutzt wird. Damit eine optimale Qualität der Prüfung gewährleistet wird, sollten das Amt und die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen, dass die benannten Prüfer über das einschlägige Fachwissen und ausreichend Erfahrung bei der Bewertung von ergänzenden Schutzzertifikaten verfügen. Zusätzliche geeignete Kriterien sollten für die Teilnahme bestimmter Prüfer am zentralisierten Verfahren – insbesondere in Bezug auf deren Qualifikation und auf Interessenkonflikte – festgelegt werden. [Abänd. 3]

(33)  Ist das Amt der Auffassung, dass die Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats zwar in einem oder mehreren der in einer zentralisierten Anmeldung angegebenen Mitgliedstaaten erfüllt, in einem oder mehreren der anderen Mitgliedstaaten aber nicht erfüllt sind, sowie in Fällen, in denen in einem der angegebenen Mitgliedstaaten das grundlegende Europäische Patent andere Ansprüche umfasst, die das Erzeugnis nicht abdecken, sollte das Amt eine positive Stellungnahme für die angegebenen Mitgliedstaaten ausstellen, in denen die Bedingungen für die Erlangung des Zertifikats erfüllt sind, und eine negative Stellungnahme für diejenigen, in denen die Bedingungen nicht erfüllt sind.

(34)  Damit die Verfahrensrechte Dritter gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen gewährleistet ist, sollten Dritte in der Lage sein, eine Stellungnahme zur Prüfung anzufechten, indem sie innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der Veröffentlichung dieser Stellungnahme ein Widerspruchsverfahren einleiten, wobei dieser Widerspruch zu einer Änderung dieser Stellungnahme führen kann.

(35)  Nach Abschluss der Prüfung einer zentralisierten Anmeldung und nach Ablauf der Beschwerde- und Widerspruchsfristen oder in dem Fall, dass eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen ist, sollte die Stellungnahme den betreffenden nationalen Patentämtern der angegebenen Mitgliedstaaten übermittelt werden.

(36)  Wenn die Stellungnahme zur Prüfung für einen oder mehrere genannte Mitgliedstaaten positiv ausfällt, sollten die betreffenden zuständigen nationalen Behörden ein Zertifikat gemäß den geltenden inländischen Vorschriften, insbesondere in Bezug auf die Veröffentlichung, die Eintragung in einschlägige Datenbanken und die Zahlung von Jahresgebühren erteilen.

(37)  Wenn die Stellungnahme zur Prüfung für einen oder mehrere Mitgliedstaaten negativ ausfällt, sollten die betreffenden zuständigen nationalen Behörden die Anmeldung gemäß den geltenden inländischen Vorschriften zurückweisen.

(38)  Im Sinne der Kohärenz und der Rechtssicherheit sollten insbesondere in Bezug auf den Umfang, die Bedingungen für die Erlangung des Zertifikats, den Schutzgegenstand und die Wirkung von Zertifikaten sowie ihre Veröffentlichung dieselben materiellrechtlichen Vorschriften für nationale Anmeldungen und zentralisierte Anmeldungen gelten. Das zentralisierte Verfahren würde zur Erteilung nationaler Zertifikate führen, die mit auf der Grundlage nationaler Anmeldungen erteilten Zertifikaten vollkommen identisch wären.

(39)  Da bestimmte zuständige nationale Behörden über eingeschränkte Verwaltungskapazitäten für die Durchführung einer vollständigen materiellrechtlichen Prüfung von Zertifikatsanmeldungen verfügen könnten, sollte es den zuständigen nationalen Behörden weiterhin möglich sein, nicht alle Bedingungen für die Erteilung eines Zertifikats auf der Grundlage einer nationalen Anmeldung zu überprüfen. Damit die Qualität und die Einheitlichkeit der im Rahmen des zentralisierten Verfahrens erteilten Zertifikate sichergestellt sind, sollte das Amt jedoch alle Bedingungen für die Erteilung eines Zertifikats im Rahmen des zentralisierten Verfahrens überprüfen.

(40)  Wird der Anmelder oder ein anderer Beteiligter durch eine Entscheidung des Amtes beschwert, so sollte der Anmelder oder dieser Beteiligte das Recht haben, gegen die Entscheidung innerhalb von zwei Monaten gegen eine Gebühr Beschwerde bei einer Beschwerdekammer des Amtes einzulegen, damit die Verfahrensrechte gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen sichergestellt ist. Dies gilt auch für die Stellungnahme zur Prüfung, die vom Anmelder angefochten werden kann. Die Entscheidungen dieser Beschwerdekammer sollten ihrerseits mit der Klage beim Gericht anfechtbar sein; dieses kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern. Im Fall einer kombinierten Anmeldung, die einen Antrag auf ein einheitliches Zertifikat enthält, kann eine gemeinsame Beschwerde eingereicht werden. [Abänd. 4]

(41)  Bei der Ernennung von Mitgliedern der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die zentralisierte ZertifikatsanmeldungenAnmeldungen von Zertifikaten betreffen, sollten deren einschlägige, unabhängige und ausreichende frühere Erfahrungen mit ergänzenden Schutzzertifikaten oder Patentangelegenheiten berücksichtigt werden. [Abänd. 5]

(42)  Jede Person kann die Gültigkeit eines nach dem zentralisierten Verfahren erteilten Zertifikats vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats, sowie – sofern die Bedingungen erfüllt sind – vor dem Einheitlichen Patentgericht, anfechten.

(43)  Im Interesse der Transparenz sollte ein Register eingerichtet werden, das als zentrales Zugangsportal dienen kann und das Informationen über Zertifikatsanmeldungen im Rahmen des zentralisierten Verfahrens und über deren Status sowie über Zertifikate, die auf dieser Grundlage von nationalen Ämtern erteilt wurden, welche alle diesbezüglichen Informationen dem Amt mitteilen sollten, bereitstellt. Das Register sollte in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung stehen.

(44)  Mit der Verordnung [ABl: Verweis auf COM(2023) 221 einfügen](10) wird ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel eingeführt, das für diejenigen Mitgliedstaaten beantragt werden kann, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat. Der Antrag für ein solches einheitliches Zertifikat kann im Rahmen einer kombinierten Zertifikatsanmeldung nach dem zentralisierten Verfahren gemäß dieser Verordnung gestellt werden. In einem solchen Fall sollte die kombinierte Anmeldung, die beide Anträge enthält, in einem einzigen zentralisierten Prüfverfahren behandelt werden. Ein doppelter Schutz sowohl durch ein einheitliches Zertifikat als auch ein gemäß dieser Verordnung erteiltes Zertifikat sollte ausgeschlossen werden.

(45)  Für die dem Amt gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sollten die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union sein. Das Amt sollte überprüfte Übersetzungen von Dokumenten und Informationen in eine der Amtssprachen der Union akzeptieren. Das Amt kann gegebenenfalls überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

(46)  Durch Finanzvorschriften sollte sichergestellt werden, dass die am zentralisierten Verfahren beteiligten zuständigen nationalen Behörden eine angemessene Vergütung für ihre Teilnahme erhalten.

(47)  Die notwendigen Einrichtungskosten im Zusammenhang mit den dem Amt übertragenen Aufgaben, einschließlich der Kosten für neue digitale Systeme, sollten aus dem kumulierten Haushaltsüberschuss des Amtes finanziert werden.

(48)  Zur Ergänzung bestimmter nicht wesentlicher Elemente dieser Verordnung sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu erlassen, in denen Folgendes festgelegt wird: i) der Inhalt und die Form der Beschwerdeschrift sowie der Inhalt und die Form der Entscheidung der Beschwerdekammer, ii) die die Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren über Zertifikate betreffenden Einzelheiten, iii) die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter, iv) die Modalitäten für mündliche Verfahren im Einzelnen, v) die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen, vi) die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen, vii) die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen und viii) die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens im Einzelnen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(11) niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(49)  Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf Folgendes übertragen werden: i) die zu verwendenden Anmeldeformulare; ii) die Vorschriften über die Einreichungsverfahren, die Verfahren über die Art und Weise, in der die Prüfungsgremien zentralisierte Anmeldungen prüfen und Stellungnahmen zur Prüfung abfassen, sowie die Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt, iii) die Kriterien über die Art und Weise der Einrichtung der Prüfungsgremien und die Kriterien für die Auswahl der Prüfer, iv) die Höhe der an das Amt zu entrichtenden entsprechenden Gebühren, v) die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten sowie vi) die Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Beteiligung der zuständigen nationalen Behörden zu entrichtende Vergütung. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(12) ausgeübt werden.

(50)  Die Kommission sollte über die Durchführung des zentralisierten Verfahrens regelmäßig Bericht erstatten, wobei dies in Abstimmung mit den einschlägigen Vorschriften der Verordnung [Verweis auf COM(2023) 231 einfügen] erfolgt.

(51)  Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) anerkannt wurden. Die Bestimmungen dieser Verordnung sollten im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden. Insbesondere soll mit dieser Verordnung sichergestellt werden, dass das Eigentumsrecht, das Recht auf Gesundheitsschutz und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 17 und 47 der Charta in vollem Umfang gewahrt bleiben.

(52)  Da die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr im Hinblick auf die Gewährleistung der Kohärenz der geltenden Vorschriften und Verfahren in der gesamten Union auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(53)  Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (13) angehört und hat am 14. November 2023 eine Stellungnahme abgegeben.

(54)  Es sollten angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um einen reibungslosen Übergang von den Vorschriften gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 zu den Vorschriften in dieser Verordnung zu gewährleisten. Damit das Amt über ausreichend Zeit für die Umsetzung und Einführung des zentralisierten Verfahrens verfügt, sollten die Vorschriften für zentralisierte Anmeldungen in dieser Verordnung ab dem [ein Jahr nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung] gelten —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand

In dieser Verordnung werden Vorschriften für das ergänzende Schutzzertifikat (im Folgenden „Zertifikat“) für Pflanzenschutzmittel festgelegt, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützt sind und die vor ihrem Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(14) waren.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen :

(1)  „Pflanzenschutzmittel“ bezeichnet Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie an den Anwender geliefert werden, und die dazu bestimmt sind,

(a)  Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder ihrer Einwirkung vorzubeugen, insoweit diese Stoffe oder Zubereitungen im Folgenden nicht anders definiert werden;

(b)  in einer anderen Weise als ein Nährstoff die Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen (z. B. Wachstumsregler);

(c)  Pflanzenerzeugnisse zu konservieren, soweit solche Stoffe oder Zubereitungen nicht besonderen Vorschriften des Rates oder der Kommission über konservierende Stoffe unterliegen;

(d)  unerwünschte Pflanzen zu vernichten oder

(e)  Pflanzenteile zu vernichten, ein unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu hemmen oder einem solchen Wachstum vorzubeugen;

(2)  „Stoffe“ bezeichnet chemische Elemente und deren Verbindungen, wie sie natürlich vorkommen oder industriell hergestellt werden, einschließlich jeglicher bei der Herstellung nicht zu vermeidenden Verunreinigung;

(3)  „Wirkstoffe“ bezeichnet Stoffe und Mikroorganismen, einschließlich Viren, mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung

(a)  gegen Schadorganismen,

(b)  auf Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzenerzeugnisse;

(4)  „Zubereitungen“ bezeichnet Gemenge, Gemische oder Lösungen aus zwei oder mehr Stoffen, davon mindestens einem Wirkstoff, die als Pflanzenschutzmittel angewendet werden;

(5)  „Pflanzen“ bezeichnet lebende Pflanzen oder lebende Teile von Pflanzen, einschließlich frischer Früchte und Samen;

(6)  „Pflanzenerzeugnisse“ bezeichnet Erzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, unverarbeitet oder durch vereinfachte Verfahren wie Mahlen, Trocknen oder Pressen bearbeitet, soweit sie keine < Pflanzen sind;

(7)  „Schadorganismen“ bezeichnet Feinde von Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen tierischer oder pflanzlicher Art sowie Viren, Bakterien und Mykoplasmen oder andere Krankheitserreger;

(8)  „Erzeugnis“ bezeichnet den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels;

(9)  „Grundpatent“ bezeichnet ein Patent, das ein Erzeugnis als solches, eine Zubereitung, ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von seinem Inhaber für die Zwecke des Verfahrens zur Erteilung eines Zertifikats angegeben wird;

(10)  „nationale Anmeldung“ bezeichnet eine Zertifikatsanmeldung bei einer zuständigen nationalen Behörde gemäß Artikel 9;

(11)  „zentralisierte Anmeldung“ bezeichnet eine Anmeldung beim Amt gemäß Artikel 19 mit Blick auf die Erteilung von Zertifikaten für das in der Anmeldung identifizierte Erzeugnis in den angegebenen Mitgliedstaaten;

(12)  „angegebener Mitgliedstaat“ bezeichnet einen Mitgliedstaat, für den im Rahmen des zentralisierten Prüfverfahrens gemäß Kapitel III um Anmeldung gemäß der Identifizierung in einer zentralisierten Zertifikatsanmeldung ersucht wird;

(13)  „Europäisches Patent“ bezeichnet ein Patent, das vom Europäischen Patentamt (im Folgenden „EPA“) nach den Vorschriften und Verfahren des Europäischen Patentübereinkommens(15) (im Folgenden „EPÜ“) erteilt wird;

(14)  „einheitliches Patent“ bezeichnet ein Europäisches Patent, das in den Mitgliedstaaten, die an der Verstärkten Zusammenarbeit gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 teilnehmen, einheitliche Wirkung hat;

(15)  „zuständige nationale Behörde“ bezeichnet die nationale Behörde, die gemäß Artikel 9 Absatz 1 in einem bestimmten Mitgliedstaat für die Erteilung von Zertifikaten und für die Zurückweisung der Anmeldung von Zertifikaten zuständig ist;

15a.   „wirtschaftlich verbunden“ bezeichnet in Bezug auf unterschiedliche Inhaber von zwei oder mehr Grundpatenten, durch die dasselbe Erzeugnis geschützt wird, dass ein Inhaber direkt oder indirekt über eine oder mehrere zwischengeschaltete Stellen einen anderen Inhaber kontrolliert, von ihm kontrolliert wird, oder sie unter gemeinsamer Kontrolle stehen. [Abänd. 6]

KAPITEL II

Nationale Anmeldung eines Zertifikats

Artikel 3

Bedingungen für die Erlangung des Zertifikats

1.  Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung alle nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

(a)  das Erzeugnis ist durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt;

(b)  für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel wurde eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt;

(c)  für das Erzeugnis wurde nicht bereits ein Zertifikat erteilt;

(d)  die unter Buchstabe b genannte Genehmigung ist die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel.

2.  Verfügt ein Inhaber über mehrere Patente für dasselbe Erzeugnis, so dürfen ihm nicht mehrere Zertifikate für dieses Erzeugnis erteilt werden. Sind jedoch zwei oder mehr Anmeldungen von zwei oder mehr Inhabern unterschiedlicher Patente für dasselbe Erzeugnis anhängig, so kann jedem dieser Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden, sofern sie nicht wirtschaftlich verbunden sind. Derselbe Grundsatz gilt entsprechend für Anmeldungen des Inhabers für dasselbe Erzeugnis, für das zuvor anderen Inhabern unterschiedlicher Patente ein oder mehrere Zertifikate oder einheitliche Zertifikate erteilt wurden. [Abänd. 7]

Artikel 4

Schutz umfang

In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von den Genehmigungen für das Inverkehrbringen des entsprechenden Pflanzenschutzmittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt wurden.

Artikel 5

Wirkungen des Zertifikats

Das Zertifikat gewährt die gleichen Rechte wie das Grundpatent und unterliegt den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen.

Artikel 6

Recht auf das Zertifikat

1.  Das Recht auf das Zertifikat steht dem Inhaber des Grundpatents oder dem Rechtsnachfolger dieses Inhabers zu.

2.  Unbeschadet des Absatzes 1 wird, wenn ein Grundpatent für ein Erzeugnis, für das ein Dritter eine Genehmigung innehat, dem Inhaber des Grundpatents ohne Zustimmung dieses Dritten kein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt.

Artikel 7

Zertifikatsanmeldung

1.  Die Zertifikatsanmeldung muss innerhalb einer Frist von 6 Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erteilt wurde, eingereicht werden.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 muss die Zertifikatsanmeldung dann, wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen vor der Erteilung des Grundpatents erfolgt, innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Patents eingereicht werden.

Artikel 8

Inhalt der Zertifikatsanmeldung

1.  Die Zertifikatsanmeldung muss Folgendes enthalten:

(a)  einen Antrag auf Erteilung eines Zertifikats, wobei insbesondere anzugeben sind:

i)  Name und Anschrift des Anmelders;

ii)  falls der Anmelder einen Vertreter bestellt hat , Name und Anschrift des Vertreters;

iii)  Nummer des Grundpatents sowie Bezeichnung der Erfindung;

iv)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie, falls diese nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union ist, auch Nummer und Zeitpunkt der letztgenannten Genehmigung;

(b)  eine Kopie der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b, aus der die Identität des Erzeugnisses ersichtlich ist und die insbesondere Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses gemäß Teil A Abschnitt 1 Nummern 1.1 bis 1.7 oder Teil B Abschnitt 1 Nummern 1.1 bis 1.4.3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission(16) enthält;

(c)  wenn die Genehmigung nach Buchstabe b nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel in der Union ist, die Angabe der Identität des so genehmigten Erzeugnisses und der Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage dieses Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde, sowie eine Kopie der betreffenden Stelle des entsprechenden amtlichen Mitteilungsblatts, in dem die Genehmigung veröffentlicht wurde, oder, falls eine- solchen Veröffentlichung nicht erfolgte, jedes Dokument, das als Nachweis der Erteilung der Genehmigung, des Zeitpunkts der Genehmigung und der Identität des so genehmigten Erzeugnisses dient.

ca)   gegebenenfalls die Zustimmung des Dritten gemäß Artikel 6 Absatz 2 dieser Verordnung. [Abänd. 8]

2.  Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass für die Einreichung der Zertifikatsanmeldung eine Gebühr zu entrichten ist.

Artikel 9

Einreichung der Zertifikatsanmeldung

1.  Die Zertifikatsanmeldung ist bei der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörde des Mitgliedstaats einzureichen, der das Grundpatent erteilt hat oder mit Wirkung für den das Grundpatent erteilt worden ist und in dem die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erlangt wurde, sofern der Mitgliedstaat zu diesem Zweck keine andere Behörde bestimmt.

2.  Ein Hinweis auf die Zertifikatsanmeldung wird von der in Absatz 1 genannten Behörde bekannt gemacht. Der Hinweis muss alle folgenden Angaben enthalten:

(a)  Name und Anschrift des Anmelders;

(b)  Nummer des Grundpatents;

(c)  Bezeichnung der Erfindung;

(d)  Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie das durch die Genehmigung identifizierte Erzeugnis;

(e)  gegebenenfalls Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union .

Artikel 10

Erteilung des Zertifikats oder Zurückweisung der Zertifikatsanmeldung

1.  Erfüllen die Zertifikatsanmeldung und das Erzeugnis, das Gegenstand der Anmeldung ist, die in diesem Kapitel festgelegten Voraussetzungen, so erteilt die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde das Zertifikat.

2.  Vorbehaltlich des Absatzes 3 des vorliegenden Artikels weist die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde die Zertifikatsanmeldung zurück, wenn die Anmeldung oder das Erzeugnis, das Gegenstand der Anmeldung ist, nicht die in diesem Kapitel festgelegten Voraussetzungen erfüllt.

3.  Erfüllt die Zertifikatsanmeldung nicht die in Artikel 8 genannten Voraussetzungen, so fordert die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde den Anmelder auf, innerhalb der gesetzten Frist die festgestellten Mängel zu beseitigen oder die Gebühr zu entrichten.

4.  Werden innerhalb der gesetzten Frist die nach Absatz 3 mitgeteilten Mängel nicht beseitigt oder wird die nach Absatz 3 angeforderte Gebühr nicht entrichtet, weist die Behörde die Anmeldung zurück .

5.  Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Erteilung des Zertifikats durch die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde ohne Prüfung der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben c und d genannten Bedingungen erfolgt.

Artikel 11

Bekanntmachung

1.  Die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde macht so früh wie möglich einen Hinweis auf die Erteilung des Zertifikats bekannt. Der Hinweis muss alle folgenden Angaben enthalten:

(a)  Name und Anschrift des Inhabers des Zertifikats;

(b)  Nummer des Grundpatents;

(c)  Bezeichnung der Erfindung;

(d)  Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie das durch die Genehmigung identifizierte Erzeugnis;

(e)  gegebenenfalls Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union ;

(f)  Laufzeit des Zertifikats.

2.  Die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde macht so früh wie möglich einen Hinweis auf die Zurückweisung der Zertifikatsanmeldung bekannt. Der Hinweis muss zumindest die in Artikel 9 Absatz 2 genannten Angaben enthalten.

Artikel 12

Jahresgebühren

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass für das Zertifikat Jahresgebühren zu entrichten sind.

Artikel 13

Laufzeit des Zertifikats

1.  Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union entspricht, abzüglich eines Zeitraums von 5 Jahren.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens 5 Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.

3.  Bei der Berechnung der Laufzeit des Zertifikats wird eine erste vorläufige Genehmigung für das Inverkehrbringen nur dann berücksichtigt, wenn sich eine endgültige Genehmigung für dasselbe Erzeugnis unmittelbar anschließt.

Artikel 14

Erlöschen des Zertifikats

Das Zertifikat erlischt unter folgenden Umständen :

(a)  am Ende des in Artikel 13 festgelegten Zeitraums;

(b)  bei Verzicht des Inhabers des Zertifikats;

(c)  bei nicht rechtzeitiger Zahlung der in Übereinstimmung mit Artikel 12 festgesetzten Jahresgebühr;

(d)  wenn und solange das durch das Zertifikat geschützte Erzeugnis infolge der Rücknahme der betreffenden Genehmigung oder Genehmigungen für das Inverkehrbringen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 oder gegebenenfalls einer gleichwertigen Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf.

Für die Zwecke des Buchstaben d kann über das Erlöschen des Zertifikats die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde von Amts wegen oder auf Antrag eines Dritten entscheiden.

Artikel 15

Nichtigkeit des Zertifikats

1.  Das Zertifikat ist unter folgenden Umständen nichtig:

(a)  das Zertifikat wurde entgegen den Vorschriften der Artikel 3 und 6 erteilt; [Abänd. 9]

(b)  das Grundpatent ist vor Ablauf seiner gesetzlichen Laufzeit erloschen;

(c)  das Grundpatent wird widerrufen oderderartig beschränkt, dass das Erzeugnis, für welches das Zertifikat erteilt worden ist, nicht mehr von den Ansprüchen des Grundpatents erfasst wird, oder es liegen nach Erlöschen des Grundpatents Widerrufs gründe vor, die > den Widerruf oder die Beschränkung gerechtfertigt hätten.

2.  Jedermann kann bei der nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für den Widerruf des entsprechenden Grundpatents zuständigen Stelle oder vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats einen Antrag auf Nichtigerklärung des Zertifikats stellen oder Klage auf Widerruf des Zertifikats erheben.

Artikel 16

Bekanntmachung des Erlöschens oder der Nichtigkeit

Erlischt das Zertifikat gemäß Artikel 14 Buchstabe b, c oder d oder ist es gemäß Artikel 15 nichtig, macht die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde einen Hinweis hierauf bekannt.

Artikel 17

Beschwerden

1.  Gegen die Entscheidungen, die von der in Artikel 9 Absatz 1 genannten Behörde oder von der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Stelle in Anwendung dieses Kapitels getroffen wurden, können die gleichen Beschwerden eingelegt werden, die nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gegen entsprechende Entscheidungen auf dem Gebiet nationaler Patente vorgesehen sind.

2.  Gegen die Entscheidung der Erteilung des Zertifikats kann ein e Beschwerde eingelegt werden, die darauf abzielt, die Laufzeit des Zertifikats zu berichtigen, falls der gemäß Artikel 8 in der Zertifikatsanmeldung enthaltene Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union unrichtig ist.

Artikel 18

Verfahren

1.  Soweit diese Verordnung keine Verfahrensvorschriften enthält, finden auf das Zertifikat die nach einzelstaatlichem Recht für das entsprechende Grundpatent geltenden Verfahrensvorschriften sowie gegebenenfalls die für Zertifikate gemäß der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 [Amt für Veröffentlichungen, bitte Verweis auf COM(2023) 231 einfügen] geltenden Verfahrensvorschriften Anwendung, sofern das einzelstaatliche Recht keine besonderen Verfahrensvorschriften für Zertifikate nach der vorliegenden Verordnung vorsieht.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 ist das Einspruchsverfahren gegen ein erteiltes Zertifikat ausgeschlossen.

KAPITEL III

Zentralisiertes Verfahren für Zertifikate

Artikel 19

Umfang der zentralisierten Anmeldung

1.  Wenn das Grundpatent ein Europäisches Patent, einschließlich eines einheitlichen Patents, ist und in mindestens einem Mitgliedstaat Genehmigungen für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt wurden, kann auf das Verfahren nach diesem Kapitel zurückgegriffen werden.

2.  Eine zentralisierte Anmeldung wird bei dem mit Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 eingerichteten Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) eingereicht.

3.  Die Artikel 1 bis 7 und 13 bis 17 gelten für zentralisierte Anmeldungen.

4.  Die zentralisierte Anmeldung wird anhand eines spezifischen Anmeldeformulars eingereicht.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für das für die Einreichung einer zentralisierten Anmeldung zu verwendende Anmeldeformular zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 20

Inhalt der zentralisierten Anmeldung

Die zentralisierte Anmeldung umfasst Folgendes:

(a)  Angabe der Mitgliedstaaten, in denen um Zertifikate im Rahmen des zentralisierten Verfahrens ersucht wird;

(b)  die Informationen gemäß Artikel 8 Absatz 1.

Artikel 21

Prüfung der Zulässigkeit der zentralisierten Anmeldung

1.  Das Amt prüft,

(a)  ob die zentralisierte Anmeldung mit Artikel 20 im Einklang steht;

(b)  ob die zentralisierte Anmeldung mit Artikel 7 im Einklang steht;

(c)  ob die in Artikel 33 Absatz 1 genannte Anmeldegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist entrichtet wurde.

2.  Entspricht die zentralisierte Anmeldung nicht den in Absatz 1 genannten Erfordernissen, fordert das Amt den Anmelder auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Erfordernissen zu entsprechen, und legt dafür eine Frist fest.

3.  Wurde die in Absatz 1 Buchstabe c genannte Gebühr nicht oder nicht vollständig entrichtet, so teilt das Amt dies dem Anmelder mit.

4.  Erfüllt der Anmelder die Erfordernisse gemäß Absatz 1 nicht innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist, weist das Amt die Anmeldung zurück.

Artikel 22

Veröffentlichung der zentralisierten Anmeldung

Steht die zentralisierte Anmeldung mit Artikel 21 im Einklang, veröffentlicht das Amt die Anmeldung unverzüglich im Register.

Artikel 23

Prüfung der zentralisierten Anmeldung

1.  Das Amt prüft die Anmeldung auf der Grundlage aller Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 1 für jeden der angegebenen Mitgliedstaaten.

2.  Stehen die zentralisierte Zertifikatsanmeldung und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, mit Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 2 in Bezug auf einen oder mehrere der angegebenen Mitgliedstaaten im Einklang, nimmt das Amt eine begründete positive Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich dieser Mitgliedstaaten an. Das Amt bringt dem Anmelder diese Stellungnahme zur Kenntnis. [Abänd. 10]

3.  Stehen die zentralisierte Zertifikatsanmeldung und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, mit Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 2 in Bezug auf einen oder mehrere der angegebenen Mitgliedstaaten nicht im Einklang, nimmt das Amt eine begründete negative Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich dieser Mitgliedstaaten an. Das Amt bringt dem Anmelder diese Stellungnahme zur Kenntnis. [Abänd. 11]

4.  Das Amt übersetzt die Stellungnahme zur Prüfung in die Amtssprachen aller angegebenen Mitgliedstaaten. Das Amt kann zu diesem Zweck überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für Verfahren im Zusammenhang mit der Einreichung und für Verfahren bezüglich der Art und Weise der Prüfung von zentralisierten Anmeldungen durch die Prüfungsgremien sowie der Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung und der Abgabe von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 24

Erweiterte Bedingungen für die Erlangung des Zertifikats

1.  Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b nimmt das Amt eine positive Stellungnahme für ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage der zentralisierten Anmeldung für jeden angegebenen Mitgliedstaat an, wenn beide nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

(a)  zum Zeitpunkt dieser Anmeldung wurde eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 beantragt;

(b)  es wurde vor Annahme der Stellungnahme zur Prüfung eine gültige Genehmigung erteilt.

2.  Die Stellungnahme zur Prüfung wird frühestens 18 Monate nach der Einreichung der zentralisierten Anmeldung angenommen, sofern nicht in jedem der angegebenen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Einreichung der zentralisierten Anmeldung eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt wurde.

3.  In Bezug auf einen angegebenen Mitgliedstaat, in dem spätestens 18 Monate nach Einreichung der zentralisierten Anmeldung noch keine Genehmigung erteilt wurde, setzt das Amt die Prüfverfahren aus und nimmt diese Verfahren wieder auf, falls und wenn die zuständige nationale Behörde eine solche Genehmigung erteilt und der Anmelder dem Amt diese vor Erlöschen des Grundpatents vorlegt.

Artikel 25

Bemerkungen Dritter

1.  Jede natürliche oder juristische Person kann dem Amt schriftliche Bemerkungen vorlegen, die die Zulässigkeit ergänzenden Schutzes für das Erzeugnis, auf das sich die Anmeldung bezieht, in einem oder mehreren der darin angegebenen Mitgliedstaaten betreffen.

2.  Eine natürliche oder juristische Person, die schriftliche Bemerkungen nach Absatz 1 vorgelegt hat, darf keine Verfahrensbeteiligte sein.

3.  Bemerkungen Dritter sind innerhalb von 3 Monaten nach der Veröffentlichung der zentralisierten Anmeldung im Register vorzulegen.

4.  Alle Bemerkungen Dritter sind schriftlich in einer der Amtssprachen der Union und unter Angabe der Gründe, auf die sich stützen, vorzulegen.

5.  Alle Bemerkungen Dritter werden dem Anmelder zur Kenntnis gebracht. Der Anmelder kann die Bemerkungen innerhalb einer vom Amt festgelegten Frist kommentieren.

Artikel 26

Widerspruch

1.  Innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der Stellungnahme zur Prüfung bezüglich einer zentralisierten Anmeldung kann jede Person (im Folgenden „Widerspruchsführer“) eine Widerspruchsschrift zu dieser Stellungnahme einreichen.

2.  Ein Widerspruch kann nur dann eingelegt werden, wenn eine oder mehrere der in Artikel 3 oder 6 festgelegten Bedingungen in einem oder mehreren der angegebenen Mitgliedstaaten nicht erfüllt sind.

3.  Der Widerspruch ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst dann als ordnungsgemäß eingereicht, wenn die Widerspruchsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die Widerspruchsschrift enthält Folgendes:

(a)  die Bezugnahmen auf die zentralisierte Anmeldung, gegen die Widerspruch eingelegt wird, den Namen des Inhabers und die Identifizierung des Erzeugnisses;

(b)  die Angaben zum Widerspruchsführer und gegebenenfalls zu dessen Vertreter;

(c)  eine Erklärung darüber, in welchem Ausmaß Widerspruch gegen die Stellungnahme zur Prüfung eingelegt wird, sowie der Gründe, auf die sich der Widerspruch stützt;

ca)   alle Beweismittel, auf die sich der Widerspruchsführer in seinem Widerspruch stützt. [Abänd. 13]

5.  Der Widerspruch wird von einem Widerspruchsgremium untersucht, das vom Amt im Einklang mit den Vorschriften eingesetzt wurde, die für Prüfungsgremien gemäß Artikel 28 gelten. Dem Widerspruchsgremium darf jedoch kein Prüfer angehören, der zuvor an dem Prüfungsgremium beteiligt war, das die zentralisierte Anmeldung des Zertifikats geprüft hat.

6.  Stellt das Widerspruchsgremium fest, dass die Widerspruchsschrift Absatz 2, 3 oder 4 nicht entspricht, weist siees den Widerspruch als unzulässig zurück und teilt diesseine Entscheidung sowie die Gründe für diese Entscheidung dem Widerspruchsführer mit, sofern diesbezüglich nicht vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist für die Einreichung eines Widerspruchs Abhilfe geschaffen wird. [Abänd. 14]

7.  Die Entscheidung darüber, ob ein Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wird, wird dem Inhaber der zentralisierten Anmeldung zusammen mit einer Kopie der Widerspruchsschrift übermittelt.

Eine Widerspruchsschrift ist unzulässig, wenn das Amt einen vorangegangenen Widerspruch wegen desselben Anspruchs in der Hauptsache bereits entschieden hat und die Entscheidung des Amtes über diesen Widerspruch bereits eine unanfechtbare Entscheidung ist.

8.  Wird der Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen, übermittelt das Amt die Widerspruchsschrift unverzüglich dem Anmelder und veröffentlicht sie im Register. Wurden mehrere Widerspruchsschriften eingereicht, übermittelt sie das Amt unverzüglich an die anderen Widerspruchsführer.

(8a)   In Fällen, in denen mehrere Widersprüche gegen eine Stellungnahme zur Prüfung eingelegt wurden, bearbeitet das Amt die Widersprüche gemeinsam und trifft für alle eingelegten Widersprüche eine einzige Entscheidung. [Abänd. 15]

9.  Das Amt trifft innerhalb von 6sechs Monaten eine Entscheidung über den Widerspruch einschließlich einer ausführlichen Begründung seiner Entscheidung, sofern die Komplexität der Sache keinen längeren Zeitraum erforderlich macht. [Abänd. 16]

10.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass kein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, weist es den Widerspruch zurück und unterrichtet den Widerspruchsführer von seiner Entscheidung, und das Amt vermerkt dies im Register. [Abänd. 17]

11.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass mindestens ein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, nimmt es eine geänderte Stellungnahme an und unterrichtet den Widerspruchsführer von seiner Entscheidung, und das Amt vermerkt dies im Register. [Abänd. 18]

12.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten des Verfahrens zur Einreichung und Prüfung eines Widerspruchs festgelegt werden.

(12a)   Während des gesamten Widerspruchsverfahrens, das – soweit möglich – öffentlich ist, ist für uneingeschränkte Transparenz zu sorgen. [Abänd. 19]

Artikel 27

Rolle der zuständigen nationalen Behörden

1.  Auf Ersuchen des Amtes kann jede zuständige nationale Behörde vom Amt als am Prüfverfahren teilnehmende Stelle ernannt werden. Sobald eine zuständige nationale Behörde im Einklang mit diesem Artikel ernannt wurde, benennt sie einen oder mehrere Prüfer, die an der Prüfung einer oder mehrerer zentralisierter Anmeldungen beteiligt werdenauf der Grundlage ihres einschlägigen Fachwissens und ihrer Erfahrung in diesem Bereich zu beteiligen sind. [Abänd. 20]

2.  Das Amt und die zuständige nationale Behörde schließen eine Verwaltungsvereinbarung ab, bevor diese zuständige nationale Behörde als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernannt wird.

In der Vereinbarung werden die Rechte und Pflichten der Beteiligten, insbesondere die förmliche Verpflichtung der betreffenden zuständigen nationalen Behörde, diese Verordnung in Bezug auf die Prüfung zentralisierter Anmeldungen einzuhalten, festgeschrieben.

3.  Das Amt kann eine zuständige nationale Behörde für 5 Jahre als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernennen. Diese Ernennung kann um weitere Zeiträume von 5 Jahren verlängert werden.

4.  Vor Ernennung einer zuständigen nationalen Behörde, vor Verlängerung der Ernennung oder vor Ablauf einer solchen Ernennung hört das Amt die betreffende zuständige nationale Behörde an.

5.  Jede gemäß diesem Artikel ernannte zuständige nationale Behörde stellt dem Amt eine Liste der einzelnen Prüfer zur Verfügung, die für die Teilnahme an Prüfungs- und Widerspruchsverfahren bereitstehen. Jede dieser zuständigen nationalen Behörden aktualisiert die Liste bei Änderungen.

Artikel 28

Prüfungsgremien

1.  Die Bewertungen gemäß den Artikeln 23 und 26 werden von einem Prüfungsgremium durchgeführt, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei Prüfer gemäß Artikel 27 Absatz 1 von zwei verschiedenen zuständigen nationalen Behörden angehören.

2.  Die Prüfer sind in der Wahrnehmung ihrer Pflichten unparteiisch und legen zum Zeitpunkt ihrer Benennung alle tatsächlichen oder vermeintlichen Interessenkonflikte dem Amt offen.

3.  Bei der Zusammenstellung des Prüfungsgremiums stellt das Amt Folgendes sicher:

(a)  geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden ÄmternVorhandensein einschlägiger Fachkenntnisse und ausreichender Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten, wobei insbesondere dafür zu sorgen ist, dass mindestens eines der Mitglieder des Prüfungsgremiums über eine mindestens fünfjährige Erfahrung mit der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten verfügt; [Abänd. 21]

aa)   geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden Behörden, sofern dies möglich ist; [Abänd. 22]

(b)  die jeweilige Arbeitsbelastung der Prüfer wird berücksichtigt;

(c)  höchstens einkein Prüfer ist bei einer zuständigen nationalen Behörde, die die Ausnahme nach Artikel 10 Absatz 5 in Anspruch nimmt, beschäftigt. [Abänd. 23]

4.  Das Amt veröffentlicht eine jährliche Übersicht über die Anzahl der Verfahren, einschließlich der Verfahren zu Prüfung, Widerspruch, und Beschwerde, an denen die einzelnen zuständigen nationalen Behörden teilgenommen haben.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Kriterien für die Zusammenstellung von Gremien sowie für die Auswahl der Prüfer zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 29

Beschwerden

1.  Alle Beteiligten in Verfahren gemäß diesem Kapitel, die durch eine Entscheidung des Amtes beschwert sind, einschließlich durch eine Stellungnahme zur Prüfung, können bei der Beschwerdekammer gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen.

2.  Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Eine Entscheidung des Amtes, gegen die kein Einspruch erhoben wurde, wird am Tag nach dem Datum des Ablaufs der in Absatz 3 genannten Beschwerdefrist wirksam.

3.  Die Beschwerde ist innerhalb von 2zwei Monaten nach Bekanntmachung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Bei einer Beschwerde wirdwerden eine schriftliche Beschwerdebegründung sowie Belege, die Grundlage dieser Begründung sind, innerhalb von vierdrei Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung vorgelegt.

Eine Erwiderung der Beschwerdebegründung ist spätestens drei Monate nach dem Tag der Einreichung der Beschwerdebegründung in Schriftform zu übermitteln. Das Amt setzt gegebenenfalls innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung der Antwort oder innerhalb von sechs Monaten nach Vorlage der Beschwerdebegründung einen Termin für die mündliche Verhandlung fest, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt. Das Amt erlässt je nach Fall innerhalb von drei Monaten nach der mündlichen Verhandlung oder nach der Übermittlung der Beschwerdeerwiderung eine schriftliche Entscheidung. [Abänd. 24]

4.  Nach der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden die Beschwerdekammern über die Begründetheit der Beschwerde.

(4a)   Das Amt unterrichtet den Anmelder unverzüglich von seiner Entscheidung. [Abänd. 25]

5.  Führt eine Beschwerde bei den Beschwerdekammern zu einer Entscheidung, die mit der Stellungnahme zur Prüfung nicht im Einklang steht und dem Amt vorgelegt wird, kannso wird durch die Entscheidung der Kammern diese Stellungnahme aufgehoben oder geändert werden, bevor sie an die zuständigen nationalen Behörden der angegebenen Mitgliedstaaten übermittelt wird. [Abänd. 26]

6.  Eine Entscheidung der Beschwerdekammern, die hinsichtlich einer Beschwerde getroffen wurde, ist mit einer Klage wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrags über die Arbeitsweise der Union, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs bei dem Gericht der Europäischen Union innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung anfechtbar. Die Klage steht den an dem Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligten zu, soweit sie durch deren Entscheidung beschwert sind. Das Gericht kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern.

7.  Die Entscheidungen der Beschwerdekammern werden erst am Tag nach Ablauf der in Absatz 6 vorgesehenen Frist oder, wenn innerhalb dieser Frist eine Klage beim Gericht erhoben worden ist, am Tag nach deren Abweisung oder am Tag nach der Abweisung einer beim Gerichtshof der Europäischen Union eingelegten Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts wirksam. Das Amt ergreift die notwendigen Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichts oder, im Falle der Einlegung einer Beschwerde gegen dieses Urteil, des Gerichtshofs ergeben.

8.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen der Inhalt und die Form der in Absatz 3 genannten Beschwerde, das Verfahren zur Einreichung und Prüfung einer Beschwerde sowie der Inhalt und die Form der in Absatz 4 genannten Entscheidung der Beschwerdekammern festgelegt werden.

Artikel 30

Beschwerdekammern

1.  Zusätzlich zu den ihnen mit Artikel 165 der Verordnung (EU) 2017/1001 übertragenen Befugnissen sind die mit der genannten Verordnung eingesetzten Beschwerdekammern für Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtes gemäß Artikel 29 Absatz 1 zuständig.

2.  Eine Beschwerdekammer für Fragen im Zusammenhang mit zentralisierten Zertifikatsanmeldungen besteht aus drei Mitgliedern, von denen mindestens zwei rechtskundig sein müssen. Die Beschwerdekammer kann zwei zusätzliche Mitglieder für eine Sache hinzuziehen, wenn sie der Ansicht ist, dass die Beschaffenheit der Beschwerde dies erfordert.

3.  Für Fragen im Zusammenhang mit zentralisierten Zertifikatsanmeldungen gibt es keine Große Kammer im Sinne des Artikels 165 Absätze 2, 3 und 4 sowie des Artikels 167 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001. Entscheidungen eines einzigen Mitglieds gemäß Artikel 165 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 sind nicht möglich.

4.  Die Mitglieder der Beschwerdekammern für Fragen im Zusammenhang mit zentralisierten Zertifikatsanmeldungen werden im Einklang mit Artikel 166 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/1001 ernannt. Bei der Ernennung von Mitgliedern der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die zentralisierte Zertifikatsanmeldungen betreffen, werden deren frühere Erfahrungen mit ergänzenden Schutzzertifikaten oder Patentangelegenheiten berücksichtigt. [Abänd. 27]

(4a)   In Angelegenheiten, die zentralisierte Zertifikatsanmeldungen betreffen, findet Artikel 166 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2017/1001 auf die Beschwerdekammern Anwendung. [Abänd. 28]

Artikel 31

Übertragung von Befugnissen für Beschwerdekammern

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 54 delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten der Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren im Zusammenhang mit Zertifikaten im Rahmen dieser Verordnung festgelegt werden.

Artikel 32

Nationale Umsetzung einer zentralisierten Stellungnahme zur Prüfung

1.  Ist die Frist, innerhalb derer eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht werden kann, abgelaufen, ohne dass eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht wurde, oder nachdem eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen ist, übermittelt das Amt die Stellungnahme zur Prüfung und ihre Übersetzung jeweils an die zuständige nationale Behörde jedes angegebenen Mitgliedstaats.

2.  Wenn eine positive Stellungnahme zur Prüfung in Bezug auf eine zentralisierte Anmeldung für einen oder mehrere angegebene Mitgliedstaaten ergangen ist, erteilt die zuständige nationale Behörde jedes dieser Mitgliedstaaten jeweils ein Zertifikat im Einklang mit den geltenden nationalen Vorschriften und Verfahren.

3.  Abweichend von Absatz 2 kann ein Mitgliedstaat entscheiden, kein Zertifikat zu erteilen, wenn sich seit der Einreichung der zentralisierten Anmeldung sachliche Umstände in diesem Mitgliedstaat bezüglich einer oder mehrerer der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b oder c oder in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d geändert haben. In einem solchen Fall weist dieser Mitgliedstaat die Anmeldung zurück, soweit sie diesen Mitgliedstaat betrifft.

4.  Für ein von einer zuständigen nationalen Behörde gemäß diesem Artikel erteiltes Zertifikat gelten die Artikel 4, 5, 11 sowie 12 bis 18 und die geltenden nationalen Rechtsvorschriften.

5.  Wenn eine negative Stellungnahme zur Prüfung für einen oder mehrere angegebene Mitgliedstaaten ergangen ist, stellt jeweils die zuständige nationale Behörde jedes dieser Mitgliedstaaten eine Entscheidung über die Zurückweisung im Einklang mit den geltenden nationalen Vorschriften und Verfahren aus.

Artikel 33

Gebühren

1.  Das Amt erhebt eine Gebühr für eine zentralisierte Zertifikatsanmeldung.

2.  Das Amt erhebt eine Gebühr für Beschwerden und für Widersprüche.

3.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Höhe der vom Amt erhobenen Gebühren, der Fristen für die Entrichtung dieser Gebühren sowie der diesbezüglichen Zahlungsmodalitäten zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

4.  Für gemäß diesem Kapitel erteilte Zertifikate gilt Artikel 12.

Artikel 34

Register

1.  Mit Blick auf zentralisierte Zertifikatsanmeldungen für Pflanzenschutzmittel umfasst das gemäß Artikel 35 der Verordnung [ABl: Verweis auf COM(2023) 231 einfügen](17) eingerichtete Register für jedes einheitliche Zertifikat oder jede zentralisierte Anmeldung oder Zertifikat alle folgenden Angaben:

(a)  Name und Anschrift des Anmelders oder des Inhabers des Zertifikats;

(b)  Name und die Geschäftsanschrift des Vertreters, soweit es sich nicht um einen Vertreter im Sinne des Artikels 37 Absatz 3 handelt;

(c)  Anmeldung sowie Datum der Einreichung und Datum der Veröffentlichung;

(d)  die Anmeldung betrifft ein Arzneimittel oder ein Pflanzenschutzmittel;

(e)  angegebene Mitgliedstaaten;

(f)  Nummer des Grundpatents;

(g)  Identifizierung des Erzeugnisses, für das Zertifikate beantragt werden;

(h)  Nummern und Zeitpunkte der Genehmigungen für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie eine Identifizierung des durch die jeweilige Genehmigung identifizierten Erzeugnisses;

(i)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union;

(j)  Datum und Zusammenfassung der Stellungnahme zur Prüfung in Bezug auf jeden der angegebenen Mitgliedstaaten; [Abänd. 29]

(k)  gegebenenfalls Laufzeit der zu erteilenden Zertifikate;

(l)  gegebenenfalls Einreichung eines Widerspruchs, dessen Bearbeitungsstand und das Ergebnis, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung; [Abänd. 30]

(m)  gegebenenfalls Einreichung einer Beschwerde, deren Bearbeitungsstand und das und Ergebnis des Beschwerdeverfahrens, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung; [Abänd. 31]

(n)  gegebenenfalls und sofern verfügbar, Einzelheiten der in jedem der angegebenen Mitgliedstaaten erteilten Zertifikate;

(o)  gegebenenfalls Hinweis darauf, dass die zentralisierte Anmeldung in einem oder mehreren der angegebenen Mitgliedstaaten zurückgewiesen wurde;

(p)  gegebenenfalls Hinweis darauf, dass ein Zertifikat erloschen ist oder für nichtig erklärt wurde;

(q)  Angaben zur Entrichtung von Jahresgebühren wie von den betreffenden zuständigen nationalen Behörden übermittelt.

2.  Änderungen der in Absatz 1 genannten Informationen, einschließlich Übertragungen, werden jeweils mit dem Datum der Eintragung im Register vermerkt.

3.  Das Register sowie die in den Absätzen 1 und 2 genannten Informationen werden in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung gestellt. Für die im Register zu veröffentlichenden Informationen kann das Amt überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

4.  Die zuständigen nationalen Behörden teilen Informationen im Zusammenhang mit der Erteilung, dem Erlöschen, der Nichtigkeit oder der Übertragung von Zertifikaten sowie der Zurückweisung von Anmeldungen gemäß den Kapiteln II und III sowie der Zahlung von Jahresgebühren unverzüglich dem Amt mit.

5.  Der Exekutivdirektor des Amtes kann festlegen, dass andere Informationen als die in den Absätzen 1 und 2 genannten im Register vermerkt werden.

6.  Das Amt erhebt, organisiert, veröffentlicht und speichert die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Informationen, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, zu den in Absatz 8 genannten Zwecken. Das Amt sorgt dafür, dass das Register für jedermann zur Einsichtnahme einfach zugänglich ist.

7.  Das Amt stellt auf Antrag und gegen Entrichtung einer Gebühr beglaubigte oder unbeglaubigte Auszüge aus dem Register aus.

8.  Die Verarbeitung der Daten betreffend die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Angaben, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, findet zu folgenden Zwecken statt:

(a)  der Verwaltung der Anmeldungen gemäß diesem Kapitel und den gemäß diesem erlassenen Rechtsakten;

(b)  der Pflege des Registers und der Ermöglichung der Einsichtnahme durch öffentliche Stellen und Wirtschaftsakteure;

(c)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

9.  Alle Daten, einschließlich personenbezogener Daten, betreffend die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Angaben gelten als von öffentlichem Interesse und sind für alle Dritten gebührenfrei zugänglich. Aus Gründen der Rechtssicherheit werden die Eintragungen im Register auf unbestimmte Zeit aufbewahrt.

Artikel 35

Datenbank

1.  Zusätzlich zur Verpflichtung, ein Register zu führen, sammelt das Amt alle Angaben, die von den Anmeldern oder in sonstigen Bemerkungen Dritter gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten bereitgestellt werden, und speichert diese in einer elektronischen Datenbank.

2.  Die elektronische Datenbank kann personenbezogene Daten beinhalten, die über jene hinausgehen, im Register enthalten sind, insoweit diese Angaben gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten vorgeschrieben sind. Die Sammlung, Speicherung und Verarbeitung dieser Daten dient folgenden Zwecken:

(a)  der Verwaltung der Anmeldungen und/oder Eintragungen der Zertifikate gemäß dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten;

(b)  dem Zugang zu den Informationen, die erforderlich sind, um die einschlägigen Verfahren einfacher und effizienter durchzuführen;

(c)  der Kommunikation mit den Anmeldern und sonstigen Dritten;

(d)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

3.  Der Exekutivdirektor bestimmt die Bedingungen für den Zugang zu der elektronischen Datenbank und die Art, in der ihr Inhalt, mit Ausnahme der in Absatz 2 dieses Artikels genannten personenbezogenen Daten, aber einschließlich der in Artikel 34 Absatz 3 aufgelisteten personenbezogenen Daten, in maschinenlesbarer Form bereitgestellt werden können, einschließlich der Gebühren für den Zugang.

4.  Der Zugang zu den in Absatz 2 genannten personenbezogenen Daten wird beschränkt, und diese Daten werden nur öffentlich zugänglich gemacht, wenn der betreffende Beteiligte seine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat.

5.  Alle Daten werden auf unbestimmte Zeit aufbewahrt. Der betreffende Beteiligte kann die Löschung personenbezogener Daten aus der Datenbank jedoch 18 Monate nach Ablauf des Zertifikats oder gegebenenfalls nach Abschluss des einschlägigen Inter-partes-Verfahrens beantragen. Der betreffende Beteiligte hat das Recht, jederzeit die Berichtigung unrichtiger oder falscher Daten zu veranlassen.

Artikel 36

Transparenz

1.  Für Dokumente im Besitz des Amtes gilt die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(18).

2.  Der Verwaltungsrat des Amtes beschließt die Einzelheiten zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 im Zusammenhang mit der vorliegenden Verordnung.

3.  Gegen Entscheidungen des Amtes nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 kann nach Maßgabe der Artikel 228 bzw. 263 AEUV Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten oder Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union erhoben werden.

4.  Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Amt unterliegt der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(19).

Artikel 37

Vertretung

1.  Natürliche oder juristische Personen, die weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung im Europäischen Wirtschaftsraum haben, müssen in jedem durch Kapitel III dieser Verordnung geschaffenen Verfahren mit Ausnahme der Einreichung einer zentralisierten Anmeldung gemäß diesem Artikel vor dem Amt vertreten werden.

2.  Natürliche oder juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz oder einer tatsächlichen und nicht nur zum Schein bestehenden gewerblichen oder Handelsniederlassung im Europäischen Wirtschaftsraum können sich vor dem Amt durch einen ihrer Angestellten vertreten lassen.

Angestellte einer juristischen Person können auch andere juristische Personen, die mit der von diesen Angestellten vertretenen Person wirtschaftlich verbunden sind, vertreten.

Unterabsatz 2 gilt auch, wenn diese anderen juristischen Personen weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in der Union haben.

Angestellte, die natürliche oder juristische Personen vertreten, haben beim Amt auf Verlangen des Amtes oder gegebenenfalls des Verfahrensbeteiligten eine unterzeichnete Vollmacht zu den Akten einzureichen.

3.  Ein gemeinsamer Vertreter ist zu bestellen, wenn mehr als ein Anmelder oder mehr als ein Dritter gemeinsam handeln.

4.  Nur ein in der Union niedergelassener Rechtspraktiker, der als zugelassener Vertreter in Patentangelegenheiten vor nationalen Ämtern oder dem Europäischen Patentamt auftreten darf, oder ein Rechtsanwalt, der vor Gerichten oder Tribunalen eines Mitgliedstaats zugelassen ist, darf natürliche oder juristische Personen vor dem Amt vertreten.

Artikel 38

Kombinierte Anmeldungen

1.  Eine zentralisierte Anmeldung kann auch einen Antrag auf Erteilung eines einheitlichen Zertifikats gemäß der Verordnung [ABl: Verweis auf COM(2023) 221 einfügen](20) (im Folgenden „kombinierte Anmeldung“) umfassen.

2.  Die kombinierte Anmeldung durchläuft ein einziges zentralisiertes Prüfverfahren sowie ein einziges Widerspruchs- oder Beschwerdeverfahren, sofern ein solches gegen eine Stellungnahme oder eine Entscheidung bezüglich sowohl der zentralisierten Anmeldung als auch der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats eingereicht wurde.

3.  Die Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, werden in der kombinierten Anmeldung nicht für die parallele Erteilung nationaler Zertifikate angegeben. Jede Nennung eines Mitgliedstaats, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, in der kombinierten Anmeldung wird für die Zwecke der Prüfung der kombinierten Anmeldung nicht beachtet.

Artikel 39

Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate

Beim Amt wird eine Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate (im Folgenden „SPC-Abteilung“) eingerichtet, die für die Wahrnehmung der in Kapitel III der vorliegenden Verordnung und in Kapitel III der Verordnung [ABl: Verweis auf COM(2023) 231 einfügen] sowie in den Verordnungen [ABl: Verweis auf COM(2023) 222 einfügen] und [ABl: Verweis auf COM(2023) 221 einfügen] festgelegten Aufgaben zuständig ist, insbesondere für Folgendes:

(a)  Entgegennahme von zentralisierten Zertifikatsanmeldungen, Beschwerden und Bemerkungen Dritter sowie Aufsicht über die Prüfung;

(b)  Annahme von Stellungnahmen zur Prüfung im Auftrag des Amtes in Bezug auf zentralisierte Zertifikatsanmeldungen;

(c)  Treffen von Entscheidungen über Widersprüche gegen Stellungnahmen zur Prüfung;

(d)  Pflege des Registers und der Datenbank.

Artikel 40

Sprachen

1.  Alle Unterlagen und Informationen, die dem Amt im Zusammenhang mit den Verfahren gemäß dieser Verordnung übermittelt werden, müssen in einer der Amtssprachen der Union abgefasst sein.

2.  Für die dem Amt gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sind die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union gemäß der Verordnung Nr. 1 des Rates(21).

Artikel 41

Mitteilungen an das Amt

1.  Mitteilungen an das Amt können auf elektronischem Wege erfolgen. Der Exekutivdirektor bestimmt, in welchem Umfang und unter welchen technischen Bedingungen diese Mitteilungen elektronisch übermittelt werden können.

2.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter festgelegt werden.

Artikel 42

Entscheidungen und Mitteilungen des Amtes

1.  Zu Entscheidungen des Amtes im Rahmen dieses Kapitels gehören Stellungnahmen zur Prüfung; darin werden die Gründe angegeben, auf die sich diese stützen. Sie dürfen sich nur auf Gründe stützen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Findet eine mündliche Verhandlung vor dem Amt statt, so kann die Entscheidung mündlich ergehen. Die Entscheidung oder Stellungnahme wird den Beteiligten anschließend in Schriftform zugestellt.

2.  In allen Entscheidungen, Stellungnahmen, Mitteilungen oder Bescheiden des Amtes gemäß diesem Kapitel sind die SPC-Abteilung und das einschlägige Gremium sowie die Namen des oder der zuständigen Prüfer anzugeben. Sie sind von diesen Prüfern zu unterzeichnen oder stattdessen mit einem vorgedruckten oder aufgestempelten Dienstsiegel des Amtes zu versehen. Der Exekutivdirektor kann bestimmen, dass andere Mittel zur Identifizierung der SPC-Abteilung und der zuständigen Prüfer oder eine andere Identifizierung als das Siegel verwendet werden dürfen, wenn Entscheidungen oder andere Mitteilungen über technische Kommunikationsmittel übermittelt werden.

3.  Die Entscheidungen des Amtes gemäß diesem Kapitel, die mit der Beschwerde angefochten werden können, sind mit einer schriftlichen Belehrung darüber zu versehen, dass jede Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntmachung der fraglichen Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen ist. In der Belehrung sind die Beteiligten auch auf die Bestimmungen des Artikels 29 hinzuweisen. Die Beteiligten können aus der Unterlassung der Beschwerden betreffenden Belehrung seitens des Amtes keine Ansprüche herleiten.

Artikel 43

Mündliche Verhandlung

1.  Das Amt ordnet von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten eine mündliche Verhandlung an, sofern es dies für sachdienlich erachtet.

2.  Mündliche Verhandlungen vor einem Prüfungsgremium oder einem Widerspruchsgremium sind nichtöffentlich.

3.  Mündliche Verhandlungen vor den Beschwerdekammern, einschließlich der Verkündung der Entscheidung und gegebenenfalls einer überarbeiteten Stellungnahme sind öffentlich, sofern die Beschwerdekammern in Fällen, in denen eine Zulassung der Öffentlichkeit schwerwiegende und ungerechtfertigte Nachteile, insbesondere für einen Verfahrensbeteiligten, haben könnte, nicht anderweitig entscheiden.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für mündliche Verhandlungen im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 44

Beweisaufnahme

1.  In den Verfahren vor dem Amt sind insbesondere folgende Beweismittel zulässig:

(a)  Vernehmung der Beteiligten;

(b)  Einholung von Auskünften;

(c)  Vorlegung von Urkunden und Beweisstücken;

(d)  Vernehmung von Zeugen;

(e)  Begutachtung durch Sachverständige;

(f)  schriftliche Erklärungen, die unter Eid oder an Eides statt abgegeben werden oder nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie abgegeben werden, eine ähnliche Wirkung haben.

2.  Das befasste Gremium kann eines seiner Mitglieder mit der Durchführung der Beweisaufnahme beauftragen.

3.  Hält das Amt oder das einschlägige Gremium die mündliche Vernehmung eines Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen für erforderlich, so wird der Betroffene zu einer Vernehmung vor dem Amt geladen. Wird ein Sachverständiger geladen, so prüft das Amt oder gegebenenfalls das einschlägige Gremium, dass bei diesem Sachverständigen kein Interessenkonflikt vorliegt. Die Frist für die Ladung beträgt mindestens 1einen Monat, sofern diese nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden sind. [Abänd. 32]

4.  Die Beteiligten werden von der Vernehmung eines Zeugen oder eines Sachverständigen vor dem Amt benachrichtigt. Sie sind berechtigt, an der Zeugenvernehmung teilzunehmen und Fragen an den Zeugen oder Sachverständigen zu richten.

5.  Der Exekutivdirektor setzt die Beträge der zu erstattenden Auslagen, einschließlich der Beträge etwaiger Vorschüsse, für die Kosten fest, die im Fall einer Beweisaufnahme nach diesem Artikel entstehen.

6.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 45

Zustellung

1.  Das Amt stellt von Amts wegen alle Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, und Ladungen sowie alle Bescheide oder sonstigen Mitteilungen zu, durch die eine Frist in Gang gesetzt wird oder die nach anderen Bestimmungen dieses Kapitels oder nach den gemäß diesem Kapitel erlassenen Rechtsakten zuzustellen sind oder für die der Exekutivdirektor die Zustellung vorgeschrieben hat.

2.  Die Zustellung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, einschließlich auf elektronischem Weg. Die Einzelheiten bezüglich des elektronischen Weges werden vom Exekutivdirektor festgelegt.

3.  Erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, bestimmt der Exekutivdirektor die Art der öffentlichen Bekanntmachung und legt den Beginn der einmonatigen Frist fest, nach deren Ablauf die Dokumente als zugestellt gelten.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 46

Fristen

1.  Die Fristen werden nach vollen Jahren, Monaten, Wochen oder Tagen berechnet. Die Berechnung beginnt an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem das relevante Ereignis eingetreten ist. Die Dauer der Fristen beträgt nicht weniger als 1 Monat und nicht mehr als 6 Monate.

2.  Der Exekutivdirektor legt vor Beginn eines jeden Kalenderjahres die Tage fest, an denen das Amt für die Entgegennahme von Dokumenten nicht geöffnet ist oder an denen gewöhnliche Postsendungen am Sitz des Amtes nicht zugestellt werden.

3.  Im Falle einer allgemeinen Unterbrechung der Postzustellung in dem Mitgliedstaat, in dem das Amt seinen Sitz hat, oder bei einer Störung des Zugangs des Amtes zu den zulässigen elektronischen Kommunikationsmitteln stellt der Exekutivdirektor die Dauer der Unterbrechung fest.

4.  Wird die Kommunikation zwischen dem Amt und den Verfahrensbeteiligten durch ein nicht vorhersehbares Ereignis wie eine Naturkatastrophe oder einen Streik unterbrochen oder gestört, kann der Exekutivdirektor bestimmen, dass für die Verfahrensbeteiligten, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ihren Wohnsitz oder Sitz haben oder einen Vertreter mit Geschäftssitz in diesem Mitgliedstaat bestellt haben, alle Fristen, die normalerweise am oder nach dem Tag des vom Exekutivdirektor festgestellten Ereigniseintritts ablaufen, bis zu einem vom Exekutivdirektor festzusetzenden Tag verlängert werden. Bei der Festsetzung dieses Tages berücksichtigt der Exekutivdirektor das voraussichtliche Ende des unvorhersehbaren Ereignisses. Ist der Sitz des Amtes von dem Ereignis betroffen, stellt der Exekutivdirektor fest, dass die Fristverlängerung für alle Verfahrensbeteiligten gilt.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen festgelegt werden.

Artikel 47

Berichtigung von Fehlern und offensichtlichen Versehen

1.  Das Amt berichtigt sprachliche Fehler oder Transkriptionsfehler und offensichtliche Versehen in seinen Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, oder technische Fehler bei der Veröffentlichung von Informationen im Register von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten.

2.  Nimmt das Amt eine Eintragung ins Register vor oder trifft es eine Entscheidung, so löscht es diese Eintragung oder widerruft diese Entscheidung, wenn die Eintragung oder die Entscheidung offensichtlich mit einem dem Amt anzulastenden Fehler behaftet ist. Die Löschung der Eintragung in das Register oder der Widerruf der Entscheidung erfolgen binnen eines Jahres ab dem Datum der Eintragung in das Register oder dem Erlass der Entscheidung nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten.

3.  Das Amt führt Aufzeichnungen über diese Berichtigungen oder Löschungen.

4.  Korrekturen und Löschungen werden vom Amt veröffentlicht.

Artikel 48

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

1.  Der Anmelder oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt gemäß diesem Kapitel Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage war, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach diesem Kapitel den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsbehelfs zur unmittelbaren Folge hat.

2.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen. Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig.

3.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen anzugeben sind. Er gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die SPC-Abteilung oder gegebenenfalls die Beschwerdekammern entscheiden über den Antrag.

5.  Dieser Artikel ist nicht auf die in Absatz 2 dieses Artikels oder in Artikel 26 Absätze 1 und 3 genannten Fristen anzuwenden.

Artikel 49

Unterbrechung des Verfahrens

1.  Das Verfahren vor dem Amt im Rahmen dieses Kapitels wird unterbrochen,

(a)  wenn der Anmelder oder die Person, die nach nationalem Recht berechtigt ist, im Namen des Anmelders zu handeln, stirbt oder seine bzw. ihre Geschäftsfähigkeit verliert. Solange der Tod oder der Verlust der Geschäftsfähigkeit der genannten Personen die Vertretungsbefugnis eines gemäß Artikel 37 bestellten Vertreters nicht berührt, wird das Verfahren jedoch nur auf Antrag dieses Vertreters unterbrochen;

(b)  wenn der Anmelder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen;

(c)  wenn der Vertreter des Anmelders stirbt, seine Geschäftsfähigkeit verliert oder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen.

2.  Das Verfahren vor dem Amt wird wieder aufgenommen, sobald die Identität der Person, die zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt ist, festgestellt ist.

3.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 54 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Amt im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 50

Kostenverteilung

1.  Der unterliegende Beteiligte im Widerspruchsverfahren, einschließlich in zugehörigen Beschwerdeverfahren, trägt die von dem anderen Beteiligten entrichteten Gebühren. Der unterliegende Beteiligte trägt ebenfalls alle für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten, die dem anderen Beteiligten entstehen, einschließlich der Reise- und Aufenthaltskosten und der Kosten des Vertreters im Rahmen der Höchstsätze, die für jede Kostengruppe in dem gemäß Absatz 7 zu erlassenden Durchführungsrechtsakt festgelegt werden. Die von dem unterliegenden Beteiligten zu tragenden Gebühren beschränken sich auf die von den anderen Beteiligten in diesen Verfahren entrichteten Gebühren.

2.  Wenn die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert, beschließt die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer eine andere Kostenverteilung.

3.  Bei Abschluss des Verfahrens entscheidet die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer über die Kosten nach freiem Ermessen.

4.  Vereinbaren die Beteiligten vor der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer eine andere als die in den Absätzen 1 bis 3 vorgesehene Kostenregelung, so nimmt die betreffende Stelle diese Vereinbarung zur Kenntnis.

5.  Die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer setzt den Betrag der nach den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels zu erstattenden Kosten fest, wenn sich diese Kosten auf die an das Amt gezahlten Gebühren und die Vertretungskosten beschränken. In allen anderen Fällen setzt die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer oder die SPC-Abteilung auf Antrag den zu erstattenden Betrag fest. Der Antrag ist nur innerhalb der Frist von 2 Monaten zulässig, die mit dem Tag beginnt, an dem die Entscheidung, für die die Kostenfestsetzung beantragt wird, unanfechtbar wird; dem Antrag sind eine Kostenaufstellung und entsprechende Belege beizufügen. Für Vertretungskosten reicht eine Zusicherung des Vertreters, dass diese Kosten entstanden sind. Für sonstige Kosten genügt, dass sie nachvollziehbar dargelegt werden. Wird der Betrag der Kosten gemäß Satz 1 dieses Absatzes festgesetzt, so werden Vertretungskosten in der in dem nach Absatz 7 dieses Artikels erlassenen Durchführungsrechtsakt festgelegten Höhe gewährt, unabhängig davon, ob sie tatsächlich entstanden sind.

6.  In den nach Absatz 5 angenommenen Entscheidungen zur Kostenfestsetzung werden die Gründe angegeben, auf die sich stützen; und sie können innerhalb eines Monats ab Datum der Zustellung der Kostenfestsetzung durch eine Entscheidung der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer überprüft werden. Der Antrag gilt erst als eingereicht, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung entrichtet worden ist. Die SPC-Abteilung bzw. die Beschwerdekammer entscheidet ohne mündliches Verfahren über den Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung zur Kostenfestsetzung.

7.  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, in denen die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten im Einzelnen festgelegt werden. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

8.  Bei der Festlegung der Höchstsätze in Bezug auf die Reise- und Aufenthaltskosten berücksichtigt die Kommission die Entfernung zwischen dem Wohnsitz oder Geschäftssitz des Beteiligten, Vertreters oder Zeugen oder Sachverständigen und dem Ort der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensstufe, in der die Kosten entstehen, und, soweit es um die Kosten der Vertretung geht, die Erforderlichkeit sicherzustellen, dass die Pflicht der Kostenübernahme von dem anderen Beteiligten nicht aus verfahrenstaktischen Gründen missbraucht werden kann. Ferner werden die Aufenthaltskosten gemäß dem Statut der Beamten der Union und den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union, festgelegt durch die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates(22), berechnet. Der unterliegende Beteiligte trägt lediglich die Kosten eines Verfahrensbeteiligten und gegebenenfalls eines einzigen Vertreters.

Artikel 51

Vollstreckung der Entscheidungen, die Kosten festsetzen

1.  Jede Entscheidung des Amtes, die Kosten festsetzt, ist ein vollstreckbarer Titel.

2.  Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet. Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine einzige Behörde, die für die Prüfung der Echtheit des in Absatz 1 genannten Titels zuständig ist, und teilt deren Kontaktangaben dem Amt, dem Gerichtshof und der Kommission mit. Die Vollstreckungsklausel wird von dieser Behörde nach einer Prüfung, die sich lediglich auf die Echtheit des Titels erstreckt, erteilt.

3.  Sind diese Formvorschriften auf Antrag des die Vollstreckung betreibenden Beteiligten erfüllt, so kann dieser Beteiligte die Zwangsvollstreckung nach innerstaatlichem Recht betreiben, indem er die zuständige Stelle unmittelbar anruft.

4.  Die Zwangsvollstreckung kann nur durch eine Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt werden. Für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen sind jedoch die Rechtsprechungsorgane des betreffenden Mitgliedstaats zuständig.

Artikel 52

Finanzvorschriften

1.  Die dem Amt im Zuge der Wahrnehmung zusätzlicher Aufgaben, die ihm gemäß dieser Verordnung übertragen werden, entstehenden Kosten werden durch die von den Anmeldern zu entrichtenden Verfahrensgebühren sowie – bei Bedarf – einem Anteil der Jahresgebühren gedeckt, die von Inhabern von nach diesem Kapitel erteilten Zertifikaten an die zuständigen nationalen Behörden entrichtet werden. Dieser Anteil wird zunächst in einer bestimmten Höhe festgesetzt, jedoch alle 5 Jahre in dem Bestreben überprüft, die finanzielle Tragfähigkeit der vom Amt gemäß dieser Verordnung sowie den Verordnungen [ABl: Verweis auf COM(2023) 231 einfügen], [ABl: Verweis auf COM(2023) 222 einfügen] und [ABl: Verweis auf COM(2023) 221 einfügen] ausgeführten Tätigkeiten zu erreichen, soweit dem Amt entstandene Kosten nicht durch Gebühren im Rahmen dieser Verordnungen gedeckt sind.

2.  Für die Zwecke der Umsetzung des Absatzes 1 führt jede zuständige nationale Behörde Aufzeichnungen über die Jahresgebühren, die von den Inhabern von gemäß diesem Kapitel erteilter Zertifikate entrichtet werden.

3.  Die einer zuständigen nationalen Behörde für die Teilnahme an Verfahren gemäß diesem Kapitel entstehenden Kosten werden vom Amt getragen und jährlich auf der Grundlage der Zahl der Verfahren, an denen die zuständige nationale Behörde während des vorangegangenen Jahres beteiligt war, gezahlt.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Teilnahme in Absatz 3 genannter zuständiger nationaler Behörden zu entrichtende Vergütung zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 55 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 53

Übergangsregelungen

Diese Verordnung findet auf Zertifikate Anwendung, die vor dem jeweiligen Tag des Beitritts nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften Tschechiens , Estlands, Kroatiens, Zyperns, Lettlands, Litauens, Maltas, Polens, Rumäniens, Sloweniens und der Slowakei erteilt wurden.

KAPITEL IV

Schlussbestimmungen

Artikel 54

Ausübung der Befugnisübertragung

1.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

2.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 26 Absatz 13, Artikel 29 Absatz 8, Artikel 31, Artikel 41 Absatz 2, Artikel 43 Absatz 4, Artikel 44 Absatz 6, Artikel 45 Absatz 4, Artikel 46 Absatz 5 und Artikel 49 Absatz 3 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab dem Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung übertragen.

3.  Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 26 Absatz 13, Artikel 29 Absatz 8, Artikel 31, Artikel 41 Absatz 2, Artikel 43 Absatz 4, Artikel 44 Absatz 6, Artikel 45 Absatz 4, Artikel 46 Absatz 5 und Artikel 49 Absatz 3 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

4.  Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

5.  Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

6.  Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 26 Absatz 13, Artikel 29 Absatz 8, Artikel 31, Artikel 41 Absatz 2, Artikel 43 Absatz 4, Artikel 44 Absatz 6, Artikel 45 Absatz 4, Artikel 46 Absatz 5 und Artikel 49 Absatz 3 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Artikel 55

Ausschussverfahren

1.  Die Kommission wird von einem Ausschuss für ergänzende Schutzzertifikate unterstützt, der mit der Verordnung [ABl: Verweis auf COM(2023) 231 einfügen] eingerichtet wurde. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

2.  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 56

Bewertung

Bis zum [Amt für Veröffentlichungen… [fünf Jahre nach dem Tag der Anwendung] und danach alle fünf Jahre nimmt die Kommission eine Bewertung der Anwendung des Kapitels III vor und übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die wichtigsten Feststellungen. [Abänd. 33]

Artikel 57

Aufhebung

Die Verordnung (EG) Nr. 1610/96 wird aufgehoben.

Bezugnahmen auf die aufgehobenen Verordnungen gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II zu lesen.

Artikel 58

Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 19 bis 52 und 54 bis 56 gelten ab dem [erster Tag nach dem 12. Monat nach dem Inkrafttreten].

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Die Präsidentin Der Präsident /// Die Präsidentin

ANHANG I

Aufgehobene Verordnung mit Liste ihrer nachfolgenden Änderungen

Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 198 vom 8.8.1996, S. 30)

 

Beitrittsakte von 2003 (ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 33)

Nur Anhang II Abschnitt 4 Buchstabe C Ziffer II Absatz 2

Beitrittsakte von 2005 (ABl. L 157 vom 21.6.2005, S. 203)

Nur Anhang III Abschnitt 1 Ziffer II Absatz 2

Beitrittsakte von 2012 (ABl. L 112 vom 24.2.2012, S. 21)

Nur Anhang III Abschnitt 1 Nummer 2 Ziffer II Absatz 1

ANHANG II

Entsprechungstabelle

Verordnung (EG) Nr. 1610/96

Vorliegende Verordnung

Artikel 1, einleitende Worte

Artikel 2, einleitende Worte

Artikel 1 Nummern 1 bis 9

Artikel 2 Nummern 1 bis 9

Artikel 1 Nummer 10

-

-

Artikel 2 Nummern 10 bis 15

Artikel 2

Artikel 1

Artikel 3

Artikel 3

Artikel 4

Artikel 4

Artikel 5

Artikel 5

Artikel 6

Artikel 6 Absatz 1

-

Artikel 6 Absatz 2

Artikel 7

Artikel 7

Artikel 8

Artikel 8

Artikel 9

Artikel 9

Artikel 10

Artikel 10

Artikel 11

Artikel 11

Artikel 12

Artikel 12

Artikel 13

Artikel 13

Artikel 14

Artikel 14

Artikel 15

Artikel 15

Artikel 16

Artikel 16

Artikel 17

Artikel 17

Artikel 18

Artikel 18

-

Artikel 19

-

Artikel 20

-

Artikel 21

-

Artikel 22

-

Artikel 23

-

Artikel 24

-

Artikel 25

-

Artikel 26

-

Artikel 27

-

Artikel 28

-

Artikel 29

-

Artikel 30

-

Artikel 31

-

Artikel 32

-

Artikel 33

-

Artikel 34

-

Artikel 35

-

Artikel 36

-

Artikel 37

-

Artikel 38

-

Artikel 39

-

Artikel 40

-

Artikel 41

-

Artikel 42

-

Artikel 43

-

Artikel 44

-

Artikel 45

-

Artikel 46

-

Artikel 47

-

Artikel 48

-

Artikel 49

-

Artikel 50

-

Artikel 51

-

Artikel 52

Artikel 19

-

Artikel 19a

-

Artikel 20 Absatz 1

-

Artikel 20 Absatz 2

Artikel 53

-

Artikel 54

-

Artikel 55

-

Artikel 56

-

Artikel 57

Artikel 21

Artikel 58

-

Anhang I

-

Anhang II

(1) ABl. C, C/2023/865, 8.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/865/oj.
(2) ABl. C 77 vom 28.3.2002, S. 1.
(3)OJ C, C/2023/865, 08.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/865/oj.
(4)ABl. C […], […], S. […].
(5)Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (ABl. L 198 vom 8.8.1996, S. 30).
(6)Siehe Anhang I.
(7)Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 1).
(8)Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1).
(9)Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. L 154 vom 16.6.2017, S. 1).
(10)Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel [ABl: Verweis auf COM(2023) 221 einfügen].
(11)Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung (ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1).
(12)Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(13)Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(14)Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1).
(15)Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973 in der am 17. Dezember 1991 und am 29. November 2000 geänderten Fassung.
(16)Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 93 vom 3.4.2013, S. 1).
(17)Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel [ABl: Verweis auf COM(2023) 231 einfügen].
(18)Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).
(19)Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).
(20)Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel [ABl: Verweis auf COM(2023) 221 einfügen].
(21)Verordnung Nr. 1 des Rates zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 17 vom 6.10.1958, S. 385).
(22)Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (ABl. L 56 vom 4.3.1968, S. 1).


Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel (Neufassung)
PDF 353kWORD 127k
Entschließung
Konsolidierter Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (Neufassung) (COM(2023)0231 – C9-0146/2023 – 2023/0130(COD))
P9_TA(2024)0099A9-0022/2024

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren – Neufassung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2023)0231),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 114 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0146/2023),

–  unter Hinweis auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 27. September 2023(1),

–  gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 28. November 2001 über die systematischere Neufassung von Rechtsakten(2),

–  gestützt auf die Artikel 110 und 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0022/2024),

A.  in der Erwägung, dass der Vorschlag der Kommission nach Auffassung der beratenden Gruppe der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission keine anderen inhaltlichen Änderungen enthält als diejenigen, die im Vorschlag als solche ausgewiesen sind, und dass sich der Vorschlag in Bezug auf die Kodifizierung der unveränderten Bestimmungen der bisherigen Rechtsakte mit jenen Änderungen auf eine reine Kodifizierung der bestehenden Rechtstexte ohne inhaltliche Änderungen beschränkt;

1.  legt unter Berücksichtigung der Empfehlungen der beratenden Gruppe der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (Neufassung)

P9_TC1-COD(2023)0130


(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,(3)

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen,(4)

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)  Die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) wurde erheblich geändert.(6) Aus Gründen der Klarheit empfiehlt es sich, im Rahmen der anstehenden Änderungen die genannte Verordnung neu zu fassen.

(2)  Die Forschung im pharmazeutischen Bereich trägt entscheidend zur ständigen Verbesserung der öffentlichen Gesundheit bei. Arzneimittel, insbesondere solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, können nur dann weiterhin in der Union entwickelt werden, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht. Es ist jedoch schwierig, einen direkten Zusammenhang zwischen einer solchen günstigen Regelung und der Wettbewerbsfähigkeit der Union herzustellen, da eine solche Regelung zwar die Attraktivität der Unionsmärkte erhöht, aber dabei der geografische Ursprung der Arzneimittel nicht berücksichtigt wird und zugelassene Arzneimittel aus Drittländern in den Genuss aller Anreize in der Union kommen können, ebenso wie innovative Unternehmen mit Sitz in der Union von Anreizen in Drittländern profitieren können. [Abänd. 1]

(3)   Arzneimittel, insbesondere solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, werden in der Union nur weiterentwickelt, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht. [Abänd. 2]

(4)  Durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und dessen Zulassung wird der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

(5)  Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat und es besteht die Gefahr, dass die in den Mitgliedstaaten gelegenen Forschungszentren in Länder verlagert werden, die einen größeren Schutz bieten.

(6)  Auf Unionsebene sollte eine einheitliche Lösung gefunden werden, um auf diese Weise einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, die neue Unterschiede zur Folge hätte, welche geeignet wären, den freien Verkehr von Arzneimitteln innerhalb der Union zu behindern und dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar zu beeinträchtigen.

(7)  Es ist deshalb notwendig, ein ergänzendes Schutzzertifikat (im Folgenden „Zertifikat“) für Arzneimittel, für die eine Zulassung erteilt worden ist, vorzusehen, das der Inhaber eines nationalen Patents oder eines Europäischen Patents – mit einheitlicher oder ohne einheitliche Wirkung – unter denselben Bedingungen in jedem Mitgliedstaat erhalten kann. Das Zertifikat sollte seinem Inhaber eine angemessene zusätzliche Frist wirksamen Schutzes nach Erlöschen des Grundpatents bieten. Eine Anmeldung eines solchen Zertifikats sollte bei der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörden (im Folgenden „zuständige nationale Behörde“) des betreffenden Mitgliedstaats eingereicht werden.

(8)  Eine der BedingungenVoraussetzungen für die Erteilung eines Zertifikats sollte darin bestehen, dass das Erzeugnis durch das Grundpatent in dem Sinne geschützt istsein sollte, dass das Erzeugnis in den Geltungsbereich eines oder mehrerer Ansprüche dieses Patents fällt, so wie dieser vom Fachmann ausgelegt wird, durch dievon einer fachkundigen Person im Lichte der Beschreibung und der Zeichnungen des Patents auf der Grundlage der allgemeinen Kenntnisse dieser Person in dem einschlägigen Bereich und des Stands der Technik am Tag der Einreichung fällt. Dadurchoder am Prioritätstag des Grundpatents ausgelegt wird. Dies sollte nicht zwingend vorgeschrieben seinerfordern, dass der Wirkstoff des Erzeugnisses in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wird.sein muss, oder dass im Fall einer Arzneimittelkombination sollte dadurch ebenso wenig zwingend vorgeschrieben sein, dass jeder seinerihrer Wirkstoffe in den Ansprüchen ausdrücklich angegeben wirdsein muss, sofern jeder von ihnen anhandWirkstoff im Lichte aller durch das Patent offengelegten Angaben spezifischauf der Grundlage des Stands der Technik am Tag der Einreichung oder am Prioritätstag des Grundpatents auf spezifische Weise identifizierbar ist. [Abänd. 3]

(9)  Damit ein übermäßiger Schutz vermieden wird, sollte vorgesehen werden, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein entweder nationales oder einheitliches Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt sein darf. Daher sollte vorgeschrieben werden, dass das Erzeugnis oder jedes therapeutisch gleichwertige Derivat wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische, Komplexe oder Biosimilars nicht bereits Gegenstand eines früheren Zertifikats gewesen soll, und zwar weder allein noch in Kombination mit einem oder mehreren weiteren Wirkstoffen und sein darf, gleichgültig ob für dieselbe oder eine andere Anmeldung therapeutische Indikation. [Abänd. 4]

(10)  In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes sollte sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, nämlich den Wirkstoff oder Kombinationen davon erstrecken, welches von den Zulassungen erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des Zertifikats zugelassen wurden.

(11)  Zur Gewährleistung eines ausgewogenen Schutzes sollte jedoch ein einheitliches Zertifikat dessen Inhaber dazu berechtigen, einen Dritten daran zu hindern, nicht nur das im Zertifikat angegebene Erzeugnis, sondern auch dessen therapeutisch gleichwertige Derivate wie Salze, Ester, Ether, Isomere, Isomerengemische oder Komplexe sowie Biosimilars selbst dann herzustellen, wenn diese Derivate in der Beschreibung des Erzeugnisses im Zertifikat nicht ausdrücklich genannt sind. Daher ist in Erwägung zu ziehen, den durch das Zertifikat gewährten Schutz in den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes auf solche gleichwertigen Derivate auszuweiten.

(12)  Als weitere Maßnahme, mit der sichergestellt werden sollte, dass dasselbe Erzeugnis nicht durch mehr als ein Zertifikat in einem Mitgliedstaat geschützt werden kann, sollte dem Inhaber von mehr als einem Patent für dasselbe Erzeugnis nicht mehr als ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden. In Fällen, in denen zwei Patente zum Schutz des Erzeugnisses von zwei Inhabern gehalten werden, sollte jedoch jedem dieser Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden können, wenn diese nachweisen können, dass sie nicht wirtschaftlich verbunden sind. Überdies sollte dem Inhaber eines Grundpatents in Bezug auf ein Erzeugnis, das einer Zulassung, die ein Dritter innehat, unterliegt, ohne dessen Zustimmung kein Zertifikat erteilt werden.

(13)  Wird in der Zulassung, die für die Zwecke der Anmeldung des Zertifikats für ein biologisches Arzneimittel vorgelegt wird, dieses mit seinem internationalen Freinamen (INN) bezeichnet, so sollte sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz auf alle therapeutisch gleichwertigen ErzeugnisseBiosimilars mit demselben internationalen Freinamen wie das in der Zulassung genannte Erzeugnis ungeachtet etwaiger geringfügiger Unterschiede zwischen einem später entwickelten Biosimilar und dem zugelassenen Arzneimittel erstrecken, welche aufgrund der Beschaffenheit biologischer Erzeugnisse normalerweise unvermeidbar sind. [Abänd. 5]

(14)  Damit maximale Flexibilität gewährleistet ist und Inhaber unterschiedlicher Arten von Patenten nicht unangemessen diskriminiert werden, sollte es keine Begrenzung der Art des Patents geben, auf das ein nationales Zertifikat vor einer zuständigen nationalen Behörde angewendet werden kann. Daher sollte dies auf der Grundlage eines nationalen Patents oder eines Europäischen Patents – und insbesondere auch in Bezug auf ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung (im Folgenden „einheitliches Patent“) – weiterhin möglich sein.

(15)  Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes sollte so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens 15 Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Zulassung des betreffenden Arzneimittels in der Union eingeräumt werden.

(16)  In einem so komplexen und empfindlichen Bereich wie dem pharmazeutischen Sektor sollten jedoch alle auf dem Spiel stehenden Interessen einschließlich der öffentlichen Gesundheit berücksichtigt werden. Deshalb sollte das Zertifikat nicht für einen längeren Zeitraum als 5 Jahre erteilt werden können. Der von ihm gewährte Schutz sollte im Übrigen streng auf das Erzeugnis beschränkt sein, für das die Zulassung in der Union als Arzneimittel erteilt wurde. Darüber hinaus ist die zügige Markteinführung von Generika und Biosimilars in der Union auch wichtig, um insbesondere den Wettbewerb zu stärken, die Preise zu senken und für tragfähige Gesundheitssysteme und für besseren Zugang der Patienten in der Union zu erschwinglichen Arzneimitteln zu sorgen.

(17)  Um die Entwicklung von Kinderarzneimitteln zu fördern, sollte es möglich sein, den maximalen Gesamtzeitraum der Ausschließlichkeit von 15 Jahren und die maximale Gültigkeitsdauer des Zertifikats von 5 Jahren zu verlängern, wenn die Verlängerung für pädiatrische Zwecke gemäß Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(7) gilt.

(18)  Seit der Schaffung des einheitlichen Schutzes wurden Zertifikate nur auf nationaler Ebene angemeldet und erteilt, sodass mehrere ähnliche Anmeldungen in mehreren Mitgliedstaaten parallel eingereicht und geprüft werden müssen. Dies hatte sowohl für Anmelder als auch für die für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörden (im Folgenden „zuständige nationale Behörden“), die für ein bestimmtes Erzeugnis getrennte Prüfverfahren durchgeführt haben, Doppelarbeit mit sich gebracht sowie zu gelegentlichen Abweichungen zwischen den Entscheidungen der zuständigen nationalen Behörden in verschiedenen Mitgliedstaaten geführt. Solche Unterschiede sind gewöhnlich den Bedingungen für die Erteilung oder Verweigerung eines Zertifikats geschuldet; sie schließen die Erteilung eines Zertifikats in einem Mitgliedstaat ein, die in einem anderen für dasselbe Erzeugnis aber verweigert wird, oder Unterschiede in Bezug auf die Anwendung der im Vorfeld der Zulassung geltenden Bedingungen, oder beziehen sich darauf, ob das Erzeugnis bereits durch ein ergänzendes Schutzzertifikat geschützt war. Dies führt zu Rechtsunsicherheit und steht mit den Zielen des Binnenmarkts nicht im Einklang.

(19)  Es gibt ein zentralisiertes Verfahren für die Erteilung Europäischer Patente sowie ein zentralisiertes Verfahren für Zulassungen von Arzneimitteln. Darüber hinaus tritt das „einheitliche Patent“ gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(8) im Juni 2023 für die Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ratifiziert haben, in Kraft.

(20)  Daher ist es erforderlich, die bestehenden nationalen Verfahren für die Erteilung von Zertifikaten für Arzneimittel mit einem zentralisierten Verfahren zu ergänzen. Wenn das Grundpatent ein Europäisches Patent, einschließlich eines einheitlichen Patents ist, sollte es durch dieses Verfahren möglich werden, die Erteilung von nationalen Zertifikaten für zwei oder mehr angegebene Mitgliedstaaten auf dem Wege der Einreichung und Prüfung einer einzigen „zentralisierten“ Anmeldung zu beantragen. Nach der Erteilung von Zertifikaten im Rahmen des zentralisierten Verfahrens sollten diese Zertifikate mit den im Rahmen nationaler Verfahren erteilten Zertifikaten gleichwertig sein und denselben Vorschriften unterliegen.

(21)  Mit der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates(9) wurde gemäß deren Artikel 2 ein Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) errichtet. Im Interesse des Binnenmarkts sollte das zentralisierte Verfahren von einer einzigen Prüfstelle durchgeführt werden. Dies kann erreicht werden, indem dem Amt die Aufgabe der Prüfung von Zertifikatsanmeldungen im Rahmen des zentralisierten Verfahrens gemäß dieser Verordnung übertragen wird.

(22)  Damit eine vereinfachte Prüfung einer zentralisierten Anmeldung erfolgen kann, sollte eine solche nur auf der Grundlage eines Europäischen Patents – einschließlich eines einheitlichen Patents – eingereicht werden können. Die zentralisierte Anmeldung sollte auf der Grundlage einer Reihe unabhängiger nationaler Patente nicht verfügbar sein, da die betreffenden Ansprüche unterschiedlich sein dürften und damit eine komplexere Prüfung erfordern würden als in Fällen, in denen das Grundpatent ein Europäisches Patent ist.

(23)  Das zentralisierte Verfahren sollte nur für ein Arzneimittel gelten, das auf einer zentralisierten Zulassung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates(10) oder der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates(11) beruht. Diese Zulassungen beziehen sich auf Humanarzneimittel bzw. Tierarzneimittel. Eine solche Zulassung bezieht sich im Gegensatz zu nationalen Zulassungen auf dasselbe Arzneimittel in der gesamten Union, und wird die Prüfung zentralisierter Anmeldungen erleichtern.

(24)  Das Amt sollte die Möglichkeit haben, eine Gebühr für die zentralisierte Zertifikatsanmeldung sowie andere und für den Antrag auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten im Fall von Kinderarzneimitteln gemäß Artikel 86 der Richtlinie (EU) .../... [2023/0132(COD)] sowie andere Verfahrensgebühren, z. B. für einen Widerspruch oder eine Beschwerde, zu erheben. Die vom Amt erhobenen Gebühren sollten in einem Durchführungsrechtsakt festgelegt werden. [Abänd. 6]

(25)  Um die Kohärenz zwischen den auf der Grundlage desselben Grundpatents und für dasselbe Erzeugnis in den Mitgliedstaaten erteilten Zertifikaten zu gewährleisten, den Gesamtprüfungsaufwand zu verringern und eine angemessene Auslegung der Bedingungen für die Erteilung in allen Mitgliedstaaten, für die der Schutz für ein bestimmtes Erzeugnis beantragt wird, zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass das zentralisierte Verfahren für die Mitgliedstaaten, in denen die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, die einzige Möglichkeit darstellt, d. h. dass es sich bei dem Grundpatent um ein Europäisches Patent, einschließlich eines einheitlichen Patents, handelt und dass die Zulassung eine zentralisierte ist. Zu diesem Zweck sollte eine nationale Anmeldung des Zertifikats, die bei einer zuständigen nationalen Behörde eingereicht wird, von diesem nationalen Amt zurückgewiesen werden, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des zentralisierten Verfahrens erfüllt sind. Diese Maßnahme ist angesichts des Risikos von Divergenzen verhältnismäßig und gilt nicht für solche Fälle, in denen diese Anforderungen keine Anwendung finden und in denen nationale Anmeldungen weiterhin eingereicht werden können.

(26)  Ferner sollte ein Anmelder eine „kombinierte Anmeldung“ einreichen können, die eine Anmeldung des einheitlichen Zertifikats gemäß der Verordnung [COM(2023) 222] umfassen würde. Für eine derartige kombinierte Anmeldung sollte ein einziges Prüfungsverfahren durchlaufen werden.

(27)  Zur Vermeidung eines doppelten Schutzes sollten weder nationale Zertifikate noch einheitliche Zertifikate für das gleiche Erzeugnis in demselben Mitgliedstaat auf der Grundlage sowohl einer nationalen Anmeldung als auch einer zentralisierten Anmeldung erteilt werden können.

(28)  Damit ein faires und transparentes Verfahren sowie Rechtssicherheit gewährleistet sind und das Risiko späterer Anfechtungen der Gültigkeit eingedämmt wird, sollten Dritte nach der Veröffentlichung der zentralisierte Zertifikatsanmeldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten beim Amt während der Durchführung der zentralisierten Prüfung Bemerkungen einzureichen. Zu diesen Dritten, denen es gestattet ist, Bemerkungen einzureichen, sollten auch die Mitgliedstaaten gehören. Die Rechte Dritter, Nichtigkeitsverfahren bei der Stelle anzustrengen, die nach nationalem Recht für die Erklärung des Widerrufs des entsprechenden Grundpatents zuständig ist, sollten davon jedoch unberührt bleiben. Diese Bestimmungen sind notwendig, damit die Einbeziehung Dritter sowohl vor als auch nach der Erteilung der Zertifikate gewährleistet ist.

(29)  Das Amt sollte die zentralisierten Zertifikatsanmeldungen prüfen und eine Stellungnahme zur Prüfung abgeben. Aus dieser Stellungnahme sollte für jeden der angegebenen Mitgliedstaaten hervorgehen, aus welchen Gründen die Stellungnahme positiv oder negativ ausfällt

(30)  Die Prüfung einer zentralisierten Zertifikatsanmeldung sollte unter Aufsicht des Amtes von einem Prüfgremium durchgeführt werden, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei bei den nationalen Patentämtern beschäftigte Prüfer angehören. Dadurch würde sichergestellt, dass das derzeit nur bei den nationalen Ämtern vorhandene Fachwissen fürin Bezug auf ergänzende Schutzzertifikate betreffende Fragenund damit zusammenhängende Patentangelegenheiten bestmöglich genutzt wird. Damit eine optimale Qualität der Prüfung gewährleistet wird, sollten das Amt und die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen, dass die benannten Prüfer über einschlägiges Fachwissen und ausreichend Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von ergänzenden Schutzzertifikaten verfügen. Zusätzliche geeignete Kriterien sollten für die Teilnahme bestimmter Prüfer am zentralisierten Verfahren – insbesondere in Bezug auf deren Qualifikation und auf Interessenkonflikte – festgelegt werden. [Abänd. 7]

(31)  Ist das Amt der Auffassung, dass die Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats zwar in einem oder mehreren der in einer zentralisierten Anmeldung angegebenen Mitgliedstaaten erfüllt, in einem oder mehreren der anderen Mitgliedstaaten aber nicht erfüllt sind, sowie in Fällen, in denen in einem der angegebenen Mitgliedstaaten das grundlegende Europäische Patent andere Ansprüche umfasst, die das Erzeugnis nicht abdecken, sollte das Amt eine positive Stellungnahme für die angegebenen Mitgliedstaaten ausstellen, in denen die Bedingungen für die Erlangung des Zertifikats erfüllt sind, und eine negative Stellungnahme für diejenigen, in denen die Bedingungen nicht erfüllt sind.

(32)  Damit die Verfahrensrechte Dritter gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen gewährleistet ist, sollten Dritte in der Lage sein, eine Stellungnahme zur Prüfung anzufechten, indem sie innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der Veröffentlichung dieser Stellungnahme ein Widerspruchsverfahren einleiten, wobei dieser Widerspruch zu einer Änderung dieser Stellungnahme führen kann.

(32a)   Um für einen wirksamen Schutz von Innovationen in bestimmten dringenden Fällen zu sorgen, unter anderem wenn der Ablauf des Grundpatents unmittelbar bevorsteht, könnte ein beschleunigtes Prüfverfahren erforderlich sein, wobei jedoch Dritte die Möglichkeit haben sollten, Bemerkungen einzureichen und von anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen. Daher sollte ein Mechanismus vorgesehen werden, der es Anmeldern ermöglicht, ein beschleunigtes Prüfverfahren zu beantragen. [Abänd. 8]

(33)  Nach Abschluss der Prüfung einer zentralisierten Anmeldung und nach Ablauf der Beschwerde- und Widerspruchsfristen oder in dem Fall, dass eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen ist, sollte die Stellungnahme den betreffenden nationalen Patentämtern der angegebenen Mitgliedstaaten übermittelt werden. Das Amt stellt sicher, dass die Übermittlung innerhalb eines Zeitrahmens erfolgt, der es den nationalen Patentämtern ermöglicht, das Zertifikat zu erteilen oder gegebenenfalls die Anmeldung zurückzuweisen, bevor das Grundpatent abläuft. [Abänd. 9]

(34)  Wenn die Stellungnahme zur Prüfung für einen oder mehrere genannte Mitgliedstaaten positiv ausfällt, sollten die betreffenden zuständigen nationalen Behörden ein Zertifikat gemäß den geltenden inländischen Vorschriften, insbesondere in Bezug auf die Veröffentlichung, die Eintragung in einschlägige Datenbanken und die Zahlung von Jahresgebühren erteilen.

(35)  Wenn die Stellungnahme zur Prüfung für einen oder mehrere Mitgliedstaaten negativ ausfällt, sollten die betreffenden zuständigen nationalen Behörden die Anmeldung gemäß den geltenden inländischen Vorschriften zurückweisen.

(36)  Im Sinne der Kohärenz und der Rechtssicherheit sollten insbesondere in Bezug auf den Umfang, die Bedingungen für die Erlangung des Zertifikats, den Schutzgegenstand und die Wirkung von Zertifikaten sowie ihre Veröffentlichung dieselben materiellrechtlichen Vorschriften für nationale Anmeldungen und zentralisierte Anmeldungen gelten. Das zentralisierte Verfahren würde zur Erteilung nationaler Zertifikate führen, die mit auf der Grundlage nationaler Anmeldungen erteilten Zertifikaten vollkommen identisch wären.

(37)  Da bestimmte zuständige nationale Behörden über eingeschränkte Verwaltungskapazitäten für die Durchführung einer vollständigen materiellrechtlichen Prüfung von Zertifikatsanmeldungen verfügen könnten, sollte es den zuständigen nationalen Behörden weiterhin möglich sein, nicht alle Bedingungen für die Erteilung eines Zertifikats auf der Grundlage einer nationalen Anmeldung zu überprüfen. Damit die Qualität und die Einheitlichkeit der im Rahmen des zentralisierten Verfahrens erteilten Zertifikate sichergestellt sind, sollte das Amt jedoch alle Bedingungen für die Erteilung eines Zertifikats im Rahmen des zentralisierten Verfahrens überprüfen.

(38)  Wird der Anmelder oder ein anderer Beteiligter durch eine Entscheidung des Amtes beschwert, so sollte der Anmelder oder dieser Beteiligte das Recht haben, gegen die Entscheidung innerhalb von zwei Monaten gegen eine Gebühr Beschwerde bei einer Beschwerdekammer des Amtes einzulegen, damit die Verfahrensrechte gewahrt werden und ein vollständiges System von Rechtsbehelfen sichergestellt ist. Dies gilt auch für die Stellungnahme zur Prüfung, die vom Anmelder angefochten werden kann. Die Entscheidungen dieser Beschwerdekammer sollten ihrerseits mit der Klage beim Gericht anfechtbar sein; dieses kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern. Im Fall einer kombinierten Anmeldung, die einen Antrag auf ein einheitliches Zertifikat enthält, kann eine gemeinsame Beschwerde eingereicht werden. [Abänd. 10]

(39)  Bei der Ernennung von Mitgliedern der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die zentralisierte ZertifikatsanmeldungenAnmeldungen von Zertifikaten betreffen, sollten deren einschlägige, unabhängige und ausreichende frühere Erfahrungen mit ergänzenden Schutzzertifikaten oder Patentangelegenheiten berücksichtigt werden. [Abänd. 11]

(40)  Jede Person kann die Gültigkeit eines nach dem zentralisierten Verfahren erteilten Zertifikats vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats, sowie – sofern die Bedingungen erfüllt sind – vor dem Einheitlichen Patentgericht, anfechten.

(41)  Um den Verwaltungsaufwand und die Kosten für die Zertifikatsinhaber zu verringern, ist es erforderlich, dass das zentralisierte Verfahren eine rasche Möglichkeit bietet, einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit einer Reihe gleichwertiger Zertifikate für ein bestimmtes Arzneimittel, die im Rahmen des neuen zentralisierten Verfahrens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 erteilt wurden, einzureichen und diese Verlängerung zu gewähren. Was Zertifikate betrifft, so sollten solche Verlängerungen vorbehaltlich einer positiven Prüfung des zentralisierten Antrags auf Verlängerung der Laufzeit von den zuständigen nationalen Behörden gewährt werden.

(41a)   Die zügige Markteinführung von Generika und Biosimilars in der Union ist wichtig, um insbesondere den Wettbewerb anzukurbeln, die Preise zu senken und sowohl für tragfähige Gesundheitssysteme als auch für besseren Zugang der Patienten zu erschwinglichen Arzneimitteln zu sorgen. Wie wichtig solch eine zügige Markteinführung ist, hat der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 17. Juni 2016 zur Verstärkung der Ausgewogenheit der Arzneimittelsysteme in der Union und ihren Mitgliedstaaten hervorgehoben. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Rechte des geistigen Eigentums nach wie vor eine grundlegende Voraussetzung für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum im Binnenmarkt bilden. [Abänd. 12]

(42)  Im Jahr 2019 führte die Union mit der Verordnung (EU) 2019/933 des Europäischen Parlaments und des Rates(12) eine Ausnahmeregelung von dem Schutz ein, der den Inhabern ergänzender Schutzzertifikate für Arzneimittel gewährt wird. In ihr wurde darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass keine Ausnahmeregelung von dem Schutz durch das Zertifikat vorgesehen war, die unbeabsichtigte Folge hatte, dass in der Union niedergelassene Hersteller von Generika und Biosimilars diese Generika und Biosimilars in der Union nicht einmal für den Zweck der Ausfuhr in Drittlandsmärkte, in denen kein Schutz existiert oder in denen der Schutz abgelaufen ist oder zur Lagerung mit dem Ziel des Tag-1-Markteintritts herstellen konnten. Durch diese Umstände entstehen den in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber Herstellern mit Sitz in Drittländern, die weniger oder gar keinen Schutz bieten. Die Gründe für die Einführung der Ausnahmeregelung und die Bedingungen für ihre Anwendung sollten zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin gelten.

(43)  Es sollte für Ausgewogenheit dahin gehend gesorgt werden, dass einerseits gleiche Wettbewerbsbedingungen für die in der Union niedergelassenen Hersteller von Generika und Biosimilars sowie für Hersteller mit Sitz in Drittländern, die weniger oder gar keinen Schutz bieten bestehen und andererseits die ausschließlichen Rechte von Zertifikatsinhabern in Bezug auf den Unionsmarkt im Wesentlichen garantiert sind.

(44)  Es sollte in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars gestattet werden, Erzeugnisse oder diese Erzeugnisse enthaltende Arzneimittel, für eine festgelegte Zeit, bevor das entsprechende Zertifikat abläuft, in einem Mitgliedstaat herzustellen und zu lagern, damit sie es bei Ablauf des Zertifikats auf dem Markt aller Mitgliedstaaten einführen können (Tag-1-Markteintritt in der EU) und so dabei unterstützt werden, in der Union unmittelbar nach Ablauf des Schutzes in einen wirksamen Wettbewerb zu treten.

(45)  In diesen besonderen und begrenzten Fällen und zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen in der Union niedergelassenenansässigen Herstellern und inHerstellern aus Drittländern niedergelassenen Herstellern ist es angebracht, eine Ausnahme für den durch ein Zertifikatergänzendes Schutzzertifikat gemäß der Verordnung (EU) 2019/933 verliehenen Schutz vorzuseheneinzuschränken, um die Herstellung von Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln zum ausschließlichen Zweck der Ausfuhr in Drittländer oder deren Lagerung und alle damit verbundenen, für die Herstellung oder die eigentliche Ausfuhr, oder die eigentliche Lagerung unbedingt erforderlichen Handlungen (im Folgenden „verbundene Handlungen“) in der Union zu ermöglichen, wenn diese Handlungen ansonsten die Zustimmung des Zertifikatsinhabers erfordern würden. Solche („verbundene Handlungen“). Zu solchen verbundenen Handlungen könntenkönnen beispielsweise dender Besitz, das Anbieten, die Lieferung, das Anbieten, die Einfuhr, die Verwendung oder die Synthese eines Wirkstoffes zum ZweckeErzeugnisses zum Zweck der Herstellung eines Arzneimittels, das dieses Erzeugnis enthält, umfassen. Sie könnten auch die zeitweilige Lagerung oder die Bewerbung des Erzeugnisses zum oder die Werbung für den ausschließlichen Zweck der Ausfuhr in Drittländer umfassengehören. Die Ausnahmeregelung sollte auch für verbundene Handlungen Dritter gelten, die in einem Vertragsverhältnis zu dem Hersteller stehen. [Abänd. 13]

(46)  Die Ausnahmeregelung sollte für ein Erzeugnis oder ein dieses Erzeugnis enthaltendes Arzneimittel gelten, das durch ein Zertifikat geschützt ist, und sie sollte ebenso gelten für die Herstellung des betreffenden Erzeugnisses das im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats geschützt ist, und des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels.

(47)  Die Ausnahmeregelung sollte nicht erlauben, dass ein zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer oder zur Lagerung mit dem Ziel des Tag-1-Markteintritts in der EU hergestellte Erzeugnis oder dieses Erzeugnis enthaltende Arzneimittel mittelbar oder unmittelbar nach der Ausfuhr auf dem Markt eines Mitgliedstaats, in dem ein Zertifikat gilt, in Verkehr gebracht wird, noch sollte sie zur Wiedereinfuhr eines solchen Erzeugnisses oder dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels auf den Markt eines Mitgliedstaats führen, in dem ein Zertifikat gilt. Außerdem sollte sie nicht für Handlungen oder Tätigkeiten gelten, die der Einfuhr von Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln in die Union nur zum Zwecke der Neuverpackung und Wiederausfuhr dienen. Die Ausnahmeregelung sollte sich außerdem nicht auf die Lagerung von Erzeugnissen oder Arzneimitteln, die diese Erzeugnisse enthalten, zu anderen als den in dieser Verordnung festgelegten Zwecken erstrecken.

(48)  Indem der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung auf die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer oder auf die Herstellung zum Zwecke der Lagerung und auf die für eine solche Herstellung oder eigentliche Ausfuhr oder Lagerung unbedingt erforderlichen Handlungen beschränkt wird, wird die Ausnahmereglung nicht im Widerspruch zur normalen Verwertung des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels in dem Mitgliedstaat stehen, in dem das Zertifikat gilt, d. h. zum grundlegenden ausschließlichen Recht des Zertifikatsinhabers, das betreffende Erzeugnis herzustellen, um es während der Laufzeit des Zertifikats auf dem Markt der Union in Verkehr zu bringen. Außerdem sollte diese Ausnahmeregelung die berechtigten Interessen des Zertifikatsinhabers nicht unangemessen beeinträchtigen und zugleich den berechtigten Interessen Dritter Rechnung tragen.

(49)  Für die Ausnahmeregelung sollten wirksame und verhältnismäßige Sicherungsmaßnahmen gelten, um die Transparenz zu verbessern, den Inhaber eines Zertifikats bei der Durchsetzung seines Schutzes in der Union zu unterstützen, die Übereinstimmung mit dieser Verordnung zu überprüfen und das Risiko der widerrechtlichen Umlenkung auf den Unionsmarkt während der Geltungsdauer des Zertifikats zu verringern.

(50)  Zur Gewährleistung der Transparenz und Rechtssicherheit ist es erforderlich, dass für den Hersteller, d. h. die in der Union ansässige Person, in deren Namen die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels zum Zwecke der Ausfuhr oder der Lagerung vorgenommen wird, eine Informationspflicht vorgesehen wird. Diese Verpflichtung sollte auch gelten, wenn die Herstellung durch den Hersteller direkt vorgenommen wird.

(51)  Der in der Union niedergelassene Hersteller sollte dafür verantwortlich sein, sich zu vergewissern, dass in einem Ausfuhrland kein Schutz besteht oder bereits abgelaufen ist, oder ob der Schutz Beschränkungen oder Ausnahmeregelungen unterliegt.

(52)  Zur Gewährleistung der Transparenz und Rechtssicherheit sollten dem Hersteller als Voraussetzung für die Nutzung der Ausnahmeregelung bestimmte Sorgfaltspflichten auferlegt werden. Der Inhaber des entsprechenden Zertifikats hat daher Anspruch auf die Durchsetzung seiner Rechte aus dem Zertifikat, unter gebührender Beachtung der in der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(13) vorgesehenen allgemeinen Verpflichtung, von Klagemissbrauch abzusehen.

(53)  Kennzeichnungen nach dieser Verordnung sollten keine Auswirkungen auf die Kennzeichnungsvorschriften in Drittländern haben.

(54)  Alle Handlungen, die nicht unter die Ausnahmeregelung dieser Verordnung fallen, sollten im Geltungsbereich des durch ein Zertifikat gewährten Schutzes verbleiben. Jede Umlenkung eines im Rahmen der Ausnahmeregelung hergestellten Erzeugnisses oder dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels auf den Unionsmarkt sollte während der Laufzeit des Zertifikats auch künftig verboten sein.

(55)  Diese Ausnahmeregelung gilt unbeschadet anderer Rechte des geistigen Eigentums, durch die andere Aspekte eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, geschützt sein könnten. Diese Ausnahmeregelung berührt nicht die Anwendung von Unionsrechtsakten zur Verhinderung von Verstößen und zur Erleichterung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums berühren, einschließlich der Richtlinie 2004/48/EG und der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(14).

(56)  Diese Ausnahme lässt die Vorschriften über das individuelle Erkennungsmerkmal gemäß der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(15) unberührt. Der Hersteller sollte sicherstellen, dass zum Zwecke der Ausfuhr hergestellte Arzneimittel kein aktives individuelles Erkennungsmerkmal im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission(16) tragen um ein solches Erzeugnis sicher zu identifizieren, wenn es illegal wieder in die Union eingeführt werden sollte . Gemäß der genannten delegierten Verordnung gilt jedoch die Vorschrift, ein solches aktives individuelles Erkennungsmerkmal anzubringen, für Arzneimittel, bei denen die Absicht besteht, sie nach Ablauf des entsprechenden Zertifikats auf dem Markt eines Mitgliedstaats in Verkehr zu bringen dementsprechend gilt das Verbot eines aktiven individuellen Erkennungsmerkmals nicht für solche Erzeugnisse.

(57)  Diese Ausnahmeregelung berührt nicht die Anwendung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) 2019/6, insbesondere nicht die Anforderungen an die Erlaubnis zur Herstellung von zur Ausfuhr hergestellten Arzneimitteln. Das umfasst die Einhaltung der Grundsätze und Leitlinien guter Herstellungspraxis für Arzneimittel und den ausschließlichen Einsatz von Wirkstoffen, die gemäß der guten Herstellungspraxis und Vertriebspraxis für Wirkstoffe hergestellt und vertrieben wurden.

(58)  Um die Rechte der Zertifikatsinhaber zu schützen, sollte die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung nicht auf Zertifikate anwendbar sein, die am Tag des Inkrafttretens der Verordnung (EU) 2019/933des Europäischen Parlaments und des Rates bereits galten. Um die Rechte der Zertifikatsinhaber nicht übermäßig einzuschränken, sollte die Ausnahmeregelung auf Zertifikate anwendbar sein, die ab dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung (EU) 2019/933 angemeldet werden. Da ein Zertifikat nach Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents gilt, was unter Umständen erst verhältnismäßig lange nach dem Anmeldedatum des Zertifikats eintritt, ist es gerechtfertigt, dass sich die Ausnahmeregelung nach dieser Verordnung für einen bestimmten Zeitraum auch auf Zertifikate erstreckt, die vor dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung (EU) 2019/933 angemeldet wurden, aber vor diesem Tag noch nicht galten , und zwar unabhängig davon, ob diese Zertifikate vor diesem Tag erteilt wurden. Für Zertifikate, die ab dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung (EU) 2019/933 bereits wirksam waren, galt die Ausnahmeregelung deshalb vom 2. Juli 2022 an. Mit dem Konzept des „bestimmten Zeitraums“ für jedes einzelne Zertifikat, das ab dem Tag nach dem Tag des Inkrafttretens der genannten Verordnung gilt, sollte sichergestellt werden, dass die Ausnahmeregelung je nach dem Datum, zu dem ein Zertifikat begann, seine Wirkung zu entfalten, und je nach seiner Laufzeit schrittweise auf ein solches Zertifikat angewandt würde Durch eine solche Anwendung der Ausnahmeregelung würde dem Inhaber eines Zertifikats, das am Tag des Inkrafttretens der Verordnung (EU) 2019/933 erteilt worden war, aber noch nicht galt, eine angemessene Übergangszeit für die Anpassung an die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen eingeräumt und gleichzeitig sichergestellt, dass die Ausnahmeregelung Herstellern von Generika und Biosimilars ohne übermäßige Verzögerung zugutekommt.

(59)  Die Ausnahmeregelung sollte auf der Grundlage des Tages der Anmeldung eines Zertifikats gelten und somit die Einheitlichkeit fördern und das Risiko von Ungleichheiten begrenzen.

(60)  Im Interesse der Transparenz sollte ein Register eingerichtet werden, das als zentrales Zugangsportal dienen kann und das Informationen über Zertifikatsanmeldungen im Rahmen des zentralisierten Verfahrens sowie über Zertifikate, die auf dieser Grundlage von den zuständigen nationalen Behörden erteilt wurden, welche alle diesbezüglichen Informationen dem Amt mitteilen sollten, bereitstellt. Das Register sollte in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung stehen. Die im Register enthaltenen Informationen sollten jedoch nicht für Patent-Linkage-Praktiken verwendet werden, und Regulierungs- oder Verwaltungsentscheidungen im Zusammenhang mit Generika oder Biosimilars, wie Zulassungen, Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungsentscheidungen oder im Rahmen einer Ausschreibung eingereichte Angebote, in denen auf das Vorliegen des ergänzenden Schutzzertifikats hingewiesen wird, sollten nicht auf die im Register enthaltenen Informationen gestützt werden. [Abänd. 14]

(61)  Mit der Verordnung [COM(2023) 222](17) wird ein einheitliches ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel eingeführt, das für diejenigen Mitgliedstaaten beantragt werden kann, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat. Der Antrag für ein solches einheitliches Zertifikat kann im Rahmen einer kombinierten Zertifikatsanmeldung nach dem zentralisierten Verfahren gemäß dieser Verordnung gestellt werden. In einem solchen Fall sollte die kombinierte Anmeldung, die beide Anträge enthält, in einem einzigen zentralisierten Prüfverfahren behandelt werden. Ein doppelter Schutz sowohl durch ein einheitliches Zertifikat als auch ein gemäß dieser Verordnung erteiltes Zertifikat sollte ausgeschlossen werden.

(62)  Für die dem Amt gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sollten die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union sein. Das Amt sollte überprüfte Übersetzungen von Dokumenten und Informationen in eine der Amtssprachen der Union akzeptieren. Das Amt kann gegebenenfalls überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

(63)  Durch Finanzvorschriften sollte sichergestellt werden, dass die am zentralisierten Verfahren beteiligten zuständigen nationalen Behörden eine angemessene Vergütung für ihre Teilnahme erhalten.

(64)  Die notwendigen Einrichtungskosten im Zusammenhang mit den dem Amt übertragenen Aufgaben, einschließlich der Kosten für neue digitale Systeme, sollten aus dem kumulierten Haushaltsüberschuss des Amtes finanziert werden.

(65)  Zur Ergänzung bestimmter nicht wesentlicher Elemente dieser Verordnung sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu erlassen, in denen Folgendes festgelegt wird: i) der Inhalt und die Form der Beschwerdeschrift sowie der Inhalt und die Form der Entscheidung der Beschwerdekammer, ii) die die Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren über Zertifikate betreffenden Einzelheiten, iii) die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter, iv) die Modalitäten für mündliche Verfahren im Einzelnen, v) die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen, vi) die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen, vii) die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen und viii) die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens im Einzelnen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(18) niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.

(66)  Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse in Bezug auf Folgendes übertragen werden: i) die zu verwendenden Anmeldeformulare; ii) die Vorschriften über die Einreichungsverfahren, die Verfahren über die Art und Weise, in der die Prüfungsgremien zentralisierte Anmeldungen prüfen und Stellungnahmen zur Prüfung abfassen, sowie die Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt, iii) die Kriterien über die Art und Weise der Einrichtung der Prüfungsgremien und die Kriterien für die Auswahl der Prüfer, iv) die Höhe der an das Amt zu entrichtenden entsprechenden Gebühren, v) die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten sowie vi) die Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Beteiligung der zuständigen nationalen Behörden zu entrichtende Vergütung. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(19) ausgeübt werden.

(67)  Die Kommission sollte in regelmäßigen Abständen eine Bewertung dieser Verordnung vornehmen, insbesondere, um die Auswirkungen der Ausnahmeregelung auf die Wettbewerbsfähigkeit des pharmazeutischen Sektors in der Union zu bewerten. Bei dieser Bewertung sollten einerseits die Ausfuhr in Drittländer und andererseits die Auswirkungen der Lagerung auf einen rascheren Eintritt von Generika und insbesondere Biosimilars in die Märkte in der Union so bald wie möglich nach dem Ablauf eines Zertifikats berücksichtigt werden. Diese regelmäßige Bewertung sollte auch die Auswirkungen dieser Ausnahmeregelung auf die Herstellung von Generika und Biosimilars in der Union durch in der Union niedergelassene Hersteller von Generika und Biosimilars berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, festzustellen, ob eine zuvor außerhalb der Union erfolgende Herstellung in die Union verlagert wird. Bei der Bewertung sollte insbesondere die Wirksamkeit der Ausnahmeregelung im Hinblick auf das Ziel überprüft werden, weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen für Hersteller von Generika und Biosimilars in der Union wiederherzustellen. In der Bewertung sollten ferner die Auswirkungen der Ausnahmeregelung auf die Erforschung und die Herstellung innovativer Arzneimittel durch Zertifikatsinhaber in der Union untersucht und die unterschiedlichen Interessen, insbesondere die öffentliche Gesundheit, die öffentlichen Ausgaben und in diesem Zusammenhang der Zugang zu Arzneimitteln in der Union, gegeneinander abgewogen werden. Außerdem sollte bei der Bewertung untersucht werden, ob der Zeitraum, der für die Herstellung von Generika und Biosimilars zum Zwecke der Lagerung vorgesehen ist, ausreicht, um das Ziel des Tag-1-Markteintritts in der EU zu erreichen, und inwieweit sich das beispielsweise auf die öffentliche Gesundheit auswirkt. Die Kommission sollte auch das zentralisierte Verfahren regelmäßig bewerten.

(68)  Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) anerkannt wurden. Die Bestimmungen dieser Verordnung sollten im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden. Insbesondere zielt diese Verordnung darauf ab, sicherzustellen, dass die in Artikel 17 und 35 sowie 47 der Grundrechtecharta verankerten Rechte auf Eigentum und auf Gesundheitsvorsorge sowie das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in vollem Umfang gewahrt bleiben. Mit dieser Verordnung sollten die Kernrechte aus dem Zertifikat beibehalten werden' indem die in dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung auf die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, beschränkt wird, die nur zum Zwecke seiner Ausfuhr aus der Union oder zum Zwecke seiner Lagerung für einen begrenzten Zeitraum mit dem Ziel des Eintritts in den Unionsmarkt nach Ablauf des Schutzes erfolgt, sowie auf die Handlungen, die für eine solche Herstellung oder für die eigentliche Ausfuhr oder die eigentliche Lagerung unbedingt erforderlich sind. Angesichts dieser Grundrechte und Grundsätze geht diese Ausnahmeregelung nicht über das hinaus, was notwendig und angemessen ist, um das übergeordnete Ziel dieser Verordnung zu erreichen, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit der Union zu stärken, indem Standortverlagerungen abgewendet werden und den in der Union niedergelassenen Herstellern von Generika und Biosimilars ermöglicht wird, einerseits auf schnell wachsenden Märkten in der Welt, auf denen kein Schutz besteht oder auf denen der Schutz bereits abgelaufen ist, und andererseits zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer des Zertifikats auf dem Unionsmarkt wettbewerbsfähig zu sein. Darüber hinaus ist die Streichung der Möglichkeit, eine nationale Anmeldung des Zertifikats bei einer zuständigen nationalen Behörde einzureichen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des zentralisierten Verfahrens erfüllt sind, angesichts des Risikos von Divergenzen verhältnismäßig. Finden die Anforderungen keine Anwendung, so können nationale Anmeldungen weiterhin eingereicht werden.

(69)  Die Einführung eines zentralisierten Verfahrens für die Erteilung von Zertifikaten sollte sich in keiner Weise auf die bei den zuständigen nationalen Behörden noch anhängigen nationalen Anmeldungen der Zertifikate oder auf die auf der Grundlage nationaler Anmeldungen erteilten Zertifikate auswirken.

(70)  Da die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr im Hinblick auf die Gewährleistung der Kohärenz der geltenden Vorschriften und Verfahren in der gesamten Union auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(71)  Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (20) angehört und hat am XXX [Amt für Veröffentlichungen – Bitte entsprechende Angaben einfügen, sobald diese verfügbar sind] eine Stellungnahme abgegeben.

(72)  Es sollten angemessene Vorkehrungen getroffen werden, um einen reibungslosen Übergang von den Vorschriften gemäß der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 zu den Vorschriften in dieser Verordnung zu gewährleisten. Damit das Amt über ausreichend Zeit für die Umsetzung und Einführung des zentralisierten Verfahrens verfügt, sollten die Vorschriften ab dem [Amt für Veröffentlichungen: Bitte Datum einfügen – ein Jahr nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung] gelten —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand

In dieser Verordnung werden Vorschriften für das ergänzende Schutzzertifikat (im Folgenden „Zertifikat“) für Arzneimittel festgelegt, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützt sind und die vor ihrer Zulassung als Arzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß der Richtlinie 2001/83/EG, Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder der Verordnung (EU) 2019/6 sind.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

(1)  „Arzneimittel“ bezeichnet einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der bzw. die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet wird, sowie einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der bzw. die dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden;

(2)  „Erzeugnis“ bezeichnet den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels;

(3)  „Grundpatent“ bezeichnet ein Patent, das ein Erzeugnis als solches, ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von seinem Inhaber für das Verfahren zur Erteilung eines Zertifikats bestimmt ist;

(4)  „Antrag auf Verlängerung der Laufzeit“ bezeichnet einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit des gemäß Artikel 13 Absatz 3 dieser Verordnung und Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 (21) erteilten Zertifikats;

(5)  „Hersteller“ bezeichnet eine in der Union ansässige Person, in deren Namen die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer oder der Lagerung erfolgt.

(6)  „nationale Anmeldung“ bezeichnet eine Zertifikatsanmeldung bei einer zuständigen nationalen Behörde gemäß Artikel 9;

(7)  „zentralisierte Anmeldung“ bezeichnet eine Anmeldung beim Amt gemäß Artikel 20 mit Blick auf die Erteilung von Zertifikaten für das in der Anmeldung genannte Erzeugnis in den angegebenen Mitgliedstaaten;

(8)  „zentralisierter Antrag auf Verlängerung der Laufzeit“ bezeichnet einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines gemäß Artikel 30 dieser Verordnung und Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 erteilten einheitlichen Zertifikats;

(9)  „angegebener Mitgliedstaat“ bezeichnet einen Mitgliedstaat, für den im Rahmen des zentralisierten Prüfverfahrens gemäß Kapitel III um Anmeldung gemäß der Identifizierung in einer zentralisierten Zertifikatsanmeldung ersucht wird;

(10)  „Europäisches Patent“ bezeichnet ein Patent, das vom Europäischen Patentamt (im Folgenden „EPA“) nach den Regeln und Verfahren des Europäischen Patentübereinkommens(22) (im Folgenden „EPÜ“) erteilt wird;

(11)  „einheitliches Patent“ bezeichnet ein Europäisches Patent, das in den Mitgliedstaaten, die an der Verstärkten Zusammenarbeit gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 teilnehmen, einheitliche Wirkung hat;

(12)  „zuständige nationale Behörde“ bezeichnet die nationale Behörde, die gemäß Artikel 9 Absatz 1 in einem bestimmten Mitgliedstaat für die Erteilung von Zertifikaten und für die Zurückweisung der Anmeldungen von Zertifikaten zuständig ist.

12a.   „wirtschaftlich verbunden“ bezeichnet in Bezug auf unterschiedliche Inhaber von zwei oder mehr Grundpatenten, durch die dasselbe Erzeugnis geschützt wird, dass ein Inhaber direkt oder indirekt über eine oder mehrere zwischengeschaltete Unternehmen einen anderen Inhaber kontrolliert, von ihm kontrolliert wird, oder sie unter gemeinsamer Kontrolle stehen. [Abänd. 15]

Chapter II

Nationale Anmeldung eines Zertifikats

Artikel 3

Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats

1.  Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung die folgenden Bedingungen ausnahmslos erfüllt sind:

a)  das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;

b)  für das Erzeugnis als Arzneimittelwurde eine gültige Zulassung Arzneimittelzulassung gemäß der Richtlinie 2001/83/EG .../... [2023/0132(COD)], der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 bzw. der bzw. der Verordnung (EU) 2019/6erteilt wurde; [Abänd. 16]

c)  für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde;

d)  die unter Buchstabe b erwähnte Zulassung die erste Zulassung dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist.

2.  Abweichend von Absatz 1 wird ein Zertifikat nach diesem Kapitel in einem Mitgliedstaat auf der Grundlage einer nationalen Anmeldung nicht erteilt, wenn die Anforderungen des Artikels 20 Absatz 1 für die Einreichung einer zentralisierten Anmeldung, in der dieser Mitgliedstaat angegeben würde, erfüllt sind.

3.  Verfügt ein Inhaber über mehrere Patente für dasselbe Erzeugnis, so dürfen ihm nicht mehrere Zertifikate für dieses Erzeugnis erteilt werden. Sind jedoch zwei oder mehr Anmeldungen von zwei oder mehr Inhabern unterschiedlicher Patente für dasselbe Erzeugnis anhängig, so kann jedem dieser Inhaber ein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt werden, sofern sie nicht wirtschaftlich verbunden sind. Derselbe Grundsatz gilt entsprechend für Anmeldungen des Inhabers für dasselbe Erzeugnis, für das zuvor anderen Inhabern unterschiedlicher Patente ein oder mehrere Zertifikate oder einheitliche Zertifikate erteilt wurden. [Abänd. 17]

Artikel 4

Schutzumfang

In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von der Zulassung des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt wurden.

Artikel 5

Wirkungen des Zertifikats

1.  Das Zertifikat gewährt dieselben Rechte wie das Grundpatent und unterliegt denselben Beschränkungen und Verpflichtungen.

2.  Abweichend von Absatz 1 schützt das in und im Einklang mit der Verordnung (EU) .../... [2023/0130 COD] gewährt das Zertifikat nicht vor bestimmtenkeinen Schutz gegen bestimmte Handlungen, die ansonsten die Zustimmung des Zertifikatsinhabers erfordern würden, wenn die folgenden Bedingungen Voraussetzungen ausnahmslos erfüllt sind: [Abänd. 18]

a)  Die Handlungen schließen Folgendes ein:

i)  die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, für den Zweck der Ausfuhr in Drittländer; oder [Abänd. 19]

ii)  jede damit verbundene, für diediese Herstellung in der Union oder die eigentliche Ausfuhr unbedingt erforderliche Handlung gemäß Ziffer i;oder [Abänd. 20]

iii)  die Herstellung eines Erzeugnisses oder eines dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, frühestens 6 sechs Monate vor Ablauf des Zertifikats, um es im Herstellungsmitgliedstaat zu lagern und nach Ablauf des entsprechenden Zertifikats in den Mitgliedstaaten in Verkehr zu bringen; oder [Abänd. 21]

iv)  jede damit verbundene Handlung, die für die Herstellung in der Union gemäß Ziffer iii oder für die eigentliche Lagerung unbedingt erforderlich ist, sofern diese verbundene Handlung frühestens 6 Monate vor Ablauf des Zertifikats durchgeführt wird. [Abänd. 22 betrifft nicht die deutsche Fassung].

b)  Der Hersteller übermittelt durch geeignete und dokumentierte Mittel der in Artikel 9 Absatz 1 genannten Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Herstellung erfolgen wird, und dem Zertifikatsinhaber die Informationen nach Absatz 5 spätestens 3 Monate vor dem Datum des Beginns der Herstellung in diesem Mitgliedstaat oder spätestens 3 Monate vor der ersten verbundenen Handlung, die beide vor dieser Herstellung erfolgen und andernfalls durch den durch ein Zertifikat verliehenen Schutz untersagt wären, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt.

c)  Ändern sich die Informationen nach Absatz 5 des vorliegenden Artikels , so setzt der Hersteller die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde in Kenntnis und benachrichtigt den Zertifikatsinhaber, bevor diese Änderungen wirksam werden.

d)  Im Falle von — in Buchstabe a Ziffer i dieses Absatzes genannten — Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln, die zum Zwecke der Ausfuhr in Drittländer hergestellt werden, stellt der Hersteller sicher, dass an der äußeren Verpackung des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels, ein Logo nach der in Anhang II enthaltenen Vorlage und, wenn durchführbar, an dessen Primärverpackung angebracht wird.

e)  Der Hersteller erfüllt Absatz 9 dieses Artikels und, gegebenenfalls, Artikel 12 Absatz 2.

3.  Absatz 2 gilt für keine Handlung oder Tätigkeit, die der Einfuhr von Erzeugnissen oder diese Erzeugnisse enthaltenden Arzneimitteln in die Union lediglich zum Zwecke der Umverpackung, Wiederausfuhr oder Lagerung dient.

4.  Die Informationen, die dem Zertifikatsinhaber für die Zwecke des Absatzes 2 Buchstaben b und c übermittelt werden, werden ausschließlich verwendet, um zu überprüfen, ob die Anforderungen dieser Verordnung eingehalten wurden, und gegebenenfalls gerichtliche Schritte wegen Verstoßes gegen die Anforderungen einzuleiten.

5.  Für die Zwecke des Absatzes 2 Buchstabe b stellt der Hersteller folgende Informationen ausnahmslos bereit:

a)  Name und Anschrift des Herstellers;

b)  die Angabe, ob die Herstellung zum Zwecke der Ausfuhr, der Lagerung oder der Ausfuhr und der Lagerung erfolgt;

c)  Mitgliedstaat, in dem die Herstellung und, je nach Sachlage, die Lagerung vorgenommen wird, und der Mitgliedstaat, in dem die etwaige erste verbundene Handlung vor dieser Herstellung vorgenommen wird;

d)  Nummer des im Herstellungsmitgliedstaat erteilten Zertifikats und die Nummer des Zertifikats, das in dem Mitgliedstaat der etwaigen ersten verbundenen Handlung vor dieser Herstellung erteilt wird;

e)  bei Arzneimitteln, deren Ausfuhr in Drittländer vorgesehen ist, die Nummer der Zulassung oder etwas dieser Zulassung Gleichwertiges in jedem Ausfuhrdrittland, sobald diese öffentlich verfügbar ist.

6.  Für die Zwecke der Mitteilung an die Behörde nach Absatz 2 Buchstaben b und c verwendet der Hersteller das Standardformular in Anhang III.

7.  Werden die Informationen nach Absatz 5 Buchstabe e in Bezug auf ein Drittland nicht bereitgestellt, so wirkt sich das nur auf die Ausfuhren in dieses Drittland aus; für diese Ausfuhren kann die Ausnahmeregelung nach Absatz 2 nicht in Anspruch genommen werden.

8.  Der Hersteller stellt sicher, dass die gemäß Absatz 2 Buchstabe a Ziffer i hergestellten Arzneimittel kein aktives individuelles Erkennungsmerkmal im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2016/161 tragen.

9.  Der Hersteller trägt durch geeignete und dokumentierte Mittel dafür Sorge, dass alle Personen, die mit ihm in einem Vertragsverhältnis stehen und Handlungen nach Absatz 2 Buchstabe a vornehmen, ausnahmslos darüber informiert sind,

a)  dass diese Handlungen Absatz 2 unterliegen,

b)  dass das Inverkehrbringen, die Einfuhr oder die Wiedereinfuhr des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels gemäß Absatz 2 Buchstabe a Ziffer i oder das Inverkehrbringen des Erzeugnisses oder des dieses Erzeugnis enthaltenden Arzneimittels gemäß Absatz 2 Buchstabe a Ziffer iii eine Verletzung des in Absatz 2 genannten Zertifikats darstellen könnten, soweit und solange dieses Zertifikat gilt.

10.  Absatz 2 gilt für Zertifikate, die am 1. Juli 2019 oder danach beantragt werden.

Absatz 2 gilt ferner für Zertifikate, die vor dem 1. Juli 2019 beantragt wurden und die an diesem Tag oder danach gelten. Absatz 2 gilt für solche Zertifikate erst ab dem 2. Juli 2022.

Absatz 2 gilt nicht für Zertifikate, die vor dem 1. Juli 2019 gültig sind.

Artikel 6

Recht auf das Zertifikat

1.  Das Recht auf das Zertifikat steht dem Inhaber des Grundpatents oder dem Rechtsnachfolger dieses Inhabers zu.

2.  Unbeschadet des Absatzes 1 wird, wenn ein Grundpatent für ein Erzeugnis, für das ein Dritter eine Zulassung innehat, dem Inhaber des Grundpatents ohne Zustimmung dieses Dritten kein Zertifikat für dieses Erzeugnis erteilt.

Artikel 7

Anmeldung des Zertifikats

1.  Die Anmeldung des Zertifikats muss innerhalb einer Frist von 6 Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem für das Erzeugnis die Zulassung als Arzneimittel nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erteilt wurde, eingereicht werden.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 muss die Anmeldung des Zertifikats dann, wenn die Zulassung vor der Erteilung des Grundpatents erfolgt, innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Patents eingereicht werden.

3.  Der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit kann zum gleichen Zeitpunkt gestellt werden, zu dem ein Zertifikat angemeldet wird oder die Anmeldung des Zertifikats anhängig ist und die entsprechenden Anforderungen von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe d bzw. Artikel 8 Absatz 2 erfüllt sind.

4.  Der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines bereits erteilten Zertifikats ist spätestens 2 Jahre vor Ablauf des Zertifikats zu stellen.

Artikel 8

Inhalt der Zertifikatsanmeldung

1.  Die Zertifikatsanmeldung muss Folgendes enthalten:

a)  einen Antrag auf Erteilung eines Zertifikats, wobei insbesondere anzugeben sind:

i)  Name und Anschrift des Anmelders;

ii)  falls der Anmelder einen Vertreter bestellt hat , Name und Anschrift dieses Vertreters;

iii)  Nummer des Grundpatents sowie Bezeichnung der Erfindung;

iv)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Zulassung des Erzeugnisses gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie, falls diese nicht die erste Zulassung in der Union ist, auch Nummer und Zeitpunkt jener Zulassung;

b)  eine Kopie der Zulassung gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b, aus der die Identität des Erzeugnisses ersichtlich ist und die insbesondere Nummer und Zeitpunkt der Zulassung sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2001/83/EG bzw. Artikel 35 14 der Verordnung (EU) 2019/6 enthält;

c)  falls die in Buchstabe b genannte Zulassung nicht die erste Zulassung dieses Erzeugnisses als Arzneimittel in der Union ist, die Angabe der Identität des so zugelassenen Erzeugnisses und der Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage dieses Zulassungsverfahren durchgeführt wurde, sowie eine Kopie der betreffenden Stelle des amtlichen Mitteilungsblatts, in dem die Zulassung veröffentlicht wurde oder, falls eine solche Veröffentlichung nicht erfolgte, jedes Dokument, das als Nachweis der Erteilung der Zulassung, des Zeitpunkts der Zulassung und der Identität des zugelassenen Erzeugnisses dient;

d)  falls in der Zertifikatsanmeldung eines Arzneimittels eine Verlängerung der Laufzeit beantragt wird:

i)  eine Kopie der Erklärung über die Übereinstimmung mit einem gebilligten und ausgeführten pädiatrischen Prüfkonzept gemäß Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006;

ii)  falls erforderlich, zusätzlich zu der Kopie der Zulassung gemäß Buchstabe b den Nachweis, dass das Erzeugnis in allen anderen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 36 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 zugelassen ist.

da)   gegebenenfalls die Zustimmung des Dritten gemäß Artikel 6 Absatz 2. [Abänd. 23]

db)   Angaben über jede direkte öffentliche finanzielle Förderung, die für Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Erzeugnisses gewährt wurde. [Abänd. 24]

2.  Ist eine Zertifikatsanmeldung anhängig, so enthält ein Antrag auf eine verlängerte Laufzeit nach Artikel 7 Absatz 3 die in Absatz 1 Buchstabe d dieses Artikels genannten Angaben und einen Hinweis darauf, dass eine Zertifikatsanmeldung anhängig ist.

3.  Der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines bereits erteilten Zertifikats enthält die in Absatz 1 Buchstabe d genannten Angaben und eine Kopie des bereits erteilten Zertifikats.

4.  Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass für die Zertifikatsanmeldung und den Verlängerungsantrag eine Gebühr zu entrichten ist.

Artikel 9

Einreichung der Zertifikatsanmeldung

1.  Die Zertifikatsanmeldung ist bei der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörde des Mitgliedstaats einzureichen, der das Grundpatent erteilt hat oder mit Wirkung für den das Grundpatent erteilt worden ist und in dem die in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b genannte Zulassung erlangt wurde, sofern der Mitgliedstaat zu diesem Zweck keine andere Behörde bestimmt.

Der Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines Zertifikats ist bei der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats zu stellen.

2.  Ein Hinweis auf die Zertifikatsanmeldung wird von der in Absatz 1 genannten Behörde bekannt gemacht. Der Hinweis muss ausnahmslos die folgenden Angaben enthalten:

a)  Name und Anschrift des Anmelders;

b)  Nummer des Grundpatents;

c)  Bezeichnung der Erfindung;

d)  Nummer und Zeitpunkt der Zulassung gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie das durch die Genehmigung identifizierte Erzeugnis;

e)  gegebenenfalls Nummer und Zeitpunkt der ersten Zulassung in der Union;

f)  gegebenenfalls die Angabe, dass die Anmeldung einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit enthält.

3.  Absatz 2 findet auf den Hinweis auf einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines bereits erteilten Zertifikats sowie dann Anwendung, wenn eine Zertifikatsanmeldung anhängig ist. In dem Hinweis ist zudem anzugeben, dass ein Antrag auf eine verlängerte Laufzeit des Zertifikats eingereicht worden ist.

Artikel 10

Erteilung des Zertifikats oder Zurückweisung der Zertifikatsanmeldung

1.  Erfüllen die Zertifikatsanmeldung und das Erzeugnis, das Gegenstand der Anmeldung ist, die im vorliegenden Kapitel festgelegten Voraussetzungen, so erteilt die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde das Zertifikat.

2.  Vorbehaltlich des Absatzes 3 des vorliegenden Artikels weist die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde die Zertifikatsanmeldung zurück, wenn die Anmeldung oder das Erzeugnis, das Gegenstand der Anmeldung ist, nicht die im vorliegenden Kapitel festgelegten Voraussetzungen erfüllt.

3.  Erfüllt die Zertifikatsanmeldung nicht die in Artikel 8 genannten Voraussetzungen, so fordert die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde den Anmelder auf, innerhalb der gesetzten Frist die festgestellten Mängel zu beseitigen oder die Gebühr zu entrichten.

4.  Werden innerhalb der gesetzten Frist die nach Absatz 3 mitgeteilten Mängel nicht beseitigt oder wird die nach Absatz 3 angeforderte Gebühr nicht entrichtet, so wird die Anmeldung zurückgewiesen.

5.  Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Erteilung des Zertifikats durch die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde ohne Prüfung der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben c und d genannten Bedingungen erfolgt.

6.  Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für den Antrag auf eine Verlängerung der Laufzeit des Zertifikats.

Artikel 11

Bekanntmachung

1.  Die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde veröffentlicht so bald wie möglich unverzüglich einen Hinweis auf die Erteilung des Zertifikats. Der Hinweis muss ausnahmslos die folgenden Angaben enthalten: [Abänd. 25]

a)  Name und Anschrift des Inhabers des Zertifikats;

b)  Nummer des Grundpatents;

c)  Bezeichnung der Erfindung;

d)  Nummer und Zeitpunkt der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b genannten Zulassung sowie das durch die Zulassung identifizierte Erzeugnis;

e)  gegebenenfalls Nummer und Zeitpunkt der ersten Zulassung in der Union;

f)  Laufzeit des Zertifikats.

fa)   Angaben über jede direkte öffentliche finanzielle Förderung, die für Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Erzeugnisses gewährt wurde. [Abänd. 26]

2.  Die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde veröffentlicht so bald wie möglich einen Hinweis auf die Zurückweisung der Zertifikatsanmeldung. Der Hinweis muss zumindest die in Artikel 9 Absatz 2 genannten Angaben enthalten.

3.  Die Absätze 1 und 2 gelten für Hinweise darauf, dass eine Verlängerung der Laufzeit eines bereits erteilten Zertifikats gewährt oder dass der Antrag auf eine derartige Verlängerung zurückgewiesen wurde.

4.  Die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde veröffentlicht so bald wie möglich die in Artikel 5 Absatz 5 genannten Informationen zusammen mit dem Datum ihrer Übermittlung. Außerdem veröffentlicht sie so bald wie möglich alle Änderungen dieser Informationen, die gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c übermittelt werden.

Artikel 12

Gebühren

1.  Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass für das Zertifikat Jahresgebühren zu entrichten sind.

2.  Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass für die Mitteilungen gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben b und c Gebühren zu entrichten sind.

Artikel 13

Laufzeit des Zertifikats

1.  Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Zulassung in der Union entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens 5 Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.

3.  Die in den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels festgelegten Zeiträume werden im Falle der Anwendung von Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 um 6 Monate verlängert. In diesem Fall kann die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels festgelegte Laufzeit nur einmal verlängert werden.

Artikel 14

Erlöschen des Zertifikats

Das Zertifikat erlischt unter folgenden Umständen:

a)  am Ende des in Artikel 13 festgelegten Zeitraums;

b)  bei Verzicht des Inhabers des Zertifikats;

c)  bei nicht rechtzeitiger Zahlung der in Übereinstimmung mit Artikel 12 festgesetzten Jahresgebühr;

d)  wenn und solange das durch das Zertifikat geschützte Erzeugnis infolge Widerrufs der betreffenden Genehmigung oder Zulassung gemäß der Richtlinie 2001/83/EG oder der Verordnung (EU) 2019/6 nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf.

Für die Zwecke des Buchstaben d kann die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde von Amts wegen oder auf Antrag eines Dritten über das Erlöschen des Zertifikats entscheiden.

Artikel 15

Nichtigkeit des Zertifikats

1.  Das Zertifikat ist unter folgenden Umständen nichtig:

a)  das Zertifikat wurde entgegen den Vorschriften des Artikels 3 unter Verstoß gegen Artikel 3 oder Artikel 6 Absatz 2 erteilt; [Abänd. 27]

b)  das Grundpatent ist vor Ablauf seiner gesetzlichen Laufzeit erloschen;

c)  das Grundpatent wird widerrufen oder derartig beschränkt, dass das Erzeugnis, für welches das Zertifikat erteilt worden ist, nicht mehr von den Ansprüchen des Grundpatents erfasst wird, oder es liegen nach Erlöschen des Grundpatents Widerrufsgründe vor, die den Widerruf oder die Beschränkung gerechtfertigt hätten.

2.  Jede Person kann bei der nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für den Widerruf des entsprechenden Grundpatents zuständigen Stelle oder vor dem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats einen Antrag auf Nichtigerklärung des Zertifikats stellen oder Klage auf Nichtigkeit des Zertifikats erheben.

Artikel 16

Widerruf der Verlängerung der Laufzeit eines Zertifikats für ein Arzneimittel

1.  Die Verlängerung der Laufzeit kann widerrufen werden, wenn sie im Widerspruch zu Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 gewährt wurde.

2.  Jede Person kann einen Antrag auf Widerruf der nach diesem Kapitel gewährten Verlängerung der Laufzeit bei der nach einzelstaatlichem Recht für den Widerruf des entsprechenden Grundpatents zuständigen Stelle oder bei einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats einreichen. [Abänd. 28]

Artikel 17

Bekanntmachung des Erlöschens oder der Nichtigkeit

1.  Erlischt das Zertifikat gemäß Artikel 14 Buchstabe b, c oder d oder ist es nach Artikel 15 nichtig, so wird ein Hinweis hierauf von der in Artikel 9 Absatz 1 genannten Behörde bekannt gemacht.

2.  Wird die Verlängerung der Laufzeit nach Artikel 16 widerrufen, so macht die in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde einen Hinweis hierauf bekannt.

Artikel 18

Beschwerden

1.  Gegen die gemäß diesem Kapitel getroffenen Entscheidungen der in Artikel 9 Absatz 1 genannten Behörde oder der in Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 16 Absatz 2 genannten Stellen können dieselben Beschwerden eingelegt werden, die nach einzelstaatlichem Recht gegen ähnliche Entscheidungen hinsichtlich einzelstaatlicher Patente vorgesehen sind.

2.  Gegen die Entscheidung der Erteilung des Zertifikats kann ein Rechtsmittel eingelegt werden, das darauf abzielt, die Laufzeit des Zertifikats zu berichtigen, falls der gemäß Artikel 8 in der Zertifikatsanmeldung enthaltene Zeitpunkt der ersten Zulassung in der Union unrichtig ist.

2a.   Während des gesamten Rechtsbehelfsverfahrens ist für uneingeschränkte Transparenz zu sorgen und – soweit möglich – eine Beteiligung der Öffentlichkeit zuzulassen. [Abänd. 29]

Artikel 19

Verfahren

1.  Soweit diese Verordnung keine Verfahrensvorschriften enthält, finden auf das Zertifikat die nach einzelstaatlichem Recht für das entsprechende Grundpatent geltenden Verfahrensvorschriften Anwendung, sofern das einzelstaatliche Recht keine besonderen Verfahrensvorschriften für Zertifikate vorsieht.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 ist das Widerspruchsverfahren gegen ein erteiltes Zertifikat ausgeschlossen.

Chapter III

Zentralisiertes Verfahren für Zertifikate

Artikel 20

Umfang der zentralisierten Anmeldung

1.  Handelt es sich bei dem Grundpatent um ein Europäisches Patent, einschließlich eines einheitlichen Patents, und wurde die Zulassung gemäß der Richtlinie .../...[2023/0132(COD)] bzw. im Rahmen des zentralisierten Verfahrens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder der Verordnung (EU) 2019/6 erteilt, so findet das Verfahren dieses Kapitels Anwendung. [Abänd. 30]

2.  Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, so ist die Einreichung nationaler Anmeldungen für dasselbe Erzeugnis in den Mitgliedstaaten, in denen dieses Grundpatent in Kraft ist, verboten.

3.  Eine zentralisierte Anmeldung wird bei dem mit Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 eingerichteten Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden „Amt“) eingereicht.

4.  Die Artikel 1 bis 7 und 13 bis 18 finden auf zentralisierte Anmeldungen Anwendung.

5.  Die zentralisierte Anmeldung wird anhand eines spezifischen Anmeldeformulars eingereicht.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für das für die Einreichung einer zentralisierten Anmeldung zu verwendende Anmeldeformular zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 56 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 21

Inhalt der zentralisierten Anmeldung

Die zentralisierte Anmeldung umfasst Folgendes:

a)  Angabe der Mitgliedstaaten, in denen Zertifikate im Rahmen des zentralisierten Verfahrens beantragt werden;

b)  die Informationen gemäß Artikel 8 Absatz 1.

Artikel 22

Prüfung der Zulässigkeit der zentralisierten Anmeldung

1.  Das Amt prüft,

a)  ob die zentralisierte Anmeldung Artikel 21 entspricht;

b)  ob die zentralisierte Anmeldung mit Artikel 7 im Einklang steht;

c)  ob die in Artikel 34 Absatz 1 genannte Anmeldegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist entrichtet wurde.

2.  Entspricht die zentralisierte Anmeldung nicht den in Absatz 1 genannten Erfordernissen, fordert das Amt den Anmelder auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Erfordernissen zu entsprechen, und legt dafür eine Frist fest.

3.  Wurde die in Absatz 1 Buchstabe c genannte Gebühr nicht oder nicht vollständig entrichtet, so teilt das Amt dies dem Anmelder mit.

4.  Erfüllt der Anmelder die Erfordernisse in Absatz 1 nicht innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist, weist das Amt die Anmeldung zurück.

Artikel 23

Veröffentlichung der zentralisierten Anmeldung

Entspricht die zentralisierte Anmeldung den Anforderungen von Artikel 22 bzw. entspricht ein Antrag auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten den Anforderungen von Artikel 33 Absatz 2, so veröffentlicht das Amt die Anmeldung unverzüglich, spätestens jedoch nach fünf Werktagen, im Register. [Abänd. 31]

Artikel 24

Prüfung der zentralisierten Anmeldung

1.  Das Amt prüft die Anmeldung auf der Grundlage aller Bedingungen nachin Artikel 3 Absatz 1 fürund 3 sowie in Artikel 6 Absatz 2 genannten Voraussetzungen in Bezug auf jeden der angegebenen Mitgliedstaaten. [Abänd. 32]

2.  StehenEntsprechen die zentralisierte Zertifikatsanmeldung und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, mit Artikel 3 Absatz 1 in Bezug auf einen oder mehrere der angegebenen Mitgliedstaaten im Einklang, nimmtden Anforderungen von Artikel 3 Absatz 1 und 3 sowie von Artikel 6 Absatz 2, so gibt das Amt hinsichtlich der betreffenden Mitgliedstaaten eine begründete positive Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich dieser Mitgliedstaaten anab. Das Amt bringt demsetzt den Anmelder diesevon dieser Stellungnahme zurin Kenntnis und veröffentlicht die Stellungnahme unverzüglich im dafür vorgesehenen Register. [Abänd. 33]

3.  StehenEntsprechen die zentralisierte Zertifikatsanmeldung und das Erzeugnis, auf das sie sich bezieht, mit Artikel 3 Absatz 1 in Bezug auf einen oder mehrere der angegebenen Mitgliedstaaten nicht im Einklang, nimmtden Anforderungen von Artikel 3 Absatz 1 und 3 sowie von Artikel 6 Absatz 2, so gibt das Amt hinsichtlich der betreffenden Mitgliedstaaten eine begründete negative Stellungnahme zur Prüfung hinsichtlich dieser Mitgliedstaaten anab. Das Amt bringt demsetzt den Anmelder diesevon dieser Stellungnahme zurin Kenntnis und veröffentlicht die Stellungnahme unverzüglich im dafür vorgesehenen Register. [Abänd. 34]

4.  Das Amt übersetzt die Stellungnahme zur Prüfung in die Amtssprachen aller angegebenen Mitgliedstaaten. Das Amt kann zu diesem Zweck überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften für Verfahren im Zusammenhang mit der Einreichung und für Verfahren bezüglich der Art und Weise der Prüfung von zentralisierten Anmeldungen durch die Prüfungsgremien sowie der Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Prüfung und der Abgabe von Stellungnahmen zur Prüfung durch das Amt zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 56 genannten Prüfverfahren erlassen.

5a.   Innerhalb von sechs Monaten nach der Veröffentlichung der zentralisierten Anmeldung im Register gibt das Amt eine Stellungnahme zur Prüfung ab. Unbeschadet der Artikel 25, 26 und 28 kann der Anmelder, wenn dies aus Gründen der Dringlichkeit hinreichend gerechtfertigt ist, einen Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren stellen. Wird der Antrag auf ein beschleunigtes Prüfverfahren als begründet erachtet, so gibt das Amt innerhalb von vier Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung eines einheitlichen Zertifikats eine Stellungnahme zur Prüfung ab. [Abänd. 35]

Artikel 25

Bemerkungen Dritter

1.  Jede natürliche oder juristische Person kann dem Amt schriftliche Bemerkungen vorlegen, die die Zulässigkeit ergänzenden Schutzes für das Erzeugnis, auf das sich die Anmeldung bezieht, in einem oder mehreren der darin angegebenen Mitgliedstaaten betreffen.

2.  Eine natürliche oder juristische Person, die schriftliche Bemerkungen nach Absatz 1 vorgelegt hat, darf keine Verfahrensbeteiligte sein.

3.  Bemerkungen Dritter sind innerhalb von 3 Monaten nach der Veröffentlichung der zentralisierten Anmeldung im Register vorzulegen.

3a.   Findet das beschleunigte Verfahren gemäß Artikel°24 Absatz°5a Anwendung, so sind die Bemerkungen innerhalb von sechs Wochen nach Veröffentlichung der Anmeldung im Register einzureichen. [Abänd. 36]

4.  Alle Bemerkungen Dritter sind schriftlich in einer der Amtssprachen der Union und unter Angabe der Gründe, auf die sich stützen, vorzulegen.

5.  Alle Bemerkungen Dritter werden dem Anmelder zur Kenntnis gebracht. Der Anmelder kann die Bemerkungen innerhalb einer vom Amt festgelegten Frist kommentieren.

Artikel 26

Widerspruch

1.  Innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der Stellungnahme zur Prüfung bezüglich einer zentralisierten Anmeldung kann jede Person (im Folgenden „Widerspruchsführer“) eine Widerspruchsschrift zu dieser Stellungnahme einreichen.

2.  Ein Widerspruch kann nur dann eingelegt werden, wenn eine oder mehrere der in Artikel 3den Artikeln 3 oder 6 festgelegten Bedingungen in einem oder mehreren der angegebenen Mitgliedstaaten nicht erfüllt sind. [Abänd. 37]

3.  Der Widerspruch ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst dann als ordnungsgemäß eingereicht, wenn die Widerspruchsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die Widerspruchsschrift enthält Folgendes:

a)  die Bezugnahmen auf die zentralisierte Anmeldung, gegen die Widerspruch eingelegt wird, den Namen des Inhabers und die Identifizierung des Erzeugnisses;

b)  die Angaben zum Widerspruchsführer und gegebenenfalls zu dessen Vertreter;

c)  eine Erklärung darüber, in welchem Ausmaß Widerspruch gegen die Stellungnahme zur Prüfung eingelegt wird, sowie der Gründe, auf die sich der Widerspruch stützt.

ca)   alle Beweismittel, auf die der Widerspruchsführer seinen Widerspruch stützt. [Abänd. 38]

5.  Der Widerspruch wird von einem Widerspruchsgremium untersucht, das vom Amt im Einklang mit den Vorschriften eingesetzt wurde, die für Prüfungsgremien gemäß Artikel 28 gelten. Dem Widerspruchsgremium darf jedoch kein Prüfer angehören, der zuvor an dem Prüfungsgremium beteiligt war, das die zentralisierte Anmeldung des Zertifikats geprüft hat.

6.  Stellt das Widerspruchsgremium fest, dass die Widerspruchsschrift Absatz 2, 3 oder 4 nicht entspricht, weist siees den Widerspruch als unzulässig zurück und teilt diesseine Entscheidung sowie die Gründe für seine Entscheidung dem Widerspruchsführer mit, sofern diese Mängel nicht vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist für die Einreichung eines Widerspruchs beseitigt wurden. [Abänd. 39]

7.  Die Entscheidung darüber, ob ein Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wird, wird dem Inhaber der zentralisierten Anmeldung zusammen mit einer Kopie der Widerspruchsschrift übermittelt.

Eine Widerspruchsschrift ist unzulässig, wenn das Amt einen vorangegangenen Widerspruch wegen desselben Anspruchs in der Hauptsache bereits entschieden hat und die Entscheidung des Amtes über diesen Widerspruch bereits eine unanfechtbare Entscheidung ist.

8.  Wird der Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen, übermittelt das Amt die Widerspruchsschrift unverzüglich dem Anmelder und veröffentlicht sie im Register. Wurden mehrere Widerspruchsschriften eingereicht, übermittelt sie das Amt unverzüglich an die anderen Widerspruchsführer.

9.  Das Amt triffterlässt innerhalb von 6sechs Monaten eine mit einer ausführlichen Begründung versehene Entscheidung über den Widerspruch, sofern die Komplexität der Sache keinen längeren Zeitraum erforderlich macht. [Abänd. 40]

9a.   In Fällen, in denen mehrere Widersprüche gegen eine Stellungnahme zur Prüfung eingelegt wurden, bearbeitet das Amt die Widersprüche gemeinsam und trifft für alle eingelegten Widersprüche eine einzige Entscheidung. [Abänd. 41]

10.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass kein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, so weist es den Widerspruch zurück und setzt den Widerspruchsführer von seiner Entscheidung in Kenntnis; das Amt vermerkt dies im Register. [Abänd. 42]

11.  Ist das Widerspruchsgremium der Auffassung, dass mindestens ein Widerspruchsgrund der Aufrechterhaltung der Stellungnahme zur Prüfung entgegensteht, nimmt es eine geänderte Stellungnahme an, und das Amt vermerkt dies im Register.

12.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten des Verfahrens zur Einreichung und Prüfung eines Widerspruchs festgelegt werden.

12a.   Während des gesamten Widerspruchsverfahrens ist für uneingeschränkte Transparenz zu sorgen und – soweit möglich – eine Beteiligung der Öffentlichkeit zuzulassen. [Abänd. 43]

Artikel 27

Rolle der zuständigen nationalen Behörden

1.  Auf Ersuchen des Amtes kann jede zuständige nationale Behörde vom Amt als am Prüfverfahren teilnehmende StelleBehörde ernannt werden. Sobald eine zuständige nationale Behörde im Einklang mit diesem Artikel ernannt wurde, benenntgibt sie einen oder mehrere Prüfer an, die an der Prüfung einer oder mehrerer zentralisierter Anmeldungen beteiligt werdenauf der Grundlage ihres einschlägigen Fachwissens und ihrer Erfahrung in diesem Bereich zu beteiligen sind. [Abänd. 44]

2.  Das Amt und die zuständige nationale Behörde schließen eine Verwaltungsvereinbarung ab, bevor diese zuständige nationale Behörde als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernannt wird.

In der Vereinbarung werden die Rechte und Pflichten der Beteiligten, insbesondere die förmliche Verpflichtung der betreffenden zuständigen nationalen Behörde, diese Verordnung in Bezug auf die Prüfung zentralisierter Anmeldungen einzuhalten, festgeschrieben.

3.  Das Amt kann eine zuständige nationale Behörde für 5 Jahre als teilnehmende Stelle gemäß Absatz 1 ernennen. Diese Ernennung kann um weitere Zeiträume von 5 Jahren verlängert werden.

4.  Vor Ernennung einer zuständigen nationalen Behörde, vor Verlängerung der Ernennung oder vor Ablauf einer solchen Ernennung hört das Amt die betreffende zuständige nationale Behörde an.

5.  Jede gemäß diesem Artikel ernannte zuständige nationale Behörde stellt dem Amt eine Liste der einzelnen Prüfer zur Verfügung, die für die Teilnahme an Prüfungs- und Widerspruchsverfahren bereitstehen. Jede dieser zuständigen nationalen Behörden aktualisiert die Liste bei Änderungen.

Artikel 28

Prüfungsgremien

1.  Die Bewertungen gemäß den Artikeln 24, 26 und 33 werden von einem Prüfungsgremium durchgeführt, dem ein Mitglied des Amtes sowie zwei Prüfer gemäß Artikel 27 Absatz 1 von zwei verschiedenen zuständigen nationalen Behörden angehören.

2.  Die Prüfer sind in der Wahrnehmung ihrer Pflichten unparteiisch und legen zum Zeitpunkt ihrer Benennung alle tatsächlichen oder vermeintlichen Interessenkonflikte dem Amt offen.

3.  Bei der Zusammenstellung des Prüfungsgremiums stellt das Amt Folgendes sicher:

a)  geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden ÄmternVorhandensein einschlägiger Fachkenntnisse und ausreichender Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten, wobei insbesondere dafür zu sorgen ist, dass mindestens eines der Mitglieder des Prüfungsgremiums über eine mindestens fünfjährige Erfahrung mit der Prüfung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten verfügt; [Abänd. 45]

aa)   geografische Ausgewogenheit unter den teilnehmenden Behörden, sofern dies möglich ist; [Abänd. 46]

b)  die jeweilige Arbeitsbelastung der Prüfer wird berücksichtigt;

c)  höchstens einkein Prüfer ist bei einer zuständigen nationalen Behörde, die die Ausnahme nach Artikel 10 Absatz 5 der vorliegenden Verordnung in Anspruch nimmt, beschäftigt. [Abänd. 47]

4.  Das Amt veröffentlicht eine jährliche Übersicht über die Anzahl der Verfahren, einschließlich der Verfahren zu Prüfung, Widerspruch, und Beschwerde, an denen die einzelnen zuständigen nationalen Behörden teilgenommen haben.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Kriterien für die Zusammenstellung von Gremien sowie für die Auswahl der Prüfer zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 56 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 29

Beschwerden

1.  Alle Beteiligten in Verfahren gemäß diesem Kapitel, die durch eine Entscheidung des Amtes beschwert sind, einschließlich durch eine Stellungnahme zur Prüfung, können bei der Beschwerdekammer gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen.

2.  Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Eine Entscheidung des Amtes, gegen die kein Einspruch erhoben wurde, wird am Tag nach dem Datum des Ablaufs der in Absatz 3 genannten Beschwerdefrist wirksam.

3.  Die Beschwerde ist innerhalb von 2zwei Monaten nach Bekanntmachung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. BeiIm Falle einer Beschwerde wird eine schriftliche Beschwerdebegründungist innerhalb von vierdrei Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung vorgelegteine schriftliche Beschwerdebegründung, einschließlich der die Beschwerde stützenden Beweismittel, einzureichen. [Abänd. 48]

3a.   Eine Erwiderung der Beschwerde ist innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung der Beschwerdebegründung schriftlich einzureichen. Gegebenenfalls beraumt das Amt innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Beschwerdeerwiderung oder innerhalb von sechs Monaten nach Einreichung der Beschwerdebegründung - je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt - einen Termin für eine mündliche Verhandlung an. Innerhalb von drei Monaten nach der mündlichen Verhandlung oder, falls zutreffend, nach der Einreichung der Beschwerdeerwiderung erlässt das Amt eine schriftliche Entscheidung. [Abänd. 49]

4.  Nach der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden die Beschwerdekammern über die Begründetheit der Beschwerde.

5.  Führt eine Beschwerde bei den Beschwerdekammern des Amtes zu einer Entscheidung, die mit der Stellungnahme zur Prüfung nicht im Einklang steht und dem Amt vorgelegt wird, kannso wird durch die Entscheidung der Kammern diese Stellungnahme aufgehoben oder geändert werden, bevor sie an die zuständigen nationalen Behörden der angegebenen Mitgliedstaaten übermittelt wird. [Abänd. 50]

6.  Eine Entscheidung der Beschwerdekammern, die hinsichtlich einer Beschwerde getroffen wurde, ist mit einer Klage wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrags über die Arbeitsweise der Union, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs bei dem Gericht der Europäischen Union innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung anfechtbar. Die Klage steht den an dem Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligten zu, soweit sie durch deren Entscheidung beschwert sind. Das Gericht kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern.

7.  Die Entscheidungen der Beschwerdekammern werden erst am Tag nach Ablauf der in Absatz 6 genannten Frist oder, wenn innerhalb dieser Frist eine Klage beim Gericht erhoben worden ist, am Tag nach deren Abweisung oder am Tag nach der Abweisung einer beim Gerichtshof der Europäischen Union eingelegten Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts wirksam. Das Amt ergreift die notwendigen Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichts oder, im Falle der Einlegung einer Beschwerde gegen dieses Urteil, des Gerichtshofs ergeben.

8.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen der Inhalt und die Form der in Absatz 3 genannten Beschwerde, das Verfahren zur Einreichung und Prüfung einer Beschwerde sowie der Inhalt und die Form der in Absatz 4 genannten Entscheidung der Beschwerdekammern festgelegt werden.

Artikel 30

Beschwerdekammern

1.  Zusätzlich zu den ihnen mit Artikel 165 der Verordnung (EU) 2017/1001 übertragenen Befugnissen sind die mit der genannten Verordnung eingesetzten Beschwerdekammern für Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtes gemäß Artikel 29 Absatz 1 zuständig.

2.  Eine Beschwerdekammer für Fragen im Zusammenhang mit zentralisierten Zertifikatsanmeldungen besteht aus drei Mitgliedern, von denen mindestens zwei rechtskundig sein müssen. Die Beschwerdekammer kann zwei zusätzliche Mitglieder für eine Sache hinzuziehen, wenn sie der Ansicht ist, dass die Beschaffenheit der Beschwerde dies erfordert.

3.  Für Fragen im Zusammenhang mit zentralisierten Zertifikatsanmeldungen gibt es keine Große Kammer im Sinne des Artikels 165 Absätze 2, 3 und 4 sowie des Artikels 167 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001. Entscheidungen eines einzigen Mitglieds gemäß Artikel 165 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 sind nicht möglich.

4.  In Angelegenheiten, die zentralisierte Zertifikatsanmeldungen betreffen, werden die Mitglieder der Beschwerdekammern für Fragen im Zusammenhang mit zentralisierten Zertifikatsanmeldungen werden im Einklang mit Artikel 166 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/1001 ernannt. Bei der Ernennung von Mitgliedern der Beschwerdekammern in Angelegenheiten, die zentralisierte Zertifikatsanmeldungen betreffen, sollten deren frühere Erfahrungen mit ergänzenden Schutzzertifikaten oder Patentangelegenheiten berücksichtigt werden. [Abänd. 51]

4a.   In Angelegenheiten, die zentralisierte Zertifikatsanmeldungen betreffen, findet Artikel 166 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2017/1001 auf die Beschwerdekammern Anwendung. [Abänd. 52]

Artikel 31

Übertragung von Befugnissen für Beschwerdekammern

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 55 delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten der Organisation der Beschwerdekammern in Verfahren im Zusammenhang mit Zertifikaten im Rahmen dieser Verordnung festgelegt werden.

Artikel 32

Nationale Umsetzung einer zentralisierten Stellungnahme zur Prüfung

1.  Ist die Frist, innerhalb derer eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht werden kann, abgelaufen, ohne dass eine Beschwerde oder ein Widerspruch eingereicht wurde, oder nachdem eine endgültige Entscheidung in der Sache ergangen ist, übermittelt das Amt die Stellungnahme zur Prüfung und ihre Übersetzung jeweils an die zuständige nationale Behörde jedes angegebenen Mitgliedstaats.

Diese Übermittlung hat unverzüglich innerhalb eines Zeitrahmens zu erfolgen, der es den zuständigen nationalen Behörden jedes benannten Mitgliedstaats ermöglicht, vor Ablauf des Grundpatents ein Zertifikat gemäß den anwendbaren nationalen Verfahren zu erteilen oder abzulehnen. [Abänd. 53]

2.  Wenn eine positive Stellungnahme zur Prüfung in Bezug auf eine zentralisierte Anmeldung für einen oder mehrere angegebene Mitgliedstaaten ergangen ist, erteilt die zuständige nationale Behörde jedes dieser Mitgliedstaaten jeweils ein Zertifikat im Einklang mit den geltenden nationalen Vorschriften und Verfahren.

3.  Abweichend von Absatz 2 kann ein Mitgliedstaat entscheiden, kein Zertifikat zu erteilen, wenn sich seit der Einreichung der zentralisierten Anmeldung sachliche Umstände in diesem Mitgliedstaat bezüglich einer oder mehrerer der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b oder c oder in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d geändert haben. In einem solchen Fall weist dieser Mitgliedstaat die Anmeldung zurück, soweit sie diesen Mitgliedstaat betrifft.

4.  Für ein von einer zuständigen nationalen Behörde gemäß diesem Artikel erteiltes Zertifikat gelten die Artikel 4, 5, 11 sowie 12 bis 19 und die geltenden nationalen Rechtsvorschriften.

5.  Ist für einen oder mehrere angegebene Mitgliedstaaten eine negative Stellungnahme zur Prüfung ergangen ist, stellt die zuständige nationale Behörde jedes dieser Mitgliedstaaten im Einklang mit den geltenden nationalen Vorschriften und Verfahren eine Entscheidung über die Zurückweisung aus.

5a.   Die zuständige nationale Behörde teilt dem Anmelder ihre Entscheidung unverzüglich mit. [Abänd. 54]

Artikel 33

Zentralisierter Antrag auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten

1.  Wurden Zertifikate für ein bestimmtes Arzneimittel im Rahmen des zentralisierten Verfahrens erteilt, so kann ihr Inhaber eine Verlängerung der Laufzeit dieser Zertifikate beantragen, indem er beim Amt einen zentralisierten Antrag auf Verlängerung der Laufzeit dieser Zertifikate stellt. In diesem zentralisierten Antrag werden die Mitgliedstaaten angegeben, für die die Verlängerung beantragt wird.

2.  Der zentralisierte Antrag auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten wird im Einklang mit Artikel 7 Absätze 3 und 4, Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 8 Absätze 2, 3 und 4 eingereicht.

3.  Es gelten die Artikel 10, 11 und 17, wobei Bezugnahmen auf die „in Artikel 9 Absatz 1 genannte Behörde“ als Bezugnahmen auf das Amt zu verstehen sind.

4.  Dritte können auch zu einem zentralisierten Antrag auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten Bemerkungen oder einen Widerspruch einreichen. [Abänd. 55]

Artikel 34

Gebühren

1.  Das Amt erhebt eine Gebühr für eine zentralisierte Zertifikatsanmeldung und für einen zentralisierten Antrag auf Verlängerung der Laufzeit des Zertifikats.

2.  Das Amt erhebt eine Gebühr für Beschwerden und für Widersprüche.

3.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung der Höhe der vom Amt erhobenen Gebühren, der Fristen für die Entrichtung dieser Gebühren sowie der diesbezüglichen Zahlungsmodalitäten zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 56 genannten Prüfverfahren erlassen.

4.  Für gemäß diesem Kapitel erteilte Zertifikate gilt Artikel 12.

Artikel 35

Register

1.  Das Amt entwickelt, führt und pflegt ein elektronisches, durchsuchbares und öffentliches Register, das aktuelle Informationen über den Status aller veröffentlichten zentralisierten Anmeldungen und aller zentralisierten Anträge auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten enthält. [Abänd. 56]

2.  Im Register sind für jede zentralisierte Anmeldung bzw. jedes Zertifikat ausnahmslos die folgenden Informationen vermerkt:

a)  Name und Anschrift des Anmelders oder des Inhabers des Zertifikats;

b)  Name und die Geschäftsanschrift des Vertreters, soweit es sich nicht um einen Vertreter im Sinne des Artikels 37 Absatz 3 handelt;

c)  Anmeldung sowie Datum der Einreichung und Datum der Veröffentlichung;

d)  die Anmeldung betrifft ein Arzneimittel oder ein Pflanzenschutzmittel;

e)  gegebenenfalls die Angabe, dass die Anmeldung einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeit enthält;

f)  angegebene Mitgliedstaaten;

g)  Nummer des Grundpatents;

h)  Identifizierung des Erzeugnisses, für das Zertifikate beantragt werden;

i)  Nummer und Zeitpunkt der Zulassung gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b sowie eine Identifizierung des hierin jeweils identifizierten Erzeugnisses;

j)  Nummer und Zeitpunkt der ersten Zulassung in der Union;

ja)   Angaben über jede direkte öffentliche finanzielle Förderung, die für Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Erzeugnisses gewährt wurde; [Abänd. 57]

k)  Datum und Zusammenfassung der Stellungnahme zur Prüfung in Bezug auf jeden der angegebenen Mitgliedstaaten; [Abänd. 58]

l)  gegebenenfalls Laufzeit der zu erteilenden Zertifikate;

m)  gegebenenfalls Datum und Zusammenfassung der Stellungnahme zur Prüfung im Zusammenhang mit einem Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines Zertifikats;

n)  gegebenenfalls Angaben über die Einreichung eines Widerspruchs, dessen Bearbeitungsstand und das Ergebnis, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung, falls zutreffend; [Abänd. 59]

o)  gegebenenfalls Angaben über die Einreichung einer Beschwerde, deren Bearbeitungsstand und das und Ergebnis des Beschwerdeverfahrens, gegebenenfalls einschließlich einer Zusammenfassung der überarbeiteten Stellungnahme zur Prüfung, falls zutreffend; [Abänd. 60]

p)  gegebenenfalls und sofern verfügbar, Einzelheiten der in jedem der angegebenen Mitgliedstaaten erteilten Zertifikate;

q)  gegebenenfalls Hinweis darauf, dass die zentralisierte Anmeldung in einem oder mehreren der angegebenen Mitgliedstaaten zurückgewiesen wurde;

r)  gegebenenfalls Hinweis darauf, dass ein Zertifikat erloschen ist oder für nichtig erklärt wurde;

s)  Angaben zur Entrichtung von Jahresgebühren wie von den betreffenden zuständigen nationalen Behörden übermittelt.

3.  Änderungen der Angaben nach Absatz 2, einschließlich Übertragungen, werden jeweils mit dem Datum der Eintragung im Register vermerkt.

4.  Das Register sowie die in den Absätzen 2 und 3 genannten Informationen werden in allen Amtssprachen der Union zur Verfügung gestellt. Für die im Register zu veröffentlichenden Informationen kann das Amt überprüfte Maschinenübersetzungen verwenden.

5.  Die zuständigen nationalen Behörden teilen Informationen im Zusammenhang mit der Erteilung, dem Erlöschen, der Nichtigkeit oder der Übertragung von Zertifikaten sowie der Zurückweisung von Anmeldungen gemäß den Kapiteln II und III sowie der Zahlung von Jahresgebühren unverzüglich dem Amt mit.

6.  Der Exekutivdirektor des Amtes kann festlegen, dass andere Angaben als die in den Absätzen 2 und 3 genannten im Register vermerkt werden.

7.  Das Amt erhebt, organisiert, veröffentlicht und speichert die in den Absätzen 2 und 3 genannten Angaben, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, zu den in Absatz 10 genannten Zwecken. Das Amt sorgt dafür, dass das Register zur öffentlichen Einsichtnahme leicht zugänglich ist.

8.  Das Amt stellt auf Antrag und gegen Entrichtung einer Gebühr beglaubigte oder unbeglaubigte Auszüge aus dem Register aus.

9.  Die Verarbeitung der Daten betreffend die in den Absätzen 2 und 3 festgelegten Angaben, einschließlich etwaiger personenbezogener Daten, findet zu folgenden Zwecken statt:

a)  der Verwaltung der Anmeldungen gemäß diesem Kapitel und den gemäß diesem erlassenen Rechtsakten;

b)  der Pflege des Registers und der Ermöglichung der Einsichtnahme durch öffentliche Stellen und Wirtschaftsakteure;

c)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

10.  Alle Daten, einschließlich personenbezogener Daten, betreffend die in den Absätzen 2 und 3 vorgesehenen Angaben gelten als von öffentlichem Interesse und sind für alle Dritten gebührenfrei zugänglich. Aus Gründen der Rechtssicherheit werden die Eintragungen im Register auf unbestimmte Zeit aufbewahrt.

11.  Das gemäß diesem Artikel eingerichtete Register wird auch zur Veröffentlichung von Informationen im Zusammenhang mit Zertifikaten für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung [COM(2023) 223] und im Zusammenhang mit einheitlichen Zertifikate gemäß der Verordnung [COM(2023) 222] und der Verordnung [COM(2023) 221] verwendet.

11a.   Abweichend von Artikel 35 Absatz 9 Buchstabe b dürfen Behörden die im Register enthaltenen Informationen nicht für Patent-Linkage-Praktiken verwenden, und Regulierungs- oder Verwaltungsentscheidungen im Zusammenhang mit Generika oder Biosimilars dürfen nicht auf die im Register enthaltenen Informationen gestützt werden und nicht für die Verweigerung, die Aussetzung, den Aufschub, die Rücknahme oder den Widerruf von Zulassungen, für Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungsentscheidungen oder für Angebote im Rahmen von Ausschreibungen verwendet werden. [Abänd. 61]

Artikel 36

Datenbank

1.  Zusätzlich zur Verpflichtung, ein Register zu führen, sammelt das Amt alle Angaben, die von den Anmeldern oder in sonstigen Bemerkungen Dritter gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten bereitgestellt werden, und speichert diese in einer elektronischen Datenbank.

2.  Die elektronische Datenbank kann personenbezogene Daten beinhalten, die über jene hinausgehen, im Register enthalten sind, insoweit diese Angaben gemäß dieser Verordnung oder den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten vorgeschrieben sind. Die Sammlung, Speicherung und Verarbeitung dieser Daten dient folgenden Zwecken:

a)  der Verwaltung der Anmeldungen und/oder Eintragungen der Zertifikate gemäß dieser Verordnung und den gemäß dieser Verordnung erlassenen Rechtsakten;

b)  dem Zugang zu den Informationen, die erforderlich sind, um die einschlägigen Verfahren einfacher und effizienter durchzuführen;

c)  der Kommunikation mit den Anmeldern und sonstigen Dritten;

d)  der Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Amt ermöglichen, seine Vorgänge zu optimieren und die Funktionsweise des Systems zu verbessern.

3.  Der Exekutivdirektor bestimmt die Bedingungen für den Zugang zu der elektronischen Datenbank und die Art, in der ihr Inhalt, mit Ausnahme der in Absatz 2 dieses Artikels genannten personenbezogenen Daten, aber einschließlich der in Artikel 35 Absatz 3 aufgelisteten personenbezogenen Daten, in maschinenlesbarer Form bereitgestellt werden können, einschließlich der Gebühren für den Zugang.

4.  Der Zugang zu den in Absatz 2 genannten personenbezogenen Daten wird beschränkt, und diese Daten werden nur öffentlich zugänglich gemacht, wenn der betreffende Beteiligte seine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat.

5.  Alle Daten werden auf unbestimmte Zeit aufbewahrt. Der betreffende Beteiligte kann die Löschung personenbezogener Daten aus der Datenbank jedoch 18 Monate nach Ablauf des Zertifikats oder gegebenenfalls nach Abschluss des einschlägigen Inter-partes-Verfahrens beantragen. Der betreffende Beteiligte hat das Recht, jederzeit die Berichtigung unrichtiger oder falscher Daten zu veranlassen.

Artikel 37

Transparenz

1.  Für Dokumente im Besitz des Amtes gilt die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(23).

2.  Der Verwaltungsrat des Amtes beschließt die Einzelheiten zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 im Zusammenhang mit der vorliegenden Verordnung.

3.  Gegen Entscheidungen des Amtes nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 kann nach Maßgabe der Artikel 228 bzw. 263 AEUV Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten oder Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union erhoben werden.

4.  Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das Amt unterliegt der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates(24).

Artikel 38

Vertretung

1.  Natürliche oder juristische Personen, die weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung im Europäischen Wirtschaftsraum haben, müssen in jedem durch Kapitel III dieser Verordnung geschaffenen Verfahren mit Ausnahme der Einreichung einer zentralisierten Anmeldung gemäß diesem Artikel vor dem Amt vertreten werden.

2.  Natürliche oder juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz oder einer tatsächlichen und nicht nur zum Schein bestehenden gewerblichen oder Handelsniederlassung im Europäischen Wirtschaftsraum können sich vor dem Amt durch einen ihrer Angestellten vertreten lassen.

Angestellte einer juristischen Person können auch andere juristische Personen, die mit der von diesen Angestellten vertretenen Person wirtschaftlich verbunden sind, vertreten.

Unterabsatz 2 gilt auch, wenn diese anderen juristischen Personen weder Wohnsitz noch Sitz noch eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in der Union haben.

Angestellte, die natürliche oder juristische Personen vertreten, haben beim Amt auf Verlangen des Amtes oder gegebenenfalls des Verfahrensbeteiligten eine unterzeichnete Vollmacht zu den Akten einzureichen.

3.  Ein gemeinsamer Vertreter ist zu bestellen, wenn mehr als ein Anmelder oder mehr als ein Dritter gemeinsam handeln.

4.  Nur ein in der Union niedergelassener Rechtspraktiker, der als zugelassener Vertreter in Patentangelegenheiten vor nationalen Ämtern oder dem Europäischen Patentamt auftreten darf, oder ein Rechtsanwalt, der vor Gerichten oder Tribunalen eines Mitgliedstaats zugelassen ist, darf natürliche oder juristische Personen vor dem Amt vertreten.

Artikel 39

Kombinierte Anmeldungen

1.  Eine zentralisierte Anmeldung kann auch einen Antrag auf Erteilung eines einheitlichen Zertifikats gemäß der Verordnung [COM(2023) 222](25) (im Folgenden „kombinierte Anmeldung“) umfassen.

2.  Die kombinierte Anmeldung durchläuft ein einziges zentralisiertes Prüfverfahren sowie ein einziges Widerspruchs- oder Beschwerdeverfahren, sofern ein solches gegen eine Stellungnahme oder eine Entscheidung bezüglich sowohl der zentralisierten Anmeldung als auch der Anmeldung des einheitlichen Zertifikats eingereicht wurde.

3.  Die Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, werden in der kombinierten Anmeldung nicht für die parallele Erteilung nationaler Zertifikate angegeben. Jede Nennung eines Mitgliedstaats, in dem das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, in der kombinierten Anmeldung wird für die Zwecke der Prüfung der kombinierten Anmeldung nicht beachtet.

Artikel 40

Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate

Beim Amt wird eine Abteilung für ergänzende Schutzzertifikate (im Folgenden „SPC-Abteilung“) eingerichtet, die für die in Kapitel III der vorliegenden Verordnung und in Kapitel III der Verordnung [COM(2023) 223] sowie in den Verordnungen [COM(2023) 222] und [COM(2023) 221] festgelegten Durchführungsaufgaben zuständig ist, insbesondere für Folgendes:

a)  Entgegennahme von sowie Aufsicht über die Prüfung von zentralisierten Zertifikatsanmeldungen, von Anträgen auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten, von Beschwerden und Bemerkungen Dritter;

b)  Annahme von Stellungnahmen zur Prüfung im Auftrag des Amtes in Bezug auf zentralisierte Zertifikatsanmeldungen sowie in Bezug auf Anträge auf Verlängerung der Laufzeit von Zertifikaten;

c)  Treffen von Entscheidungen über Widersprüche gegen Stellungnahmen zur Prüfung;

d)  Pflege des Registers und der Datenbank.

Artikel 41

Sprachen

1.  Alle Unterlagen und Informationen, die dem Amt im Zusammenhang mit den Verfahren gemäß dieser Verordnung übermittelt werden, müssen in einer der Amtssprachen der Union abgefasst sein.

2.  Für die dem Amt gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben sind die Sprachen des Amtes alle Amtssprachen der Union gemäß der Verordnung Nr. 1 des Rates(26).

Artikel 42

Mitteilungen an das Amt

1.  Mitteilungen an das Amt können auf elektronischem Wege erfolgen. Der Exekutivdirektor bestimmt, in welchem Umfang und unter welchen technischen Bedingungen diese Mitteilungen elektronisch übermittelt werden können.

2.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Regeln für Kommunikationsmittel, einschließlich elektronischer Kommunikationsmittel, die von den Beteiligten bei Verfahren vor dem Amt zu benutzen sind, und für die vom Amt bereitzustellenden Formblätter festgelegt werden.

Artikel 43

Entscheidungen und Mitteilungen des Amtes

1.  Zu Entscheidungen des Amtes im Rahmen dieses Kapitels gehören Stellungnahmen zur Prüfung; darin werden die Gründe angegeben, auf die sich diese stützen. Sie dürfen sich nur auf Gründe stützen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Findet eine mündliche Verhandlung vor dem Amt statt, so kann die Entscheidung mündlich ergehen. Die Entscheidung oder Stellungnahme wird den Beteiligten anschließend in Schriftform zugestellt.

2.  In allen Entscheidungen, Stellungnahmen, Mitteilungen oder Bescheiden des Amtes gemäß diesem Kapitel sind die SPC-Abteilung und das einschlägige Gremium sowie die Namen des oder der zuständigen Prüfer anzugeben. Sie sind von diesen Prüfern zu unterzeichnen oder stattdessen mit einem vorgedruckten oder aufgestempelten Dienstsiegel des Amtes zu versehen. Der Exekutivdirektor kann bestimmen, dass andere Mittel zur Identifizierung der SPC-Abteilung und der zuständigen Prüfer oder eine andere Identifizierung als das Siegel verwendet werden dürfen, wenn Entscheidungen oder andere Mitteilungen über technische Kommunikationsmittel übermittelt werden.

3.  Die Entscheidungen des Amtes gemäß diesem Kapitel, die mit der Beschwerde angefochten werden können, sind mit einer schriftlichen Belehrung darüber zu versehen, dass jede Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntmachung der fraglichen Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen ist. In der Belehrung sind die Beteiligten auch auf die Bestimmungen des Artikels 29 hinzuweisen. Die Beteiligten können aus der Unterlassung der Beschwerden betreffenden Belehrung seitens des Amtes keine Ansprüche herleiten.

Artikel 44

Mündliche Verhandlung

1.  Das Amt ordnet von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten eine mündliche Verhandlung an, sofern es dies für sachdienlich erachtet.

2.   Mündliche Verhandlungen vor einem Prüfungsgremium oder einem Widerspruchsgremium sind nichtöffentlich. [Abänd. 62]

3.  Die mündliche Verhandlungen vorVerhandlung vor einem Prüfungsgremium, einem Widerspruchsgremium oder den Beschwerdekammern, einschließlich der Verkündung der Entscheidung und gegebenenfalls einer überarbeiteten Stellungnahme, ist sind öffentlich, sofern das Prüfungsgremium, das Widerspruchsgremium oder die Beschwerdekammern in Fällen, in denen eine Zulassung der Öffentlichkeit zur gesamten oder zu einem Teil der mündlichen Verhandlung schwerwiegende und ungerechtfertigte Nachteile, insbesondere für einen Verfahrensbeteiligten, haben könnte, nicht anderweitig entscheiden. [Abänd. 63]

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für mündliche Verhandlungen im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 45

Beweisaufnahme

1.  In den Verfahren vor dem Amt sind insbesondere folgende Beweismittel zulässig:

a)  Vernehmung der Beteiligten;

b)  Einholung von Auskünften;

c)  Vorlegung von Urkunden und Beweisstücken;

d)  Vernehmung von Zeugen;

e)  Begutachtung durch Sachverständige;

f)  schriftliche Erklärungen, die unter Eid oder an Eides statt abgegeben werden oder nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie abgegeben werden, eine ähnliche Wirkung haben.

2.  Das befasste Gremium kann eines seiner Mitglieder mit der Durchführung der Beweisaufnahme beauftragen.

3.  Hält das Amt oder das einschlägige Gremium die mündliche Vernehmung eines Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen für erforderlich, so wird der Betroffene zu einer Vernehmung vor dem Amt geladen. Wird ein Sachverständiger geladen, so vergewissert sich das Amt bzw. das einschlägige Gremium, dass bei diesem kein Interessenkonflikt vorliegt. Die Frist für die Ladung beträgtmuss mindestens 1einen Monat betragen, es sei denn, die geladene Person ist, sofern diese nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden sind. [Abänd. 64]

4.  Die Beteiligten werden von der Vernehmung eines Zeugen oder eines Sachverständigen vor dem Amt benachrichtigt. Sie sind berechtigt, an der Zeugenvernehmung teilzunehmen und Fragen an den Zeugen oder Sachverständigen zu richten.

5.  Der Exekutivdirektor setzt die Beträge der zu erstattenden Auslagen, einschließlich der Beträge etwaiger Vorschüsse, für die Kosten fest, die im Fall einer Beweisaufnahme nach diesem Artikel entstehen.

6.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten der Beweisaufnahme im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 46

Zustellung

1.  Das Amt stellt von Amts wegen alle Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, und Ladungen sowie alle Bescheide oder sonstigen Mitteilungen zu, durch die eine Frist in Gang gesetzt wird oder die nach anderen Bestimmungen dieses Kapitels oder nach den gemäß diesem Kapitel erlassenen Rechtsakten zuzustellen sind oder für die der Exekutivdirektor die Zustellung vorgeschrieben hat.

2.  Die Zustellung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, einschließlich auf elektronischem Weg. Die Einzelheiten bezüglich des elektronischen Weges werden vom Exekutivdirektor festgelegt.

3.  Erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, bestimmt der Exekutivdirektor die Art der öffentlichen Bekanntmachung und legt den Beginn der einmonatigen Frist fest, nach deren Ablauf die Dokumente als zugestellt gelten.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten für die Zustellung im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 47

Fristen

1.  Die Fristen werden nach vollen Jahren, Monaten, Wochen oder Tagen berechnet. Die Berechnung beginnt an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem das relevante Ereignis eingetreten ist. Die Dauer der Fristen beträgt nicht weniger als 1 Monat und nicht mehr als 6 Monate.

2.  Der Exekutivdirektor legt vor Beginn eines jeden Kalenderjahres die Tage fest, an denen das Amt für die Entgegennahme von Dokumenten nicht geöffnet ist oder an denen gewöhnliche Postsendungen am Sitz des Amtes nicht zugestellt werden.

3.  Im Falle einer allgemeinen Unterbrechung der Postzustellung in dem Mitgliedstaat, in dem das Amt seinen Sitz hat, oder bei einer Störung des Zugangs des Amtes zu den zulässigen elektronischen Kommunikationsmitteln stellt der Exekutivdirektor die Dauer der Unterbrechung fest.

4.  Wird die Kommunikation zwischen dem Amt und den Verfahrensbeteiligten durch ein nicht vorhersehbares Ereignis wie eine Naturkatastrophe oder einen Streik unterbrochen oder gestört, kann der Exekutivdirektor bestimmen, dass für die Verfahrensbeteiligten, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ihren Wohnsitz oder Sitz haben oder einen Vertreter mit Geschäftssitz in diesem Mitgliedstaat bestellt haben, alle Fristen, die normalerweise am oder nach dem Tag des vom Exekutivdirektor festgestellten Ereigniseintritts ablaufen, bis zu einem vom Exekutivdirektor festzusetzenden Tag verlängert werden. Bei der Festsetzung dieses Tages berücksichtigt der Exekutivdirektor das voraussichtliche Ende des unvorhersehbaren Ereignisses. Ist der Sitz des Amtes von dem Ereignis betroffen, stellt der Exekutivdirektor fest, dass die Fristverlängerung für alle Verfahrensbeteiligten gilt.

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Einzelheiten in Bezug auf die Berechnung und Dauer der Fristen festgelegt werden.

Artikel 48

Berichtigung von Fehlern und offensichtlichen Versehen

1.  Das Amt berichtigt sprachliche Fehler oder Transkriptionsfehler und offensichtliche Versehen in seinen Entscheidungen, einschließlich Stellungnahmen, oder technische Fehler bei der Veröffentlichung von Informationen im Register von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten.

2.  Nimmt das Amt eine Eintragung ins Register vor oder trifft es eine Entscheidung, so löscht es diese Eintragung oder widerruft diese Entscheidung, wenn die Eintragung oder die Entscheidung offensichtlich mit einem dem Amt anzulastenden Fehler behaftet ist. Die Löschung der Eintragung in das Register oder der Widerruf der Entscheidung erfolgen binnen eines Jahres ab dem Datum der Eintragung in das Register oder dem Erlass der Entscheidung nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten.

3.  Das Amt führt Aufzeichnungen über diese Berichtigungen oder Löschungen.

4.  Korrekturen und Löschungen werden vom Amt veröffentlicht.

Artikel 49

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

1.  Der Anmelder oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt gemäß diesem Kapitel Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage war, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach diesem Kapitel den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsbehelfs zur unmittelbaren Folge hat.

2.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen. Der Antrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist zulässig.

3.  Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen anzugeben sind. Er gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.

4.  Die SPC-Abteilung oder gegebenenfalls die Beschwerdekammern entscheiden über den Antrag.

5.  Dieser Artikel ist nicht auf die in Absatz 2 dieses Artikels oder in Artikel 26 Absätze 1 und 3 genannten Fristen anzuwenden.

Artikel 50

Unterbrechung des Verfahrens

1.  Das Verfahren vor dem Amt im Rahmen dieses Kapitels wird unterbrochen,

a)  wenn der Anmelder oder die Person, die nach nationalem Recht berechtigt ist, im Namen des Anmelders zu handeln, stirbt oder seine bzw. ihre Geschäftsfähigkeit verliert. Solange der Tod oder der Verlust der Geschäftsfähigkeit der genannten Personen die Vertretungsbefugnis eines gemäß Artikel 38 bestellten Vertreters nicht berührt, wird das Verfahren jedoch nur auf Antrag dieses Vertreters unterbrochen;

b)  wenn der Anmelder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen;

c)  wenn der Vertreter des Anmelders stirbt, seine Geschäftsfähigkeit verliert oder aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen gehindert ist, das Verfahren vor dem Amt fortzusetzen.

2.  Das Verfahren vor dem Amt wird wieder aufgenommen, sobald die Identität der Person, die zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt ist, festgestellt ist.

3.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 55 zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen, in denen die Modalitäten in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Amt im Einzelnen festgelegt werden.

Artikel 51

Kostenverteilung

1.  Der unterliegende Beteiligte im Widerspruchsverfahren, einschließlich in zugehörigen Beschwerdeverfahren, trägt die von dem anderen Beteiligten entrichteten Gebühren. Der unterliegende Beteiligte trägt ebenfalls alle für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten, die dem anderen Beteiligten entstehen, einschließlich der Reise- und Aufenthaltskosten und der Kosten des Vertreters im Rahmen der Höchstsätze, die für jede Kostengruppe in dem gemäß Absatz 7 zu erlassenden Durchführungsrechtsakt festgelegt werden. Die von dem unterliegenden Beteiligten zu tragenden Gebühren beschränken sich auf die von den anderen Beteiligten in diesen Verfahren entrichteten Gebühren.

2.  Wenn die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert, beschließt die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer eine andere Kostenverteilung.

3.  Bei Abschluss des Verfahrens entscheidet die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer über die Kosten nach freiem Ermessen.

4.  Vereinbaren die Beteiligten vor der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer eine andere als die in den Absätzen 1 bis 3 vorgesehene Kostenregelung, so nimmt die betreffende Stelle diese Vereinbarung zur Kenntnis.

5.  Die SPC-Abteilung oder die Beschwerdekammer setzt den Betrag der nach den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels zu erstattenden Kosten fest, wenn sich diese Kosten auf die an das Amt gezahlten Gebühren und die Vertretungskosten beschränken. In allen anderen Fällen setzt die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer oder die SPC-Abteilung auf Antrag den zu erstattenden Betrag fest. Der Antrag ist nur innerhalb der Frist von 2 Monaten zulässig, die mit dem Tag beginnt, an dem die Entscheidung, für die die Kostenfestsetzung beantragt wird, unanfechtbar wird; dem Antrag sind eine Kostenaufstellung und entsprechende Belege beizufügen. Für Vertretungskosten reicht eine Zusicherung des Vertreters, dass diese Kosten entstanden sind. Für sonstige Kosten genügt, dass sie nachvollziehbar dargelegt werden. Wird der Betrag der Kosten gemäß Satz 1 dieses Absatzes festgesetzt, so werden Vertretungskosten in der in dem nach Absatz 7 dieses Artikels erlassenen Durchführungsrechtsakt festgelegten Höhe gewährt, unabhängig davon, ob sie tatsächlich entstanden sind.

6.  In den nach Absatz 5 angenommenen Entscheidungen zur Kostenfestsetzung werden die Gründe angegeben, auf die sich stützen; und sie können innerhalb eines Monats ab Datum der Zustellung der Kostenfestsetzung durch eine Entscheidung der SPC-Abteilung oder der Beschwerdekammer überprüft werden. Der Antrag gilt erst als eingereicht, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung entrichtet worden ist. Die SPC-Abteilung bzw. die Beschwerdekammer entscheidet ohne mündliches Verfahren über den Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung zur Kostenfestsetzung.

7.  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte, in denen die Höchstsätze der für die Durchführung der Verfahren notwendigen Kosten und der dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstandenen Kosten im Einzelnen festgelegt werden. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 56 genannten Prüfverfahren erlassen.

8.  Bei der Festlegung der Höchstsätze in Bezug auf die Reise- und Aufenthaltskosten berücksichtigt die Kommission die Entfernung zwischen dem Wohnsitz oder Geschäftssitz des Beteiligten, Vertreters oder Zeugen oder Sachverständigen und dem Ort der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensstufe, in der die Kosten entstehen, und, soweit es um die Kosten der Vertretung geht, die Erforderlichkeit sicherzustellen, dass die Pflicht der Kostenübernahme von dem anderen Beteiligten nicht aus verfahrenstaktischen Gründen missbraucht werden kann. Ferner werden die Aufenthaltskosten gemäß dem Statut der Beamten der Union und den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union, festgelegt durch die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates(27), berechnet. Der unterliegende Beteiligte trägt lediglich die Kosten eines Verfahrensbeteiligten und gegebenenfalls eines einzigen Vertreters.

Artikel 52

Vollstreckung der Entscheidungen, die Kosten festsetzen

1.  Jede Entscheidung des Amtes, die Kosten festsetzt, ist ein vollstreckbarer Titel.

2.  Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet sie stattfindet. Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine einzige Behörde, die für die Prüfung der Echtheit des in Absatz 1 genannten Titels zuständig ist, und teilt deren Kontaktangaben dem Amt, dem Gerichtshof und der Kommission mit. Die Vollstreckungsklausel wird von dieser Behörde nach einer Prüfung, die sich lediglich auf die Echtheit des Titels erstreckt, erteilt.

3.  Sind diese Formvorschriften auf Antrag des die Vollstreckung betreibenden Beteiligten erfüllt, so kann dieser Beteiligte die Zwangsvollstreckung nach innerstaatlichem Recht betreiben, indem er die zuständige Stelle unmittelbar anruft.

4.  Die Zwangsvollstreckung kann nur durch eine Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt werden. Für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen sind jedoch die Rechtsprechungsorgane des betreffenden Mitgliedstaats zuständig.

Artikel 53

Finanzvorschriften

1.  Die dem Amt im Zuge der Wahrnehmung zusätzlicher Aufgaben, die ihm gemäß dieser Verordnung übertragen werden, entstehenden Kosten werden durch den ihm von den Anmeldern zu entrichtenden Verfahrensgebühren sowie gegebenenfalls durch einen Anteil der von den Inhabern gemäß Kapitel III erteilter einheitlicher Zertifikate an die zuständigen nationalen Behörden entrichteten Jahresgebühren gedeckt. Dieser Anteil wird zunächst in einer bestimmten Höhe festgesetzt, jedoch alle 5 Jahre überprüft, damit die vom Amt gemäß dieser Verordnung sowie den Verordnungen [COM(2023) 223], [COM(2023) 222] und [COM(2023) 221] ausgeführten Tätigkeiten – sofern die dem Amt entstandenen Kosten nicht durch Gebühren im Rahmen dieser Verordnungen gedeckt werden – finanziell tragfähig werden.

2.  Für die Zwecke des Absatzes 1 führt jede zuständige nationale Behörde Aufzeichnungen über die von den Inhabern von gemäß diesem Kapitel erteilten Zertifikaten entrichteten Jahresgebühren.

3.  Die einer zuständigen nationalen Behörde für die Teilnahme an Verfahren gemäß diesem Kapitel entstehenden Kosten werden vom Amt getragen und jährlich auf der Grundlage der Zahl der Verfahren, an denen die zuständige nationale Behörde während des vorangegangenen Jahres beteiligt war, gezahlt.

4.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Durchführungsrechtsakte zur Festlegung von Vorschriften über Finanztransfers zwischen dem Amt und den Mitgliedstaaten, die Höhe dieser Transfers sowie die vom Amt für die Teilnahme in Absatz 3 genannter zuständiger nationaler Behörden zu entrichtende Vergütung zu erlassen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 56 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 54

Übergangsvorschriften

Diese Verordnung findet auf Zertifikate Anwendung, die vor dem jeweiligen Tag des Beitritts nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften Tschechiens , Estlands, Kroatiens, Zyperns, Lettlands, Litauens, Maltas, Polens, Rumäniens, Sloweniens und der Slowakei erteilt wurden.

Chapter IV

Schlussbestimmungen

Artikel 55

Ausübung der Befugnisübertragung

1.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

2.  Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 26 Absatz 13, Artikel 29 Absatz 8, Artikel 31, Artikel 42 Absatz 2, Artikel 44 Absatz 4, Artikel 45 Absatz 6, Artikel 46 Absatz 4, Artikel 47 Absatz 5 und Artikel 50 Absatz 3 wird der Kommission mit Wirkung vom Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung auf unbestimmte Zeit übertragen.

3.  Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 26 Absatz 13, Artikel 29 Absatz 8, Artikel 31, Artikel 42 Absatz 2, Artikel 44 Absatz 4, Artikel 45 Absatz 6, Artikel 46 Absatz 4, Artikel 47 Absatz 5 und Artikel 50 Absatz 3 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

4.  Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen.

5.  Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

6.  Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 26 Absatz 13, Artikel 29 Absatz 8, Artikel 31, Artikel 42 Absatz 2, Artikel 44 Absatz 4, Artikel 45 Absatz 6, Artikel 46 Absatz 4, Artikel 47 Absatz 5 und Artikel 50 Absatz 3 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Artikel 56

Ausschussverfahren

1.  Die Kommission wird von einem Ausschuss für ergänzende Schutzzertifikate unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

2.  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 57

Bewertung

1.  Spätestens fünf Jahre nach dem in Artikel 5 Absatz 10 genannten Datum und anschließend alle 5 Jahre führt die Kommission eine Bewertung von Artikel 5 Absätze 2 bis 9 und Artikel 11 durch, um zu beurteilen, ob die mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziele erreicht wurden, und legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die wichtigsten Ergebnisse vor. Zusätzlich zur Bewertung der Auswirkungen der Ausnahmeregelung für die Herstellung zum Zwecke der Ausfuhr wird insbesondere geprüft, welche Auswirkungen die Herstellung zum Zwecke der Lagerung mit dem Ziel, das Erzeugnis oder das dieses Erzeugnis enthaltende Arzneimittel nach Ablauf des entsprechenden Zertifikats in den Mitgliedstaaten in Verkehr zu bringen, auf den Zugang zu Arzneimitteln und die öffentlichen Gesundheitsausgaben hat, und ob die Ausnahmeregelung und insbesondere der in Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer iii genannte Zeitraum ausreicht, um die in Artikel 5 genannten Ziele, einschließlich im Bereich der öffentlichen Gesundheit' zu erreichen.

2.  Bis zum ... [Amt für Veröffentlichungen, bitte einfügen: fünf Jahre nach dem Tag der AnwendungAnwendbarkeit] und danach alle fünf Jahre nimmt die Kommission zudem eine Bewertung der Anwendung des Kapitels III vor und legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die wichtigsten Erkenntnisse vor. Im Rahmen der Bewertung sollte insbesondere geprüft werden, ob die Ziele der Bestimmungen des entsprechenden Kapitels verwirklicht wurden. [Abänd. 65]

Artikel 58

Übergangsbestimmungen für anhängige Anmeldungen

Artikel 20 Absatz 2 gilt nicht für nationale Zertifikatsanmeldungen, die am xxxxxx [Amt für Veröffentlichungen – bitte Datum des Geltungsbeginns dieser Verordnung einfügen] bei den zuständigen nationalen Behörden anhängig sind und die Bedingungen des Artikels 20 Absatz 1 erfüllen.

Artikel 59

Aufhebung

Die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 wird aufgehoben.

Verweisungen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Verweisungen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang IV zu lesen.

Artikel 60

Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 20 bis 53 und 55 bis 57 gelten ab dem xxxxx [Amt für Veröffentlichungen – bitte Datum einsetzen: erster Tag des 12. Monats nach dem Inkrafttreten].

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu … am …

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Die Präsidentin Der Präsident /// Die Präsidentin

ANHANG I

Aufgehobene Verordnung mit ihrer Änderung

Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 1.)

 

Verordnung (EU) 2019/933 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 153 vom 11.6.2019, S. 1)

 

Beitrittsakte von 2012 (ABl. L 112 vom 24.2.2012, S. 21)

Nur Anhang III Abschnitt 1 Nummer 2 Ziffer II Absatz 2

ANHANG II

Logo

Dieses Logo ist in schwarz und so groß anzubringen, dass es hinreichend erkennbar ist.

20240228-P9_TA(2024)0099_DE-p0000002.png

ANHANG III

Standardformular für die Mitteilung gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben b und c.

Bitte kreuzen Sie das entsprechende Kästchen an.

□ Neue Mitteilung □ Aktualisierung einer bestehenden Mitteilung

(a)  Name und Anschrift des Herstellers

(b)  Herstellungszweck

□ Ausfuhr □ Lagerung □ Ausfuhr und Lagerung

(c)  Mitgliedstaat, in dem die Herstellung vorgenommen werden soll, und Mitgliedstaat, in dem die (etwaige) erste verbundene Handlung vor der Herstellung stattfinden soll

Herstellungsmitgliedstaat

 

(Mitgliedstaat der (etwaigen) ersten verbundenen Handlung)

 

(d)  Nummer des im Herstellungsmitgliedstaat erteilten Zertifikats und Nummer des im Mitgliedstaat der (etwaigen) ersten verbundenen Handlung vor der Herstellung erteilten Zertifikats

Im Herstellungsmitgliedstaat erteiltes Zertifikat

 

(Im Mitgliedstaat der (etwaigen) ersten verbundenen Handlung vor der Herstellung erteiltes Zertifikat)

 

(e)  Bei Arzneimitteln, die in Drittländer ausgeführt werden sollen, Nummer der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder etwas einer solchen Genehmigung Gleichwertiges in jedem Ausfuhrdrittland

 

ANHANG IV

Entsprechungstabelle

Verordnung (EG) Nr. 469/2009

Vorliegende Verordnung

Artikel 1, einleitende Worte

Artikel 2, einleitende Worte

Artikel 1 Buchstaben a bis c

Artikel 2 Nummern 1 bis 3

Artikel 1 Buchstabe d

-

Artikel 1 Buchstaben e und f

Artikel 2 Nummern 4 und 5

-

Artikel 2 Nummern 6 bis 12

Artikel 2

Artikel 1

Artikel 3

Artikel 3 Absatz 1

-

Artikel 3 Absätze 2 und 3.

Artikel 4

Artikel 4

Artikel 5

Artikel 5

Artikel 6

Artikel 6 Absatz 1

-

Artikel 6 Absatz 2

Artikel 7 Absätze 1 bis 4

Artikel 7 Absätze 1 bis 4

Artikel 7 Absatz 5

-

Artikel 8

Artikel 8

Artikel 9

Artikel 9

Artikel 10

Artikel 10

Artikel 11

Artikel 11

Artikel 12

Artikel 12

Artikel 13 Absätze 1, 2 und 3

Artikel 13 Absätze 1, 2 und 3

Artikel 13 Absatz 4

-

Artikel 14

Artikel 14

Artikel 15

Artikel 15

Artikel 16

Artikel 16

Artikel 17

Artikel 17

Artikel 18

Artikel 18 Absatz 1

-

Artikel 18 Absatz 2

Artikel 19

Artikel 19

-

Artikel 20

-

Artikel 21

-

Artikel 22

-

Artikel 23

-

Artikel 24

-

Artikel 25

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Artikel 26

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Artikel 27

-

Artikel 28

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Artikel 29

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Artikel 30

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Artikel 31

-

Artikel 32

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Artikel 33

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Artikel 34

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Artikel 35

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Artikel 36

-

Artikel 37

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Artikel 38

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Artikel 39

-

Artikel 40

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Artikel 41

-

Artikel 42

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Artikel 43

-

Artikel 44

-

Artikel 45

-

Artikel 46

-

Artikel 47

-

Artikel 48

-

Artikel 49

-

Artikel 50

-

Artikel 51

-

Artikel 52

-

Artikel 53

Artikel 20

-

Artikel 21 Absatz 1

-

Artikel 21 Absatz 2

Artikel 54

-

Artikel 55

-

Artikel 56

Artikel 21a

Artikel 57 Absatz 1

-

Artikel 57 Absatz 2

-

Artikel 58

Artikel 22

Artikel 59

Artikel 23

Artikel 60

Anhang 1

Anhang I

Anhang -I

Anhang II

Anhang -Ia

Anhang III

-

Anhang IV

(1) ABl. C, C/2023/865, 8.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/865/oj.
(2) ABl. C 77 vom 28.3.2002, S. 1.
(3)ABl. C, C/2023/865, 08.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/865/oj.
(4)ABl. C […] vom […], S. […].
(5)Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 1).
(6)Siehe Anhang I.
(7)Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1).
(8)Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1).
(9)Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. L 154 vom 16.6.2017, S. 1).
(10)Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).
(11)Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43).
(12)Verordnung (EU) 2019/933 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 153 vom 11.6.2019, S. 1).
(13)Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45).
(14)Verordnung (EU) Nr. 608/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates (ABl. L 181 vom 29.6.2013, S. 15).
(15)Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67).
(16)Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission vom 2. Oktober 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln (ABl. L 32 vom 9.2.2016, S. 1).
(17)Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel [COM(2023) 222].
(18)Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung (ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1).
(19)Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(20)Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(21)Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1).
(22)Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973 in der am 17. Dezember 1991 und am 29. November 2000 geänderten Fassung.
(23)Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).
(24)Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1).
(25)Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das einheitliche ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel [COM(2023) 222].
(26)Verordnung Nr. 1 des Rates zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 17 vom 6.10.1958, S. 385).
(27)Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (ABl. L 56 vom 4.3.1968, S. 1).


Standardessentielle Patente
PDF 432kWORD 117k
Entschließung
Konsolidierter Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über standardessenzielle Patente und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001 (COM(2023)0232 – C9-0147/2023 – 2023/0133(COD))
P9_TA(2024)0100A9-0016/2024

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2023)0232),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0147/2023),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 20. September 2023(1),

–  gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Ausschusses für internationalen Handel und des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A9-0016/2024),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über standardessenzielle Patente und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001

P9_TC1-COD(2023)0133


(Text mit Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

gestützt auf den Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)  Am 25. November 2020 veröffentlichte die Kommission ihren Aktionsplan zum Schutz des geistigen Eigentums(4), in dem sie ihre Ziele zur Förderung von Transparenz und Vorhersehbarkeit bei der Lizenzierung standardessenzieller Patente (Standard Essential Patents, SEP) ankündigte, unter anderem durch die Verbesserung des SEP-Lizenzierungssystems, zum Nutzen der Industrie und der Verbraucher in der Union und insbesondere der Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)(5). Der Aktionsplan wurde vom Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 18. Juni 2021(6) und vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 11. November 2021(7) unterstützt. [Abänd. 1]

(2)  Diese Verordnung zielt darauf ab, die Lizenzierung von SEP zu verbessern, indem sie die Ursachen für eine ineffiziente Lizenzierung angeht, wie z. B. unzureichende Transparenz in Bezug auf SEP, faire, angemessene und nicht diskriminierende Bedingungen (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory – FRAND) und Lizenzierung in der Wertschöpfungskette sowie die begrenzte Nutzung von Streitbeilegungsverfahren zur Lösung von FRAND-Streitigkeiten. All dies zusammen mindert die Fairness und Effizienz des Systems insgesamt und führt zu übermäßigen Verwaltungs- und Transaktionskosten, wodurch weniger Investitionsmittel für Investitionen zur Verfügung stehen. Durch die Verbesserung der Lizenzierung von SEP zielt die Verordnung darauf ab, Anreize für die Beteiligung europäischer Unternehmen an der Entwicklung von Standards und die breite Einführung solcher standardisierten Technologien zu schaffen, insbesondere in den Branchen des Internets der Dinge (IoT). Daher verfolgt diese Verordnung Ziele, die das Ziel des Schutzes eines unverfälschten Wettbewerbs, das durch die Artikel 101 und 102 AEUV gewährleistet wird, ergänzen, sich aber von diesem unterscheiden. Diese Verordnung sollte auch die nationalen Wettbewerbsvorschriften unberührt lassen. [Abänd. 2 und 280]

(2a)   In vielen Fällen verhandeln die Parteien in gutem Glauben über SEP-Lizenzen, doch in einigen Fällen werden SEP zum Gegenstand von Gerichtsverfahren. Die vorliegende Verordnung soll sowohl Inhabern als auch Anwendern von SEP in der Union Vorteile bringen, indem Mechanismen eingeführt werden, die auf die Lösung von zwei wichtigen Problemen zugeschnitten sind: zum einen Situationen, in denen die SEP-Anwender den Erwerb von FRAND-Lizenzen unangemessen hinauszögern oder verweigern, und zum anderen Situationen, in denen SEP-Inhaber aufgrund drohender einstweiliger Verfügungen und mangelnder Transparenz Lizenzgebühren eintreiben, die außerhalb des FRAND-Rahmens liegen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass SEP-Inhaber und -Anwender vor, während und nach den Lizenzverhandlungen in gutem Glauben handeln. SEP-Anwender, die standardisierte Technologie nutzen, sollten sich proaktiv um eine Lizenz des SEP-Inhabers bemühen, der Eigentümer der von ihnen genutzten Technologie ist, und SEP-Inhaber sollten jeder Partei, die eine Lizenz beantragt, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen gewähren, unabhängig von der Stellung des potenziellen Lizenznehmers in der jeweiligen Wertschöpfungskette. [Abänd. 3]

(2b)   Die mit dieser Verordnung eingeführten Maßnahmen stehen im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens der Welthandelsorganisation über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums („TRIPS-Übereinkommen“) zur Förderung der technologischen Innovation und der Verbreitung von Technologien zum beiderseitigen Vorteil des Inhabers und des SEP-Nutzers sowie mit den Grundsätzen der Verhinderung des Missbrauchs von Rechten des geistigen Eigentums und der Annahme von Maßnahmen aus Gründen des öffentlichen Interesses. Nach dem TRIPS-Übereinkommen ist insbesondere eine Ausnahme von den ausschließlichen Rechten aus einem Patent gerechtfertigt, wenn sie einer normalen Nutzung des Patents nicht in unangemessener Weise zuwiderläuft und die berechtigten Interessen des Patentinhabers nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt, wobei auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen sind. [Abänd. 4]

(3)  SEP sind Patente zum Schutz von Technologien, die in einem Standard enthalten sind. SEP sind „essenziell“ in dem Sinne, dass die Anwendung des Standards die Nutzung der von den SEP abgedeckten Erfindungen erfordert. Der Erfolg eines Standards hängt von seiner breiten Anwendung ab, und daher sollte jeder Beteiligte die Möglichkeit haben, einen Standard zu verwenden. Um eine breite Umsetzung und Zugänglichkeit von Standards sicherzustellen, verlangen die Standardisierungsorganisationen von den an der Entwicklung von Standards beteiligten SEP-Inhabern, dass sie sich verpflichten, diese Patente zu FRAND-Bedingungen an Anwender zu lizenzieren, die sich für die Nutzung des Standards entscheiden. Die FRAND-Verpflichtung ist eine freiwillige vertragliche Verpflichtung des SEP-Inhabers zugunsten Dritter und sollte als solche auch von nachfolgenden SEP-Inhabern respektiert werden. Diese Verordnung sollte für Patente gelten, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind und von einem SEP-Inhaber für einen Standard als essenziell sinderklärt werden, der von einer Standardisierungsorganisation veröffentlicht wurde und für den sich der SEP-Inhaber oder ein früherer Inhaber der betreffenden SEP verpflichtet oder nicht verpflichtet hat, Lizenzen für seine SEP zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen (FRAND) zu erteilen, und der nach Inkrafttreten dieser Verordnung nicht unter eine Richtlinie über lizenzgebührenfreies geistiges Eigentum fällt. [Abänd. 5]

(4)  Für bestimmte AnwendungsfälleImplementierungen von Standards, wie z. B. die Standards für die drahtlose Kommunikation, gibt es gut etablierte Geschäftsbeziehungen und Lizenzierungspraktiken, wobei Iterationen über mehrere Generationen hinweg zu einer beträchtlichen gegenseitigen Abhängigkeit führen und sowohl den SEP-Inhabern als auch den Anwendern ein erheblicher Nutzen entsteht. Es gibt andere, typischerweise neuartigere AnwendungsfälleImplementierungen – manchmal für dieselben Standards oder Teilmengen davon – mit weniger ausgereiften Märkten, diffuseren und weniger konsolidierten Anwendergemeinschaften, bei denen die Unvorhersehbarkeit von Lizenzgebühren und anderen Lizenzbedingungen sowie die Aussicht auf komplexe Patentbewertungen und -abschätzungen und damit verbundene Rechtsstreitigkeiten die Anreize für den Einsatz standardisierter Technologien in innovativen Produkten stärker beeinträchtigen. Um eine verhältnismäßige und zielgerichtete Reaktion zu gewährleisten, sollten daher bestimmte Verfahren im Rahmen dieser Verordnung, nämlich die Bestimmung der Gesamtlizenzgebühr und die obligatorische Bestimmung der FRAND-Bedingungen vor einem Rechtsstreit, nicht auf ermittelte Anwendungsfälle bestimmter Standards oder Teile davonImplementierungen angewandt werden, bei denen hinreichend nachgewiesen ist, dass SEP-Lizenzverhandlungen zu FRAND-Bedingungen nicht zu erheblichen Schwierigkeiten oder Ineffizienzen führen. [Abänd. 6]

(4a)   Erhebliche Schwierigkeiten oder Ineffizienzen bei der Lizenzierung von SEP, die das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen, können sich unter anderem aus wesentlichen Hindernissen für die rechtzeitige und wirksame Einführung, Entwicklung, den Vertrieb oder die Vermarktung eines Produkts, einer Dienstleistung oder einer Technologie ergeben, aber auch aus unangemessenen Verzögerungen, die den Abschluss einer Lizenzvereinbarung unangemessen hinauszögern. Sie können sich auch aus übermäßigen Kosten, mehrfachen Rechtsstreitigkeiten, Anfechtungen oder Prozessen ergeben, an denen mehr als ein SEP-Inhaber oder SEP-Anwender beteiligt ist, sowie aus Innovationshemmnissen, wenn die Umsetzung einer Norm, einschließlich des Fehlens einer solchen, die technologische Innovation oder den technologischen Fortschritt im Vergleich zu Industrienormen behindert, einschränkt oder beschneidet. [Abänd. 7]

(5)  Während die Transparenz bei der SEP-Lizenzierung ein ausgewogenes Investitionsumfeld entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Binnenmarkt fördern sollte, insbesondere für neu entstehende technologische AnwendungsfälleImplementierungen, die die Ziele der Union in Bezug auf grünes, digitales und resilientes Wachstum untermauern, sollte die Verordnung auch für Standards oder Teile davon gelten, die vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht wurden, wenn Ineffizienzen bei der Lizenzierung der betreffenden SEP das Funktionieren des Binnenmarkts stark beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere für Marktversagen, das Investitionen in den Binnenmarkt, die Einführung oder die Entwicklung innovativer Technologien oder die Entwicklung neu entstehender Technologien und neuer AnwendungsfälleImplementierungen behindert. Daher sollte die Kommission unter Berücksichtigung dieser Kriterien in einem delegierten Rechtsakt die Standards oder Teile davon, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung veröffentlicht wurden, und die entsprechenden AnwendungsfälleImplementierungen festlegen, für die SEP eingetragen werden können. [Abänd. 8]

(6)  Da eine FRAND-Verpflichtung für alle SEP eingegangen werden sollte, die für einen Standard angemeldetals essenziell erklärt werden, der zur wiederholten und kontinuierlichen Anwendung bestimmt ist, sollte die Bedeutung von Standards weiter gefasst werden als in der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(8). [Abänd. 9]

(7)  Die Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen, die für die Entwicklung der digitalen Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist, schließt die unentgeltliche Lizenzierung ein. Da die meisten Probleme bei gebührenpflichtigen Lizenzen auftreten, gilt diese Verordnung nicht für unentgeltliche SEP-Lizenzierungen, es sei denn, diese SEP sind Teil eines Portfolios von Patenten, für die Lizenzen gegen Lizenzgebühren vergeben werden. [Abänd. 10]

(7a)   Offene Standards sind der Schlüssel für die Entwicklung unserer digitalen Gesellschaft, auch für die Entwicklung von Open-Source-Software. Offene Standards beseitigen Hindernisse für die Interoperabilität, fördern die Auswahl zwischen Anbietern und Technologielösungen und sorgen für Wettbewerb und Innovation auf dem Markt. Diese Verordnung gilt für offene Standards, hält aber die Inhaber von SEP nicht davon ab, innovativ zu sein und sich an der Entwicklung offener kollaborativer Standards zu beteiligen. [Abänd. 11]

(8)  Angesichts des globalen Charakters der SEP-Lizenzierung können sich Verweise auf Gesamtlizenzgebühren und FRAND-Bestimmungen auf globale Gesamtlizenzgebühren und globale FRAND-Bestimmungen beziehen oder wie von den anmeldenden Beteiligten oder den Parteien des Verfahrens anderweitig vereinbart.

(9)  In der Union orientieren sich die Standardsetzung und die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften in Bezug auf die FRAND-Verpflichtung für standardessenzielle Patente an den Horizontalen Leitlinien(9) und dem Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2015 in der Rechtssache C-170/13, Huawei Technologies Co. Ltd. gegen ZTE Corp. und ZTE Deutschland GmbH(10). Der Gerichtshof erkannte das Recht eines SEP-Inhabers an, seine Patente vor nationalen Gerichten durchzusetzen, vorbehaltlich bestimmter Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch den SEP-Inhaber infolge der Erhebung einer Unterlassungsklage zu verhindern. Da ein Patent seinem Inhaber das ausschließliche Recht verleiht, Dritte daran zu hindern, die Erfindung ohne seine Zustimmung zu benutzen, und zwar nur in der Gerichtsbarkeit, für die es erteilt wurde, unterliegen die Patentstreitigkeiten den nationalen Patentgesetzen und Zivilverfahren und/oder den Vollstreckungsgesetzen, die durch die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(11) harmonisiert wurden.

(10)  Da es spezifische Verfahren zur Beurteilung der Gültigkeit und der Verletzung von Patenten gibt, sollte diese Verordnung diese Verfahren nicht beeinträchtigen.

(10a)   Patentpools als branchengeführte gemeinsame Lösungen für die Patentlizenzierung sind für den Markt und die Unternehmen im gesamten Spektrum der SEP-Lizenzierung von Vorteil, und zwar sowohl für die SEP-Inhaber als auch -Anwender. Sie stellen eine vorhersehbare und faire Option für die Lizenzierung patentierter Technologien dar, die für einen Standard essenziell sind, da sie eine Einigung auf allgemein akzeptable Lizenzbedingungen zwischen Unternehmen aus der ganzen Welt ermöglichen. Da Patentpools sich mit SEP befassen, sollten sie sich auch zur Einhaltung der FRAND-Bedingungen verpflichten und für vollständige Transparenz in Bezug auf die Patente sorgen, die von ihrem Portfolio abgedeckt werden, idealerweise allen interessierten Lizenznehmern unabhängig von ihrer Position in der Wertschöpfungskette Lizenzen erteilen und vorzugsweise sämtliche standardrelevanten SEP einschließen. [Abänd. 12]

(10b)   Während die wettbewerbsrechtliche Prüfung von Patentpools bereits stattgefunden hat, bleibt die Ungewissheit über die Vereinbarkeit der von SEP-Anwendern gebildeten Lizenzverhandlungsgruppen (LNG) bestehen. LNG können den Verhandlungsprozess straffen und so den Verwaltungsaufwand verringern und sicherstellen, dass die Lizenzbedingungen für alle beteiligten SEP-Anwender einheitlicher und gerechter sind. Von LNG profitieren vor allem KMU. Die Kommission sollte daher die Auswirkungen von LNG auf den Wettbewerb untersuchen und analysieren, welche Bedingungen sie erfüllen sollten, um das Wettbewerbsrecht einzuhalten und gleichzeitig das Risiko zu vermeiden, dass beteiligten SEP-Anwendern „Hold-out-Optionen“ angeboten werden. [Abänd. 13]

(11)  Jede Bezugnahme auf ein zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in dieser Verordnung schließt das Einheitliche Patentgericht ein, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

(12)  Als für die Rechte des geistigen Eigentums zuständige Agentur der Europäischen Union und um die Umsetzung dieser Verordnung zu erleichtern, sollte das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die entsprechenden Aufgaben durch ein Kompetenzzentrum wahrnehmen. Das EUIPO verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit der Verwaltung von Datenbanken, elektronischen Registern und alternativen Streitbeilegungsmechanismen, die zu den wichtigsten Aspekten der im Rahmen dieser Verordnung zugewiesenen Aufgaben gehören. Es ist äußerst wichtig, dass das Kompetenzzentrum muss mit denüber die erforderlichen Mittel, einschließlich der personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden, verfügt, damit es seine Aufgaben erfüllenwirksam ausüben kann. [Abänd. 14]

(12a)   Die SEP-Lizenzierung ist in den Wertschöpfungsketten, die bisher noch nicht mit SEP in Berührung gekommen sind, möglicherweise umstritten. Daher ist es wichtig, dass das Kompetenzzentrum das Bewusstsein für die SEP-Lizenzierung in der Wertschöpfungskette mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln schärft, auch durch eine sinnvolle Einbindung der Beteiligten. Weitere Faktoren sind die Fähigkeit der vorgelagerten Hersteller, die Kosten für eine SEP-Lizenz an die nachgelagerten Unternehmen weiterzugeben, sowie mögliche Auswirkungen bestehender Entschädigungsklauseln innerhalb einer Wertschöpfungskette. Der in dieser Verordnung vorgesehene Rahmen sollte die technologische Führungsrolle der Europäischen Union im Bereich der Innovation fördern. [Abänd. 15]

(13)  Das Kompetenzzentrum sollte einerseits ein elektronisches Register und eine elektronische Datenbank einrichten und verwalten, diedas detaillierte Informationen über die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geltenden SEP enthalten, einschließlich der Ergebnisse von Essenzialitätsprüfungen, Stellungnahmen, Berichtenenthält. Das elektronische Register sollte als grundlegender Datenspeicher dienen, verfügbarer Rechtsprechung aus der ganzen Welt, Vorschriften zu SEP in Drittländern und Ergebnissen von Studien speziell zu SEP. Um KMU der als primärer Bezugspunkt für die SEP-Lizenzierung zu sensibilisieren und ihnen diese zu erleichtern,Nutzer gedacht ist und grundlegende Informationen über SEP kostenlos bereitstellt. Andererseits sollte das Kompetenzzentrum den KMU Unterstützung anbieten. Die Einrichtung und Verwaltung eines Systems für Essenzialitätsprüfungen und Verfahren zur Ermittlung von Gesamtlizenzgebühren und zur FRAND-Bestimmung durch das Kompetenzzentrum sollte Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung des Systems und der Verfahren umfassen, auch durch den Einsatz neuer Technologien. Im Einklang mit diesem Ziel sollte das Kompetenzzentrum Schulungsverfahren für Gutachter, die Essenzialitätsprüfungen durchführen, und Schlichter in Bezug auf Stellungnahmen zur Gesamtlizenzgebühr sowie zur FRAND-Bestimmungauch eine elektronische Datenbank einrichten und verwalten, die leicht zugängliche Informationen in einem umfangreicheren und umfassenderen Datensatz bereitstellt, zu dem der Zugang von der Zahlung einer angemessenen und verhältnismäßigen Gebühr abhängig gemacht werden könntedie Einheitlichkeit ihrer Praktiken fördern. Die Behörden, einschließlich Gerichten, sollten kostenlosen Zugang zu den Informationen in der Datenbank haben. Auch akademische Einrichtungen sollten unter bestimmten Bedingungen kostenlosen Zugang zu den Informationen beantragen können. Das elektronische Register und die elektronische Datenbank sollten ein hohes Maß an Rechtssicherheit bieten. [Abänd. 16]

(13a)   Um KMU für die SEP-Lizenzierung zu sensibilisieren und ihnen diese zu erleichtern, sollte das Kompetenzzentrum den KMU Unterstützung und Start-ups anbieten. Die Einrichtung und Verwaltung eines Systems für Essenzialitätsprüfungen und Verfahren zur Ermittlung von Gesamtlizenzgebühren und zur FRAND-Bestimmung durch das Kompetenzzentrum sollte Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung des Systems und der Verfahren umfassen, auch durch den Einsatz neuer Technologien. Im Einklang mit diesem Ziel sollte das Kompetenzzentrum Schulungsverfahren für Gutachter, die Essenzialitätsprüfungen durchführen, und Schlichter in Bezug auf Stellungnahmen zur Gesamtlizenzgebühr sowie zur FRAND-Bestimmung einrichten und die Einheitlichkeit ihrer Praktiken fördern. [Abänd. 17]

(14)  Für das Kompetenzzentrum sollten die Unionsvorschriften über den Zugang zu Dokumenten und den Datenschutz gelten. Seine Aufgaben sollten darauf ausgerichtet sein, die Transparenz zu erhöhen, indem bestehende Informationen, die für SEP relevant sind, allen Beteiligten zentral und systematisch zur Verfügung gestellt werden. Daher müsstesollte ein Gleichgewicht zwischen dem freien Zugang der Öffentlichkeit zu grundlegenden Informationen und der Notwendigkeit, den Betrieb des Kompetenzzentrums zu finanzieren, gefunden werden. Um die Wartungskosten zu decken, sollte eine Eintragungsgebühr für den Zugang zu detaillierten Informationen in der Datenbank verlangt werden, z. B. zu den Ergebnissen von Essenzialitätsprüfungen und nicht vertraulichen Berichten zur FRAND-Bestimmung. [Abänd. 18]

(15)  Die Kenntnis der potenziellen Lizenzgebühr für alle SEP, die einen Standard abdecken (Gesamtlizenzgebühr), die auf die Implementierungen dieses Standards anwendbar ist, ist wichtig für die Bewertung der Höhe der Lizenzgebühr für ein Produkt, die bei der Kostenermittlung des Herstellers eine wichtige Rolle spielt. Sie hilft dem SEP-Inhaberden SEP-Inhabern auch bei der Planung der zu erwartenden Kapitalrendite und den SEP-Anwendern bei der Abschätzung der Kosten für die Einbindung der Standards in ihre Produkte. Die Veröffentlichung der voraussichtlichen Gesamtlizenzgebühr und der Standardlizenzbedingungen für einen bestimmten Standard würde die SEP-Lizenzierung erleichtern und die Kosten der SEP-Lizenzierung senken. Daher müssenwürden SEP-Anwender und SEP-Inhaber davon profitieren, wenn die Informationen über die Lizenzgebührensätze (Gesamtlizenzgebühr) und die FRAND-Standardbedingungen für die Lizenzvergabe veröffentlicht werden. [Abänd. 19]

(16)  Die SEP-Inhaber sollten die Möglichkeit haben, das Kompetenzzentrum zunächst über die Veröffentlichung des Standards, für den sie Essenzialität beanspruchen, oder die von ihnen untereinander vereinbarte Gesamtlizenzgebühr zu informieren. Außer in den Fällen, inbei den Implementierungen, bei denen die Kommission feststellt, dass es etablierte und im Großen und Ganzen gut funktionierende Praktiken zur SEP-Lizenzierung gibt, kann das Kompetenzzentrum die Parteien bei der Bestimmung der Gesamtlizenzgebühren unterstützen. Wenn es keine Einigung über eine Gesamtlizenzgebühr zwischen den SEP-Inhabern gibt, können bestimmte SEP-Inhaber das Kompetenzzentrum ersuchen, einen Schlichter zu ernennen, der die SEP-Inhaber, die bereit sind, an dem Verfahren teilzunehmen, bei der Bestimmung einer Gesamtlizenzgebühr für die SEP, die den betreffenden Standard abdecken, unterstützt. In diesem Fall bestünde die Rolle des Schlichters darin, die Entscheidungsfindung der beteiligten SEP-Inhaber zu erleichtern, ohne eine Empfehlung für eine Gesamtlizenzgebühr abzugeben. Schließlich muss sichergestellt werden, dass eine dritte unabhängige Partei, ein Sachverständiger, eine Empfehlung für eine Gesamtlizenzgebühr abgeben kann. Daher sollten die SEP-Inhaber und/oder Anwender die Möglichkeit haben, beim Kompetenzzentrum ein Sachverständigengutachten zu einer Gesamtlizenzgebühr zu beantragen. Wenn ein solcher Antrag gestellt wird, sollte das Kompetenzzentrum ein Schlichtergremium benennen und ein Verfahren durchführen, an dem alle interessierten Beteiligten teilnehmen können. Nach Erhalt der Informationen von allen Teilnehmern sollte das Gremium ein unverbindliches Sachverständigengutachten über eine Gesamtlizenzgebühr erstellen. Das Sachverständigengutachten über die Gesamtlizenzgebühr sollte eine nicht vertrauliche Analyse der erwarteten Auswirkungen der Gesamtlizenzgebühr auf die SEP-Inhaber und die Beteiligten der Wertschöpfungskette enthalten. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, Faktoren wie die Effizienz der SEP-Lizenzierung, einschließlich der Erkenntnisse aus den üblichen Regeln oder Praktiken für die Lizenzierung von geistigem Eigentum in der Wertschöpfungskette und der gegenseitigen Gewährung von Lizenzen, sowie die Auswirkungen auf die Innovationsanreize der SEP-Inhaber und der verschiedenen Beteiligten in der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen. [Abänd. 20]

(16a)   Die SEP-Inhaber und SEP-Anwender sollten die Möglichkeit haben, beim Kompetenzzentrum ein unverbindliches Sachverständigengutachten von unabhängigen Dritten zu einer Gesamtlizenzgebühr zu beantragen. Wenn ein solcher Antrag gestellt wird, sollte das Kompetenzzentrum ein Schlichtergremium benennen und ein Verfahren durchführen, an dem alle interessierten Beteiligten teilnehmen können. Nach Erhalt der Informationen von allen Teilnehmern sollte das Gremium ein Gutachten über die Gesamtlizenzgebühr abgeben. Das Sachverständigengutachten über die Gesamtlizenzgebühr sollte eine nicht vertrauliche Analyse der erwarteten Auswirkungen der Gesamtlizenzgebühr auf die SEP-Inhaber und die Beteiligten der Wertschöpfungskette enthalten. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, Faktoren wie die Effizienz der SEP-Lizenzierung, einschließlich der Erkenntnisse aus den üblichen Regeln oder Praktiken für die Lizenzierung von geistigem Eigentum in der Wertschöpfungskette und der gegenseitigen Gewährung von Lizenzen, sowie die Auswirkungen auf die Innovationsanreize der SEP-Inhaber und der verschiedenen Beteiligten in der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen. [Abänd. 21]

(17)  Im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen und Zielen der Transparenz, der Beteiligung und des Zugangs zur europäischen Normung sollte das zentraleelektronische Register Informationen über die Anzahl der für einen Standard geltenden SEP, das Eigentum an den relevanten SEP und die von den SEP erfassten Teile des Standards öffentlich zugänglich machen. Das Register und die Datenbank werden Informationen über einschlägige Normen, Produkte, Verfahren, Dienstleistungen und Systeme, die den Standard umsetzen, in der EU geltende SEP, FRAND-Bedingungen für die SEP-Lizenzierung oder Lizenzierungsprogramme, Programme für die Erteilung kollektiver Lizenzen und Essenzialität enthalten. Für die SEP-Inhaber wird das Register Transparenz hinsichtlich der relevanten SEP, ihres Anteils an allen zum Standard angemeldeten SEP und der von den Patenten erfassten Merkmale des Standards schaffen. SEP-Inhaber werden besser in der Lage sein, ihre Portfolios mit denen anderer SEP-Inhaber zu vergleichen. Dies ist nicht nur für die Verhandlungen mit den Anwendern wichtig, sondern auch für die gegenseitige Gewährung von Lizenzen mit anderen SEP-Inhabern. Für die Anwender wird das Register eine zuverlässige Informationsquelle über die SEP sein, auch im Hinblick auf die SEP-Inhaber, von denen die Anwender möglicherweise eine Lizenz benötigen. Die Bereitstellung solcher Informationen im Register wird auch dazu beitragen, die Dauer der technischen Diskussionen in der ersten Phase der SEP-Lizenzverhandlungen zu verkürzen. [Abänd. 22]

(18)  Sobald ein Standard mitgeteilt oder eine Gesamtlizenzgebühr festgelegt wurde, je nachdem, was zuerst eintritt, eröffnet das Kompetenzzentrum die SEP-Eintragung durch Inhaber von SEP, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind.

(19)  Um die Transparenz von SEP zu gewährleisten, sollte von den SEP-Inhabern verlangt werden, dass sie ihre Patente, die für den Standard, für den die Eintragung offen ist, essenziell sind, eintragen lassen. SEP-Inhaber sollten ihre SEP innerhalb von sechs Monaten nach Eröffnung der Eintragung durch das Kompetenzzentrum oder nach Erteilung der entsprechenden SEP eintragen lassen, je nachdem, was zuerst eintritt. Die SEP-Inhaber können auch dann Lizenzgebühren erheben, wenn ihr SEP nicht eingetragen ist; sie sollten jedoch nur im Falle einer rechtzeitigen Eintragung sollten die SEP-Inhaber in der Lage sein, Lizenzgebühren zu erheben und Schadensersatz für Nutzungen und Verletzungen zu fordern können, die vor der Eintragung stattgefunden haben, sofern die Höhe des Schadensersatzes gemäß den in dieser Verordnung festgelegten FRAND-Bestimmungen festgelegt wurde. [Abänd. 23]

(20)   Versäumen es SEP-Inhaber können sich nach Ablauf, ihre Patente innerhalb der angegebenen Frist eintragen zu lassen. In diesem Fall sollten die, sollte das Kompetenzzentrum den SEP-Inhaber jedochdavon in Kenntnis setzen, dass er im Falle weiterer Verzögerungen bei der Anmeldung seiner Patente nach einer Nachfrist von einem Monat nicht in der Lage ist, Ansprüche in Bezug auf sein, für den Zeitraum der Verzögerung Lizenzgebühren zu erheben und Schadensersatz zu verlangen Patent geltend zu machen, bis die Eintragung abgeschlossen ist. [Abänd. 24]

(21)  Klauseln in Lizenzvereinbarungen, die eine Lizenzgebühr für eine große Anzahl von – gegenwärtigen oder zukünftigen – Patenten festlegen, sollten nicht durch die fehlende Gültigkeit, Essenzialität oder Durchsetzbarkeit einer kleinen Anzahl dieser Patente beeinträchtigt werden, wenn sie die Gesamthöhe und Durchsetzbarkeit der Lizenzgebühr oder anderer Klauseln in solchen Vereinbarungen nicht beeinflussen.

(22)  SEP-Inhaber sollten sicherstellen, dass ihre SEP-Eintragungen aktualisiert werden. Aktualisierungen sollten innerhalb von sechs Monaten für relevante Statusänderungen eingetragen werden, einschließlich Eigentumsverhältnissen, Ungültigkeitsfeststellungen oder anderen Änderungen, die sich aus vertraglichen Verpflichtungen oder behördlichen Entscheidungen ergeben. Das Versäumnis,Wird die Eintragung zu aktualisieren, kann zur Aussetzung dernicht aktualisiert, sollte das Kompetenzzentrum dem SEP-Inhaber mitteilen, dass im Falle weiterer Verzögerungen bei der Aktualisierung seiner Eintragung des SEP führennach einer Schonfrist von einem Monat sein SEP ausgesetzt werden kann. [Abänd. 25]

(23)  Ein SEP-Inhaber kann auch die Änderung einer SEP-Eintragung beantragen. Außerdem kann ein Beteiligter die Änderung einer SEP-Eintragung beantragen, wenn er nachweisen kann, dass die Eintragung aufgrund einer endgültigen Entscheidung einer Behörde unrichtig ist. Ein SEP kann nur auf Antrag des SEP-Inhabers aus dem Register gestrichen werden, wenn das Patent erloschen ist, durch eine rechtskräftige Entscheidung oder ein Urteil eines zuständigen Gerichts eines Mitgliedstaats für ungültig oder nicht essenziell erklärt wurde oder nach dieser Verordnung als nicht essenziell gilt. Um Transparenz sicherzustellen, sollten alle Änderungen der SEP-Eintragung öffentlich zugänglich gemacht werden. [Abänd. 26]

(23a)   Es muss sichergestellt werden, dass die Eintragung und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen gemäß dieser Verordnung nicht durch die Streichung eines SEP aus dem Register umgangen werden können. Stellt ein Gutachter fest, dass ein beantragtes SEP nicht essenziell ist, kann nur der SEP-Inhaber dessen Streichung aus dem Register beantragen, und zwar erst, nachdem das jährliche Stichprobenverfahren abgeschlossen ist und der Anteil der echten SEP aus der Stichprobe ermittelt und veröffentlicht wurde. [Abänd. 27]

(24)  Um die Qualität des Registers weiter zu gewährleisten und eine Über-Eintragung zu vermeiden, sollten auch stichprobenartige Essenzialitätsprüfungen durch unabhängige und unparteiische Gutachter durchgeführt werden, die nach objektiven, von der Kommission festzulegenden Kriterien ausgewählt werden. Es sollte nur ein SEP aus derselben Patentfamilie auf Essenzialität geprüft werden. [Abänd. 28]

(25)  Diese Essenzialitätsprüfungen sollten an einer Stichprobe von SEP-Portfolios durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Stichprobe statistisch valide Ergebnisse liefert. Die Ergebnisse der stichprobenartigen Essenzialitätsprüfungen sollten den Anteil der positiv geprüften SEP an allen von den einzelnen SEP-Inhabern eingetragenen SEP bestimmen. Die Essenzialitätsquote sollte jährlich aktualisiert werden.

(26)  Inhaber von SEP können ihre SEP vor der Eintragung ihrer Patente freiwillig zur Essenzialitätsprüfung an das Kompetenzzentrum übermitteln. SEP-Inhaber oder Anwender können nach der Eintragung außerdem jährlich bis zu 100 eingetragene SEP für Essenzialitätsprüfungen benennen. Wenn die vorausgewählten SEP als essenziell bestätigt werden, können die SEP-Inhaber diese Information in Verhandlungen und als Beweismittel vor Gericht verwenden, ohne das Recht eines Anwenders zu beeinträchtigen, die Essenzialität eines eingetragenen SEP vor Gericht anzufechten. Die ausgewählten SEP haben keinen Einfluss auf das Stichprobenverfahren, da die Stichprobe aus allen eingetragenen SEP der einzelnen SEP-Inhaber ausgewählt werden sollte. Wenn ein vorausgewähltes SEP und ein für den Stichprobensatz ausgewähltes SEP identisch sind, sollte nur eine Essenzialitätsprüfung durchgeführt werden. Essenzialitätsprüfungen sollten bei SEP aus derselben Patentfamilie nicht wiederholt werden. [Abänd. 29]

(27)  Jede BewertungBewertungen der Essenzialität von SEP, die von einer unabhängigen Stelle vor dem Inkrafttreten der Verordnung durchgeführt wurde, z. B. durch Patentpools, sowie die Feststellung der Essenzialität durch Justizbehörden sollten im Register angegeben werden. Diese SEP sollten nicht erneut auf ihre Essenzialität überprüft werden, nachdem dem Kompetenzzentrum die entsprechenden Nachweise für die Informationen im Register vorgelegt wurden, es sei denn, der Gutachter hat auf der Grundlage ausreichender Nachweise objektive Gründe für die Annahme, dass die vorherige Essenzialitätsprüfung ungenau war. SEP-Inhaber oder Patentpools sollten auch nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung in der Lage sein, die Essenzialitätsprüfung von SEP durchzuführen. [Abänd. 30]

(28)  Die Gutachter sollten unabhängig und in Übereinstimmung mit der Verfahrensordnung und dem Verhaltenskodex arbeiten, die von der Kommission festgelegt werden. Der SEP-Inhaber hätte die Möglichkeit, vor der Abgabe einer mit Gründen versehenen Stellungnahme eine Begutachtung durch Fachkollegen zu beantragen. Solange ein SEP nicht Gegenstand einer Begutachtung durch Fachkollegen ist, findet keine weitere Überprüfung der Ergebnisse der Essenzialitätsprüfung statt. Die Ergebnisse der Begutachtung durch Fachkollegen sollten dazu dienen, den Prozess der Essenzialitätsprüfung zu verbessern, Mängel zu ermitteln und zu beheben und die Kohärenz zu verbessern.

(29)  Das Kompetenzzentrum würde die Ergebnisse der Essenzialitätsprüfungen, ob positiv oder negativ, im Register und in der Datenbank veröffentlichen. Die Ergebnisse der Essenzialitätsprüfungen wären rechtlich nicht bindend. Auf diese Weise würde es ermöglicht, etwaige spätere Streitigkeiten in Bezug auf die Essenzialität müssten daher vor dem zuständigen Gericht verhandelt werdenzu verhandeln. Die Ergebnisse der Essenzialitätsprüfung können jedoch, unabhängig davon, ob sie von einem SEP-Inhaber beantragt wurden oder auf einer Stichprobe beruhen, zum Nachweis der Essenzialität dieser SEP oder anderer maßgeblicher Kriterien in Verhandlungen, in Patentpools und vor Gericht verwendet werden. [Abänd. 31]

(30)   Es muss sichergestellt werden, dass die Eintragung und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen gemäß dieser Verordnung nicht durch die Streichung eines SEP aus dem Register umgangen werden können. Stellt ein Gutachter fest, dass ein beantragtes SEP nicht essenziell ist, kann nur der SEP-Inhaber dessen Streichung aus dem Register beantragen, und zwar erst, nachdem das jährliche Stichprobenverfahren abgeschlossen ist und der Anteil der echten SEP aus der Stichprobe ermittelt und veröffentlicht wurde. [Abänd. 32 und 289]

(31)  Der Zweck der FRAND-Verpflichtung besteht darin, die Einführung und Nutzung des Standards zu erleichtern, indem die SEP den Anwendern zu fairen und, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung gestellt werden und der SEP-Inhaber einen fairen und angemessenen Gegenwert für seine Innovation erhält. Daher sollte das letztendliche Ziel von Durchsetzungsmaßnahmen von SEP-Inhabern oder Klagen von Anwendern, die sich auf die Verweigerung einer Lizenz durch einen SEP-Inhaber stützen, der Abschluss einer FRAND-Lizenzvereinbarung sein. Hauptziel der Verordnung ist es, die Verhandlungen und die außergerichtliche Streitbeilegung zu erleichtern, was für beide Parteien von Vorteil sein kann. Die Gewährleistung des Zugangs zu schnellen, fairen und kosteneffizienten Möglichkeiten zur Beilegung von Streitigkeiten in Bezug auf FRAND-Bedingungen sollte sowohl den SEP-Inhabern als auch den Anwendern zugutekommen. Ein gut funktionierender außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismus zur Bestimmung von FRAND-Bedingungen (FRAND-Bestimmung) kann daher für alle Parteien erhebliche Vorteile bieten. Eine Partei kann eine FRAND-Bestimmung beantragen, um nachzuweisen, dass ihr Angebot den FRAND-Regeln entspricht, oder um eine Sicherheit zu leisten, wenn sie in gutem Glauben handelt. [Abänd. 33]

(32)  Die FRAND-Bestimmung soll die Verhandlungen über FRAND-Bedingungen vereinfachen und beschleunigen und die KostenTransaktionskosten für alle Beteiligten senken. Das EUIPO sollte das Verfahren verwalten. Das Kompetenzzentrum sollte eine Liste von Schlichtern erstellen, die die festgelegten Kriterien für Kompetenz und Unabhängigkeit erfüllen, sowie einen Speicher für nicht vertrauliche Berichte anlegen (die vertrauliche Fassung der Berichte ist nur für die Parteien und die Schlichter zugänglich). Bei den Schlichtern sollte es sich um neutrale und unparteiische Personen handeln, die über umfassende Erfahrung in der Streitbeilegung verfügen und die wirtschaftlichen Aspekte der Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen gut kennen. Es sollte Vorschriften und Verfahren geben, die Interessenkonflikte definieren und Mechanismen für den Umgang mit eventuell aufkommenden Konflikten festlegen. [Abänd. 34]

(33)  DieSofern eine oder mehrere Parteien eine FRAND-Bestimmung wäreeinleiten, sollte dies ein obligatorischer Schritt sein, bevor ein SEP-Inhaber ein Patentverletzungsverfahren einleiten kann oder ein Anwender vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats eine Bestimmung oder Bewertung der FRAND-Bedingungen für ein SEP beantragen kann. Die Verpflichtung, die FRAND-Bestimmung vor dem entsprechenden Gerichtsverfahren einzuleiten, sollte jedoch nicht für SEP gelten, die die Anwendungsfälle vonImplementierungen der Standards abdecken, für die die Kommission feststellt, dass es keine erheblichen Schwierigkeiten oder Ineffizienzen bei der Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen gibt. [Abänd. 35]

(34)  Jede Partei kann entscheiden, ob sie sich auf das Verfahren einlassen und sich verpflichten will, dessen Ergebnisse einzuhalten. Antwortet eine Partei nicht auf das Ersuchen um eine FRAND-Bestimmung oder verpflichtet sie sich nicht, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung einzuhalten, sollte die andere Partei entweder die Beendigung oder die einseitige Fortsetzung der FRAND-Bestimmung verlangen können. Eine solche Partei sollte während der FRAND-Bestimmung nicht mit Rechtsstreitigkeiten konfrontiert werden. Gleichzeitig sollte die FRAND-Bestimmung ein wirksames Verfahren für die Parteien sein, um sich auf neutraler Ebene, z. B. vor einem Schlichtergremium, zu treffen und vor einem Rechtsstreit eine Einigung zu erzielen oder eine Bestimmung zu erhalten, die in weiteren Verfahren verwendet werden kann. Daher sollten die Parteien, die sich verpflichten, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung einzuhalten und sich ordnungsgemäß an dem Verfahren zu beteiligen, in der Lage sein, von dessen Abschluss zu profitieren. [Abänd. 36]

(35)  Die Verpflichtung, eine FRAND-Bestimmung einzuleiten, sollte dem wirksamen Schutz der Rechte der Parteien nicht abträglich sein. In diesem Zusammenhang sollte die Partei, die sich verpflichtet, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung einzuhalten, während die andere Partei dies nicht tut, berechtigt sein, bis zur FRAND-Bestimmung ein Verfahren vor dem zuständigen nationalen Gericht einzuleiten. Darüber hinaus sollte jede ParteiDie Parteien sollten die Möglichkeit haben, bei dem zuständigen Gericht eine einstweilige Verfügung finanzieller Art zu beantragen. In einer Situation, in der der betreffende SEP-Inhaber eine FRAND-Verpflichtung eingegangen ist, sollten angemessene und verhältnismäßige einstweilige Verfügungen finanzieller Art dem SEP-Inhaber, der sich bereit erklärt hat, sein SEP zu FRAND-Bedingungen zu lizenzieren, den notwendigen gerichtlichen Schutz bieten, während der Anwender in der Lage sein sollte, die Höhe der FRAND-Lizenzgebühren anzufechten oder die Einrede der fehlenden Essenzialität oder der Ungültigkeit des SEP vorzubringen. In den nationalen Systemen, die die Einleitung eines Verfahrens in der Sache als Voraussetzung für die Beantragung einstweiliger Maßnahmen finanzieller Art vorsehen, sollte es möglich sein, ein solches Verfahren einzuleiten, wobei die Parteien jedoch beantragen sollten, dass das Verfahren während der FRAND-Bestimmung ausgesetzt wird. Bei der Bestimmung der Höhe der einstweiligen Verfügung finanzieller Art, die in einem bestimmten Fall als angemessen anzusehen ist, sollten unter anderem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers und die möglichen Auswirkungen auf die Wirksamkeit der beantragten Maßnahmen, insbesondere für KMU, berücksichtigt werden, auch um die missbräuchliche Anwendung solcher Maßnahmen zu verhindern. Außerdem sollte klargestellt werden, dass den Parteien nach Beendigung der FRAND-Bestimmung die gesamte Palette von Maßnahmen, einschließlich vorläufiger, vorsorgender und korrigierender Maßnahmen, zur Verfügung stehen sollte. [Abänd. 37]

(36)  Wenn die Parteien in die FRAND-Bestimmung eintreten, sollten sie einen Schlichterein Schlichtergremium für die FRAND-Bestimmung aus der Liste auswählen. Im Falle einer Uneinigkeit würde das Kompetenzzentrum den Schlichterdie Mitglieder des Schlichtergremiums auswählen. Die FRAND-Bestimmung sollte innerhalb von neun Monaten abgeschlossen sein. Diese Zeit wäre für ein Verfahren erforderlich, das die Wahrung der Rechte der Parteien gewährleistet und gleichzeitig schnell genug ist, um Verzögerungen beim Abschluss der Lizenzen zu vermeiden. Die Parteien können sich während des Verfahrens jederzeit einigen, was zur Beendigung der FRAND-Bestimmung führt. [Abänd. 38]

(37)  Nach der Ernennung sollte die Schlichtungsstelle die FRAND-Bestimmung an den Schlichterdas Schlichtergremium weiterleiten, der prüfen sollte, ob der Antrag die erforderlichen Informationen enthält, und den Parteien, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragen, den Verfahrensplan mitteilen. [Abänd. 39]

(38)  Der SchlichterDas Schlichtergremium sollte das Vorbringen und die Vorschläge der Parteien zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen prüfen und neben anderen relevanten Umständen auch die entsprechenden Verhandlungsschritte berücksichtigen. Der SchlichterDas Schlichtergremium sollte von sich aus oder auf Antrag einer Partei die Möglichkeit haben, von den Parteien die Vorlage von Beweisen zu verlangen, die eres für die Erfüllung seiner Aufgabe für erforderlich hält. Er sollte auch die Möglichkeit haben, öffentlich zugängliche Informationen, das Register des Kompetenzzentrums und Berichte über andere FRAND-Bestimmungen sowie nicht vertrauliche Dokumente und Informationen, die vom Kompetenzzentrum erstellt oder diesem vorgelegt wurden, zu prüfen. [Abänd. 40]

(39)  Nimmt eine Partei nach der Bestellung des SchlichtersSchlichtergremiums nicht an der FRAND-Bestimmung teil, kann die andere Partei die Beendigung des Verfahrens beantragen oder verlangen, dass der Schlichterdas Gremium eine Empfehlung für eine FRAND-Bestimmung auf der Grundlage der Informationen abgibt, die er bewerten konnte. [Abänd. 41]

(40)  Leitet eine Partei ein Verfahren in einem Rechtsraum außerhalb der Union ein, das zu rechtsverbindlichen und vollstreckbaren Entscheidungen über denselben Standard, der Gegenstand der FRAND-Bestimmung ist, und seine Umsetzung führt oder das SEP aus derselben Patentfamilie wie SEP, die Gegenstand der FRAND-Bestimmung sind, einschließt und an dem eine oder mehrere der Parteien der FRAND-Bestimmung als Partei beteiligt sind, so sollte der Schlichterdas Schlichtergremium oder, falls eres nicht ernannt wurde, das Kompetenzzentrum das Verfahren vor oder während der FRAND-Bestimmung durch eine Partei auf Antrag der anderen Partei beenden können. [Abänd. 42]

(41)  Am Ende des Verfahrens sollte der Schlichterdas Schlichtergremium einen Vorschlag mit Empfehlungen für FRAND-Bedingungen unterbreiten. Jede der beiden Parteien sollte die Möglichkeit haben, den Vorschlag anzunehmen oder abzulehnen. Einigen sich die Parteien nicht und/oder nehmen sie den Vorschlag nicht an, sollte der Schlichterdas Schlichtergremium einen Bericht über die FRAND-Bestimmung erstellen. Der Bericht wird in einer vertraulichen und einer nicht vertraulichen Fassung erstellt. Die nicht vertrauliche Fassung des Berichts sollte den Vorschlag für die FRAND-Bedingungen und die angewandte Methodik enthalten und dem Kompetenzzentrum zur Veröffentlichung vorgelegt werden, damit bei künftigen FRAND-Bestimmungen der Parteien und anderer Beteiligter im Zusammenhang mit ähnlichen Verhandlungen darauf zurückgegriffen werden kann. Der Bericht hätte somit den doppelten Zweck, die Parteien zur Einigung zu ermutigen und für Transparenz hinsichtlich des Verfahrens und der empfohlenen FRAND-Bedingungen im Falle von Meinungsverschiedenheiten zu sorgen. [Abänd. 43]

(42)  Die Verordnung respektiert die Rechte am geistigen Eigentum von Patentinhabern (gemäß Artikel 17 Absatz 2 der EU-Grundrechtecharta), obwohl sie die Möglichkeit einschränkt, ein SEP durchzusetzen, das nicht innerhalb einer bestimmten Frist eingetragen wurde, und die Verpflichtung einführt, eine FRAND-Bestimmung durchzuführen, bevor einzelne SEP durchgesetzt werden. Die Beschränkung der Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums ist nach der EU-Charta zulässig, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Nach ständiger Rechtsprechung können die Grundrechte eingeschränkt werden, sofern diese Einschränkungen den von der Union verfolgten Zielen des Allgemeininteresses entsprechen und im Hinblick auf das verfolgte Ziel keinen unverhältnismäßigen und unerträglichen Eingriff darstellen, der den Wesensgehalt der garantierten Rechte verletzt(12). In dieser Hinsicht liegt diese Verordnung im öffentlichen Interesse, da sie eine einheitliche, offene und vorhersehbare Information und ein vorhersehbares Ergebnis in Bezug auf SEP zum Nutzen von SEP-Inhabern, Anwendern und Endnutzern auf Unionsebene bietet. Sie zielt auf die Verbreitung von Technologien zum gegenseitigen Vorteil der SEP-Inhaber und Anwender ab. Darüber hinaus sind die Regeln für die FRAND-Bestimmung zeitlich begrenzt und zielen darauf ab, den Prozess zu verbessern und zu straffen, sind aber letztlich nicht verbindlich(13). [Abänd. 44]

(43)  Die FRAND-Bestimmung steht auch im Einklang mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf Zugang zu den Gerichten gemäß Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, da der Anwender und der SEP-Inhaber dieses Recht uneingeschränkt behalten. Bei nicht fristgerechter Eintragung ist der Ausschluss des Rechts auf wirksame Vollstreckung begrenzt und notwendig und entspricht Zielen von allgemeinem Interesse. Wie der EuGH bestätigt hat(14),ist die obligatorische Streitbeilegung als Voraussetzung für den Zugang zu den zuständigen Gerichten der Mitgliedstaaten mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes vereinbar. Die FRAND-Bestimmung folgt den in den EuGH-Urteilen dargelegten Bedingungen für die obligatorische Streitbeilegung, wobei die besonderen Merkmale der SEP-Lizenzierung berücksichtigt werden. Das FRAND-Bestimmungsverfahren erlaubt auch die Hinterlegung einer Kaution durch den mutmaßlichen Patentverletzer im Wege einer einstweiligen Verfügung finanzieller Art, die beantragt werden kann, um zu verhindern, dass die Geschäftstätigkeit des mutmaßlichen Verletzers ernsthaft eingeschränkt wird, und um sicherzustellen, dass die andere Partei im Falle einer Schadensersatzklage den entsprechenden Betrag erhält. Außerdem beeinträchtigt die FRAND-Bestimmung in keiner Weise die Möglichkeit des SEP-Inhabers, in einem späteren Gerichtsverfahren eine Entschädigung für eine Verletzung zu erhalten, die sich während der FRAND-Bestimmung ereignet hat. [Abänd. 45]

(44)  Bei der Ermittlung der Gesamtlizenzgebühren und den FRAND-Bestimmungen sollten die Schlichter insbesondere den Besitzstand der Union und die Urteile des Gerichtshofs zu SEP sowie die im Rahmen dieser Verordnung herausgegebenen Leitlinien, die horizontalen Leitlinien(15) und die Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2017 über den Umgang der EU mit standardessenziellen Patenten(16) berücksichtigen. Außerdem sollten die Schlichtersollte das Schlichtergremium alle Sachverständigengutachten zur Gesamtlizenzgebühr berücksichtigen oder, falls diese nicht vorliegen, die Parteien um Informationen bitten, bevor sie ihre endgültigen Vorschläge unterbreiten. [Abänd. 46]

(45)   Die SEP-Lizenzierung ist in den Wertschöpfungsketten, die bisher noch nicht mit SEP in Berührung gekommen sind, möglicherweise umstritten. Daher ist es wichtig, dass das Kompetenzzentrum mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für die SEP-Lizenzierung in der Wertschöpfungskette sensibilisiert. Weitere Faktoren sind die Fähigkeit der vorgelagerten Hersteller, die Kosten für eine SEP-Lizenz an die nachgelagerten Unternehmen weiterzugeben, sowie mögliche Auswirkungen bestehender Entschädigungsklauseln innerhalb einer Wertschöpfungskette. [Abänd. 47]

(45a)   Um mögliche negative Auswirkungen auf Unternehmen zu vermeiden, die in der Union niedergelassen sind und sich erfolgreich an der Entwicklung globaler Technologien durch Standardisierung beteiligen und mit ihnen konkurrieren, sollte die Kommission die Auswirkungen des Systems zur Essenzialitätsprüfung, des Systems zur Festsetzung der Gesamtlizenzgebühren und des Systems zur Festsetzung der FRAND-Lizenzgebühren auf die Wettbewerbsfähigkeit der Inhaber von SEP in der Union auf globaler Ebene bewerten. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Bewertung sollte die Kommission erforderlichenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur Anpassung der Systeme vorlegen. Die Rolle von Patentpools, einschließlich der von SEP-Anwendern gegründeten, sollte von der Kommission bewertet werden, um ihre Auswirkungen nach Inkrafttreten dieser Verordnung zu beurteilen, insbesondere im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt. [Abänd. 48]

(46)  KMU können an der SEP-Lizenzierung sowohl als SEP-Inhaber als auch als AnwenderSEP-Anwender beteiligt sein. Zwar gibt es derzeit nur wenige KMU als SEP-Inhaber, doch dürftensollten die mit dieser Verordnung erzielten Effizienzgewinne auch die Lizenzierung ihrer SEP erleichtern. Es sind zusätzliche Bedingungen erforderlich, um die Kostenbelastung dieser KMU zu verringern, z. B. ein reduzierter Verwaltungsaufwand und reduzierte Verwaltungsgebühren und möglicherweise reduzierte Gebühren für Essenzialitätsprüfungen und Schlichtung sowie kostenlose Unterstützung und Schulungen, damit sie sich besser mit SEP-bezogenen Angelegenheiten und auch der Entwicklung von Standards befassen können. Die SEP von Kleinst- und Kleinunternehmen sowie Start-ups sollten nicht Gegenstand von Stichproben für die Essenzialitätsprüfung sein, doch sollten diese Unternehmen die Möglichkeit haben, bei Bedarf SEP für die Essenzialitätsprüfung vorzuschlagen. KMU und Start-ups als Anwender sollten ebenfalls von ermäßigten Zugangsgebühren und kostenloser Unterstützung und Schulung profitieren. Schließlich sollten die SEP-Inhaber ermutigt werden, Anreize für die Lizenzvergabe an KMU zu schaffen, indem sie bei geringen Mengen Rabatte gewähren oder von den FRAND-Lizenzgebühren befreien. In diesem Zusammenhang muss sichergestellt werden, dass KMU und Start-ups von einer vom Kompetenzzentrum eingerichteten zentralen Anlaufstelle profitieren, die für die KMU relevante Lizenznehmer und Lizenzgeber ermittelt und sie kostenlos zu SEP berät. Zu diesem Zweck sollte das Kompetenzzentrum eine Anlaufstelle für die Unterstützung von KMU und Start-ups bei der Lizenzierung von SEP (SEP Licensing Assistance Hub) einrichten, die unter bestimmten Bedingungen auch Unterstützung bei der Rechtsberatung bieten könnte, z. B. durch kostenlose Rechtsvertretung bei Gerichtsverfahren. [Abänd. 49]

(46a)   Den KMU sollten zwar Vorteile gewährt werden, doch sollten diese nicht missbraucht werden können. In dieser Hinsicht sollten Patenthaie deren Geschäftsmodell sich durch den Erwerb und die Durchsetzung von Patenten auszeichnet, um Einnahmen durch Lizenzgebühren, Nutzungsentgelt und Schadensersatz zu erzielen, nicht von den in dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen und der Unterstützung durch das Kompetenzzentrum profitieren. [Abänd. 50]

(46b)   Die Unterstützungsmechanismen, wie z. B. Gutscheine für KMU im Hinblick auf deren geistiges Eigentum („IP-Voucher“), haben sich als wirksamer Schutz für das geistige Eigentum von KMU erwiesen. Die Geltungsdauer dieser Mechanismen sollte über das Jahr 2024 hinaus verlängert werden. [Abänd. 51]

(47)  Zur Ergänzung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften dieser Verordnung sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte in Bezug auf die in das Register aufzunehmenden Elemente oder in Bezug auf die Bestimmung der einschlägigen bestehenden Standards oder in Bezug auf die Ermittlung von AnwendungsfällenImplementierungen von Standards oder Teilen davon zu erlassen, für die die Kommission feststellt, dass eine Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen keine erheblichen Schwierigkeiten oder Ineffizienzen mit sich bringt. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission bei ihren vorbereitenden Arbeiten angemessene Konsultationen, auch auf Sachverständigenebene, durchführt und dass diese Konsultationen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung(17) festgelegten Grundsätzen erfolgen. Um insbesondere eine gleichberechtigte Beteiligung an der Ausarbeitung delegierter Rechtsakte zu gewährleisten, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Ausarbeitung delegierter Rechtsakte befasst sind. [Abänd. 52]

(48)  Um einheitliche Bedingungen für die Durchführung der einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden, damit sie die detaillierten Anforderungen für die Auswahl von Gutachtern und Schlichtern sowie die Verfahrensordnung und den Verhaltenskodex für Gutachter und Schlichter festlegen kann. Gutachter und Schlichter sollten einen guten Ruf genießen und über ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen. Die Kommission sollte auch die technischen Vorschriften für die Auswahl einer Stichprobe von SEP für Essenzialitätsprüfungen und die Methodik für die Durchführung solcher Essenzialitätsprüfungen durch Gutachter und Fachkollegen-Gutachter beschließen. Des Weiteren sollte die Kommission etwaige Verwaltungsgebühren für ihre Dienste im Zusammenhang mit den Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung sowie Gebühren für die Dienste von Gutachtern, Sachverständigen und Schlichtern, Ausnahmen davon und Zahlungsmodalitäten festlegen und diese gegebenenfalls anpassen. Die Kommission sollte zudem ermitteln, für welche Standards oder Teile davon, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung veröffentlicht wurden, SEP eingetragen werden können. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(18) ausgeübt werden. [Abänd. 53]

(49)  Die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates(19) sollte geändert werden, um das EUIPO zu ermächtigen, die Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung zu übernehmen. Die Aufgaben des Exekutivdirektors sollten auch auf die ihm im Rahmen dieser Verordnung übertragenen Befugnisse ausgedehnt werden. Darüber hinaus sollte das Schieds- und Schlichtungszentrum des EUIPO die Befugnis erhalten, Verfahren wie die Ermittlung der Gesamtlizenzgebühr und die FRAND-Bestimmung einzuführen.

(50)  Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates(20) konsultiert.

(51)  Die Anwendung dieser Verordnung sollte aufgeschoben werden, damit das EUIPO, die Kommission und die Beteiligten Zeit haben, sich auf die Umsetzung und Anwendung der Verordnung vorzubereiten.

(52)  Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Erhöhung der Transparenz bei der Erteilung von SEP-Lizenzen und die Schaffung eines wirksamen Mechanismus zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über FRAND-Bedingungen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil sich die Kosten vervielfachen, sondern vielmehr wegen der Effizienz und des Umfangs auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Titel I

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

1.  Diese Verordnung legt die folgenden Regeln für Patente fest, die für einen Standard essenziell sind (standardessenzielle Patente, „SEP“):

(a)  Regeln für mehr Transparenz in Bezug auf die für die SEP-Lizenzierung erforderlichen Informationen;

(b)  Regeln für die Eintragung von SEP;

(c)  ein Verfahren zur Begutachtung der Essenzialität von eingetragenen SEP;

(d)  ein Verfahren zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen („FRAND-Bestimmung“);

(e)  die Zuständigkeiten des EUIPO für die Erfüllung der in dieser Verordnung festgelegten Aufgaben.

2.  Diese Verordnung gilt für Patente, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind und von einem SEP-Inhaber für einen von einer Standardisierungsorganisation veröffentlichten Standard als essenziell sind, für denerklärt wird, und zwar nach Inkrafttreten dieser Verordnung unabhängig davon, ob sich der SEP-Inhaber verpflichtet oder nicht verpflichtet hat, seine SEP zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory – FRAND) zu lizenzieren, und der nicht unter eine Richtlinie über lizenzgebührenfreies geistiges Eigentum fällt,.

(a)   nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung, mit den in Absatz 3 vorgesehenen Ausnahmen;

(b)   vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung gemäß Artikel 66. [Abänd. 54]

3.  Die Artikel 17 und 18 sowie Artikel 34 Absatz 1 gelten nicht für SEP, soweit diese für von der Kommission gemäß Absatz 4, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die Verhandlungen über die Erteilung von SEP-Lizenzen zu FRAND-Bedingungen nicht zu erheblichen Schwierigkeiten oder Ineffizienzen führen, die das Funktionieren des Binnenmarktes in Bezug auf festgelegte Anwendungsfälle umgesetztImplementierungen bestimmter Standards oder Teilen davon beeinträchtigen. Diese Implementierungen, Standards und Teile davon werden nach dem in Artikel 65b beschriebenen Verfahren bestimmt. [Abänd. 55]

4.  Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Verhandlungen über SEP-Lizenzen zu FRAND-Bedingungen für bestimmte Anwendungsfälle bestimmter Standards oder Teile davon keineUnbeschadet des Absatzes 2 dieses Artikels gilt diese Verordnung auch für Patente, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind und von denen ein SEP-Inhaber behauptet, dass sie für einen Standard, der von einer Standardisierungsorganisation vor Inkrafttreten dieser Verordnung veröffentlicht wurde, als essenziell erklärt werden, wenn das Funktionieren des Binnenmarkts aufgrund von erheblichen Schwierigkeiten oder Ineffizienzen mit sich bringen, die das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen, so erstellt die Kommission nach einem angemessenen Konsultationsverfahren mittels eines delegierten Rechtsaktsbei der Lizenzierung von SEP für bestimmte Implementierungen, Standards und Teile davon erheblich verzerrt wird. Solche Implementierungen, Standards und Teile davon werden nach dem Verfahren gemäß Artikel 67 eine Liste dieser Anwendungsfälle, Standards oder Teile davon für die Zwecke des Absatzes 365c ermittelt. [Abänd. 56]

5.  Diese Verordnung gilt nicht für Inhaber von SEP, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gelten SEP, die Gegenstand einer Lizenzgebührenbefreiungspolitik für geistiges Eigentum sind, es sei denn, solche SEP sind Teil eines Portfolios von Patenten, für die Lizenzen gegen Lizenzgebühren vergeben werden. [Abänd. 57]

6.  Diese Verordnung gilt nicht für Anträge auf Nichtigerklärung oder für Ansprüche wegen Verletzung, die nicht mit der Durchführung eines gemäß dieser Verordnung notifizierten Standards zusammenhängen.

7.  Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV oder die Anwendung der entsprechenden nationalen Wettbewerbsvorschriften.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

(1)  „standardessenzielles Patent“ oder „SEP“ jedes Patent, das von einem SEP-Inhaber für einen Standard als essenziell isterklärt wird; [Abänd. 58]

(2)  „essenziell für einen Standard“ den Umstand, dass das Patent mindestens einen Anspruch enthält, für den es aus technischen Gründen nicht möglich ist, eine Implementierung oder ein Verfahren herzustellen oder zu verwenden, die bzw. das mit einem Standard, einschließlich der darin enthaltenen Optionen, übereinstimmt, ohne das Patent nach dem derzeitigen Stand der Technik und der üblichen technischen Praxis zu verletzen;

(3)  „Standard“ eine technische Spezifikation, die von einer Standardisierungsorganisation zur wiederholten oder ständigen Anwendung angenommen wurde und deren Einhaltung nicht zwingend vorgeschrieben ist; [Abänd. 59]

(4)  „technische Spezifikation“ ein Dokument, das die technischen Anforderungen an ein Produkt, ein Verfahren, eine Dienstleistung oder ein System im Sinne von Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(21) festlegt;

(5)  „Standardisierungsorganisation“ ein Standardisierungsgremium – kein privater Industrieverband, der proprietäre technische Spezifikationen entwickelt –, das technische oder qualitative Anforderungen oder Empfehlungen für Produkte, Produktionsprozesse, Dienstleistungen oder Methoden ausarbeitet;

5a.   „Implementierung“ ein spezifisches Szenario, in dem eine bestimmte standardisierte Technologie oder Methode angewendet wird, um einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Funktion eines Produkts, eines Prozesses, einer Dienstleistung oder eines Systems zu erfüllen, unabhängig von der Stufe in der Wertschöpfungskette; [Abänd. 60]

(6)  „SEP-Inhaber“ einen Inhaber eines SEP oder eine Person, die eine ausschließliche Lizenz für ein SEP in einem oder mehreren Mitgliedstaaten besitzt; [Abänd. 61 - betrifft nicht die deutsche Fassung]

(7)  „Anwender“ eine natürliche oder juristische Person, die einen Standard in einem Produkt, einem Verfahren, einer Dienstleistung oder einem System auf dem Unionsmarkt umsetzt oder umzusetzen beabsichtigt; [Abänd. 62]

(8)  „FRAND-Bedingungen“ faire, angemessene und nicht diskriminierende Bedingungen für die Lizenzierung von SEP;

(9)  „FRAND-Bestimmung“ ein strukturiertes Verfahren zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen einer SEP-Lizenz;

(10)  „Gesamtlizenzgebühr“ den Höchstbetrag der Lizenzgebühr für alleGesamtbetrag, der für die Lizenzierung aller Patente, die für einen Standard essenziell sind, entrichtet werden muss; [Abänd. 63]

10a.   „unentgeltlich“ die Zurverfügungstellung ohne Zahlung einer Gebühr oder ohne Vereinbarung einer anderen monetären bzw. nichtmonetären Gegenleistung; [Abänd. 64]

(11)  „Patentpool“ eine Einrichtung, die durch eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren SEP-Inhabern oder eines Konsortiums aus mehreren SEP-Inhabern über die gegenseitige Lizenzierung oder die Lizenzierung eines oder mehrerer ihrer PatenteSEP an Dritte geschaffen wurde; [Abänd. 65]

(12)  „Begutachtung durch Fachkollegen“ ein Verfahren zur erneuten Prüfung der vorläufigen Ergebnisse von Essenzialitätsprüfungen durch andere Gutachter als diejenigen, die die ursprüngliche Essenzialitätsprüfung durchgeführt haben;

(13)  „Anspruchsdiagramm“ eine Darstellung derein Dokument, dass die Übereinstimmung zwischen den Elementen (Merkmalen) eines Patentanspruchs und mindestens einer Anforderung eines Standards oder einer Empfehlung eines Standards feststellt; [Abänd. 66]

(14)  „Anforderung eines Standards“ einen Ausdruck im Inhalt eines Dokuments, der objektiv überprüfbare Kriterien enthält, die erfüllt werden müssen und von denen nicht abgewichen werden darf, wenn Konformität mit dem Dokument zu beanspruchen ist;

(15)  „Empfehlung eines Standards“ einen Ausdruck im Inhalt eines Dokuments, der eine als besonders geeignet erachtete mögliche Wahl oder Handlungsweise vorschlägt, ohne notwendigerweise andere zu erwähnen oder auszuschließen;

(16)  „Patentfamilie“ eine Sammlung von Patentdokumenten, die dieselbe Erfindung betreffen und deren Mitglieder die gleichen PrioritätenPatentanmeldungen, die mindestens eine Priorität gemeinsam haben, einschließlich der Prioritätsdokumente selbst; [Abänd. 67]

(17)  „Beteiligter“ jede Person, die ein berechtigtes Interesse an SEP nachweisen kann, einschließlich eines SEP-Inhabers, eines Anwenders, eines Vertreters eines SEP-Inhabers oder Anwenders oder einer Vereinigung, die die Interessen von SEP-Inhabern und Anwendern vertritt;

17a.   „Schlichter“ jede Person, die zur Vermittlung zwischen den Parteien bei der Bestimmung einer Gesamtlizenzgebühr gemäß Artikel 17, zur Mitwirkung in einem Gremium, das eine unverbindliche Stellungnahme zu einer Gesamtlizenzgebühr gemäß Artikel 18 abgibt, und zur Mitwirkung an der FRAND-Bestimmung gemäß Titel VI bestellt wurde, die unabhängig und unparteiisch ist und sich in keinem direkten oder indirekten Interessenkonflikt befindet; [Abänd. 68]

17b.   „Gutachter“ jede Person, die mit der Durchführung von Essenzialitätsprüfungen gemäß Titel V beauftragt wurde, die unabhängig und unparteiisch ist und sich in keinem direkten oder indirekten Interessenkonflikt befindet; [Abänd. 69]

17c.   „Fachkollegen-Gutachter“ jede Person, die mit einer Begutachtung durch Fachkollegen beauftragt wurde, die unabhängig und unparteiisch ist und sich in keinem direkten oder indirekten Interessenkonflikt befindet; [Abänd. 70]

(18)  „Kompetenzzentrum“ die Verwaltungseinheiten des EUIPO, die die Aufgaben erfüllen, die dem EUIPO gemäß dieser Verordnung übertragen werden.

18a.   „Patentdurchsetzungsstelle“ eine Stelle, die ihre Einnahmen in erster Linie aus der Durchsetzung oder Lizenzierung von Patenten erzielt, einschließlich etwaiger Schadensersatzzahlungen oder Geldentschädigungen aus der Durchsetzung solcher Patente, und die sich nicht mit der Produktion, der Herstellung, dem Verkauf oder dem Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen, die die patentierten Erfindungen nutzen, oder mit der Forschung und Entwicklung solcher Erfindungen befasst, bei der es sich nicht um eine Bildungs- oder Forschungseinrichtung oder eine Technologietransfer-Organisation handelt, die die Kommerzialisierung der von ihnen hervorgebrachten technologischen Innovationen erleichtert, und bei der es sich nicht um einen einzelnen Erfinder handelt, der Patente geltend macht, die ursprünglich diesem Erfinder erteilt wurden, oder Patente, die sich auf Technologien beziehen, die ursprünglich von diesem Erfinder entwickelt wurden. [Abänd. 71]

Titel II

Kompetenzzentrum

Artikel 3

Aufgaben des Kompetenzzentrums

1.  Die Aufgaben im Rahmen dieser Verordnung werden von einem beim EUIPO eingerichteten Kompetenzzentrum wahrgenommen, das über die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen verfügt.

2.  Das Kompetenzzentrum unterstützt die Transparenz und die FRAND-Bestimmung in Bezug auf SEP und nimmt die folgenden Aufgaben wahr:

(a)  Einrichtung und Pflege eines elektronischen Registers und einer elektronischen Datenbank für SEP gemäß den Artikeln 4 und 5; [Abänd. 72]

(b)  ErstellungEinrichtung und Verwaltung von Listen der Gutachter und Schlichter gemäß Artikel 27; [Abänd. 73]

(c)  Einrichtung und Verwaltung eines Systems zur Bewertung der Essenzialität von SEP gemäß den Artikeln 28 bis 33; [Abänd. 74]

(d)  Einrichtung und Verwaltung des Verfahrens für die FRAND-Bestimmung gemäß den Artikeln 34 bis 58; [Abänd. 75]

(e)  Durchführung von Schulungen für Gutachter und Schlichter;

(f)  Verwaltung eines Verfahrens zur Ermittlung der GesamtlizenzgebührenErleichterung von Vereinbarungen über und die Festlegung einer Gesamtlizenzgebühr gemäß den Artikeln 17 und 18; [Abänd. 76]

(g)  Verbesserung der Transparenz und des Informationsaustauschs durch:

i)  Veröffentlichung der Ergebnisse und begründeten Stellungnahmen der Essenzialitätsprüfungen und nicht vertraulicher BerichteStellungnahmen über die FRAND-Bestimmungen gemäß Artikel 33 Absatz 1 und Artikel 57 Absatz 3; [Abänd. 77]

ii)  Ermöglichung des Zugangs zur Rechtsprechung (einschließlich alternativer Streitbeilegung) zu SEP, auch aus Drittländern, gemäß Artikel 13 Absatz 3; [Abänd. 78]

iii)  Zusammenstellung nicht vertraulicher Informationen über FRAND-Bestimmungsmethoden und FRAND-Lizenzgebühren gemäß Artikel 13 Absätze 4 und 5; [Abänd. 79]

iv)  Ermöglichung des Zugangs zu SEP-bezogenen Vorschriften von Drittländern gemäß Artikel 12; [Abänd. 80]

(h)  Einrichtung und Betrieb eines Unterstützungszentrums für die SEP-Lizenzierung für KMU und Start-ups und Bereitstellung von Schulungen, Unterstützung und allgemeiner Beratung zu SEP für KMU und Start-ups gemäß Artikel 61; [Abänd. 81]

(i)  Durchführung von Studien und anderen notwendigen Aktivitäten zur Unterstützung der Ziele dieser Verordnung;

(j)  SensibilisierungEinrichtung einer speziellen Arbeitsgruppe für die SEP-Lizenzierung, einschließlichBedingungen der SEP-Lizenzierung in der Wertschöpfungskette und Sensibilisierung für die SEP-Lizenzierung. [Abänd. 82]

3.  Der Exekutivdirektor des EUIPO erlässt in Ausübung der ihm durch Artikel 157 der Verordnung (EU) 2017/1001 übertragenen Befugnisse die internen Verwaltungsvorschriften und veröffentlicht die Mitteilungen, die für die Erfüllung aller dem Kompetenzzentrum durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben erforderlich sind.

Titel III

Über das Kompetenzzentrum zur Verfügung gestellte Informationen zu SEP

Kapitel 1

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 4

Register der standardessenziellen Patente

1.  Es wirdDas Kompetenzzentrum richtet ein Unionsregister für SEP („das Register“) eingerichtetein, das in elektronischer Form geführt wird. [Abänd. 83]

2.   Das Register wird vom Kompetenzzentrum in elektronischer Form geführt. [Abänd. 84]

3.  Das Register enthält die folgenden Eintragungen:

(a)  Informationen über einschlägige Standards;

(b)  Identifizierung der eingetragenen SEP, einschließlich des Landes der Eintragung und der Patentnummer; [Abänd. 85 - betrifft nicht die deutsche Fassung]

(c)  die Standardversion, die technische Spezifikation und die spezifischen Abschnitte der technischen Spezifikation, für die das Patent als essenziell angesehen wird; [Abänd. 86]

(d)  Bezugnahme auf die Bedingungen der FRAND-Lizenzverpflichtung des SEP-Inhabers gegenüber der Standardisierungsorganisation;

(e)  Name, Anschrift und Kontaktangaben des SEP-Inhabers;

(f)  wenn der SEP-Inhaber ein Partnerunternehmen, eine Tochtergesellschaft oder Teil eines oder mehrerer UnternehmenTeil einer Unternehmensgruppe ist, Name, Anschrift und Kontaktangaben der Muttergesellschaft; [Abänd. 87]

(g)  Name, Anschrift und Kontaktangaben der gesetzlichen Vertreter des SEP-Inhabers in der Union, sofern zutreffend;

(h)  das Vorhandensein öffentlicheröffentlich verfügbarer Standardbedingungen, einschließlich der Lizenzgebühren-, Gebührenbefreiungs- und Rabattpolitik des SEP-Inhabers; [Abänd. 88]

(i)  das Vorhandensein öffentlicheröffentlich verfügbarer Standardbedingungen für die Vergabe von SEP-Lizenzen an KMU und Start-ups; [Abänd. 89]

(j)  Verfügbarkeit für die Lizenzvergabe durch Patentpools sowie der Name des jeweiligen Patentpools, wo anwendbar; [Abänd. 90]

(k)  Kontaktangaben für die Lizenzierung, einschließlich der lizenzgebenden Stelle;

(l)  das Datum der Eintragung des SEP in das Register und die Eintragungsnummer.

4.  Das Register enthält außerdem die folgenden Eintragungen, jeweils mit dem Datum der Eintragung:

(a)  Änderungen der Kontaktangaben für Eintragungen gemäß Absatz 3 Buchstaben e, f, g und k;

(b)  die Erteilung oder Übertragung einer Lizenz durch Patentpools, sofern dies gemäß Artikel 9 möglich ist;

(c)  Angaben darüber, ob eine Essenzialitätsprüfung oder eine Begutachtung durch Fachkollegen durchgeführt wurde, es sei denn, dies ist aufgrund vertraglicher Beschränkungen, auf die sich die Parteien geeinigt haben, nicht möglich, und Verweis auf das Ergebnis der Essenzialitätsprüfung; [Abänd. 91]

(d)  Informationen darüber, ob das SEP abgelaufen ist oder, durch ein rechtskräftiges Urteil eines zuständigen Gerichts eines Mitgliedstaats für ungültig erklärt oder als nicht durchsetzbar erachtet wurde; [Abänd. 92]

(e)  Angaben zu Verfahren und Entscheidungen in Bezug auf SEP gemäß Artikel 10;

(f)  das Datum der Veröffentlichung der Informationen gemäß Artikel 19 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 14 Absatz 7, Artikel 15 Absatz 4 und Artikel 18 Absatz 11; [Abänd. 93]

(g)  das Datum der Aussetzung der Eintragung des SEP gemäß Artikel 22;

(h)  Berichtigungen des SEP gemäß Artikel 23;

(i)  das Datum der Streichung des SEP aus dem Register gemäß Artikel 25 und die Gründe für die Streichung;

(j)  die Berichtigung oder Streichung der unter den Buchstaben b, e und f genannten Angaben aus dem Register.

(4a)   Vor der Registrierung ihrer Patente können SEP-Inhaber ihre SEP freiwillig dem Kompetenzzentrum zur Essenzialitätsprüfung vorlegen. [Abänd. 94]

5.  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 67 delegierte Rechtsakte zur Änderung der Absätze 3 und 4 zu erlassen, um andere als die in den Absätzen 3 und 4 genannten Angaben festzulegen, die für die Zwecke dieser Verordnung in das Register einzutragen sind.

6.  Das Kompetenzzentrum erhebt, organisiert, veröffentlicht und speichert die in den Absätzen 3 und 4 genannten Angaben, einschließlich aller personenbezogenen Daten, für die Zwecke dieser Verordnung.

7.  Das Kompetenzzentrum führt das Register so, dass es für die Öffentlichkeit leicht einsehbar ist. Die Daten gelten als von öffentlichem Interesse und können von jedem Dritten kostenlos eingesehen werden.

Artikel 5

Elektronische Datenbank

1.  Das Kompetenzzentrum erstellt und pflegtrichtet eine elektronische Datenbank für SEP ein und pflegt sie. [Abänd. 95]

2.  Die folgenden Informationen in der Datenbank sind für jeden Dritten zugänglich, der sich beim Kompetenzzentrum registriert hat:

(a)  bibliografische Patentdaten zu dem SEP oder beanspruchten SEP, einschließlich Prioritätsdatum, Familienmitglieder, Erteilungsdatum und Ablaufdatum;

(b)  öffentlicheöffentlich verfügbare Standardbedingungen, einschließlich der Lizenzgebühren-, Gebührenbefreiungs- und Rabattpolitik des SEP-Inhabers gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b, sofern vorhanden; [Abänd. 96]

(c)  öffentlicheÖffentlich verfügbare Standardbedingungen für die Erteilung von SEP-Lizenzen an KMU und Start-ups gemäß Artikel 62 Absatz 1, einschließlich des gebührenfreien Zugangs, sofern vorhanden; [Abänd. 97]

(d)  Informationen über bekannte Produkte, Verfahren, Dienstleistungen oder Systeme und Implementierungen und gegebenenfalls alle bekannten Marktdaten gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe ba; [Abänd. 98]

(e)  Informationen über die Essenzialität gemäß Artikel 8;

(f)  nicht vertrauliche Informationen über FRAND-Bestimmungen gemäß Artikel 11;

(g)  Informationen über die Gesamtlizenzgebühren gemäß den Artikeln 15, 16 und 17;

(h)  Sachverständigengutachten gemäß Artikel 18;

(i)  nicht vertrauliche Berichte der Schlichter gemäß Artikel 57;

(j)  SEP, die für eine Essenzialitätsprüfung gemäß Artikel 29 ausgewählt wurden, die mit Gründen versehenen Stellungnahmen oder die endgültigen mit Gründen versehenen Stellungnahmen gemäß Artikel 33;

(k)  das Datum und die Gründe für die Streichung des SEP aus der Datenbank gemäß Artikel 25;

(l)  Informationen über SEP-bezogene Vorschriften in Drittländern gemäß Artikel 12;

(m)  Rechtsprechung und Berichte gemäß Artikel 13 Absätze 3 und 5;

(n)  Sensibilisierungs- und Schulungsmaterial.

3.  Der Zugang zu den Informationen gemäß Absatz 2 Buchstaben f, h, i, j und k dieses Artikels steht allen Dritten zur Verfügung, die beim Kompetenzzentrum eingetragen sind, und kann von der Zahlung einer angemessenen Gebühr gemäß Artikel 63 abhängig gemacht werden. [Abänd. 99]

4.  Die Behörden, einschließlich der Gerichte, haben jedoch vorbehaltlich einer Eintragung beim Kompetenzzentrum uneingeschränkten und kostenlosen Zugang zu den Informationen in der in Absatz 2 genannten Datenbank. Auch akademische Einrichtungen können ausschließlich zum Zwecke der Durchführung akademischer Aufgaben kostenlosen Zugang zu den Informationen beantragen. [Abänd. 100]

Artikel 6

Gemeinsame Bestimmungen über das Register und die Datenbank

1.  Beantragt ein Beteiligter die vertrauliche Behandlung von Daten und Unterlagen der Datenbank, so muss er eine Begründung für diese Vertraulichkeit und gegebenenfalls eine nicht vertrauliche Fassung der vertraulich übermittelten Informationen in ausreichender Ausführlichkeit vorlegen, um ein angemessenes Verständnis des Inhalts der vertraulich übermittelten Informationen zu ermöglichen. Das Kompetenzzentrum kann diese nicht vertrauliche Fassung offenlegen. [Abänd. 101]

2.  Das Kompetenzzentrum führt die Akten aller Verfahren im Zusammenhang mit der Eintragung des SEP. Der Exekutivdirektor des EUIPO legt die Form fest, in der diese Akten aufbewahrt und zugänglich gemacht werden. Das Kompetenzzentrum bewahrt die Akten zehn Jahre lang nach der Streichung der Eintragung des SEP auf. Auf Antrag können personenbezogene Daten 18 Monate nach Ablauf des SEP oder der Streichung des SEP aus dem Register oder der Datenbank gelöscht werden.

3.  Das Kompetenzzentrum kann alle im Register oder in der Datenbank enthaltenen Informationen gemäß Artikel 23 berichtigen.

4.  Der SEP-Inhaber und sein gesetzlicher Vertreter in der Union werden über jede Änderung im Register oder in der Datenbank unterrichtet, wenn diese Änderung ein bestimmtes SEP betrifft.

5.  Auf Antrag stellt das Kompetenzzentrum Eintragungsbescheinigungen oder beglaubigte Kopien der Daten und Dokumente im Register oder in der Datenbank aus. DieFür Eintragungsbescheinigungen und beglaubigtenbeglaubigte Kopien können gebührenpflichtig seinkann eine Gebühr in angemessener Höhe erhoben werden. [Abänd. 102]

6.  Die Kommission legt die Bedingungen für den Zugang zur Datenbank, einschließlich der Gebühren für diesen Zugang oder für Eintragungsbescheinigungen und beglaubigte Kopien aus der Datenbank oder dem Register, im Wege eines Durchführungsrechtsakts fest. Der Durchführungsrechtsakt wird nach dem in Artikel 68 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 7

Ermittlung von Implementierungen eines Standards und damit verbundene SEP-Lizenzbedingungen

Der SEP-Inhaber muss dem Kompetenzzentrum die folgenden Informationen zur Verfügung stellen:

(a)  Informationen über die Produkte, Verfahren, Dienstleistungen oder Systeme, in die der Gegenstand des SEP aufgenommen werden kann oder auf die er angewendet werden soll, für alle bestehenden oder potenziellen Umsetzungen eines Standards und gegebenenfalls alle Marktdaten, soweit diese Informationen dem SEP-Inhaber bekannt sind; [Abänd. 103]

(b)  sofern verfügbar, seine Standardbedingungen für die SEP-Lizenzierung, einschließlich seiner Lizenzgebühren-, Gebührenbefreiungs- und Rabattpolitik, innerhalb von sieben Monaten nach der Eröffnung der Eintragung für den betreffenden Standard und der Umsetzung durch das Kompetenzzentrum. [Abänd. 104]

Artikel 8

Informationen zur Essenzialität [Abänd. 105 - betrifft nicht die deutsche Fassung]

Ein SEP-Inhaber muss dem Kompetenzzentrum die folgenden Informationen zur Verfügung stellen, damit diese in die Datenbank aufgenommen und im Register aufgeführt werden können:

(a)  eine endgültige Entscheidung eines zuständigen Gerichts eines Mitgliedstaats über die Essenzialität eines eingetragenen SEP innerhalb von sechszwei Monaten nach Veröffentlichung dieserRechtskraft der Entscheidung; [Abänd. 106]

(b)  jede andere Essenzialitätsprüfung vor dem [ABl.: bitte das Datum = 24 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung einfügen] durch einen unabhängigen Gutachter im Rahmen z. B. eines PoolsPatentpools unter Angabe der SEP-Eintragungsnummer, der Identität des Patentpools und seines Verwalters sowie des Gutachters. [Abänd. 107]

Artikel 9

Von Patentpools bereitzustellende Informationen

(1)  Die Patentpools müssen auf ihren Websites mindestens die folgenden korrekten und aktuellen Informationen veröffentlichen und das Kompetenzzentrum darüber informieren: [Abänd. 108]

(a)  Standards, die der kollektiven Lizenzierung unterliegen;

(b)  die Anteilseigner oder Eigentumsverhältnisse der Verwaltungseinheit;

(c)  Verfahren zur Begutachtung von SEP;

(d)  Verzeichnis der Gutachter mit Wohnsitz in der Union;

(e)  Liste der begutachteten SEP und Liste der SEP, die lizenziert werden;

(f)  illustrative Querverweise auf den Standard;

(g)  Liste der Produkte, Dienstleistungen und Verfahren, die über den Patentpool oder das Unternehmen lizenziert werden können; [Abänd. 109]

(h)  Lizenzgebühren, Gebührenbefreiungs- und Rabattpolitik pro Produktkategoriefür jede Implementierung, einschließlich Informationen über die Berechnung der Lizenzgebühren für jeden SEP-Inhaber im Pool und gegebenenfalls den Gesamtlizenzgebührensatz; [Abänd. 110]

(i)  Standardlizenzvertrag pro ProduktkategorieImplementierung; [Abänd. 111]

(j)  Liste der Lizenzgeber in jeder ProduktkategorieImplementierung; [Abänd. 112]

(k)  Liste der Lizenznehmer für jede ProduktkategorieImplementierung. [Abänd. 113]

(1a)  Das Kompetenzzentrum überprüft die von den Patentpools gemäß Absatz 1 vorgelegten Informationen systematisch und regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, auf der Grundlage einer von ihm zu diesem Zweck entwickelten Methodik, wobei es ein einheitliches, transparentes und gründliches Überprüfungsverfahren sicherstellt. Diese Methodik wird den Patentpools und anderen Beteiligten im Sinne der Transparenz zur Verfügung gestellt. [Abänd. 114]

(1b)  Das Kompetenzzentrum erstellt einen Bericht, in dem die Ergebnisse seiner Überprüfung, einschließlich der Einhaltung von Absatz 1 durch die Patentpools, etwaige festgestellte Unstimmigkeiten oder fehlende Informationen sowie die ergriffenen oder empfohlenen Abhilfemaßnahmen im Einzelnen aufgeführt sind. Dieser Bericht wird der Kommission innerhalb eines Monats nach Abschluss eines jeden Überprüfungszyklus vorgelegt. [Abänd. 115]

Artikel 10

Informationen über Entscheidungen zu SEP

1.  Die zuständigen Gerichte der Mitgliedstaaten unterrichten das Kompetenzzentrum innerhalb von sechszwei Monaten nach Erlass eines Urteils zuRechtskraft der Entscheidung betreffend SEP über: [Abänd. 116]

(a)  einstweilige Verfügungen;

(b)  VerletzungsverfahrenArt von Verstößen; [Abänd. 117]

(c)  Essenzialität und Gültigkeit;

(d)  Missbrauch einer beherrschenden Stellung;

(e)  Bestimmung der FRAND-Bedingungen.

2.  Jede Person kann das Kompetenzzentrum über ein gerichtliches Verfahren oder ein Verfahren zur alternativen Streitbeilegung in Bezug auf ein SEP informieren.

Artikel 11

Informationen über FRAND-Bestimmungen

1.  Personen, die an alternativen Streitbeilegungsverfahren in Bezug auf in einem Mitgliedstaat geltende SEP beteiligt sind, müssen dem Kompetenzzentrum innerhalb von sechsvier Monaten nach Abschluss des Verfahrens die betreffenden Standards und Implementierungen, die für die Bestimmung der FRAND-Bedingungen verwendete Methode sowie Informationen über die Namen der Parteien und die festgelegten spezifischen Lizenzgebühren offenlegen. [Abänd. 118]

2.  Das Kompetenzzentrum darf keine vertraulichen Informationen ohne die vorherige Zustimmung der betroffenen Partei offenlegen.

Artikel 12

Informationen über SEP-bezogene Vorschriften in Drittländern

1.  Das Kompetenzzentrum erhebt, überprüft ordnungsgemäß und veröffentlicht in der Datenbank Informationen über alle SEP-bezogenen Vorschriften in Drittländern in der Datenbank. Das Kompetenzzentrum kann auch Informationen über die Einhaltung dieser Verordnung in Drittländern sammeln und ihre Auswirkungen auf die Durchführenden überwachen. [Abänd. 119]

2.  Jede Person kann dem Kompetenzzentrum diese Informationen sowie Informationen über Aktualisierungen, Berichtigungen und öffentliche Konsultationen übermitteln. Das Kompetenzzentrum veröffentlicht diese Informationen in der Datenbank nach Überprüfung ihrer Richtigkeit. [Abänd. 120]

(2a)   Um die wirksame Durchführung dieser Verordnung zu erleichtern, kann das Kompetenzzentrum unter anderem mit Behörden von Drittländern und internationalen Organisationen, die mit SEP befasst sind, zusammenarbeiten und Informationen austauschen, insbesondere in Bezug auf Informationen über SEP-bezogene Vorschriften in Drittländern oder die Verhinderung paralleler Verfahren. [Abänd. 121]

Artikel 13

Verbesserung der Transparenz und des Informationsaustauschs

1.  Das Kompetenzzentrum speichert in der Datenbank alle von den Beteiligten bereitgestellten Daten sowie die begründeten Stellungnahmen und Berichte der Gutachter und Schlichter. [Abänd. 122]

2.  Die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung dieser Daten dient den folgenden Zwecken:

(a)  Verwaltung der Eintragungen von SEP, der Essenzialitätsprüfungen und der Schlichtungsverfahren gemäß dieser Verordnung;

(b)  Erleichterung des Zugangs zu den für die Durchführung dieser Verfahren erforderlichen Informationen;

(c)  Kommunikation mit den Verfahrensbeteiligten;

ca)   Bereitstellung von SEP, Standards und Implementierungen für interessierte Personen mit Hilfe von leicht zugänglichen Rechercheinstrumenten und angemessen verständlichen Suchergebnissen; [Abänd. 123]

(d)  Erstellung von Berichten und Statistiken, die es dem Kompetenzzentrum ermöglichen, seine Tätigkeit sowie die Funktionsweise der Eintragung von SEP und der Verfahren nach dieser Verordnung zu verbessern.

da)   Erleichterung der Bewertung von SEP-Lizenzierungspraktiken und deren Auswirkungen auf den Binnenmarkt, Innovationen und den Zugang zu standardisierter Technologie. [Abänd. 124]

3.  Das Kompetenzzentrum nimmt die Rechtsprechung der zuständigen Gerichte der Mitgliedstaaten, der Gerichte von Drittstaaten und der alternativen Streitbeilegungsstellen in die Datenbank auf.

4.  Das Kompetenzzentrum erfasst alle Informationen über FRAND-Bedingungen, einschließlich etwaiger Rabatte, die von SEP-Inhabern veröffentlicht, ihm gemäß Artikel 11 mitgeteilt und in die Berichte zur FRAND-Bestimmung aufgenommen wurden, und macht diese Informationen auf schriftlichen Antrag den Behörden in der Union, einschließlich der zuständigen Gerichte der Mitgliedstaaten, zugänglich. Vertraulichen Unterlagen ist eine nicht vertrauliche Fassung der vertraulich vorgelegten Informationen beizufügen, die so ausführlich ist, dass der Inhalt der vertraulich vorgelegten Informationen angemessen verstanden werden kann.

5.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht in der Datenbank einen Jahresbericht über die Methoden für FRAND-Bestimmungen auf der Grundlage von Informationen aus Gerichts- und Schiedsgerichtsentscheidungen sowie statistische Informationen über Lizenzen und lizenzierte Produkte aus den FRAND-Bestimmungen.

6.  Auf begründeten Antrag eines Beteiligten werden vertrauliche Informationen in ein nicht vertrauliches Format umgewandelt, bevor das Kompetenzzentrum diese Informationen veröffentlicht oder weiterleitet.

Kapitel 2

Mitteilung eines Standards und einer Gesamtlizenzgebühr

Artikel 14

Mitteilung eines Standards an das Kompetenzzentrum

1.  Inhaber einesvon in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geltenden Patents, dasPatenten, die als für einen Standard, für den FRAND-Verpflichtungen eingegangen oder nicht eingegangen wurden, essenziell isterklärt worden sind, müssen dem Kompetenzzentrum, wenn möglich über die Standardisierungsorganisation oder durch eine gemeinsame Mitteilung, die folgenden Informationen mitteilen: [Abänd. 125]

(a)  den kommerziellen Namen des Standards;

(b)  die Liste der relevanten technischen Spezifikationen, die den Standard definieren;

(c)  das Datum der Veröffentlichung der letzten technischen Spezifikation;

(d)  Implementierungen des Standards, die den anmeldenden SEP-Inhabern bekannt sind.

2.  Diese Mitteilung muss innerhalb von 30 Tagen nach der Veröffentlichung der letzten technischen Spezifikation erfolgen.

3.  Erfolgt keine Mitteilung gemäß Absatz 1, so muss jeder Inhaber eines in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geltenden SEP die in Absatz 1 genannten Informationen spätestens 90 Tage nach Veröffentlichung der letzten technischen Spezifikation dem Kompetenzzentrum einzeln mitteilen. [Abänd. 126 - betrifft nicht die deutsche Fassung]

4.  Erfolgt keine Mitteilung gemäß Absatz 1 oder Absatz 3, kann jeder Anwender dem Kompetenzzentrum die in Absatz 1 genannten Informationen mitteilen.

5.  Das Kompetenzzentrum unterrichtet auch die zuständige Standardisierungsorganisation von der VeröffentlichungMitteilung. Im Falle einer Mitteilung gemäß den Absätzen 3 und 4 benachrichtigt es nach Möglichkeit auch die ihr bekannten SEP-Inhaber einzeln oder ersucht die Standardisierungsorganisation um eine Bestätigung, dass sie die SEP-Inhaber ordnungsgemäß benachrichtigt hat. [Abänd. 127]

6.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht die Mitteilungen gemäß den Absätzen 1, 3, 4 und 4a und 4 auf der Website des EUIPO, damit die Beteiligten dazu Stellung nehmen können. Die Beteiligten können dem Kompetenzzentrum innerhalb von 30 Tagen nach Veröffentlichung der Liste ihre Stellungnahme übermitteln. [Abänd. 128]

7.  Nach Ablauf der in Absatz 6 genannten Frist prüft das Kompetenzzentrum alle eingegangenen Stellungnahmen einschließlich aller einschlägigen technischen Spezifikationen und Implementierungen und veröffentlicht die Informationen gemäß Absatz 1.

Artikel 15

Mitteilung einer Gesamtlizenzgebühr an das Kompetenzzentrum

1.  Die Inhaber von SEP, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind und für die FRAND-Verpflichtungen eingegangen oder nicht eingegangen wurden, können dem Kompetenzzentrum gemeinsam die Gesamtlizenzgebühr für diealle SEP, die einen Standard abdecken, mitteilen. [Abänd. 129]

2.  Die Mitteilung gemäß Absatz 1 muss folgende Angaben enthalten:

(a)  die kommerzielle Bezeichnung des Standards;

(b)  die Liste der technischen Spezifikationen, die den Standard definieren;

(c)  die Namen der SEP-Inhaber, die die in Absatz 1 genannte Mitteilung machen;

(d)  den geschätzten Anteil der in Absatz 1 genannten SEP-Inhaber an allen SEP-Inhabern;

(e)  den geschätzten Anteil der kollektiven SEP an allen SEP für den Standard;

(f)  die den unter Buchstabe c genannten SEP-Inhabern bekannten Implementierungen;

(g)  die globale Gesamtlizenzgebühr, es sei denn, die anmeldenden Parteien geben an, dass die Gesamtlizenzgebühr nicht global ist;

(h)  jeden Zeitraum, für den die in Absatz 1 genannte Gesamtlizenzgebühr gültig ist.

3.  Die in Absatz 1 genannte Mitteilung muss spätestens 120 Tage nach folgenden Zeitpunkten erfolgen:

(a)  nach der Veröffentlichung eines Standards durch die Standardisierungsorganisation für Implementierungen, die den in Absatz 2 Buchstabe c genannten SEP-Inhabern bekannt sind; oder

(b)  nachdem ihnen eine neue Implementierung des Standards bekannt wird.

4.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht die nach Absatz 2 übermittelten Informationen in der Datenbank.

Artikel 16

Änderung der Gesamtlizenzgebühr

1.  Im Falle einer Änderung der Gesamtlizenzgebühr müssen die SEP-Inhaber das Kompetenzzentrum über die geänderte Gesamtlizenzgebühr und die Gründe für die Änderung informieren.

2.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht in der Datenbank die ursprüngliche Gesamtlizenzgebühr, die geänderte Gesamtlizenzgebühr und die Gründe für die Änderung im Register.

Artikel 17

Verfahren zur Erleichterung von Vereinbarungen zwischen SEP-Inhabern über die Festsetzung von Gesamtlizenzgebühren [Abänd. 130]

1.  Inhaber von SEP, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gelten und mindestens 20 % aller SEP eines Standards repräsentieren, können das Kompetenzzentrum ersuchen, einen Schlichter aus der Liste der Schlichter zu ernennen, der bei den Gesprächen bezüglich einer gemeinsamen Einreichung einer Gesamtlizenzgebühr vermittelt.

2.  Ein solcher Antrag ist spätestens 90 Tage nach der Veröffentlichung des Standards bzw. bei Implementierungen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Standards noch nicht bekannt waren, spätestens 120 Tage nach dem ersten Verkauf der neuen Implementierung auf dem Unionsmarkt zu stellen.

3.  Der Antrag muss die folgenden Informationen enthalten:

(a)  die kommerzielle Bezeichnung des Standards;

(b)  das Datum der Veröffentlichung der letzten technischen Spezifikation oder das Datum des ersten Verkaufs der neuen Implementierung auf dem Unionsmarkt;

(c)  die den in Absatz 1 genannten SEP-Inhabern bekannten Implementierungen;

(d)  die Namen und Kontaktdaten der SEP-Inhaber, die den Antrag unterstützen;

(e)  den geschätzten Anteil der SEP, die sie einzeln und gemeinsam an allen potenziellen SEP innehaben, die für den Standard beansprucht werden. [Abänd. 131]

4.  Das Kompetenzzentrum benachrichtigt die in Absatz 3 Buchstabe d genanntenveröffentlicht den Antrag und bittet die SEP-Inhaber und fordert sie auf, ihr Interesse an einer Teilnahme an dem Verfahren zu bekunden und ihren geschätzten SEP-Anteil an allen SEP für den Standard anzugeben. [Abänd. 132]

5.  Das Kompetenzzentrum ernennt einen Schlichter aus der Liste der Schlichter und informiert alle SEP-Inhaber, die Interesse an der Teilnahme am Verfahren bekundet haben.

6.  SEP-Inhaber, die dem Schlichter vertrauliche Informationen übermitteln, müssen eine nicht vertrauliche Fassung der vertraulich übermittelten Informationen in ausreichender Ausführlichkeit vorlegen, um ein angemessenes Verständnis des Inhalts der vertraulich übermittelten Informationen zu ermöglichen.

7.  NehmenEinigen sich die SEP-Inhaber nicht innerhalb von sechs Monaten nach Bestellung des Schlichters eine gemeinsame Mitteilung vorbezüglich einer gemeinsamen Einreichung einer Gesamtlizenzgebühr, so stellt der Schlichter das Verfahren ein. [Abänd. 133]

8.  Einigen sich die BeitragendenSEP-Inhaber auf eine gemeinsame Mitteilung, so gilt das in Artikel 15 Absätze 1, 2 und 4 beschriebene Verfahren. [Abänd. 134]

Artikel 18

Unverbindliches Sachverständigengutachten zur Gesamtlizenzgebühr

1.  Ein SEP-Inhaber oder ein Anmelder kann das Kompetenzzentrum um ein unverbindliches Sachverständigengutachten zu einer globalen Gesamtlizenzgebühr ersuchen. Ein Anwender kann diesen Antrag auch dann stellen, wenn bereits eine Vereinbarung zwischen den SEP-Inhabern erzielt wurde, auch im Rahmen des Verfahrens gemäß den Artikeln 15 bis 17. [Abänd. 135]

2.  Der Antrag nach Absatz 1 ist spätestens 150 Tage nach einem der folgenden Zeitpunkte zu stellen:

(a)  der Veröffentlichung des entsprechenden Standards für bekannte Implementierungen oder

(b)  dem erstmaligen Verkauf neuer Implementierungen auf dem Unionsmarkt.

3.  Dieser Antrag muss Folgendes enthalten:

(a)  den kommerziellen Namen des Standards;

(b)  Liste der einschlägigen technischen Spezifikationen, die den Standard definieren;

(c)  Liste der relevanten Produkte, Verfahren, Dienstleistungen, Systeme oder Implementierungen;

(d)  Liste der bekannten Beteiligten und Kontaktangaben.

4.  Das Kompetenzzentrum unterrichtet die zuständige Standardisierungsorganisation und alle bekannteneinschlägigen Beteiligten über den Antrag. Es veröffentlicht den Antrag auf der Website des EUIPO und fordert die Beteiligten auf, innerhalb von 30 Tagen nach dem Tag der Veröffentlichung des Antrags ihr Interesse an einer Teilnahme an dem Verfahren zu bekunden. [Abänd. 136]

5.  Jeder Beteiligte kann die Teilnahme an dem Verfahren beantragen, nachdem er die Gründe für sein Interesse dargelegt hat. SEP-Inhaber müssen ihren geschätzten Anteil dieser SEP an allen SEP für einen Standard angeben. Anwender und andere Beteiligte müssen Informationen über alle relevanten bestehenden oder potenziellen Implementierungen des Standards vorlegen, einschließlich aller relevanten Marktanteile in der Union. [Abänd. 137]

6.  Wenn die Anträge auf Beteiligung von SEP-Inhabern gestellt werden, die zusammen mindestens 20 % aller SEP für den Standard repräsentieren, undoder von Anwendern, die zusammen mindestens 10 % des relevanten Marktanteils in der Union halten, oder von mindestens zehn KMU oder Start-ups, ernennt das Kompetenzzentrum ein Gremium von drei Schlichtern, die aus der Liste der Schlichter mit demden entsprechenden HintergrundErfahrungen in dem relevanten Technologiebereich ausgewählt werden. [Abänd. 138]

7.  Beteiligte, die dem Gremium vertrauliche Informationen übermitteln, müssen eine nicht vertrauliche Fassung der vertraulich übermittelten Informationen in ausreichender Ausführlichkeit vorlegen, um ein angemessenes Verständnis des Inhalts der vertraulich übermittelten Informationen zu ermöglichen.

8.  Innerhalb eines Monats nach der Bestellung fordert das Gremium die teilnehmenden SEP-Inhaber auf, innerhalb eines Monats [Abänd. 139]

(a)  eine Gesamtlizenzgebühr vorzuschlagen, einschließlich der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Informationen, oder

(b)  eine Begründung dafür vorzulegen, dass es aus technischen, wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht möglich ist, eine Gesamtlizenzgebühr vorzuschlagen.; und [Abänd. 140]

ba)   Nachweise oder Bemerkungen vorlegen, die dem Gremium bei der Entscheidung über die Gesamtlizenzgebühr helfen. [Abänd. 141]

(8a)   Das Gremium gestattet den Teilnehmern, Antworten auf die in Absatz 8 vorgesehenen Stellungnahmen sowie Reaktionen auf diese Antworten zu übermitteln. [Abänd. 142]

9.  Das Gremium prüft das Vorbringendie gemäß Absatz 8den Absätzen 8 und 8a vorgebrachten Stellungnahmen und Antworten gebührend und entscheidet, [Abänd. 143]

(a)  das Verfahren für das Sachverständigengutachten über die Gesamtlizenzgebühreine Aussetzung des Verfahrens für einen Zeitraum von zunächst höchstens sechs Monaten auszusetzenzu gewähren, der auf der Grundlage eines ordnungsgemäß begründeten Antrags eines der beteiligten SEP-Inhaber um weitere drei Monate verlängert werden kann, oder [Abänd. 144]

(b)  das Sachverständigengutachten zu erstellen.

10.  Das Gremium legt das Sachverständigengutachten innerhalb von acht Monaten nach Ablauf des Aussetzungszeitraums gemäß Absatz 89 Buchstabe a oder nach der Entscheidung gemäß Absatz 89 Buchstabe b vor. Das Gutachten muss von mindestens zwei der drei Schlichter unterstützt werden. [Abänd. 145]

11.  Das Sachverständigengutachten muss eine Zusammenfassung der im Antrag enthaltenen Angaben, die in Artikel 15 Absatz 2 genannten Informationen, die Namen der Schlichter, das Verfahren, den empfohlenen Gesamtlizenzgebührensatz, die Gründe für das Gutachten über die Gesamtlizenzgebühr und die zugrunde liegende Methodik enthalten. Die Gründe für Etwaige abweichende Auffassungen und die Gründe dafür sind in einem Anhang zum Sachverständigengutachten anzugeben. [Abänd. 146]

12.  Das Sachverständigengutachten muss eine Analyse der betreffenden Wertschöpfungskette und der potenziellen Auswirkungen der Gesamtlizenzgebühr auf die Innovationsanreize sowohl der SEP-Inhaber als auch der Beteiligten in der Wertschöpfungskette, in der die Lizenzierung erfolgen soll, enthalten.

13.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht das Sachverständigengutachten und unterrichtet die Teilnehmer über diese Veröffentlichung.

Kapitel 3

Eintragung von SEP

Artikel 19

Verwaltung des Registers der standardessenziellen Patente

1.  Das Kompetenzzentrum nimmt innerhalb von 60 Tagen nach dem frühesten der folgenden Ereignisse einen Eintrag in das Register für einen Standard oder Teile davon vor, für den FRAND-Verpflichtungen eingegangen worden sind: [Abänd. 147]

(a)  Veröffentlichung des Standards und der zugehörigen Informationen durch das Kompetenzzentrum gemäß Artikel 14 Absatz 7;

(b)  Veröffentlichung einer Gesamtlizenzgebühr und damit zusammenhängender Informationen durch das Kompetenzzentrum gemäß Artikel 15 Absatz 4 und Artikel 18 Absatz 11.

2.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht auf der Website des EUIPO eine Mitteilung, in der die Beteiligten über die Eintragung in das Register informiert werden, und verweist auf die in Absatz 1 genannten Veröffentlichungen. Das Kompetenzzentrum benachrichtigt die bekannten SEP-Inhaber einzeln auf elektronischem Wege und die betreffende Standardisierungsorganisation über die Mitteilung gemäß diesem Absatz.

Artikel 20

Eintragung von standardessenziellen Patenten

1.  Auf Antrag eines SEP-Inhabers trägt das Kompetenzzentrum jedes in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geltende und in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallende Patent ein, das für einen Standard essenziell ist, für den das Kompetenzzentrum eine Mitteilung gemäß Artikel 19 Absatz 2 veröffentlicht hat.

2.  Damit ein SEP in das Register aufgenommen werden kann, muss mindestens ein Patentanspruch mit mindestens einer Anforderung oder Empfehlung des Standards übereinstimmen, die durch den Namen des Standards, die Version (und/oder Veröffentlichung) und den Unterabschnitt gekennzeichnet ist.

3.  Der Antrag auf Eintragung ist innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung der Mitteilung gemäß Artikel 19 Absatz 2 zu stellen. Wird das SEP erst nach der Veröffentlichung der Mitteilung gemäß Artikel 19 Absatz 2 von einem nationalen oder europäischen Patentamt erteilt, muss der Antrag auf Eintragung innerhalb von sechs Monaten nach der Erteilung des SEP durch das betreffende Patentamt gestellt werden.

4.  Der Antrag muss die in Artikel 4 Absatz 3 und Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben a, b, d und e genannten Informationen enthalten.

5.  Ein SEP-Inhaber muss die Informationen im Register, mit Ausnahme der Angaben gemäß Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c, und in der Datenbank aktualisieren, um relevante Änderungen in Bezug auf sein eingetragenes SEP widerzuspiegeln, indem er das Kompetenzzentrum innerhalb von sechs Monaten nach Eintreten der Änderung benachrichtigt. [Abänd. 148]

6.  Der Antrag auf Eintragung wird erst dann angenommen, wenn der SEP-Inhaber die Eintragungsgebühr entrichtet hat. Die Kommission legt die Eintragungsgebühr in dem auf der Grundlage von Artikel 63 Absatz 5 erlassenen Durchführungsrechtsakt fest. Die Eintragungsgebühr umfasst im Falle mittlerer und großer Unternehmen die voraussichtlichen Kosten und Gebühren der Essenzialitätsprüfung für die gemäß Artikel 29 Absatz 1 ausgewählten SEP. [Abänd. 149]

Artikel 21

Datum der Eintragung

1.  Als Datum der Eintragung gilt das Datum, an dem das Kompetenzzentrum einen Eintragungsantrag gemäß Artikel 20 Absätze 2, 4 und 5 erhalten hat.

2.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht die eingetragenen SEP innerhalb von sieben Arbeitstagen ab dem Datum der Eintragung im Register.

Artikel 22

Prüfung der Voraussetzungen für die Eintragung

1.  Das EUIPO überprüft jährlich eine Stichprobe von SEP-Eintragungen wird jährlich auf, um ihre Vollständigkeit und Richtigkeit überprüftzu überprüfen. [Abänd. 150]

2.  Das EUIPO legt eine Methodik für die Auswahl einer Stichprobe von SEP-Eintragungen für Überprüfungen fest.

3.  Enthält die Eintragung nicht die Angaben gemäß den Artikeln 4 und 5 oder enthält sie unvollständige oder ungenaue Angaben, so fordert das Kompetenzzentrum den SEP-Inhaber auf, die vollständigen und genauen Angaben innerhalb der gesetzten Frist von mindestens zweidrei Monaten nachzureichen. [Abänd. 151]

4.  Versäumt es der SEP-Inhaber, korrekte und vollständige Angaben zu machen, wird dieso teilt das Kompetenzzentrum dem SEP-Inhaber mit, dass er keine korrekten und vollständigen Informationen übermittelt hat und dass nach einer Schonfrist von einem Monat, in der der SEP-Inhaber die erforderlichen Informationen noch vorlegen kann, seine Eintragung im Register so lange ausgesetzt wird, bis die Unvollständigkeit oder Ungenauigkeit behoben ist. [Abänd. 152]

5.  Ein SEP-Inhaber, für dessen SEP die Eintragung in das Register gemäß Absatz 4 ausgesetzt wurde und der der Ansicht ist, dass die Feststellung des Kompetenzzentrums unrichtig ist, kann bei den Beschwerdekammern des EUIPO eine Entscheidung in dieser Angelegenheit beantragen. Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach der Aussetzung zu stellen. Innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung weisen die Beschwerdekammern des EUIPO den Antrag entweder zurück oder fordern das Kompetenzzentrum auf, seine Feststellung zu korrigieren und die antragstellende Person zu informieren.

6.  Jede Vervollständigung oder Berichtigung von Angaben zu einem SEP gemäß diesem Artikel erfolgt kostenlos.

Artikel 23

Berichtigung eines Eintrags im Register oder einer Information in der Datenbank

1.  Ein SEP-Inhaber kann eine Berichtigung seiner SEP-Eintragung oder der in der Datenbank enthaltenen Informationen beantragen, indem er einen entsprechenden Antrag an das Kompetenzzentrum stellt, sofern in Absatz 2 nichts anderes bestimmt ist.

2.  Jeder Dritte kann das Kompetenzzentrum auffordern, eine SEP-Eintragung oder in der Datenbank enthaltene Informationen zu korrigieren. Der Antrag muss die folgenden Informationen enthalten:

(a)  den Namen und die Kontaktdaten der antragstellenden Person;

(b)  die Eintragungsnummer des eingetragenen SEP;

(c)  die Gründe für den Antrag;

(d)  Nachweise aus unabhängiger Quelle zur Unterstützung des Antrags.

3.  Das Kompetenzzentrum informiert den SEP-Inhaber über den gemäß Absatz 2 gestellten Antrag und fordert ihn auf, den Eintraggegebenenfalls zur Berichtigung des Eintrags im Register oder die für die Datenbank übermittelten Informationen innerhalb einer Frist von mindestens zweidrei Monaten gegebenenfalls zu berichtigenauf. [Abänd. 153]

4.  Das Kompetenzzentrum benachrichtigt den SEP-Inhaber und fordert ihn auf, den Eintraggegebenenfalls zur Berichtigung des Eintrags im Register oder dieder für die Datenbank übermittelten Informationen innerhalb einer Frist von mindestens zweidrei Monaten gegebenenfalls zu berichtigenauf, wenn das Kompetenzzentrum von einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats gemäß Artikel 10 Absatz 1 oder von einem Patentamt oder einem Dritten über Folgendes informiert wird: [Abänd. 154]

(a)  das Auslaufen eines eingetragenen SEP;

(b)  die Ungültigerklärung eines eingetragenen SEP durch eine zuständige Behörde oder

(c)  ein rechtskräftiges Urteil, dass das eingetragene SEP für den betreffenden Standard nicht essenziell ist.

5.  Korrigiert der SEP-Inhaber den Eintrag im Register oder die für die Datenbank übermittelten Informationen nicht innerhalb der vorgegebenen Frist, wirdso teilt das Kompetenzzentrum dem SEP-Inhaber mit, dass er keine korrekten und vollständigen Informationen übermittelt hat und dass nach einer Schonfrist von einem Monat, in der der SEP-Inhaber die erforderlichen Informationen noch vorlegen kann, die Eintragung im Register so lange ausgesetzt wird, bis die Unvollständigkeit oder UnrichtigkeitUngenauigkeit behoben ist. [Abänd. 155]

6.  Ein SEP-Inhaber, für dessen SEP die Eintragung in das Register gemäß Absatz 5 ausgesetzt wurde und der der Ansicht ist, dass die Feststellung des Kompetenzzentrums unrichtig ist, kann bei den Beschwerdekammern des EUIPO eine Entscheidung in dieser Angelegenheit beantragen. Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach der Aussetzung zu stellen. Innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung weisen die Beschwerdekammern des EUIPO den Antrag entweder zurück oder fordern das Kompetenzzentrum auf, seine Feststellung zu korrigieren und die antragstellende Person zu informieren.

7.  Die Bearbeitung von Berichtigungsanträgen gemäß diesem Artikel durch das Kompetenzzentrum wird von der Auswahl des SEP für die Essenzialitätsprüfung gemäß Artikel 29 bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses der Essenzialitätsprüfung im Register und in der Datenbank gemäß Artikel 33 Absatz 1 ausgesetzt.

8.  Das Kompetenzzentrum kannkorrigiert sprachliche Fehler oder Transkriptionsfehler sowie offensichtliche Versehen oder technische Fehler, die ihm zuzuschreiben sind, von sich aus im Register und in der Datenbank korrigieren. [Abänd. 156]

9.  Alle Berichtigungen gemäß diesem Artikel werden kostenlos vorgenommen.

Artikel 24

Auswirkungen einer fehlenden Eintragung oder einer Aussetzung der Eintragung von SEP

1.   Ein SEP, das nicht innerhalb der in Artikel 20 Absatz 3 genannten Frist eingetragen wird, kann in Bezug auf die Implementierung des Standards, für den eine Eintragung vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats erforderlich ist, ab der in Artikel 20 Absatz 3 genannten Frist bis zu seiner Eintragung im Register nicht durchgesetzt werden. [Abänd. 157]

2.  Ein SEP-Inhaber, der seine SEP nicht innerhalb der in Artikel 20 Absatz 3 genannten Frist eingetragen hat, hatkann ab der in Artikel 20 Absatz 3 genannten Frist bis zur Eintragung im Register keinen Anspruch auf Lizenzgebühren oder Schadensersatzkeine Ansprüche wegen Verletzung dieser SEP im Zusammenhang mit der Implementierung des Standards, für den die Eintragung erforderlich ist, geltend machen. [Abänd. 158]

3.  Die Absätze 1 und 2 lassenAbsatz 1 lässt Bestimmungen in Verträgen unberührt, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossen und angewandt wurden, die eine Lizenzgebühr für ein breites Spektrum gegenwärtiger oder künftiger Patente festlegen und in denen vorgesehen ist, dass die Ungültigkeit, die Unwesentlichkeit oder die Nichtdurchsetzbarkeit einer begrenzten Anzahl von Patenten die Gesamthöhe und die Durchsetzbarkeit der Lizenzgebühr oder anderer Vertragsbedingungen nicht berührtvorsehen, die als essenziell für einen Standard erklärt werden oder wurden. [Abänd. 159]

4.  Die Absätze 1 und 2 geltenAbsatz 1 dieses Artikels gilt auch, wenn die Eintragung eines SEP während des Aussetzungszeitraums gemäß Artikel 22 Absatz 4 oder Artikel 23 Absatz 5 ausgesetzt wird, es sei denn, die Beschwerdekammern fordern das Kompetenzzentrum auf, seine Feststellungen gemäß Artikel 22 Absatz 5 und Artikel 23 Absatz 6 zu korrigieren. [Abänd. 160]

5.  Das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats, das über eine Frage im Zusammenhang mit einem in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geltenden SEP zu entscheiden hat, prüft im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage, ob das SEP eingetragen ist.

Artikel 25

Streichung eines SEP aus dem Register und aus der Datenbank

1.  Ein SEP-Inhaber kann die Streichung seines eingetragenen SEP aus dem Register und der Datenbank beantragen, und zwar aus den folgenden Gründen:

(a)  Erlöschen des Patents;

(b)  Nichtigerklärung des Patents durch eine zuständige Behörde;

(c)  rechtskräftiges Urteil eines zuständigen Gerichts eines Mitgliedstaats, dass das eingetragene Patent für den betreffenden Standard nicht essenziell ist;

(d)  als Folge eines negativen Ergebnisses der Essenzialitätsprüfung gemäß Artikel 31 Absatz 5 und Artikel 33 Absatz 1.

2.  Ein solcher Antrag kann jederzeit gestellt werden, ausgenommen ab der Auswahl des SEP für die Essenzialitätsprüfung gemäß Artikel 29 bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses der Essenzialitätsprüfung im Register und in der Datenbank gemäß Artikel 33 Absatz 1.

3.  Das Kompetenzzentrum streicht das SEP aus dem Register und der Datenbank.

Titel IV

Gutachter und Schlichter

Artikel 26

Gutachter und Schlichter

1.  Ein Gutachter führt Essenzialitätsprüfungen durch.

2.  Ein Schlichter nimmt folgende Aufgaben wahr:

(a)  Vermittlung zwischen den Parteien bei der Bestimmung einer Gesamtlizenzgebühr;

(b)  Abgabe einer unverbindlichen Stellungnahme zu einer Gesamtlizenzgebühr;

(c)  Teilnahme an einer FRAND-Bestimmung.

3.  Die Gutachter und Schlichter müssen sich an einen Verhaltenskodex halten.

4.  Das Kompetenzzentrum ernennt [10] Gutachter aus dem Verzeichnis der Gutachter als Fachkollegen-Gutachter für einen Zeitraum von [drei] Jahren.

5.  Bis zum ... [ABl.: bitte Datum einfügen = 18 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] legt die Kommission im Wege eines Durchführungsrechtsakts, der nach dem in Artikel 68 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen wird, die praktischen und operativen Modalitäten für Folgendes fest: [Abänd. 161]

a)  die Anforderungen an die Gutachter oder Schlichter, einschließlich eines Verhaltenskodex, der zumindest die Kriterien aus Artikel 27 Absatz 2a dieser Verordnung enthält; [Abänd. 162]

b)  die Verfahren gemäß den Artikeln 17, 18, 31 und 32 sowie Titel VI.

Artikel 27

Das Auswahlverfahren

1.  Das Kompetenzzentrum führt ein Verfahren zur Auswahl der Kandidaten auf der Grundlage der Anforderungen durch, die in dem in Artikel 26 Absatz 5 genannten Durchführungsrechtsakt festgelegt sind.

2.  Das Kompetenzzentrum erstellt eine Liste geeigneter Kandidaten für Gutachter oder Schlichter. Es kann unterschiedliche Listen von Gutachtern und Schlichtern geben, je nachdem, auf welches technische Gebiet sie spezialisiert sind oder über welches Fachwissen sie verfügen. und stellt sicher, dass [Abänd. 163]

a)   es keine potenziellen Interessenkonflikte gibt, so dass die ausgewählten Gutachter und Schlichter unparteiisch und unvoreingenommen sind; [Abänd. 164]

b)   jeder in den Dienstplan aufgenommene Gutachter und Schlichter über die erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Kompetenz verfügt, um die geforderten Aufgaben wirksam wahrnehmen zu können. Insbesondere müssen sie über die erforderlichen Qualifikationen, umfangreiche Erfahrungen in der Patentbranche und bei der Streitbeilegung, ein nachgewiesenes Verständnis der FRAND-Bedingungen oder einen soliden fachlichen Hintergrund in dem betreffenden Technologiebereich verfügen. [Abänd. 165]

3.  Hat das Kompetenzzentrum zum Zeitpunkt der ersten Eintragungen oder der FRAND-Bestimmung noch keine Liste von Gutachter- oder Schlichterkandidaten erstellt, so lädt das Kompetenzzentrum ad hoc renommierte Sachverständige ein, die die in dem in Artikel 26 Absatz 5 genannten Durchführungsrechtsakt festgelegten Anforderungen erfüllenEs gibt unterschiedliche Listen von Gutachtern und Schlichtern, je nachdem, auf welches technische Gebiet sie spezialisiert sind oder über welches Fachwissen sie verfügen. [Abänd. 166]

4.  Das Kompetenzzentrum überprüft die Listen regelmäßig, um sicherzustellen, dass eine ausreichende Zahl qualifizierter Kandidaten vorhanden ist.

Titel V

Essenzialitätsprüfung von standardessenziellen Patenten

Artikel 28

Allgemeine Anforderung für Essenzialitätsprüfungen

1.  Das Kompetenzzentrum verwaltet ein System von Essenzialitätsprüfungen und stellt sicher, dass diese transparent, objektiv und unparteiisch durchgeführt werden und dass die Vertraulichkeit der erhaltenen Informationen gewahrt bleibt. [Abänd. 167]

2.  Die Essenzialitätsprüfung wird von einem gemäß Artikel 27 ausgewählten Gutachter durchgeführt. Die Gutachter überprüfen die eingetragenen SEP auf ihre Essenzialität für den Standard, für den sie eingetragen sind.

3.  Die Essenzialitätsprüfung darf nicht für mehr als ein SEP aus der jeweiligen Patentfamilie durchgeführt werden.

4.  Das Fehlen einer Essenzialitätsprüfung oder eine laufende Essenzialitätsprüfung schließt weder Lizenzverhandlungen noch ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren in Bezug auf ein eingetragenes SEP aus.

5.  Der Gutachter fasst das Ergebnis der Essenzialitätsprüfung und die Gründe dafür in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme oder, im Falle einer Begutachtung durch Fachkollegen, in einer abschließenden mit Gründen versehenen Stellungnahme zusammen, die nicht rechtsverbindlich ist.

6.  Das Ergebnis der durchgeführten Essenzialitätsprüfung und die begründete Stellungnahme des Gutachters oder die endgültige begründete Stellungnahme des Fachkollegen-Gutachters können als Beweismittel gegenüber Beteiligten, Patentpools, Behörden, Gerichten oder Schiedsgerichten verwendet werden.

Artikel 29

Verwaltung der Essenzialitätsprüfungen

1.  Das Kompetenzzentrum wählt jährlich eine Stichprobe von eingetragenen SEP aus verschiedenen Patentfamilien von jedem SEP-Inhaber und in Bezug auf jeden spezifischen Standard im Register für Essenzialitätsprüfungen aus. Eingetragene SEP von Kleinst- und Kleinunternehmen sind von der jährlichen Stichprobe ausgenommen, es sei denn, es handelt sich um Patentdurchsetzungsstellen oder Tochtergesellschaften, Partnerunternehmen oder Unternehmen im Eigentum oder unter der direkten oder indirekten Kontrolle einer anderen natürlichen oder juristischen Person, die nicht selbst ein KMU ist. Die Prüfungen werden auf der Grundlage einer Methodik durchgeführt, die eine faire und statistisch gültige Auswahl gewährleistet, die hinreichend genaue Ergebnisse über die Essenzialitätsquote in allen eingetragenen SEP eines SEP-Inhabers in Bezug auf jeden spezifischen Standard im Register liefern kann. Bis zum [ABl.: bitte Datum einfügen = 18 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] legt die Kommission im Wege eines Durchführungsrechtsakts die detaillierte Methodik fest. Dieser Durchführungsrechtsakt wird nach dem in Artikel 68 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. [Abänd. 168]

2.  Das Kompetenzzentrum informiert die SEP-Inhaber über die für die Essenzialitätsprüfung ausgewählten SEP. Innerhalb der vom Kompetenzzentrum gesetzten Frist können die SEP-Inhaber ein Anspruchsdiagramm mit maximal fünf Übereinstimmungen zwischen dem SEP und dem relevanten Standard, alle zusätzlichen technischen Informationen, die die Essenzialitätsprüfung erleichtern können, und die vom Kompetenzzentrum angeforderten Übersetzungen des Patents einreichen.

3.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht die Liste der für die Essenzialitätsprüfung ausgewählten SEP.

4.  War ein für die Essenzialitätsprüfung ausgewähltes SEP bereits Gegenstand einer früheren oder laufenden Essenzialitätsprüfung gemäß diesem Titel oder einer Essenzialitätsentscheidung oder -prüfung gemäß Artikel 8, so wird keine zusätzliche Essenzialitätsprüfung durchgeführt, es sei denn, Absatz 4a dieses Artikels findet Anwendung. Das Ergebnis der vorangegangenen Essenzialitätsprüfung oder -entscheidung wird für die Bestimmung des prozentualen Anteils der Stichproben pro SEP-Inhaber und pro spezifischem eingetragenen Standard verwendet, der die Essenzialitätsprüfung erfolgreich bestanden hat. [Abänd. 169]

(4a)   Hat ein Gutachter hinreichenden Grund zu der Annahme, dass eine vorherige gemäß Artikel 8 Buchstabe b durchgeführte Essenzialitätsprüfung unzutreffend sein könnte, so ist er befugt, das Ergebnis dieser früheren Prüfung zu überprüfen. Gelangt der Gutachter nach seiner Überprüfung zu dem Schluss, dass das Ergebnis der vorherigen Essenzialitätsprüfung unzutreffend war, so führt er eine erneute Essenzialitätsprüfung für das betreffende SEP durch. [Abänd. 170]

5.  Jeder SEP-Inhaber kann freiwillig jährlich bis zu 100 eingetragene SEP aus verschiedenen Patentfamilien vorschlagen, die auf ihre Essenzialität in Bezug auf den jeweiligen spezifischen Standard, für den SEP-Eintragungen vorgenommen wurde, geprüft werden sollen.

6.  Jeder Anwender kann freiwillig jährlich bis zu 100 eingetragene SEP aus verschiedenen Patentfamilien vorschlagen, die auf ihre Essenzialität in Bezug auf den jeweiligen spezifischen Standard, für den SEP-Eintragungen vorgenommen wurden, geprüft werden sollen.

7.  Das Kompetenzzentrum weist die SEP für die Essenzialitätsprüfung Gutachtern zu, die auf der gemäß Artikel 27 erstellten Gutachterliste aufgeführt sind, und gewährt dem betreffenden Gutachter Zugang zu den vom SEP-Inhaber vorgelegten vollständigen Unterlagen.

8.  Das Kompetenzzentrum stellt sicher, dass die Identität des Gutachters den SEP-Inhabern während der Untersuchung der Essenzialität gemäß Artikel 31 oder während der Begutachtung durch Fachkollegen gemäß Artikel 32 nicht bekannt gegeben wird. Die gesamte Kommunikation zwischen dem SEP-Inhaber und dem Gutachter läuft über das Kompetenzzentrum.

9.  Bei Nichteinhaltung der Formerfordernisse gemäß Artikel 28, anderer Verfahrensvorschriften oder des Verhaltenskodex kann das Kompetenzzentrum auf Antrag eines Beteiligten, der innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der mit Gründen versehenen Stellungnahme oder der endgültigen mit Gründen versehenen Stellungnahme gestellt wird, oder von sich aus die Untersuchung überprüfen und

(a)  die Beibehaltung oder

(b)  den Widerruf

der Ergebnisse der Untersuchung der Essenzialität eines eingetragenen SEP oder der Begutachtung durch Fachkollegen beschließen.

10.  Widerruft das Kompetenzzentrum die Ergebnisse gemäß Absatz 9 Buchstabe b, so ernennt das Kompetenzzentrum einen neuen Gutachter oder Fachkollegen-Gutachter, der eine neue Untersuchung der Essenzialitätsprüfung gemäß Artikel 31 oder eine neue Begutachtung durch Fachkollegen gemäß Artikel 32 durchführt.

11.  Die Partei, die eine Überprüfung der Untersuchung der Essenzialitätsprüfung oder der Begutachtung durch Fachkollegen und eine erneute Ernennung des Gutachters beantragt und der Ansicht ist, dass die Feststellung des Kompetenzzentrums unrichtig ist, kann bei den Beschwerdekammern des EUIPO eine Entscheidung in dieser Angelegenheit beantragen. Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach der Feststellung des Kompetenzzentrums zu stellen. Die Beschwerdekammern des EUIPO lehnen den Antrag entweder ab oder fordern das Kompetenzzentrum auf, einen neuen Gutachter zu bestellen und die antragstellende Person und gegebenenfalls den SEP-Inhaber zu informieren.

Artikel 30

Stellungnahme durch Beteiligte

1.  Innerhalb von 90 Tagen nach Veröffentlichung der Liste der eingetragenen SEP, die für eine Stichprobe ausgewählt wurden, kann jeder Beteiligte dem Kompetenzzentrum eine schriftliche Stellungnahme und Beweismittel zur Essenzialität der ausgewählten SEP vorlegen. [Abänd. 171]

2.  Die in Absatz 1 genannten Stellungnahmen werden dem SEP-Inhaber mitgeteilt, der sich innerhalb der vom Kompetenzzentrum festgelegten Frist dazu äußern kann.

3.  Das Kompetenzzentrum übermittelt die Stellungnahmen, die Beweismittel und die Antworten des SEP-Inhabers nach Ablauf der festgelegten Fristen an den Gutachter. [Abänd. 172]

Artikel 31

Prüfung der Essenzialität eines eingetragenen SEP

1.  Die Prüfung der Essenzialität wird nach einem Verfahren durchgeführt, das ausreichend Zeit, Strenge und Qualität gewährleistet.

2.  Der Gutachter kann den betroffenen SEP-Inhaber auffordern, innerhalb einer vom Gutachter festzulegenden Frist eine Stellungnahme abzugeben.

3.  Hat ein Gutachter Grund zu der Annahme, dass das SEP möglicherweise nicht essenziell für den Standard ist, unterrichtet das Kompetenzzentrum den SEP-Inhaber über diese Gründe und legt eine Frist fest, innerhalb deren der SEP-Inhaber seine Stellungnahme vorlegen oder ein geändertes Anspruchsdiagramm einreichen kann.

4.  Der Gutachter muss alle vom SEP-Inhaber oder von Beteiligten nach dem Verfahren gemäß Artikel 30 vorgelegten Informationen gebührend berücksichtigen. [Abänd. 173]

5.  Der Gutachter muss seine begründete Stellungnahme innerhalb von sechs Monaten nach seiner Bestellung an das Kompetenzzentrum übermitteln. Die mit Gründen versehene Stellungnahme muss den Namen des SEP-Inhabers und des Gutachters, das der Essenzialitätsprüfung unterzogene SEP, den betreffenden Standard, eine Zusammenfassung des Prüfungsverfahrens, das Ergebnis der Essenzialitätsprüfung und die Gründe, auf denen dieses Ergebnis beruht, enthalten.

6.  Das Kompetenzzentrum teilt dem SEP-Inhaber die begründete Stellungnahme mit.

Artikel 32

Begutachtung durch Fachkollegen

1.  Hat das Kompetenzzentrum den SEP-Inhaber gemäß Artikel 31 Absatz 3 informiert, so kann der SEP-Inhaber vor Ablauf der Frist zur Abgabe seiner Stellungnahme gemäß Artikel 31 Absatz 3 eine Begutachtung durch Fachkollegen beantragen.

2.  Beantragt der SEP-Inhaber eine Begutachtung durch Fachkollegen, so ernennt das Kompetenzzentrum einen Fachkollegen-Gutachter.

3.  Der Fachkollegen-Gutachter muss alle vom SEP-Inhaber oder von den Beteiligten, die nach dem Verfahren gemäß Artikel 30 Bemerkungen oder Nachweise vorgelegt haben, vorgelegten Informationen, die Gründe des Erstgutachters, warum das SEP möglicherweise nicht essenziell für den Standard ist, sowie alle vom SEP-Inhaber vorgelegten geänderten Anspruchsdiagramme oder zusätzlichen Stellungnahmen gebührend berücksichtigen. [Abänd. 174]

4.  Bestätigt die Begutachtung durch Fachkollegen die vorläufigen Schlussfolgerungen des Gutachters, dass das geprüfte SEP möglicherweise nicht essenziell für den Standard ist, für den es eingetragen wurde, muss der Fachkollegen-Gutachter das Kompetenzzentrum darüber informieren und die Gründe für diese Meinung angeben. Das Kompetenzzentrum informiert den SEP-Inhaber und fordert ihn zur Stellungnahme auf.

5.  Der Fachkollegen-Gutachter muss die Stellungnahme des SEP-Inhabers oder die von anderen Beteiligten gemäß Artikel 30 vorgelegten Bemerkungen oder Nachweise gebührend berücksichtigen und dem Kompetenzzentrum innerhalb von drei Monaten nach seiner Bestellung eine endgültige begründete Stellungnahme übermitteln. Die endgültige begründete Stellungnahme muss den Namen des SEP-Inhabers, des Gutachters und des Fachkollegen-Gutachters, das der Essenzialitätsprüfung unterzogene SEP, den betreffenden Standard, eine Zusammenfassung des ursprünglichen Prüfverfahrens und des Prüfverfahrens durch Fachkollegen, die vorläufige Schlussfolgerung des Gutachters, das Ergebnis der Begutachtung durch Fachkollegen und die Gründe, auf denen dieses Ergebnis beruht, enthalten. [Abänd. 175]

6.  Das Kompetenzzentrum teilt dem SEP-Inhaber die endgültige begründete Stellungnahme mit.

7.  Die Ergebnisse der Begutachtung durch Fachkollegen dienen der Verbesserung des Verfahrens der Essenzialitätsprüfung und der Sicherstellung der Kohärenz.

Artikel 33

Veröffentlichung der Ergebnisse der Essenzialitätsprüfungen

1.  Das Kompetenzzentrum trägt das Ergebnis der Essenzialitätsprüfung oder der Begutachtung durch Fachkollegen in das Register sowie die begründete Stellungnahme und die endgültige begründete Stellungnahme in die Datenbank ein. Das Ergebnis der Essenzialitätsprüfung nach dieser Verordnung gilt für alle SEP aus derselben Patentfamilie.

2.  Das Kompetenzzentrum veröffentlicht im Register den prozentualen Anteil der stichprobenartig geprüften SEP pro SEP-Inhaber und pro spezifischem eingetragenen Standard, die die Essenzialitätsprüfung erfolgreich bestanden haben.

3.  Enthält die Veröffentlichung der Ergebnisse einen dem Kompetenzzentrum anzulastenden Fehler, so berichtigt das Kompetenzzentrum von sich aus oder auf Antrag des Inhabers des eingetragenen SEP den Fehler und veröffentlicht die Berichtigung.

Titel VI

FRAND-Bestimmung

Artikel 34

Einleitung der FRAND-Bestimmung

1.  Die FRAND-Bestimmung in Bezug auf einen Standard und eine Implementierung, für die ein Eintrag im Register erstellt wurde, wird von einer der folgenden Personen eingeleitet:

(a)  SEP-Inhaber, bevor eine SEP-Verletzungsklage vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats eingereicht wird;

(b)  Anwender eines SEP vor einem Antrag auf Bestimmung oder Beurteilung der FRAND-Bedingungen einer SEP-Lizenz vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats.

Die FRAND-Bestimmung gilt nicht für bestehende Lizenzvereinbarungen während ihrer Geltungsdauer. [Abänd. 176]

2.  Die Partei, die die FRAND-Bestimmung beantragt, wird als „Antragsteller“ bezeichnet, die Partei, gegen die sich der Antrag richtet, als „Antragsgegner“, und beide werden für die Zwecke der FRAND-Bestimmung als „Parteien“ bezeichnet.

3.  Die FRAND-Bestimmung kann von einer Partei eingeleitet werden oder von den Parteien zur freiwilligen Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit FRAND-Bedingungen eingegangen werden.

4.  Die Verpflichtung, die FRAND-Bestimmung gemäß Absatz 1 vor dem Gerichtsverfahren einzuleiten, berührt nicht die Möglichkeit einer Partei, bis zur FRAND-Bestimmung beim zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats eine einstweilige Verfügung finanzieller Art gegen den angeblichen Verletzer zu beantragen. Die einstweilige Verfügung schließt die Beschlagnahme von Vermögenswerten des angeblichen Verletzers und die Beschlagnahme oder Herausgabe der Produkte, die im Verdacht stehen, ein SEP zu verletzen, aus. Sieht das nationale Recht vor, dass eine einstweilige Verfügung finanzieller Art nur beantragt werden kann, wenn ein Verfahren in der Sache anhängig ist, so kann jede Partei zu diesem Zweck ein Verfahren in der Sache vor dem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats anstrengen. Die Parteien müssen jedoch das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats ersuchen, das Verfahren in der Sache für die Dauer der FRAND-Bestimmung auszusetzen. Bei der Entscheidung über den Erlass der einstweiligen Verfügung muss das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats berücksichtigen, dass ein Verfahren zur FRAND-Bestimmung anhängig ist. [Abänd. 177]

5.  Nach Beendigung der FRAND-Bestimmung steht den Parteien das gesamte Spektrum an Maßnahmen, einschließlich vorläufiger, vorsorgender und korrigierender Maßnahmen, zur Verfügung. [Abänd. 178 - betrifft nicht die deutsche Fassung]

Artikel 35

Verfahrensordnung

Die FRAND-Bestimmung richtet sich nach den Artikeln 34 bis 58, die gemäß Artikel 26 Absatz 5 weiter umgesetzt werden.

Artikel 36

Inhalt des Antrags auf Einleitung einer FRAND-Bestimmung

1.  Die FRAND-Bestimmung wird durch einen schriftlichen Antrag an das Kompetenzzentrum eingeleitet, der die folgenden Informationen enthalten muss:

(a)  den Namen und die Kontaktdaten des Antragstellers;

(b)  den Namen und die Anschrift des Antragsgegners;

(c)  die Eintragungsnummern der betreffenden SEP im Register;

(d)  den kommerziellen Namen des Standards und den Namen der betreffenden Standardisierungsorganisation; [Abänd. 179]

(e)  eine Zusammenfassung der bisherigen Lizenzverhandlungen, falls zutreffend;

(f)  Verweise auf andere verknüpfte FRAND-Bestimmungen, falls zutreffend. [Abänd. 180]

2.  Wird der Antrag auf Einleitung einer FRAND-Bestimmung von einem SEP-Inhaber gestellt, so muss er zusätzlich zu den in Absatz 1 aufgeführten Informationen die folgenden Angaben enthalten: [Abänd. 181 - betrifft nicht die deutsche Fassung]

(a)  Anspruchsdiagramme, in dem Patentansprüche dem Standard ausgewählter eingetragener SEP zugeordnet sind;

(b)  Nachweis der Essenzialitätsprüfung, falls vorhanden.

3.  Der Antrag auf Einleitung einer FRAND-Bestimmung kann einen Vorschlag für eine FRAND-Bestimmung enthalten.

Artikel 37

Dauer der FRAND-Bestimmung

1.  Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, darf der Zeitraum von der Einreichung des Antrags auf Fortsetzung der FRAND-Bestimmung gemäß Artikel 38 Absatz 53 Buchstabe b oder Artikel 38 Absatz 3 Buchstabe c bzw. Artikel 38 Absatz 4 Buchstabe a Satz 2 oder Artikel 38 Absatz 4 Buchstabe c bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens neun Monate nicht überschreiten. [Abänd. 182]

2.  Die Verjährung von Ansprüchen vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats ist für die Dauer der FRAND-Bestimmung gehemmt.

Artikel 38

Benachrichtigung über den Antrag auf FRAND-Bestimmung und Stellungnahme

1.  Das Kompetenzzentrum informiert den Antragsgegner innerhalb von sieben Tagen über den Antrag, einschließlich der gemäß Artikel 36 vorgelegten Informationen, und unterrichtet den Antragsteller darüber. [Abänd. 183]

2.  Der Antragsgegner muss dem Kompetenzzentrum innerhalb von 15 Tagen nach Erhalt der Benachrichtigung über den Antrag auf FRAND-Bestimmung durch das Kompetenzzentrum gemäß Absatz 1 antworten. In der Stellungnahme ist anzugeben, ob der Antragsgegner mit der FRAND-Bestimmung einverstanden ist, und ob er sich verpflichtet, deren Ergebnis einzuhaltenfalls nicht, sind die Gründe für die Ablehnung der Teilnahme anzugeben. [Abänd. 184]

3.  Antwortet der Antragsgegner nicht innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist oder teilt er dem Kompetenzzentrum seine Entscheidung mit, sich nicht an der FRAND-Bestimmung zu beteiligen oder sich nicht zu verpflichten, das Ergebnis einzuhalten, gilt Folgendes: [Abänd. 185]

(a)  Das Kompetenzzentrum setzt den Antragsteller davon in Kenntnis und fordert ihn auf, innerhalb von sieben Tagen mitzuteilen, ob er die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt und ob er sich verpflichtet, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung einzuhalten; [Abänd. 186]

(b)  beantragt der Antragsteller die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung und verpflichtet er sich zu deren Ergebnis, so wird die FRAND-Bestimmung fortgesetzt; Artikel 34 Absatz 1 gilt jedoch nicht für das Gerichtsverfahren des Antragstellers in Bezug auf denselben Gegenstand; [Abänd. 187]

(c)  beantragt der Antragsteller nicht innerhalb der unter Buchstabe a genannten Frist die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung, so stellt das Kompetenzzentrum die FRAND-Bestimmung ein.

4.  Stimmt der Antragsgegner der FRAND-Bestimmung zu und verpflichtet er sich, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung gemäß Absatz 2 einzuhalten, einschließlich der Fälle, in denen eine solche Verpflichtung von der Verpflichtung des Antragstellers abhängt, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung einzuhalten, gilt Folgendes:, so teilt das Kompetenzzentrum dies dem Antragsteller mit. [Abänd. 188]

(a)   Das Kompetenzzentrum setzt den Antragsteller davon in Kenntnis und fordert ihn auf, dem Kompetenzzentrum innerhalb von sieben Tagen mitzuteilen, ob er sich ebenfalls verpflichtet, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung einzuhalten. Nimmt der Antragsteller die Verpflichtung an, so wird die FRAND-Bestimmung fortgesetzt, und das Ergebnis ist für beide Parteien verbindlich; [Abänd. 189]

(b)   antwortet der Antragsteller nicht innerhalb der unter Buchstabe a genannten Frist oder teilt er dem Kompetenzzentrum seine Entscheidung mit, sich nicht zur Einhaltung des Ergebnisses der FRAND-Bestimmung zu verpflichten, so benachrichtigt das Kompetenzzentrum den Antragsgegner und fordert ihn auf, innerhalb von sieben Tagen mitzuteilen, ob er die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt; [Abänd. 190]

(c)   beantragt der Antragsgegner die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung, so wird die FRAND-Bestimmung fortgesetzt; Artikel 34 Absatz 1 gilt jedoch nicht für das Gerichtsverfahren des Antragsgegners in Bezug auf denselben Gegenstand; [Abänd. 191]

(d)   beantragt der Antragsgegner nicht innerhalb der unter Buchstabe b genannten Frist die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung, so stellt das Kompetenzzentrum die FRAND-Bestimmung ein. [Abänd. 192]

(4a)   Jede Partei kann jederzeit während der FRAND-Bestimmung erklären, dass sie sich zur Einhaltung des Ergebnisses verpflichtet. Die erklärende Partei kann ihre Verpflichtung zur Einhaltung davon abhängig machen, dass sich die andere Partei zur Einhaltung des Ergebnisses verpflichtet. Dadurch wird die FRAND-Bestimmung nicht beendet. [Abänd. 193]

5.   Verpflichtet sich eine Partei, das Ergebnis der FRAND-Bestimmung einzuhalten, während die andere Partei dies nicht innerhalb der geltenden Fristen tut, nimmt das Kompetenzzentrum eine Mitteilung über die Verpflichtung zur FRAND-Bestimmung an und benachrichtigt die Parteien innerhalb von fünf Tagen nach Ablauf der in Bezug auf die Verpflichtung geltenden Frist. Die Mitteilung über die Verpflichtung enthält die Namen der Parteien, den Gegenstand der FRAND-Bestimmung, eine Zusammenfassung des Verfahrens und Informationen darüber, welche Partei die Verpflichtung eingegangen ist und welche sie abgelehnt hat. [Abänd. 194]

6.  Die FRAND-Bestimmung betrifft eine globale SEP-Lizenz, es sei denn, die Parteien (falls beide Parteien der FRAND-Bestimmung zustimmen) haben etwas anderes festgelegt oder die Partei, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt hat, hat etwas anderes festgelegt. KMU und Start-ups, die an der FRAND-Bestimmung beteiligt sind, können beantragen, den räumlichen Geltungsbereich der FRAND-Bestimmung zu begrenzen. [Abänd. 195]

Artikel 39

Auswahl der Schlichter des Schlichtergremiums [Abänd. 196]

1.  Nach der Stellungnahme zur FRAND-Bestimmung durch den Antragsgegner gemäß Artikel 38 Absatz 2 oder dem Antrag auf Fortsetzungernennen der Antragsteller und der Antragsgegner jeweils einen Schlichter aus der Liste der Schlichter gemäß Artikel 3827 Absatz 5 schlägt das2 für das Schlichtergremium. Der dritte Schlichter wird von dem Kompetenzzentrum aus der Liste der Schlichter gemäß Artikel 27 Absatz 2 mindestens drei Kandidaten für die FRAND-Bestimmung vorbestellt. Einer der vorgeschlagenen Kandidaten wird von den Parteien oder der Partei als Schlichter für die FRAND-Bestimmung ausgewählt. [Abänd. 197]

2.   Einigen sich die Parteien nicht auf einen Schlichter, so wählt das Kompetenzzentrum einen Kandidaten aus der Liste der Schlichter gemäß Artikel 27 Absatz 2 aus. [Abänd. 198]

Artikel 40

Ernennung der Schlichter [Abänd. 199]

1.  Der ausgewählte Kandidat teiltDie ausgewählten Kandidaten teilen dem Kompetenzzentrum mit, dass ersie die Aufgabe eines Schlichters für die FRAND-Bestimmung annimmtannehmen, und das Kompetenzzentrum benachrichtigt die Parteien über die Annahme. [Abänd. 200]

2.  Am Tag nach der Benachrichtigung der Parteien über die Annahme wird der Schlichterdas Schlichtergremium ernannt, und das Kompetenzzentrum verweist den Fall an ihndas Schlichtergremium. [Abänd. 201]

Artikel 41

Vorbereitung des Verfahrens

Kann ein Schlichter während der FRAND-Bestimmung nicht teilnehmen, tritt er zurück oder muss er ersetzt werden, weil er die Anforderungen nach Artikel 26 nicht erfüllt, so findet das Verfahren nach Artikel 39 Anwendung. Die in Artikel 37 genannte Frist wird um die Zeit verlängert, die für die Ernennung des neuen Schlichters für die FRAND-Bestimmung erforderlich ist.

Artikel 42

Vorbereitung des Verfahrens

1.  Nachdem der Fall gemäß Artikel 40 Absatz 2 an den Schlichterdas Schlichtergremium verwiesen wurde, prüft dieserdieses, ob der Antrag die in Artikel 36 geforderten Angaben nach Maßgabe der Verfahrensordnung enthält. [Abänd. 202]

2.  ErDas Schlichtergremium informiert die Parteien oder die Partei, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt, über die Verfahrensordnung und den Verfahrensplan. [Abänd. 203]

Artikel 43

Schriftliches Verfahren

Der SchlichterDas Schlichtergremium fordert jede Partei auf, ihre Argumente zur Bestimmung der anwendbaren FRAND-Bedingungen schriftlich darzulegen und entsprechende Unterlagen und Beweise vorzulegen, und setzt angemessene Fristen. [Abänd. 204]

Artikel 44

Einspruch gegen die FRAND-Bestimmung

1.  Eine Partei kann spätestens in der ersten schriftlichen Eingabejederzeit einen Einspruch einreichen, in dem sie angibt, dass der Schlichterdas Schlichtergremium aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, eine FRAND-Bestimmung zu treffen, z. B. aufgrund einer früheren verbindlichen FRAND-Bestimmung oder einer Vereinbarung zwischen den Parteien. Der anderen Partei ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. [Abänd. 205]

2.  Der SchlichterDas Schlichtergremium entscheidet über den Einspruch und weist ihn entweder als unbegründet zurück, bevor eres sich mit der Sache befasst, oder verbindet ihn mit der Prüfung der Begründetheit der FRAND-Bestimmung. Lehnt der Schlichterdas Schlichtergremium den Einspruch ab oder schließt eres ihn in die Prüfung der Begründetheit der Bestimmung der FRAND-Bedingungen ein, so setzt eres die Prüfung der Bestimmung der FRAND-Bedingungen fort. [Abänd. 206]

3.  Entscheidet der Schlichterdas Schlichtergremium, dass der Einspruch begründet ist, stellt eres die FRAND-Bestimmung ein und verfasst einen Bericht, in dem er seine Entscheidung begründet. [Abänd. 207]

Artikel 45

Durchführung der FRAND-Bestimmung

1.  Der SchlichterDas Schlichtergremium unterstützt die Parteien in unabhängiger und unparteiischer Weise in ihrem Bemühen um eine Bestimmung der FRAND-Bedingungen. [Abänd. 208]

2.  Der SchlichterDas Schlichtergremium kann die Parteien oder die Partei, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt, auffordern, sich mit ihm zu treffen oder sich mündlich oder schriftlich mit ihm in Verbindung zu setzen. [Abänd. 209]

3.  Die Parteien oder die Partei, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt, müssen nach Treu und Glauben mit dem SchlichterSchlichtergremium zusammenarbeiten und insbesondere an den Sitzungen teilnehmen, seinen Aufforderungen zur Vorlage aller sachdienlichen Unterlagen, Informationen und Erklärungen nachkommen und die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um dem SchlichterSchlichtergremium die Anhörung von Zeugen und Sachverständigen zu ermöglichen, die der Schlichterdas Gremium gegebenenfalls benennt. [Abänd. 210]

4.  Der Antragsgegner kann sich der FRAND-Bestimmung jederzeit vor deren Abschluss anschließen.

5.  Auf Antrag beider Parteien bzw. der Partei, die die Fortführung der FRAND-Bestimmung beantragt, beendet der Schlichter das Schlichtergremium in jedem Stadium des Verfahrens die FRAND-Bestimmung. [Abänd. 211]

Artikel 46

Versäumnis einer Partei, sich zu beteiligen

1.  Wenn eine Partei

(a)  Artikel 45 Absatz 3 oder einem Ersuchen des SchlichtersSchlichtergremiums, der Verfahrensordnung oder dem Verfahrensplan nach Artikel 42 Absatz 2 nicht nachkommt, [Abänd. 212]

(b)   ihre Verpflichtung zur Einhaltung des Ergebnisses der FRAND-Bestimmung gemäß Artikel 38 zurücknimmt oder [Abänd. 213]

(c)  in sonstiger Weise eine Anforderung im Zusammenhang mit der FRAND-Bestimmung nicht erfüllt,

unterrichtet der Schlichterdas Schlichtergremium beide Parteien davon. [Abänd. 214]

2.  Nach Erhalt der Benachrichtigung des SchlichtersSchlichtergremiums kann die einhaltende Partei den Schlichterdas Schlichtergremium bitten, eine der folgenden Maßnahmen zu ergreifen: [Abänd. 215]

(a)  Unterbreitung eines Vorschlags für eine FRAND-Bestimmung gemäß Artikel 55 auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen, wobei er die ihm vorgelegten Beweise so gewichtet, wie er es für angemessen hält;

(b)  Einstellung des Verfahrens.

3.  Kommt die Partei, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt hat, einem Ersuchen des SchlichtersSchlichtergremiums nicht nach oder erfüllt sie in sonstiger Weise eine Anforderung im Zusammenhang mit der FRAND-Bestimmung nicht, so stellt der Schlichterdas Schlichtergremium das Verfahren ein. [Abänd. 216]

Artikel 47

Parallelverfahren in einem Drittland

1.  Ein Parallelverfahren im Sinne dieses Artikels ist ein Verfahren, das die folgenden Bedingungen erfüllt:

(a)  jedes Verfahren vor einem Gericht, einer Verwaltungs- oder staatlichen Behörde eines Drittlandes, das rechtsverbindliche und vollstreckbare Entscheidungen über die Geltendmachung eines Patents, eine Unterlassungsklage, eine Verletzung, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder die Bestimmung von FRAND-Bedingungen trifft;

(b)  jedes Verfahren in Bezug auf einen Lizenzstreit über denselben Standard und dieselbe Implementierung und ein Patent, das im Wesentlichen dieselben Ansprüche hat wie die SEP, die Gegenstand der FRAND-Bestimmung sind;

(c)  jedes Verfahren, an dem eine oder mehrere der an der FRAND-Bestimmung beteiligten Parteien beteiligt sind.

2.  Wurde vor oder während der FRAND-Bestimmung von einer Partei ein Parallelverfahren eingeleitet, so beendet der Schlichterdas Schlichtergremium oder, falls eres nicht ernannt wurde, das Kompetenzzentrum die FRAND-Bestimmung auf Antrag einerder anderen Partei. [Abänd. 217]

Artikel 48

Beweismittel

1.  Unbeschadet des Schutzes der Vertraulichkeit gemäß Artikel 54 Absatz 3 kann der Schlichterdas Schlichtergremium jederzeit während der FRAND-Bestimmung auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen die Vorlage von Unterlagen oder anderen Beweismitteln verlangen. [Abänd. 218]

2.  Der SchlichterDas Schlichtergremium kann öffentlich zugängliche Informationen und das Register des Kompetenzzentrums, die Datenbank, vertrauliche und nicht vertrauliche Berichte über andere FRAND-Bestimmungen, Festlegungen von Gesamtlizenzgebühren und Ergebnisse von Essenzialitätsprüfungen sowie andere nicht vertrauliche Unterlagen und Informationen prüfen, die vom Kompetenzzentrum erstellt oder diesem vorgelegt wurden. [Abänd. 219]

Artikel 49

Zeugen und Sachverständige

Der SchlichterDas Schlichtergremium kann auf Antrag einer Partei Zeugen und Sachverständige anhören, sofern die Beweismittel für die FRAND-Bestimmung erforderlich sind und genügend Zeit für die Prüfung dieser Beweismittel vorhanden ist. [Abänd. 220]

Artikel 50

Vorschlag zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen

1.  Während der FRAND-Bestimmung kann der Schlichterdas Schlichtergremium oder eine Partei von sich aus oder auf Aufforderung des SchlichtersSchlichtergremiums jederzeit Vorschläge für die Bestimmung der FRAND-Bedingungen unterbreiten. [Abänd. 221]

2.  Hat der Antragsteller in seinem Schriftsatz einen schriftlichen Vorschlag für FRAND-Bedingungen unterbreitet, so erhält der Antragsgegner Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und/oder in seiner Erwiderung einen schriftlichen Gegenvorschlag zu unterbreiten.

3.  Bei der Unterbreitung von Vorschlägen für FRAND-Bedingungen berücksichtigt der Schlichterdas Schlichtergremium die Auswirkungen der FRAND-Bestimmung auf die Wertschöpfungskette und auf die Innovationsanreize sowohl für den SEP-Inhaber als auch für die Beteiligten der betreffenden Wertschöpfungskette. Zu diesem Zweck kann sich der Schlichterdas Schlichtergremium auf das in Artikel 18 genannte Sachverständigengutachten stützen oder in Ermangelung eines solchen Gutachtens zusätzliche Informationen anfordern und Sachverständige oder Beteiligte anhören. [Abänd. 222]

Artikel 51

Empfehlung zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen durch den Schlichterdas Schlichtergremium [Abänd. 223]

Der SchlichterDas Schlichtergremium teilt den Parteien spätestens fünf Monate vor Ablauf der in Artikel 37 genannten Frist eine schriftliche Empfehlung zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen mit. [Abänd. 224]

Artikel 52

Einreichung von begründeten Vorschlägen zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen durch die Parteien

Nach der Übermittlung der schriftlichen Empfehlung der FRAND-Bedingungen durch den Schlichterdas Schlichtergremium unterbreitet jede Partei einen detaillierten und begründeten Vorschlag zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen. Hat eine Partei bereits einen Vorschlag zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen unterbreitet, so sind erforderlichenfalls überarbeitete Fassungen vorzulegen, wobei die Empfehlung des SchlichtersSchlichtergremiums zu berücksichtigen ist. [Abänd. 225]

Artikel 53

Mündliches Verfahren

Hält der Schlichterdas Schlichtergremium es für erforderlich oder beantragt eine Partei dies, so findet innerhalb von 20 Tagen nach Einreichung der begründeten Vorschläge zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen eine mündliche Anhörung statt. [Abänd. 226]

Artikel 54

Offenlegung von Informationen

1.  Erhält der Schlichterdas Schlichtergremium von einer Partei Informationen für die Zwecke der FRAND-Bestimmung, so legt eres sie der anderen Partei offen, damit diese Gelegenheit hat, etwaige Erklärungen abzugeben. [Abänd. 227]

2.  Eine Partei kann beim SchlichterSchlichtergremium beantragen, dass bestimmte Informationen in einem vorgelegten Dokument vertraulich zu behandeln sind. [Abänd. 228]

3.  Beantragt eine Partei, dass die Informationen in einem von ihr vorgelegten Dokument vertraulich zu behandeln sind, so darf der Schlichterdas Schlichtergremium diese Informationen nicht gegenüber der anderen Partei offenlegen. Die Partei, die sich auf die Vertraulichkeit beruft, muss auch eine nicht vertrauliche Fassung der vertraulich übermittelten Informationen in ausreichender Ausführlichkeit vorlegen, um ein angemessenes Verständnis des Inhalts der vertraulich übermittelten Informationen zu ermöglichen. Diese nicht vertrauliche Fassung wird gegenüber der anderen Partei offengelegt. [Abänd. 229]

Artikel 55

Begründeter Vorschlag zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen durch den Schlichter

1.  Spätestens 45 Tage vor Ablauf der in Artikel 37 genannten Frist unterbreitet der Schlichterdas Schlichtergremium den Parteien oder gegebenenfalls der Partei, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt, einen begründeten Vorschlag zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen. [Abänd. 230]

2.  Die Parteien können zum Vorschlag des SchlichtersSchlichtergremiums Stellung nehmen und innerhalb einer von ihm festgelegten Frist Änderungen vorschlagen. Der SchlichterDas Schlichtergremium kann seinen Vorschlag neu formulieren, um den Stellungnahmen der Parteien Rechnung zu tragen, und unterrichtet die Parteien bzw. die Partei, die die Fortsetzung der FRAND-Bestimmung beantragt hat, umgehend über diese Neuformulierung. [Abänd. 231]

Artikel 56

Einstellung der FRAND-Bestimmung und Mitteilung über die Einstellung

1.  Neben der Einstellung der FRAND-Bestimmung aus den in Artikel 38 Absatz 4, Artikel 44 Absatz 3, Artikel 45 Absatz 5, Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe b, Artikel 46 Absatz 3 und Artikel 47 Absatz 2 genannten Gründen wird die FRAND-Bestimmung auf eine der folgenden Arten eingestellt:

(a)  Die Parteien unterzeichnen eine Vergleichsvereinbarung;

(b)  die Parteien unterzeichnen eine schriftliche Erklärung, mit der sie den in Artikel 55 genannten begründeten Vorschlag des SchlichtersSchlichtergremiums zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen annehmen; [Abänd. 232]

(c)  eine Partei erklärt schriftlich, den in Artikel 55 genannten begründeten Vorschlag des SchlichtersSchlichtergremiums zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen nicht anzunehmen; [Abänd. 233]

(d)  eine Partei hat keine Erwiderung auf den in Artikel 55 genannten begründeten Vorschlag des SchlichtersSchlichtergremiums zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen eingereicht. [Abänd. 234]

2.  Im Falle einer Einstellung der FRAND-Bestimmung nimmt das Kompetenzzentrum eine Mitteilung über die Einstellung der FRAND-Bestimmung an und benachrichtigt die Parteien innerhalb von fünf Tagen nach der Einstellung. Die Mitteilung über die Einstellung enthält die Namen der Parteien und des Schlichters, den Gegenstand der FRAND-Bestimmung, eine Zusammenfassung des Verfahrens und die Gründe für die Einstellung.

3.  Die dem SEP-Inhaber übermittelte Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens gilt als Dokument im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 608/2013 in Bezug auf jeden Antrag auf Einleitung eines Zollverfahrens gegen Waren, die im Verdacht stehen, sein SEP zu verletzen.

4.  Ein zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats, das über die Bestimmung von FRAND-Bedingungen, auch in Fällen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch private Parteien, oder über eine Klage wegen Verletzung eines SEP, das in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft ist und der FRAND-Bestimmung unterliegt, zu entscheiden hat, darf die Begründetheit dieser Klage nur dann prüfen, wenn ihm eine Mitteilung über die Einstellung der FRAND-Bestimmung oder in den in Artikel 38 Absatz 3 Buchstabe b und Artikel 38 Absatz 4 Buchstabe c vorgesehenen Fällen eine Mitteilung über die Verpflichtung gemäß Artikel 38 Absatz 5 zugestellt worden ist. [Abänd. 235]

5.  In den in Artikel 38 Absatz 3 Buchstabe b und Artikel 38 Absatz 4 Buchstabe c vorgesehenen Fällen gilt Artikel 34 Absatz 5 entsprechend für das Verfahren vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats.

Artikel 57

Bericht

1.  Der SchlichterDas Schlichtergremium legt den Parteien nach Abschluss der FRAND-Bestimmung in den in Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe d genannten Fällen einen schriftlichen Bericht vor. [Abänd. 236]

2.  Der Bericht enthält folgende Angaben:

(a)  die Namen der Parteien;

(b)  eine vertrauliche Bewertung der FRAND-Bestimmung;

(c)  eine vertrauliche Zusammenfassung der wichtigsten strittigen Punkte;

(d)  eine nicht vertrauliche Methodik und die Bewertung der Bestimmung der FRAND-Bedingungen durch den Schlichterdas Schlichtergremium. [Abänd. 237]

3.  Der vertrauliche Bericht ist nur für die Parteien und das Kompetenzzentrum zugänglich. Das Kompetenzzentrum veröffentlicht den nicht vertraulichen Bericht in der Datenbank.

4.  Jede an der FRAND-Bestimmung beteiligte Partei kann den Bericht ungeachtet verfahrensrechtlicher Hindernisse in jedem Verfahren vor einem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats gegen die andere an der FRAND-Bestimmung beteiligte Partei einreichen.

Artikel 58

Vertraulichkeit

1.  Mit Ausnahme der Methodik und der Bewertung der FRAND-Bestimmung durch den Schlichterdas Schlichtergremium gemäß Artikel 57 Absatz 2 Buchstabe d behandelt das Kompetenzzentrum die Bestimmung der FRAND-Bedingungen, alle während des Verfahrens unterbreiteten Vorschläge zur Bestimmung der FRAND-Bedingungen und alle während der FRAND-Bestimmung offengelegten, nicht öffentlich zugänglichen Unterlagen oder sonstigen Beweismittel vertraulich, sofern die Parteien nichts anderes vorsehen. [Abänd. 238]

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 kann das Kompetenzzentrum Informationen über die FRAND-Bestimmung in die von ihm veröffentlichten aggregierten statistischen Daten über seine Tätigkeiten aufnehmen, sofern diese Informationen keine Identifizierung der Parteien oder der besonderen Umstände des Rechtsstreits ermöglichen.

Titel VII

Verfahrensregeln

Artikel 59

Mitteilungen an das Kompetenzzentrum und Benachrichtigungen durch das Kompetenzzentrum

1.  Die Mitteilungen an das Kompetenzzentrum und die Benachrichtigungen durch das Kompetenzzentrum erfolgen grundsätzlich auf elektronischem Wege.

2.  Der Exekutivdirektor des EUIPO legt fest, in welchem Umfang und unter welchen technischen Bedingungen die in Absatz 1 genannten Mitteilungen und Benachrichtigungen elektronisch zu übermitteln sind.

Artikel 60

Fristen

1.  Die Fristen werden in vollen Jahren, Monaten, Wochen oder Tagen festgesetzt. Die Berechnung beginnt an dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem das betreffende Ereignis eingetreten ist.

(1a)   Eine in Tagen angegebene Frist endet am letzten Tag, eine in Wochen angegebene Frist endet mit dem Ende des Tages der letzten Woche, eine in Monaten angegebene Frist endet mit dem Ablauf des Tages, der dem ersten Tag der Frist entspricht, und wenn es im letzten Monat keinen solchen Tag gab, dann endet die Frist am letzten Tag dieses Monats, eine in Jahren angegebene Frist endet mit Ablauf des Tages, der dem ersten Tag der jeweiligen Frist entspricht, und wenn es keinen solchen Tag gab, endet die Frist am letzten Tag dieses Monats. [Abänd. 239]

2.  Der Exekutivdirektor des EUIPO legt vor Beginn eines jeden Kalenderjahres die Tage fest, an denen das EUIPO nicht zur Entgegennahme von Schriftstücken geöffnet ist oder an denen die gewöhnliche Post an dem Ort, an dem das EUIPO seinen Sitz hat, nicht zugestellt wird.

3.  Der Exekutivdirektor des EUIPO bestimmt die Dauer der Unterbrechung im Falle einer allgemeinen Unterbrechung der Postzustellung in dem Mitgliedstaat, in dem das EUIPO seinen Sitz hat, oder im Falle einer tatsächlichen Unterbrechung der Verbindung des EUIPO zu zugelassenen elektronischen Kommunikationsmitteln.

4.  Bei außergewöhnlichen Ereignissen, die die Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten und dem Kompetenzzentrum sehr schwerfällig machen, kann der Exekutivdirektor des EUIPO alle Fristen verlängern, die andernfalls am oder nach dem Tag des Beginns eines solchen Ereignisses ablaufen würden, wie vom Exekutivdirektor in Bezug auf die folgenden Personen festgelegt:

(a)  Verfahrensbeteiligte, die ihren Wohnsitz oder Sitz in der betreffenden Region haben;

(b)  von den Parteien benannte Vertreter oder Assistenten, die in der betreffenden Region ansässig sind.

5.  Bei der Festlegung der Dauer der Verlängerung gemäß Unterabsatz 2 berücksichtigt der Exekutivdirektor des EUIPO das Enddatum des außergewöhnlichen Ereignisses. Betrifft das in Unterabsatz 2 genannte Ereignis den Sitz des EUIPO, so ist in der Feststellung des Exekutivdirektors des EUIPO anzugeben, dass sie für alle Verfahrensbeteiligten gilt.

Titel VIII

Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen

Artikel 61

Schulung, Beratung und Unterstützung Unterstützungszentrum für die SEP-Lizenzierung für KMU und Start-ups [Abänd. 240]

1.  Das Kompetenzzentrum bietet Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen kostenlos Schulungen undrichtet eine Anlaufstelle für die Unterstützung in Fragen bezüglich SEP anvon KMU und Start-ups bei der SEP-Lizenzierung (SEP Licensing Assistance Hub) ein und verwaltet es, das KMU und Start-ups bei folgenden Aufgaben kostenlos unterstützt. [Abänd. 241]

a)   Feststellung, welche SEP für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung relevant sein könnten, mögliche Lizenzgeber und Patentpools, falls das KMU oder das Start-up-Unternehmen ein SEP implementiert; [Abänd. 242]

b)   Feststellung möglicher Lizenznehmer und, mithilfe der Europäischen Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums, Beratung darüber, wie sie ihre SEP-Rechte auf europäischer und globaler Ebene am besten durchsetzen können, falls das KMU oder das Start-up ein SEP-Inhaber ist; [Abänd. 243]

c)   Schulungen und Unterstützung in Fragen bezüglich SEP; [Abänd. 244]

Das Kompetenzzentrum haftet nicht für die Unterstützung, die KMU und Start-ups im Rahmen dieses Absatzes gewährt wird. Bei der Ausübung der in diesem Absatz genannten Aufgaben kann das Kompetenzzentrum eng mit den nationalen Patentämtern und staatlichen Systemen zur Unterstützung von KMU zusammenarbeiten. [Abänd. 245]

(1a)   Das Kompetenzzentrum holt regelmäßig proaktiv Beiträge von KMU und Start-ups ein, um herauszufinden, welche Schulungen und Unterstützungsmaßnahmen am hilfreichsten wären. [Abänd. 246]

2.  Das Kompetenzzentrum kann Studien in Auftrag geben, wenn es dies für erforderlich hält, um Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere UnternehmenKMU in Fragen bezüglich SEP zu unterstützen. Solche Studien können Analysen auf der Grundlage von Informationen umfassen, die von den SEP-Inhabern und -Anwendern in Bezug auf abgeschlossene Lizenzen, gezahlte oder eingenommene Lizenzgebühren und verkaufte Produkte für IoT-Anwendungen zur Verfügung gestellt werden, und das Kompetenzzentrum kann Schätzungen der Lizenzkosten für solche Anwendungen für KMU bereitstellen. [Abänd. 247]

3.  Die Kosten für die in den Absätzen 1 und 2 genannten Dienstleistungen werden vom EUIPO getragen, und das EUIPO stellt sicher, dass die Dienstleistungen mit ausreichenden Mitteln und Ressourcen ausgestattet werden. [Abänd. 248]

(3a)   Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Patentdurchsetzungsstellen oder für KMU, die eine Tochtergesellschaft oder ein Partnerunternehmen sind oder im Eigentum oder unter der direkten oder indirekten Kontrolle einer anderen natürlichen oder juristischen Person stehen, die nicht selbst ein KMU ist. [Abänd. 249]

Artikel 62

FRAND-Bedingungen für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen

1.  Bei der Aushandlung einer SEP-Lizenz mit Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen ziehen die SEP-Inhaber FRAND-Bedingungen in Erwägung, die günstiger sind als die FRAND-Bedingungen, die sie Unternehmen, die nicht zu den Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen gehören, für denselben Standard und dieselben Implementierungen anbieten.

2.  BietetSchließt ein SEP-Inhaber Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen gemäß Absatz 1 günstigere FRAND-Bedingungen an oder schließt er eine SEP-Lizenz ab, die günstigere Bedingungen enthält als diejenigen, die Unternehmen, die keine KMU sind, gemäß Absatz 1 angeboten werden, so werden diese FRAND-Bedingungen bei einer FRAND-Bestimmung nicht berücksichtigt, es sei denn, die FRAND-Bestimmung wird ausschließlich im Hinblick auf FRAND-Bedingungen für ein anderes Kleinstunternehmen oder ein anderes kleines oder mittleres Unternehmen durchgeführt. [Abänd. 250]

3.  Die SEP-Inhaber müssen auch Preisnachlässe, die Aufteilung der Zahlungen in zinslose Raten oder eine gebührenfreie Lizenzierung für geringe Verkaufsmengen in Betracht ziehen, unabhängig von der Größe des lizenznehmenden Unternehmens. Solche Preisnachlässe oder unentgeltlichen Lizenzen müssen fair, angemessen und nicht diskriminierend sein und müssen in der elektronischen Datenbank gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b verfügbar sein. [Abänd. 251]

(3a)   Etwaige Vorteile, die KMU im Rahmen dieser Verordnung gewährt werden, können im Falle der Umgehung oder des Missbrauchs verweigert oder entzogen werden. [Abänd. 252]

Titel IX

Gebühren und Entgelte

Artikel 63

Gebühren und Entgelte

1.  Das Kompetenzzentrum kann für die Dienstleistungen, die es im Rahmen dieser Verordnung erbringt, Verwaltungsgebühren erheben.

2.  Gebühren können zumindest für Folgendes erhoben werden:

(a)  für die Schlichter, die bei Vereinbarungen über die Bestimmung der Gesamtlizenzgebühren gemäß Artikel 17 vermitteln;

(b)  für das Sachverständigengutachten über die Gesamtlizenzgebühr gemäß Artikel 18;

(c)  für die vom Gutachter gemäß Artikel 31 und vom Fachkollegen-Gutachter gemäß Artikel 32 durchgeführte Essenzialitätsprüfung;

(d)  für die Schlichter bei der FRAND-Bestimmung gemäß Titel VI.

3.  Erhebt das Kompetenzzentrum Gebühren gemäß Absatz 2, so werden diese wie folgt aufgeteilt:

(a)  Die in Absatz 2 Buchstabe a genannten Gebühren sind von den SEP-Inhabern, die an dem Verfahren teilgenommen haben, auf der Grundlage ihres geschätzten SEP-Anteils an allen SEP für den Standard zu tragen;

(b)  die in Absatz 2 Buchstabe b genannten Gebühren sind zu gleichen Teilen von den Parteien zu tragen, die an dem Verfahren zur Erstellung des Gutachtens über die Gesamtlizenzgebühr teilgenommen haben, es sei denn, sie vereinbaren etwas anderes oder das Gremium schlägt aufgrund der Größe der Parteien eine andere Aufteilung vor, die auf der Grundlage ihres Umsatzes ermittelt wird;

(c)  die in Absatz 2 Buchstabe c genannten Gebühren sind von dem SEP-Inhaber, der eine Essenzialitätsprüfung gemäß Artikel 29 Absatz 5 oder eine Begutachtung durch Fachkollegen gemäß Artikel 32 Absatz 1 beantragt hat, und von dem Anwender, der eine Essenzialitätsprüfung gemäß Artikel 29 Absatz 6 beantragt hat, zu tragen;

(d)  die in Absatz 2 Buchstabe d genannten Gebühren sind zu gleichen Teilen von den Parteien zu tragen, es sei denn, sie vereinbaren etwas anderes oder der Schlichter schlägt eine andere Aufteilung vor, die sich nach dem Grad der Beteiligung der Parteien an der FRAND-Bestimmung richtet.

4.  Die Höhe der Gebühren muss angemessen sein und denist auf die Kosten der Dienstleistungen entsprechenbeschränkt. Dabei wird die Lage der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigt. [Abänd. 253]

5.  Bis zum [ABl.: bitte Datum einfügen = 18 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] erlässt die Kommission einen Durchführungsrechtsakt, in dem sie die Höhe der in Artikel 63 genannten Gebühren und die Zahlungsmodalitäten im Zusammenhang mit den in Absatz 3 und Absatz 4 des vorliegenden Artikels genannten Vorschriften festlegt. Der Durchführungsrechtsakt wird nach dem in Artikel 68 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 64

Zahlung der Gebühren

1.  Die Gebühren sind an das EUIPO zu zahlen. Alle Zahlungen sind in Euro zu leisten. Der Exekutivdirektor des EUIPO kann festlegen, welche Zahlungsarten verwendet werden können.

2.  Werden die geforderten Beträge nicht innerhalb von zehn Tagen nach dem Datum der Aufforderung vollständig gezahlt, kann das Kompetenzzentrum die säumige Partei benachrichtigen und ihr die Möglichkeit geben, die geforderte Zahlung innerhalb von [fünf] Tagen zu leisten. Im Falle der Ermittlung einer Gesamtlizenzgebühr oder einer FRAND-Bestimmung legt das Kompetenzzentrum der anderen Partei eine Kopie der Aufforderung vor.

3.  Als Zeitpunkt der Zahlung an das EUIPO gilt der Zeitpunkt, zu dem der Betrag der Zahlung oder der Überweisung tatsächlich auf einem Bankkonto des EUIPO eingegangen ist.

4.  Bleibt ein Teil der geforderten Zahlung nach Ablauf der in Absatz 2 genannten Frist aus, kann das Kompetenzzentrum den Zugang zur Datenbank der säumigen Partei aussetzen, bis die Zahlung erfolgt ist.

Artikel 65

Finanzielle Bestimmungen

1.  Die Kosten, die dem EUIPO oder den vom EUIPO gemäß den Artikeln 26 und 27 ausgewählten Gutachtern oder Schlichtern bei der Erfüllung der ihnen gemäß dieser Verordnung übertragenen Aufgaben entstehen, werden durch die Verwaltungsgebühren gedeckt, die die Nutzer der Dienste des Kompetenzzentrums an das EUIPO zu zahlen haben.

2.  Die Kosten, die dem EUIPO für die ihm durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben entstehen und die nicht durch die Gebühren nach dieser Verordnung gedeckt sind, finanziert das EUIPO aus seinen eigenen Haushaltsmitteln.

Artikel 65a

Begründeter Antrag an die Kommission

Ein SEP-Inhaber oder ein SEP-Anwender kann bei der Kommission einen begründeten Antrag stellen, um festzustellen, ob

a)   die SEP-Lizenzverhandlungen zu FRAND-Bedingungen nicht zu erheblichen Schwierigkeiten oder Ineffizienzen führen, die das Funktionieren des Binnenmarktes in Bezug auf festgelegte Implementierungen bestimmter Standards oder Teile davon beeinträchtigen, und zwar innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung des Standards durch die Standardisierungsorganisation;

b)   das Funktionieren des Binnenmarktes aufgrund erheblicher Schwierigkeiten oder Ineffizienzen bei der Erteilung von Lizenzen für SEP für bestimmte bestehende Implementierungen von Standards oder Teilen davon innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung erheblich verzerrt wird. [Abänd. 254]

Artikel 65b

Delegierte Rechtsakte in Bezug auf neue Standards

(1)   Der Kommission wird die Befugnis übertragen, innerhalb von vier Monaten nach Eingang des in Artikel 65a genannten Antrags delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 67 und nach einem angemessenen Konsultationsverfahren, in das alle einschlägigen Beteiligten einbezogen werden, zu erlassen und eine Liste von Implementierungen, Standards oder Teilen davon zu erstellen, bei denen Verhandlungen über SEP-Lizenzen zu FRAND-Bedingungen nicht zu erheblichen Schwierigkeiten oder Ineffizienzen führen, die das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen.

(2)   Die Kommission überprüft die in Absatz 1 genannte Liste einmal jährlich, um festzustellen, ob sie aktualisiert werden muss.

(3)   Das Verfahren nach diesem Artikel berührt nicht die in den Artikeln 17 und 18 genannten Fristen. [Abänd. 255]

Artikel 65c

Delegierte Rechtsakte in Bezug auf bestehende Standards

(1)   Die Kommission führt angemessene Konsultationen unter Einbeziehung der einschlägigen Beteiligten durch.

(2)   Nach Prüfung aller Nachweise und Sachverständigengutachten wird die Kommission ermächtigt, einen delegierten Rechtsakt gemäß Artikel 67 zu erlassen, um eine Liste zu erstellen, in der festgelegt wird, welche der bestehenden Implementierungen von Standards oder Teilen davon gemäß Artikel 66 Absatz 1 oder 2 mitgeteilt werden können. In diesem delegierten Rechtsakt legt die Kommission auch fest, welche Verfahren, Mitteilungs- und Veröffentlichungsverpflichtungen in dieser Verordnung für diese bestehenden Standards, Teile davon oder einschlägigen Implementierungen gelten. Dieser delegierte Rechtsakt wird bis zum ... [Amt für Veröffentlichungen: bitte Datum einfügen = 18 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] erlassen. Die Kommission prüft einmal jährlich, ob die Liste aktualisiert werden muss. [Abänd. 256]

Titel X

Schlussbestimmungen

Artikel 66

Eröffnung der Eintragung für einen bestehenden Standard

1.  Bis zum ... [ABl.: bitte Datum einfügen = 28 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] können die Inhaber von SEP, die für einen Standard essenziell sind, der vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung veröffentlicht wurde („bestehende Standards“) und für den FRAND-Verpflichtungen eingegangen oder nicht eingegangen wurden, dem Kompetenzzentrum gemäß den Artikeln 14, 15 und 17 alle bestehenden Standards oder Teile davon mitteilen, die in dem delegierten Rechtsakt gemäß Absatz 4Artikel 65c festgelegt werden sollen. Die in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen an Verfahren, Mitteilungen und Veröffentlichungen gelten entsprechend. [Abänd. 257]

2.  Bis zum [ABl.: bitte Datum einfügen = 28 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] können die Anwender eines Standards, der vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung veröffentlicht wurde und für den FRAND-Verpflichtungen eingegangen wurden, dem Kompetenzzentrum gemäß Artikel 14 Absatz 4 alle bestehenden Standards oder Teile davon mitteilen, die in dem delegierten Rechtsakt gemäß Absatz 4 festgelegt werden sollen. Die in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen an Verfahren, Mitteilungen und Veröffentlichungen gelten entsprechend.

3.  Bis zum [ABl.: bitte Datum einfügen = 30 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] kann ein SEP-Inhaber oder ein Anwender ein Sachverständigengutachten gemäß Artikel 18 zu SEP beantragen, die für einen bestehenden Standard oder Teile davon essenziell sind, die in dem delegierten Rechtsakt gemäß Absatz 4 festgelegt werden sollen. Die in Artikel 18 genannten Anforderungen und Verfahren gelten entsprechend.

4.   Wird das Funktionieren des Binnenmarkts aufgrund von Ineffizienzen bei der Lizenzierung von SEP erheblich verzerrt, so legt die Kommission nach einem angemessenen Konsultationsverfahren mittels eines delegierten Rechtsakts gemäß Artikel 67 fest, welche der bestehenden Standards, Teile davon oder relevanten Anwendungsfälle gemäß Absatz 1 oder Absatz 2 mitgeteilt werden können oder für welche gemäß Absatz 3 ein Sachverständigengutachten angefordert werden kann. In dem delegierten Rechtsakt wird auch festgelegt, welche der in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen an Verfahren, Mitteilungen und Veröffentlichungen für diese bestehenden Standards gelten. Der delegierte Rechtsakt wird bis zum [ABl.: bitte Datum einfügen = 18 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] erlassen. [Abänd. 258]

5.  Dieser Artikel gilt unbeschadet aller Rechtsakte, die bis zum [ABl.: bitte Datum einfügen = 28 Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung] erlassen werden, und Rechte, die bis dahin erworben werden.

Artikel 67

Ausübung der Befugnisübertragung

1.  Die Befugnis zum Erlass der delegierten Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

2.  Die Befugnis zum Erlass eines delegierten Rechtsakts gemäß Artikel 1 Absatz 4, Artikel 4 Absatz 5, 65b und 65c und Artikel 66 Absatz 4 wird der Kommission für einen unbestimmten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung übertragen. [Abänd. 259]

3.  Die in Artikel 1 Absatz 4, Artikel 4 Absatz 5, 65b und 65c und Artikel 66 Absatz 4 genannte Befugnisübertragung kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Ein Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss genannten Befugnisse. Er wird am Tag nach der Veröffentlichung des Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem darin angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Er berührt nicht die Gültigkeit von bereits in Kraft getretenen delegierten Rechtsakten. [Abänd. 260]

4.  Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den Grundsätzen der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung.

5.  Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

6.  Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 1 Absatz 4, Artikel 4 Absatz 5 und Artikel 66 Absatz 4den Artikeln 65b und 65c erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Diese Frist wird auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates um zwei Monate verlängert. [Abänd. 261]

Artikel 68

Ausschussverfahren

1.  Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

2.  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

Artikel 69

Leitlinien der Kommission

Die Kommission kann im Rahmen dieser Verordnung Leitlinien zu Fragen herausgeben, die in ihren Anwendungsbereich fallen, mit Ausnahme von Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung von Artikel 101 und Artikel 102 AEUV.

Artikel 70

Bewertung

1.  Bis zum ... [ABl.: bitte Datum einfügen = fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung] und danach alle drei Jahre bewertet die Kommission die Wirksamkeit und Effizienz der SEP-Eintragung und des Systems der Essenzialitätsprüfung.Durchführung dieser Verordnung. Bei der Begutachtung wird die Anwendung dieser Verordnung beurteilt, insbesondere [Abänd. 262]

a)   die Wirkung, Wirksamkeit und Effizienz des Kompetenzzentrums und seiner Arbeitsmethoden; [Abänd. 263]

b)   die Wirksamkeit und Effizienz der SEP-Eintragung und des Systems zur Essenzialitätsprüfung; und [Abänd. 264]

c)   die Auswirkungen, die das System der Essenzialitätsprüfung, die Festsetzung der Gesamtlizenzgebühren und das System der FRAND-Festsetzung haben, insbesondere auf die Wettbewerbsfähigkeit der SEP-Inhaber in der Union auf globaler Ebene und auf die Innovation in der Union. [Abänd. 265]

2.   Bis zum [ABl.: bitte Datum einfügen = acht Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung] und danach alle fünf Jahre bewertet die Kommission die Umsetzung dieser Verordnung. Bei der Bewertung wird die Anwendung dieser Verordnung, insbesondere die Auswirkungen, die Wirksamkeit und die Effizienz des Kompetenzzentrums und seiner Arbeitsmethoden, beurteilt. [Abänd. 266]

3.  Bei der Erstellung der in den Absätzen 1 und 2Absatz 1 genannten Bewertungsberichte konsultiert die Kommission das EUIPO und die Beteiligten. [Abänd. 267]

4.  Die Kommission legt die in den Absätzen 1 und 2Absatz 1 genannten Bewertungsberichte zusammen mit ihren auf der Grundlage dieser Berichte gezogenen Schlussfolgerungen dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Verwaltungsrat des EUIPO vor. Dem in Absatz 1 genannten Bewertungsbericht wird gegebenenfalls ein Legislativvorschlag beigefügt. [Abänd. 268]

Artikel 71

Änderungen der Verordnung (EU) 2017/1001

Verordnung (EU) 2017/1001 wird wie folgt geändert:

1.  Artikel 151 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

(a)  Der folgende Buchstabe wird eingefügt:"

„ba) Verwaltung, Förderung und Unterstützung der ihm übertragenen Aufgaben, die ein Kompetenzzentrum gemäß der Verordnung (EU) Nr. … des Europäischen Parlaments und des Rates+* wahrnimmt;

* Verordnung (EU) …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über standardessenzielle Patente (ABl. ...).“

"

(b)  Absatz 3 wird durch folgenden Wortlaut ersetzt:"

„(3) Das Amt kann alternative Streitbeilegungsdienste anbieten, einschließlich Mediation, Schlichtung, Schiedsverfahren, Festlegung von Lizenzgebühren und FRAND-Bestimmung.“

"

2.  In Artikel 157 Absatz 4 wird der folgende Buchstabe hinzugefügt:"

„p) Ausübung der ihm durch die Verordnung (EU) …++ übertragenen Befugnisse.“

"

3.  Artikel 170 wird wie folgt geändert:

(a)  Die Überschrift wird durch den folgenden Wortlaut ersetzt:"

„Zentrum für alternative Streitbeilegung“

"

(b)  Die Absätze 1 und 2 werden durch folgenden Wortlaut ersetzt:"

„(1) Das Amt kann für die Zwecke des Artikels 151 Absatz 3 ein Zentrum für alternative Streitbeilegung (im Folgenden ‚Zentrum‘) einrichten.

(2)  Jede natürliche oder juristische Person kann die Dienste des Zentrums in Anspruch nehmen, um Streitigkeiten im Zusammenhang mit Rechten des geistigen Eigentums beizulegen.“

"

(c)  Absatz 15 wird durch folgenden Wortlaut ersetzt:"

„(15) Das Amt kann mit anderen anerkannten nationalen oder internationalen Einrichtungen zusammenarbeiten, die Dienste zur alternativen Streitbeilegung anbieten.“

"

(d)  Folgender Absatz wird angefügt:"

„(16) Die Artikel 18 und 19 sowie die Artikel 34 bis 58 der Verordnung …++ gelten für das Zentrum in allen Verfahren, die standardessenzielle Patente betreffen.“

[+ ABl.: Bitte im Text die Nummer dieser Verordnung und in der Fußnote die Nummer, das Datum und die ABl.-Fundstelle dieser Verordnung einfügen.]

[++ ABl.: Bitte im Text die Nummer dieser Verordnung einfügen.]“

"

Artikel 72

Inkrafttreten und Geltungsbeginn

1.  Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

2.  Sie gilt ab dem ... [Amt für Veröffentlichung: bitte Datum einfügen = 24 Monate nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung].

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu … am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Die Präsidentin Der Präsident/Die Präsidentin

(1) ABl. C, C/2023/865 vom 8.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/865/oj.
(2)ABl. C vom , S. .
(3)ABl. C vom , S. .
(4)Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Das Innovationspotenzial der EU optimal nutzen – Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU“ vom 25. November 2020, COM(2020) 760 final.
(5)ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36.
(6)Schlussfolgerungen des Rates zur Politik des geistigen Eigentums, wie vom Rat (Wirtschaft und Finanzen) auf seiner Tagung vom 18. Juni 2021 angenommen.
(7)Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2021 zu einem Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU (2021/2007(INI)).
(8)Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12).
(9)Mitteilung der Kommission – Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. C 11 vom 14.1.2011, S. 1 (wird derzeit überarbeitet).
(10)Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2015, Huawei Technologies Co. Ltd gegen ZTE Corp. und ZTE Deutschland GmbH, C-170/13, ECLI:EU:C:2015:477.
(11)Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45).
(12)Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1979, Hauer gegen Land Rheinland-Pfalz, C-44/79, EU:C:1979:290, Rn. 32; Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1989, Hermann Schräder HS Kraftfutter GmbH & Co. KG gegen Hauptzollamt Gronau, C-256/87, EU:C:1999:332, Rn. 15, und Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1989, Hubert Wachauf gegen Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft, C-5/88, EU:C:1989:321, Rn. 17 und 18.
(13)Das Schlichtungsverfahren entspricht den Bedingungen für die obligatorische Inanspruchnahme alternativer Streitbeilegungsverfahren als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage vor den Gerichten, wie sie in den Urteilen des EuGH dargelegt sind; verbundene Rechtssachen C-317/08 bis C-320/08 Alassini u. a. vom 18. März 2010 und C-75/16 Menini und Rampanelli gegen Banco Popolare Società Cooperativa vom 14. Juni 2017, wobei die Besonderheiten der SEP-Lizenzierung berücksichtigt werden.
(14)Urteil des Gerichtshofs vom 18. März 2010, Rosalba Alassini gegen Telecom Italia SpA (C-317/08), Filomena Califano gegen Wind SpA (C-318/08), Lucia Anna Giorgia Iacono gegen Telecom Italia SpA (C-319/08) und Multiservice Srl gegen Telecom Italia SpA (C-320/08), verbundene Rechtssachen C-317/08, C-318/08, C-319/08 und C-320/08, EU:C:2010:146, und Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2017, Livio Menini und Maria Antonia Rampanelli gegen Banco Popolare Società Cooperativa, C-75/16, EU:C:2017:457.
(15)Mitteilung der Kommission – Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. C 11 vom 14.1.2011, S. 1 (wird derzeit überarbeitet).
(16)Mitteilung über den Umgang der EU mit standardessenziellen Patenten, COM(2017) 712 final, 29.11.2017.
(17)ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.
(18)Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
(19)Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. L 154 vom 16.6.2017, S. 1).
(20)Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).
(21)Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12).


Geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse
PDF 134kWORD 57k
Entschließung
Text
Anlage
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über geografische Angaben der Europäischen Union für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über Qualitätsregelungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2017/1001 und (EU) 2019/787 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 (COM(2022)0134 – C9-0130/2022 – 2022/0089(COD))
P9_TA(2024)0101A9-0173/2023

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2022)0134),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2, Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 118 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0130/2022),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 13. Juli 2022(1),

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 30. November 2022(2),

–  unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung vom zuständigen Ausschuss angenommen wurde, und auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 27. November 2023 gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

–  gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Rechtsausschusses und des Ausschusses für internationalen Handel,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (A9-0173/2023),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest(3);

2.  billigt die dieser Entschließung beigefügte gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments und des Rates;

3.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

4.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2019/787 und (EU) 2019/1753 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012

P9_TC1-COD(2022)0089


(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2024/1143.)

ANLAGE ZUR LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG

Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments und des Rates anlässlich des Erlasses der Verordnung (EU) 2024/1143(4)

Das Europäische Parlament und der Rat betonen, dass die Kommission weiterhin die alleinige Verantwortung für alle Verfahren im Zusammenhang mit den geografischen Angaben, die unter diese Verordnung fallen, trägt.

Das Europäische Parlament und der Rat stellen fest, dass die Kommission lediglich bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben unterstützt werden darf, wenn und soweit dies nach dem bestehenden Rechtsrahmen möglich ist.

Aus Gründen der Transparenz wird die Kommission aufgefordert, das Europäische Parlament und den Rat jährlich über die Unterstützung zu unterrichten, die sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben erhalten hat.

(1) ABl. C 443 vom 22.11.2022, S. 116.
(2) ABl. C 79 vom 2.3.2023, S. 74.
(3) Dieser Standpunkt ersetzt die am 1. Juni 2023 angenommenen Abänderungen (Angenommene Texte, P9_TA(2023)0210).
(4) ABl. L, 2024/1143, 23.4.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1143/oj.


Schnellere und sicherere Verfahren für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern
PDF 225kWORD 65k
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über schnellere und sicherere Verfahren für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern (COM(2023)0324 – C9-0204/2023 – 2023/0187(CNS))
P9_TA(2024)0102A9-0007/2024

(Besonderes Gesetzgebungsverfahren – Anhörung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an den Rat (COM(2023)0324),

–  gestützt auf Artikel 115 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Rat angehört wurde (C9‑0204/2023),

–  gestützt auf Artikel 82 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9‑0007/2024),

1.  billigt den Vorschlag der Kommission in der geänderten Fassung;

2.  fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag gemäß Artikel 293 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union entsprechend zu ändern;

3.  fordert den Rat auf, es zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen;

4.  fordert den Rat auf, es erneut anzuhören, falls er beabsichtigt, den Vorschlag der Kommission entscheidend zu ändern;

5.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Vorschlag der Kommission   Geänderter Text
Abänderung 1
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 1
(1)  Die Gewährleistung einer gerechten Besteuerung im Binnenmarkt und das reibungslose Funktionieren der Kapitalmarktunion gehören zu den politischen Prioritäten der Europäischen Union (EU). In diesem Zusammenhang ist die Beseitigung von Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen bei gleichzeitiger Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuermissbrauch von entscheidender Bedeutung. Solche Hindernisse bestehen beispielsweise aufgrund ineffizienter und unverhältnismäßig aufwendiger Verfahren zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern auf Dividenden- oder Zinszahlungen für öffentlich gehandelte Aktien oder Anleihen, die an gebietsfremde Anleger geleistet werden. Darüber hinaus hat sich der Status quo als unzureichend erwiesen, was die Vorbeugung wiederkehrender Risiken von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung angeht – wie die jüngsten Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandale zeigen. Mit diesem Vorschlag sollen die Quellensteuerverfahren der EU effizienter gestaltet sowie gegen das Risiko von Steuerbetrug und Steuermissbrauch gestärkt werden. Er stützt sich auf entsprechende frühere Maßnahmen sowohl auf EU-Ebene als auch auf internationaler Ebene, wie die Empfehlung der Kommission von 2009 zur Vereinfachung der Quellensteuerverfahren28 und die OECD-Initiative „Treaty Relief and Compliance Enhancement (TRACE)“ (Stärkung vertragsbasierter Erleichterungen und bessere Einhaltung der Vorschriften).
(1)  Die Gewährleistung einer gerechten Besteuerung im Binnenmarkt und das reibungslose Funktionieren der Kapitalmarktunion gehören zu den politischen Prioritäten der Europäischen Union (EU). In diesem Zusammenhang ist die Beseitigung von Hindernissen für grenzübergreifende Investitionen bei gleichzeitiger Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuermissbrauch von entscheidender Bedeutung. Solche Hindernisse bestehen beispielsweise aufgrund ineffizienter und unverhältnismäßig aufwendiger Verfahren zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern auf Dividenden- oder Zinszahlungen für öffentlich gehandelte Aktien oder Anleihen, die an gebietsfremde Anleger geleistet werden. Solche Hindernisse sind eine besondere Herausforderung für Kleinanleger. Darüber hinaus hat sich der Status quo als unzureichend erwiesen, was die Vorbeugung wiederkehrender Risiken von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung angeht – wie die jüngsten Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandale zeigen. Mit diesem Vorschlag sollen die Quellensteuerverfahren der EU effizienter gestaltet sowie gegen das Risiko von Steuerbetrug und Steuermissbrauch gestärkt werden. Er stützt sich auf entsprechende frühere Maßnahmen sowohl auf EU-Ebene als auch auf internationaler Ebene, wie die Empfehlung der Kommission von 2009 zur Vereinfachung der Quellensteuerverfahren28 und die OECD-Initiative „Treaty Relief and Compliance Enhancement (TRACE)“ (Stärkung vertragsbasierter Erleichterungen und bessere Einhaltung der Vorschriften).
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28 Empfehlung der Kommission vom 19. Oktober 2009 über Verfahren zur Quellensteuererleichterung (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 279 vom 24.10.2009, S. 8).
28 Empfehlung der Kommission vom 19. Oktober 2009 über Verfahren zur Quellensteuererleichterung (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 279 vom 24.10.2009, S. 8).
Abänderung 2
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 1 a (neu)
(1a)  Sowohl bei dem Cum-Ex- als auch bei dem Cum-Cum-System geht es um die Rückforderung von Quellensteuern auf Dividenden, auf die die Begünstigten keinen Anspruch hatten; diese Systeme kosteten den Steuerzahler in den elf betroffenen Mitgliedstaaten zwischen 2001 und 2012 schätzungsweise insgesamt rund 55 Mrd. EUR1a; laut den Enthüllungen im Jahr 2021 über diese Praktiken kosteten diese Systeme 10 Staaten, darunter auch einige Mitgliedstaaten, schätzungsweise insgesamt 141 Mrd. EUR1b; die Cum-Ex- und Cum-Cum-Systeme wurden für rechtswidrig erklärt und sollten nach nationalen Rechtsvorschriften strafrechtlich verfolgt werden.
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1a https://www.dw.com/en/cum-ex-tax-scandal-cost-european-treasuries-55-billion/a-45935370
1b https://taxation-customs.ec.europa.eu/system/files/2023-06/SWD_2023_216_1_EN_impact_assessment_part1_v2.pdf
Abänderung 3
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 2
(2)  Um die Mitgliedstaaten dahin gehend zu stärken, potenziellen Steuerbetrug oder Steuermissbrauch zu verhindern und zu bekämpfen – was derzeit durch Fragmentierung und den allgemeinen Mangel an zuverlässigen und zeitnah verfügbaren Informationen über Anleger behindert wird – ist es daher erforderlich, einen gemeinsamen Rahmen für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern auf grenzüberschreitende Investitionen in Wertpapieren zu schaffen, der dem Risiko von Steuerbetrug oder Steuermissbrauch entgegenwirkt. Dieser Rahmen sollte zu einer Angleichung der verschiedenen in der EU angewandten Entlastungsverfahren führen und gleichzeitig den Wertpapieremittenten, den für die Quellensteuer zuständigen Stellen, den Finanzintermediären und den Mitgliedstaaten Transparenz und Sicherheit in Bezug auf die Identität der Anleger gewährleisten. Hierfür sollte sich der Rahmen auf automatisierte Verfahren stützen, z. B. die Digitalisierung (in puncto Verfahren und Format) der Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit; dies ist eine Voraussetzung dafür, um Anlegern Zugang zu etwaigen Entlastungs- oder Erstattungsverfahren zu ermöglichen. Ein solcher Rahmen sollte zudem flexibel genug sein, um die verschiedenen in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Systeme angemessen zu berücksichtigen und gleichzeitig eine größere Angleichung zu gewährleisten sowie geeignete Instrumente zur Missbrauchsbekämpfung bereitzustellen, um so die Risiken von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zu mindern.
(2)  Um die Mitgliedstaaten dahin gehend zu stärken, potenziellen Steuerbetrug oder Steuermissbrauch zu verhindern und zu bekämpfen – was derzeit durch Fragmentierung und den allgemeinen Mangel an zuverlässigen und zeitnah verfügbaren Informationen über Anleger behindert wird – ist es daher erforderlich, einen gemeinsamen Rahmen für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern auf grenzübergreifende Investitionen in Wertpapieren zu schaffen, der dem Risiko von Steuerbetrug oder Steuermissbrauch entgegenwirkt. Dieser Rahmen sollte zu einer Angleichung der verschiedenen in der EU angewandten Entlastungsverfahren führen und gleichzeitig den Wertpapieremittenten, den für die Quellensteuer zuständigen Stellen, den Finanzintermediären und den Mitgliedstaaten Transparenz und Sicherheit in Bezug auf die Identität der Anleger garantieren. Hierfür sollte sich der Rahmen auf automatisierte Verfahren stützen, z. B. die Digitalisierung (in puncto Verfahren und Format) der Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit; dies ist eine Voraussetzung dafür, um Anlegern Zugang zu etwaigen Entlastungs- oder Erstattungsverfahren zu ermöglichen. Ein solcher Rahmen sollte zudem flexibel genug sein, um die verschiedenen in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Systeme angemessen zu berücksichtigen und gleichzeitig für eine größere Angleichung zu sorgen sowie geeignete Instrumente zur Missbrauchsbekämpfung bereitzustellen, um so die Risiken von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zu mindern. Für den Erfolg dieser Richtlinie ist es notwendig, dass die Mitgliedstaaten die Dienststellen der Steuerverwaltung mit Instrumenten ausstatten, die eine sichere, zeitnahe Erstattung bzw. Entlastung an der Quelle ermöglichen, und ihre Bemühungen um die Bereitstellung der wichtigsten Merkmale in digitalisierter, automatisierter und besser koordinierter Form verstärken. Zu diesem Zweck ist es auch notwendig, das für die Überwachung der digitalen Instrumente zuständige Personal zu schulen.
Abänderung 4
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 4
(4)  Um sicherzustellen, dass alle Steuerpflichtigen in der EU Zugang zu einem gemeinsamen, geeigneten und wirksamen Nachweis ihrer steuerlichen Ansässigkeit haben, sollten die Mitgliedstaaten Bescheinigungen über die steuerliche Ansässigkeit mithilfe eines automatisierten Verfahrens in derselben erkennbaren und allgemein akzeptierten digitalen Form und mit dem gleichen Inhalt ausstellen. Aus Effizienzgründen sollte die Bescheinigung mindestens für das gesamte Jahr gültig sein, in dem sie ausgestellt wurde, und von den anderen Mitgliedstaaten für diesen Zeitraum anerkannt werden. Die Mitgliedstaaten können eine ausgestellte digitale Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC) aufheben, wenn der Steuerverwaltung ein Gegenbeweis für die steuerliche Ansässigkeit für das betreffende Jahr vorliegt. Damit EU-Unternehmen effizient identifiziert werden können, sollte in der Bescheinigung die europäische einheitliche Kennung für Gesellschaften (EUID) angegeben sein.
(4)  Damit alle Steuerpflichtigen in der EU Zugang zu einem gemeinsamen, geeigneten und wirksamen Nachweis ihrer steuerlichen Ansässigkeit haben, sollten die Mitgliedstaaten Bescheinigungen über die steuerliche Ansässigkeit mithilfe eines automatisierten Verfahrens in derselben erkennbaren und allgemein akzeptierten digitalen Form und mit dem gleichen Inhalt ausstellen. Aus Effizienzgründen sollte die Bescheinigung mindestens für das gesamte Jahr gültig sein, in dem sie ausgestellt wurde, und von den anderen Mitgliedstaaten für diesen Zeitraum anerkannt werden. Die digitale Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC) sollte auch einen Verweis auf anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen enthalten. Die Mitgliedstaaten können eine ausgestellte eTRC aufheben, wenn der Steuerverwaltung ein Gegenbeweis für die steuerliche Ansässigkeit für das betreffende Jahr vorliegt. Damit EU-Unternehmen effizient identifiziert werden können, sollte in der Bescheinigung die europäische einheitliche Kennung für Gesellschaften (EUID) angegeben sein.
Abänderung 5
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 4 a (neu)
(4a)  Damit Unternehmen, die als Briefkastenfirmen eingestuft werden, tatsächlich die steuerlichen Folgen tragen müssen, wie es im Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke und zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU1a (Unshell-Richtlinie) vorgesehen ist, ist es notwendig, die Verfahren für die Auferlegung steuerlicher Konsequenzen in der Unshell-Richtlinie und die Verfahren für die Ausstellung einer elektronischen Bescheinigung über den steuerlichen Wohnsitz in der vorliegenden Richtlinie aneinander anzugleichen. Der Rat sollte daher klären, wie sich die in der Unshell-Richtlinie festgelegten steuerlichen Folgen und die Ausstellung einer elektronischen Bescheinigung über den steuerlichen Wohnsitz im Sinne dieser Richtlinie gegenseitig beeinflussen.
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1a COM(2021)0565.
Abänderung 6
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 6
(6)  Da es sich bei den Finanzintermediären, die am häufigsten an den Zahlungsketten von Wertpapieren beteiligt sind, um große Institute im Sinne der Eigenmittelverordnung (CRR)29 sowie um Zentralverwahrer handelt, die Dienstleistungen als für die Quellensteuer zuständige Stellen erbringen, sollten diese Akteure verpflichtet sein, die Eintragung in den oben beschriebenen nationalen Registern der Mitgliedstaaten zu beantragen. Andere Finanzintermediäre sollten die Eintragung nach eigenem Ermessen beantragen dürfen. Die Eintragung sollte vom Finanzintermediär selbst beantragt werden, indem er bei der vom Mitgliedstaat benannten zuständigen Behörde einen Antrag, einschließlich Nachweis darüber, dass der Finanzintermediär bestimmte Anforderungen erfüllt, einreicht. Mit diesen Anforderungen soll überprüft werden, ob der ersuchende Intermediär die Anforderungen der einschlägigen EU-Vorschriften erfüllt und deren Einhaltung überwacht wird. Ist der Finanzintermediär außerhalb der EU niedergelassen, muss er in dem Drittland, in dem er ansässig ist, vergleichbaren Rechtsvorschriften im Sinne dieser Richtlinie unterliegen, und das Drittland, in dem er ansässig ist, darf weder in Anhang I der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete noch auf der EU-Liste der Drittländer mit hohem Risiko (Liste zur Bekämpfung der Geldwäsche) aufgeführt sein. Die Einhaltung der einschlägigen EU-Anforderungen durch einen Finanzintermediär aus einem Drittland betrifft ausschließlich die in dieser Richtlinie genannten Zwecke und hat keine Auswirkungen auf die Ausübung oder Anwendung anderer Rechte und Pflichten im Rahmen anderer EU-Rechtsvorschriften. Sobald Finanzintermediäre im Register eingetragen sind, sollten sie in dem jeweiligen Mitgliedstaat als „zertifizierte Finanzintermediäre“ gelten und den einschlägigen Melde- und Mitteilungspflichten gemäß dieser Richtlinie unterliegen, während ihnen gleichzeitig das Recht eingeräumt wird, die Anwendung der in dieser Richtlinie festgelegten Entlastungsverfahren zu beantragen. Die Mitgliedstaaten, die ein nationales Register führen, sollten auch Maßnahmen ergreifen, damit alle zertifizierten Finanzintermediäre aus diesem Register gestrichen werden, die dies beantragen oder die die entsprechenden Anforderungen nicht mehr erfüllen. Darüber hinaus können diese Mitgliedstaaten vorsehen, zertifizierte Finanzintermediäre, die mehrfach gegen ihre Pflichten verstoßen haben, aus ihrem nationalen Register zu streichen. Nimmt ein Mitgliedstaat eine solche Streichung vor, sollte er die anderen Mitgliedstaaten, die ein nationales Register führen, entsprechend informieren, damit diese die Streichung desselben zertifizierten Finanzintermediärs aus ihrem eigenen nationalen Register prüfen können. Für die Rechte und Pflichten der Beteiligten, einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln, in Bezug auf Entscheidungen, die ein Mitgliedstaat im Zusammenhang mit der Eintragung und der Streichung aus ihrem nationalen Register trifft, gelten die nationalen Rechtsvorschriften der betreffenden Mitgliedstaaten.
(6)  Als „Cum-Ex-“ und „Cum-Cum-“ oder Dividendenarbitrage-Handelssysteme werden Praktiken bezeichnet, in einer Weise mit Aktien zu handeln, dass dabei die Identität des tatsächlichen Eigentümers verschleiert und es beiden oder mehreren Beteiligten ermöglicht wird, mehrmals Quellensteuererstattungen auf die nur einmal entrichtete Kapitalertragsteuer zu verlangen; an diesen kriminellen Praktiken waren Finanzintermediäre beteiligt. Da es sich bei den Finanzintermediären, die am häufigsten an den Zahlungsketten von Wertpapieren beteiligt sind, um große Institute im Sinne der Eigenmittelverordnung (CRR)29 sowie um Zentralverwahrer handelt, die Dienstleistungen als für die Quellensteuer zuständige Stellen erbringen, sollten diese Akteure verpflichtet sein, die Eintragung in den vorstehend beschriebenen nationalen Registern der Mitgliedstaaten zu beantragen. Andere Finanzintermediäre sollten die Eintragung nach eigenem Ermessen beantragen dürfen. Die Eintragung sollte vom Finanzintermediär selbst beantragt werden, indem er bei der vom Mitgliedstaat benannten zuständigen Behörde einen Antrag, einschließlich Nachweis darüber, dass der Finanzintermediär bestimmte Anforderungen erfüllt, einreicht. Mit diesen Anforderungen soll überprüft werden, ob der ersuchende Intermediär die Anforderungen der einschlägigen EU-Vorschriften erfüllt und deren Einhaltung überwacht wird. Ist der Finanzintermediär außerhalb der EU niedergelassen, muss er in dem Drittland, in dem er ansässig ist, vergleichbaren Rechtsvorschriften im Sinne dieser Richtlinie unterliegen, und das Drittland, in dem er ansässig ist, darf weder in Anhang I der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete noch auf der EU-Liste der Drittländer mit hohem Risiko (Liste zur Bekämpfung der Geldwäsche) aufgeführt sein. Die Registrierung eines Finanzintermediärs aus einem Drittland sollte mit minimalem Verwaltungsaufwand erfolgen. Die Kommission sollte die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, eine koordinierte Auslegung des Begriffs „vergleichbare Rechtsvorschriften“ in Bezug auf Drittländer sicherzustellen. Die Einhaltung der einschlägigen EU-Anforderungen durch einen Finanzintermediär aus einem Drittland betrifft ausschließlich die in dieser Richtlinie genannten Zwecke und hat keine Auswirkungen auf die Ausübung oder Anwendung anderer Rechte und Pflichten im Rahmen anderer EU-Rechtsvorschriften. Sobald Finanzintermediäre im Register eingetragen sind, sollten sie in dem jeweiligen Mitgliedstaat als „zertifizierte Finanzintermediäre“ gelten und den einschlägigen Melde- und Mitteilungspflichten gemäß dieser Richtlinie unterliegen, während ihnen gleichzeitig das Recht eingeräumt wird, die Anwendung der in dieser Richtlinie festgelegten Entlastungsverfahren zu beantragen. Die Mitgliedstaaten, die ein nationales Register führen, sollten auch Maßnahmen ergreifen, damit alle zertifizierten Finanzintermediäre aus diesem Register gestrichen werden, die dies beantragen oder die die entsprechenden Anforderungen nicht mehr erfüllen. Darüber hinaus können diese Mitgliedstaaten vorsehen, zertifizierte Finanzintermediäre aus ihrem nationalen Register zu streichen oder ihnen den Zugang zum Entlastungssystem zu verweigern, wenn festgestellt wurde, dass sie mehrmals gegen ihre Pflichten verstoßen haben. Nimmt ein Mitgliedstaat eine solche Streichung oder Verweigerung vor, sollte er die anderen Mitgliedstaaten, die ein nationales Register führen, entsprechend informieren, damit diese die Streichung desselben zertifizierten Finanzintermediärs aus ihrem eigenen nationalen Register prüfen können. Für die Rechte und Pflichten der Beteiligten, einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln, in Bezug auf Entscheidungen, die ein Mitgliedstaat im Zusammenhang mit der Eintragung und der Streichung aus ihrem nationalen Register trifft, gelten die nationalen Rechtsvorschriften der betreffenden Mitgliedstaaten.
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29 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).
29 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).
Abänderung 7
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 8
(8)  Um die Kapitalmarktunion wirksamer und wettbewerbsfähiger zu machen, sollten Verfahren zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern auf Einkünfte aus Wertpapieren erleichtert und beschleunigt werden, soweit die relevanten zertifizierten Finanzintermediäre angemessene Informationen, auch über die Identität des Anlegers, bereitgestellt haben. Zu den relevanten zertifizierten Finanzintermediären zählen alle zertifizierten Finanzintermediäre in der Zahlungskette zwischen dem Anleger und dem Emittenten der Wertpapiere, die je nach Entscheidung des einzelnen Mitgliedstaats gegebenenfalls auch Informationen über die von nicht zertifizierten Finanzintermediären in der Kette getätigten Zahlungen vorlegen müssen. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ansätze in den Mitgliedstaaten sind zwei verschiedene Verfahren vorgesehen: i) die Steuererleichterung an der Quelle durch direkte Anwendung des angemessenen Steuersatzes zum Zeitpunkt des Steuerabzugs und ii) die Schnellerstattung innerhalb von höchstens 50 Tagen nach Zahlung der Dividende bzw. ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anleiheemittent Zinsen an den Anleiheinhaber zahlen muss (Coupontermin). Soweit die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllt sind, sollte es den Mitgliedstaaten freistehen – wenn sie dies für angemessen halten – eines der beiden Verfahren oder eine Kombination aus beiden Verfahren einzuführen, wobei mindestens eines der beiden Verfahren allen Anlegern zur Verfügung stehen muss. Für die ordnungsgemäße und rechtzeitige Durchführung dieser Verfahren durch die betreffenden Mitgliedstaaten sollten auf verspätete Erstattungen überschüssiger Quellensteuern, die unter diese Richtlinie fallen und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Verfahren erfüllen, Zinsen angewandt werden. Wenn die einschlägigen Anforderungen nicht erfüllt sind oder der betreffende Anleger dies wünscht, sollten die Mitgliedstaaten ihre bestehenden Standard-Erstattungsverfahren zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern anwenden. In jedem Fall sollten eingetragene Eigentümer, insbesondere Kleinanleger, und ihre bevollmächtigten Vertreter weiterhin das Recht haben, überschüssige Quellensteuern, die in einem Mitgliedstaat erhoben wurden, für den sie einen Nachweis über die Erfüllung der nach nationalem Recht festgelegten Anforderungen haben, zurückzufordern.
(8)  Um die Kapitalmarktunion wirksamer und wettbewerbsfähiger zu machen, sollten Verfahren zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern auf Einkünfte aus Wertpapieren erleichtert und beschleunigt werden, soweit die relevanten zertifizierten Finanzintermediäre angemessene Informationen, auch über die Identität des Anlegers, bereitgestellt haben. Zu den relevanten zertifizierten Finanzintermediären zählen alle zertifizierten Finanzintermediäre in der Zahlungskette zwischen dem Anleger und dem Emittenten der Wertpapiere, die je nach Entscheidung des einzelnen Mitgliedstaats gegebenenfalls auch Informationen über die von nicht zertifizierten Finanzintermediären in der Kette getätigten Zahlungen vorlegen müssen. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ansätze in den Mitgliedstaaten sind zwei verschiedene Verfahren vorgesehen: i) die Steuererleichterung an der Quelle durch direkte Anwendung des angemessenen Steuersatzes zum Zeitpunkt des Steuerabzugs und ii) die Schnellerstattung innerhalb von höchstens 50 Tagen nach Zahlung der Dividende bzw. ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anleiheemittent Zinsen an den Anleiheinhaber zahlen muss (Coupontermin). Soweit die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllt sind, sollte es den Mitgliedstaaten freistehen – wenn sie dies für angemessen halten – eines der beiden Verfahren oder eine Kombination aus beiden Verfahren einzuführen, wobei mindestens eines der beiden Verfahren allen Anlegern zur Verfügung stehen muss. Für die ordnungsgemäße und rechtzeitige Durchführung dieser Verfahren durch die betreffenden Mitgliedstaaten sollten auf verspätete Erstattungen überschüssiger Quellensteuern, die unter diese Richtlinie fallen und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Verfahren erfüllen, Zinsen angewandt werden. Wenn die einschlägigen Anforderungen nicht erfüllt sind oder der betreffende Anleger dies wünscht, sollten die Mitgliedstaaten ihre bestehenden Standard-Erstattungsverfahren zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern anwenden. In jedem Fall sollten eingetragene Eigentümer, insbesondere Kleinanleger, und ihre bevollmächtigten Vertreter weiterhin das Recht haben, überschüssige Quellensteuern, die in einem Mitgliedstaat erhoben wurden, für den sie einen Nachweis über die Erfüllung der nach nationalem Recht festgelegten Anforderungen haben, zurückzufordern. Die Mitgliedstaaten können einen Erstattungsantrag ablehnen, wenn ein Überprüfungsverfahren oder eine Steuerprüfung auf der Grundlage von Risikobewertungskriterien und gemäß dem nationalen Recht eingeleitet wird. 
Abänderung 8
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 9
(9)  Damit die Systeme zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern zuverlässig funktionieren, sollten die Mitgliedstaaten, die ein nationales Register führen, auch zertifizierte Finanzintermediäre verpflichten, die Anspruchsberechtigung von Anlegern, die eine Entlastung beantragen möchten, zu überprüfen. Insbesondere sollten zertifizierte Finanzintermediäre die Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit des jeweiligen Anlegers sowie eine Erklärung, dass dieser Anleger der wirtschaftliche Eigentümer der Zahlung gemäß den Rechtsvorschriften des Quellenmitgliedstaats ist, einholen. Sie sollten auch den anwendbaren Quellensteuersatz auf der Grundlage der spezifischen Situation des Anlegers überprüfen und angeben, ob sie Kenntnis von einer Finanzvereinbarung im Zusammenhang mit den zugrunde liegenden Wertpapieren haben, die am Tag der Notierung ex Dividende nicht abgewickelt, abgelaufen oder anderweitig beendet wurde. Zertifizierte Finanzintermediäre sollten für Verluste von Steuereinnahmen, die aufgrund der unzureichenden Erfüllung dieser Verpflichtungen entstanden sind, haftbar gemacht werden, soweit dies gemäß nationalem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Verlust entstanden ist, vorgesehen ist. Zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit des Aufwands und der Haftung, die zertifizierten Finanzintermediären auferlegt werden, sollten für alle Entlastungsverfahren weniger Überprüfungspflichten gelten, sofern das Risiko von Steuermissbrauch gering ist und der Gesamtbetrag der dem Anleger für eine Beteiligung an einem Unternehmen gezahlten Dividende weniger als 1000 EUR beträgt. Sollte ein solcher Steuermissbrauch anderweitig nachgewiesen werden, können die Mitgliedstaaten jedoch gemäß dem nationalen Recht Konsequenzen ziehen, einschließlich der Verweigerung des in dieser Richtlinie vorgesehenen Entlastungssystems; sie können jedoch die zertifizierten Finanzintermediäre nicht für eine fehlende Überprüfung haftbar machen.
(9)  Damit die Systeme zur Entlastung von überschüssigen Quellensteuern zuverlässig funktionieren, sollten die Mitgliedstaaten, die ein nationales Register führen, auch zertifizierte Finanzintermediäre verpflichten, die Anspruchsberechtigung von Anlegern, die eine Entlastung beantragen möchten, zu überprüfen. Insbesondere sollten zertifizierte Finanzintermediäre die Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit des jeweiligen Anlegers sowie eine Erklärung, dass dieser Anleger der wirtschaftliche Eigentümer der Zahlung gemäß den Rechtsvorschriften des Quellenmitgliedstaats ist, einholen. Sie sollten auch den anwendbaren Quellensteuersatz auf der Grundlage der spezifischen Situation des Anlegers überprüfen und angeben, ob sie Kenntnis von einer Finanzvereinbarung im Zusammenhang mit den zugrunde liegenden Wertpapieren haben, die am Tag der Notierung ex Dividende nicht abgewickelt wurde, abgelaufen ist oder anderweitig beendet wurde. Die Sorgfaltspflichten könnten jährlich angewandt werden. Zertifizierte Finanzintermediäre sollten für Verluste von Steuereinnahmen, die aufgrund der unzureichenden Erfüllung dieser Verpflichtungen entstanden sind, haftbar gemacht werden, soweit dies gemäß nationalem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Verlust entstanden ist, vorgesehen ist. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Aufwands und der Haftung, die zertifizierten Finanzintermediären auferlegt werden, sollten für alle Entlastungsverfahren weniger Überprüfungspflichten gelten, sofern das Risiko von Steuermissbrauch gering ist und der Gesamtbetrag der dem Anleger für eine Beteiligung an einem Unternehmen gezahlten Dividende weniger als 1500 EUR beträgt. Sollte ein solcher Steuermissbrauch anderweitig nachgewiesen werden, können die Mitgliedstaaten jedoch gemäß dem nationalen Recht Konsequenzen ziehen, einschließlich der Verweigerung des in dieser Richtlinie vorgesehenen Entlastungssystems; sie können jedoch die zertifizierten Finanzintermediäre nicht für eine fehlende Überprüfung haftbar machen.
Abänderung 9
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 12
(12)  Die ordnungsgemäße Umsetzung und Durchsetzung der vorgeschlagenen Vorschriften in jedem betroffenen Mitgliedstaat ist für die Förderung der Kapitalmarktunion insgesamt sowie für den Schutz der Steuerbemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung und sollte daher von der Kommission überwacht werden. Daher sollten die Mitgliedstaaten der Kommission regelmäßig mittels eines Durchführungsrechtsakts festgelegte Informationen über die Umsetzung und Durchsetzung der gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Maßnahmen in ihrem Hoheitsgebiet übermitteln. Die Kommission sollte auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen und anderer verfügbarer Daten eine Bewertung der Wirksamkeit der vorgeschlagenen neuen Vorschriften vornehmen. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission etwaige Aktualisierungen der mit dieser Richtlinie eingeführten Vorschriften in Erwägung ziehen.
(12)  Die ordnungsgemäße Umsetzung und Durchsetzung der vorgeschlagenen Vorschriften in jedem betroffenen Mitgliedstaat ist für die Förderung der Kapitalmarktunion insgesamt sowie für den Schutz der Steuerbemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung und sollte daher von der Kommission überwacht werden. Daher sollten die Mitgliedstaaten der Kommission regelmäßig mittels eines Durchführungsrechtsakts festgelegte statistische Informationen über die Umsetzung und Durchsetzung der gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Maßnahmen in ihrem Hoheitsgebiet übermitteln. Die Kommission sollte auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen und anderer verfügbarer Daten eine Bewertung der Wirksamkeit der vorgeschlagenen neuen Vorschriften vornehmen. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission etwaige Aktualisierungen der mit dieser Richtlinie eingeführten Vorschriften in Erwägung ziehen.
Abänderung 10
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 14
(14)  Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Richtlinie sollte im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates31 erfolgen. Finanzintermediäre und Mitgliedstaaten dürfen personenbezogene Daten im Rahmen dieser Richtlinie ausschließlich zu dem Zweck verarbeiten, einem allgemeinen öffentlichen Interesse zu dienen, nämlich dem Zweck der Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung, der Sicherung der Steuereinnahmen und der Förderung einer gerechten Besteuerung, welche die Möglichkeiten für die soziale, politische und wirtschaftliche Integration in den Mitgliedstaaten verbessert. Zur wirksamen Verfolgung dieses Ziels ist es erforderlich, bestimmte Rechte natürlicher Personen, die in der genannten Verordnung vorgesehen sind, einzuschränken, insbesondere das Recht, über die Verarbeitung ihrer Daten und deren Umfang unterrichtet zu werden, sowie das Recht auf Einwilligung in bestimmte Arten der Datenverarbeitung.
(14)  Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Richtlinie sollte im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates erfolgen. Finanzintermediäre und Mitgliedstaaten dürfen personenbezogene Daten im Rahmen dieser Richtlinie ausschließlich zu dem Zweck verarbeiten, einem allgemeinen öffentlichen Interesse zu dienen, nämlich dem Zweck der Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung, der Sicherung der Steuereinnahmen und der Förderung einer gerechten Besteuerung, mit der die Möglichkeiten für die soziale, politische und wirtschaftliche Integration in den Mitgliedstaaten verbessert werden. Nur Einrichtungen, die an den Verfahren der Quellensteuerentlastung gemäß dieser Richtlinie teilnehmen, sollten Zugang zu diesen Daten haben. Nur ein Minimum an personenbezogenen Daten, die erforderlich sind, um eine zu niedrige oder nicht erfolgte Meldung, Steuerbetrug oder Steuermissbrauch festzustellen, sollte übermittelt werden. Außerdem sollten personenbezogene Daten nur so lange gespeichert werden, wie es für diesen Zweck erforderlich ist. Zur wirksamen Verfolgung dieses Ziels ist es erforderlich, bestimmte Rechte natürlicher Personen, die in der genannten Verordnung vorgesehen sind, insofern einzuschränken, als die Ausübung dieser Rechte Ermittlungen gefährden kann, insbesondere das Recht, über die Verarbeitung ihrer Daten und deren Umfang unterrichtet zu werden, sowie das Recht auf Einwilligung in bestimmte Arten der Datenverarbeitung. Sobald die Umstände, aufgrund deren die Einschränkung gerechtfertigt war, nicht mehr gegeben sind, sollten die Rechte der betroffenen Personen wiederhergestellt werden.
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31 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
31 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
Abänderung 11
Vorschlag für eine Richtlinie
Erwägung 16 a (neu)
(16a)   Diese Richtlinie sollte regelmäßig überprüft werden, um die steuerliche Entlastung von Kleinanlegern weiter zu begünstigen.
Abänderung 12
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 3 – Nummer 19
(19)  „Doppelbesteuerungsabkommen“ ein zwischen zwei (oder mehr) Ländern geschlossenes und von ihnen in Kraft gesetztes Abkommen oder Übereinkommen mit dem Ziel, die Doppelbesteuerung von Einkünften und gegebenenfalls von Kapital zu beseitigen;
(19)  „Doppelbesteuerungsabkommen“ ein zwischen zwei (oder mehr) Staaten geschlossenes und von ihnen in Kraft gesetztes Abkommen oder Übereinkommen mit dem Ziel, die Doppelbesteuerung von Einkünften und etwaigem Kapital zu beseitigen;
Abänderung 13
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 2 – Einleitung
(2)  Die Mitgliedstaaten stellen die eTRC vorbehaltlich des Absatzes 4 innerhalb eines Arbeitstages nach Einreichung eines entsprechenden Antrags aus. Die eTRC entspricht den in Anhang I festgelegten technischen Anforderungen und umfasst folgende Angaben:
(2)  Die Mitgliedstaaten stellen die eTRC auf der Grundlage der vorhandenen Informationen vorbehaltlich des Absatzes 4 innerhalb von drei Werktagen nach Einreichung eines entsprechenden Antrags aus. Die eTRC entspricht den in Anhang I festgelegten technischen Anforderungen und umfasst folgende Angaben:
Abänderung 14
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 2 – Buchstabe a
a)  Vor- und Nachname des Steuerpflichtigen und Geburtsdatum und ‑ort, falls der Steuerpflichtige eine natürliche Person ist, oder Name und europäische einheitliche Kennung für Gesellschaften (EUID), wenn der Steuerpflichtige eine juristische Person ist;
a)  Vor- und Nachname des Steuerpflichtigen und Geburtsdatum und ‑ort, falls der Steuerpflichtige eine natürliche Person ist, oder Name und europäische einheitliche Kennung für Gesellschaften (EUID), wenn der Steuerpflichtige eine juristische Person ist, soweit verfügbar;
Abänderung 15
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 2 – Buchstabe f a (neu)
fa)   das Doppelbesteuerungsabkommen;
Abänderung 16
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 2 – Buchstabe g
g)  sämtliche zusätzlichen Angaben, die möglicherweise relevant sind, wenn die Bescheinigung für andere Zwecke als für die Quellensteuerentlastung gemäß dieser Richtlinie ausgestellt wird, bzw. Angaben, die gemäß dem Unionsrecht in eine Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit aufzunehmen sind.
entfällt
Abänderung 17
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 4
(4)  Ist mehr als ein Arbeitstag erforderlich, um die steuerliche Ansässigkeit eines bestimmten Steuerpflichtigen zu überprüfen, so teilt der Mitgliedstaat dem Antragsteller mit, wie viel Zeit zusätzlich benötigt wird und aus welchen Gründen es zu der Verzögerung kommt.
(4)  Sind mehr als fünf Werktage erforderlich, um die steuerliche Ansässigkeit eines bestimmten Steuerpflichtigen zu überprüfen, so teilt der Mitgliedstaat dem Antragsteller mit, wie viel Zeit zusätzlich benötigt wird und aus welchen Gründen es zu der Verzögerung kommt, die in keinem Fall fünf Werktage übersteigen darf.
Abänderung 18
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 5
(5)  Die Mitgliedstaaten erkennen eine von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte eTRC als geeigneten Nachweis für die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in jenem anderen Mitgliedstaat gemäß Absatz 3 an.
(5)  Die Mitgliedstaaten erkennen eine von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte eTRC als geeigneten Nachweis für die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in jenem anderen Mitgliedstaat gemäß Absatz 3 an. In jedem Fall haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den steuerlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet nachzuweisen. 
Abänderung 19
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 5 a (neu)
(5a)  Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, damit natürliche oder juristische Person, die als in ihrem Steuerhoheitsgebiet ansässig gelten, verpflichtet sind, die die eTRC ausstellende Steuerbehörden über jede Änderung zu unterrichten, die sich auf die Gültigkeit oder den Inhalt der eTRC auswirken könnte.
Abänderung 20
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 4 – Absatz 6
(6)  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte zur Festlegung elektronischer Standardformulare, einschließlich der Sprachenregelung, sowie technischer Protokolle, einschließlich Sicherheitsstandards, für die Ausstellung einer eTRC. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 18 genannten Prüfverfahren erlassen.
(6)  Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte zur Festlegung elektronischer maschinenlesbarer Standardformulare, einschließlich der Sprachenregelung, sowie technischer Protokolle, einschließlich Sicherheitsstandards, für die Ausstellung einer eTRC. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 18 genannten Prüfverfahren erlassen.
Abänderung 21
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 5 – Absatz 4 – Buchstabe d a (neu)
da)   Informationen über die Gebühren, die für die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen dieser Richtlinie erhoben werden.
Abänderung 22
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 7 – Absatz 1 – Einleitung
(1)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Finanzintermediär innerhalb von drei Monaten nach Einreichung eines entsprechenden Antrags in ihr nationales Register zertifizierter Finanzintermediäre eingetragen wird, sofern der Finanzintermediär sämtliche im Folgenden genannten Anforderungen erfüllt und hierfür entsprechende Nachweise vorlegt:
(1)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Finanzintermediär innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung eines entsprechenden Antrags in ihr nationales Register zertifizierter Finanzintermediäre eingetragen wird, sofern der Finanzintermediär sämtliche im Folgenden genannten Anforderungen erfüllt und hierfür entsprechende Nachweise vorlegt:
Abänderung 23
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 7 – Absatz 1 – Buchstabe b
b)  sofern der antragstellende Finanzintermediär ein Kreditinstitut ist, verfügt er im Land seiner steuerlichen Ansässigkeit über eine Zulassung für Verwahrungstätigkeiten gemäß Anhang I Nummern 12 bzw. 14 der Richtlinie 2013/36/EU oder vergleichbaren Rechtsvorschriften eines Drittlands; sofern der Finanzintermediär eine Wertpapierfirma ist, verfügt er im Land seiner steuerlichen Ansässigkeit über eine Zulassung für Verwahrungstätigkeiten gemäß Anhang I Abschnitt B Nummer 1 der Richtlinie 2014/65/EU oder vergleichbaren Rechtsvorschriften eines Drittlands; sofern der Finanzintermediär ein Zentralverwahrer ist, verfügt er im Land seiner steuerlichen Ansässigkeit über eine Zulassung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 oder vergleichbaren Rechtsvorschriften eines Drittlands der Ansässigkeit;
b)  sofern der antragstellende Finanzintermediär ein Kreditinstitut ist, verfügt er im Land seiner steuerlichen Ansässigkeit über eine Zulassung für Verwahrungstätigkeiten gemäß Anhang I Nummern 12 bzw. 14 der Richtlinie 2013/36/EU oder vergleichbaren Rechtsvorschriften eines Drittlands; sofern der Finanzintermediär eine Wertpapierfirma ist, verfügt er im Land seiner steuerlichen Ansässigkeit über eine Zulassung für Verwahrungstätigkeiten gemäß Anhang I Abschnitt B Nummer 1 der Richtlinie 2014/65/EU oder vergleichbaren Rechtsvorschriften eines Drittlands; sofern der Finanzintermediär ein Zentralverwahrer ist, verfügt er im Land seiner steuerlichen Ansässigkeit über eine Zulassung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 oder vergleichbaren Rechtsvorschriften eines Drittlands der Ansässigkeit; die Kommission gibt Leitlinien zu Mindeststandards für vergleichbare Rechtsvorschriften heraus;
Abänderung 24
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 7 – Absatz 2
(2)  Finanzintermediäre teilen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats unverzüglich jede Änderung der gemäß den Buchstaben a bis c vorgelegten Informationen mit.
(2)  Finanzintermediäre teilen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats unverzüglich jede Änderung der gemäß den Buchstaben a bis c vorgelegten Informationen mit, erforderlichenfalls unter Vorlage der einschlägigen Dokumente.
Abänderung 25
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 7 – Absatz 2 a (neu)
(2a)  Die Mitgliedstaaten unterrichten alle anderen Mitgliedstaaten so bald wie möglich über die Ablehnung der Registrierung gemäß Artikel 9 der Richtlinie 2011/16/EU des Rates1a.
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1a Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. L 64 vom 11.3.2011, S. 1), ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2011/16/oj.
Abänderung 26
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 8 – Absatz 3
(3)  Der Mitgliedstaat, der einen zertifizierten Finanzintermediär aus seinem nationalen Register streicht, unterrichtet hierüber unverzüglich alle anderen Mitgliedstaaten, die ein nationales Register gemäß Artikel 5 führen.
(3)  Der Mitgliedstaat, der einen zertifizierten Finanzintermediär aus seinem nationalen Register streicht, unterrichtet hierüber gemäß der Richtlinie 2011/16/EU unter Angabe der Gründe für die Streichung gemäß den Absätzen 1 und 2 unverzüglich alle anderen Mitgliedstaaten, die ein nationales Register gemäß Artikel 5 führen.
Abänderung 27
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 8 – Absatz 3 a (neu)
(3a)  Die Mitgliedstaaten aktualisieren ihre nationalen Register, um den Status der Finanzintermediäre, die keine Zertifizierung mehr besitzen, abzubilden. In Fällen, in denen die Streichung als zertifizierter Finanzintermediär auf eine Entscheidung eines Mitgliedstaates zurückgeht, sind die konkreten Gründe für eine solche Maßnahme im Register klar anzugeben.
Abänderung 28
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 9 – Absatz 1
(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um in ihrem nationalen Register eingetragene zertifizierte Finanzintermediäre dazu zu verpflichten, der zuständigen Behörde möglichst bald nach dem Nachweisstichtag die in Anhang II aufgeführten Angaben zu melden, es sei denn, für einen Teil einer Transaktion ist am Nachweisstichtag noch eine Abwicklungsanweisung offen, wobei die Meldung für diese Transaktion dann so bald wie möglich nach der Abwicklung zu erfolgen hat. Ist die Abwicklung für einen Teil einer Transaktion auch 20 Tage nach dem Nachweisstichtag noch nicht abgeschlossen, erfolgt die Meldung durch die zertifizierten Finanzintermediäre innerhalb der nächsten fünf Kalendertage, wobei anzugeben ist, für welchen Teil der Transaktion die Abwicklung noch aussteht.
(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um in ihrem nationalen Register eingetragene zertifizierte Finanzintermediäre dazu zu verpflichten, der zuständigen Behörde möglichst bald binnen höchstens 20 Kalendertagen nach dem Nachweisstichtag die in Anhang II aufgeführten Angaben zu melden, es sei denn, für einen Teil einer Transaktion ist am Nachweisstichtag noch eine Abwicklungsanweisung offen, wobei die Meldung für diese Transaktion dann so bald wie möglich nach der Abwicklung zu erfolgen hat. Ist die Abwicklung für einen Teil einer Transaktion auch 15 Tage nach dem Nachweisstichtag noch nicht abgeschlossen, erfolgt die Meldung durch die zertifizierten Finanzintermediäre innerhalb der nächsten fünf Kalendertage, wobei anzugeben ist, für welchen Teil der Transaktion die Abwicklung noch aussteht.
Abänderung 29
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 9 – Absatz 2
(2)  Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass zertifizierte Finanzintermediäre die in Anhang II Abschnitt E genannten Angaben nicht melden müssen, wenn die Gesamtdividende, die an den eingetragenen Eigentümer für dessen Beteiligung an einer Gesellschaft ausgezahlt wird, 1000 EUR nicht übersteigt.
(2)  Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass zertifizierte Finanzintermediäre die in Anhang II Abschnitt E genannten Angaben nicht melden müssen, wenn die Gesamtdividende, die an den eingetragenen Eigentümer für dessen Beteiligung an einer Gesellschaft ausgezahlt wird, 1500 EUR nicht übersteigt.
Abänderung 30
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 9 – Absatz 5
(5)  Die Mitgliedstaaten verpflichten die in ihrem nationalen Register eingetragenen zertifizierten Finanzintermediäre dazu, die Unterlagen, die die gemeldeten Angaben belegen, fünf Jahre lang aufzubewahren und Zugang zu jeglichen anderen Informationen sowie zu ihren Räumlichkeiten zum Zweck von Prüfungen zu gewähren; außerdem verpflichten sie die zertifizierten Finanzintermediäre dazu, alle in diesen Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten unmittelbar nach Abschluss der Prüfung, spätestens jedoch fünf Jahre nach der Meldung zu löschen oder zu anonymisieren.
(5)  Die Mitgliedstaaten verpflichten die in ihrem nationalen Register eingetragenen zertifizierten Finanzintermediäre dazu, die Unterlagen, die die gemeldeten Angaben belegen, sechs Jahre lang aufzubewahren und Zugang zu jeglichen anderen Informationen sowie zu ihren Räumlichkeiten zum Zweck von Prüfungen zu gewähren; außerdem verpflichten sie die zertifizierten Finanzintermediäre dazu, alle in diesen Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten unmittelbar nach Abschluss der Prüfung, spätestens jedoch sechs Jahre nach der Meldung zu löschen oder zu anonymisieren.
Abänderung 31
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 10 – Absatz 2 – Buchstabe a
a)  die Dividende von einer öffentlich gehandelten Aktie ausgeschüttet wurde, die der eingetragene Eigentümer innerhalb von zwei Tagen vor dem Tag der Notierung ex Dividende erworben hat,
a)  die Dividende von einer öffentlich gehandelten Aktie ausgeschüttet wurde, die der eingetragene Eigentümer innerhalb von fünf Tagen vor dem Tag der Notierung ex Dividende erworben hat,
Abänderung 32
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 10 – Absatz 3 a (neu)
(3a)  Die Kontrollbefugnisse der Mitgliedstaaten gemäß ihren nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf das steuerpflichtige Einkommen, auf das die Befreiung angewandt wurde, werden nicht eingeschränkt.
Abänderung 33
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 11 – Absatz 1 – Einleitung
(1)  Die Mitgliedstaaten verpflichten den zertifizierten Finanzintermediär, der im Namen eines eingetragenen Eigentümers eine Entlastung gemäß Artikel 12 und/oder Artikel 13 beantragt, dazu, von diesem eingetragenen Eigentümer eine Erklärung darüber zu verlangen, dass der eingetragene Eigentümer
(1)  Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit der zertifizierte Finanzintermediär, der im Namen eines eingetragenen Eigentümers eine Entlastung gemäß Artikel 12 und/oder Artikel 13 beantragt, von diesem eingetragenen Eigentümer eine Erklärung darüber verlangt, dass der eingetragene Eigentümer
Abänderung 34
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 11 – Absatz 1 – Buchstabe a
a)  der wirtschaftliche Eigentümer der Dividende bzw. der Zinsen im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften des Quellenmitgliedstaats ist und
a)  der wirtschaftliche Eigentümer der Dividende bzw. der Zinsen im Sinne der nationalen Rechtsvorschriften des Quellenmitgliedstaats oder im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommen ist und
Abänderung 35
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 11 – Absatz 2 – Einleitung
(2)  Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zertifizierte Finanzintermediäre, die im Namen eines eingetragenen Eigentümers eine Entlastung nach Artikel 12 und/oder Artikel 13 beantragen, Folgendes überprüfen:
(2)  Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit zertifizierte Finanzintermediäre, die im Namen eines eingetragenen Eigentümers eine Entlastung nach Artikel 12 und/oder Artikel 13 beantragen, Folgendes überprüfen:
Abänderung 36
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 11 – Absatz 2 – Buchstabe a a (neu)
aa)  das potenziell hohe Risiko von Regelungen zum Erwerb von Aufenthaltsrechten oder der Staatsbürgerschaft im Gegenzug für Investitionen, wie es von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) festgestellt wurde und das mit der möglichen missbräuchlichen Nutzung einer von einem Mitgliedstaat oder einem Drittland, der bzw. das solche Regelungen anbietet, ausgestellten eTRC durch eingetragene Eigentümer zusammenhängt;
Abänderung 37
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 11 – Absatz 2 – Buchstabe d
d)  im Falle einer Dividendenzahlung und auf der Grundlage der Informationen, die dem zertifizierten Finanzintermediär zur Verfügung stehen, das mögliche Bestehen einer Finanzvereinbarung, die am Tag der Notierung ex Dividende noch nicht abgewickelt, abgelaufen oder anderweitig beendet war, es sei denn, die an den eingetragenen Eigentümer für jede Gruppe gleicher Aktien gezahlte Dividende übersteigt nicht 1000 EUR.
d)  im Fall einer Dividendenzahlung und auf der Grundlage der Informationen, die dem zertifizierten Finanzintermediär zur Verfügung stehen, das mögliche Bestehen einer Finanzvereinbarung, die am Tag der Notierung ex Dividende noch nicht abgewickelt, abgelaufen oder anderweitig beendet war, es sei denn, die an den eingetragenen Eigentümer für jede Gruppe gleicher Aktien gezahlte Dividende übersteigt nicht 1500 EUR.
Abänderung 38
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 11 – Absatz 2 a (neu)
(2a)  Die Mitgliedstaaten können gestatten, die Erklärung gemäß Absatz 1 jährlich einzuholen und die Überprüfungen gemäß Absatz 2 jährlich und – wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass sich die Umstände geändert haben oder unrichtige oder unzuverlässige Informationen vorliegen – ad hoc durchzuführen.
Abänderung 39
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 11 – Absatz 3 a (neu)
(3a)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, Leitlinien für die Erfüllung der in Absatz 2 festgelegten Anforderungen zu erlassen.
Abänderung 40
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 13 – Absatz 1
(1)  Die Mitgliedstaaten können es zertifizierten Finanzintermediären, die ein Anlagekonto eines registrierten Eigentümers führen, gestatten, im Namen dieses registrierten Eigentümers eine Schnellerstattung der überschüssigen Quellensteuer gemäß Artikel 10 zu beantragen, wenn die in Absatz 3 dieses Artikels genannten Angaben so bald wie möglich nach dem Tag der Zahlung, spätestens jedoch innerhalb von 25 Kalendertagen ab dem Tag der Dividenden- bzw. Zinszahlung, übermittelt werden.
(1)  Die Mitgliedstaaten können es zertifizierten Finanzintermediären, die ein Anlagekonto eines registrierten Eigentümers führen, gestatten, im Namen dieses registrierten Eigentümers eine Schnellerstattung der überschüssigen Quellensteuer gemäß Artikel 10 zu beantragen, wenn die in Absatz 3 dieses Artikels genannten Angaben innerhalb von 25 Kalendertagen ab dem Tag der Dividenden- bzw. Zinszahlung, übermittelt werden.
Abänderung 41
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 13 – Absatz 2
(2)  Die Mitgliedstaaten bearbeiten einen Erstattungsantrag gemäß Absatz 1 innerhalb von 25 Kalendertagen ab dem Tag dieses Antrags oder ab dem Zeitpunkt, zu dem alle relevanten zertifizierten Finanzintermediäre ihren Pflichten zur Meldung gemäß dieser Richtlinie nachgekommen sind, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. Nach dem 25. Tag erheben die Mitgliedstaaten für jeden Verzugstag auf den Erstattungsbetrag Zinsen gemäß Artikel 14.
(2)  Die Mitgliedstaaten bearbeiten einen Erstattungsantrag gemäß Absatz 1 innerhalb von 25 Kalendertagen ab dem Tag dieses Antrags oder ab dem Zeitpunkt, zu dem alle relevanten zertifizierten Finanzintermediäre ihren Pflichten zur Meldung gemäß dieser Richtlinie nachgekommen sind, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. Nach dem 25. Tag erheben die Mitgliedstaaten für jeden Verzugstag auf den Erstattungsbetrag Zinsen gemäß Artikel 14, es sei denn, der Mitgliedstaat hat begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erstattungsantrags.
Abänderung 42
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 13 – Absatz 3 a (neu)
(3a)  Die Mitgliedstaaten können einen Erstattungsantrag ablehnen, wenn ein Überprüfungsverfahren oder eine Steuerprüfung auf der Grundlage von Risikobewertungskriterien und gemäß den nationalen Rechtsvorschriften eingeleitet wird.
Abänderung 43
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 15 – Absatz 1
Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in den Fällen, in denen die Artikel 12 und 13 nicht auf Dividenden Anwendung finden, weil die Bedingungen der vorliegenden Richtlinie nicht erfüllt werden, der eingetragene Eigentümer oder sein Bevollmächtigter, der die Erstattung überschüssiger Quellensteuer auf diese Dividenden beantragt, mindestens die nach Anhang II Abschnitt E erforderlichen Angaben vorlegt, es sei denn, die Gesamtdividende, die an den eingetragenen Eigentümer für dessen Beteiligung an einer Gesellschaft ausgezahlt wird, übersteigt nicht 1000 EUR, und es sei denn, diese Angaben wurden bereits im Zusammenhang mit den Verpflichtungen gemäß Artikel 9 übermittelt.
Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in den Fällen, in denen die Artikel 12 und 13 nicht auf Dividenden Anwendung finden, weil die Bedingungen der vorliegenden Richtlinie nicht erfüllt werden, der eingetragene Eigentümer oder sein Bevollmächtigter, der die Erstattung überschüssiger Quellensteuer auf diese Dividenden beantragt, mindestens die nach Anhang II Abschnitt E erforderlichen Angaben vorlegt, es sei denn, die Gesamtdividende, die an den eingetragenen Eigentümer für dessen Beteiligung an einer Gesellschaft ausgezahlt wird, übersteigt nicht 1500 EUR, und es sei denn, diese Angaben wurden bereits im Zusammenhang mit den Verpflichtungen gemäß Artikel 9 übermittelt.
Abänderung 44
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 18 a (neu)
Artikel 18a
Überwachung und Informationsaustausch
(1)  Um die Integrität des Binnenmarkts zu wahren, wird von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) regelmäßig geprüft, ob ein Risiko für Cum-Cum- und Cum-Ex-Systeme in der Union besteht.
(2)  Die Mitgliedstaaten führen eine koordinierte Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung zwischen den zuständigen nationalen Behörden, Steuerbehörden und anderen Strafverfolgungsbehörden wie der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) ein, um illegale Systeme zur Rückforderung der Quellensteuer aufzudecken und strafrechtlich zu verfolgen.
Abänderung 45
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Überschrift
Bewertung
Allgemeine Evaluierung, Überprüfung und Überarbeitung
Abänderung 46
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1
(1)  Nach dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie prüft die Kommission alle fünf Jahre die Funktionsweise der Richtlinie. Bis zum Dezember 2031 und anschließend alle fünf Jahre wird dem Europäischen Parlament und dem Rat ein Bericht über die Bewertung der Richtlinie vorgelegt, in dem auch die Frage behandelt wird, inwieweit möglicherweise Änderungsbedarf bei spezifischen Bestimmungen der Richtlinie besteht.
(1)  Nach dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie prüft die Kommission alle fünf Jahre die Funktionsweise der Richtlinie. Bis zum Dezember 2031 und anschließend alle fünf Jahre wird dem Europäischen Parlament und dem Rat ein Bericht über die Evaluierung der Richtlinie und zu den geltenden Vorschriften für die Quellensteuern in den Mitgliedstaaten vorgelegt, in dem auch die Frage behandelt wird, inwieweit möglicherweise Änderungsbedarf bei spezifischen Bestimmungen der Richtlinie besteht. In dem Evaluierungsbericht geht die Kommission wie folgt vor:
Abänderung 47
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe a (neu)
a)  Sie prüft weitere mögliche Maßnahmen zur Vereinfachung selbst bearbeiteter Quellensteuerforderungen für Kleinanleger, die ohne Vermittlung zertifizierter Finanzintermediäre unmittelbar mit den Steuerbehörden zusammenarbeiten.
Abänderung 48
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe b (neu)
b)  Sie bewertet, wie die Verfahren der Quellensteuerentlastung für Kleinanleger weiter vereinfacht werden können.
Abänderung 49
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe c (neu)
c)  Sie führt eine umfassende Analyse der Entwicklung der Dienstleistungsgebühren durch, die Finanzintermediäre eingetragenen Eigentümern für die Durchführung des Schnellerstattungsverfahrens und des Verfahrens für die Entlastung an der Quelle in Rechnung stellen.
Abänderung 50
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe d (neu)
d)  Sie prüft, ob ein System für die Entlastung an der Quelle als Verfahren für alle Mitgliedstaaten in Betracht gezogen werden könnte, und sie führt weitere Maßnahmen ein, um ein solches System für kleine und mittlere Unternehmen zu ermöglichen.
Abänderung 51
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe e (neu)
e)  Sie prüft, ob die Mitgliedstaaten nach wie vor von Dividendenarbitrage- und Dividenden-Stripping-Systemen wie den Cum-Ex- und Cum-Cum-Systemen betroffen oder dafür anfällig sind, und ob die bestehenden Maßnahmen im Bereich der Quellensteuern ausreichen, um Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zu bekämpfen, oder ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich wären, z. B. die Besteuerung von Kapitalerträgen aus der Veräußerung von Aktien und Wertpapierleihgebühren, die der Besteuerung von Dividenden gleichwertig ist, um von Dividendenarbitrage abzuschrecken und diese zu verringern; in diesem Zusammenhang sammelt sie Nachweise von Mitgliedstaaten und erhält Unterstützung durch die EBA, die ESMA, die EUStA und die jeweils zuständigen nationalen Behörden.
Abänderung 52
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe f (neu)
f)  Sie zieht erforderlichenfalls weitere Maßnahmen in Erwägung, damit alle in der Union erwirtschafteten Dividenden, Zinsen, Kapitalerträge, Lizenzgebühren, Zahlungen für freiberufliche Dienstleistungen und Zahlungen für einschlägige Verträge mindestens einmal mit einem effektiven Satz besteuert werden.
Abänderung 53
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe g (neu)
g)  Sie prüft die Möglichkeiten des Einsatzes von Distributed-Ledger-Systemen oder anderen technologischen Instrumenten, um das System durch eine bessere Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers effizienter zu machen und besser gegen Betrug abzusichern.
Abänderung 54
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe h (neu)
h)  Sie prüft mögliche Maßnahmen zur Digitalisierung von Entlastungs- und Erstattungsverfahren sowie von Forderungen.
Abänderung 55
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Buchstabe i (neu)
i)  Sie bewertet die Akzeptanz elektronischer oder digitaler Signaturen und Verwendung des elektronischen Identitätsnachweises zur Erleichterung des Überprüfungsverfahrens für die einzelnen Anleger.
Abänderung 56
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 1 – Unterabsatz 1 a (neu)
Dem Evaluierungsbericht wird erforderlichenfalls ein Gesetzgebungsvorschlag beigefügt.
Abänderung 57
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 2
(2)  Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission gemäß Absatz 3 für die Bewertung der Richtlinie relevante Informationen, insbesondere hinsichtlich der Verbesserung der Verfahren der Quellensteuerentlastung zur Verringerung der Doppelbesteuerung und zur Bekämpfung des Steuermissbrauchs.
(2)  Die Mitgliedstaaten übermitteln dem Europäischen Parlament und der Kommission gemäß Absatz 3 die relevanten statistischen Informationen für die in Absatz 1 genannte Evaluierung.
Abänderung 58
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 2 a (neu)
(2a)  Die Kommission bewertet in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten aktiv, ob sich diese Richtlinie auf die Risiken von Steuerbetrug und -missbrauch sowie auf die Steuereinnahmen auswirkt.
Abänderung 59
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 3
(3)  Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die von den Mitgliedstaaten für die Zwecke der Bewertung bereitzustellenden Informationen sowie das Format und die Bedingungen für die Übermittlung dieser Informationen fest.
(3)  Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die von den Mitgliedstaaten für die Zwecke der Evaluierung bereitzustellenden statistischen Informationen sowie das Format und die Bedingungen für die Übermittlung dieser Informationen fest.
Abänderung 60
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 19 – Absatz 5
(5)  Die der Kommission gemäß Absatz 2 von einem Mitgliedstaat übermittelten Informationen sowie etwaige Berichte oder Dokumente, die die Kommission unter Verwendung solcher Informationen erstellt hat, können an andere Mitgliedstaaten weitergegeben werden. Die weitergegebenen Informationen unterliegen der Geheimhaltungspflicht und genießen den Schutz, den das nationale Recht des Mitgliedstaats, der sie erhalten hat, für vergleichbare Informationen gewährt.
(5)  Die der Kommission gemäß Absatz 2 von einem Mitgliedstaat übermittelten Informationen sowie etwaige Berichte oder Dokumente, die die Kommission unter Verwendung solcher Informationen erstellt hat, können an das Europäische Parlament und andere Mitgliedstaaten weitergegeben werden. Die weitergegebenen Informationen unterliegen der Geheimhaltungspflicht und genießen den Schutz, den das nationale Recht des Mitgliedstaats, der sie erhalten hat, für vergleichbare Informationen gewährt.
Abänderung 61
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 20 – Absatz 1
(1)  Die Mitgliedstaaten beschränken die Rechte betroffener Personen gemäß den Artikeln 15 bis 19 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates45 nur in dem Umfang und nur so lange, wie dies für ihre zuständigen Behörden unbedingt erforderlich ist, um das Risiko von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung oder -umgehung in den Mitgliedstaaten zu mindern, insbesondere indem sie überprüfen, ob der korrekte Quellensteuersatz für den eingetragenen Eigentümer angewandt wird, oder indem sie überprüfen, ob der eingetragene Eigentümer die Entlastung bei entsprechendem Anspruch zeitnah erhält.
(1)  Die Mitgliedstaaten beschränken die Rechte betroffener Personen gemäß den Artikeln 15 bis 19 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates45 insofern, als die Ausübung dieser Rechte Ermittlungen gefährden kann, aber nur in dem Umfang und nur so lange, wie dies für ihre zuständigen Behörden unbedingt erforderlich ist, um das Risiko von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung oder -umgehung in den Mitgliedstaaten zu mindern, insbesondere indem sie überprüfen, ob der korrekte Quellensteuersatz für den eingetragenen Eigentümer angewandt wird, oder indem sie überprüfen, ob der eingetragene Eigentümer die Entlastung bei entsprechendem Anspruch zeitnah erhält. Die Rechte der betroffenen Personen werden wiederhergestellt, sobald die Bedingungen, auf die sich die Beschränkung stützt, nicht mehr bestehen.
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45 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
45 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
Abänderung 62
Vorschlag für eine Richtlinie
Artikel 20 – Absatz 3
(3)  Informationen, einschließlich personenbezogener Daten, die gemäß dieser Richtlinie verarbeitet werden, werden nur so lange gespeichert, wie dies für die Zwecke dieser Richtlinie erforderlich ist, und zwar im Einklang mit den für jeden für die Verarbeitung Verantwortlichen geltenden innerstaatlichen Verjährungsvorschriften, keinesfalls jedoch länger als zehn Jahre.
(3)  Informationen, einschließlich personenbezogener Daten, die gemäß dieser Richtlinie verarbeitet werden, werden nur so lange gespeichert, wie dies für die Zwecke dieser Richtlinie erforderlich ist, und zwar im Einklang mit den für jeden für die Verarbeitung Verantwortlichen geltenden innerstaatlichen Verjährungsvorschriften, keinesfalls jedoch länger als fünf Jahre.

Berichtspflichten
PDF 131kWORD 43k
Entschließung
Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1379/2013, der Verordnung (EU) Nr. 167/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf bestimmte Berichtspflichten (COM(2023)0643 – C9-0388/2023 – 2023/0370(COD))
P9_TA(2024)0103A9-0009/2024
BERICHTIGUNGEN

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2023)0643),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2, Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0388/2023),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 13. Dezember 2023(1),

–  gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (A9‑0009/2024),

1.  legt seinen Standpunkt in erster Lesung fest, indem es den Vorschlag der Kommission übernimmt;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;

3.  beauftragt seine Präsidentin, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 28. Februar 2024 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2024/... des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1379/2013, (EU) Nr. 167/2013 und (EU) Nr. 168/2013 in Bezug auf bestimmte Berichtspflichten

P9_TC1-COD(2023)0370


(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2024/2838.)

(1) Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.


Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Jahresbericht 2023
PDF 271kWORD 99k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Jahresbericht 2023 (2023/2117(INI))
P9_TA(2024)0104A9-0389/2023

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf die Artikel 21 und 36,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) vom 15. Juni 2023 mit dem Titel „GASP-Bericht – Unsere Prioritäten 2023“,

–  unter Hinweis auf den „Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung – Für eine Europäische Union, die ihre Bürgerinnen und Bürger, Werte und Interessen schützt und zu Weltfrieden und internationaler Sicherheit beiträgt“, der am 24. März 2022 vom Europäischen Rat gebilligt wurde,

–  unter Hinweis auf das neue strategische Konzept der NATO, das von Staats- und Regierungschef beim NATO-Gipfeltreffen in Madrid am 29. Juni 2022 angenommen wurde,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 1. Februar 2024,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 14. und 15. Dezember 2023,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 29. und 30. Juni 2023,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 23. und 24. Juni 2022,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24. und 25. März 2022,

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2021/509 des Rates vom 22. März 2021 zur Einrichtung einer Europäischen Friedensfazilität und zur Aufhebung des Beschlusses (GASP) 2015/528(1),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 20. Juni 2023 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung der Fazilität für die Ukraine (COM(2023)0338),

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank vom 1. Dezember 2021 mit dem Titel: „Global Gateway“ (JOIN(2021)0030),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 8. November 2023 mit dem Titel „Mitteilung 2023 über die Erweiterungspolitik der EU“ (COM(2023)0690),

–  unter Hinweis auf die Erweiterungsberichte 2023 und den Wachstumsplan für den Westbalkan, die von der Kommission am 8. November 2023 vorgelegt wurden,

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 23. November 2022 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu der neuen Strategie der EU für die Erweiterung(2),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 15. Dezember 2023 hinsichtlich des Beschlusses, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau aufzunehmen, der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina, sobald die Beitrittskriterien im erforderlichen Maße erfüllt sind, und der Zuerkennung des Status eines Bewerberlandes an Georgien, vorausgesetzt, die in der Mitteilung 2023 der Kommission über die Erweiterungspolitik der EU vom 8. November 2023 (COM(2023)0690) dargelegten einschlägigen Maßnahmen werden ergriffen,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 16. Februar 2024 zu einer geplanten israelischen Militäroperation in Rafah,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik an das Europäische Parlament und den Rat vom 7. Juni 2023 mit dem Titel „Eine neue Agenda für die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik“ (JOIN(2023)0017),

–  unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 23. Februar 2023 mit dem Titel „Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, die einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zugrunde liegen“ (A/RES/ES-11/6) und auf frühere Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Aggression gegen die Ukraine,

–  unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 7. April 2022 mit dem Titel „Aussetzung der Mitgliedschaftsrechte der Russischen Föderation im Menschenrechtsrat“ (A/RES/ES-11/3),

–  unter Hinweis auf die Resolution mit dem Titel „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ (Agenda 2030) (A/RES/70/1), die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf dem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung am 25. September 2015 in New York angenommen wurde und in der die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) festgelegt wurden,

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2023/162 des Rates vom 23. Januar 2023 über eine Mission der Europäischen Union in Armenien (EUMA)(3),

–  unter Hinweis auf die Beschlüsse (GASP) 2022/1970 des Rates vom 17. Oktober 2022(4) und 2022/2507 vom 19. Dezember 2022(5) zur Änderung des Beschlusses 2010/452/GASP über die Beobachtermission der Europäischen Union in Georgien, EUMM Georgia,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 15. März 2023 zu den Beziehungen zwischen der EU und Armenien(6) und den Beziehungen zwischen der EU und Aserbaidschan(7), seine Entschließung vom 19. Januar 2023 zu den humanitären Folgen der Blockade in Bergkarabach(8) und seine Entschließung vom 5. Oktober 2023 zu der Lage in Bergkarabach nach Aserbaidschans Angriff und den anhaltenden Bedrohungen gegen Armenien(9),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. April 2023 zu der Umsetzung der zivilen GSVP und sonstige die zivile Sicherheit betreffende Unterstützung durch die EU(10),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 5. Oktober 2022 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission / Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu der strategischen Beziehung und Partnerschaft der EU mit dem Horn von Afrika(11),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2023 zur Verschlechterung der Lage der Grundfreiheiten in Hongkong, insbesondere zum Fall Jimmy Lai(12),

–  unter Hinweis auf die Halbzeitüberprüfung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2023 zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation(13) und seine Entschließung vom 9. März 2022 zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der EU(14),

–  unter Hinweis auf seine gemäß Artikel 144 seiner Geschäftsordnung angenommenen Entschließungen zu Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit,

–  unter Hinweis auf den EU-Aktionsplan für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau im auswärtigen Handeln 2021-2025 (GAP III) sowie den EU-Aktionsplan für Frauen, Frieden und Sicherheit 2019-2024,

–  unter Hinweis auf den Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes(15), durch den ein vorübergehender Schutz für Menschen geschaffen wurde, die vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine fliehen,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Europarats vom 16./17. Mai 2023 mit dem Titel „Reykjavik Declaration – United around our values“ (Erklärung von Reykjavik – vereint um unsere Werte),

–  unter Hinweis auf die Erklärung über die künftige Mitgliedschaft von Belarus in der Europäischen Union, die Erklärung der Demokratischen Kräfte von Belarus zur Solidarität mit dem Volk der Ukraine und die Politische Erklärung der Demokratischen Kräfte von Belarus, die alle auf der Konferenz „Neues Belarus“ am 6. August 2023 angenommen wurden,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Juli 2023 zu dem Thema „Empfehlungen für die Reform der Vorschriften des Europäischen Parlaments zu Transparenz, Integrität, Rechenschaftspflicht und Korruptionsbekämpfung“(16),

–  unter Hinweis auf den Bericht vom 9. Mai 2022 über das Endergebnis der Konferenz zur Zukunft Europas,

–  unter Hinweis auf die Studie mit dem Titel „Qualified majority voting in Common Foreign and Security Policy – A cost of non-Europe report“ (Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Bericht über die Kosten des Verzichts auf EU-politisches Handeln)(17), die am 28. August 2023 von seiner Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst veröffentlicht wurde,

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom Februar 1999 zur Einrichtung eines Europäischen Zivilen Friedenskorps(18),

–  gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9‑0389/2023),

A.  in der Erwägung, dass die regelbasierte internationale Ordnung zunehmend von alleine oder im Rahmen einer konzertierten Aktion agierenden autokratischen Akteuren infrage gestellt wird, die versuchen, multilaterale Organisationen zu beeinflussen oder zu untergraben, konkurrierende Organisationen einrichten, destabilisieren, indem sie zu einem Konzept der Einflusssphären zurückkehren, und die regelbasierte internationale Ordnung sowie die globale und regionale Sicherheit bedrohen;

B.  in der Erwägung, dass diese zunehmend autokratischen Akteure zudem die Universalität der Menschenrechte infrage stellen und demokratische Standards weltweit untergraben; in der Erwägung, dass die EU und gleich gesinnte Partner die regelbasierte internationale Ordnung vorrangig verteidigen sollten;

C.  in der Erwägung, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine Folgen, darunter wirtschaftliche Unsicherheit, Ernährungsunsicherheit und hohe Energiepreise, die Instabilität in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU verstärkt haben und dadurch die EU veranlasst haben, wieder verstärkt einen Schwerpunkt auf ihre Erweiterungspolitik zu legen, die sich als ihr wirksamstes außenpolitisches Instrument erwiesen hat;

D.  in der Erwägung, dass der Europäische Rat am 14. und 15. Dezember das von der Kommission am 8. November 2023 vorgelegte Erweiterungspaket 2023 gebilligt und damit empfohlen hat, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau aufzunehmen, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina aufzunehmen, sobald das erforderliche Maß an Erfüllung der Beitrittskriterien erreicht ist, und Georgien den Status eines Bewerberlandes zuzuerkennen, unter der Voraussetzung, dass noch bestimmte Schritte unternommen werden müssen; in der Erwägung, dass mit dem Wachstumsplan für den westlichen Balkan die wirtschaftliche Integration innerhalb des westlichen Balkans gefördert und die sozioökonomische Kluft zwischen der Union und ihren Partnern bis zum Ende dieses Jahrzehnts geschlossen werden soll; in der Erwägung, dass die Mittel freigegeben werden, sobald einzelne Reformagenden vorgelegt werden; in der Erwägung, dass sich die Erweiterungspolitik an den Kopenhagener Kriterien orientieren und ein auf Verdiensten basierendes Verfahren bleiben muss; in der Erwägung, dass die EU ihre Erweiterungspolitik beschleunigen muss, während die Beitrittsländer weiterhin Reformen durchführen und die erforderlichen Richtwerte erreichen; in der Erwägung, dass kohärente Botschaften und ein klarer Weg zur Integration der Bewerberländer entscheidend sind, um die pro-europäische Perspektive aufrechtzuerhalten; in der Erwägung, dass die Länder des westlichen Balkans den Schwerpunkt auf Konfliktlösung, Aussöhnung, Abstimmung mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), gegenseitige Zusammenarbeit und Reformen legen müssen, um gemeinsam für Sicherheit und Stabilität in der Region zu sorgen;

E.  in der Erwägung, dass – wie im Strategischen Kompass der EU und durch die NATO dargelegt – die Stabilität in der Ostsee und im Schwarzen Meer für die Sicherheit Europas, einschließlich seiner Energiesicherheit, von größter Bedeutung ist und daher umfassende Strategien und sinnvolle Maßnahmen erfordert; in der Erwägung, dass die EU nicht als erfolgreicher und glaubwürdiger globaler Akteur wahrgenommen werden kann, wenn sie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nicht für Sicherheit sorgen kann;

F.  in der Erwägung, dass der Rat den vorübergehenden Schutz für Menschen, die vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine fliehen, vom 4. März 2024 bis zum 4. März 2025 verlängert hat;

G.  in der Erwägung, dass der Rat am 1. Februar 2024 eine Einigung über die Überarbeitung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021-2027 erzielt hat, die die Bereitstellung einer Fazilität für die Ukraine in Höhe von 50 Mrd. EUR umfasst, um eine kohärente, vorhersehbare und flexible Unterstützung für die Erholung, den Wiederaufbau und die Modernisierung der Ukraine im Zeitraum von 2024 bis 2027 zu bieten;

H.  in der Erwägung, dass der Angriffskrieg Russlands die Rolle der NATO als Eckpfeiler der gemeinsamen Verteidigung ihrer Mitgliedstaaten und die Unverzichtbarkeit einer starken transatlantischen Verbindung einmal mehr bekräftigt hat; in der Erwägung, dass die Entscheidung der NATO, mindestens 2 % des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben bereitzustellen, nur von einigen wenigen EU-Mitgliedstaaten, die der NATO angehören, umgesetzt wurde; in der Erwägung, dass Russlands Absicht, die euro-atlantische Sicherheitsarchitektur zu zerschlagen, dank der heroischen Verteidigung der Ukraine und der schnellen und entschlossenen Reaktion der NATO-Verbündeten völlig gescheitert ist;

I.  in der Erwägung, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Notwendigkeit ehrgeizigerer, glaubwürdigerer, strategischerer und einheitlicherer Maßnahmen der EU auf der Weltbühne verdeutlicht hat und unterstrichen hat, dass die Mitgliedstaaten den erforderlichen politischen Willen zeigen müssen, die GASP zu stärken und zu einer vollwertigen europäischen Politik umzugestalten;

J.  in der Erwägung, dass der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2021 ausgezeichnet wurde; in der Erwägung, dass er seit Februar 2021 unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert war, zuletzt im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen in Westsibirien, wo er am 16. Februar 2024 ermordet wurde, wofür letztlich Präsident Putin und die russischen Staatsorgane verantwortlich sind; in der Erwägung, dass dies belegt, wie grausam und gnadenlos das totalitäre Regime Putins ist; in der Erwägung, dass der Mord an Nawalny ein Weckruf an die EU sein sollte, um sie dazu anzuhalten, ihre Unterstützung für die Ukraine zu verstärken und ihre Instrumente zur Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU zu stärken;

K.  in der Erwägung, dass die Terroranschläge der Hamas gegen Israel die instabile und dynamische Sicherheitslage im Nahen Osten sowie die Notwendigkeit deutlich gemacht haben, dass die EU und andere internationale Akteure mehr Verantwortung übernehmen und die Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen der Region dabei unterstützen müssen, einen dauerhaften und nachhaltigen Frieden zu erreichen, insbesondere durch die weitere Unterstützung einer Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina; in der Erwägung, dass am 7. Oktober 2023 bei dem abscheulichen Terroranschlag der Hamas 1 139 Israelis und ausländische Staatsbürger getötet und 240 Menschen als Geiseln genommen wurden; in der Erwägung, dass Zehntausende unschuldige Palästinenser und Hunderte Mitarbeiter der Vereinten Nationen, medizinisches Personal und Journalisten im Gazastreifen infolge der Reaktion der israelischen Regierung getötet wurden; in der Erwägung, dass die anhaltende Bombardierung und erzwungene Evakuierung der Palästinenser in den Süden des Gazastreifens zu einer katastrophalen und sich rasch verschlechternden humanitären Lage geführt haben; in der Erwägung, dass bei Anschlägen durch israelische Streitkräfte und Siedler seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 330 Palästinenser im Westjordanland getötet wurden; in der Erwägung, dass der Internationale Gerichtshof in seinem Zwischenurteil im Verfahren über die Anwendung der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes im Gazastreifen (Südafrika gegen Israel) Israel angewiesen hat, einstweilige Maßnahmen durchzuführen;

L.  in der Erwägung, dass die Fähigkeiten der EU und ihrer Mitgliedstaaten dringend gestärkt werden müssen, auch im Bereich der Verteidigungspolitik, was es der Union ermöglichen wird, ihre Interessen ohne ungebührliche Abhängigkeit von Drittstaaten – aber in enger Zusammenarbeit mit ihren Verbündeten – besser zu verteidigen, ihre Werte zu fördern und ihren Beitrag zum globalen Multilateralismus, zur friedlichen Beilegung von Konflikten und zur Entwicklung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten weltweit zu stärken;

M.  in der Erwägung, dass die zunehmende Instabilität und Unbeständigkeit des internationalen Umfelds vielfältige Bedrohungen für die Sicherheit und Stabilität der Union darstellen; in der Erwägung, dass die EU als Reaktion darauf die transatlantischen Beziehungen stärken und basierend auf Respekt und gegenseitigem Vertrauen strategische Partnerschaften mit gleich gesinnten Partnern des Globalen Südens aufbauen muss;

N.  in der Erwägung, dass Aserbaidschan am 19. September 2023 eine grundlose Militäroffensive eingeleitet hat, um die Kontrolle über sein international anerkanntes Hoheitsgebiet Bergkarabach mit Gewalt wiederzuerlangen, was zu der Abwanderung der armenischen Bevölkerung aus diesem Gebiet führte; in der Erwägung, dass die erneuten Feindseligkeiten im Südkaukasus Anlass zu ernster Besorgnis geben und ein proaktiveres Engagement der EU in der Region erfordern; in der Erwägung, dass alle staatlichen Institutionen der selbsternannten Republik Bergkarabach zum 1. Januar 2024 aufgelöst wurden; in der Erwägung, dass die Aussichten auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan nach wie vor fragil sind, weshalb die EU beide Seiten auf ihrem Weg zu einem historischen Friedensabkommen unterstützen und bestärken sollte, auch indem sie Perspektiven für eine engere Anbindung an die EU bietet, wenn sie sich dafür entscheiden, diesen Weg zu verfolgen;

O.  in der Erwägung, dass Israel ein international anerkanntes Recht hat, sich gegen die von der Hamas im Gazastreifen ausgehende terroristische Bedrohung zu verteidigen; in der Erwägung, dass die instabile Sicherheitslage im Nahen Osten durch den Terroranschlag der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 hervorgehoben wurde; in der Erwägung, dass die Gefahr einer Eskalation in der Region so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, was die Notwendigkeit verstärkt, dass die EU und andere internationale Akteure mehr Verantwortung für einen dauerhaften und nachhaltigen Frieden übernehmen, insbesondere indem sie sich für eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina einsetzen;

P.  in der Erwägung, dass ein umfassender Ansatz zur Friedenskonsolidierung unter Einbeziehung ziviler Spezialisten erforderlich ist, um praktische Maßnahmen für den Frieden umzusetzen; in der Erwägung, dass lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen entscheidende Aktivitäten zur Konfliktverhütung und friedlichen Lösung durchführen und es von größter Bedeutung ist, ihre Erfahrungen bestmöglich zu nutzen;

Q.  in der Erwägung, dass die wachsende Instabilität in der südlichen Nachbarschaft der EU und im weiteren Mittelmeerraum sowie in der Sahelzone und in Afrika südlich der Sahara eine ernsthafte Herausforderung für die Sicherheit und Stabilität der Union sowie für ihre Fähigkeit darstellt, zu einem entscheidenden Akteur auf der internationalen Bühne zu werden;

R.  in der Erwägung, dass die Spannungen im indopazifischen Raum immer mehr an Bedeutung gewinnen, vor allem angesichts des zunehmend aggressiven Auftretens der Volksrepublik China gegenüber Taiwan;

S.  in der Erwägung, dass die Einschränkungen der Medienfreiheit, die kontinuierlichen Angriffe auf Journalisten, die Verbreitung von Desinformationen und die Einflussnahme aus dem Ausland die Demokratien und die Sicherheit der EU bedrohen; in der Erwägung, dass die EU mit gleich gesinnten Partnern zusammenarbeiten muss, um in Drittstaaten die Medienfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung zu verteidigen und Desinformationen und Einflussnahme aus dem Ausland entgegenzuwirken;

T.  in der Erwägung, dass die Folgen des Klimawandels immer stärkere Auswirkungen auf verschiedene Aspekte des menschlichen Lebens, einschließlich der geopolitischen Ordnung und der weltweiten Sicherheit und Stabilität, haben; in der Erwägung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass die Bekämpfung des Klimawandels, die Klimaschutzmaßnahmen erfordert, denjenigen zugutekommt, die mit den schwerwiegendsten Folgen konfrontiert sind;

U.  in der Erwägung, dass vor dem Hintergrund des Scheiterns wichtiger Übereinkünfte in den Bereichen Rüstungskontrolle und Abrüstung, aber auch angesichts neu entstehender Technologien ein Schwerpunkt der Außen- und Sicherheitspolitik der EU auf die Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung gelegt werden sollte;

1.  betont, dass seine Entschließungen zur Umsetzung der GASP ein Schlüsselelement seines Beitrags zur Gestaltung der EU-Außenpolitik sind; betont, dass diese Entschließungen ein Ausdruck der praktischen Auswirkungen des gestärkten Kontrollrechts im Bereich der Außenpolitik sind, das dem Parlament durch den Vertrag von Lissabon übertragen wurde; weist darauf hin, dass die Entschließung von 2023 die letzte Entschließung zur Umsetzung der GASP in dieser Wahlperiode ist und der nächsten Exekutive der EU bei der Festlegung und weiteren Umsetzung außenpolitischer Prioritäten für die nächste Wahlperiode als Richtschnur dienen soll; betont, dass die EU in einem immer volatilen internationalen Umfeld zahlreiche außenpolitische Herausforderungen gleichzeitig angehen muss, die sie direkt und indirekt betreffen, wie den anhaltenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, den zunehmenden Wettbewerb zwischen Großmächten, die mögliche Neuordnung des globalen Machtgleichgewichts, ständige Versuche, die multilaterale regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben, und eine zunehmende Wechselwirkung zwischen außen- und innenpolitischen Krisen; ist der festen Überzeugung, dass die EU, um auf der internationalen Bühne weiterhin relevant zu bleiben und ihre Interessen und Werte wirksam verteidigen zu können, den politischen Willen der Mitgliedstaaten freisetzen muss, um die außenpolitischen Ziele durch Instrumente auf EU-Ebene zu erreichen, die Kapazitäten erhöhen muss, mit gleich gesinnten Partnern und regionalen Organisationen zusammenarbeiten muss und sich darauf zu konzentrieren muss, ein wettbewerbsfähiges Angebot für den Globalen Süden zu bieten, wobei alle ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen, Strategien und Instrumente im Rahmen des integrierten Ansatzes so wirksam wie möglich genutzt werden müssen; betont, dass die EU, um als globaler Akteur im derzeitigen globalen Umfeld aufzutreten, eine entschlossene, disziplinierte und selbstbewusste Außenpolitik verfolgen muss, die ihre eigenen strategischen Ziele erreicht und ihre Interessen in der Welt weiterhin proaktiv definiert, geltend macht und verteidigt;

2.  betont, dass die Fähigkeit der EU, als globaler außenpolitischer Akteur, verlässlicher internationaler Partner und glaubwürdiger Akteur in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung aufzutreten, auf der Entwicklung und Stärkung ihres auswärtigen Handelns im Rahmen der GASP sowie auf ihrer Fähigkeit beruht, ihre Interessen in der Welt proaktiv zu definieren, geltend zu machen und zu verteidigen, ohne sich übermäßig auf die Ressourcen von Drittstaaten zu verlassen, wodurch die EU anfällig für innere Spaltungen werden könnte, auf der Wiederbelebung bestehender und der Schaffung neuer Partnerschaften sowie auf dem politischen Willen, auf der Weltbühne verstärkt die Initiative zu ergreifen und Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig ihre Werte wirksam zu schützen, zu verteidigen und zu fördern; betont außerdem, dass die Mitgliedstaaten es der EU ermöglichen müssen, mit einer Stimme zu sprechen und so die Glaubwürdigkeit zu erhöhen und die Kohärenz zu wahren; bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass es von entscheidender Bedeutung ist, Einheit und Solidarität zu stärken, indem eine gemeinsame Wahrnehmung von Bedrohungen weiterentwickelt wird;

3.  weist darauf hin, dass sich die EU bei ihrem auswärtigen Handeln von den Werten und Grundsätzen leiten lassen sollte, die in Artikel 2, Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 21 EUV verankert sind und von denen die Schaffung, Entwicklung und Erweiterung der EU selbst inspiriert wurde, darunter Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Allgemeingültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, die Grundsätze der Gleichheit und Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki, der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Völkerrechts; bedauert, dass die Union diese Ziele gelegentlich verfehlt, was negative Auswirkungen auf ihre Interessen, ihre Sicherheit und ihr internationales Ansehen hat; betont, dass die EU angesichts ihres ehrgeizigen Engagements in Bezug auf die externe Menschenrechtspolitik auch konsequent und beispielhaft sein muss;

4.  ist der Ansicht, dass die EU ihre GASP entsprechend diesen Werten und auf der Grundlage der folgenden vier Ziele gestalten sollte:

   a) Bewältigung der Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine,
   b) schrittweise Anpassung der Strukturen, Instrumente, Fähigkeiten, Mittel und Beschlussfassungsverfahren der EU,
   c) Stärkung und Verteidigung eines regelbasierten Multilateralismus, und
   d) Durchsetzung von Interessen durch die Entwicklung robuster strategischer Bündnisse und Partnerschaften mit Gleichgesinnten;

Bewältigung der Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine

5.  ist besorgt darüber, dass durch den rechtswidrigen, grundlosen und ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der vom Lukaschenka-Regime in Belarus und dem Regime in Iran begünstigt und unterstützt wird, wieder Krieg auf den europäischen Kontinent herrscht; verurteilt die Handlungen der russischen Führung, darunter Verstöße gegen das Völkerrecht, die Verletzung anerkannter Grenzen, die unrechtmäßige Verbringung und Deportation von geschützten Personen und Kindern sowie Landraub und schwere Kriegsverbrechen, erneut aufs Schärfste; fordert, dass Russland und seine Stellvertreterstreitkräfte alle militärischen Maßnahmen einstellen und dass die russische Führung ihre Truppen unverzüglich und bedingungslos aus dem international anerkannten Staatsgebiet der Ukraine und aus jedem anderen Land, dessen Hoheitsgebiet oder Teile davon es unrechtmäßig besetzt, abzieht; verurteilt alle hybriden Angriffe Russlands in der Ukraine und prangert die Verbreitung der Propaganda Russlands über seinen Krieg in der Ukraine aufs Schärfste an;

6.  verurteilt die Rolle des unrechtmäßigen Regimes von Aljaksandr Lukaschenko bei der faktischen Abtretung der nationalen Souveränität durch das Regime an den Kreml, um seinen Einfluss über Belarus aufrechtzuerhalten;

7.  weist erneut darauf hin, dass Georgien bereits im August 2008 eine militärische Aggression Russlands erlebt hat; verurteilt aufs Schärfste die anhaltende rechtswidrige Besetzung der georgischen Regionen Abchasien und Zchinwali/Südossetien durch Russland und verurteilt ebenso die Untergrabung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Republik Moldau durch die Präsenz russischer Truppen in Transnistrien; bekräftigt seine Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität von Georgien und Moldau und unterstreicht, dass die böswilligen Versuche Russlands, die Grenzen souveräner Staaten in Europa gewaltsam zu verändern, eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der EU darstellen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit der Ukraine, Georgien und der Republik Moldau zu verstärken, insbesondere bei der Bekämpfung von hybriden Bedrohungen und Desinformation sowie im Bereich Cybersicherheit;

8.  würdigt die mutige Bevölkerung der Ukraine, die nicht nur ihr eigenes Land, ihre Souveränität, ihre Unabhängigkeit und ihre territoriale Integrität beherzt verteidigt, sondern auch europäische Werte und Sicherheit, und die Normen und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und der Schlussakte von Helsinki hochhält; bekundet seinen Respekt und seine Dankbarkeit für die Unterstützung, die Einzelpersonen und Organisationen der Zivilgesellschaft für die Bevölkerung der Ukraine leisten; würdigt die Handlungen der Menschen in Georgien und Belarus, die den Kampf der Ukraine aktiv unterstützen; begrüßt es, dass der vorübergehende Schutz für Menschen, die vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine fliehen, verlängert wurde;

9.  betont, dass Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die östliche Nachbarschaft und den Westbalkan destabilisiert und ihre Sicherheit bedroht, was wiederum die Sicherheit der EU selbst gefährdet; ist der Ansicht, dass die EU daher der Reform ihrer Nachbarschaftspolitik Vorrang einräumen und den Erweiterungsprozess parallel zur Durchführung der zur Sicherung der Integrationsfähigkeit der Union notwendigen Reformen der Organe und Beschlussfassungsverfahren beschleunigen sollte;

10.  fordert eine aktivere Kommunikationsstrategie zur Förderung der Rolle und der Vorteile der Erweiterung auf dem Westbalkan und in der Östlichen Partnerschaft sowie zur Förderung der finanziellen und technischen Unterstützung der EU; weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass die EU bereits der wichtigste Handelspartner, die wichtigste Investitionsquelle und der größte Geber finanzieller Unterstützung im Westbalkan ist; stellt fest, dass sich die aus dem Instrument für Heranführungshilfe gebundenen Mittel Ende 2023 bereits auf mehr als 6,5 Mrd. EUR beliefen und dass die EU im Zeitraum von 2021 bis 2023 Investitionen in Höhe von 16,6 Mrd. EUR in der Region mobilisiert hat;

11.  nimmt mit besonderer Besorgnis die Ausstrahlungseffekte der Aggression Russlands gegen die Ukraine zur Kenntnis, insbesondere in der südlichen Nachbarschaft, im weiteren Mittelmeerraum, im Südkaukasus, in Zentralasien, in Afrika und im Nahen Osten; missbilligt die böswillige Einflussnahme, die hybride Kriegsführung und Desinformationskampagnen durch Russland in diesen Regionen und fordert ein stärkeres Engagement und mehr Unterstützung vonseiten der EU;

12.  begrüßt die dritte Sitzung der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) als Plattform für Diskussionen, Dialog und Zusammenarbeit mit den Partnerländern; fordert eine enge Einbeziehung des Parlaments in die Präzisierung des Betätigungsfelds und der künftigen Arbeit der EPG; betont, dass für den künftigen Erfolg und die Kohärenz dieses Formats ein gewisses Maß an Übereinstimmung über demokratische Werte und Grundsätze unerlässlich ist; bekräftigt, dass die EPG unter keinen Umständen als Vorwand dienen darf, den EU-Beitritt von Bewerberländern hinauszuzögern;

13.  bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame und gut abgestimmte Investitionen in die Verteidigung tätigen müssen, und fordert die vollständige und rasche Umsetzung des Strategischen Kompasses, wobei die aus dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gelernten Erfahrungen einbezogen werden müssen, mit dem Ziel, eine echte europäische Verteidigungsunion zu erreichen, die interoperabel ist, das NATO-Bündnis ergänzt und bei Bedarf unabhängig handeln kann;

14.  hebt insbesondere hervor, dass es notwendig ist, im Hinblick auf die Schaffung der Schnelleingreifkapazität enger mit der NATO zusammenzuarbeiten, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass der militärische Planungs- und Durchführungsstab bis 2025 voll funktionsfähig ist; fordert den VP/HR nachdrücklich auf, einen Beschluss des Rates für eine EU-Schnelleingreifkapazität vorzuschlagen, um die Werte der Union zu schützen und den Interessen der Union als Ganzes zu dienen, um auf unmittelbare Bedrohungen zu reagieren und um zügig auf eine Krisensituation außerhalb der Union einzugehen, unter anderem in nicht bedrohungsfreien Umfeldern und in allen Phasen eines Konfliktzyklus; hebt hervor, dass die EU-Schnelleingreifkapazität als eine Truppe eingerichtet werden sollte, die dauerhaft verfügbar ist und mit dem Ziel gemeinsam trainiert, zu einer ständigen Truppe zu werden;

15.  betont, dass mehr militärische Munition in der EU hergestellt werden muss, was durch eine verstärkte industrielle Zusammenarbeit und gemeinsame Produktion erfolgen sollte; bekräftigt, dass es dringend notwendig ist, die von allen Mitgliedstaaten in der Europäischen Verteidigungsagentur vereinbarten Zielvorgaben, 35 % der für die Ausrüstung getätigten Ausgaben für die kooperative europäische Beschaffung und 20 % für die gemeinsame europäische Forschung und Technologie im Bereich Verteidigung aufzuwenden, zu erreichen; fordert, dass das EU-Zentrum für Informationsgewinnung und Lageerfassung und das Krisenreaktionszentrum des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) gestärkt werden, indem ein System für den automatischen Fluss von Informationen zu außen- und sicherheitspolitischen Fragen außerhalb der EU von den Mitgliedstaaten zum EAD und zum EU-Zentrum für Informationsgewinnung und Lageerfassung eingerichtet wird;

16.  begrüßt die zusätzlichen Mittel für die Europäische Friedensfazilität und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Handlungsfähigkeit der Fazilität durch eine nachhaltige und ausreichende Finanzierung zu verbessern; begrüßt in diesem Zusammenhang die Schlussfolgerungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 22. Januar 2024 sowie die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 1. Februar 2024, in denen eine Einigung über die Modalitäten und die finanzielle Gesamtobergrenze eines neuen „Unterstützungsfonds für die Ukraine“ erzielt wurde; erwartet, dass der Europäische Rat am 21. und 22. März 2024 einen endgültigen Beschluss fassen wird; begrüßt die Entscheidungen zur Schaffung der Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion und der Verordnung zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung zur Stärkung der europäischen Verteidigungskapazitäten; bekräftigt seine Forderung, dringend eine Diskussion im Hinblick auf die Einrichtung einer weiteren haushaltsexternen Finanzfazilität einzuleiten, die den gesamten Lebenszyklus militärischer Fähigkeiten auf EU-Ebene abdecken würde;

17.  stellt fest, dass die Reaktion der EU auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine von vielen autokratischen Akteuren in der ganzen Welt genau beobachtet wird und einen entscheidenden Einfluss auf ihr Verhalten auf der internationalen Bühne haben wird; lobt den Rat und die Mitgliedstaaten für die entschlossene Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine; begrüßt die Mobilisierung makroökonomischer, finanzieller, wirtschaftlicher und humanitärer Unterstützung in nie da gewesener Höhe für die Ukraine, die die Annahme von zwölf Sanktionspaketen im Einklang mit gleich gesinnten Partnern, die verheerende Auswirkungen auf Russlands Wirtschaft haben sollten und die – auch durch die Europäische Friedensfazilität ermöglichte – Lieferung von Waffen und Munition durch die Mitgliedstaaten; ist jedoch besorgt darüber, dass Ungarn die achte Tranche der Europäischen Friedensfazilität für die Ukraine nach wie vor blockiert; fordert, dass die Russische Föderation weiter isoliert und unter Druck gesetzt wird, indem die Anwendung restriktiver Maßnahmen, auch gegen Belarus, verstärkt wird; fordert, die diplomatischen Kontakte zu allen Ländern zu intensivieren, die sich der Stimme enthalten oder sich nicht an der Abstimmung über die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 13. Oktober 2022 und vom 2. März 2023 beteiligt haben; fordert eine proaktive Diplomatie mit Drittländern in Absprache mit gleich gesinnten Partnern, insbesondere den USA, Kanada und dem Vereinigten Königreich, um die Umgehung dieser Sanktionen so gering wie möglich zu halten und alle verbleibenden rechtlichen Schlupflöcher zu schließen, um dieser Praxis Einhalt zu gebieten; bedauert, dass mit dem zwölften Sanktionspaket der EU die Abwicklungszeiträume für die Einfuhr bestimmter Stahlerzeugnisse verlängert werden;

18.  begrüßt die Entschlossenheit, mit der die Union und die meisten Mitgliedstaaten eine vollständige Energieunabhängigkeit von der Russischen Föderation anstreben; weist erneut auf seine Forderung nach einem unverzüglichen und vollständigen Embargo für Einfuhren von fossilen Brennstoffen aus Russland und von mit russischem Rohöl hergestellten Produkten hin; fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, die Überwachungskapazitäten für fossile Brennstoffe zu verstärken, um Wiederausfuhren zu verhindern; ist besorgt darüber, dass einige Mitgliedstaaten im letzten Jahr ihre Einfuhren von Erdgas und Flüssigerdgas aus Russland erhöht haben;

19.  weist darauf hin, dass die konsequente und einheitliche Anwendung restriktiver Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten eine Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des auswärtigen Handelns der EU ist; fordert alle Drittländer und insbesondere die EU-Bewerberländer auf, sich unmissverständlich zum Völkerrecht und zu den strategischen Interessen und den Werten der EU zu bekennen und sich den restriktiven Maßnahmen der EU gegen Russland anzuschließen; fordert die Kommission auf, die Unterstützung der EU für Drittländer, die die Aggression Russlands gegen die Ukraine aktiv unterstützen, kritisch zu bewerten, und fordert den Rat nachdrücklich auf, restriktive Maßnahmen gegen Drittländer zu verhängen, die die Invasion der Ukraine durch Russland ermöglichen, sei es durch die Erleichterung der Umgehung von Sanktionen oder durch die Bereitstellung direkter militärischer Hilfe, wie im Fall des Iran oder der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK);

20.  fordert die Kommission, den VP/HR und die Mitgliedstaaten auf, internationale Unterstützung für die von der Ukraine vorgelegte Friedensformel zu mobilisieren und sich für Sicherheitsverpflichtungen gegenüber der Ukraine, wie im Sicherheitspakt von Kiew empfohlen, einzusetzen; begrüßt die bilateralen Sicherheitsabkommen, die von dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Frankreich und der Ukraine unterzeichnet wurden und mit denen die von der G7 am 12. Juli 2023 gemachten Zusagen, in absehbarer Zukunft jeden neuen Angriff Russlands auf die Ukraine zu verhindern, erfüllt werden; betont, dass die EU und die Mitgliedstaaten dringend auf die Einrichtung eines internationalen Sondergerichtshofs drängen müssen, damit das Verbrechen der Aggression, Verbrechen, die einem Völkermord gleichkommen, und Kriegsverbrechen gegen die Ukraine, einschließlich konfliktbezogener sexualisierter Gewalt, die von der Russischen Föderation und ihrer Verbündeten, insbesondere Belarus, begangen werden und die deren politische und militärische Führung mit einschließt, strafrechtlich verfolgt werden; fordert die Kommission und den Rat auf, die russische staatlich finanzierte private militärische Wagner-Gruppe als terroristische Organisation einzustufen; begrüßt die vor Kurzem erfolgte Einrichtung des Internationalen Zentrums für die Strafverfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine, das in der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) untergebracht ist und die Vorbereitung von Fällen für zukünftige Gerichtsverfahren erleichtern wird; fordert die Kommission nachdrücklich auf, immobilisierte russische Vermögenswerte zu lokalisieren und zu erfassen und einen rechtlich fundierten und effektiven Vorschlag vorzulegen, um diese Vermögenswerte zur Finanzierung der Verteidigung und des Wiederaufbaus der Ukraine zu nutzen, und sicherzustellen, dass dieser rechtlich fundierte Legislativvorschlag in enger Zusammenarbeit mit den G7-Partnerländern ausgearbeitet wird; hebt hervor, dass die Minenräumung und die Beseitigung von Blindgängern Voraussetzungen für den Wiederaufbau der Ukraine einschließlich ihrer landwirtschaftlichen Erzeugung sind, die für die Wirtschaft der Ukraine und für die globale Ernährungssicherheit unentbehrlich ist; hebt hervor, dass diese Bemühungen eine umfangreiche und langfristige Finanzierung erfordern;

21.  begrüßt die rasche Einrichtung und erfolgreiche Umsetzung der militärischen Unterstützungsmission der Europäischen Union zur Unterstützung der Ukraine und schlägt vor, dass die EU ihre Aufstockung in Erwägung zieht; stellt fest, dass diese Mission eine konkrete Demonstration der unerschütterlichen Unterstützung der EU für die Souveränität und territoriale Unversehrtheit des Landes ist; fordert, dass auf die Einrichtung anderer internationaler Missionen hingearbeitet wird, um die Freiheit der Schifffahrt zu gewährleisten und humanitäre Korridore und die sichere Durchfahrt von ukrainischem Getreide zu unterstützen;

22.  fordert die Mitgliedstaaten auf, weiterhin die Entschlossenheit und Einigkeit zu zeigen, die sie bereits unter Beweis gestellt haben, und der Ukraine weitere politische, humanitäre, militärische, infrastrukturbezogene, wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung zu gewähren, damit sie diesen Krieg gewinnt; begrüßt in diesem Zusammenhang die Unterstützung, die von den Mitgliedstaaten sowohl einzeln als auch im Rahmen von EU-Instrumenten geleistet wird, einschließlich des Vorschlags der Kommission zur Einrichtung der Fazilität für die Ukraine; begrüßt die am 6. Februar 2024 erzielte interinstitutionelle Vereinbarung, mit der eine vorhersehbare finanzielle Unterstützung für die Ukraine in Höhe von 50 Mrd. EUR für den Zeitraum 2024-2027 sichergestellt wird, mit der zur Erholung, zum Wiederaufbau und zur Modernisierung des Landes beigetragen werden soll; betont, dass bei der Durchführung der Fazilität umfassende Transparenz erforderlich ist; fordert die Mitgliedstaaten auf, der Ukraine weiterhin die erforderliche militärische Hilfe zur Verfügung zu stellen, die erforderlich ist, um die russischen Streitkräfte aus ihrem Hoheitsgebiet zu vertreiben; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Munition herzustellen und sie den Streitkräften der Ukraine zur Verfügung zu stellen, ebenso wie weitere Ressourcen, die die Ukraine benötigt, um ihre militärische Ausrüstung instand zu halten; bestärkt die Mitgliedstaaten darin, weiterhin finanzielle und politische Unterstützung für die Zivilgesellschaft in der Ukraine und in deren Umgebung bereitzustellen;

23.  beharrt darauf, dass sich die EU nicht dauerhaft auf Ad-hoc-Mobilisierungen verlassen kann, und weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass die Fähigkeit der EU, als Reaktion auf globale Krisen auf nachhaltige Weise tätig zu werden, verbessert und klar definiert werden muss; betont in diesem Zusammenhang, dass die EU weiterhin ihre eigenen, autonomen und ständigen Instrumente für ihr auswärtiges Handeln und innerhalb der GASP entwickeln sollte; weist darauf hin, dass der Strategische Kompass einen ehrgeizigen Handlungsplan vorgibt und der EU die Instrumente an die Hand gibt, sowohl ein wirksamer Bereitsteller von Sicherheit als auch ein entschlossenerer globaler Akteur zu sein, und fordert daher seine rasche und vollständige Umsetzung; fordert die Organe der EU auf, ihre Fähigkeit der strategischen Vorausschau zu stärken, um sich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten;

24.  fordert eine dynamischere und einheitlichere Verwendung der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (Magnitski-Gesetz der EU), die in dem außenpolitischen Instrumentarium der EU weiterhin zu wenig genutzt wird; begrüßt den Vorschlag des VP/HR zu einer Sanktionsregelung zur Korruptionsbekämpfung, die es der EU ermöglichen würde, weltweit gegen schwere Fälle von Korruption vorzugehen; beharrt darauf, dass Korruption nachweisliche Auswirkungen auf den Zustand der Menschenrechte hat und das Funktionieren der staatlichen Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit untergräbt; fordert in diesem Zusammenhang die rasche Annahme der vorgeschlagenen Sanktionsregelung zur Korruptionsbekämpfung durch den Rat;

Schrittweise Anpassung der Strukturen, Instrumente, Fähigkeiten, Mittel und Beschlussfassungsverfahren der EU

25.  stellt fest, dass die Anforderung der Einstimmigkeit die Mitgliedstaaten dazu zwingt, unermüdlich daran zu arbeiten, Kompromisse und Einigkeit zu erreichen, was die Quelle der politischen Hebelwirkung der EU auf der Weltbühne darstellt; weist jedoch darauf hin, dass der Kompromiss zwischen dem Ideal der Einigkeit und den hohen Kosten der Einstimmigkeit im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit kritisch bewertet werden sollte, insbesondere vor dem Hintergrund des wirksamen Funktionierens einer erweiterten EU; bedauert in diesem Zusammenhang, dass einzelne Mitgliedstaaten ihr Vetorecht genutzt haben, um Vereinbarungen abzuschwächen, die Entscheidungsfindung zu verzögern oder eine gemeinsame Politik allgemein zu verhindern;

26.  erinnert die Mitgliedstaaten daran, die in den Verträgen niedergelegten Grundsätze einzuhalten, insbesondere im Hinblick auf Artikel 24 und Artikel 42 Absatz 7 EUV und Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in denen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität zu unterstützen; hebt hervor, dass die Bedingungen für die Aktivierung von Artikel 42 Absatz 7 EUV und die Modalitäten für die Unterstützung nie eindeutig festgelegt wurden; erachtet es für erforderlich, umgehend eine politische Strategie der Solidarität und Maßnahmen für die operationelle Umsetzung im Hinblick auf die in Artikel 42 Absatz 7 EUV festgelegte Beistandsklausel zu entwickeln;

27.  bedauert, dass das Potenzial für schnelle, effiziente und wirksame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungsmaßnahmen, wie sie unter anderem in den Überleitungsklauseln des EUV vorgesehen sind, nur sehr begrenzt genutzt wurde; bekräftigt seine Forderung an den Rat, bei Beschlüssen in Bereichen der GASP, die keine militärischen oder verteidigungspolitischen Bezüge haben, schrittweise zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen; nimmt die Bedenken einiger Mitgliedstaaten zur Kenntnis, die eine verringerte Fähigkeit der Einflussnahme auf die Außen- und Sicherheitspolitik auf EU-Ebene fürchten; stellt fest, dass Fortschritte im Hinblick auf die Anwendung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit nur schrittweise erfolgen können und auf der Schaffung einer europäischen strategischen Kultur aufbauen müssen; fordert in diesem Zusammenhang:

   a) die Einführung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit in identifizierten Schwerpunktbereichen, wie der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (Magnitski-Gesetz der EU) sowie bei Themen im Zusammenhang mit der Annahme und Umsetzung des nächsten EU-Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie im Einklang mit Artikel 22 Absatz 1 EUV;
   b) die Anwendung der in den Verträgen festgelegten Überleitungsklauseln, außer für die Einrichtung militärischer Missionen oder Operationen mit einem Exekutivmandat im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), für die weiterhin Einstimmigkeit erforderlich sein wird;
   c) die Verwendung der konstruktiven Stimmenthaltung im Einklang mit Artikel 31 Absatz 1 EUV bis zur vollständigen Anwendung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit für Beschlüsse, die keine militärischen oder verteidigungspolitischen Bezüge haben;
   d) die effektivere Verwendung der integrierten Regelung für die politische Reaktion auf Krisen und die Einrichtung eines Sicherheitsrats, der sich aus Ministern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, um in Notsituationen zügig zu reagieren und einen integrierten Ansatz zur Bewältigung von Konflikten und Krisen zu entwickeln;
   e) die Überarbeitung der Verträge gemäß Artikel 48 EUV mit dem Ziel, unter anderem die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit für Angelegenheiten im Zusammenhang mit der GASP zu verankern;
   f) die regelmäßige Überarbeitung der dem Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung zugrunde liegenden Bedrohungsanalysen, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich auf eine gemeinsame Auffassung der Bedrohungen zu verständigen und diese zu definieren;

28.  weist erneut darauf hin, dass das Parlament in der GASP eine wesentliche Rolle spielt, indem es mittels seiner parlamentarischen Diplomatie und seiner besonderen Instrumente, Kanäle und Kontakte einen spezifischen Beitrag dazu leistet, einschließlich seiner Programme zur Förderung der Demokratie, die wesentlich dazu beitragen können, entscheidende politische Akteure einzubeziehen und die demokratische Regierungsführung zu erleichtern; betont insbesondere den Mehrwert der parlamentarischen Diplomatie während des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und hebt in diesem Zusammenhang die wertvolle Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen Werchowna Rada und dem Europäischen Parlament auf politischer und technischer Ebene hervor;

29.  erachtet die parlamentarische Diplomatie als besonders wichtig, die über die vorhandenen Kanäle, wie den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, offizielle Delegationen und Tätigkeiten zur Förderung der Demokratie, wie regelmäßige parlamentarische Dialoge mit Partnerländern, ausgeübt werden sollte; fordert, dass die Außen- und Sicherheitspolitik der EU auf die Ziele der Krisenprävention, der kooperativen regionalen Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit, des weltweiten Klima- und Umweltschutzes, der Stärkung der Menschenrechte und der Sicherstellung der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ausgerichtet wird; fordert die Weiterentwicklung der präventiven Diplomatie der EU, einschließlich der Friedensvermittlung und des Dialogs, als ein proaktives außenpolitisches Instrument; fordert den EAD nachdrücklich auf, Übungen zu gewonnenen Erkenntnissen durchzuführen und frühere europäische diplomatische Bemühungen und ihre Ergebnisse sowie die Arbeit von Sonderbeauftragten und Sondergesandten zu analysieren; beharrt darauf, dass die parlamentarische Diplomatie mit Partnern in Lateinamerika, Afrika und Asien gestärkt werden muss, um zu dem Ziel der EU beizutragen, die Beziehungen mit gleich gesinnten Partnern zu stärken, um gemeinsame geopolitische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Herausforderungen anzugehen;

30.  fordert eine weitere Klarstellung der Funktionsweise, des Formats der Repräsentation und der Rechenschaftspflicht des Konzepts „Team Europa“, um eine wirksame Zuweisung der Ressourcen sicherzustellen und Dopplungen in der Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu vermeiden; besteht darauf, dass das Parlament Teil von „Team Europa“ ist und als solcher behandelt werden sollte;

31.  betont, dass die Erklärung zur politischen Rechenschaftspflicht von 2010 als Rahmen für die Beziehungen zwischen dem EAD und dem Parlament aktualisiert werden muss; ist der Ansicht, dass das Parlament die Mittel benötigt, um seine Instrumente zu nutzen, um den weltweiten Rückschritten im Bereich der Demokratie entgegenzuwirken, unter anderem durch Wahlbeobachtung und Vermittlung, Konfliktverhütung, verstärkte Kommunikation auf lokaler Ebene über Demokratie und parlamentarische Diplomatie; hebt die ergänzende Rolle des Parlaments in der Diplomatie der EU hervor;

32.  hebt die Rolle des VP/HR als Brückenbauer zwischen der GASP und den Außenbeziehungen der EU hervor, um für ein Höchstmaß an Koordinierung und Kohärenz im außenpolitischen Handeln der EU zu sorgen; bedauert jedoch, dass es bei der Außenvertretung der EU in einigen Fällen an Klarheit mangelt; betont, dass die Zuständigkeiten des VP/HR, der Kommissionspräsidentin und des Präsidenten des Europäischen Rates in Bezug auf das auswärtige Handeln und die Vertretung der EU nach außen klar festgelegt werden müssen;

33.  ist der Ansicht, dass eine stärkere institutionalisierte parlamentarische Kontrolle des auswärtigen Handelns der EU, einschließlich eines regelmäßigen und zeitnahen, aber sicheren Zugangs zu vertraulichen Informationen, Briefings im Europäischen Parlament und Kanäle zur beschleunigten Kommunikation mit dem EAD erforderlich sind; weist in diesem Zusammenhang auf das Recht des Parlaments auf Unterrichtung in GASP-Angelegenheiten gemäß Artikel 36 EUV hin; begrüßt die Einsetzung des hochrangigen geopolitischen Dialogs und regt offenere Diskussionen an, auch durch die Fortführung regelmäßiger Konsultationen mit Mitgliedern der Kommission und des EAD sowie durch die Einbeziehung des Parlaments in die Umsetzung der Europäischen Friedensfazilität, des Strategischen Kompasses und der Initiative Global Gateway;

34.  bekräftigt, dass das Parlament seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse in Bezug auf Beschlüsse der Union in internationalen Angelegenheiten in vollem Umfang nutzen sollte; fordert eine Änderung der Struktur des GASP-Haushalts mit einer separaten Haushaltslinie für jede einzelne zivile GSVP-Mission, um eine bessere Kontrolle und mehr Transparenz zu ermöglichen;

35.  bedauert, dass die GASP-Haushaltsmittel für zivile GSVP-Missionen im mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 gegenüber dem MFR 2014-2020 lediglich geringfügig aufgestockt wurden, obwohl die Anzahl der Missionen und der in ihrem Rahmen zu erledigenden Aufgaben gestiegen ist, das Sicherheitsumfeld schwieriger geworden ist und die Kosten der Operationen gestiegen sind; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ausreichende Mittel für die GASP zuzuweisen, da es notwendig ist, Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und für eine bessere Abstimmung mit anderen Politikbereichen zu sorgen; fordert in diesem Zusammenhang eine angemessene Anpassung des MFR und eine Aufstockung der Finanzmittel für das auswärtige Handeln der EU;

36.  bekräftigt ferner, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Unterstützung der Demokratie stärker in die Programmplanung der EU-Finanzinstrumente einbeziehen müssen, und betont in diesem Zusammenhang, dass die zuständigen EU-Delegationen mit geeigneten Mitteln ausgestattet werden müssen, um die Aktivitäten im Bereich der öffentlichen Diplomatie zu stärken und ihre strategischen Kommunikationsfähigkeiten auszubauen, um gegen Desinformation und Propaganda vorzugehen; fordert, dass der EAD – sowohl seine Zentrale als auch die EU-Delegationen – durch die Bereitstellung angemessener finanzieller und personeller Ressourcen gestärkt wird, damit die EU besser auf aktuelle und sich abzeichnende globale Herausforderungen wie die zunehmende Instabilität, einen stärker werdenden Autoritarismus und den Klimanotstand vorbereitet ist; fordert die Kommission und den EAD auf, eine feministische Außen- und Sicherheitspolitik zu verfolgen, die mit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. März 2022 zu dem dritten EU-Aktionsplan für die Gleichstellung(19) vereinbar ist;

37.  begrüßt die Durchführung des Pilotprojekts mit dem Titel „Auf dem Weg zur Schaffung einer Europäischen Diplomatenakademie“; fordert die Einrichtung einer ständigen Struktur, die mit den erforderlichen Ressourcen unterstützt wird; fordert dazu auf, Möglichkeiten des Zugangs zum EAD für die Absolventen dieser Akademie zu prüfen und zu beschließen, die zur vollständigen Entwicklung einer eigenständigen EU-Diplomatie beitragen können, die von einer gemeinsamen diplomatischen Kultur aus EU-Perspektive geprägt ist; fordert die Kommission erneut auf, ein ständiges aufenthaltsgebundenes Schulungsprogramm zum auswärtigen Handeln der EU und zur GASP für junge Diplomaten aus EU-Bewerberländern einzurichten;

Stärkung und Verteidigung eines regelbasierten Multilateralismus

38.  betont, dass multilaterale Foren, vor allem die Vereinten Nationen und ihre Agenturen, für die EU das Format der Wahl für die Zusammenarbeit sein sollten; ist in diesem Zusammenhang besorgt über die zunehmende Bedeutung exklusiver Formen der Zusammenarbeit, die einen zunehmenden Wettbewerb zwischen Großmächten belegen; stellt gleichzeitig fest, dass internationale Institutionen und Normen zunehmend instrumentalisiert werden, und verweist in diesem Zusammenhang auf Streitigkeiten in der WTO und der WHO; betont, dass dieser Trend die EU in eine heikle Lage bringt, in der sie abwägen muss zwischen der Notwendigkeit, sich auf ein breites und umfassendes Verständnis von Multilateralismus zu berufen, und der Notwendigkeit, gleichzeitig der Zusammenarbeit mit ausgewählten gleich gesinnten Partnern Vorrang einzuräumen; fordert die Mitgliedstaaten auf, integrative Formen der multilateralen Governance zu stärken, und fordert in diesem Zusammenhang die Kommission, den EAD und den Rat auf, die interinstitutionelle Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen, die integraler Bestandteil des internationalen regelbasierten Systems und der Verwaltung globaler Gemeingüter sind, einschließlich der Vereinten Nationen und ihrer Agenturen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der WHO, der WTO und der NATO zu intensivieren;

39.  weist darauf hin, dass die Einheit, Kohärenz und Komplementarität der Bemühungen der EU und der NATO bei der Wahrung des internationalen Friedens und der Sicherheit sichergestellt werden müssen; betont, dass die NATO nach wie vor der Eckpfeiler der europäischen Sicherheit ist, und fordert, die Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU weiter zu verstärken und gleichzeitig die europäische Säule innerhalb der NATO zu stärken, unter anderem durch die konsequente Einhaltung des Richtwerts der NATO für Verteidigungsausgaben von 2 % des Bruttoinlandsprodukts; fordert eine verstärkte Zusammenarbeit mit der NATO bei der Bekämpfung der Desinformationen und hybriden Bedrohungen, die von Drittländern ausgehen;

40.  fordert die EU-Organe und die Mitgliedstaaten auf, aktiv eine umfassende institutionelle Reform der multilateralen Institutionen, in erster Linie des Systems der Vereinten Nationen und insbesondere des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, zu unterstützen, die Maßnahmen umfassen sollte, die darauf abzielen, die Verwendung des Vetorechts einzuschränken, die regionale Vertretung zu stärken, die Exekutivorgane gegenüber den Versammlungen, die sie wählen, rechenschaftspflichtig zu machen und die Zusammensetzung der Mitglieder des Sicherheitsrats neu zu definieren, um die geopolitischen Gegebenheiten besser widerzuspiegeln, unter anderem durch die Schaffung eines ständigen Sitzes für die EU; fordert die Kommission auf, sich auf die Sicherstellung der strategischen Unverzichtbarkeit der EU in einer zunehmend multipolaren Welt zu konzentrieren; fordert die EU-Organe auf, dafür zu sorgen, dass die EU in den Vereinten Nationen, insbesondere im Sicherheitsrat, mit einer Stimme spricht; fordert, dass ein kontinuierlicher Dialog mit dem Vereinigten Königreich sichergestellt wird, um die Zusammenarbeit innerhalb des Sicherheitsrats fortzusetzen; fordert alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Russlands Vetobefugnis im Sicherheitsrat aufzuheben;

41.  fordert den VP/HR auf, ein überzeugendes, dauerhaftes und zielgerichtetes demokratisches Narrativ zu fördern, das zeigt, dass die Demokratie dem Einzelnen und der Gesellschaft in aller Welt nützt und in der Lage ist, autokratischem Druck und Einfluss zu widerstehen; bedauert, dass die Volksrepublik China, Russland, Iran und andere totalitäre oder autoritäre Regime Informationsmanipulation und böswillige Einmischung als integrale Instrumente nutzen, um Druck auf multilaterale Institutionen und demokratische Werte und Normen auszuüben, die Kontrolle des Machtmissbrauchs auszuhöhlen, die Häufigkeit und Schwere von Menschenrechtsverletzungen zu erhöhen, den Raum für die Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und demokratische Oppositionsbewegungen einzuschränken und antiwestliche Desinformation zu verbreiten; befürwortet in diesem Zusammenhang Investitionen in die strategische Kommunikation und den Kampf gegen ausländische Einmischung und die Verbreitung von Desinformation und begrüßt die Zusammenarbeit des EAD mit den Vereinten Nationen bei einem weltweiten Verhaltenskodex für Informationsintegrität;

42.  weist auf das um sich greifende Phänomen hin, dass Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten grenzüberschreitend von den nationalen Behörden ihrer Länder oder von Handlangern bedroht werden; legt der Kommission und den Mitgliedstaaten nahe, aus Drittländern stammenden und in der Union ansässigen Menschenrechtsverteidigern und Aktivisten geeignete finanzielle und sonstige Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Arbeit von hier aus fortsetzen können, ohne Vergeltungsmaßnahmen fürchten zu müssen; lobt die unermüdliche Arbeit von Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidigern weltweit und fordert die EU auf, die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger stärker zu unterstützen; ist zutiefst besorgt über die zunehmenden Angriffe auf verschiedene Minderheiten weltweit, einschließlich der LGBTIQ-Gemeinschaft und religiöser Minderheiten wie Christen; betont, dass die Intersektionalität in allen Aktionen der EU beachtet werden muss, auch in der Umsetzung der GASP, um eine vollwertige Gleichstellung der Geschlechter zu fördern;

43.  verurteilt aufs Schärfste die Ermordung von Alexei Nawalny am 16. Februar 2024, einem herausragenden russischen Politiker sowie Sacharow-Preisträger 2021, der in einer Strafkolonie gefangen gehalten und misshandelt wurde, was auch Folter, willkürliche Bestrafung und psychischen Druck einschloss; fordert, dass die Haftbedingungen für politische Gefangene in Russland im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen des Landes verbessert werden; prangert die eskalierenden Menschenrechtsverletzungen des russischen Regimes an und verurteilt die anhaltende Unterdrückung von Regierungskritikern, Menschenrechtsverteidigern und unabhängigen Journalisten; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, russische Menschenrechtsverteidiger, sich für die Demokratie engagierende Aktivisten und unabhängige Journalisten sowohl innerhalb als auch außerhalb Russlands zu unterstützen; fordert den Rat nachdrücklich auf, restriktive Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die für die Ermordung von Alexei Nawalny und für die willkürliche Verfolgung und Folterung von Kriegsgegnern verantwortlich sind;

44.  stellt fest, dass mehrere Akteure im Globalen Süden an Durchsetzungsvermögen gewinnen; betont in diesem Zusammenhang, dass der Begriff „Globaler Süden“ ein gewisses Maß an Einheitlichkeit suggeriert, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine sehr heterogene Gruppe von Akteuren handelt, die von unterschiedlichen Bestrebungen und Ausrichtungen geprägt sind; erkennt das internationale Gewicht dieser Akteure an;

45.  weist darauf hin, dass die EU der weltweit größte Geber von öffentlicher Entwicklungshilfe ist; betont, dass die EU ein verlässlicher Verbündeter in der Entwicklungszusammenarbeit weltweit bleiben muss; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die EU mit zunehmender Skepsis und Desinteresse konfrontiert ist; fordert die EU auf, den Erwartungen der Partnerländer gerecht zu werden und politische Vereinbarungen mit ihnen rasch umzusetzen, um zu zeigen, dass die EU ein entscheidender und strategischer Partner ist und dass das internationale regelbasierte System den aktuellen Herausforderungen gewachsen ist; legt in diesem Zusammenhang eine stärkere politische Präsenz in Ländern nahe, in denen der Fußabdruck der EU bisher überwiegend aus Entwicklungszusammenarbeit bestanden hat; hebt insbesondere die Bedeutung der Präsenz der EU in Afrika hervor und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den politischen Dialog auf nationaler und regionaler Ebene zu festigen und ein vielfältigeres Spektrum an technischer Unterstützung – einschließlich der Bereitstellung von Finanzmitteln sowohl auf staatlicher als auch auf kommunaler Ebene – anzubieten, um größere Effizienz und Sichtbarkeit zu erreichen; erachtet es als besonders wichtig, politische Abkommen mit Drittländern auf der Grundlage gemeinsamer europäischer Werte und Grundrechte zu schließen;

46.  fordert den Rat auf, das Projekt zur Einrichtung eines Europäischen Zivilen Friedenskorps auf den Weg zu bringen, das das Fachwissen institutioneller und nicht-institutioneller Akteure in Bezug auf Konfliktverhütung, friedliche Konfliktlösung und Versöhnung zusammenführt, um die zivile Krisenbewältigung der EU glaubwürdiger, kohärenter, wirksamer, flexibler und sichtbarer zu machen;

47.  weist darauf hin, dass die EU ein entschlossenerer globaler Akteur für Frieden und menschliche Sicherheit sein sollte; stellt fest, dass eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit und eine ehrgeizige Handelspolitik ebenfalls von entscheidender Bedeutung sind, um die Ursachen der Migration und andere Herausforderungen, denen sich die Union gegenübersieht, anzugehen;

48.  fordert die Kommission auf, das Global Gateway wirksam und zügig als Alternative zu Chinas Initiative „Neue Seidenstraße“ und als Instrument zu nutzen, um die Präsenz und Sichtbarkeit der EU weltweit durch Investitionen in Infrastruktur und Telekommunikation zu erhöhen, die im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und dem Übereinkommen von Paris einen nationalen Wert in den Partnerländern schaffen und deren sozioökonomische Entwicklung ermöglichen, und gleichzeitig die Interessen der EU in Bezug auf Wohlstand und Sicherheit zu verfolgen; erinnert daran, dass Global Gateway als strategisches Konzept zu verstehen ist, in dem Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik miteinander verbunden werden; betont in diesem Zusammenhang, dass die Koordinierung mit internationalen Finanzinstitutionen, eine klar definierte Beteiligung des Privatsektors und eine maßgeschneiderte strategische Kommunikation von wesentlicher Bedeutung sind, damit das Instrument die gewünschte Größenordnung erreichen kann; begrüßt in diesem Zusammenhang das erste hochrangige Global-Gateway-Forum, das von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Oktober 2023 veranstaltet wurde; besteht darauf, dass das Parlament stärker in den Entscheidungsfindungsprozess einbezogen werden sollte, um für eine transparente Verwaltung zu sorgen und sicherzustellen, dass das Global Gateway ordentlich mit der G7-Partnerschaft für globale Infrastrukturinvestitionen koordiniert wird;

49.  stellt fest, dass sich die Investitionen und die Hilfe der EU auf gemeinsame Ziele auf der am besten geeigneten Maßnahmenebene mit klarer Sichtbarkeit in den Empfängerländern und auf maßgeschneiderte Investitionen konzentrieren sollten, die den Bedürfnissen unserer Partner entsprechen, wie sie im Rahmen einer proaktiveren und konstruktiveren Zusammenarbeit mit diesen festgelegt wurden;

50.  fordert multilaterale Lösungen für neue Herausforderungen und Realitäten wie Cybersicherheit, Biotechnologie und künstliche Intelligenz; hebt die zentrale Bedeutung des Multilateralismus für die wirksame Aufrechterhaltung der Ordnung im Weltraum hervor und betont, dass die laufenden Initiativen vertieft und neue eingeleitet werden müssen, um die friedliche Nutzung des Weltraums zu erhalten;

Durchsetzung von Interessen durch die Entwicklung robuster strategischer Bündnisse und Partnerschaften mit Gleichgesinnten

51.  betont, dass als beste Antwort auf ein gefährlicheres und unvorhersehbares Sicherheitsumfeld strategische Solidarität zwischen gleich gesinnten Partnern aufgebaut werden muss; betont, dass bestehende Partnerschaften mit Ländern, die unsere Werte teilen, gestärkt werden müssen, insbesondere in Fragen wie strategischen Abhängigkeiten, wirtschaftlichem Zwang, politischer Einflussnahme und Desinformation, und hebt hervor, dass es wichtig ist, unter anderem im Globalen Süden neue Bündnisse aufzubauen, wobei die gegenseitigen Bedürfnisse und Interessen zu berücksichtigen sind, um echte und ausgewogene Partnerschaften zu fördern; ist der Ansicht, dass der Grundsatz „mehr für mehr“ vollständig in die Beziehungen zu Drittländern eingebunden werden sollte, wobei die EU stärkere Partnerschaften mit jenen aufbaut, die die Grundsätze der GASP und der GSVP sowie die Grundwerte der Union achten; ist umgekehrt der Ansicht, dass der Grundsatz „weniger für weniger“ für Drittländer gelten sollte, die die Menschenrechte und das Völkerrecht offenkundig missachten, sowie für diejenigen, die es anderen Drittländern ermöglichen, diese Verstöße zu begehen; weist darauf hin, dass Umfang und Intensität des Engagements der EU entsprechend angepasst werden sollten, insbesondere was die Entwicklungszusammenarbeit, Handelsvorteile und den Zugang zu EU-Programmen betrifft;

52.  sieht eine starke und strategische transatlantische Zusammenarbeit, unter anderem zwischen der NATO und der EU, auf der Grundlage gemeinsamer Werte, Interessen und Ziele sowie des Grundsatzes der Partnerschaft von Gleichgestellten als äußerst wichtig an; fordert die Kommission auf, engere Beziehungen zu wichtigen Partnern sowohl in den USA als auch in Kanada zu fördern, um globalen Herausforderungen zu begegnen, die unsere gemeinsamen Werte, unsere Interessen, unsere Sicherheit und unseren Wohlstand beeinträchtigen; fordert die Kommission und den VP/HR nachdrücklich auf, eng mit beiden Partnern zusammenzuarbeiten, indem die bereits eingerichteten Kooperationsmechanismen, darunter der EU-US-Handels- und Technologierat, intensiviert und gefestigt werden; betont insbesondere, dass Fortschritte bei wichtigen außenpolitischen Angelegenheiten erzielt werden müssen, einschließlich in Bezug auf unsere jeweiligen Beziehungen zu China, Europas östliche und südliche Nachbarschaft, Afrika, Lateinamerika und die Karibik sowie den indopazifischen Raum; weist in Bezug auf Letzteren auf den speziellen Dialog zwischen den USA und der EU über Sicherheit und Verteidigung und den indopazifischen Raum hin, um eine engere und ehrgeizigere Zusammenarbeit zu entwickeln, und hebt die erste gemeinsame Marineübung zwischen der EU und den USA im Nordwesten des Indischen Ozeans im März 2023 hervor; fordert eine stärkere transatlantische Zusammenarbeit im Bereich des Handels und bei der Bewältigung der Herausforderungen, die aufgrund des raschen technologischen Wandels und der wachsenden Cyberbedrohungen entstehen;

53.  weist darauf hin, dass die USA der wichtigste Verbündete der EU sind; bekräftigt seine Forderung, dass regelmäßig Gipfeltreffen zwischen der EU und den USA abgehalten werden, damit der unentbehrlichen transatlantischen Zusammenarbeit dauerhaft Impulse verliehen werden; bekräftigt seine Unterstützung für die Einrichtung eines transatlantischen politischen Rates, der als Forum für einen regelmäßigen und effizienten institutionalisierten Dialog über Außen- und Sicherheitspolitik zwischen der EU und den USA dienen würde; fordert das Repräsentantenhaus auf, im Einklang mit der gemeinsamen Erklärung des US-Kongresses und des Europäischen Parlaments zur Einrichtung des Transatlantischen Dialogs der Gesetzgeber aus dem Jahr 1999 eine ständige Kongressdelegation für den Transatlantischen Dialog der Gesetzgeber einzusetzen, da dies die Kapazität der EU für den politischen Dialog und die Zusammenarbeit verbessern würde;

54.  fordert die EU und die USA nachdrücklich auf, die Verhandlungen zur Stärkung der internationalen Lieferketten für wichtige Mineralien entschlossen voranzubringen, um für beide Seiten akzeptable Lösungen zu finden, mit denen die diskriminierende Wirkung des Gesetzes zur Verringerung der Inflation korrigiert werden kann;

55.  begrüßt den Abschluss des Windsor-Rahmens und erinnert an die Bedeutung des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich für eine starke und konstruktive Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich; hebt die entscheidende und vielschichtige Bedeutung des Protokolls zu Nordirland und des Windsor-Rahmens für die langfristigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich hervor;

56.  bedauert, dass das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich keine Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Außenpolitik und Verteidigung enthält; fordert in diesem Zusammenhang eine stärkere Beteiligung des Vereinigten Königreichs an europäischen Sicherheits- und Verteidigungsprojekten sowie eine strukturiertere und regelmäßigere Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich im Bereich auswärtige Angelegenheiten, aufbauend auf den konstruktiven Erfahrungen der Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich beim Vorgehen gegen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, auch bei der Annahme und Überwachung von Sanktionen; begrüßt die gemeinsamen Reisen von Vertretern der EU und des Vereinigten Königreichs in Drittländer, die dazu dienen, die Umgehung von Sanktionen zu verhindern; weist auf gemeinsame Interessen und gemeinsame Verantwortlichkeiten hin und fordert dauerhaftere Formen der Koordinierung der Außen- und Sicherheitspolitik in verschiedenen Regionen; begrüßt die Teilnahme des Vereinigten Königreichs an der Europäischen Politischen Gemeinschaft und die Ausrichtung ihres vierten Gipfeltreffens; ist davon überzeugt, dass die Europäische Politische Gemeinschaft das Vertrauen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU fördern, einen engeren Dialog über gemeinsame Herausforderungen insbesondere im Bereich der Sicherheit vorantreiben und als Inkubator für konkrete Kooperationsprojekte dienen kann;

57.  begrüßt sowohl die Einsetzung der Beratenden Gruppe Belarus-EU, die zum Ziel hat, einen kontinuierlichen Dialog zwischen der EU und den demokratischen Kräften von Belarus zu ermöglichen, als auch die anhaltende Unterstützung für russische Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Medien innerhalb und außerhalb Russlands; ist schockiert über den Tod des Sacharow-Preisträgers 2021 Alexej Nawalny, der aus dubiosen und politisch motivierten Gründen verhaftet und verurteilt wurde und der sein Leben geopfert hat, um für die Demokratie und gegen Unterdrückung und Korruption in Russland zu kämpfen; fordert das russische Regime auf, unverzüglich die Umstände des Todes von Alexej Nawalny aufzuklären; bekräftigt seine Unterstützung für die demokratische Opposition in Belarus, alle politischen Gefangenen sowie die mutigen Aktivisten und Journalisten in Belarus, die sich dem Regime des unrechtmäßigen Machthabers und der Mittäterschaft des Regimes am Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine trotz anhaltenden harten Vorgehens weiterhin widersetzen und ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht haben, die demokratische Entwicklung von Belarus und seine Mitgliedschaft in der EU zu erreichen, unter anderem auf der Konferenz „Neues Belarus“, die im August 2023 in Warschau stattfand; betont, dass solche Bemühungen die grundlegende Rolle der Zivilgesellschaft bei der Stärkung der Demokratie verdeutlichen;

58.  verurteilt, dass das Lukaschenka-Regime den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine aktiv unterstützt; betont nachdrücklich, dass die Sanktionen gegen Russland auch für Belarus gelten müssen, da das Lukaschenka-Regime an den begangenen Kriegsverbrechen wie der Entführung Tausender ukrainischer Kinder umfassend beteiligt war;

59.  ist schockiert und entsetzt über die Ermordung des Sacharow-Preisträgers 2021 und russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny, der sein Leben geopfert hat, um für die Demokratie und gegen Unterdrückung und Korruption in Russland zu kämpfen;

60.  begrüßt das Erweiterungspaket 2023 und den Wachstumsplan für den Westbalkan, der eine Fazilität in Höhe von 6 Mrd. EUR in Form von Finanzhilfen und Darlehen umfasst, um die sozioökonomische Konvergenz mit der EU im Zeitraum von 2024 bis 2027 zu beschleunigen; bestätigt, dass es den Vorschlag für die Reform- und Wachstumsfazilität für den Westbalkan prüft und mit dem Rat zusammenarbeiten wird, um eine schnelle Ratifizierung zu garantieren; fordert den Rat auf, ein echtes politisches Engagement für die Aussicht der Länder des Westbalkans auf eine EU-Mitgliedschaft unter Beweis zu stellen; stellt fest, dass dies auch Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen mit Albanien, Montenegro und Nordmazedonien umfassen sollte; unterstützt die Bemühungen, vorrangig die einschlägigen Verfassungsänderungen in Nordmazedonien zu erreichen, und fordert alle politischen Kräfte auf, in dieser Hinsicht eine konstruktive Rolle zu spielen; bittet insbesondere auch die Regierungen der Mitgliedstaaten, die diese zusätzliche Forderung für Nordmazedonien aufgestellt haben, ihr Möglichstes zu tun, um diese Bemühungen zu unterstützen; bedauert die ungerechtfertigten Verzögerungen bei den Beitrittsprozessen von Nordmazedonien und Albanien und weist darauf hin, dass die Bewerberländer auf der Grundlage ihrer eigenen Verdienste bei der Erfüllung der objektiven Beitrittskriterien bewertet werden sollten, einschließlich ihrer Umsetzung von EU-bezogenen Reformen und ihrer Anpassung der politischen Ausrichtung an die GASP, wie etwa in Bezug auf Standpunkte und restriktive Maßnahmen, die als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ergriffen wurden; begrüßt, dass sich die Mehrheit der Länder des westlichen Balkans auf die GASP abstimmt, und fordert Belgrad auf, dies dringend ebenfalls zu tun, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Serbien eines der wenigen europäischen Länder ist, die die Sanktionen, die als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verhängt wurden, noch nicht anwenden; weist darauf hin, dass der Beitritt nur stattfinden kann, wenn sich das betreffende Land EU-Sanktionen gegen Russland anschließt und wesentliche Fortschritte bei den EU-bezogenen Reformen macht; ist nach wie vor sehr besorgt über den destabilisierenden Einfluss der serbischen Staatsorgane auf die gesamte Region;

61.  nimmt die vorläufigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE zu der vorgezogenen Parlamentswahl in Serbien vom 17. Dezember 2023 zur Kenntnis; begrüßt die hohe Wahlbeteiligung, ist aber besorgt über die Unregelmäßigkeiten und Verfahrensmängel, über die berichtet wurde; betont, dass das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Institutionen Serbiens im Mittelpunkt des EU-Beitrittsprozesses des Landes steht, und fordert die zuständigen Behörden auf, die Empfehlungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission ordnungsgemäß zu prüfen und weiterzuverfolgen; fordert die politische Führung Serbiens auf, für einen konstruktiven und inklusiven Dialog im gesamten politischen Spektrum zu sorgen und die notwendigen Reformen durchzuführen, damit Serbien auf dem Weg zum EU-Beitritt Fortschritte erzielt;

62.  ist zutiefst besorgt über eine öffentliche Erklärung von Präsident Vucic im Februar 2024, in der ausdrücklich mögliche militärische Maßnahmen der Volksrepublik China gegen Taiwan befürwortet werden, die im Widerspruch zur Politik der EU zur Unterstützung des Status quo in der Taiwanstraße stehen und vor einseitigen Maßnahmen, insbesondere mit Gewalt oder Zwang, gewarnt wird;

63.  bedauert, dass die hohen politischen Spannungen und die Polarisierung in Montenegro die Fortschritte bei EU-bezogenen Reformen verzögert und das Land in eine tiefe politische und institutionelle Krise gestürzt haben, wodurch der EU-Beitrittsprozess Montenegros zum Stillstand gebracht wurde; begrüßt die Bildung einer neuen Regierung und erachtet es als wichtig, dass die Regierung in der Lage und entschlossen ist, die EU-bezogenen Reformen voranzubringen und Montenegro nachdrücklich auf dem strategischen Weg in die EU zu halten;

64.  bedauert, dass die Parlaments- und Kommunalwahlen in Serbien vom 17. Dezember 2023 den internationalen Normen und den Zusagen Serbiens in Bezug auf freie und faire Wahlen nicht entsprachen, da die Amtsinhaber staatliche Einrichtungen und Medien konstant und systematisch missbraucht haben, um sich einen unfairen und ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen; ist der Ansicht, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Wahlen unter fairen Bedingungen abgehalten wurden; ist äußerst beunruhigt angesichts der Berichte über den weitverbreiteten und systematischen Betrug, durch den die Integrität der Wahlen in Serbien beeinträchtigt wurde; in der Erwägung, dass die Wahl nach Angaben der internationalen Wahlbeobachtungsmission reibungslos ablief, der Wahltag jedoch von zahlreichen Verfahrensmängeln, darunter die uneinheitliche Anwendung von Garantien während der Stimmabgabe und der Auszählung, häufige Fälle von überfüllten Wahllokalen, Verstöße gegen das Wahlgeheimnis und zahlreiche Fälle von Stimmabgaben in Gruppen, und von der entscheidenden Beteiligung von Präsident Vučić in Verbindung mit den systemischen Vorteilen der Regierungspartei geprägt war; ist zutiefst besorgt über diese Unregelmäßigkeiten und das allgemeine Umfeld der Wahlen, mit denen die für ein EU-Bewerberland zu erwartenden Normen nicht erfüllt wurden; weist die Staatsorgane Serbiens darauf hin, dass das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Institutionen des Landes im Mittelpunkt des EU-Beitrittsverfahrens Serbiens und der EU-Beitrittsmethodik steht; fordert eine unabhängige internationale Untersuchung der Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl, der Provinzialwahl und den Kommunalwahlen – mit besonderem Schwerpunkt auf der Wahl der Belgrader Stadtversammlung – durch anerkannte internationale Rechtssachverständige und Institutionen, da bestimmte Vorwürfe, einschließlich solcher zur organisierten Umsiedlung von Wählern auf kommunaler Ebene, über den Umfang der Berichte des BDIMR der OSZE hinausgehen;

65.  begrüßt den Beschluss des Europäischen Rates, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina aufzunehmen, sobald die Mitgliedschaftskriterien in hinreichendem Maße erfüllt werden; erwartet mit Interesse den Fortschrittsbericht der Kommission, der spätestens im März 2024 veröffentlicht werden soll; fordert die führenden Politiker des Landes nachdrücklich auf, die umfangreichen Reformen, einschließlich Wahlreformen, im Einklang mit den Entscheidungen der nationalen und internationalen Gerichte umzusetzen, um die Grundsätze der Gleichheit und Nichtdiskriminierung für alle Bürger und die konstituierenden Völker sicherzustellen, wie sie in der Verfassung verankert sind und unter uneingeschränkter Achtung der Urteile der nationalen und internationalen Gerichte, einschließlich aller Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf Bosnien und Herzegowina; verurteilt die wiederholte hetzerische Rhetorik und die sezessionistischen Gesetze und politischen Strategien der Führung der Republika Srpska, einschließlich der Feierlichkeiten zum verfassungswidrigen sogenannten Tag der Republika Srpska am 9. Januar 2024; fordert die Mitgliedstaaten und Vertreter der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina auf, die Umsetzung dieser Urteile zu fördern und zu unterstützen; bekräftigt seine Forderung nach gezielten Sanktionen gegen destabilisierende Akteure in Bosnien und Herzegowina, insbesondere Milorad Dodik, sowie gegen sonstige hochrangige Beamte der Republika Srpska und serbische Beamte, die politische und materielle Unterstützung für sezessionistische Maßnahmen leisten; fordert alle Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass solche Sanktionen vom Rat beschlossen werden können, und sie bilateral oder im Einvernehmen mit anderen Mitgliedstaaten zu verhängen, wenn ihre Annahme im Rat nicht möglich ist;; begrüßt die Vereinbarung, das Mandat der EU-Truppe für die Operation Althea in Bosnien und Herzegowina bis zum 2. November 2024 zu verlängern, und weist darauf hin, dass diese Mission für die Sicherheit und Stabilität von Bosnien und Herzegowina nach wie vor eine zentrale Rolle spielt; fordert die Militärmission der EU nachdrücklich auf, rechtswidrige Paraden und andere Provokationen sowie Drohungen gegen alle, die sich für die Opfer des Völkermords einsetzen und in die Aussöhnung der Volksgruppen und eine friedliche Zukunft des Landes investieren, aktiv zu verhindern;

66.  begrüßt die Tatsache, dass der unprovozierte Angriffskrieg gegen die Ukraine die Europäische Union veranlasst hat, ihre Erweiterungspolitik neu zu priorisieren; bekräftigt, dass das Tempo des Erweiterungsprozesses sowohl von der Fähigkeit der einzelnen Länder, die Beitrittskriterien zu erfüllen, als auch von dem Engagement der politischen Führung in den Ländern des Westbalkans und den EU-Mitgliedstaaten abhängt; ist besorgt über die Zunahme des Ethnonationalismus auf dem westlichen Balkan; fordert den EAD auf, die Situation genau zu beobachten, um Spannungen zu vermeiden; unterstreicht die Bedeutung der vom Europäischen Parlament geförderten Maßnahmen zur Unterstützung der Demokratie, wie etwa des Jean-Monnet-Dialogs und des Prozesses des parlamentarischen Dialogs;

67.  begrüßt die jüngsten Signale in Bezug auf den beschleunigten Zeitplan für Bewerberländer; fordert, dass sichergestellt wird, dass laufende und künftige Beitrittsverhandlungen nicht aufgrund besonderer nationaler Interessen oder der Notwendigkeit einer Reform der Verträge verzögert werden; bekräftigt, dass die Arbeit an dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten und der Vertiefung der EU parallel fortgesetzt werden muss; unterstreicht, dass die Finanzierungsinstrumente wie das Instrument für Heranführungshilfe III für die Stärkung der Partnerschaft zwischen der EU und den Bewerberländern wichtig sind; fordert die Entwicklung einer kohärenten Strategie für die schrittweise Einbeziehung aller Bewerberländer, einschließlich in sektorbezogene politische Maßnahmen und als Beobachter in den verschiedenen Organen der Union; ist weiterhin zutiefst besorgt über Berichte, denen zufolge der Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung bewusst versucht, die zentrale Bedeutung demokratischer und rechtsstaatlicher Reformen in EU-Beitrittsländern zu unterlaufen und zu untergraben; fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine unabhängige und unparteiische Untersuchung einzuleiten, um festzustellen, ob das Verhalten des Kommissars für Nachbarschaft und Erweiterung und die von ihm geförderten Maßnahmen einen Verstoß gegen den Verhaltenskodex für die Mitglieder der Kommission und gegen die Verpflichtungen des Kommissars aus den Verträgen darstellen;

68.  verweist auf die strategische Bedeutung des westlichen Balkans im heutigen geopolitischen Kontext sowie für die Sicherheit und Stabilität der EU als Ganzes; bekräftigt die Notwendigkeit einer stärkeren europäischen Präsenz und Sichtbarkeit in der Region, um ausländische bösartige Einflüsse und deren hybride Aktivitäten abzuwehren;

69.  verurteilt den Terroranschlag vom 24. September 2023 auf Polizeibeamte des Kosovo in Banjska im Norden der Republik Kosovo und andere Provokationen; bekräftigt seinen in seiner Entschließung vom 19. Oktober 2023(20) dargelegten Standpunkt; fordert in diesem Zusammenhang alle Seiten nachdrücklich auf, auf eine Deeskalation der Lage hinzuarbeiten und Rhetoriken oder Maßnahmen, die zu weiteren Spannungen führen könnten, zu vermeiden; verfolgt die laufenden Ermittlungen aufmerksam und bekräftigt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt werden müssen; fordert die Kommission und den Rat auf, Maßnahmen gegen die serbische Regierung zu ergreifen, wenn die Ermittlungen ergeben, dass der serbische Staat unmittelbar an dem genannten Anschlag oder an den gewalttätigen Anschlägen im Norden des Kosovos im Mai 2023 beteiligt war, oder wenn die serbischen Behörden nicht zu einer uneingeschränkten Zusammenarbeit bereit sind;

70.  unterstützt die Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien und die Entwicklung des von der EU geförderten Dialogs zwischen Belgrad und Pristina; fordert das Kosovo und Serbien auf, diesen Dialog nach Treu und Glauben und im Geiste der Kompromissbereitschaft zu führen, um im Einklang mit dem Völkerrecht und ohne weitere Verzögerungen zu einem umfassenden und rechtlich bindenden Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen auf der Grundlage des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung zu gelangen; erinnert daran, dass das Ausbleiben von Fortschritten bei der Normalisierung der Beziehungen sich negativ auf die EU-Integration beider Länder auswirken würde; bedauert die restriktiven Maßnahmen des Rates gegen das Kosovo und fordert deren sofortige Aufhebung; fordert die EU auf, einen ausgewogenen Ansatz für die Vermittlung zwischen den Parteien zu verfolgen, um die derzeitige Pattsituation zu überwinden; weist darauf hin, dass ein Scheitern des Dialogs auch Auswirkungen auf die Rolle der EU als glaubwürdiger außenpolitischer Akteur hätte;

71.  stellt mit Bedauern fest, dass die Beobachter während der vorgezogenen Parlamentswahl in Serbien vom 17. Dezember 2023 zahlreiche Unregelmäßigkeiten gemeldet haben, darunter unter anderem die missbräuchliche Nutzung öffentlicher Mittel, der Druck auf Beschäftigte im öffentlichen Sektor, die Einschüchterung von und der Druck auf Wähler, Stimmenkauf und Medienvereinnahmung; fordert eine unverzügliche unabhängige Untersuchung dieser Unregelmäßigkeiten; fordert die serbischen Staatsorgane vor diesem Hintergrund auf, den Empfehlungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission Folge zu leisten; ist besorgt über die ausgeprägte Polarisierung der serbischen Gesellschaft und die jüngsten gewaltsamen Vorfälle, einschließlich der gemeldeten Verprügelung eines Oppositionspolitikers durch den serbischen Geheimdienst;

72.  begrüßt den Beschluss des Europäischen Rates, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau aufzunehmen; fordert den Rat auf, die jeweiligen Verhandlungsrahmen anzunehmen, sobald die in den entsprechenden Empfehlungen der Kommission vom 8. November 2023 dargelegten einschlägigen Maßnahmen ergriffen wurden; nimmt die Empfehlung, auch mit Bosnien und Herzegowina Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, sobald die Mitgliedschaftskriterien in hinreichendem Maße erfüllt werden, wohlwollend zur Kenntnis; begrüßt den Antrag des Kosovo auf EU-Mitgliedschaft und fordert die Kommission auf, darauf zu antworten; weist darauf hin, dass die Bewerbung des Kosovo, als Beitrittskandidat angesehen zu werden, auf der Grundlage seiner eigenen Verdienste und seines Erfolgs im Hinblick auf die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien für die EU-Mitgliedschaft bewertet wird; begrüßt jedoch die Aufhebung der Visumpflicht für Bürger des Kosovos;

73.  nimmt den Beschluss des Europäischen Rates, Georgien unter der Voraussetzung, dass die in der Empfehlung der Kommission vom 8. November 2023 dargelegten einschlägigen weitere Schritte beispielsweise zur Bekämpfung von Desinformation, zur Angleichung an die GASP, zur Verbesserung der Umsetzung der parlamentarischen Kontrolle und zur Bekämpfung der politischen Polarisierung, zur Deoligarchisierung und zur Korruptionsbekämpfung unternommen werden, den Status eines Bewerberlandes zuzuerkennen, wohlwollend zur Kenntnis; bekräftigt seine Forderungen, den ehemaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili aus humanitären Gründen freizulassen, und fordert Präsidentin Salome Surabischwili auf, ihr verfassungsmäßiges Recht zur Begnadigung zu nutzen, was dazu beitragen würde, die politische Polarisierung im Land zu verringern; hebt die legitimen europäischen Bestrebungen des georgischen Volkes hervor und betont dementsprechend, dass es wichtig ist, dass die EU das Land unterstützt, wobei der Schwerpunkt auf den Akteuren der Zivilgesellschaft liegt, die auf die Integration Georgiens in die EU hinarbeiten; weist auf die mögliche stabilisierende Rolle hin, die Georgien im Südkaukasus spielen kann;

74.  fordert die Organe der EU und die Mitgliedstaaten auf, entschiedene Schritte zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Russland seinen Verpflichtungen im Rahmen des von der EU vermittelten Waffenstillstandsabkommens vom 12. August 2008 nachkommt, insbesondere dem Abzug seiner gesamten Militär- und Sicherheitskräfte aus den besetzten Gebieten Georgiens, der Ermöglichung der Bereitstellung internationaler Sicherheitsmechanismen vor Ort und der Gewährung von ungehindertem Zugang der EU-Beobachtermission zu den von Russland besetzten georgischen Regionen Abchasien und Zchinwali/Südossetien; fordert die EU-Organe und die Mitgliedstaaten auf, die Kapazitäten der EU-Beobachtermission weiter zu stärken und ihr Mandat weiter auszuweiten; fordert die Organe der EU und die Mitgliedstaaten außerdem auf, den Begriff „Besetzung“ im Hinblick auf die georgischen Regionen Abchasien und Zchinwali/Südossetien zu verwenden, die gemäß den entsprechenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der Untersuchung des Internationalen Strafgerichtshofs von Russland illegal besetzt werden und effektiv unter der Kontrolle Russlands stehen;

75.  ist der Ansicht, dass der Beitritt der Ukraine und der Republik Moldau zur EU eine geostrategische Investition in ein geeintes und starkes Europa wäre; begrüßt das Unterstützungspaket und den Start der zivilen EU-Partnerschaftsmission in der Republik Moldau; würdigt die Fortschritte, die bei den Reformen bereits erzielt wurden, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, einen ehrgeizigen Fahrplan für die möglichst baldige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen sowie für die schrittweise Integration der Ukraine und Moldaus in die Politik und Programme der EU vorzulegen; hebt die Komplexität und die verdienstbasierte Art des Beitrittsprozesses hervor, die ein beständiges und zeitnahes Handeln erfordern; besteht auch darauf, dass kontinuierliche Anstrengungen unternommen werden, um die bestehenden Beitrittsinstrumente anzupassen und die Rechtsgrundlage für das Instrument für Heranführungshilfe III zu schaffen; begrüßt es, dass sich der Europäische Rat auf seinen nächsten Tagungen mit den internen Reformen im Zusammenhang mit der Erweiterung befasst, damit bis zum Sommer 2024 die Schlussfolgerungen zu einem Fahrplan für die künftigen Arbeiten angenommen werden können;

76.  bekräftigt erneut, dass die multilaterale Politik der Östlichen Partnerschaft überdacht werden muss, um das regionale Engagement und die regionale Agenda für demokratische Reformen wiederherzustellen, auch durch die Parlamentarische Versammlung EuroNest;

77.  bedauert, dass Aserbaidschan in Bezug auf Bergkarabach eine militärische statt diplomatische Lösung gewählt hat, nimmt jedoch zur Kenntnis, dass Bergkarabach international als aserbaidschanisches Hoheitsgebiet anerkannt ist; verurteilt aufs Schärfste den geplanten und ungerechtfertigten Angriff Aserbaidschans auf die Armenier Bergkarabachs und die in der Region verbliebenen Menschen; fordert die aserbaidschanischen Staatsorgane auf, die sichere Rückkehr der armenischen Bevölkerung nach Bergkarabach zu ermöglichen und solide Garantien für den Schutz ihrer Rechte zu bieten; fordert, dass das armenische kulturelle, historische und religiöse Erbe in Bergkarabach nach Maßgabe der UNESCO-Standards und der internationalen Verpflichtungen Aserbaidschans geschützt wird; bedauert, dass die Offensive von Baku eine grobe Verletzung des Völkerrechts und der Menschenrechte und eine eindeutige Verletzung der trilateralen Waffenstillstandserklärung vom 9. November 2020 und der Zusagen darstellt, die Aserbaidschan in den von der EU vermittelten Verhandlungen gegeben hat; ist der Ansicht, dass ein echter Dialog zwischen Aserbaidschan und Armenien der einzige nachhaltige Weg ist, und fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, diese Bemühungen zu unterstützen; unterstützt die laufenden Friedensgespräche zwischen Armenien und Aserbaidschan, die durch die jüngste Militäroperation gegen Bergkarabach ernsthaft behindert wurden, die einen Exodus der armenischen Bevölkerung zur Folge hatte; betont, dass ein Frieden in der Region, der seiner Bezeichnung würdig und dauerhaft ist und bei dem die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit beider Staaten bewahrt werden, die Voraussetzung für Stabilität in der Region ist; ist besorgt über die Versuche einiger Staats- und Regierungschefs und regionaler Mächte, die derzeitige Lage so auszunutzen, dass die fragilen Aussichten auf Frieden gefährdet werden könnten; weist warnend darauf hin, dass die EU und die internationale Gemeinschaft entschlossen auf alle Bemühungen reagieren sollten, die Ziele durch den Einsatz von Gewalt und die Verletzung der territorialen Integrität der Nachbarländer zu erreichen;

78.  fordert die zivile Mission der EU in Armenien (EUMA) auf, die Entwicklung der Sicherheitslage vor Ort genau zu beobachten, dem Europäischen Parlament auf transparente Weise Bericht zu erstatten und tatkräftig zu den Bemühungen um eine Konfliktlösung beizutragen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, das Mandat der EUMA zu stärken, ihre Personalstärke zu erhöhen, ihre Dauer zu verlängern und auch an die Grenze zur Türkei Beobachter zu entsenden; fordert Aserbaidschan auf, die Präsenz der EUMA auf seiner Seite der Grenze und in Bergkarabach zuzulassen;

79.  fordert den VP/HR und den EAD auf, Armenien über die Europäische Friedensfazilität weiter zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf die Stärkung seiner Verteidigungsfähigkeiten gegen hybride Bedrohungen, um seinen Sicherheitsraum über die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit hinaus zu erweitern; begrüßt die Einrichtung des politischen und sicherheitspolitischen Dialogs zwischen der EU und Armenien und dessen zweites Treffen am 15. November 2023;

80.  betont, dass die mehrfachen Warnungen des Parlaments zu dieser Situation nicht zu einer Änderung der EU-Politik in Bezug auf Aserbaidschan geführt haben; besteht darauf, dass jede Vertiefung der Beziehungen der EU zu Aserbaidschan auch künftig davon abhängen muss, dass das Land erhebliche Fortschritte bei der Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundfreiheiten erzielt, einschließlich des Schutzes ethnischer Minderheiten; bringt in diesem Zusammenhang seine tiefe Besorgnis über die jüngste Verschärfung des harten Vorgehens gegen unabhängige Journalisten und Menschenrechtsverteidiger in Aserbaidschan zum Ausdruck; fordert die EU ferner auf, unverzüglich Sanktionen gegen Aserbaidschan zu verhängen und die Vereinbarung über eine strategische Partnerschaft im Energiebereich auszusetzen; stellt außerdem die Eignung Aserbaidschans als Gastgeber der COP29 im Jahr 2024 in Frage, da das Land plant, seine Produktion fossiler Brennstoffe im nächsten Jahrzehnt um ein Drittel zu steigern;

81.  bekräftigt seine Unterstützung für die demokratisch gewählte Regierung Armeniens und seine uneingeschränkte Achtung der Souveränität, Demokratie und territorialen Unversehrtheit des Landes; lobt Premierminister Nikol Paschinjan für seine Erklärung, dass Armenien nicht in einen neuen Krieg mit Aserbaidschan hineingezogen werden wird, und für seine jüngsten Aufrufe zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen auf höchster Ebene mit Aserbaidschan; verurteilt die Einmischung Russlands in Armenien, die darauf abzielt, Unruhe zu verbreiten; fordert die EU auf, ihr Engagement im Südkaukasus zu verstärken; begrüßt dass Armenien , das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert hat;

82.  ist weiterhin besorgt darüber, dass die türkische Regierung den negativen Trend der Verschlechterung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte und der Unabhängigkeit der Justiz nicht umgekehrt hat, dass die türkische Außenpolitik weiterhin im Widerspruch zu den Prioritäten der EU im Rahmen der GASP steht und dass die Türkei sich den Sanktionen der EU gegen Russland nicht angeschlossen hat; spricht sich entschieden gegen die Äußerungen des Präsidenten der Türkei aus, in denen er behauptete, die Hamas sei keine terroristische Organisation, und bringt seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck;

83.  betont, dass der EU-Beitrittsprozess der Türkei ohne eine drastische Kursänderung durch die türkische Regierung nicht wieder aufgenommen werden kann; fordert die EU und die türkische Regierung auf, auf eine engere, dynamischere und strategische Partnerschaft hinzuarbeiten, wobei die Schlüsselrolle der Türkei in der Region und ihre Bedeutung als NATO-Verbündeter zu berücksichtigen sind; empfiehlt, einen Reflexionsprozess einzuleiten, um einen parallelen und realistischen Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei zu finden, der die Interessen aller beteiligten Parteien umfasst, was die Türkei in die EU verankern würde, anstatt sie in Richtung Russlands oder des Iran zu drängen;

84.  begrüßt die teilweise Deeskalation der Spannungen im östlichen Mittelmeerraum und in der Ägäis und fordert die Türkei auf, mit ihren Partnern in diesen Regionen einen konstruktiven und nicht einen forschen oder aggressiven Ansatz zu verfolgen; begrüßt diesbezüglich den lange hinausgezögerten Beschluss der Türkei und Ungarns, den Beitritt Schwedens auf Beitritt zur NATO endgültig zu billigen, und fordert die staatlichen Stellen der Türkei nachdrücklich auf, eng mit dem Sonderbeauftragten für die Umsetzung von EU-Sanktionen zusammenzuarbeiten;

85.  verurteilt die Einleitung illegaler Bauarbeiten durch die türkisch-zyprische Seite in der Pufferzone nahe des von beiden Volksgruppen bewohnten Dorfs Pyla/Pile auf Zypern sowie die Übergriffe auf Friedenssicherungstruppen der Vereinten Nationen und die Beschädigung von Fahrzeugen der Vereinten Nationen am 18. August 2023; fordert, dass der Status der Pufferzone und das Mandat der Friedenssicherungstruppen der Vereinten Nationen in Zypern geachtet werden; weist darauf hin, dass Bedrohungen der Sicherheit von Friedenssicherungstruppen der Vereinten Nationen und die Beschädigung von Eigentum der Vereinten Nationen eine Straftat nach dem Völkerrecht darstellen; fordert die Türkei und die türkisch-zyprische Führung nachdrücklich auf, alle derartigen einseitigen Aktivitäten einzustellen und rückgängig zu machen und weitere Maßnahmen und Provokationen zu vermeiden, die die Wiederaufnahme der von den Vereinten Nationen geleiteten Verhandlungen beeinträchtigen; begrüßt die von den beiden Seiten erzielte Einigung, Fortschritte bezüglich der Straße nach Pyla/Pile auf Zypern zu erzielen und die Lage zu stabilisieren, und fordert ein Engagement für friedliche Verhandlungen und einen echten Dialogprozess;

86.  bedauert, dass es mehr als 25 Jahre, nachdem der Barcelona-Prozess ins Leben gerufen wurde, noch nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Raum des Wohlstands, der Stabilität und Freiheit mit den Mittelmeerländern der südlichen Nachbarschaft zu schaffen; fordert den VP/HR und die Kommission auf, die südliche Dimension der Nachbarschaft der EU zu stärken, unter anderem durch einen verstärkten Dialog sowie eine stärkere Auflagenbindung der Mittelauszahlung, und angemessene Ressourcen für die rechtzeitige und wirksame Umsetzung der neuen Agenda für den Mittelmeerraum sicherzustellen; hebt die bedeutende Rolle hervor, die den Ländern der südlichen Nachbarschaft dabei zukommt, die Migrationsströme auf der Grundlage der im internationalen, regionalen und nationalen Recht verankerten Grundsätze der Menschenrechte von Migranten und Flüchtlingen, der Solidarität, der Ausgewogenheit und der geteilten Verantwortung zwischen den Ländern zu lenken; unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit mit diesen Ländern, um die Ursachen der Migration und die Folgen von irregulärer Migration, Menschenhandel und Schmuggel von illegalen Waffen und Kulturgütern abzumildern; weist darauf hin, dass viele Länder der südlichen Nachbarschaft über große Energieressourcen verfügen und mehr zur Diversifizierung der Energieversorgung der europäischen Länder beitragen können;

87.  nimmt die politische Einigung über ein umfassendes Partnerschaftspaket mit Tunesien zur Kenntnis; weist darauf hin, dass diese Vereinbarung an Bedingungen geknüpft ist, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, deren Einhaltung sicherzustellen; bedauert jedoch, dass die von der EU in ihren Abkommen mit Drittländern erwarteten Menschenrechtsverpflichtungen nicht in diese Vereinbarung aufgenommen wurden; ist ferner der Ansicht, dass die Beziehungen zwischen der EU und Tunesien auf dem Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Tunesien und auf der Wahrung der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit beruhen sollten, wobei die Umsetzung des Assoziierungsabkommens und die Auszahlung von EU-Mitteln an Tunesien durch das Parlament umfassend überwacht werden sollten; ist der festen Überzeugung, dass die Übertragung von EU-Mitteln davon abhängig gemacht werden sollte, dass Tunesien Menschenrechtsstandards einhält, und dies Bestimmungen über Konditionalität und Rechenschaftspflicht umfassen sollte; fordert die Kommission auf, einen Mechanismus vorzulegen, um die Einhaltung in dieser Hinsicht sicherzustellen und dabei alle relevanten Optionen zu prüfen;

88.  ist zutiefst besorgt über die autoritären Tendenzen der tunesischen Führung, die Inhaftierung von Vertretern der Opposition und der Zivilgesellschaft und die Verfolgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden und fordert die tunesischen Staatsorgane nachdrücklich auf, die das humanitäre Völkerrecht und die Rechte von Migranten zu achten; verurteilt darüber hinaus die Entscheidung der tunesischen Behörden, der Delegation des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Parlaments die Einreise zu verweigern, und fordert die tunesischen Behörden nachdrücklich auf, einen offenen politischen Dialog zu ermöglichen;

89.  betont, dass eine strategischere Zusammenarbeit mit den Golfstaaten notwendig ist, insbesondere im Hinblick auf die Förderung der regionalen Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit, den Klimaschutz, die Menschenrechte und die Korruptionsbekämpfung; begrüßt die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Königreich Saudi-Arabien und der Islamischen Republik Iran; begrüßt ferner die vorgeschlagene Einrichtung eines strukturierten Sicherheitsdialogs zwischen der EU und dem Golf-Kooperationsrat; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und den Golfstaaten uneingeschränkte Transparenz und Rechenschaftspflicht erforderlich sind; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, weiterhin die Achtung der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter sowie die schrittweise Angleichung der Werte zu betonen, insbesondere bei der Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine Folgen;

90.  unterstreicht, dass die GASP auf die Entwicklung und Festigung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten abzielt und dass diese Ziele vom Königreich Saudi-Arabien nicht geteilt werden; nimmt zur Kenntnis, dass das Königreich Saudi-Arabien weiterhin im Rahmen eines regelmäßigen Menschenrechtsdialogs mit der EU zusammenarbeitet; verurteilt jedoch die anhaltende Verletzung der Menschenrechte durch das Land, insbesondere die Verhängung von Todesurteilen und die Vollstreckung von Hinrichtungen sowie die Einschränkung der bürgerlichen und politischen Rechte und der Redefreiheit, und fordert, dass die Todesstrafe abgeschafft wird;

91.  verurteilt das brutale Vorgehen der iranischen Polizei- und Sicherheitskräfte, einschließlich des Korps der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC), gegen Demonstrationen nach dem Tod von Jina Mahsa Aminin sowie die Folter und Tötung vieler anderer Regimegegner; fordert zusätzliche restriktive Maßnahmen gegen die IRGC, ihre Hilfstruppen und all diejenigen, die für die Menschenrechtsverletzungen gegen friedliche Proteste verantwortlich sind, einschließlich der ranghöchsten Beamten; fordert den Rat auf, die IRGC und ihre Hilfstruppen, einschließlich der iranischen Moralpolizei, der paramilitärischen Basij-Miliz und der Quds-Truppe, als terroristische Vereinigung einzustufen;

92.  bekräftigt seine Unterstützung für die friedliche Oppositionsbewegung im gesamten Iran, die gegen die systematische und zunehmende Unterdrückung von Frauen und die schweren Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten protestiert; verurteilt das iranische Regime wegen seiner Schikanierungskampagne, Überwachung, Entführungen und Todesdrohungen gegen iranische Aktivisten und seiner systematischen Diskriminierung von Frauen durch Gesetze und Vorschriften, die ihre Freiheiten stark einschränken; fordert die Einrichtung eines internationalen Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus für von der iranischen Regierung begangene Menschenrechtsverletzungen;

93.  verurteilt das iranische Regime für die Lieferung von militärischer Ausrüstung an Russland für dessen brutale und illegale Aggression gegen die Ukraine; betont, dass die Islamische Republik zu Kriegsverbrechen in der Ukraine beiträgt, da diese Ausrüstung gegen Zivilisten und zivile Infrastrukturen eingesetzt wird, und fordert eine schlagkräftige Reaktion der EU auf die Beteiligung des Iran an Russlands Krieg; verurteilt die Unterstützung des Iran für ausgewiesene Terrorgruppen wie die Hisbollah, die Hamas, den Palästinensischen Islamischen Dschihad und die Huthis; verurteilt die rechtswidrigen, inakzeptablen und zutiefst destabilisierenden Angriffe der Huthi auf Handelsschiffe, die das Rote Meer durchqueren, unter Einsatz von Raketen, kleinen Booten und die versuchten Kaperungen; betont, dass dies zu erheblichen Störungen des Welthandels geführt hat, da die Schifffahrtsgesellschaften gezwungen sind, einen Großteil des Verkehrs im Roten Meer um die Südspitze Afrikas umzuleiten; fordert kollektives Handeln und spricht sich für ein verstärktes Engagement der EU und eine verstärkte internationale Zusammenarbeit aus; begrüßt in diesem Zusammenhang den Beschluss der Mitgliedstaaten, eine maritime GSVP-Operation unter dem Namen ASPIDES einzuleiten, um Handelsschiffe zu schützen, indem die maritime Lageerfassung verstärkt und die Schiffe begleitet werden, um Angriffe abzuschrecken und die Freiheit der Schifffahrt auf einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt sicherzustellen; fordert die sofortige Beendigung dieser rechtswidrigen Angriffe und die Freilassung der unrechtmäßig festgehaltenen Schiffe und Besatzungen; äußert sich besorgt über die destabilisierende Wirkung der Aktivitäten Irans auf den Nahen Osten und die Aussichten auf einen israelisch-palästinensischen Frieden; betont, dass die umfassenderen böswilligen und destabilisierenden Tätigkeiten des Iran im gesamten Nahen Osten und darüber hinaus angegangen und unterbunden werden müssen; wendet sich entschieden gegen die iranische Geiseldiplomatie und fordert, dass alle europäischen Staatsangehörigen, die im Iran festgehalten werden, freigelassen werden und das Land verlassen dürfen; fordert das Regime in Teheran auf, seine Einschüchterungs- und Unterdrückungskampagne gegen iranische Diaspora-Gruppen in der EU und weltweit einzustellen; fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, sich der spezifischen länderübergreifenden Unterdrückungstaktiken des Iran bewusst zu sein;

94.  ist zutiefst besorgt über die fortgesetzte Anreicherung von Uran bis zu einem Reinheitsgrad von 60 % durch die Islamische Republik und ihre wiederholten Verstöße gegen den Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (JCPOA); fordert die Wiederaufnahme der Verhandlungen über den JCPOA-Vertrag;

95.  verurteilt aufs Schärfste die abscheulichen Terrorangriffe, die von der Hamas gegen Israel verübt wurden; fordert sowohl die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller Geiseln, die von der terroristischen Vereinigung Hamas entführt wurden, als auch die Rückgabe der Leichen der verstorbenen Geiseln; erkennt das Recht Israels auf Selbstverteidigung, wie es im Völkerrecht verankert ist und durch dieses eingeschränkt wird, an und betont, dass das Vorgehen Israels strikt mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sein muss, demzufolge alle Konfliktparteien jederzeit zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden müssen, Angriffe sich nur gegen militärische Ziele richten dürfen und Zivilisten und zivile Infrastruktur nicht das Ziel von Angriffen sein dürfen; verurteilt die unverhältnismäßige Reaktion des israelischen Militärs, die zu einer beispiellosen Zahl ziviler Todesopfer geführt hat; ist zutiefst besorgt über die extrem verschlechterte humanitäre Lage im Gazastreifen und fordert eine dauerhafte Waffenpause, damit die Zivilbevölkerung im Gazastreifen Hilfe erhalten kann; fordert die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, ihre humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in der Region fortzusetzen und aufzustocken, und bekräftigt, dass die humanitäre Hilfe der EU für sie weiterhin bereitgestellt werden muss; fordert die Staatsorgane Israels nachdrücklich auf, den kontinuierlichen Zugang humanitärer Hilfe zum Gazastreifen sicherzustellen, insbesondere die ununterbrochene Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern wie Treibstoff, Lebensmitteln, Wasser, medizinischen Hilfsgütern und Unterkünften, wie dies im Völkerrecht vorgesehen ist; bedauert, dass die Palästinensische Behörde seit 2005 keine Wahlen abgehalten hat, was ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigt, und geht davon aus, dass in Kürze Wahlen abgehalten werden;

96.  fordert die Mitgliedstaaten auf, den Internationalen Gerichtshof zu unterstützen und Israel aufzurufen, den rechtsverbindlichen gerichtlichen Anordnungen unverzüglich nachzukommen;

97.  bedauert, dass die Hamas und ihre Verbündeten zunehmend versuchen, den Konflikt auf eine weitaus breitere Ebene zu verlagern, um mit der Intensivierung der Bodenoffensive im Gazastreifen Druck auf Israel auszuüben; ist daher besorgt darüber, dass der Iran und seine Verbündeten auf einen regionalen Krieg drängen; ist äußerst besorgt über das Eskalationspotenzial des Krieges und seine Auswirkungen auf die gesamte Region, insbesondere die Lage an der israelisch-libanesischen Grenze, da hinter der Hisbollah stehende Kämpfer Raketen auf Israel abfeuern; betont, wie wichtig es ist, die Spannungen in der Region zu entschärfen;

98.  bekräftigt seine unerschütterliche Unterstützung für eine auf Verhandlungen beruhende Zweistaatenlösung für Israel und Palästina auf der Grundlage der Grenzen von 1967 mit zwei souveränen, demokratischen Staaten als friedliche Nachbarn und Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt; fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, eine europäische Initiative ins Leben zu rufen, um die Zweistaatenlösung wieder auf den Weg zu bringen; fordert in diesem Zusammenhang den HR/VP und den Sonderbeauftragten für den Nahost-Friedensprozess auf, internationale Unterstützung für den „Friedenstag für den Frieden im Nahen Osten“ zu mobilisieren, der im September 2023 im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York ins Leben gerufen wurde; ist sich des Umstands bewusst, dass für die Wiederaufnahme der Verhandlungen die internationalen Akteure, einschließlich der USA, der Vereinten Nationen, der EU und der Arabischen Staaten, ihre Bemühungen gegenseitig ergänzen müssen, damit die Verhandlungen konstruktiv verlaufen können; weist erneut darauf hin, dass die israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten nach dem Völkerrecht rechtswidrig sind; verurteilt die zunehmende Gewalt gegen Palästinenser durch extremistische Siedler aufs Schärfste; fordert ein sofortiges Ende der Siedlungspolitik sowie ein Ende der Besetzung der palästinensischen Gebiete, die ein erhebliches Hindernis für die Verwirklichung der Zwei-Staaten-Lösung darstellen; fordert, dass restriktive Maßnahmen gegen extremistische Siedler verhängt werden, die die Menschenrechte und das Völkerrecht verletzen; unterstützt eine gerechte, tragfähige und vereinbarte Lösung für die Frage der palästinensischen Flüchtlinge; betont, dass die fortgesetzte Unterstützung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten ein Schlüsselelement der EU-Strategie bleibt, die darauf abzielt, zur Förderung von Stabilität und Entwicklung im Nahen Osten beizutragen; nimmt mit Besorgnis Kenntnis von den jüngsten Anschuldigungen Israels gegen zwölf Mitarbeiter des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA); begrüßt die unverzügliche und entschlossene Reaktion der Vereinten Nationen auf die Anschuldigungen, einschließlich der sofortigen Entlassung der betreffenden Mitarbeiter und der Einleitung von zwei getrennten Untersuchungen der Angelegenheit durch das Amt für interne Aufsichtsdienste der Vereinten Nationen (OIOS) und die unabhängige Prüfgruppe unter der Leitung der ehemaligen französischen Ministerin Catherine Colonna und drei europäischer Organisationen; fordert Israel in diesem Zusammenhang auf, eng mit dem Amt für interne Aufsichtsdienste der Vereinten Nationen und der unabhängigen Prüfgruppe zusammenzuarbeiten und ihnen alle erforderlichen Nachweise vorzulegen; begrüßt den Beschluss der Kommission, die Finanzierung des UNRWA nicht auszusetzen, bevor die Vereinten Nationen das Ergebnis der Untersuchungen und die von ihr zu ergreifenden Maßnahmen bekannt gegeben haben; fordert alle Geberländer, die ihre Finanzhilfe für das UNRWA aufgrund der Anschuldigungen ausgesetzt haben, nachdrücklich auf, ihre Entscheidung zu überdenken, da das UNRWA unverzüglich auf die Anschuldigungen reagiert hat und eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung lebensrettender Hilfe für die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen spielt, deren Überleben in einer der größten und komplexesten humanitären Krisen der Welt von diesem Hilfswerk abhängt;

99.  bekräftigt, dass die EU die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs und des Internationalen Gerichtshofs (IGH) nachdrücklich unterstützt; fordert, dass diejenigen, die für terroristische Straftaten und Verstöße gegen das Völkerrecht verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden, und verlangt in diesem Sinn, dass alle etwaigen Kriegsverbrechen untersucht werden; weist erneut darauf hin, dass vorsätzliche Anschläge auf Zivilisten ebenso wie die Zwangsumsiedlung von Bevölkerungsgruppen schwerwiegende Verstöße gegen das Völkerrecht bedeuten; fordert Gerechtigkeit für die Opfer der Terroranschläge der Hamas, zu denen Massenmorde und sexuelle Folter gehörten, die am 7. Oktober 2023 und auch seitdem stattgefunden haben; nimmt die von Südafrika beim IGH angestrengte Klage gegen Israel zur Kenntnis;

100.  nimmt zur Kenntnis, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die Staaten in Zentralasien mit sich bringt, die traditionell enge Beziehungen zu Russland unterhalten; ist besorgt über den von Russland und China in der Region ausgeübten Druck und betont, dass die Präsenz der EU in Zentralasien als Reaktion darauf verstärkt werden muss; betont, dass die EU daran interessiert ist, die Wirtschaftsbeziehungen zu stärken und die politischen Beziehungen zu den Ländern Zentralasiens zu intensivieren, unter anderem, um die Umgehung der Sanktionen gegen Russland und Belarus anzugehen; fordert die nationalen Behörden dieser Länder, insbesondere Kasachstans, Kirgisistans und Usbekistans, auf, eng mit der EU, insbesondere mit ihrem Sonderbeauftragten für die Umsetzung von Sanktionen, zusammenzuarbeiten, und erinnert in diesem Zusammenhang an die Bedeutung engerer Arbeitsbeziehungen zur OSZE;

101.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Förderung von Reformen in Politik und Wirtschaft fortzusetzen, mit denen die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie, die verantwortungsvolle Staatsführung und die Achtung der Menschenrechte gestärkt werden, auch im Kontext des Schemas allgemeiner Zollpräferenzen (APS) und gegebenenfalls des APS+, und gutnachbarliche Beziehungen zu unterstützen; bekräftigt, dass alle Länder der zentralasiatischen Region sich verpflichten müssen, die Charta der Vereinten Nationen und insbesondere die Grundsätze der Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Unversehrtheit aller Länder einzuhalten;

102.  begrüßt die Ergebnisse des zweiten EU-Zentralasien-Wirtschaftsforums in Almaty im Mai 2023 und des zweiten Treffens zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und den Staatschefs aller fünf zentralasiatischen Länder im Juni 2023; fordert, dass auf diese hochrangigen Treffen und Erklärungen konkrete Maßnahmen folgen müssen; begrüßt in diesem Zusammenhang, dass das erste Gipfeltreffen EU-Zentralasien für dieses Jahr geplant ist; begrüßt, dass der Gemeinsame Fahrplan für die Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und Zentralasien gebilligt wurde, der als strategisches Konzept für die Förderung von Dialog und Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen dient und auch den Aufbau von Resilienz in Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft umfasst; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, das verstärkte Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (EPCA) mit Kirgisistan zu unterzeichnen, die vorbereitenden Arbeiten für die Unterzeichnung des EPCA mit Usbekistan abzuschließen und bei den laufenden Verhandlungen über ein EPCA mit Tadschikistan rasch Fortschritte zu erzielen;

103.  weist darauf hin, dass die Länder Zentralasiens wichtige Rohstoff- und Energielieferanten sind; ist der Ansicht, dass die EU ein starkes Interesse daran hat, den Mittelkorridor nicht nur als regionale Wirtschaftszone, sondern auch als Alternative zur neuen Eurasischen Landbrücke, die durch mit Sanktionen belegtes russisches und belarussisches Hoheitsgebiet verläuft, wiederzubeleben; betont, dass es wichtig ist, die regionale Integration entlang des Mittelkorridors zu fördern, auch um Finanzmittel für Infrastrukturprojekte im Rahmen des Global Gateway zu mobilisieren;

104.  bekräftigt seine Nichtanerkennung der afghanischen De-facto-Regierung; ist besorgt über die katastrophale wirtschaftliche und humanitäre Lage in Afghanistan sowie über die Verletzung der Rechte von Frauen und Mädchen in diesem Land; verurteilt die drastische Verringerung der Kapazität des Welternährungsprogramms zur Bereitstellung von Nahrungsmittelhilfe für die afghanische Bevölkerung und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass der afghanischen Bevölkerung dringend benötigte humanitäre Hilfe geleistet wird, und zusätzliche Mittel für Soforthilfe sicherzustellen; fordert den VP/HR auf, die Idee einer strafrechtlichen Verfolgung der Taliban-Führer vor dem IStGH wegen ihrer Verbrechen gegen Frauen und Mädchen zur Sprache zu bringen;

105.  unterstützt die fünf wichtigsten Benchmarks, die vom Rat am 21. September 2021 angenommen wurden und als Leitprinzipien für die künftige Zusammenarbeit mit den Taliban dienen, ist jedoch der Ansicht, dass große Anstrengungen zur Festlegung einer langfristigen Strategie unternommen werden müssen, um etwas gegen den Menschenrechtsnotstand und die geschlechtsspezifische Apartheid im heutigen Afghanistan zu unternehmen; betont, dass das EU-Evakuierungsprogramm für Menschen in Afghanistan, die für europäische Missionen gearbeitet haben, sich auf europäischen Schutz verlassen haben und sich immer noch in unmittelbarer Gefahr befinden, nicht beendet werden kann, solange sich Menschen, die die Kriterien erfüllen, im Land aufhalten;

106.  bedauert das Veto der Russischen Föderation auf der Tagung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 11. Juli 2023 in Bezug auf die Verlängerung der Resolution 2672(2023) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen betreffend die grenzüberschreitende Bereitstellung humanitärer Hilfe für Menschen im Nordwesten Syriens über Bab al-Hawa, wodurch mehr als vier Millionen Menschen gefährdet werden, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, um ihren Grundbedarf an Nahrungsmitteln, Arzneimitteln und anderen lebenswichtigen Gütern zu decken; nimmt zur Kenntnis, dass Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen wurde; ist der Ansicht, dass eine Normalisierung mit dem derzeitigen syrischen Regime nicht möglich ist, und betont, dass der politische Prozess in Syrien blockiert ist;

107.  bekräftigt, dass ein friedlicher, freier, verbundener, offener, stabiler und regelbasierter indopazifischer Raum ein wesentliches europäisches Interesse ist; ist besorgt darüber, dass der Wettbewerb der Großmächte die Fähigkeit der EU, den Multilateralismus in der Region zu fördern, einschränkt; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Asien-Europa-Treffen aufgrund der geopolitischen Spannungen mit Russland immer noch gelähmt ist; würdigt die Bemühungen des VP/HR, sich in der Region zu engagieren, wie die Organisation des dritten Ministerforums EU-Indopazifik am 2. Februar 2024 und die Teilnahme des VP/HR am Regionalforum des Verbands südostasiatischer Nationen (ASEAN) am 14. Juli 2023 zeigen; fordert die EU auf, das Ministerforum für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum als jährliche Veranstaltung aktiv zu unterstützen;

108.  fordert engere politische Beziehungen mit gleich gesinnten Partnern im Einklang mit der EU-Strategie für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum, insbesondere mit Japan, der Republik Korea, Australien, Neuseeland, Taiwan und den ASEAN-Mitgliedstaaten, auch in Bezug auf die Sicherheit im Seeverkehr, die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen; begrüßt die Bemühungen des EAD beim Aufbau von Kapazitäten in der indopazifischen Region, die darauf abzielen, die Resilienz gegen Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland zu erhöhen; betont, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen zu unseren Partnern, insbesondere der Jugendaustausch und die Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen und Denkfabriken, verstärkt werden müssen; betont, dass die Wahrung des Friedens, der Stabilität und der Freiheit der Schifffahrt im indopazifischen Raum weiterhin von entscheidender Bedeutung für die Interessen der EU und ihrer Mitgliedstaaten ist;

109.  fordert die DVRK auf, ihre Programme für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen und ballistischen Flugkörper vollständig, überprüfbar und unumkehrbar aufzugeben; verurteilt aufs Schärfste die anhaltenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und fordert die Staatsorgane des Landes auf, einen Reformprozess einzuleiten, bei dem alle Menschenrechte geachtet und geschützt werden; betont, dass die EU und die internationale Gemeinschaft dringend handeln müssen, um die militärische Zusammenarbeit und den Waffenhandel zwischen Russland und der DVRK zu verhindern;

110.  stellt fest, dass geopolitische Herausforderungen das gemeinsame Interesse Indiens und der EU an der Gewährleistung von Sicherheit, Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung gestärkt haben; hebt die vollständige Umsetzung der EU-Strategie für Indien von 2018 und des Fahrplans EU-Indien bis 2025 in enger Abstimmung mit den eigenen Maßnahmen der Mitgliedstaaten für ein aktives Engagement mit Indien hervor; begrüßt die Einrichtung des Handels- und Technologierates EU-Indien; spricht sich für die Vertiefung der Beziehungen zwischen Indien und der EU als strategische Partner aus; fordert in diesem Zusammenhang, dass die Verpflichtung zu regelmäßigen Dialogen und Gipfeltreffen auf mehreren Ebenen aufrechterhalten wird, damit die bilateralen Beziehungen weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung stehen; spricht sich ferner für einen strukturierteren interparlamentarischen Dialog zwischen dem Europäischen Parlament und seinem indischen Pendant aus; ist der Ansicht, dass ein derartiger Dialog zur Koordinierung von Standpunkten und Initiativen in multilateralen Foren, insbesondere den Vereinten Nationen, der Welthandelsorganisation und der G20, beitragen würde; hebt die Bedeutung eines erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien unter Berücksichtigung der Empfindlichkeiten auf beiden Seiten hervor; bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass Indien seine Position zur Invasion der Ukraine durch Russland an die der transatlantischen Gemeinschaft angleichen wird, und fordert den Rat und den VP/HR auf, diesbezüglich diplomatische Anstrengungen zu unternehmen; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass jede Vertiefung der Partnerschaft auf den Werten der Freiheit, der Demokratie, des Pluralismus, der Rechtsstaatlichkeit, der Gleichheit, der Achtung der Menschenrechte, der nachhaltigen Entwicklung und des Engagements für die Förderung einer integrativen, regelbasierten internationalen Ordnung beruhen sollte;

111.  ist zutiefst besorgt über die jüngsten Verschiebungen in der internen und militärischen Haltung Chinas seit dem 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas; ist der Ansicht, dass das zunehmend forsche Auftreten Chinas, zum Teil durch eine Politik des wirtschaftlichen Zwangs, nach wie vor eine der wichtigsten geopolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist; vertritt die Auffassung, dass China beweist, dass es sowohl die Absicht als auch zunehmend die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht hat, die regelbasierte internationale Ordnung zu schwächen; betont, dass dies eine mehrdimensionale Antwort erfordert, mit der die EU ihre selektive Zusammenarbeit mit China in einer Reihe von Schlüsselfragen aufrechterhält und gleichzeitig das Risiko ihrer Beziehungen verringert, indem die wirtschaftliche Abhängigkeit in kritischen Sektoren im Einklang mit der Strategie der EU für wirtschaftliche Sicherheit zunehmend verringert wird; stellt fest, dass eine substanzielle Zusammenarbeit mit China immer schwieriger wird, da die Aspekte des Wettbewerbs und der systemischen Rivalität stärker in den Vordergrund rücken; betont, dass China in vielen Politikbereichen, einschließlich des Klimawandels, nach wie vor wichtig ist; warnt davor, dass das kontinuierliche Wachstum der chinesisch-russischen strategischen Partnerschaft, einschließlich im Bereich des Transfers von Technologie und militärischen Fähigkeiten und der Zusammenarbeit in der Arktis, Chinas Fähigkeit erhöhen könnte, die Partner der EU in Asien und weltweit unter Druck zu setzen; bekräftigt seine Forderung nach einer entschlosseneren EU-China-Strategie, die die Beziehungen zu China im Interesse der EU gestaltet und den Herausforderungen, die sich aus Chinas Aufstieg zum globalen Akteur ergeben, umfassend Rechnung trägt;

112.  verurteilt hybride Kriegshandlungen wie Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und die Überwachung oder Ausspionierung chinesischer Bürger innerhalb der EU; fordert China nachdrücklich auf, diesen böswilligen Handlungen und seiner Manipulation von Informationen und Einmischung in Wahlen unverzüglich ein Ende zu setzen, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die vom Parlament vorgeschlagenen Initiativen im Zusammenhang mit der ausländischen Einmischung in alle demokratischen Prozesse in der EU, einschließlich Desinformation, dringend umzusetzen; verurteilt die Sanktionen gegen Mitglieder des Europäischen Parlaments (und anderer EU-Einrichtungen), der nationalen Parlamente und europäischer Think Tanks sowie Forscher und fordert deren sofortige und bedingungslose Aufhebung;

113.  verurteilt das von der chinesischen Regierung gesteuerte System der Zwangsarbeit und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen, die laut dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen können, einschließlich eines hohen Risikos von Völkermord in Xinjiang und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tibet und der Inneren Mongolei sowie repressiven Maßnahmen gegen andere ethnische Minderheiten; weist darauf hin, dass die „Ein-China-Politik“ der EU nach wie vor ein Eckpfeiler der Beziehungen zwischen der EU und China ist; verurteilt erneut den Verstoß Chinas gegen seine internationalen Verpflichtungen, seine Verstöße gegen die chinesisch-britischen und chinesisch-portugiesischen gemeinsamen Erklärungen, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ und das Grundgesetz Hongkongs sowie das harte Vorgehen gegen die Autonomie der Sonderverwaltungsregion und Oppositionsvertreter, einschließlich Mitgliedern der Zivilgesellschaft und ihrer Familienangehörigen; fordert die Kommission auf, den Autonomiestatus Hongkongs und Macaus angesichts der Verstöße Chinas gegen die chinesisch-britische und die chinesisch-portugiesische gemeinsame Erklärung und des harten Vorgehens gegen die Autonomie Hongkongs einer Prüfung zu unterziehen;

114.  betont die Notwendigkeit eines einheitlichen europäischen Vorgehens, wenn China seinen wirtschaftlichen Einfluss nutzt, um den Widerstand gegen seine Menschenrechtsverletzungen verstummen zu lassen; fordert China nachdrücklich auf, alle Verstöße gegen die Menschenrechte und das Völkerrecht zu untersuchen und zu verhindern; weist darauf hin, dass China als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eine besondere Verantwortung in Bezug auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte trägt; ist besorgt über die Lage von Christen und anderen religiösen Minderheiten, einschließlich ihrer Religionsfreiheit in China, da sie beständig verfolgt werden;

115.  verurteilt die zunehmende Tendenz zur länderübergreifenden Unterdrückung durch China und fordert die EU-Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, ihre Auslieferungsverträge mit China und Hongkong auszusetzen und alle verbleibenden illegalen chinesischen „Polizeiwachen“ in ihren Hoheitsgebieten zu schließen; ist besorgt über das am 16. Februar 2024 vom chinesischen Ministerium für öffentliche Sicherheit und vom ungarischen Innenministerium unterzeichnete Abkommen über die Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung und gemeinsame Patrouillen; fordert die ungarische Regierung auf, alle Einzelheiten des Abkommens und seine möglichen nachteiligen Auswirkungen auf die gemeinsame Sicherheit und Souveränität der Europäischen Union unverzüglich und vollständig offenzulegen; fordert den EAD auf, die Gerichtsverfahren gegen politische Gefangene in Hongkong genau zu überwachen und die Freilassung dieser politischen Gefangenen, einschließlich des Gründers von Apple Daily, Jimmy Lai, zu fordern;

116.  nimmt den letzten BRICS-Gipfel im August 2023 in Johannesburg und die geopolitischen Ziele Chinas in Bezug auf die BRICS-Länder sowie Chinas Narrative vor dem Hintergrund seiner Initiativen Globale Entwicklung, Globale Sicherheit und Globale Zivilisation zur Kenntnis; betont, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten den Dialog und die Zusammenarbeit mit einigen BRICS+-Mitgliedsländern verstärken müssen, um den böswilligen Handlungen Russlands und dem wachsenden Einfluss Chinas in der Welt entgegenzuwirken;

117.  fordert die EU und China nachdrücklich auf, den Dialog und die enge Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU-Fischerei) sowie generell im Bereich der nachhaltigen Nutzung der biologischen Meeresressourcen und der Meerespolitik zu vertiefen; fordert die EU auf, die Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten, Japan und anderen wichtigen Akteuren der Fischerei- und Meerespolitik auszubauen und ihre diplomatischen Instrumente zu nutzen, um China zu den notwendigen Reformen des Rahmens seiner Fischereipolitik zu ermutigen;

118.  verurteilt aufs Schärfste Chinas fortgesetzte militärische Provokationen gegenüber Taiwan und bekräftigt seine entschiedene Ablehnung jeder einseitigen Änderung des Status quo in der Taiwanstraße, durch die die regionale Stabilität gefährdet wird; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, durch klare und konsequente Signale sicherzustellen, dass jeder Versuch, den Status quo in der Taiwanstraße einseitig zu ändern, insbesondere durch Gewalt oder Zwang, nicht akzeptiert werden kann und hohe Kosten mit sich bringen wird; betont, dass Chinas territoriale Ansprüche keine Grundlage im Völkerrecht haben; verurteilt ferner, dass China die Beteiligung Taiwans an multilateralen Organisationen blockiert; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die konstruktive Teilnahme Taiwans an den einschlägigen internationalen Organisationen wie der WHO, der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation und dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen zu unterstützen; bekräftigt, dass Taiwan ein wichtiger Partner und demokratischer Verbündeter der EU in der indopazifischen Region ist; erkennt die Bedeutung Taiwans für die Sicherung der globalen Lieferketten, insbesondere im High-Tech-Sektor, an und fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, eine engere Zusammenarbeit mit Taiwan einzuleiten; begrüßt die Besuche aufeinanderfolgender offizieller Delegationen der Ausschüsse des Parlaments in Taiwan seit 2021 und spricht sich für einen weiteren Austausch zwischen der EU und Taiwan aus; fordert die Kommission auf, unverzüglich vorbereitende Maßnahmen für Verhandlungen über ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan einzuleiten;

119.  verurteilt die Erklärung des chinesischen Präsidenten, dass China niemals auf das Recht verzichten werde, Gewalt gegen Taiwan anzuwenden, und fordert die Führung der Volksrepublik China auf, nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan Vorsicht und Zurückhaltung zu üben; nimmt die Tatsache zur Kenntnis, dass weder Taiwan noch China dem jeweils anderen untergeordnet sind; äußert sich zutiefst besorgt darüber, dass China feindselige Desinformationen einsetzt, um das Vertrauen in Taiwans Demokratie und Staatsführung zu untergraben; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, mit internationalen Partnern zusammenzuarbeiten, um zur Aufrechterhaltung der Demokratie in Taiwan beizutragen und das Land frei von ausländischer Einflussnahme und Bedrohungen zu halten, und betont, dass nur die demokratisch gewählte Regierung Taiwans das taiwanesische Volk auf der internationalen Bühne vertreten kann; stellt fest, dass der Schwerpunkt auch auf präventive Diplomatie gelegt werden muss, um eine Eskalation in der Taiwanstraße zu vermeiden;

120.  stellt fest, dass sich China in den letzten zehn Jahren darauf konzentriert hat, seinen Einfluss im indopazifischen Raum durch verstärkte Hilfe, Entwicklung, Diplomatie und Sicherheitszusammenarbeit zu stärken; betont, dass Ressourcen gebündelt werden müssen, um den politischen Fußabdruck der EU wirksam zu verbessern und die EU als einen zuverlässigen und strategischen Partner im Pazifikraum zu etablieren; ist besorgt über die Versuche Chinas, seine umliegenden Meeresregionen, darunter das Südchinesische Meer und das Ostchinesische Meer, zu dominieren, was das regionale Machtgleichgewicht ernsthaft stören und sich negativ auf die wirtschaftlichen und politischen Interessen der EU auswirken könnte; fordert China in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf, jegliche Militäraktionen und jeglichen Druck gegen die philippinische Marine und ihre besetzten Inseln im Südchinesischen Meer einzustellen; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Kräfte zu bündeln und auf Ministerebene mit den pazifischen Inselstaaten und der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten zusammenzuarbeiten; betont, dass ernsthafte Folgemaßnahmen zur COP 28 ein zentrales Anliegen der Länder in der Region sind, und fordert den EAD daher nachdrücklich auf, die globale Unterstützung für einen nachhaltigen grünen Übergang zu fördern und seine Klimadiplomatie zu verstärken, um die Zusammenarbeit bei Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Eindämmung des Klimawandels zu konsolidieren;

121.  betont, dass der ASEAN ein wichtiger Verbündeter bei der Stärkung des regelbasierten Multilateralismus ist; fordert eine enge Zusammenarbeit im Einklang mit der gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs der EU und des ASEAN vom 14. Dezember 2022, um die regionale Dynamik über die binären Beschränkungen des chinesisch-amerikanischen Wettbewerbs hinaus zu gestalten; erachtet es in diesem Zusammenhang außerdem als äußerst wichtig, die Freiheit der Schifffahrt im Süd- und Ostchinesischen Meer zu wahren; erinnert an die Notwendigkeit, den Aktionsplan EU-ASEAN 2023-2027 vollständig umzusetzen;

122.  begrüßt die Unterzeichnung des Samoa-Abkommens und seiner regionalen Protokolle, die eine beispiellose regionale Konzentration auf die Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean ermöglichen werden, und fordert eine rasche Ratifizierung sowohl durch die Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten als auch durch die EU; fordert die Kommission und den VP/HR nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass das Gipfeltreffen EU-Afrikanische Union im Februar 2022 weiterverfolgt wird, um die Zusammenarbeit bei Initiativen von gemeinsamem Interesse zu vertiefen und den Bedürfnissen der Partnerländer in Afrika gerecht zu werden; fordert, dass das verschobene dritte Ministertreffen zwischen der EU und der Afrikanischen Union möglichst bald stattfinden soll; betont, dass die EU geografische Prioritäten auf bilateraler Ebene verfolgen sollte, wobei sie sich auf die wichtigsten afrikanischen Partner konzentrieren sollte, aber auch auf regionaler Ebene, wobei der Schwerpunkt auf der Umsetzung regionaler Strategien für die Sahelzone und die Küstenländer, die Region der Großen Seen und das Horn von Afrika liegen sollte; begrüßt in diesem Zusammenhang die Operation Atalanta, die sich als erste Marineoperation der EU zum Schutz von Schiffen des UN-Welternährungsprogramms zu einer erfolgreichen Operation zur Bekämpfung der Piraterie entwickelt hat; fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, eine Ausweitung des geografischen Anwendungsbereichs der Operation Atalanta in Betracht zu ziehen;

123.  misst der Stärkung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit den Ländern des Golfs von Guinea besondere Bedeutung bei und unterstützt deren Integration und intraregionale Solidarität; begrüßt in diesem Zusammenhang die Einleitung der Sicherheits- und Verteidigungsinitiative der EU in enger Abstimmung mit Côte d’Ivoire, Ghana, Togo und Benin zur Unterstützung der westafrikanischen Länder im Golf von Guinea, die zunächst auf zwei Jahre ausgelegt ist; äußert sich zutiefst besorgt über die Verschlechterung der Stabilität in der Sahelzone, die durch den Militärputsch in Niger und die Auflösung der demokratischen Institutionen noch verschärft wird; erkennt die aus dem Putsch in Niger hervorgegangenen Staatsorgane nicht an und wird sie auch nicht anerkennen; bekräftigt seine eindeutige Forderung nach der vollständigen und unverzüglichen Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und schließt sich den diesbezüglichen Erklärungen der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten und ihrer afrikanischen und internationalen Partner uneingeschränkt an;

124.  verurteilt die Einmischung Russlands in Afrika, insbesondere durch die verstärkte Präsenz der Wagner-Gruppe auf dem Kontinent, und verurteilt nachdrücklich die begangenen Missbräuche und Verbrechen; weist darauf hin, dass die Stabilität der Sahelzone sich unmittelbar auf die Sicherheit und die Stabilität der europäischen Außengrenzen im Mittelmeerraum auswirkt; fordert die EU auf, die Ressourcen aufzustocken und die Zusammenarbeit mit ihren Partnern zu verstärken, um den Menschenhandel über das Mittelmeer und Belarus zu bekämpfen und die kriminellen Netze, die für den Menschenhandel genutzt werden, zu zerschlagen; ist der Ansicht, dass die Politik der EU in Bezug auf die Sahelzone nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt hat, und nimmt die Ankündigung des VP/HR zur Kenntnis, die Strategie der EU in Bezug auf die Sahelzone zu überarbeiten;

125.  betont, dass der derzeitige Ansatz angepasst werden muss, um Einfluss zu behalten, und fordert, dass das Engagement und die Unterstützung der EU für die Region gestärkt werden; begrüßt, dass die Kommission unter Berücksichtigung der neuen geopolitischen Lage einen „neuen strategischen Ansatz“ für die Partnerschaft mit Afrika vorbereitet hat, und fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, eine für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft zu entwickeln, die sich auf gemeinsame Probleme für Europa und Afrika konzentriert; begrüßt das Global-Gateway-Investitionspaket EU-Afrika in Höhe von 150 Milliarden Euro, mit dem die afrikanischen Partner bei der Entwicklung eines starken, integrativen, grünen und digitalen Aufschwungs und Wandels unterstützt werden sollen; ist der Ansicht, dass die Bemühungen, um Desinformation zu bekämpfen und die Unterstützung der EU für Afrika deutlich zu machen, dringend verstärkt und verbessert werden müssen;

126.  betont, dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist, zumal fast 60 % der Grundwasserressourcen über politische Grenzen hinausgehen; betont, dass Wasserknappheit zu den schwerwiegendsten Konflikten führen kann, wenn keine integrierte und gemeinsame Nutzung der Ströme ins Auge gefasst wird; betont, dass die EU eine Strategie zur Erleichterung technologischer und geopolitischer Lösungen in Gebieten annehmen muss, die von Wasserknappheit betroffen sind, da dies ein hohes Destabilisierungspotenzial birgt; fordert die Länder in den am stärksten von Wasserkonflikten betroffenen Gebieten auf, die Wasserkonvention von Helsinki aus dem Jahr 1992 über den Schutz und die Nutzung grenzüberschreitender Wasserstraßen und internationaler Seen zu unterzeichnen;

127.  verurteilt das Vorgehen des venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro, das eine unmittelbare Bedrohung für die Souveränität Guyanas darstellt; fordert die internationale Gemeinschaft auf, Gespräche aufzunehmen, um eine diplomatische Lösung zu finden, bei der die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in diesem seit langem bestehenden Konflikt geachtet wird;

128.  verurteilt das autoritäre Regime von Daniel Ortega und Rosario Murillo, welche die demokratischen Strukturen Nicaraguas, einschließlich der Gewaltenteilung, des Wahlsystems und der Achtung der Menschenrechte, systematisch untergraben; weist darauf hin, dass das Regime in Nicaragua enge Verbindungen zu anderen Autokratien wie denen im Iran, Venezuela und Kuba unterhält und gleichzeitig beständig seine Unterstützung für den Kreml bekundet, indem es unter anderem eine russische Militärpräsenz in Nicaragua genehmigt hat; fordert die Befreiung aller politischen Gefangenen, darunter mehrere katholische Bischöfe und Priester, die in der Absicht festgenommen wurden, Dissidenten zum Schweigen zu bringen, sowie die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit und die Förderung eines Dialogs zwischen dem Regime und der Opposition durch die EU; verurteilt den anhaltenden psychischen und körperlichen Missbrauch durch Polizei- und Strafvollzugsbehörden dem alle Inhaftierten ausgesetzt sind, und die Isolationshaft, in der einige festgehalten werden, ohne Zugang zu ihren Anwälten, Familien oder zu medizinischer Versorgung zu haben; erinnert das nicaraguanische Regime daran, dass es dafür Verantwortung trägt, sicherzustellen, dass die Haftbedingungen den von ihm eingegangenen internationalen Menschenrechtsverpflichtungen entsprechen und mit Standards wie den Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen (den Nelson-Mandela-Regeln) im Einklang stehen;

129.  erachtet den politischen Ansatz der EU gegenüber Kuba, wie er im Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit von 2016 festgelegt ist, als konstruktiv, aber auch als kritisch; bedauert, dass das kubanische Regime diese Grundsätze und Rechte seit Jahrzehnten kontinuierlich ignoriert und verletzt hat; verurteilt aufs Schärfste die systematischen Menschenrechtsverletzungen und -verstöße, die in jüngster Zeit unter anderem gegen Tausende von politischen Gefangenen, Demonstranten, Dissidenten, Religionsführern, Menschenrechtsaktivisten und unabhängigen Künstlern vom kubanischen Regime begangen wurden; fordert die Staatsorgane Kubas nachdrücklich auf, der Politik der Repression umgehend ein Ende zu setzen; stellt fest, dass der vierte Menschenrechtsdialog im November 2023 in Kuba stattfand, bemängelt jedoch, dass keine unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft daran teilgenommen haben; kommt daher zu dem Schluss, dass diese Bemühungen zu keinen greifbaren Ergebnissen geführt haben; ist der Ansicht, dass der Dialog nach Auffassung der EU lediglich sich selbst dient und kein Instrument zur Verbesserung der Lebensbedingungen der kubanischen Bürger ist, die unter gravierender Nahrungsmittelknappheit und Gesundheitskrisen leiden, die zu einer massiven Abwanderung geführt haben; lehnt es ab, dass das kubanische Regime derzeit Besuche vor Ort als Teil eines Aufsichtsmechanismus, der unparteiischen internationalen Akteuren wie der Europäischen Union zur Verfügung steht, untersagt; verurteilt in diesem Zusammenhang aufs Schärfste, dass das kubanische Regime es einer Delegation des Europäischen Parlaments verwehrt hat, das Land zu besuchen;

130.  weist darauf hin, dass die EU besonderes Interesse an einer Neubelebung der Partnerschaft mit den Ländern Lateinamerikas und der Karibik zeigen sollte; stellt fest, dass das Engagement der EU in der Region in den letzten Jahrzehnten nachgelassen hat, wodurch ein Vakuum für ausländische bösartige Akteure entstanden ist; fordert die Länder in ganz Lateinamerika auf, die Verurteilung der Aggression Russlands gegen die Ukraine entschiedener zum Ausdruck zu bringen; ist besorgt über den Anstieg der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels in Lateinamerika, der sich auch auf die EU auswirkt; verurteilt aufs Schärfste die Gewalt und die kriminellen Angriffe durch bewaffnete Gruppen, die am Drogenhandel in Ecuador und in dessen Umgebung beteiligt sind; fordert, dass die biregionale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung dieses Phänomens erheblich ausgeweitet wird;

131.  nimmt das Gipfeltreffen vom 17. und 18. Juli 2023 zwischen der EU und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten zur Kenntnis und hofft, dass es zu einer Verbesserung der biregionalen Beziehungen führen wird, insbesondere angesichts des zunehmenden Einflusses Chinas und Russlands in Lateinamerika und der Karibik; fordert die Mitgliedstaaten und den EAD auf, eine proaktive Diplomatie in der Region zu betreiben und dabei besonderes Augenmerk auf die Verteidigung der multilateralen Weltordnung, des Völkerrechts und der Achtung der Demokratie und der Menschenrechte zu legen; begrüßt die Unterzeichnung des neuen fortgeschrittenen Rahmenabkommens zwischen der EU und Chile, das einen Teil über Politik und Zusammenarbeit sowie einen Teil über Handel und Investitionen umfasst, und fordert, dass Fortschritte in Hinblick auf die Unterzeichnung und Ratifizierung des Globalabkommens zwischen der EU und Mexiko erzielt werden; fordert die Kommission und den belgischen Ratsvorsitz auf, das Abkommen mit dem Mercosur vor dem Ende der laufenden Wahlperiode entschlossen voranzubringen und abzuschließen und gleichzeitig in Bezug auf die Durchsetzung seiner Nachhaltigkeitsbestimmungen weiterhin größtmöglichen Ehrgeiz an den Tag zu legen; begrüßt außerdem den Abschluss des Ratifizierungsprozesses des Assoziierungsabkommens EU-Zentralamerika;

132.  betont, dass es wichtig ist, die Beziehungen zu Norwegen als dem engsten assoziierten Partner der EU durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum noch stärker zu fördern; begrüßt den Abschluss der Sondierungsgespräche mit der Schweiz und fordert Fortschritte bei den Verhandlungen über ein neues Abkommen; begrüßt das Ergebnis der Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Andorra und San Marino; nimmt die Aussetzung der Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit Monaco zur Kenntnis;

133.  fordert ein stärkeres Engagement der EU in der Arktis, da diese angesichts der Folgen des Klimawandels, des industriellen und wirtschaftlichen Wettbewerbs, der Sicherheitsbedrohungen, die unter anderem durch die militärische Expansion Russlands im Hohen Norden verursacht werden, sowie der Freiheit und Sicherheit der Schifffahrt von entscheidender geostrategischer Bedeutung für die EU ist; weist darauf hin, dass die NATO die Bedeutung des Hohen Nordens hervorgehoben hat, insbesondere wegen der Ausweitung möglicher Seewege, des Zugangs zu natürlichen Ressourcen, des Klimaschutzes und territorialer Ansprüche, die alle zu verstärkten geopolitischen Spannungen führen können; betont, dass das Engagement der EU in der Region die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, einschließlich indigener Völker, umfassen muss;

134.  fordert, dass die EU-Strategie für maritime Sicherheit stärker unterstützt wird, da es zunehmend zu Problemen im Zusammenhang mit der Freiheit der Schifffahrt kommt; besteht darauf, dass die Freiheit der Schifffahrt jederzeit geachtet werden muss, wobei auf Deeskalation und die Verhütung bewaffneter Konflikte und militärischer Vorfälle ausgerichteten Maßnahmen Vorrang eingeräumt werden muss;

135.  betont, dass das Südpolargebiet angesichts der sich verändernden geopolitischen Dynamik als neues Gebiet von Interesse betrachtet werden sollte; betont, wie wichtig die multilaterale Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung geschützter Meeresgebiete ist; fordert die EU auf, eine zielgerichtete europäische Polaragenda zu entwickeln, die darauf abzielt, ihre regionalen Ambitionen in ihre GASP zu integrieren, und die die beträchtlichen Interessen der Mitgliedstaaten in den Bereichen Wissenschaft, Meeresschutz, Fischerei, regionaler Frieden und regelbasierter Multilateralismus bündelt; fordert einen verstärkten Dialog zwischen der EU, China und der Antarktis;

o
o   o

136.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Europäischen Rat, dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 102 vom 24.3.2021, S. 14.
(2) ABl. C 167 vom 11.5.2023, S. 105.
(3) ABl. L 22 vom 24.1.2023, S. 29.
(4) ABl. L 270 vom 18.10.2022, S. 93.
(5) ABl. L 325 vom 20.12.2022, S. 110.
(6) ABl. C, C/2023/404 vom 23.11.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/404/oj.
(7) ABl. C, C/2023/405 vom 23.11.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/405/oj.
(8) ABl. C 214 vom 16.6.2023, S. 104.
(9) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0356.
(10) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0106.
(11) ABl. C 132 vom 14.4.2023, S. 115.
(12) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0242.
(13) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0219.
(14) ABl. C 347 vom 9.9.2022, S. 61.
(15) ABl. L 71 vom 4.3.2022, S. 1.
(16) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0292.
(17) Studie – „Qualified majority voting in Common Foreign and Security Policy – A cost of non-Europe report“, Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, 28. August 2023.
(18) ABl. C 150 vom 28.5.1999, S. 164.
(19) ABl. C 347 vom 9.9.2022, S. 150.
(20) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Oktober 2023 zu den jüngsten Entwicklungen im Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo sowie zur Lage in den Gemeinden im Norden des Kosovos (Angenommene Texte, P9_TA(2023)0372).


Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Jahresbericht 2023
PDF 263kWORD 94k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zur Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Jahresbericht 2023 (2023/2119(INI))
P9_TA(2024)0105A9-0403/2023

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  unter Hinweis auf Titel V des Vertrags über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Kapitel 2, Abschnitt 2 Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/697 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EU) 2018/1092(1),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union(2),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2023/2418 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 über die Einrichtung eines Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (EDIRPA)(3),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2023/1525 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 2023 zur Förderung der Munitionsproduktion (ASAP)(4),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 168/2013, (EU) 2018/858, (EU) 2018/1724 und (EU) 2019/1020 (COM(2023)0160),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Stärkung der Solidarität und der Kapazitäten in der Union für die Erkennung, Vorsorge und Bewältigung von Cybersicherheitsbedrohungen und ‑vorfällen (COM(2023)0209),

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2017/2315 des Rates vom 11. Dezember 2017 über die Begründung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) und über die Liste der daran teilnehmenden Mitgliedstaaten(5),

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2021/509 des Rates vom 22. März 2021 zur Einrichtung einer Europäischen Friedensfazilität und zur Aufhebung des Beschlusses (GASP) 2015/528(6),

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2022/1970 des Rates vom 17. Oktober 2022 zur Änderung des Beschlusses 2010/452/GASP über die Beobachtermission der Europäischen Union in Georgien, EUMM Georgia(7),

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2022/1968 des Rates vom 17. Oktober 2022 über eine militärische Unterstützungsmission der Europäischen Union zur Unterstützung der Ukraine (EUMAM Ukraine)(8),

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2022/2507 des Rates vom 19. Dezember 2022 zur Änderung des Beschlusses 2010/452/GASP über die Beobachtermission der Europäischen Union in Georgien, EUMM Georgia(9),

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2023/162 des Rates vom 23. Januar 2023 über eine Mission der Europäischen Union in Armenien (EUMA)(10),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 14. und 15. Dezember 2023 hinsichtlich der Entscheidung, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau aufzunehmen, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina aufzunehmen, sobald die Beitrittskriterien in hinreichendem Maße erfüllt sind, und Georgien den Status eines Bewerberlandes zuzuerkennen, vorausgesetzt, dass die in der Empfehlung der Kommission vom 8. November 2023 dargelegten erforderlichen Schritte unternommen werden,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 16. Februar 2024 zu der geplanten israelischen Militäroperation in Rafah,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 22. Januar 2018 zum integrierten Ansatz für externe Konflikte und Krisen und vom 24. Januar 2022 zur europäischen Sicherheitslage,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 21. Februar 2022 zur Verlängerung und Verstärkung der Umsetzung des Konzepts der koordinierten maritimen Präsenzen im Golf von Guinea,

–  unter Hinweis auf die Erklärung von Versailles, angenommen auf der informellen Tagung der Staats- und Regierungschefs am 11. März 2022,

–  unter Hinweis auf den „Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung – Für eine Europäische Union, die ihre Bürgerinnen und Bürger, Werte und Interessen schützt und zu Weltfrieden und internationaler Sicherheit beiträgt“, der am 21. März 2022 vom Rat und am 25. März 2022 vom Europäischen Rat gebilligt wurde, und auf den Jahresfortschrittsbericht über die Umsetzung des Strategischen Kompasses für Sicherheit und Verteidigung, der im März 2023 veröffentlicht wurde,

–  unter Hinweis auf den vom Rat am 22. Mai 2023 gebilligten Pakt für die zivile GSVP – Maßnahmen für wirksamere zivile Missionen („Civilian CSDP Compact – Towards more effective civilian missions“),

–  unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 18. Mai 2022 mit dem Titel „Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen und die nächsten Schritte“ (JOIN(2022)0024),

–  unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10. März 2023 über die Aktualisierung der EU-Strategie für maritime Sicherheit und des Aktionsplans „Eine erweiterte EU-Strategie für maritime Sicherheit angesichts sich wandelnder maritimer Bedrohungen“ (JOIN(2023)0008),

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10. März 2023 mit dem Titel „Weltraumstrategie der Europäischen Union für Sicherheit und Verteidigung“ (JOIN(2023)0009),

–  unter Hinweis auf die Gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10. November 2022 mit dem Titel „Aktionsplan zur militärischen Mobilität 2.0“ (JOIN(2022)0048),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. September 2023 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einem resilienteren, wettbewerbsfähigeren und nachhaltigeren Europa“ (COM(2023)0558),

–  unter Hinweis auf den achten Fortschrittsbericht über die Umsetzung der vom Rat der EU und vom NATO-Rat am 6. Dezember 2016 und 5. Dezember 2017 gebilligten gemeinsamen Vorschläge, den der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsident für ein stärkeres Europa in der Welt (HR/VP) und der NATO-Generalsekretär der EU- und NATO-Räte am 16. Juni 2023 gemeinsam vorgelegt haben,

–  unter Hinweis auf den Nordatlantikvertrag,

–  unter Hinweis auf das Strategische Konzept der NATO von 2022 und das Kommuniqué des NATO-Gipfels 2023 in Vilnius,

–  unter Hinweis auf die Gipfelerklärung von Madrid, die am 29. Juni 2022 von den NATO-Staats- und Regierungschefs abgegeben wurde, die an der Tagung des Nordatlantikrats am 29. Juni 2022 in Madrid teilgenommen haben,

–  unter Hinweis auf die drei Gemeinsamen Erklärungen zur Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO, die am 8. Juli 2016, am 10. Juli 2018 und am 10. Januar 2023 unterzeichnet wurden,

–  unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen, insbesondere Artikel 2 Absatz 4 über das Verbot der Anwendung von Gewalt und Artikel 51 über das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung,

–  unter Hinweis auf die Resolutionen 1325 (2000), 1889 (2013), 2122 (2013), 2242 (2015) und 2493 (2019) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Frauen, Frieden und Sicherheit sowie die Resolutionen 2250 (2015), 2419 (2018) und 2535 (2020) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Jugend, Frieden und Sicherheit,

–  unter Hinweis auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 21. August 2023 zur Pressemitteilung von Zypern und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bezüglich Zypern,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Mai 2022 zu den Bedrohungen für die Stabilität, die Sicherheit und die Demokratie in Westafrika und im Sahel(11),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Januar 2023 zur Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Jahresbericht 2022(12),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2023 zu den humanitären Konsequenzen der Blockade von Bergkarabach(13),

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 9. März 2022(14) und vom 1. Juni 2023(15) zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 15. März 2023 zu den Beziehungen zwischen der EU und Armenien(16) und zu den Beziehungen zwischen der EU und Aserbaidschan(17),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. April 2023 zu der Umsetzung der zivilen GSVP und sonstige die zivile Sicherheit betreffende Unterstützung durch die EU(18),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 8. Juni 2022 an den Rat und den Hohen Vertreter und Vizepräsidenten zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine(19),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 5. Oktober 2022 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu der strategischen Beziehung und Partnerschaft der EU mit dem Horn von Afrika(20),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 23. November 2022 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu der neuen Strategie der EU für die Erweiterung(21),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. April 2023 zum Thema „EU-Schnelleingreifkapazität, EU-Gefechtsverbände und Artikel 44 EUV: das weitere Vorgehen“(22),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung zur Einrichtung eines Europäischen Zivilen Friedenskorps vom 10. Februar 1999(23),

–  gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9–0403/2023),

A.  in der Erwägung, dass der europäische Kontinent mit einer äußerst komplexen Verbindung aus militärischen und nichtmilitärischen Bedrohungen konfrontiert ist und diese durch den rechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verursacht werden, der die Sicherheit und Stabilität der EU ernsthaft gefährdet; in der Erwägung, dass Russland mit seinen Aggressionen gegen das Völkerrecht, die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und die Schlussakte von Helsinki verstößt, die regelbasierte internationale Ordnung angreift und somit den zentralen Grundsatz des Verzichts auf Gewalt in den internationalen Beziehungen gefährdet; in der Erwägung, dass mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und dem gleichzeitigen Einsatz anderer Bereiche wie Energie, Lebensmittelversorgung und Information als Waffe ein stärker durch Wettstreit gekennzeichnetes und weniger sicheres internationales geopolitisches Umfeld entstanden ist;

B.  in der Erwägung, dass zu den nichtmilitärischen Bedrohungen Desinformation, Cyberangriffe, wirtschaftlicher Druck, Erpressung mit Nahrungsmitteln und Energie, die Instrumentalisierung von Migration sowie staatsgefährdende politische Einflussnahme gehören, die allesamt darauf abzielen, Unterstützung für die unrechtmäßigen Militäroperationen Russlands zu erlangen;

C.  in der Erwägung, dass durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowie das zunehmende Selbstbewusstsein anderer regionaler und globaler Akteure – wie China, Iran und bestimmte Golfstaaten – die unmittelbare Nachbarschaft der Union destabilisiert wird, insbesondere mittels strategischer Investitionen und Desinformationskampagnen sowie in einigen Fällen mittels der Bereitstellung politischer, finanzieller, operativer und logistischer Unterstützung für feindlich gesinnte Akteure in der Region ; in der Erwägung, dass die EU, vor allem für Bewerberländer mehr Unterstützung leisten muss, um Stabilität und Sicherheit aufrechtzuerhalten und die Verteidigungszusammenarbeit zu stärken, insbesondere um gegen Desinformation und hybride Kriegsführung vorzugehen; in der Erwägung, dass die Zukunft des westlichen Balkans und der Länder der östlichen Nachbarschaft in der Europäischen Union liegt;

D.  in der Erwägung, dass die anhaltenden Versuche Russlands, die EU zu destabilisieren und die europäische Sicherheitsarchitektur zu untergraben, es erforderlich machen, dass die EU den Zusammenhalt und die Wirksamkeit ihrer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie ihre strategische Souveränität erheblich stärkt, ihre eigenen strategischen Ziele festlegt, ihre Interessen, Werte und Bürger sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Grenzen, auf dem westlichen Balkan und in ihrer unmittelbaren östlichen und südlichen Nachbarschaft verteidigt, um Frieden, Sicherheit der Menschen, nachhaltige Entwicklung und Demokratie zu gewährleisten, und ihre Partner unterstützt;

E.  in der Erwägung, dass das strategische Umfeld des gesamten europäischen Kontinents aufgrund von offenen oder versteckten Konflikten in den meisten angrenzenden Regionen – vom Kaukasus bis zur Sahelzone und vom Nahen Osten bis zu bestimmten Gebieten in Nordafrika – äußerst unbeständig ist; in der Erwägung, dass Russland nicht nur die Krim und die Regionen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja in der Ukraine annektiert hat, sondern auch weiterhin die Regionen Abchasien und Südossetien in Georgien sowie die Region Transnistrien in der Republik Moldau besetzt hält, was die Notwendigkeit kontinuierlicher Tätigkeiten im Rahmen der GSVP in der Region verdeutlicht;

F.  in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit der EU mit bestimmten afrikanischen Ländern angefochten wird; in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Wirksamkeit der im Rahmen der EU GSVP durchgeführten Missionen und Operationen bewerten müssen;

G.  in der Erwägung, dass die Ukraine so lange mit den notwendigen militärischen Fähigkeiten ausgestattet werden muss, bis die Ukraine einen entscheidenden militärischen Sieg erringt, damit der rechtswidrige Angriffskrieg Russlands beendet wird, ihre Souveränität und territoriale Integrität innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen wiederhergestellt werden und vor künftigen Aggressionen abgeschreckt wird; in der Erwägung, dass die Ukraine durch ihre Selbstverteidigung auch die europäischen Werte und die Kernanliegen im Bereich Sicherheit schützt und für sie kämpft; in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit zwischen der Union und der NATO bei der Koordinierung der Waffenlieferungen an die Ukraine von wesentlicher Bedeutung ist;

H.  in der Erwägung, dass es für die EU dringend erforderlich ist, ihre Fähigkeiten zu verbessern, unter anderem durch den Ausbau der beispiellosen Unterstützung für die Ukraine und die Aufstockung der Mittel für den Europäischen Verteidigungsfonds, die militärische Mobilität und insbesondere die Europäische Friedensfazilität (EFF), über die die EU der Ukraine militärische Ausrüstung im Wert von über 5 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt hat, sowie durch Projekte der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) sowie militärische und zivile Missionen im Rahmen der GSVP; in der Erwägung, dass die Union Forschung, technologische Entwicklung und Innovation im Sicherheits- und Verteidigungsbereich, insbesondere im Bereich der Cybersicherheit, stärker fördern muss;

I.  in der Erwägung, dass das Parlament und der Rat im Jahr 2023 Einigungen über die Verordnung zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) und die Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion (ASAP) erzielt haben, die darauf abzielen, die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungsgütern zu fördern, die Produktionskapazität der europäischen Verteidigungsindustrie zu erhöhen, die erschöpften Bestände aufzufüllen und die Fragmentierung im Bereich der Beschaffung von Verteidigungsgütern zu verringern; in der Erwägung, dass für eine echte europäische Integration im Verteidigungsbereich weitere Initiativen erforderlich sind, einschließlich eines Programms für Europäische Verteidigungsinvestitionen (EDIP) und einer Strategie für die europäische Verteidigungsindustrie;

J.  in der Erwägung, dass diese Verteidigungsinstrumente ohne erhebliche fiskalpolitische Anreize weder auf die militärische Unterstützung der Ukraine noch auf die Entwicklung einer echten europäischen Verteidigungsfähigkeit und einer wettbewerbsfähigen technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB) die erwartete Wirkung haben werden; in der Erwägung, dass der mehrjährige Finanzrahmen (MFR) und seine Überarbeitung keine Verbesserung der Haushaltsmittel für die europäische Verteidigung bewirken; in der Erwägung, dass Vorschläge für die Einrichtung eines gemeinsamen Verteidigungsfonds in Höhe von 100 Mrd. EUR vorgelegt wurden, der darauf abzielen würde, die inländische Rüstungs- und Munitionsproduktion umgehend zu steigern, und über europäische Anleihen finanziert würde;

K.  in der Erwägung, dass zur Maximierung der Verteidigungsfähigkeiten der Union und der Mitgliedstaaten intelligentere Ausgaben und eine umfassendere gemeinsame Beschaffung erforderlich sind; in der Erwägung, dass für den Aufbau von Fähigkeiten und ihre Anpassung an den militärischen Bedarf eine gemeinsame strategische Kultur und Bedrohungswahrnehmung sowie gemeinsame Lösungen erforderlich sind, die erarbeitet und in Grundsatzdokumenten und Konzepten zusammengeführt werden müssen; in der Erwägung, dass die EU ihren künftigen Rahmen für die Verteidigungszusammenarbeit im Bereich der militärischen Fähigkeiten ausarbeiten muss, der sich auf Aspekte erstrecken muss, die von der Konzeption über die Entwicklung bis hin zur Verwendung dieser Fähigkeiten im Einsatz reichen, um dadurch ihre Verteidigungsbereitschaft in einer gemeinsamen Anstrengung zu erhöhen;

L.  in der Erwägung, dass durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Rolle der NATO als Eckpfeiler der kollektiven Verteidigung ihrer Mitgliedstaaten und die Unerlässlichkeit einer starken transatlantischen Verbindung bekräftigt wurden; in der Erwägung, dass durch den Krieg das Fehlen von Investitionen vieler EU- und NATO-Mitgliedstaaten im Sicherheits- und Verteidigungsbereich aufgezeigt wurde; in der Erwägung, dass die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der NATO, mindestens 2 % des BIP für Verteidigungsausgaben aufzuwenden, nur von wenigen NATO-Mitgliedstaaten umgesetzt wird; in der Erwägung, dass die EU- und NATO-Mitgliedstaaten das Ziel von 2 % für Verteidigungsausgaben als Minimum und nicht als Maximum betrachten sollten;

M.  in der Erwägung, dass die Terroranschläge der Hamas gegen Israel die instabile und dynamische Sicherheitslage im Nahen Osten sowie die Notwendigkeit deutlich gemacht haben, dass die EU und andere internationale Akteure mehr Verantwortung übernehmen und die Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen der Region dabei unterstützen müssen, einen dauerhaften und nachhaltigen Frieden zu erreichen, insbesondere durch die weitere Unterstützung einer Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina sowie durch die Bekämpfung von Terrorismus und Radikalisierung in der Region; in der Erwägung, dass am 7. Oktober 2023 bei dem abscheulichen Terroranschlag der Hamas 1 139 Israelis und ausländische Bürger getötet und 240 Menschen als Geisel genommen wurden; in der Erwägung, dass Zehntausende unschuldige Palästinenser und Hunderte Mitarbeiter der Vereinten Nationen, medizinisches Personal und Journalisten im Gazastreifen infolge der Reaktion der israelischen Regierung getötet wurden; in der Erwägung, dass die anhaltende Bombardierung und erzwungene Evakuierung der Palästinenser in den Süden des Gazastreifens zu einer katastrophalen und sich rasch verschlechternden humanitären Lage geführt haben; in der Erwägung, dass bei Angriffen durch israelische Streitkräfte und Siedler seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 330 Palästinenser im Westjordanland getötet wurden; ;

N.  in der Erwägung, dass die anhaltenden, aus den von den Huthi kontrollierten Gebieten im Jemen mit Unterstützung Irans durchgeführten Angriffe im Roten Meer eine erhebliche Bedrohung für die Freiheit der Schifffahrt, die maritime Sicherheit und den internationalen Handel darstellen; in der Erwägung, dass weitere Angriffe verschiedener von Iran unterstützter Milizen im Irak und in Syrien das Risiko einer regionalen Eskalation weiter erhöhen; in der Erwägung, dass die Gefahr einer Eskalation in der Region so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr;

O.  in der Erwägung, dass der Strategische Kompass für Sicherheit und Verteidigung darauf abzielt, die Union mit den erforderlichen strategischen Leitlinien auszustatten und ihr realistische und operative Instrumente auf der Grundlage einer erheblich verstärkten militärischen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten an die Hand zu geben, um auf dem Weg zu einer kohärenten und glaubwürdigen Verteidigungspolitik voranzukommen und sie, auch mit Blick auf den neuen Sicherheitskontext, zu einem wirksamen und befähigten Bereitsteller von Sicherheit sowie durchsetzungsfähigen globalen Akteur zu machen, der in der Lage ist, rasch auf Krisen außerhalb der Union zu reagieren; in der Erwägung, dass sich die Staats- und Regierungschefs der Union verpflichtet haben, Modalitäten für eine flexiblere Beschlussfassung zu entwickeln, insbesondere im Rahmen von Artikel 44 EUV, der es „Koalitionen der Willigen“ ermöglicht, Missionen und Operationen im Namen der Union durchzuführen; in der Erwägung, dass die EU, um sich im derzeitigen internationalen Umfeld zurechtzufinden, einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen muss, um allen Bedrohungen, denen sie ausgesetzt ist, begegnen zu können;

P.  in der Erwägung, dass mit dem Strategischen Kompass ein positiver Beitrag zur globalen und transatlantischen Sicherheit geleistet wird, und dass er kohärent und mit dem strategischen Konzept der NATO vereinbar sein muss; in der Erwägung, dass sich die Zusammenarbeit der EU und der NATO vor Kurzem stark verbessert hat; in der Erwägung, dass Artikel 5 des Nordatlantikvertrags sowie Artikel 42 Absatz 7 EUV eine Klausel über die gegenseitige Verteidigung der Mitgliedstaaten enthalten; in der Erwägung, dass in Artikel 222 AEUV ferner eine für die EU-Mitgliedstaaten untereinander geltende „Solidaritätsklausel“ festgelegt ist;

Q.  in der Erwägung, dass die Union, wie im Strategischen Kompass dargelegt, in ihrem Bestreben, eine offene strategische Autonomie und technologische Souveränität zu erlangen, weiter vorankommen und gleichzeitig ihre Partnerschaften mit gleichgesinnten Partnern verstärken muss, um ihre Werte und Interessen sowie die ihrer Verbündeten und Nachbarn zu schützen;

R.  in der Erwägung, dass im Rahmen der GSVP neun militärische Missionen und 13 zivile Missionen durchgeführt werden, an denen über 4 000 Mitarbeiter beteiligt sind; in der Erwägung, dass Missionen und Operationen im Rahmen der GSVP von einer langsamen Entscheidungsfindung und übermäßigem Mikromanagement seitens des Rates sowie begrenzten finanziellen, logistischen und personellen Ressourcen betroffen sind; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten weniger Personal für die Missionen und Operationen entsenden; in der Erwägung, dass solche Hindernisse die Wirksamkeit von Missionen und Operationen im Rahmen der GSVP insgesamt beeinträchtigen; in der Erwägung, dass eines der Ziele des Strategischen Kompasses darin besteht, die zivilen und militärischen GSVP-Missionen und -Operationen der EU zu stärken, indem sie mit robusteren und flexibleren Mandaten ausgestattet werden, eine rasche und flexiblere Beschlussfassung gefördert und mehr finanzielle Solidarität sichergestellt wird;

S.  in der Erwägung, dass GSVP-Missionen und -Operationen die Widerstandsfähigkeit und Stabilität in der europäischen Nachbarschaft – etwa im Mittelmeerraum, im Südkaukasus und dem Schwarzmeerraum, in den Ländern des westlichen Balkans und am Horn von Afrika – erheblich stärken sollen, indem beispielsweise Schulungen für Militär, Polizei und Küstenwache und im Bereich Grenzmanagement bereitgestellt werden und Kapazitätsaufbau betrieben wird; in der Erwägung, dass es zur Verwirklichung der Missionsziele erforderlich ist, dass die GSVP-Missionen beginnen, Beratung und Schulungen zum Umgang mit aufkommenden und disruptiven Technologien durchzuführen, die rasch Einzug in das Umfeld der „eingefrorenen Konflikte“ halten;

T.  in der Erwägung, dass der integrierte Ansatz der EU für externe Konflikte und Krisen eine kohärente Nutzung der verschiedenen Kapazitäten der EU vorsieht, in deren Rahmen ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik andere zivile Instrumente ergänzen und durch diese ergänzt werden sollte, um zur menschlichen Sicherheit und zum dauerhaften Frieden in Europa und weltweit beizutragen;

U.  in der Erwägung, dass Konflikte unverhältnismäßig stark Frauen und Mädchen betreffen und dass sich unter anderem die geschlechtsspezifische Gewalt in Konflikten verstärkt, was sich auch in dem ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gezeigt hat; in der Erwägung, dass Frauen bei zivilen GSVP-Missionen sowie militärischen Missionen und Operationen nach wie vor stark unterrepräsentiert sind; in der Erwägung, dass die Beteiligung von Frauen an friedenserhaltenden Einsätzen und militärischen Operationen gefördert und unterstützt werden sollte;

V.  in der Erwägung, dass im Rahmen der militärischen Unterstützungsmission der Europäischen Union zur Unterstützung der Ukraine (EUMAM Ukraine) die positiven Auswirkungen gezeigt wurden, die GSVP-Missionen und -Operationen haben, wenn sie von den Mitgliedstaaten mit den erforderlichen Ressourcen und Beiträgen ausgestattet werden; in der Erwägung, dass die EUMAM Ukraine das Ziel, 30 000 ukrainische Soldaten auszubilden, bereits erreicht hat; in der Erwägung, dass die EUMAM Ukraine auf der Grundlage der aktuellen Ergebnisse und Entwicklungen dafür bereit ist, weiteres ukrainisches Militärpersonal auszubilden, sodass das Ziel von 60 000 Soldaten erreicht werden kann; in der Erwägung, dass die Mission auch darauf eingestellt ist, gegebenenfalls Ausbildungsmaßnahmen in den Dimensionen Luft und See durchzuführen und auf andere dringende Ausbildungsanträge der Ukraine zu reagieren;

W.  in der Erwägung, dass GSVP-Missionen und -Operationen häufig zum Ziel hybrider Bedrohungen, darunter von Kampagnen zur Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland, werden, wodurch ihre Wirksamkeit bei der Stabilisierung des Landes, in dem sie durchgeführt werden, gefährdet wird; in der Erwägung, dass der zivile Planungs- und Durchführungsstab (CPCC) und der militärische Planungs- und Durchführungsstab (MPCC) der EU prüfen müssen, wie eine im Einsatz befindliche Truppe vor hybriden Bedrohungen geschützt werden kann;

X.  in der Erwägung, dass Russland private Militärunternehmen wie die Wagner-Gruppe als Teil eines Instrumentariums der hybriden Kriegsführung einsetzt, um eine plausible Dementierbarkeit aufrechtzuerhalten, während es erfolgreich in verschiedenen Regionen Einfluss ausübt und sich Zugang zu natürlichen Ressourcen und kritischen Infrastrukturen verschafft; in der Erwägung, dass die Wagner-Gruppe Berichten zufolge Gräueltaten in der Ukraine, in Mali, in Libyen, in Syrien und in der Zentralafrikanischen Republik begangen hat; in der Erwägung, dass die Gruppe gegen die EU gerichtete Ressentiments geschürt hat, insbesondere in Ländern mit starker Präsenz der Union oder in Ländern, in denen GSVP-Missionen durchgeführt werden; in der Erwägung, dass die Lage in Mali, Burkina Faso und Niger von der nicht kooperativen Haltung der Putschisten gegenüber anderen Partnern, einschließlich der Ausbildungsmission (EUTM), Mali, regionalen Organisationen und der MINUSMA geprägt ist;

Y.  in der Erwägung, dass die Putschisten nach dem Staatsstreich im Juli in Niger beschlossen haben, ein Verfahren gegen den rechtmäßigen nigerianischen Präsidenten Mohamed Bazoum wegen „Hochverrats“ vorzubereiten; in der Erwägung, dass die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) eine „zweigleisige“ Politik verfolgte – Vermittlung bei gleichzeitiger Anwendung von Sanktionen (Handel, Banken und Einzelpersonen); in der Erwägung, dass die Union ihre nachdrückliche Unterstützung für die ECOWAS, die Bereitschaft zur Ausarbeitung einer eigenständigen Sanktionsregelung sowie die Bereitschaft bekundet hat, alle Anträge der ECOWAS auf weitere Unterstützung zu prüfen; in der Erwägung, dass beide GSVP-Missionen (Mission der Europäischen Union zum Ausbau der Kapazitäten in Sahel Niger (EUCAP) und die militärische Partnerschaftsmission der EU in Niger (EUMPM)) nach dem Staatsstreich ihre operativen Tätigkeiten ausgesetzt und nur das erforderliche Kernpersonal im Land belassen haben; in der Erwägung, dass die vier laufenden Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität (die sich auf insgesamt 74 Mio. EUR belaufen) ausgesetzt wurden; in der Erwägung, dass die EUTM- und EUCAP-Missionen in der Sahelzone und in der Zentralafrikanischen Republik nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt haben;

Z.  in der Erwägung, dass die Instabilität und Unsicherheit in der südlichen Nachbarschaft und der Sahelzone eng mit der Verwaltung der Außengrenzen der Union verknüpft sind und in dieser Hinsicht nach wie vor eine stetige Herausforderung darstellen; in der Erwägung, dass die Mission der EU zur Unterstützung des Grenzschutzes in Libyen und die Militäroperation der Europäischen Union im Mittelmeer (IRINI) zu nachhaltigem Frieden, Sicherheit und Stabilität beitragen, indem sie das Waffenembargo umsetzen, illegale Waffen und Menschenhandel bekämpfen;

AA.  in der Erwägung, dass böswillige ausländische Einflussnahme und Desinformationskampagnen, die insbesondere von Russland und in einigen Fällen von anderen Akteuren wie China und dem Iran unterstützt werden, eine erhebliche Herausforderung für die Außenpolitik der EU darstellen;

AB.  in der Erwägung, dass die Zunahme hybrider Angriffe und Bedrohungen, wie die Aktivitäten Russlands in der Union, in der Ukraine, in Afrika und anderswo zeigen, die Schaffung umfassender Instrumente erforderlich machen, mit denen solche Vorfälle aufgedeckt und verhindert werden können und mit denen auf sie reagiert werden kann und die Bürger und Vermögenswerte der Union geschützt werden können, indem konventionelle militärische Fähigkeiten verändert werden, die Sicherheit kritischer Infrastrukturen verbessert wird, Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland abgewehrt werden und ein gemeinsames hohes Cybersicherheitsniveau weiterentwickelt wird; in der Erwägung, dass China auch verstärkt Taktiken der hybriden Kriegsführung eingesetzt hat, unter anderem im indopazifischen Raum und im Südchinesischen Meer, um die Stabilität und Sicherheit der EU zu untergraben;

AC.  in der Erwägung, dass in den nächsten Jahren hybride Bedrohungen zutage treten werden, die auf der steigenden Nutzung der systematischen Kombination von Informationskrieg, Manövern flexibler Einsatzkommandos, massenhafter Cyber-Kriegsführung und aufkommenden disruptiven Technologien von den Meeresbecken bis in den Weltraum beruhen, wobei fortschrittliche weltraumgestützte Überwachungs- und Angriffssysteme zum Einsatz kommen, die allesamt durch fortschrittliche künstliche Intelligenz (KI), Quanteninformatik, zunehmend „intelligente“ Drohnenschwarmtechnologien, offensiv ausgerichtete Cyberfähigkeiten, Hyperschall-Raketensysteme sowie nanotechnologische und biologische Kriegsführung ermöglicht werden;

AD.  in der Erwägung, dass rund 90 % des Außenhandels der Union auf dem Seeweg erfolgen; in der Erwägung, dass etwa zwei Drittel der weltweiten Öl- und Gasmenge auf See gefördert oder auf dem Seeweg befördert werden; in der Erwägung, dass fast 90 % der internationalen Daten- und Kommunikationsübertragungen über Unterseekabel erfolgen; in der Erwägung, dass in der organisierten Kriminalität und im Drogenhandel ein großer Teil der Aktivitäten auf dem Seeweg abgewickelt wird und dabei sogar unterwassertaugliche oder halbtauchfähige Fahrzeuge oder Geräte eingesetzt werden, die für die Strafverfolgungsbehörden nur schwer aufzuspüren sind;

AE.  in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit mit Partnern und Verbündeten in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung von entscheidender Bedeutung für das Bestreben der EU ist, ein internationaler Bereitsteller von Sicherheit zu werden; in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit mit Organisationen wie den Vereinten Nationen, der NATO, der Afrikanischen Union (AU), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), dem Verband Südostasiatischer Nationen sowie zahlreichen Verbündeten und gleichgesinnten Partnern für die erfolgreiche Umsetzung der GSVP entscheidend ist;

AF.  in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten der wichtigste Verbündete der Europäischen Union sind; in der Erwägung, dass die gemeinsame Zusammenarbeit, Partnerschaft und Freundschaft zwischen der EU und den USA, die sich unter anderem in unserer gemeinsamen Zusammenarbeit in der NATO widerspiegeln, das Rückgrat unserer gemeinsamen Freiheit, unseres Wohlstands, unserer Demokratie und unserer Sicherheit bilden;

AG.  in der Erwägung, dass Lateinamerika ein strategischer Partner der EU ist, und in der Erwägung, dass es viel unausgeschöpftes Potenzial gibt, wenn es darum geht, eine wirklich strategische Partnerschaft aufzubauen, einschließlich im Bereich der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit;

AH.  in der Erwägung, dass die Kommission und das Parlament entschlossen sind, die EU als externen Akteur zu stärken, der in der Lage ist, strategischer und autonomer zu handeln;

AI.  in der Erwägung, dass die Arktis im Hinblick auf Geopolitik, wirtschaftliche Entwicklung und Verkehr zunehmend an Bedeutung gewinnt und gleichzeitig mit Herausforderungen im Zusammenhang mit Klimawandel und Militarisierung konfrontiert ist;

AJ.  in der Erwägung, dass das zunehmend aggressive Verhalten Chinas, insbesondere in seiner eigenen Nachbarschaft wie der Taiwanstraße und dem Südchinesischen Meer, ein Risiko für die regionale und globale Sicherheit darstellt; in der Erwägung, dass China seit vielen Jahren ein alternatives Narrativ fördert und demokratische Werte, offene Märkte und die regelbasierte internationale Ordnung infrage stellt; in der Erwägung, dass durch den zunehmenden Einfluss Chinas in internationalen Organisationen positive Fortschritte behindert werden und Taiwan weiterhin von einer rechtmäßigen und echten Beteiligung ausgeschlossen wird;

AK.  in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten, Japan und Südkorea am 18. August 2023 ein historisches erstes trilaterales Treffen abhielten; in der Erwägung, dass die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen gleichgesinnten Ländern, insbesondere im indopazifischen Raum, von grundlegender Bedeutung für die Gewährleistung einer friedlichen und prosperierenden Entwicklung der Region ist; in der Erwägung, dass die EU auch darin bestrebt sein sollte, ihre sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit diesen gleichgesinnten Ländern in der Region zu verstärken;

AL.  in der Erwägung, dass das Kosovo und der von der Union unterstützte Dialog zwischen Belgrad und Pristina durch eine Destabilisierung bedroht sind; in der Erwägung, dass die EUFOR Althea eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und Stabilität von Bosnien und Herzegowina und der Region spielt;

AM.  in der Erwägung, dass das Kulturerbe als untrennbar mit der Identität der Völker verbundenes Zeugnis der Geschichte eine universelle Dimension aufweist, das die internationale Gemeinschaft für künftige Generationen schützen und bewahren muss;

AN.  in der Erwägung, dass ein umfassender Ansatz zur Friedenskonsolidierung unter Einbeziehung ziviler Spezialisten erforderlich ist, um praktische Maßnahmen für den Frieden umzusetzen; in der Erwägung, dass lokale und internationale nichtstaatliche Organisationen entscheidende Tätigkeiten zur Verhütung und friedlichen Beilegung von Konflikten durchführen und es von größter Bedeutung ist, ihre Erfahrungen bestmöglich zu nutzen;

1.  bringt seine Besorgnis über die sich rasch verschlechternde globale Sicherheitslage zum Ausdruck und ist der Auffassung, dass in diesen Zeiten großer Unsicherheit eine europäische und transatlantische Einigkeit sowie eine enge Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern in der ganzen Welt notwendiger denn je sind, um die durch die zahlreichen globalen Krisen entstandenen Herausforderungen zu bewältigen, proaktiv zu handeln und entschieden auf Bedrohungen für die regelbasierte internationale Ordnung zu reagieren und die wirksame Umsetzung der GSVP zu erleichtern;

2.  steht geschlossen an der Seite der Ukraine und verurteilt entschieden den illegalen, grundlosen und ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands; bedauert die globalen Folgen des illegalen Angriffskrieges Russlands, der Länder und schwache Gesellschaften auf der ganzen Welt durch steigende Energiepreise und Nahrungsmittelknappheit trifft und der außerdem in grober Weise gegen das Völkerrecht und die Grundsätze der UN-Charta verstößt und sie aufs Spiel setzt und die europäische und globale Sicherheit und Stabilität untergräbt; nimmt zur Kenntnis, dass Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Unterstützung von Belarus, Iran und Nordkorea fortsetzt und eine aktive militärische Präsenz dort unterhält, wo es sie für strategisch wichtig hält;

3.  verurteilt aufs Schärfste die abscheulichen Terrorangriffe sowie die Geiselnahmen, die von der Terrorgruppe Hamas gegen Israel verübt wurden; bekundet seine Unterstützung für den Staat Israel und seine Bevölkerung sowie für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Westjordanland; fordert sowohl die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller Geiseln, die von der Terrorgruppe Hamas entführt wurden, als auch die Rückgabe der Leichen verstorbener Geiseln; betont das Recht Israels, sich im Einklang mit dem Völkerrecht und dem humanitären Völkerrecht zu verteidigen; unterstreicht, dass alle Parteien immer zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheiden müssen und dass die Parteien nur Kombattanten und militärische Ziele angreifen dürfen; fordert die israelische Regierung auf, keine Militäraktionen in Rafah zu unternehmen, die die bereits katastrophale humanitäre Lage verschlimmern und die dringend benötigte Bereitstellung von Grundversorgung und humanitärer Hilfe verhindern würden; bekundet seine tiefste Trauer und seine uneingeschränkte Solidarität mit den unschuldigen Opfern auf beiden Seiten, ihren Familien und ihren Angehörigen; fordert, dass diejenigen, die für terroristische Handlungen und für Völkerrechtsverstöße verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden; fordert eine gründliche Untersuchung der Rolle von Drittländern wie Iran und Katar und nichtstaatlichen Einrichtungen bei der Bereitstellung finanzieller, materieller und operativer Unterstützung für die Hamas;

4.  verurteilt aufs Schärfste die anhaltenden, aus den von den Huthi kontrollierten Gebieten im Jemen mit Unterstützung Irans durchgeführten Angriffe im Roten Meer; begrüßt die Entscheidung der Mitgliedstaaten, eine maritime GSVP-Operation unter dem Namen ASPIDES einzuleiten, um Handelsschiffe zu schützen, indem die maritime Lageerfassung verstärkt und Schiffe zur Abschreckung vor Angriffen begleitet werden; verurteilt ferner die Angriffe durch von Iran unterstützte militärische Gruppen aus dem Libanon, Syrien und dem Irak;

Ausstattung der Ukraine mit den benötigten Verteidigungsfähigkeiten

5.  bekräftigt, dass die EU die Ukraine mit den notwendigen militärischen Mitteln unterstützen wird, um den russischen Angriffskrieg zu beenden und die territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen wiederherzustellen, damit das Land seine Souveränität wirksam ausüben, seine Bürger schützen, Kriegsverbrechen dokumentieren und untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht stellen kann, und den Wunsch des ukrainischen Volkes nach einer euro-atlantischen Integration, insbesondere nach einer EU-Mitgliedschaft, die auf der starken Identifikation mit den europäischen Werten der Freiheit, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit beruht, sowie nach einer NATO-Mitgliedschaft erfüllen kann; betont, dass ein militärischer Sieg der Ukraine und ihre Mitgliedschaft in der EU und der NATO für die allgemeine Sicherheit, Stabilität und einen dauerhaften Frieden auf dem europäischen Kontinent erforderlich sind;

6.  unterstreicht die Bedeutung der EFF, in deren Rahmen die ukrainischen Streitkräfte durch die Finanzierung und Bereitstellung militärischer Ausrüstung und Ausbildung unterstützt wurden, wobei gleichzeitig für die Koordinierung aller Beteiligten durch den beim Militärstab der Europäischen Union (EUMS) angesiedelten Clearing-House-Mechanismus gesorgt wurde; ermutigt die Mitgliedstaaten, ein szenariobasiertes und vorhersehbares Inventar der militärischen Fähigkeiten zu erstellen, die im Rahmen der EFF bereitgestellt werden können, um eine rasche Beschaffung von kurz- und langfristigen Fähigkeiten zu gewährleisten; fordert, dass die finanzielle Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit der EFF sichergestellt wird, damit die Ukraine und andere EU-Partner weltweit die von ihnen angeforderte Unterstützung erhalten; fordert eine weitere Aufstockung und Beschleunigung der finanziellen und militärischen Unterstützung für die Ukraine und den sofortigen Einsatz moderner Ausrüstungen und Waffen sowie von Luftabwehrsystemen und Boden-Boden-Systemen der nächsten Generation;

7.  fordert die größeren Mitgliedstaaten mit erheblichen Kapazitäten in der Rüstungsindustrie wie Frankreich, Spanien und Italien nachdrücklich auf, die militärische Unterstützung für die Ukraine in erheblichem Maß umgehend aufzustocken;

8.  fordert die Mitgliedstaaten und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, dem Parlament Informationen über Umfang und Wert früherer militärischer Hilfslieferungen an die Ukraine, einschließlich der vom EAD durchgeführten Prüfung, und über die Höhe der Hilfe, die die Mitgliedstaaten im Jahr 2024 zu leisten bereit sind, vorzulegen;

9.  begrüßt den ursprünglichen Vorschlag des HR/VP Borrell, aufbauend auf der früheren Forderung des Parlaments, im Rahmen der EFF einen Unterstützungsfonds in Höhe von 20 Mrd. EUR einzurichten, der der Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte mit bis zu 5 Mrd. EUR pro Jahr im Zeitraum von 2023 bis 2027 gewidmet ist; bedauert, dass die Mitgliedstaaten dieses ambitionierte Ziel auf eine Aufstockung um 5 Mrd. EUR gesenkt haben und fordert sie auf, in dieser Hinsicht rasch eine Einigung zu erzielen; verurteilt die Bemühungen Ungarns aufs Schärfste, die jüngsten Versuche zur Aufstockung der EFF sowie den Vorschlag des HR/VP für den gesonderten Unterstützungsfonds für die Ukraine zu blockieren; betont, dass sämtliche militärische Unterstützung und Waffenlieferungen durch die EFF in vollem Einklang mit dem Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Waffenausfuhren, den internationalen Menschenrechtsnormen und dem humanitären Recht stehen müssen und dabei für eine angemessene Transparenz und Rechenschaftspflicht gesorgt werden muss; bedauert die unnötige Verzögerung bei der Genehmigung der nächsten Tranche der dringend benötigten Hilfe für die Ukraine durch die Vereinigten Staaten;

10.  begrüßt die Einrichtung der militärischen Unterstützungsmission für die Ukraine (EUMAM Ukraine) und ihre Rolle bei der Stärkung der militärischen Wirksamkeit der ukrainischen Streitkräfte, damit diese ihre territoriale Integrität innerhalb der international anerkannten Grenzen der Ukraine verteidigen können und das Land seine Souveränität und den Schutz der Zivilbevölkerung wirksam ausüben kann; betont, dass dem militärischen Planungs- und Durchführungsstab (MPCC) das erforderliche Personal und die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden müssen, damit er die Planung und Leitung dieser wichtigen Ausbildungsmission wahrnehmen kann;

11.  begrüßt die Kapazitäten der EUMAM Ukraine, die dem Ausbildungsbedarf der Ukraine auf flexible Weise gerecht werden soll; erwartet, dass er durch die Ausweitung des Ausbildungsangebots einen Mehrwert schaffen und mit anderen bereits laufenden Ausbildungsinitiativen synchronisiert wird; besteht darauf, dass die Ausbildungsmodule an die gewonnenen Erkenntnisse angepasst werden, um den Bedürfnissen der ukrainischen Streitkräfte angemessen Rechnung zu tragen; beglückwünscht den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Mitgliedstaaten zu der erfolgreichen Ausbildung von mehr als 30 000 Soldaten bis Ende 2023; begrüßt den Vorschlag des HR/VP, das Ziel auf 60 000 ukrainische Soldaten zu erhöhen, die 2024 geschult werden sollen; unterstreicht die Bedeutung einer fortlaufenden Anpassung und Überprüfung der Ausbildungsmodule auf der Grundlage der auf dem Gefechtsfeld gewonnenen Erkenntnisse sowie einer nachhaltigen Konzentration auf die Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen, einschließlich der Bekämpfung unbemannter Luftfahrzeuge (UAV), der Ausbildung in UAV-Systemen, der Luftverteidigung, der Suche nach Minen, der Ausbildung für kombinierte Waffen und der Spezialausbildung sowie der Entwicklung der Fähigkeiten aktueller und künftiger Offiziere der ukrainischen Streitkräfte auf allen Ebenen und im Einklang mit ihren Bedürfnissen; begrüßt ferner den raschen Abschluss der Beratungen und die starke Beteiligung der Mitgliedstaaten an der Einrichtung der EUMAM Ukraine, die als Muster für künftige militärische Ausbildungsmissionen angesehen werden kann, und fordert sie auf, ähnliche Ambitionen und Beiträge zu anderen laufenden und künftigen GSVP-Missionen und -Operationen unter Beweis zu stellen;

12.  würdigt die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, die die militärische Unterstützungsmission der Europäischen Union zur Unterstützung der Ukraine (EUMAM Ukraine) bei der schwierigen Umsetzung ihres überarbeiteten Mandats zur Unterstützung der Ermittlung und strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten gegen das Völkerrecht, die im Umfeld der unprovozierten und ungerechtfertigten militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine begangen wurden; fordert die EU auf, dafür zu sorgen, dass sie mit den entsprechenden finanziellen, logistischen und personellen Mitteln arbeiten kann, um dem Bedarf der Ukraine gerecht zu werden, und begrüßt die Beteiligung von Drittländern daran;

13.  unterstreicht die konkrete Unterstützung der Ukraine durch die EU im Wege des „dreistufigen Munitionsplans“; drängt auf eine schnellere Lieferung von Munition aus den Beständen der Mitgliedstaaten über die EFF; verweist auf die Beobachtung zweier Stufen des „dreistufigen Munitionsplans“, die darauf abzielen, der Ukraine bis März 2024 eine Millionen Artilleriegeschosse zur Verfügung zu stellen, und äußert seine Besorgnis über jüngste Erklärungen, die darauf hindeuten, dass die Frist nicht eingehalten werden wird; fordert den HR/VP, die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, die gemeinsame Beschaffung von Munition für die Ukraine zu beschleunigen, und betont, dass es notwendig ist, die Fertigungskapazitäten der europäischen Industrie zu verstärken, indem eine rasche und wirksame Umsetzung der Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion (ASAP) sichergestellt wird; ermutigt die Mitgliedstaaten, den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im europäischen Verteidigungssektor spezielle Möglichkeiten zu bieten, damit sie in der Lage sind, sich an dem Bietverfahren zu beteiligen; ruft die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, den Ausbau der Produktionskapazitäten für militärische Munition zu beschleunigen und sich dabei besonders auf gemeinsame Projekte mit der Ukraine zu konzentrieren und dafür zu sorgen, dass Aufträge für die Ukraine ohne weitere Verzögerung vorrangig bearbeitet werden; betont ferner, dass während des EU-Beitrittsprozesses konkrete Schritte zur Integration der Ukraine in die EU-Maßnahmen und -Programme in den Bereichen Verteidigung und Cybersicherheit unternommen werden sollten, aufbauend auf der Zusammenarbeit und dem Austausch mit der Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA), auf der bestehenden Vereinbarung mit der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) und auf der Möglichkeit für Mitgliedstaaten, für zusätzliche Lieferungen für die Ukraine im Rahmen des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) Rüstungsgüter zu beschaffen; fordert den EAD und die Kommission auf, einen Plan für ein nachhaltiges und langfristiges Paket von Sicherheitsverpflichtungen für die Ukraine vorzulegen, und zwar als Ergänzung dazu, dass den erhöhten Sicherheitsanforderungen der EU Rechnung zu tragen ist; begrüßt die Einrichtung einer „Ukraine-Fazilität“ und fordert alle Akteure nachdrücklich auf, auf ihre Umsetzung hinzuarbeiten;

14.  fordert die globale Gemeinschaft mit Nachdruck auf, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, da er grob gegen das Völkerrecht und die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen verstößt, und die weltweite Sicherheit und Stabilität untermauert; fordert den Sonderbeauftragten für die Umsetzung von EU-Sanktionen auf, die Umgehung der EU-Sanktionen gegen russische Einrichtungen, insbesondere in Bezug auf Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine, gründlich zu untersuchen; verurteilt die Teilnahme von Soldaten aus Drittländern, einschließlich Kuba, Serbien und Syrien, die für Russland in dem Angriffskrieg gegen die Ukraine kämpfen und fordert ihren unverzüglichen Rückzug;

15.  unterstreicht das Ergebnis des NATO-Gipfels von Vilnius, mit dem eindeutig bestätigt wird, dass die Zukunft der Ukraine in der Allianz liegt; begrüßt das auf dem Gipfel beschlossene Unterstützungspaket für die Ukraine und die Einrichtung des NATO-Ukraine-Rates, der die Ukraine auf die NATO-Mitgliedschaft nach Ende des Krieges vorbereiten soll, und das so schnell wie möglich; unterstützt die fortgesetzten transatlantischen Bemühungen und die Koordinierung in Bezug auf militärische Hilfe und Waffenlieferungen an die Ukraine;

16.  unterstreicht, dass die Verpflichtungen der EU und der NATO gegenüber der Ukraine Teil eines umfassenderen, international koordinierten Pakets von Sicherheitsgarantien für die Ukraine sind, das die Einführung eines multilateralen Rahmens für die Aushandlung bilateraler Sicherheitsverpflichtungen und -vereinbarungen für die Ukraine durch die G7 einschließt;

17.  weist darauf hin, wie wichtig es ist, Artikel 42 Absatz 7 EUV zum gegenseitigen Beistand weiterhin anzuwenden und fordert konkrete Schritte zur Entwicklung einer echten EU-Solidaritätspolitik, indem die Kohärenz zwischen diesem Artikel und Artikel 5 des Nordatlantikvertrags geklärt wird, da nicht alle EU-Mitgliedstaaten auch Mitglieder der NATO sind;

Stärkung der europäischen Verteidigung als Antwort auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine

18.  unterstreicht die in der Erklärung von Versailles eingegangene Verpflichtung der Staats- und Regierungschefs der EU, der Ukraine die erforderliche Unterstützung zukommen zu lassen und durch die Stärkung der EU-Verteidigungskapazitäten und der -Mitgliedstaaten mehr Verantwortung für die europäische Sicherheit zu übernehmen, und verleiht seiner entschiedenen Unterstützung für diese Verpflichtung Ausdruck; spricht sich diesbezüglich für eine stärkere Koordinierung mit den transatlantischen Verbündeten und der NATO aus; hält es für notwendig, den Strategischen Kompass zu aktualisieren, um die Lehren aus dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der wenige Tage vor seiner Verabschiedung begann, sowie die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten einzubeziehen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, im Anschluss an diese Überprüfung, die regelmäßig durchgeführt werden sollte, die in der Erklärung von Versailles eingegangene Verpflichtung zu erfüllen, indem sie die vollständige Umsetzung des Strategischen Kompasses durch eine massive Verstärkung der europäischen militärischen Zusammenarbeit auf Ebene der Industrie und der Streitkräfte beschleunigen, um die Europäische Union zu einem stärkeren und leistungsfähigeren Bereitsteller von Sicherheit zu machen, der mit der NATO interoperabel ist und sie ergänzt;

19.  nimmt die Debatte über die nukleare Abschreckung in Europa zur Kenntnis und fordert eine konstruktive und aufgeschlossene Diskussion auf europäischer Ebene über dieses Kernelement der territorialen Verteidigung und Abschreckung, das erforderlich ist, um die Sicherheit des europäischen Kontinents und seiner Völker langfristig zu gewährleisten;

20.  weist erneut darauf hin, dass das Ziel der EU, wie im Strategischen Kompass eindeutig dargelegt, darin besteht, bei Ausbruch einer Krise schnell und robust handeln zu können – erforderlichenfalls allein oder im Rahmen einer Partnerschaft – , und dass der Strategische Kompass kein Ersatz dafür sein darf, wichtige Investitionen in die Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten der Union aufzuschieben; betont, dass die ehrgeizigen Ziele und Etappenziele des Strategischen Kompasses nur mit entsprechender politischer Bereitschaft und Maßnahmen im Namen der Mitgliedstaaten und der EU-Organe sowie erforderlichenfalls mit den erforderlichen finanziellen Beiträgen erreicht werden können; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, die Bedrohungsanalyse systematisch und regelmäßig zu aktualisieren;

21.  bekräftigt, dass die EU ihr Beschlussfassungssystem reformieren sollte, um zu einem glaubwürdigen geopolitischen Akteur zu werden; bedauert, dass das Potenzial für schnelle, effiziente und wirksame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungsmaßnahmen, wie sie in den Überleitungsklauseln des EUV vorgesehen sind, nur sehr begrenzt genutzt wird; bekräftigt seine Forderung an den Rat, bei Beschlüssen zumindest im Rahmen der GASP und der GSVP, die keine militärischen Bezüge haben, schrittweise zur Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen; bekräftigt seine Forderung nach regelmäßigen Treffen der EU-Verteidigungsminister, und fordert ein gemeinsames zivil-militärisches Hauptquartier auf europäischer Ebene, in dem zivile und militärische Instrumente kombiniert werden, damit der integrierte Ansatz der EU für das Krisenmanagement von der strategischen Planung bis zur tatsächlichen Durchführung der Mission oder Operation in vollem Umfang genutzt werden kann;

22.  fordert die Ernennung eines Kommissars für die Verteidigungsunion im Rahmen der nächsten Kommission, der nach einer klaren Aufgabenteilung gemeinsam mit dem HR/VP für die Vollendung einer echten Europäischen Verteidigungsunion und allen verteidigungsbezogenen Angelegenheiten, einschließlich der GSVP, verantwortlich ist; ist der Ansicht, dass der Kommissar für die Verteidigungsunion zusammen mit dem noch einzurichtenden vollwertigen Sicherheits- und Verteidigungsausschuss des Parlaments einen zweckgebundenen und umfangreichen Haushalt der Verteidigungsunion überwachen sollte;

Strategischer Kompass: „Handeln“ (Act)

23.  erinnert die entsprechenden EU-Gremien und die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtung, den MPCC zu stärken und seine volle Einsatzfähigkeit zu erreichen, unter anderem durch die Bereitstellung angemessener Räumlichkeiten, ausreichenden Personals und die Umstrukturierung des Militärstabs der Union; fordert, dass seine volle Einsatzfähigkeit, wie im Strategischen Kompass dargelegt, bis 2025 erreicht werden sollte, und zwar ungeachtet der Schlussfolgerungen des Rates vom 19. November 2018, in denen eine Frist bis 2020 vorgesehen war; fordert außerdem, dass die Personalausstattung des MPCC deutlich, auf bis zu 250 Mitarbeiter, aufgestockt werden sollte; betont, dass es dringend notwendig ist, den MPCC als bevorzugte Führungs- und Kontrollstruktur für militärische Operationen der EU zu etablieren, einschließlich im Hinblick auf die Nutzung der künftigen Schnelleingreifkapazität; betont, dass eines der vier aktuellen nationalen operativen Hauptquartiere als Ausweichoption bestimmt werden sollte;

24.  bekräftigt, wie wichtig es ist, die Schnelleingreifkapazität mit mindestens 5 000 Truppen und den entsprechenden Fähigkeiten je nach Modul vollständig umzusetzen und für Krisensituationen in nicht bedrohungsfreien Umgebungen zur Verfügung zu stellen, z. B. für Rettungs- und Evakuierungsaufgaben, erste Eingriffs- und Stabilisierungsmaßnahmen und die vorübergehende Verstärkung von Einsätzen; ist der Ansicht, dass das Ziel, die Schnelleingreifkapazität bis 2025 einsatzbereit zu machen, ohne ein entschlossenes politisches Engagement und mehr Ressourcen gefährdet ist; fordert die Mitgliedstaaten auf, die praktischen Modalitäten für die Umsetzung von Artikel 44 EUV bei der Operationalisierung der EU-Schnelleingreifkapazität sowie gegebenenfalls bei anderen operativen GSVP-Verpflichtungen zu berücksichtigen, sodass einer Gruppe von Mitgliedstaaten, die dazu willens und in der Lage sind, ermöglicht wird, Missionen und Operationen unter dem EU-Rahmen zu planen und durchzuführen und dadurch sicherzustellen, dass die Schnelleingreifkapazität rasch in Aktion tritt; bekräftigt, dass die Schnelleingreifkapazität mit unterschiedlichen Fristen für den Dislozierungsbescheid für ihre verschiedenen Teile organisiert werden sollte, wobei für einige Teile eine Frist von 5 bis 10 Tagen gilt; weist darauf hin, dass die genaue Anzahl der Kräfte, die mindestens zur Verfügung stehen müssen, erst genannt werden kann, nachdem die Konzeptplaner die potenziellen Szenarien analysiert haben; ist der Auffassung, dass die EU-Schnelleingreifkapazität über ein großes Potenzial verfügt, um auf den Lehren früherer EU-Gefechtsverbände aufzubauen, ihre verschiedenen Mängel zu beheben und zu überwinden, die strategische Autonomie der EU zu stärken und einen positiven Beitrag zum integrierten Ansatz der EU für Sicherheit und Frieden zu leisten;

25.  begrüßt die erste Live-Übung für die Schnelleingreifkapazität im Rahmen von MILEX (Crisis Management Military Exercise) 2023, die im Oktober 2023 in Spanien stattfand, und sieht weiteren Live-Übungen in der Zukunft erwartungsvoll entgegen, die darauf abzielen, ihre Fähigkeiten zu verbessern, die Interoperabilität zwischen den Mitgliedstaaten zu erhöhen und die Nutzung der Schnelleingreifkapazität in verschiedenen Szenarien wirksam zu testen; fordert die Mitgliedstaaten und den EAD auf, dafür zu sorgen, dass solche Ausbildungs- und Zertifizierungsübungen von dem Mechanismus der gemeinsamen Kosten profitieren, um eine angemessene Beteiligung in der Zukunft sicherzustellen;

26.  betont, dass die Schnelleingreifkapazität als eine der Arten der militärischen Kapazität der EU für die Krisenreaktion mit eigener rechtlicher Identität errichtet werden sollte, damit sie zu einer Streitkraft geformt werden kann, die dauerhaft zur Verfügung steht und gemeinsam ausgebildet wird, um letztlich auf eine ständige Truppe zurückgreifen zu können; stellt fest, dass im Rahmen der Schnelleingreifkapazität regelmäßig gemeinsame Übungen auf strategischer, gemeinsamer und taktischer Ebene in einem EU-Rahmen auf der Grundlage von Einsatzszenarien sowie nach einheitlichen Ausbildungs- und Zertifizierungsnormen, wie z. B. denen der NATO, durchgeführt werden sollten, um die Bereitschaft und Interoperabilität zu verbessern; betont, dass die Übungen vom EUMS geplant und vom MPCC geplant und durchgeführt werden sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich zu verpflichten, die kritischen Lücken bei den strategischen Enablern bis 2025 erheblich zu verringern, insbesondere bei denen im Zusammenhang mit der EU-Schnelleingreifkapazität, wie z. B. strategischer Lufttransport, Mittel zur Weltraumkommunikation, medizinische Geräte, Cyberabwehrfähigkeiten und Nachrichtendienste und Aufklärung; begrüßt die vor kurzem von den Mitgliedstaaten geschlossene Lücke bei der Bildung von Streitkräften, wodurch die volle Einsatzfähigkeit der Schnelleingreifkapazität und ihrer Gefechtsverbände bis 2025 ermöglicht wird;

27.  erinnert daran, dass sich die EU das langfristige Ziel gesetzt hat, ihre Ambitionen erheblich zu steigern und auf die Entwicklung ihrer Kapazitäten hinzuarbeiten, um bis zu 60 000 Soldaten aus den Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis in EU-geführten Operationen einzusetzen, wie im militärischen Planziel 1999 festgelegt;

28.  betont, dass die militärische Mobilität unserer Streitkräfte dringend erheblich verbessert werden muss und dass in diese investiert werden muss, wobei Investitionen zur Beseitigung von Engpässen und fehlenden Verbindungen Vorrang einzuräumen ist; würdigt die Bemühungen der Mitgliedstaaten, der Verbündeten, der EU und der NATO, die militärische Mobilität in Mittel- und Osteuropa zu fördern; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verfahren für die militärische Mobilität zu vereinfachen und zu harmonisieren und die Fristen für die Erteilung von Genehmigungen zu verkürzen, um die EU-Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, im Einklang mit ihren Verteidigungserfordernissen und ihrer Verantwortung sowohl im Rahmen von Missionen und Operationen der GSVP als auch von nationalen und multinationalen Aktivitäten schneller zu handeln und effizienter zu reagieren;

29.  fordert, die EDA zu stärken, die Spitzenforschung und die Entwicklung von Fähigkeiten zu verwalten und die gemeinsame Beschaffung zu fördern, um die technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB) zu stärken, und dabei nicht die Beschaffung von Ausrüstung aus gleichgesinnten Ländern zu behindern; fordert eine Verbesserung der Verteidigungsfinanzierung durch die Prüfung einer möglichen Reform der Darlehenspolitik der Europäischen Investitionsbank; fordert, dass der Zugang der Industrie zu privaten Finanzmitteln gestärkt wird, um sicherzustellen, dass die europäische Verteidigungsindustrie einen ausreichenden Zugang zu öffentlichen und privaten Finanzmitteln und Investitionen auf einer nachhaltigen Grundlage hat; fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Entwicklung von Parametern für ein Finanzprodukt in Erwägung zu ziehen, mit dem Investitionen in die europäische Sicherheit unterstützt werden sollen, einschließlich Maßnahmen der Verteidigungsindustrie; begrüßt die gemeinsamen Bemühungen der Europäischen Investitionsbank und der Kommission, die mit 175 Mio. EUR ausgestattete Eigenkapitalfazilität im Verteidigungsbereich einzurichten, um die Entwicklung von Technologien mit doppeltem Verwendungszweck zu fördern; begrüßt die neuen überarbeiteten Haushaltsregeln in Bezug auf Haushaltsdefizite, mit denen infolge des Einmarsches Russlands in die Ukraine zusätzliche Militärausgaben ermöglicht werden;

30.  fordert den HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, robustere, flexiblere, effizientere und modularere GSVP-Missionen und -Operationen durchzuführen, die unter der Berücksichtigung des Grundsatzes des integrierten Ansatzes an ein veränderliches Sicherheitsumfeld angepasst werden können und auf den Synergieeffekten und der Komplementarität der zivilen wie auch der militärischen Dimension der GSVP aufbauen; betont die Bedeutung ziviler GSVP-Missionen für die Koordinierung mit anderen internationalen Partnern, die an ähnlichen Aktivitäten im Gaststaat beteiligt sind; betont, wie wichtig es ist, klare und erreichbare Ziele für jede Mission und jeden Einsatz festzulegen, die durch die erforderlichen finanziellen, logistischen und personellen Ressourcen entsprechend den bei der Verwirklichung der einzelnen Ziele erzielten Fortschritten ergänzt werden; betont, dass jede Mission und jede Operation wirksam auf die Bedürfnisse und Anforderungen der einzelnen Gastländer zugeschnitten sein muss, um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Mission die genannten Ziele erreichen und eine starke Partnerschaft mit der lokalen Bevölkerung und den nationalen Behörden aufrechterhalten wird; unterstreicht die Bedeutung der Konzepte „Ausbildung und Ausrüstung“ und „Ausbildung der Ausbilder“ für Missionen und Operationen, um ihren langfristigen Erfolg und ihre positiven Auswirkungen auf das Gastland sicherzustellen;

31.  begrüßt die Verabschiedung des neuen Paktes für die zivile GSVP und die Verpflichtung, die Wirksamkeit, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit ziviler Missionen zu steigern, u. a. durch eine beschleunigte Entscheidungsfindung, die Stärkung der operativen Planung sowie die Verbesserung der Auswahl und Rekrutierung von Personal, die stärkere Betonung der Gleichstellung der Geschlechter und die Verbesserung von Reaktionsinstrumenten; ist der Ansicht, dass im Rahmen ziviler und militärischer Missionen mehr Gewicht auf die Schlüsselelemente der menschlichen Sicherheit gelegt werden muss; begrüßt die Zusage des EAD und der Mitgliedstaaten, 2024 in enger Abstimmung mit der Kommission einen regelmäßigen und strukturierten Prozess der Entwicklung ziviler Fähigkeiten einzurichten;

32.  fordert die Erstellung detaillierter Folgenabschätzungen für alle Missionen und Operationen, die in regelmäßigen Abständen in Verbindung mit der strategischen Überprüfung durchgeführt werden, um die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf das Gastland wirksamer zu bewerten und zu prüfen, ob die Missionen und Operationen die gewünschte Wirkung erzielt haben; fordert, dass diese Folgenabschätzungen dem Parlament übermittelt werden; betont, dass insbesondere für alle Missionen und Operationen Auslaufklauseln gelten müssen, um erforderlichenfalls eine nachhaltige Beendigung zu ermöglichen;

33.  fordert den Rat und den EAD auf, eine Komponente des Schutzes des kulturellen Erbes in ihre GSVP-Missionen und -Operationen zu integrieren, um den lokalen Partnern bei der Bewältigung von Sicherheitsproblemen im Zusammenhang mit der Erhaltung und dem Schutz des kulturellen Erbes zu unterstützen und diesbezüglich Aufklärungsarbeit zu leisten; fordert den Rat und den EAD auf, eine Komponente der präventiven Diplomatie in ihre GSVP-Missionen und -Operationen zu integrieren, um die Lage in den betreffenden Gebieten besser analysieren, den Ausbruch, die Eskalation, die Fortführung und das Wiederaufflammen von Konflikten abwenden, zwischen Parteien, bei denen die Gefahr eines Ausbruchs von Gewalt besteht, vermitteln und auf diese Weise zu einer Versöhnung sowie zu resilienten und inklusiven Gesellschaften beitragen zu können;

34.  weist darauf hin, dass die durchgängige Berücksichtigung und Umsetzung der Geschlechtergleichstellung in die Außenbeziehungen und die Umsetzung der Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit seit langem bestehende Prioritäten der EU sind; betont daher, wie wichtig die Erfüllung aller eingegangenen Verpflichtungen ist, einschließlich derjenigen im Rahmen des EU-Aktionsplans zur Gleichstellung der Geschlechter III (2020-2024) und des Strategischen Kompasses, auch durch die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und durch die systematische Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung auf der Basis datenbasierter, geschlechtsspezifischer Analysen bei allen zivilen und militärischen GSVP-Planungen und -Maßnahmen; begrüßt in diesem Zusammenhang die Ernennung von Beratern für Gleichstellungsfragen in allen GSVP-Missionen und -Operationen und die Errichtung eines Netzes aus Anlaufstellen für Genderfragen; fordert die vollständige Erfüllung der im Rahmen des neuen Pakts für die zivile GSVP eingegangenen Verpflichtungen, darunter die deutliche Erhöhung der Beteiligung von Frauen am internationalen Personal der zivilen GSVP, mit dem Ziel, einen Frauenanteil von mindestens 40 % zu erreichen, wobei Geschlechterparität angestrebt wird; betont dennoch, dass mehr getan werden muss, um die Gleichstellung der Geschlechter und die uneingeschränkte und substanzielle Beteiligung von Frauen an der GSVP sicherzustellen, insbesondere bei militärischen Missionen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Schritte zu unternehmen, um die beruflichen Hindernisse für Frauen im Rahmen ihrer jeweiligen Verteidigungskräfte möglichst gering zu halten; fordert den EAD nachdrücklich auf, dem Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) regelmäßig über seine Fortschritte bei der Umsetzung geschlechtsspezifischer Maßnahmen Bericht zu erstatten;

35.  betont die wesentliche Rolle der Gleichstellung der Geschlechter und der Rechte der Frau in den grundlegenden Aspekten von Sicherheits- und Verteidigungsmaßnahmen; verurteilt die an der Zivilbevölkerung begangenen Kriegsverbrechen stark, insbesondere den Einsatz sexueller Gewalt als Instrument der Kriegsführung; hebt hervor, dass Cybersicherheitsmaßnahmen wichtig sind, wenn es darum geht, den Menschenhandel mit Frauen, die von Konflikten betroffen sind, aufzudecken und zu verhindern;

36.  betont, dass neben der Bereitstellung von Sicherheitsgarantien und Unterstützung für die Ukraine Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Probleme im Bereich der psychischen Gesundheit zu bewältigen, die unter Militärangehörigen und Bürgern als Folge des Kriegs weiterhin auftreten werden;

37.  begrüßt die Gemeinsame Mitteilung vom Juni 2023 über eine neue Perspektive auf den Klima-Sicherheits-Nexus, in der konkrete Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung auf die Sicherheit und die europäische Verteidigung, einschließlich der GSVP, dargelegt werden; betont, dass die umfassende Umsetzung der Strategie vorangetrieben werden muss, um die operative Wirksamkeit zu verbessern, einschließlich der Entsendung von Umweltberatern für alle GSVP-Missionen und -Operationen bis 2025 und der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Schließung von Lücken und der Beseitigung von Hindernissen sowie im Hinblick auf Anreize zur Vorbereitung ihrer Streitkräfte auf den Klimawandel, wie im Strategischen Kompass gefordert;

38.  bekräftigt die wichtige Rolle von jungen Menschen und Jugendorganisationen bei der Aufrechterhaltung und Förderung von Frieden und Sicherheit und fordert den EAD auf, sich für eine systematischere Einbeziehung junger Menschen in seine Agenda für Jugend, Frieden und Sicherheit einzusetzen;

39.  betont den Stellenwert einer angemessenen, flexiblen und nachhaltigen Finanzierung aller Sicherheits- und Verteidigungsprogramme und -initiativen einschließlich GASP-Haushalt und EFF; bedauert, dass der GASP-Haushalt vom mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021–2027 im Vergleich zum MFR 2014–2020 nur geringfügig aufgestockt wurde, obwohl die Zahl der GSVP-Missionen gestiegen ist; fordert eine erhebliche Aufstockung der GASP-Haushaltsmittel einschließlich einer eigenen GASP-Haushaltslinie zur Einrichtung einer zivilen Unterstützungsfazilität, um Partnerländern Ausrüstungen und Dienste zur Verbesserung ihrer zivilen Fähigkeiten bereitzustellen; begrüßt die Einigung des Europäischen Rates, neue Prioritäten in einem überarbeiteten MFR der EU mit 64,6 Mrd. EUR zu verstärken, einschließlich einer Aufstockung um 1,5 Mrd. EUR, die dem Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) im Rahmen der neuen Plattform für strategische Technologien für Europa (STEP), zugewiesen werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, gemäß dem Strategischen Kompass eine Neubewertung des Umfangs und der Definition der gemeinsamen Kosten vorzuziehen, damit die Solidarität gestärkt und die Beteiligung an militärischen Missionen und Operationen sowie an den übungsbezogenen Kosten gefördert wird; fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, das EFF-Finanzierungsverfahren anzupassen, um die angemessene und nachhaltige Unterstützung von Partnern, Verbündeten und GSVP-Operationen sicherzustellen;

Strategischer Kompass: „INVESTIEREN“ (Invest)

40.  begrüßt die Aufstockung der Haushaltsmittel für und Investitionen in die Verteidigung durch die Mitgliedstaaten und Einrichtungen der Union und fordert, dass deren Wirkung maximiert wird, um den europäischen Streitkräften durch den Ausbau der gemeinsamen Beschaffung und gemeinsamer Investitionen in die Verteidigungsforschung und -entwicklung die erforderlichen Fähigkeiten zu verleihen; bedauert allerdings, dass weder der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine noch die aktuellen Programme der Verteidigungsindustrie auf EU-Ebene zu einem wirklichen Paradigmenwechsel in Form einer Etablierung der Zusammenarbeit auf EU-Ebene geführt haben; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigungsindustrie zu stärken und es sich zum Mindestziel zu machen, 35 % ihrer für die Ausrüstung getätigten Ausgaben für die kooperative europäische Beschaffung und 20 % ihrer Ausgaben für Forschung und Technologie (FuT) im Verteidigungsbereich für die kooperative europäische FuT im Verteidigungsbereich aufzuwenden, wie es von allen Mitgliedstaaten im Rahmen der EDA vereinbart wurde; bedauert ferner, dass die Kommission zur Finanzierung der EDIRPA und der Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion (ASAP) vorhandene Mittel vernichtet, die für andere Initiativen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich oder sonstige Programme vorgemerkt waren, und dadurch andere, bereits bestehende Initiativen schwächt, und hebt hervor, dass weitere Mittel für Rubrik 5 des MFR bereitgestellt werden müssen; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, dem EAD weitere finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit dieser seine Funktion als diplomatischer Dienst der EU vor dem Hintergrund der äußerst kontroversen unbeständigen Lage und des – trotz seiner begrenzten Kapazitäten – in den letzten Jahren gestiegenen Bedarfs an seinen Diensten wirksam wahrnehmen kann; hebt jedoch hervor, dass diese zusätzlichen Investitionen nachhaltig sein und auf aufkommende Bedrohungen ausgerichtet sein müssen;

41.  weist darauf hin, dass die EU und die Mitgliedstaaten nun über ein umfassendes Instrumentarium verfügen, um den strategischen Ansatz für den Kapazitätsaufbau zu verstärken, insbesondere unter der Leitung der Taskforce für die gemeinsame Beschaffung im Verteidigungsbereich und unter Verwendung der Koordinierten Jährlichen Überprüfung der Verteidigung der EDA, des Fähigkeitenentwicklungsplan (CDP) und der Analyse der Investitionslücke im Verteidigungsbereich; betont, dass es nun gilt, diese Instrumente in vollem Umfang zu nutzen, ihre Kohärenz und Wirksamkeit unter Beweis zu stellen und mit ihnen konkrete Ergebnisse zu erzielen; fordert die Kommission und den HR/VP auf, eine aktualisierte Analyse der Investitionslücken im Verteidigungsbereich vorzulegen und die Kapazitäten und Programme festzulegen, die bis zum Ende des Jahrzehnts mit Unterstützung der Union entwickelt werden sollen; weist erneut darauf hin, dass die Union zu diesem Zweck eine Strategie in den Bereichen Fähigkeiten und Rüstung ausarbeiten muss; fordert den Rat und die Kommission auf, die Investitionen in Innovationen im Verteidigungsbereich zu erhöhen;

42.  begrüßt die Überarbeitung und Vorlage des CDP für 2023; bedauert die begrenzten Fortschritte bei der Fähigkeitenentwicklung seit dem ersten CDP im Jahr 2008; betont, dass insbesondere angesichts des rechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und der Bedrohung der europäischen Sicherheit stärkere und mehr gemeinsame Anstrengungen der EU-Mitgliedstaaten erforderlich sind, um Angreifer abzuschrecken und die europäischen Bürger und Interessen zu schützen;

43.  ist der Ansicht, dass der EDF bedauerlicherweise immer noch unterfinanziert ist, jedoch den zusätzlichen Nutzen von Maßnahmen auf EU-Ebene im Bereich der europäischen Verteidigung aufzeigt; empfiehlt die Anwendung der Vorschläge der Kommission in allen verteidigungsrelevanten Bereichen der EU-Politik in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten; fordert eine weitere Aufstockung des EDF-Budgets um 1 Mrd. EUR, zusätzlich zu den von im Rahmen des STEP-Vorschlags vereinbarten 1,5 Mrd. EUR; fordert die größtmögliche Konsistenz und Koordinierung zwischen den verschiedenen Initiativen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich wie der CARD, des EDF, der EDIRPA, der ASAP, der SSZ und der Militärischen Mobilität, um Überschneidungen zu vermeiden, effiziente öffentliche Investitionen sicherzustellen und der Lücke bei den kritischen Fähigkeiten zu begegnen;

44.  hält es für notwendig, die Abhängigkeiten bei kritischen Technologien und in kritischen Wertschöpfungsketten zu verringern, damit die Union eine größere technologische Autonomie erlangt und dann in der Lage ist, in kritischen Bereichen ihre eigenen Technologien zu entwickeln, herzustellen und einzusetzen; begrüßt in diesem Zusammenhang die Verordnung über kritische Rohstoffe, die für die Erfüllung der Grundsätze der Erklärung von Versailles und die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Lieferketten für die europäische Verteidigungsindustrie von entscheidender Bedeutung ist; betont, dass die Stärkung der gemeinsamen Beschaffung auf europäischer Ebene eine logische Ergänzung des EDF darstellt, da dadurch der gesamte Zyklus von der Forschung und Entwicklung bis hin zur Beschaffung abgedeckt und folglich für eine stetige Nachfrage gesorgt wird, die wiederum zu einer besseren Interoperabilität der Streitkräfte der Mitgliedstaaten, zu Skaleneffekten und letztlich zu einer stärkeren europäischen Verteidigung führt; weist darauf hin, dass Verteidigungsgüter nach Möglichkeit in europäischen Unternehmen zusammengebaut werden sollten, wodurch die europäische Industrie, insbesondere KMU, unterstützt werden;

45.  betont, dass die EDIRPA und die ASAP nur ein erster Schritt sein können, um die Kapazitäten der europäischen technologischen und industriellen Basis (EDTIB) für die Versorgung der Mitgliedstaaten mit den benötigten Produkten und Mengen zu verbessern, und durch weitere Initiativen ergänzt werden sollten, darunter eine Strategie für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIS) gekoppelt mit dem geplanten langfristigen und umfassenden Programm für europäische Verteidigungsinvestitionen (EDIP), für das eine angemessene Finanzierung sowie ein wirksamer Regulierungsrahmen sichergestellt werden müssen, der innovationsfördernd und produktionssteigernd wirkt und für intelligentere und effizientere öffentliche Investitionen sorgt; fordert die EU-Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, bei der anstehenden Überarbeitung des MFR die erforderlichen Mittel für alle europäischen Verteidigungsinstrumente bereitzustellen; bedauert, dass das EDIP noch nicht von der Kommission vorgeschlagen wurde; fordert eine zügige und effiziente Umsetzung der EDIRPA und der ASAP; spricht sich uneingeschränkt für die vorgeschlagene Einrichtung eines gemeinsamen Verteidigungsfonds in Höhe von 100 Mrd. EUR aus, der darauf abzielen soll, die inländische Rüstungs- und Munitionsproduktion umgehend zu steigern,;

46.  fordert die Kommission auf, bei der Festlegung der Prioritäten der Verteidigungsindustrie und der Ausarbeitung von Initiativen im Verteidigungsbereich auf dem Fachwissen des Militärausschusses der Europäischen Union aufzubauen, um auf industrieller Ebene für militärische Kohärenz zu sorgen;

47.  fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen und für eine tragfähige Finanzierung zu sorgen, um sich an die aktuelle geopolitische Lage anzupassen und den erheblichen Bedrohungen für die Sicherheit der Union zu begegnen; fordert die Mitgliedstaaten der EU und der NATO auf, ihre Militärausgaben auf der Grundlage einer Bewertung ihres eigenen Bedarfs aufzustocken und dafür mindestens 2 % des BIP auszugeben, und zwar in einer gut koordinierten und umfassenden Weise, die Größenvorteile und Interoperabilität ermöglicht, auch unter Berücksichtigung des starken Anstiegs der Verteidigungsausgaben anderer Konkurrenten wie Russland und China, und um Defizite zu beheben und den Anforderungen in allen Bereichen gerecht zu werden, die sich aus einer stärker umkämpften Sicherheitsordnung ergeben, sowie unter Berücksichtigung der Auswirkungen historisch unzureichender Investitionen und der steigenden Inflation auf die Verteidigungshaushalte; betont die wesentliche Rolle der EDTIB bei der Ausrüstung der Streitkräfte der Mitgliedstaaten, um sie in die Lage zu versetzen, die Unionsbürger und die Interessen der Union zu schützen;

48.  betont, dass die europäischen Streitkräfte mit schwerwiegenden Problemen bei der Rekrutierung und Bindung konfrontiert sind; hält es für notwendig, diese Herausforderungen zu analysieren, und fordert den HR/VP daher auf, den EUMC mit der Erhebung und Analyse von Daten zu diesen Themen in allen EU-Mitgliedstaaten zu beauftragen, um mögliche Gegenmaßnahmen zu ermitteln; weist darauf hin, dass eine echte europäische Verteidigungsunion nicht ohne eine gemeinsame militärische Kultur aufgebaut werden kann, und fordert den HR/VP daher auf, das Europäische Sicherheits- und Verteidigungskolleg damit zu beauftragen, die Ausbildungsmodule für militärisches Personal aus den Streitkräften der Mitgliedstaaten zu modernisieren und auszuweiten;

49.  betont, wie wichtig die SSZ für die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten der EU ist, und begrüßt die Fortschritte, die bislang durch die Projekte der SSZ-Initiative erzielt wurden, beispielsweise in Bereichen wie Cyberabwehr, unbemannte Systeme, medizinische Dienste und chemische, biologische, radiologische und nukleare Überwachung, sowie die weiteren Fortschritte, die bei Projekten in allen militärischen Bereichen erzielt wurden, die im jährlichen Projekt-Fortschrittsbericht des SSZ-Sekretariats dargelegt wurden; bedauert allerdings, dass die Mitgliedstaaten den Rahmen der SSZ nach wie vor nicht in vollem Umfang nutzen und dass die Fortschritte bei der Umsetzung immer noch weit hinter den Erwartungen zurückbleiben; fordert den HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, eine gründliche ständige Bewertung der Projekte und ihrer Aussichten vorzunehmen, bei der auch die Möglichkeit vorgesehen sein sollte, Projekte, bei denen keine ausreichenden Fortschritte erzielt werden, zusammenzulegen, neu zu gruppieren oder sogar zu beenden und die Anstrengungen in erster Linie auf einige wenige vorrangige Projekte auszurichten, die zu konkreten Maßnahmen führen sollen, wie im Strategischen Kompass vorgesehen; bedauert es zutiefst, dass das Parlament nicht in der Lage ist, die SSZ-Projekte ordnungsgemäß zu kontrollieren; fordert die Mitgliedstaaten auf, dem Parlament regelmäßig, mindestens zweimal jährlich, eine Bewertung der gemachten Fortschritte im Rahmen der SSZ vorzulegen;

50.  fordert den Rat auf, das Projekt zur Einrichtung eines Europäischen Zivilen Friedenskorps auf den Weg zu bringen, das das Fachwissen institutioneller und nicht-institutioneller Akteure in Bezug auf Konfliktverhütung, friedliche Konfliktlösung und Versöhnung zusammenführt, um die zivile Krisenbewältigung der EU glaubwürdiger, kohärenter, wirksamer, flexibler und sichtbarer zu machen;

Strategischer Kompass: „ANTIZIPIEREN und SICHERN“ (Anticipate and Secure)

51.  hebt hervor, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine Teil einer umfassenderen Strategie ist, die darauf abzielt, die regelbasierte internationale Ordnung auszuhöhlen; fordert die EU auf, ihre Kapazitäten für die Reaktion auf hybride Kriegsführung auszubauen, wozu auch die Aufdeckung von und Reaktion auf von Russland und anderen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren betriebenen Kampagnen der Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland gehören, die unter anderem durch die Verbreitung von Falschmeldungen über die EU oder durch gezielte Angriffe auf GSVP-Missionen und -Operationen in strategischen Gebieten unsere Interessen und Werte sowie unsere Sicherheit in Frage stellen; ist ernsthaft besorgt über die Gefahr, die für demokratische Prozesse und insbesondere im Vorfeld von Wahlen von Desinformations- und Informationsmanipulationskampagnen auf der Grundlage von künstlicher Intelligenz (KI) – unter anderem durch die Erstellung gefälschter Websites und gefälschter Bilder – ausgeht; fordert die Kommission und den EAD auf, eng mit dem Privatsektor, der Zivilgesellschaft sowie der akademischen und technischen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um dieser böswilligen Einflussnahme entgegenzuwirken und gegen die Nutzung neuer Technologien als Waffe vorzugehen;

52.  fordert vor diesem Hintergrund alle Mitgliedstaaten und EU-Bewerberländer auf, die Empfehlungen aus den Entschließungen des Parlaments zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich der Desinformation, umzusetzen(24);

53.  hebt hervor, dass China eine „grenzenlose Freundschaft“ mit Russland geschlossen hat, die einen bedeutenden Transfer von Technologie und militärischen Fähigkeiten umfasst und die EU in wachsendem Umfang vor sicherheitspolitische Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich Cybersicherheit sowie Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland, stellt; betont, dass die EU die Sicherheit und Integrität ihrer kritischen Infrastrukturen stärken und den technologischen Vorsprung der EU in kritischen Sektoren risikoärmer gestalten und fördern muss, einschließlich Maßnahmen zur Beschränkung oder zum Ausschluss von Lieferanten mit hohem Risiko, insbesondere von Akteuren, die mit der chinesischen Regierung in Verbindung stehen;

54.  weist darauf hin, dass Abhängigkeiten von Hochrisikoanbietern kritischer Produkte mit digitalen Elementen ein strategisches Risiko darstellen, dem auf Unionsebene begegnet werden sollte; betont, dass die Verfahren zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen mit Standards der Sorgfaltspflicht weiter gestärkt werden müssen, um zu ermitteln, welche Hebelwirkung von Regierungen von Staaten in Bezug auf Investoren ausgeübt wird, die in kritische Infrastrukturen in der EU investieren, etwa in europäische Häfen und Unterseekabel in der Ostsee, im Mittelmeer und in arktischen Gewässern, die den Sicherheits- und Verteidigungsinteressen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zuwiderlaufen würde, wie sie im Rahmen der GASP gemäß Titel V EUV festgelegt wurden; betont, dass dieser Ansatz gleichermaßen für Kandidatenländer und potenzielle Kandidatenländer gelten sollte; ist der Ansicht, dass zusätzliche Rechtsvorschriften erforderlich sind, um die Sicherheit der europäischen Lieferkette für Informations- und Kommunikationstechnologien vor riskanten Anbietern wirksam zu schützen und vor dem cybergestützten Diebstahl geistigen Eigentums zu schützen; fordert die Schaffung eines europäischen Rahmens zur engen Regulierung und Festlegung von Mindeststandards und -bedingungen für die Ausfuhr von geistigem Eigentum und Technologien, die für die Sicherheit und Verteidigung der Union von entscheidender Bedeutung sind, einschließlich Gütern mit doppeltem Verwendungszweck;

55.  äußert seine Besorgnis über Chinas aggressives militärisches Auftreten im Südchinesischen Meer, einschließlich der Errichtung von Inseln, der Belästigung und der gefährlichen Manöver seiner Marine, Küstenwache und Seemiliz sowie des anhaltenden militärischen Drucks, der Angriffsübungen, der Verletzungen des Luftraums und anderer militärischer Aktionen in der Grauzone, einschließlich Cyber- und Desinformationskampagnen gegen Taiwan; fordert mehr koordinierte maritime Präsenzen und den Aufbau von Kapazitäten mit den Partnern der EU in der Region; fordert China auf, alle diese Aktivitäten, die die Stabilität der gesamten Region gefährden und sich im weiteren Kontext unmittelbar auf die Sicherheit in Europa auswirken, einzustellen; empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Häufigkeit von Einsätzen zur Sicherstellung der Freiheit der Schifffahrt in der Taiwanstraße zu erhöhen und die Sicherheitsdialoge mit Taiwan zu vertiefen, um Aggressionen Chinas gegen die demokratische Insel abzuwenden; betont angesichts regionaler und EU-Sicherheitsbedenken die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Taiwan, damit das Fachwissen und der technologische Vorsprung des Landes in Bezug auf chinesische Cyber-Bedrohungen genutzt werden können; begrüßt die jüngste Vereinbarung zwischen den Staats- und Regierungschefs Chinas und der USA, die Kommunikation zwischen den Militärs auf hoher Ebene wieder aufzunehmen;

56.  stellt fest, dass ein großer Teil der afrikanischen Infrastruktur, einschließlich der Kommunikationsinfrastruktur, von chinesischen Staatsunternehmen finanziert und gebaut wurde; erklärt sich besorgt angesichts der Tatsache, dass dieses chinesische Modell eindeutig für viele Länder attraktiv ist, die die Anforderungen der EU für den Zugang zu Finanzmitteln in gleicher Höhe nicht erfüllen können, wodurch der Einfluss Chinas zum Nachteil der EU-Partnerschaften ausgeweitet wird; ist in diesem Zusammenhang der festen Überzeugung, dass die EU ihre Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern weiter ausbauen und sowohl die Sichtbarkeit als auch den greifbaren Nutzen ihrer Unterstützung für die lokale Bevölkerung erhöhen sollte; fordert eine langfristige und zukunftsorientierte EU-Sicherheitsstrategie mit Blick auf China, den Mittelmeerraum und Afrika;

57.  fordert zusätzliche Fortschritte bei der weiteren Verbesserung des Instrumentariums zur Abwehr hybrider Bedrohungen der EU, insbesondere mit Blick auf Aktivitäten im Zusammenhang mit Cyberangriffen und Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland, sowie bei der Überarbeitung der Durchführungsleitlinien des Instrumentariums der EU im Bereich der Cyberdiplomatie; begrüßt die im Strategischen Kompass und den neuen „Pakt für die zivile GSVP“ enthaltene Verpflichtung, bis 2024 die notwendigen Fähigkeiten bereitzustellen, um zivilen GSVP-Missionen und -Operationen die Reaktion auf hybride Angriffe, darunter auch Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland sowie Cyberangriffe, zu ermöglichen, und eine kohärente und eindeutige Kommunikationsstrategie auszuarbeiten; bekräftigt, dass es dringend notwendig ist, dafür zu sorgen, dass Fachwissen und Kapazitäten für sichere Informations- und Kommunikationstechnologien für alle GSVP-Missionen und -Operationen vorhanden sind, um eine sichere Kommunikation im Einsatzgebiet und mit allen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU zu ermöglichen; begrüßt in diesem Zusammenhang die Zusage des EAD und der Mitgliedstaaten, bis 2025 ein schnell verlegbares Kommunikations- und Informationssystem einzurichten, um die Hauptquartiere der Streitkräfte und Missionen im Einsatzgebiet sicher mit Brüssel zu verbinden; stellt fest, dass aufkommende disruptive Technologien wie die Quanteninformatik und KI in dieser Hinsicht von großer Bedeutung sein werden; fordert den EAD und die Kommission auf, ihre Zusammenarbeit und Koordinierung mit anderen Missionen und Operationen von gleichgesinnten Partnern und Organisationen, einschließlich der Friedenssicherungseinsätze der Vereinten Nationen, zu verstärken, wenn es darum geht, vor Ort Operationen im Bereich der Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland abzuwehren;

58.  fordert die Mitgliedstaaten und den EAD auf, ihre Strategie zu verbessern und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um in allen EU-Delegationen und GSVP-Missionen und -Operationen als Teil ihres umfassenderen Mandats in den Gastländern und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber hybriden Bedrohungen und Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland systematisch finanzielle und personelle Ressourcen, Instrumente und Schulungen zur Bekämpfung von Bedrohungen im Rahmen von Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland einzubeziehen; fordert, die Sichtbarkeit und die strategische Kommunikation über den Nutzen, die Präsenz und die Rolle der GSVP-Missionen zu verbessern;

59.  fordert die Mitgliedstaaten, den EAD und die Kommission auf, die Schaffung einer gut ausgestatteten und unabhängigen Struktur in Betracht zu ziehen, die mit der Ermittlung, Analyse und Dokumentation von Bedrohungen durch Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland gegen die EU als Ganzes beauftragt ist, um das Lagebewusstsein und den Austausch von Erkenntnissen über Bedrohungen zu stärken und Fähigkeiten im Bereich der Attribution und Gegenmaßnahmen im Zusammenhang mit Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland zu entwickeln; ist der Ansicht, dass diese Struktur als Bezugspunkt und Zentrum für Fachwissen dienen würde, um den operativen Austausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU zu erleichtern und zu fördern und den Austausch bewährter Verfahren mit gleich gesinnten Partnern weltweit zu ermöglichen; betont, dass durch die Struktur die Rolle der für strategische Kommunikation zuständigen Abteilung des EAD und ihrer Taskforces als strategisches Gremium des diplomatischen Dienstes der EU präzisiert und gestärkt und die Überschneidung von Tätigkeiten verhindert werden sollte;

60.  betont, dass die EU zur Bekämpfung der zunehmenden Bedrohungen und der Verbreitung antieuropäischer Narrative durch Drittstaaten in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU verstärkt Unterstützung, Schulungen und den Aufbau von Kapazitäten in Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern anbieten muss, u. a. durch die Bekämpfung von Kampagnen zur Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland fordert, dass die Resilienz gegen Desinformations- und Störkampagnen erhöht wird, die darauf abzielen, demokratische Prozesse zu untergraben und Spaltungen herbeizuführen, und dass die Bewerberländer aufgefordert werden, entschiedene Schritte zu unternehmen, um gegen manipulative Desinformation, böswillige Propaganda und andere hybride Bedrohungen vorzugehen; fordert, strategisch und proaktiv gegen hybride Bedrohungen vorzugehen und dazu beizutragen, die Einmischung Dritter in politische Verfahren, Wahlen und andere demokratische Abläufe in den Beitrittsländern zu verhindern, insbesondere böswillige Handlungen, die darauf abzielen, die öffentliche Meinung zu manipulieren und den EU-Beitritt eines Landes zu untergraben;

61.  verurteilt und ist besorgt angesichts der Aktivitäten im Bereich hybride Kriegsführung privater Militärunternehmen und staatlich geförderter Stellvertreter wie der Wagner-Gruppe und anderer bewaffneter Gruppen, Milizen und Stellvertreter mit dem Ziel, auf mehrere Länder der Welt Einfluss auszuüben; fordert den EAD auf, mit gleich gesinnten Partnern eine Initiative zur Bekämpfung bösartiger nichtstaatlicher und staatlich geförderter Gruppen von Akteuren wie der Wagner-Gruppe ins Leben zu rufen; betont, dass die bestehenden EU-Instrumentarien auch Maßnahmen wie etwa Sanktionen gegen Nicht-EU-Staaten umfassen sollten, die in Krisenregionen private Militärunternehmen finanzieren oder mit ihnen zusammenarbeiten;

62.  verurteilt die politischen Aggressionen und den im Voraus geplanten Militärangriff Aserbaidschans auf Bergkarabach; weist darauf hin, dass dieser Angriff auf Monate des organisierten Hungers und der Isolation der in Bergkarabach lebenden Armenier durch die Blockade des Latschin-Korridors folgte; betont, dass die sogenannten russischen Friedenstruppen vor Ort nichts unternommen haben, um die Blockade zu beenden oder den Militärangriff Aserbaidschans auf Bergkarabach zu verhindern; verurteilt die militärische Unterstützung, die Aserbaidschan von Drittländern erhält; ist ernsthaft besorgt über die Folgen für die Zivilbevölkerung, die de facto einer ethnischen Säuberung gleichkommen; bekräftigt seine Auffassung, dass der von Aserbaidschan verübte Angriff nicht ohne Konsequenzen bleiben darf, und fordert die EU auf, Sanktionen gegen die staatlichen Stellen Aserbaidschans zu verhängen, die für mehrfache Verstöße gegen den Waffenstillstand verantwortlich sind, sowie die energiepolitische Zusammenarbeit zu beenden; fordert die EU auf, die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit Aserbaidschan im Lichte der jüngsten Ereignisse und angesichts der dramatischen Menschenrechtslage des Landes stillzulegen;

63.  begrüßt die eingerichtete zivile Mission der Europäischen Union in Armenien (EUMA), um dazu beizutragen, durch eine Reduzierung der Anzahl von Zwischenfällen in den Konflikt- und Grenzgebieten in Armenien die Sicherheit in der Region zu erhöhen, die Gefährdung der in diesen Gebieten lebenden Bevölkerung zu reduzieren und dadurch zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan vor Ort beizutragen und gleichzeitig die Sichtbarkeit der EU in der Region zu erhöhen; begrüßt die Einigung des Rates, die Beobachtungskapazitäten der Mission zu stärken, indem sie ihre Präsenz vor Ort erhöht; fordert den Rat auf, ihren Einsatzzeitraum um fünf Jahre zu verlängern und ihren geografischen Zuständigkeitsbereich möglicherweise auf die armenisch-türkische Grenze auszuweiten;

64.  fordert die Bereitschaft des EAD, Armenien die erforderliche technische Unterstützung durch das EFF-Instrument zu gewähren, damit das Land seine derzeitigen Militärbündnisse überdenken kann, da dies die Widerstandsfähigkeit Armeniens im Zusammenhang mit der Gewährleistung von Sicherheit, Unabhängigkeit und Souveränität stärken und zu einer umfassenderen und verstärkten Verteidigungszusammenarbeit zwischen beiden Seiten führen würde; begrüßt die Entscheidung Armeniens, dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs beizutreten; fordert den EAD auf, die Berichte der EUMA über die Lage vor Ort dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (AFET) und dem Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) des Parlaments unter Wahrung der Vertraulichkeit zur Verfügung zu stellen;

65.  fordert den Rat auf, darauf vorbereitet zu sein, gezielte und individuelle Sanktionen gegen die Urheber der Aggression zu verhängen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf das politische und militärische Umfeld von Präsident Alijew, und die Einfuhr von Öl und Gas aus Aserbaidschan auszusetzen, falls das Land die territoriale Integrität Armeniens militärisch angreift;

66.  begrüßt die Entsendung der Partnerschaftsmission der EU im Rahmen der GSVP in die Republik Moldau (EUPM Moldau), die erste zivile GSVP-Mission überhaupt, deren Ziel es ist, die Widerstandsfähigkeit des moldauischen Sicherheitssektors bei der Krisenbewältigung und Bekämpfung hybrider Bedrohungen zu stärken; betont, dass dieser innovativen GSVP-Mission eine große Bedeutung zukommt, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Fachkenntnisse und Fähigkeiten bereitzustellen, die im Rahmen dieser Mission benötigt werden, um die Republik Moldau gegen die von Russland betriebene hybride Kriegsführung zu unterstützen; fordert den EAD auf, die Einrichtung vergleichbarer Missionen für andere Bewerberländer, assoziierte Länder und Partnerländer der EU zu prüfen, um deren Widerstandsfähigkeit gegen hybride Bedrohungen, einschließlich Cyberbedrohungen und Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland, zu erhöhen;

67.  bekräftigt die Unterstützung der EU für die Souveränität und territoriale Integrität der Republik Moldau und für die Bemühungen im Rahmen der 5+2-Verhandlungen um eine friedliche, dauerhafte, umfassende, politische Lösung des Transnistrienkonflikts auf der Grundlage der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Republik Moldau innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen mit einem Sonderstatus für Transnistrien, bei dem der Schutz der Menschenrechte auch in den Gebieten gewährleistet wird, die derzeit nicht unter der Hoheit der Verfassungsorgane stehen; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass Transnistrien nach wie vor als sicherer Hafen für Menschenschmuggler und organisierte Kriminalität dient, und erkennt gleichzeitig an, dass die Mission der Europäischen Union zur Unterstützung des Grenzschutzes in der Republik Moldau und der Ukraine (EUBAM) eine wichtige Rolle bei der Wiedereröffnung des Schienengüterverkehrs durch Transnistrien spielt und zahlreiche Schmuggelaktionen verhindert hat;

68.  begrüßt den Beschluss des Rates vom 4. Mai 2023, im Rahmen der EFF 40 Mio. EUR zur Unterstützung der Streitkräfte der Republik Moldau und 30 Mio. EUR zur Unterstützung der Verteidigungskräfte Georgiens bereitzustellen; unterstreicht die Notwendigkeit, die Unterstützung für diese Partnerländer entsprechend ihrem Bedarf weiter zu erhöhen;

69.  verurteilt aufs Schärfste die rechtswidrige Besetzung der georgischen Regionen Abchasien und Zchinwali/Südossetien durch die Russische Föderation und betont, dass die Russische Föderation ihre rechtswidrige Besetzung und wirksame Kontrolle über die besetzten Gebiete Georgiens durch ihre militärische Präsenz, die anhaltende Errichtung von Stacheldrahtzäunen und andere künstliche Barrieren entlang der Besatzungslinie, durch häufige rechtswidrige Inhaftierungen und Entführungen georgischer Bürger und andere Menschenrechtsverletzungen vor Ort fortsetzt; verurteilt aufs Schärfste die Pläne Russlands, im Schwarzmeerhafen Ochamchire in der besetzten Region Abchasien einen ständigen Marinestützpunkt zu errichten, und fordert die internationale Gemeinschaft auf, alle Bemühungen zur Ahndung dieser groben Verletzung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit Georgiens zu unterstützen; fordert die Russische Föderation erneut auf, ihren internationalen Verpflichtungen aus dem von der EU vermittelten Waffenstillstandsabkommen vom 12. August 2008 nachzukommen, insbesondere der Verpflichtung, ihr gesamtes Militär- und Sicherheitspersonal aus den besetzten Gebieten Georgiens abzuziehen und dort die Einrichtung internationaler Sicherheitsmechanismen zu gestatten, damit die EU-Beobachtermission (EUMM) im Rahmen ihres Mandats ungehinderten Zugang zum gesamten Hoheitsgebiet Georgiens erhält; fordert die EU erneut auf, ihr Engagement für die friedliche Lösung des Konflikts zwischen Russland und Georgien fortzusetzen, indem sie alle Instrumente, einschließlich des Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien, der internationalen Gespräche von Genf, der Verfahren zur Verhütung von Zwischenfällen und zur Reaktion auf Zwischenfälle, der EUMM in Georgien sowie der Politik der Nichtanerkennung und des Engagements, wirksam einsetzt; begrüßt die Unterstützung der EU für Georgien im Rahmen der EFF und fordert die EU auf, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Georgien in den im Strategischen Kompass genannten vorrangigen Bereichen fortzusetzen, insbesondere im Hinblick auf die Stärkung der Widerstandsfähigkeit des georgischen Sicherheitssektors im Bereich des Krisenmanagements, der Abwehr hybrider Bedrohungen und der Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten;

70.  begrüßt die Verlängerung des Mandats und unterstreicht die Bedeutung der Arbeit von EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina bei der Ausbildung und Unterstützung der Streitkräfte von Bosnien und Herzegowina (AFBiH); begrüßt unter diesem Aspekt zudem den Kooperations- und Ausbildungsvertrag für 2023 zwischen den Streitkräften Bosnien und Herzegowinas und der EUFOR; fordert Bosnien und Herzegowina auf, auf die Bildung multiethnischer Einheiten des AFBiH hinzuarbeiten; weist erneut auf das Engagement der EU hin, den Aufbau der Verteidigungskapazitäten von Bosnien und Herzegowina zu unterstützen, insbesondere mittels der im Rahmen der EFF bereits bereitgestellten 20 Mio. EUR; unterstützt die Verlängerung des Mandats von EUFOR Althea durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, da es sich dabei um eine etablierte und bewährte Mission handelt; verurteilt aufs Schärfste jede spaltende bzw. sezessionistische Rhetorik, die das Land weiter schwächt, und betont, dass der Status eines Bewerberlandes eine Chance und eine Verpflichtung der gewählten Vertreter Bosnien und Herzegowinas ist, die Erwartungen der gewöhnlichen Bürger zu erfüllen und ihr tägliches Leben konkret zu verbessern; fordert die weitere Stärkung von EUFOR Althea, insbesondere durch die Entsendung weiterer Truppen und Mittel sowie durch die Schaffung einer glaubwürdigen Präsenz im Distrikt Brčko;

71.  begrüßt den hohen Grad der Angleichung an die GASP, den die meisten Länder des westlichen Balkans, mit Ausnahme Serbiens, erreicht haben; fordert eine sinnvolle Beteiligung des Westbalkans an den EU-Initiativen für die kooperative Entwicklung und Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten; fordert den Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen zwischen der EDA und den Ländern des westlichen Balkans, die diesen wichtigen Schritt noch nicht getan haben; begrüßt die anhaltende Präsenz der Kosovo-Truppe (KFOR) im Kosovo und fordert die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission im Kosovo (EULEX) auf, ihre Zusammenarbeit mit der KFOR zu verstärken, um gemeinsam zu verhindern, dass organisierte kriminelle Banden, paramilitärische Gruppen und andere störende Kräfte das Kosovo destabilisieren;

72.  erkennt das Recht Israels auf Selbstverteidigung, wie es im Völkerrecht verankert ist und durch dieses eingeschränkt wird, an und betont, dass das Vorgehen Israels daher strikt mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sein muss; bekräftigt die nachdrückliche Unterstützung der EU für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs; betont, dass zwischen dem palästinensischen Volk und seinen berechtigten Bestrebungen einerseits und der terroristischen Vereinigung Hamas und ihren Terrorakten andererseits unterschieden werden muss; fordert, dass Kanäle geschaffen werden, über die der Zivilbevölkerung im Gazastreifen humanitäre Hilfe bereitgestellt wird, und dass diese dauerhaft geöffnet bleiben; bekräftigt seine unerschütterliche Unterstützung für eine durch Verhandlungen erzielte Zweistaatenlösung auf der Grundlage der Grenzlinien von 1967, bei der zwei souveräne, demokratische Staaten mit Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten und unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts in Frieden und garantierter Sicherheit nebeneinander bestehen; fordert eine gründliche Untersuchung der Rolle des Iran, Katars und Russlands bei der Finanzierung und Unterstützung des Terrorismus in der Region; bringt seine Enttäuschung über die jüngsten Äußerungen des türkischen Staatspräsidenten zum Ausdruck, in denen er fälschlicherweise behauptete, die Hamas sei keine terroristische Organisation, und ist entschieden anderer Meinung;

73.  unterstützt die laufende Arbeit der Polizeimission der Europäischen Union für die Palästinensischen Gebiete (EUPOL COPPS) und der Mission der Europäischen Union zur Unterstützung des Grenzschutzes in Rafah bei der Unterstützung der palästinensischen Behörden bei der Reform des Sicherheits- und Justizsektors und der integrierten Grenzverwaltung; spricht den Beamten und Bediensteten der Missionen, die weiterhin unter äußerst schwierigen Bedingungen arbeiten, seine Anerkennung aus; fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, die Mandate der beiden Missionen zu überprüfen und ihre künftige Rolle in Anbetracht der aktuellen Situation und ihrer einzigartigen Position, in der sie den Dialog sowohl mit dem Staat Israel als auch mit der Palästinensischen Behörde führen, zu stärken, um die Friedensbemühungen der EU zu fördern;

74.  begrüßt die gemeinsame Mitteilung über die Cyberverteidigungspolitik der EU und fordert die Mitgliedstaaten auf, sich weiterhin für die von der Kommission vorgeschlagenen ehrgeizigen, aber realistischen Maßnahmen zu engagieren und diese umzusetzen, einschließlich des Vorschlags für einen Rechtsakt zur Cybersolidarität, um ihre Fähigkeit zu verbessern, Bedrohungen und Vorfälle im Bereich der Cybersicherheit in der EU zu erkennen und darauf zu reagieren, aber auch, um den Informationsaustausch zu verbessern und die Produktion hochwertiger Informationen zusammen mit speziellen Plattformen, Ressourcen und Finanzmitteln zu unterstützen; stellt fest, dass die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten sowie mit den Verbündeten und Partnern der EU weltweit für die Cybersicherheit in der EU von entscheidender Bedeutung ist; mahnt zur Vorsicht bei der Weitergabe von Daten, die ausschließlich Partnern mit den gleichen Werten zur Verfügung stehen sollten, und weist darauf hin, dass mit den Bereichen Verwaltung und Infrastruktur vertrauenswürdige Unternehmen und Dienstleister betraut werden sollten; stellt diesbezüglich fest, dass der Einsatz der Huawei-Technologie bei der Entwicklung von 5G die Cyberabwehrfähigkeit der EU erheblich schwächt;

75.  fordert die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU gegen Cyberangriffe, die insbesondere im Vorfeld von Wahlen zum Europäischen Parlament ein erhebliches Sicherheitsproblem darstellen, und den Ausbau der Kapazitäten für deren Bekämpfung;

76.  fordert, dass die Union wirksame Maßnahmen ergreift, um in Europa kritische Infrastruktur, wertvolle Lieferketten und demokratische Institutionen vor hybriden Bedrohungen zu schützen; fordert die EU auf, wirksame Kontroll- und Überwachungssysteme für kritische Infrastrukturen wie Erdgasfernleitungen und Glasfaserkabel einzurichten, um sicherzustellen, dass Angriffe verhindert und rasch aufgedeckt werden;

77.  begrüßt die Ergebnisse und hochgesteckten Ziele in den Empfehlungen in der neuen Weltraumstrategie der EU für Sicherheit und Verteidigung; hält den sicheren und autonomen Zugang zum Weltraum für einen kritischen Aspekt der Sicherheit und Verteidigung der EU, was sich an seiner Bedeutung im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zeigt; begrüßt in diesem Zusammenhang den in der Strategie enthaltenen Vorschlag, ein geheimes jährliches Dokument zur Analyse der Weltraumbedrohung zu erstellen;

78.  weist erneut darauf hin, dass der Austausch von Erkenntnissen und Informationen zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen der EU, einschließlich des Parlaments, verstärkt werden muss, um für ein besseres Lagebewusstsein zu sorgen, genauer antizipieren zu können, gemeinsam Sicherheitsbedrohungen zu bekämpfen und die politische Entscheidungsfindung zu verbessern; betont, dass die Sicherheitsprotokolle der Dienststellen verbessert werden müssen, die in der EU mit Nachrichten und/oder sensiblen Informationen befasst sind; fordert den HR/VP und die Mitgliedstaaten auf, das Einheitliche Analyseverfahren (SIAC) und das Satellitenzentrum der Europäischen Union (Satcen) zu stärken; fordert erneut den Einsatz nachrichtendienstlicher Fähigkeiten bei allen GSVP-Missionen und ‑Operationen, die dem EU-Zentrum für Informationsgewinnung und ‑analyse (EU INTCEN), dem EUMS und dem CPCC Informationen zur Verfügung stellen würden; betont, wie wichtig eine sichere Kommunikation für zuverlässige nachrichtendienstliche Erkenntnisse ist, und begrüßt die Bemühungen um eine Straffung der Sicherheitsvorschriften und ‑regelungen in dieser Hinsicht, um Informationen, Infrastrukturen und Kommunikationssysteme besser vor Einflussnahme und Angriffen aus dem Ausland zu schützen; fordert die Mitgliedstaaten auf, das EU INTCEN als wirksame Einrichtung für den Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu stärken, um nachrichtendienstliche Erkenntnisse sicher auszutauschen, eine gemeinsame strategische Kultur zu formulieren und strategische Informationen bereitzustellen, um Krisen innerhalb und außerhalb der EU besser antizipieren und darauf reagieren zu können;

Strategischer Kompass: „MIT PARTNERN ZUSAMMENARBEITEN“ (Partner)

79.  äußert seine große Besorgnis über die schwierige und ernste Lage in der Sahelzone nach zahlreichen Staatsstreichen, wie in Niger, Mali und Burkina Faso, aber auch im Sudan; bedauert den Militärputsch vom 26. Juli 2023 in Niger und fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung von Präsident Mohamed Bazoum, seiner Familie und aller willkürlich inhaftierten Personen sowie die Einstellung der gegen ihn erhobenen Anklagen; fordert die sofortige Wiedereinsetzung des demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum und die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung;

80.  weist darauf hin, dass sich die Stabilität der Sahelzone unmittelbar auf die Sicherheit und Stabilität Europas auswirkt; hebt hervor, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Politik gegenüber der strategisch wichtigen Sahelzone neu bewerten und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen müssen, insbesondere in Bezug auf Russland, aber auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, ganzheitliche Ansätze in die Art und Weise einzubeziehen, wie diese Politik langfristige soziale, wirtschaftliche und entwicklungspolitische Variablen begünstigt; hält es vor diesem Hintergrund für notwendig, den afrikanischen Partnern angemessene Mittel zur Verfügung zu stellen; fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass ihre Sicherheitspolitik den regionalen und lokalen Aspekten Rechnung trägt, unter anderem durch einen Dialog mit der lokalen Bevölkerung, der Zivilgesellschaft, demokratisch gewählten Behörden und regionalen Organisationen, wo immer dies möglich ist, und sich dabei an den Grundsatz „afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ zu halten; nimmt zur Kenntnis, dass die verschiedenen internationalen Missionen ihr vorrangiges Ziel eines dauerhaften Friedens in der Region noch nicht erreicht haben; begrüßt die Ankündigung des HR/VP, die Strategie der EU gegenüber der Sahelzone neu zu bewerten; fordert, dass diese Überprüfung so schnell wie möglich durchgeführt wird und sich auch auf den Stand der Missionen im Rahmen der GSVP in der Region erstreckt;

81.  unterstützt nachdrücklich die Entscheidungen der ECOWAS und der AU als Reaktion auf die Staatsstreiche und fordert die Mitgliedstaaten und den EAD auf, zu prüfen, wie sie nach Möglichkeit wirksam bei ihren Bemühungen unterstützt werden können;

82.  verurteilt die Präsenz privater Militärunternehmen bzw. staatlich geförderter Hilfstruppen wie der Wagner-Gruppe und dem Afrikakorps, die in der Sahelzone eine destabilisierende Rolle gespielt haben und verschiedene repressive Regime in dem Versuch unterstützt haben, den Einfluss Russlands in Afrika zu fördern; ist der Auffassung, dass alle Staatsstreiche das Ergebnis verschiedener, multidimensionaler Ursachen sind, die in jedem Land anders geartet sind und daher sorgfältige Überlegungen erfordern; ist dennoch entsetzt über die starken antieuropäischen Stimmungen in bestimmten Ländern und fordert die Mitgliedstaaten und den EAD auf, einen engeren Austausch zwischenmenschlicher Kontakte mit der lokalen Bevölkerung und den nationalen Behörden und gezieltere strategische Kommunikation in lokalen Sprachen in Erwägung zu ziehen, um negative Auswirkungen auszugleichen, und indem sie ihre koloniale Vergangenheit erforderlichenfalls ehrlich angehen;

83.  fordert den EAD auf, die bei der militärischen Ausbildungsmission der Europäischen Union in Mosambik (EUTM Mozambique) bereits erzielten Fortschritte, wenn es darum geht, auf die sich verschärfende terroristische Bedrohung in der Provinz Cabo Delgado zu reagieren und die mosambikanischen Streitkräfte vor Ort auszubilden, fortzusetzen; ist nach wie vor besorgt angesichts des Risikos, dass sich diese Bedrohung in dem Gebiet ausweitet; fordert, dass umgehend Maßnahmen ergriffen werden, um die Bereitstellung von nichtletaler Ausrüstung zu beschleunigen;

84.  betont, dass von den fünf Ausbildungsmissionen (EUTM) und Militärpartnerschaftsmissionen (EUMPM) der Union in Afrika drei (in der Zentralafrikanischen Republik, in Mali und im Niger) derzeit nur sehr langsam fortgeführt werden oder offiziell ausgesetzt sind; stellt zudem fest, dass einige zivile Missionen zur Unterstützung der inländischen Sicherheitskräfte zum Stillstand gekommen sind (EUCAP Sahel Mali) schlecht funktionieren (EUAM Zentralafrikanische Republik) oder sich zurückziehen (EUCAP Sahel Niger); unterstreicht die dringende Notwendigkeit, dass das eingesetzte Personal Zugang zu Instrumenten, Ausbildung, Ausrüstung und Ressourcen hat, die es ihm ermöglichen, der EU und ihren Mitgliedstaaten Informationen und Erkenntnisse zu liefern; ist der Ansicht, dass das Konzept der Begleitung bei Ausbildungsmissionen nach wie vor von entscheidender Bedeutung ist, damit die Berater der Union so genau wie möglich vor Ort überprüfen können, ob die Ausbildungsprogramme ordnungsgemäß durchgeführt wurden und ob sie den operativen Erfordernissen der dortigen Streitkräfte entsprechen;

85.  fordert den EAD und die Mitgliedstaaten ferner auf, das Mandat aller GSVP-Missionen in Afrika, gegebenenfalls einschließlich ihrer möglichen Beendigung, genau zu prüfen, um angesichts des derzeitigen politischen Kontexts erreichbare Ziele und Etappenziele für jede Mission festzulegen, und zu prüfen, ob diese Missionen geändert werden könnten, um im Rahmen ihres integrierten Ansatzes wirksamer einer neuen multidimensionalen und maßgeschneiderten EU-Strategie in der Sahelzone und in Afrika dienen zu können;

86.  begrüßt die Einleitung der Sicherheits- und Verteidigungsinitiative der EU in enger Abstimmung mit Côte d’Ivoire, Ghana, Togo und Benin zur Unterstützung der westafrikanischen Länder im Golf von Guinea, die zunächst auf zwei Jahre ausgelegt ist;

87.  bedauert, dass eine große Zahl afrikanischer Länder eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen nach wie vor nicht unterstützt, in der Russland verurteilt, die territoriale Unversehrtheit der Ukraine unterstützt und Frieden gefordert wird;

88.  begrüßt die Aktualisierung der Meeresstrategie der EU und ihres Aktionsplans sowie die Zusage, die Rolle der Union, international für Sicherheit auf den Meeren zu sorgen, zu stärken; begrüßt, dass diese Überprüfung auch die Verstärkung der laufenden Marineoperationen umfasst; begrüßt, dass in der Aktualisierung vorgeschlagen wird, neue Meeresgebiete von Interesse zu prüfen, in denen das Konzept der koordinierten maritimen Präsenzen auf der Grundlage der im Golf von Guinea und im nordwestlichen Indischen Ozean gesammelten Erfahrungen umgesetzt werden kann; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich aktiv an diesen Initiativen zu beteiligen und die militärischen Fähigkeiten ihrer jeweiligen Marine zu stärken, um die Präsenz und die Sichtbarkeit der EU im Mittelmeerraum, im Schwarzmeerraum, im Atlantikraum, im indopazifischen Raum und im globalen maritimen Sektor zu erhöhen, und den Bedrohungen und Herausforderungen im Ostseeraum wirksam zu begegnen;

89.  betont, dass für die Sicherheit des Schwarzmeerraums gesorgt werden muss, indem bei der Minenräumung in ukrainischen Meeresgewässern Unterstützung geleistet wird, und dass die Mitgliedstaaten darin bestärkt werden müssen, entsprechende Schulungen anzubieten, wobei der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Fähigkeiten zur Bekämpfung von Seeminen und für den Schutz kritischer Meeresbodeninfrastrukturen liegen sollte; betont, dass ähnliche Technologien in anderen europäischen Meeren erprobt und eingesetzt werden sollten, in denen das Problem nicht explodierter Kampfmittel und chemischer Waffen, die dort im vergangenen Jahrhundert versenkt wurden, bereits eine Bedrohung für die Sicherheit, die Umwelt, die Gesundheit und die Wirtschaft darstellt, etwa in der Ostsee, der Adria und der Nordsee; fordert die Kommission auf, die Mittel aufzustocken, um diese zunehmende Herausforderung zu bewältigen;

90.  betont, dass die EU angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen auf den Meeren die Freiheit der Schifffahrt, die Sicherheit der Seeverkehrsverbindungen und der Schiffe und Besatzungen, die Offshore-Infrastruktur, die Bekämpfung der illegalen, ungemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU-Fischerei) sowie die wirksame Kontrolle ihrer Seeaußengrenzen gewährleisten muss, um illegale Tätigkeiten zu verhindern; betont, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO im Bereich der maritimen Sicherheit intensiviert werden muss, damit alle Angelegenheiten von beiderseitigem Interesse in diesem Bereich abgedeckt werden können;

91.  betont, dass die EU angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen auf See dafür sorgen muss, dass ihre Seeaußengrenzen wirksam überwacht werden, um illegale Aktivitäten zu verhindern; bedauert, dass trotz des restriktiven Maßnahmenrahmens, den die EU am 11. November 2019 als Reaktion auf die rechtswidrigen Bohrtätigkeiten der Türkei im östlichen Mittelmeer festgelegt hat, diese fortgesetzt werden;

92.  begrüßt das Votum der Türkei für die Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in der Generalversammlung der Vereinten Nationen und ihr Bekenntnis zur Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine, bedauert jedoch gleichzeitig, dass die Umgehung der EU-Sanktionen durch die Türkei deren Wirksamkeit untergräbt, und fordert die Kommission auf, dies zu prüfen; fordert die Türkei erneut auf, sich den Sanktionen anzuschließen, die die EU gegen Russland verhängt hat;

93.  bedauert – in Anerkennung der Tatsache, dass die Türkei ein Land von strategischer Bedeutung ist –- die Positionen und die Politik der Türkei in bestimmten Bereichen, die für die EU und ihre Nachbarländer von Belang sind und durch die der Frieden, die Sicherheit und die Stabilität in der Region gefährdet werden; verurteilt aufs Schärfste die rechtswidrigen Aktivitäten der Türkei in Zypern, wie die anhaltenden Verstöße gegen die Resolutionen 550(1984) und 789(1992) des UN-Sicherheitsrates, in denen die Türkei aufgefordert wird, das Gebiet von Varosha an seine rechtmäßigen Bewohner unter vorübergehender Verwaltung der Vereinten Nationen zu übertragen, sowie die jüngsten Angriffe auf UN-Friedenstruppen innerhalb der Pufferzone in der Nähe des bikommunalen Dorfes Pyla/Pile; verurteilt die Forderung des Präsidenten der Türkei Recep Tayyip Erdoğan an die internationale Gemeinschaft, die sezessionistisch Einheit im besetzten Zypern anzuerkennen, womit er einschlägige Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aufgab, in denen eine beide Volksgruppen einschließende, bizonale Föderation mit einer einzigen internationalen Rechtspersönlichkeit, alleiniger Souveränität, einer einzigen Staatsbürgerschaft und politischer Gleichberechtigung gefordert wurde, was auch mit dem Besitzstand der EU im Einklang steht;

94.  bedauert, dass die Türkei trotz der Deeskalationsbemühungen ihre einseitigen provokativen Maßnahmen und ihre Verstöße gegen die Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen über das Waffenembargo gegen Libyen hinsichtlich der Operation IRINI fortsetzt und gegen das Völkerrecht einschließlich des Seerechtsübereinkommens und die Hoheitsrechte der EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Griechenlands und Zyperns, im östlichen Mittelmeerraum verstößt; begrüßt die jüngste gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Türkei und Griechenlands zur Pflege gutnachbarlicher Beziehungen, zur Verbesserung der Kommunikation, zur Verringerung der Spannungen durch militärische Vertrauensbildung, zur Intensivierung des Handels und zur Lösung von Problemen in der Ägäis; weist darauf hin, dass die Türkei zunehmend in Gebieten präsent ist, in denen die EU zentrale Sicherheitsinteressen hat und GSVP-Missionen durchführt, und fordert die Türkei auf, die Interessen und Missionen der EU in diesen Gebieten nicht zu unterlaufen; verurteilt erneut die Unterzeichnung der Absichtserklärungen zwischen der Türkei und Libyen über eine umfassende sicherheitspolitische und militärische Zusammenarbeit und über die Abgrenzung der Meeresgebiete, wobei diese Erklärungen miteinander verknüpft sind und eindeutig gegen das Völkerrecht, gegen die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und gegen die souveränen Rechte der EU-Mitgliedstaaten verstoßen;

95.  betont, dass die Investitionen in regionale und globale Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und Abrüstung und insbesondere in multilaterale Ansätze dringend erheblich erhöht werden müssen; betont, dass bei den Waffenausfuhren auf nationaler und europäischer Ebene mehr Transparenz und Konvergenz erforderlich sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern in der durch den Beschluss (GASP) 2019/1560 des Rates geänderten Fassung uneingeschränkt nachzukommen; erkennt die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Bereich der Beschaffung von Verteidigungsgütern an;

96.  bekräftigt seine umfassende Unterstützung des Engagements der EU und der Mitgliedstaaten für den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen als Eckpfeiler der Regelungen zur nuklearen Nichtverbreitung und Abrüstung; besteht darauf, dass sichergestellt werden muss, dass die EU eine starke und konstruktive Rolle bei der Entwicklung und Stärkung der globalen, auf Regeln basierenden Bemühungen um Nichtverbreitung und der Architektur für Rüstungskontrolle und Abrüstung spielen muss;

97.  betont, dass die EU ihre eigenen Fähigkeiten in allen Bereichen weiter ausbauen muss, um die Souveränität aller Mitgliedstaaten zu schützen, aber auch den Weg für eine langfristige Lastenverschiebung ebnen muss, bei der die EU mehr Verantwortung für ihre Verteidigung übernimmt und gleichzeitig ihre sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit der NATO und gleichgesinnten Partnern in der ganzen Welt ausbaut; begrüßt die Einrichtung des Schuman-Forums für Sicherheit und Verteidigung als Plattform für den Austausch zwischen Partnern auf der Grundlage von Gleichberechtigung und gegenseitiger Wertschätzung;

98.  unterstreicht nachdrücklich die Wichtigkeit des Bündnisses zwischen der EU und den USA, das auf den gemeinsamen Werten der Demokratie, der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit beruht; würdigt das starke Engagement und die Bemühungen der Vereinigten Staaten für die territoriale Verteidigung Europas, insbesondere vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, der den gesamten Kontinent bedroht; begrüßt nachdrücklich die verstärkte Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten, insbesondere die Unterzeichnung einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der EDA und dem Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten (DoD) im April 2023, die Dialoge zwischen der EU und den USA über Sicherheit und Verteidigung sowie über China; fordert die EU auf, die aktive Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten fortzusetzen, im Rahmen des strategischen Dialogs im Bereich Sicherheit und Verteidigung zwischen der EU und den USA, wie bei gegenseitigen Sicherheits- und Verteidigungsinitiativen, Abrüstung und Nichtverbreitung, Auswirkungen disruptiver Technologien, dem Klimawandel, hybriden Bedrohungen, Cyberabwehr, militärischer Mobilität, Krisenmanagement und den Beziehungen zu strategischen Wettbewerbern;

99.  weist darauf hin, wie wichtig eine stärkere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Herstellung und der Beschaffung von Verteidigungsgütern ist, einschließlich durch einen gleichberechtigten Zugang für die Verteidigungsindustrien; begrüßt in diesem Zusammenhang die Bemühungen der EU zur Verbesserung ihrer eigenen Verteidigungsfähigkeit, zur Übernahme von mehr Verantwortung für ihre eigene Verteidigung;

100.  bekräftigt seine Forderung nach einer institutionalisierten Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich, einschließlich im Wege einer engeren Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Informationsaustauschs, der militärischen Mobilität, gegenseitiger Sicherheits- und Verteidigungsinitiativen, des Krisenmanagements, der Cybersicherheit, hybrider Bedrohungen, der Einflussnahme aus dem Ausland und in Bezug auf unsere Beziehungen zu gemeinsamen strategischen Wettbewerbern; bestärkt das Vereinigte Königreich darin, im Hinblick auf die drängenden strategischen Herausforderungen ernsthaft mit der EU zusammenzuarbeiten; fordert den Hohen Vertreter und Vizepräsidenten auf, das Vereinigte Königreich zu informellen Tagungen des Rates der Minister für Auswärtige Angelegenheiten (und Verteidigung) zum Meinungsaustausch über Fragen von gemeinsamem Interesse einzuladen, während die Autonomie der EU bei der Entscheidungsfindung uneingeschränkt gewahrt wird;

101.  betont den Stellenwert der partnerschaftlichen Dimension des Strategischen Kompasses für die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren gleichgesinnten Verbündeten und Partnern in aller Welt, um ausländischen Strategien entgegenzuwirken, die darauf abzielen, die EU zu untergraben und die regelbasierte internationale Ordnung zu destabilisieren; begrüßt die seit langem erwartete dritte Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO, in der bestätigt wird, dass die EU und die NATO wichtige Partner sind, die gemeinsame Werte und strategische Interessen teilen und die komplementär zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die NATO-Verbündeten von einer starken europäischen Säule in der NATO profitieren; fordert insbesondere Synergieeffekte und Kohärenz zwischen dem Strategischen Konzept der NATO und dem Strategischen Kompass der EU, vor allem in den Bereichen Bekämpfung der russischen Aggression, militärische Mobilität, hybride und Cyberkriegsführung, einschließlich Kampagnen zur Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland, globale maritime Sicherheit, Bekämpfung traditioneller Bedrohungen wie des Terrorismus und Unterstützung der Partner;

102.  begrüßt den Beitritt Finnlands in die NATO; bedauert nachdrücklich die Verzögerung der Ratifizierung des schwedischen NATO-Beitritts; verurteilt in diesem Zusammenhang außerdem die Versuche, durch die Instrumentalisierung der Erteilung der Zustimmung zum NATO-Beitritt Schwedens die demokratischen Freiheiten in den EU-Mitgliedstaaten zu untergraben; begrüßt in diesem Zusammenhang die lange verzögerte Entscheidung der Türkei und Ungarns, dem Beitritt Schwedens zur NATO zuzustimmen; fordert die staatlichen Stellen der Türkei nachdrücklich auf, ihrem Versprechen einer konstruktiveren Partnerschaft in der NATO – auch im östlichen Mittelmeerraum – nachzukommen;

103.  begrüßt die Gemeinsame Mitteilung mit dem Titel „Aktionsplan zur militärischen Mobilität 2.0“ als wichtigen Beitrag zur Stärkung der europäischen Verteidigung in Übereinstimmung mit dem Strategischen Kompass; hebt hervor, wie wichtig infolge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine die beschleunigte Durchführung von Projekten für Verkehrsinfrastruktur mit doppeltem Verwendungszweck ist; weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die Projektplanung in den kommenden Jahren fortzusetzen;

104.  betont den Stellenwert der Entwicklung von Sicherheits- und Verteidigungsdialogen mit Partnern in aller Welt, insbesondere in den Ländern des westlichen Balkans und in der Östlichen Partnerschaft, aber auch mit wichtigen Partnern in Meeresgebieten von strategischem Interesse, die sich beispielsweise von der südlichen Nachbarschaft und dem Indo-Pazifik, von der Ostküste Afrikas bis zum Südpazifik und von der Arktis bis zum Fernen Osten erstrecken; fordert, dass die militärische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit den Ländern in der unmittelbaren Nachbarschaft der Union vertieft wird, indem die Sicherheitsdimension gestärkt und die sicherheits- und verteidigungspolitischen Dialoge intensiviert werden; bekräftigt seine Forderung nach einer engeren Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie u. a. den Vereinten Nationen, der AU und ihren friedenserhaltenden Einsätzen in gemeinsamen Einsatzgebieten sowie der OSZE im Bereich der Sicherheit;

105.  erkennt an, dass die Arktisregion aufgrund neu entstehender Schifffahrtsrouten, ihrer reichen natürlichen Ressourcen und der Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung, die sich aus der Erderwärmung ergeben, eine erhebliche strategische und geopolitische Bedeutung hat, sie aber zugleich in zunehmendem Maße umstritten ist; hält es für beunruhigend, dass autoritäre Regime, darunter Russland und China, verstärkt in der Arktis aktiv sind und ein wachsendes Interesse an der Region zeigen; betont, wie wichtig es ist, die Sicherheit, Stabilität und Zusammenarbeit in der Arktis zu wahren; betont, dass die Region frei von militärischen Spannungen und der Ausbeutung natürlicher Ressourcen bleiben muss, wobei die Rechte der indigenen Völker zu achten sind; bekräftigt, dass die Arktispolitik der Union in die GSVP einbezogen und eine wirksame Zusammenarbeit mit der NATO aufgenommen werden muss; fordert, dass bei den Tagungen des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees und des Rates regelmäßig auf das Thema Arktis eingegangen wird;

106.  verurteilt aufs Schärfste die zahlreichen Raketentests, die Nordkorea 2023 durchgeführt hat; unterstreicht die besondere Verantwortung Chinas und Russlands in Bezug auf Nordkorea und fordert die beiden Staaten auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um eine weitere Eskalation zu verhindern; bringt seine tiefe Besorgnis über das jüngste Treffen zwischen dem nordkoreanischen und russischen Staats- und Regierungschefs zum Ausdruck; verurteilt aufs Schärfste die Lieferungen nordkoreanischer Waffen und ballistischer Raketen, die im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt werden, nach Russland und stellt fest, dass Russland durch seine verstärkte militärische Zusammenarbeit gegen die Sanktionen und Resolutionen verstößt, die von den Vereinten Nationen gegen Nordkorea verhängt wurden; verurteilt aufs Schärfste, dass Iran Russland mit Drohnen und Raketen beliefert, die im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt werden, und betont, dass mit Blick auf Iran weitere internationale Anstrengungen in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern erforderlich sind;

Die Rolle des Europäischen Parlaments

107.  fordert die Stärkung der parlamentarischen Demokratie und eine verbesserte Kontrolle von Nicht-EU-Partnerländern durch einen parlamentarischen Dialog über Sicherheits- und Verteidigungsfragen und den Aufbau parlamentarischer Widerstandsfähigkeit gegen hybride Bedrohungen, einschließlich Bedrohungen der Cybersicherheit sowie durch Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland;

108.  stellt fest, dass der jüngste Anstieg der Ausgaben für Verteidigungsstrategien und -programme auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten von besonderer Bedeutung für die europäische Verteidigung und Sicherheit ist, die Erfordernisse des aktuellen Sicherheitskontextes widerspiegelt und die Entwicklung der Verteidigung als echter EU-Politikbereich aufzeigt, der eine umfassende parlamentarische Kontrolle und Rechenschaftspflicht erfordert, um zu gewährleisten, dass diese Programme und Strategien auf die wirksamste Weise zur Erreichung der strategischen Ziele der EU und zum Schutz der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsinteressen beitragen; bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Forderung nach delegierten Rechtsakten für Arbeitsprogramme in Bezug auf die aus dem EU-Haushalt finanzierten Programme der Verteidigungsindustrie; bekräftigt nachdrücklich seine Forderung nach der Einsetzung eines vollwertigen Ausschusses des Europäischen Parlaments für Sicherheit und Verteidigung mit umfassenden legislativen und haushaltspolitischen Zuständigkeiten in europäischen Verteidigungsangelegenheiten, einschließlich Maßnahmen zur Stärkung der EDTIB, vorausgesetzt, dieser Ausschuss übernimmt eine Führungsrolle in Bezug auf den im Entstehen begriffenen Besitzstand im Bereich der Verteidigung im Rahmen der EU mit Kontroll-, Gesetzgebungs- und Haushaltszuständigkeiten;

109.  betont im Hinblick auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem SEDE und dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie im Verfahren bezüglich der Ausarbeitung der EDIRPA-Verordnung, dass der Unterausschuss bis zur Einsetzung eines vollwertigen Ausschusses in alle Gesetzgebungsverfahren mit maßgeblichen Auswirkungen auf die europäische Verteidigung einbezogen werden sollte;

110.  fordert den EAD auf, dem SEDE regelmäßig und umfassend über die Umsetzung des Strategischen Kompasses Bericht zu erstatten;

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o   o

111.  Beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Europäischen Rat, dem Rat, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Präsidentin der Kommission und den zuständigen Mitgliedern der Kommission, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der NATO, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung der NATO, den EU-Einrichtungen in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 170 vom 12.5.2021, S. 149.
(2) ABl. L 791 vom 21.3.2019, S. 1.
(3) ABl. L, 2023/2418, 26.10.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2023/2418/oj
(4) ABl. L 185 vom 24.7.2023, S. 7.
(5) ABl. L 331 vom 14.12.2017, S. 57.
(6) ABl. L 102 vom 24.3.2021, S. 14.
(7) ABl. L 270 vom 18.10.2022, S. 93.
(8) ABl. L 270 vom 18.10.2022, S. 85.
(9) ABl. L 325 vom 20.12.2022, S. 110.
(10) ABl. L 22 vom 24.1.2023, S. 29.
(11) ABl. C 465 vom 6.12.2022, S. 137.
(12) ABl. C 214 vom 16.6.2023, S. 54.
(13) ABl. C 214 vom 16.6.2023, S. 104.
(14) ABl. C 347 vom 9.9.2022, S. 61.
(15) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0219.
(16) ABl. C, C/2023/404, 23.11.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/404/oj.
(17) ABl. C, C/2023/405, 23.11.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/405/oj.
(18) ABl. C, C/2023/445 vom 1.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/445/oj.
(19) ABl. C 493 vom 27.12.2022, S. 136.
(20) ABl. C 132 vom 14.4.2023, S. 115.
(21) ABl. C 167 vom 11.5.2023, S. 105.
(22) ABl. C, C/2023/448 vom 1.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/448/oj.
(23) ABl. C 150 vom 28.5.1999, S. 164.
(24) (2020/2268(INI)) und (2022/2075(INI)); https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0064_DE.html; https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0219_DE.html.


Menschenrechte und Demokratie in der Welt und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich – Jahresbericht 2023
PDF 257kWORD 83k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu Menschenrechten und Demokratie in der Welt und der Politik der Europäischen Union in diesem Bereich – Jahresbericht 2023 (2023/2118(INI))
P9_TA(2024)0106A9-0424/2023

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention,

–  unter Hinweis auf die Artikel 2, 3, 8, 21 und 23 des Vertrags über die Europäische Union (EUV),

–  unter Hinweis auf die Artikel 17 und 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere Menschenrechtsverträge und -instrumente der Vereinten Nationen,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,

–  unter Hinweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967,

–  unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes und die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen am 22. Juni 2020 angenommene Resolution 43/29 über die Verhütung des Völkermordes,

–  unter Hinweis auf die Internationale Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid aus dem Jahr 1976,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UNCAT),

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,

–  unter Hinweis auf die Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung, die mit der Resolution 36/55 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 25. November 1981 verkündet wurde,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1992 über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen über die Menschenrechtsverteidiger, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 9. Dezember 1998 mit der Resolution 53/144 im Konsens angenommen wurde,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes und seine zwei Fakultativprotokolle vom 25. Mai 2000,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Palermo-Protokoll), Resolution 55/25 vom 15. November 2000 und das dazugehörige Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, das am 25. Dezember 2003 in Kraft getreten ist,

–  unter Hinweis auf den Vertrag der Vereinten Nationen über den Waffenhandel, der am 24. Dezember 2014 in Kraft getreten ist, und den EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren vom 5. Juni 1998,

–  unter Hinweis auf die Erklärung von Peking der Vereinten Nationen vom September 1995,

–  unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, die am 25. September 2015 angenommen wurde, und insbesondere auf ihre Ziele Nr. 1, 4, 5, 8, 10 und 16,

–  unter Hinweis auf den globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, angenommen am 19. Dezember 2018 und den globalen Pakt für Flüchtlinge vom 17. Dezember 2018,

–  unter Hinweis auf die achte Überprüfung der am 22. Juni 2023 angenommenen Weltweiten Strategie der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus,

–  unter Hinweis auf die Übereinkommen des Europarates vom 4. April 1997 zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin und die dazugehörigen Zusatzprotokolle, vom 16. Mai 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels und vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul), das nicht alle Mitgliedstaaten ratifiziert haben,

–  unter Hinweis auf die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates vom 28. April 1983 über die Abschaffung der Todesstrafe,

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2020/1998 des Rates vom 7. Dezember 2020 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße(1),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/947 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juni 2021 zur Schaffung des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses Nr. 466/2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EU) 2017/1601 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates(2),

–  unter Hinweis auf den vom Rat am 17. November 2020 angenommenen EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020–2024 sowie seine am 9. Juni 2023 angenommene Halbzeitüberprüfung,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 25. November 2020 mit dem Titel „EU-Aktionsplan für die Gleichstellung (GAP III) – Eine ehrgeizige Agenda für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau im auswärtigen Handeln der EU“ (JOIN(2020)0017),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. September 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020–2025“ (COM(2020)0565),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. März 2021 mit dem Titel „EU-Kinderrechtsstrategie“ (COM(2021)0142),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 3. März 2021 mit dem Titel „Union der Gleichheit: Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030“ (COM(2021)0101),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020–2025“ (COM(2020)0698),

–  unter Hinweis auf die vom Rat am 14. Juni 2004 verabschiedeten und 2008 überarbeiteten EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, und unter Hinweis auf den 2020 gebilligten zweiten Leitfaden zur Umsetzung der Leitlinien,

–  unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zur Förderung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts aus dem Jahr 2005, die im Jahr 2009 überarbeitet wurden(3),

–  unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zur Todesstrafe, die vom Rat am 12. April 2013 aktualisiert wurden,

–  unter Hinweis auf die am 24. Juni 2013 vom Rat angenommenen Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit,

–  unter Hinweis auf die am 24. Juni 2013 vom Rat angenommenen Leitlinien für die Förderung und den Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen (LGBTI),

–  unter Hinweis auf die am 12. Mai 2014 vom Rat angenommenen Menschenrechtsleitlinien der EU in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung – online und offline,

–  unter Hinweis auf die am 18. März 2019 vom Rat angenommenen EU-Menschenrechtsleitlinien über Nichtdiskriminierung im auswärtigen Handeln,

–  unter Hinweis auf die am 17. Juni 2019 vom Rat verabschiedeten EU-Menschenrechtsleitlinien für sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung,

–  unter Hinweis auf die überarbeiteten Leitlinien für die EU-Politik gegenüber Nicht-EU-Ländern betreffend Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, die der Rat am 16. September 2019 angenommen hat,

–  unter Hinweis auf die überarbeiteten Leitlinien der EU für Menschenrechtsdialoge mit Partner-/Drittländern, die vom Rat am 22. Februar 2021 genehmigt wurden,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. September 2012 mit dem Titel „Die Wurzeln der Demokratie und der nachhaltigen Entwicklung: Europas Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft im Bereich der Außenbeziehungen“ (COM(2012)0492),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 10. März 2023 zur Rolle des zivilgesellschaftlichen Raums für den Schutz und die Förderung der Grundrechte in der EU,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Februar 2023 zu den Prioritäten der EU in den Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen im Jahr 2023,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 23. Februar 2022 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 (COM(2022)0071),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 14. September 2022 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt (COM(2022)0453),

–  unter Hinweis auf den gemeinsamen Vorschlag der Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 3. Mai 2023 für eine Verordnung des Rates über restriktive Maßnahmen gegen schwerwiegende Korruptionshandlungen (JOIN(2023)0013),

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Europarats von Reykjavik mit dem Titel „United around our values“ (Vereint um unsere Werte) vom 16.–17. Mai 2023,

–  unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte mit dem Titel „Protecting human rights defenders at risk: EU entry, stay and support“ (Verteidigung bedrohter Menschenrechtsverteidiger: EU-Beitritt, Aufenthalt und Unterstützung) vom 11. Juli 2023,

–  unter Hinweis auf den EU-Jahresbericht 2022 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt,

–  unter Hinweis auf den gemeinsamen Fahrplan des Europäischen Parlaments und der rotierenden Ratspräsidentschaften vom 7. September 2022 für die Organisation, Koordinierung und Umsetzung des Zeitplans für die Verhandlungen zwischen den Mitgesetzgebern über das Gemeinsame Europäische Asylsystem und den Neuen Europäischen Pakt zu Migration und Asyl,

–  unter Hinweis auf den Sacharow-Preis für geistige Freiheit und seine Preisträger, der 2023 an Jina Mahsa Amini und die iranische Bewegung für Frau, Leben und Freiheit verliehen wird,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2019 zu den Leitlinien der EU und das Mandat des EU-Sonderbeauftragten für die Förderung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der Europäischen Union(4),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2020 zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Rahmen der Außen- und Sicherheitspolitik der EU(5),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2021 zum Schutz der Menschenrechte und die externe Migrationspolitik der EU(6),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2021 zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte und die Rolle von Umweltschützern in diesem Zusammenhang(7),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zu der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (EU-Magnitski-Rechtsakt)(8),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 2021 mit Empfehlungen an die Kommission über die Festlegung von geschlechtsspezifischer Gewalt als neuer Kriminalitätsbereich gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV(9),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. März 2023 zu den EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern(10),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 17. Februar 2022 an den Rat und den Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu Korruption und Menschenrechten(11),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Januar 2023 zu Menschenrechten und Demokratie in der Welt und der Politik der Europäischen Union in diesem Bereich – Jahresbericht 2022(12) und auf seine vorherigen Entschließungen zu früheren Jahresberichten,

–  unter Hinweis auf seine seit 2019 nach Artikel 144 seiner Geschäftsordnung angenommenen Entschließungen zu Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (sogenannte Dringlichkeitsentschließungen), insbesondere die 2022 und 2023 angenommenen Entschließungen,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Mai 2022 zur Verfolgung von Minderheiten aus Gründen der Weltanschauung oder Religion(13),

–  unter Hinweis auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9-0424/2023),

A.  in der Erwägung, dass 2023 der 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der 30. Jahrestag der Erklärung und des Aktionsprogramms von Wien, der 25. Jahrestag der Erklärung der Vereinten Nationen über die Menschenrechtsverteidiger und des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ist;

B.  in der Erwägung, dass sich die Europäische Union bei ihrem außenpolitischen Handeln von den Werten und Grundsätzen leiten lässt, die in Artikel 2, Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 21 Absatz 2 EUV und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind, und die für die Schaffung, Entwicklung und Erweiterung der EU maßgeblich waren; in der Erwägung, dass diese Werte in erster Linie die Achtung der Menschenwürde, die Grundfreiheiten, die Rechtsstaatlichkeit, die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte, den Grundsatz der Gleichheit, den Grundsatz der Solidarität und den Grundsatz der Nichtdiskriminierung sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts umfassen;

C.  in der Erwägung, dass die Union im Rahmen ihres außenpolitischen Handelns gemäß Artikel 21 Absatz 2 EUV die gemeinsame Politik sowie Maßnahmen zur Festigung und Förderung der Demokratie und der Menschenrechte festlegen und durchführen muss; in der Erwägung, dass dies nur erreicht werden kann, wenn es gelingt, Demokratie und Menschenrechte in den Mittelpunkt aller politischen Strategien und Instrumente der EU zu stellen, einschließlich Handel, Entwicklung, Sicherheit und Verteidigung sowie Erweiterung und andere;

D.  in der Erwägung, dass Konsistenz und Kohärenz zwischen den internen und externen Politikbereichen der EU auf der Grundlage der Gründungsprinzipien und -werte der Union der Schlüssel zu einer wirksamen und glaubwürdigen EU-Menschenrechts- und Demokratieförderungspolitik sind;

E.  in der Erwägung, dass demokratische Länder jedem Menschen die Möglichkeit geben müssen, seine Menschenrechte und Grundfreiheiten zu genießen; in der Erwägung, dass die EU weiterhin uneingeschränkt für die Verteidigung des Multilateralismus und der universellen Werte, Grundsätze und Normen eintritt, von denen sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen leiten lassen; in der Erwägung, dass die EU und ihre Partner die Verteidigung der Universalität der Menschenrechte weiterhin als Priorität behandeln sollten;

F.  in der Erwägung, dass die regelbasierte internationale Ordnung zunehmend von anderen Akteuren infrage gestellt wird, die allein oder durch konzertierte Aktionen versuchen, multilaterale Organisationen zu untergraben und die Umsetzung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte zu unterlaufen, zu umgehen oder zu vereiteln; in der Erwägung, dass Informationsmanipulation und Einmischung zum Teil des Arsenals geworden sind, das von autokratischen Akteuren eingesetzt wird, um Druck auf demokratische Werte und Normen auszuüben, die Kontrolle über den Machtmissbrauch zu untergraben, die Häufigkeit und Schwere von Menschenrechtsverletzungen zu erhöhen und den Spielraum für die Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und demokratische Oppositionsbewegungen einzuschränken;

G.  in der Erwägung, dass die Zahl der Autokratien zugenommen hat, wobei nach Angaben der Universität Göteborg(14) inzwischen 70 % der Weltbevölkerung unter autoritärer Herrschaft leben; in der Erwägung, dass die Aushöhlung der Demokratie zu einem maßgeblichen weltpolitischen Trend geworden ist und auch etablierte Demokratien betrifft, die noch immer mit Problemen wie politischer Polarisierung, unzureichendem Funktionieren der Institutionen und Bedrohungen der bürgerlichen Freiheitsrechte zu kämpfen haben; in der Erwägung, dass diese Zunahme von Autoritarismus, Illiberalismus und reaktionären Tendenzen weltweit, auch in der Europäischen Union, die regelbasierte globale Ordnung, den Schutz und die Förderung der Menschenrechte und der Demokratie in der Welt sowie die Werte und Grundsätze, auf die sich die Europäische Union gründet, bedroht;

H.  in der Erwägung, dass die diesjährige Halbzeitüberprüfung des EU-Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie 2020–2024 gezeigt hat, dass die EU und gleichgesinnte Partner trotz der bisher erzielten Fortschritte nicht selbstgefällig bleiben dürfen, insbesondere vor dem Hintergrund der beispiellosen Herausforderungen für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie in der ganzen Welt;

I.  in der Erwägung, dass Verletzungen des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit in der ganzen Welt anhalten und zu Unterdrückung, Konflikten und Kriegen sowie zu Verstößen gegen das Völkerrecht führen;

J.  in der Erwägung, dass der unabhängige Experte für kulturelle Rechte in seinem Bericht an den Menschenrechtsrat aus dem Jahr 2010 kulturelle Rechte als Rechte bezeichnete, die sich auf ein breites Spektrum menschenrechtsbezogener Themen und Werte beziehen, wie z. B. das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben und auf Bildung, sowie auf das Vorhandensein kultureller Rechte in verschiedenen internationalen Instrumenten für die Menschenrechte;

K.  in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein Grundwert der Union ist; in der Erwägung, dass die Menschenrechte von Frauen und Mädchen, einschließlich ihrer sexuellen und reproduktiven Rechte, überall auf der Welt weiterhin verletzt werden; in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidigerinnen und Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter, die Rechte der Frauen und die sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie die damit verbundenen Rechte einsetzen, nach wie vor mit einem schrumpfenden Handlungsspielraum für ihre kritische Arbeit sowie mit der Androhung von Gewalt, Belästigung und Einschüchterung konfrontiert sind; in der Erwägung, dass das Gender-Mainstreaming und ein intersektionaler Ansatz daher als horizontaler Grundsatz in alle Tätigkeiten und politischen Maßnahmen der Union einbezogen und auch umgesetzt werden sollten;

L.  in der Erwägung, dass die Energiekrise in Verbindung mit der Krise in der Lebensmittelerzeugung eine Vermehrung der Armut und der Schutzbedürftigkeit auf der Welt nach sich zieht, was sich nachteilig auf die Menschenrechte auswirkt;

M.  in der Erwägung, dass ein verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln in der EU ansässiger Unternehmen entscheidend dazu beiträgt, dass die Menschenrechtspolitik der EU innerhalb und außerhalb der EU wirksam umgesetzt wird und dies auch die Arbeitswelt betrifft; in der Erwägung, dass die EU sich verpflichtet hat, die Einführung eines verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns in alle Produktionssektoren und Ebenen der Wertschöpfungskette sowie den Schutz der Opfer von unternehmensbezogenen Menschenrechtsverletzungen und -verstößen zu fördern;

N.  in der Erwägung, dass Umweltkatastrophen, einschließlich derjenigen, die auf den Klimawandel, die Abholzung und mineralgewinnende Geschäftstätigkeiten zurückzuführen sind, zu Menschenrechtsverletzungen führen können, die nicht nur die Menschen und Gemeinden in ihrer unmittelbaren Umgebung, sondern die gesamte Menschheit betreffen; in der Erwägung, dass in den letzten Jahren eine Zunahme der Anzahl von Tötungen, Überfällen und anderen Formen der Gewalt gegen Menschen, die die Umweltrechte verteidigen, einschließlich gegen indigene Völker, zu verzeichnen war; in der Erwägung, dass Klimawandel und Umweltzerstörung zwei dringend anzugehende und miteinander verknüpfte Herausforderungen sind, die sowohl die nachhaltige Entwicklung als auch die Wahrnehmung der Menschenrechte weltweit untergraben; in der Erwägung, dass Umweltschäden und die Auswirkungen des Klimawandels Prekarität, Marginalisierung und Ungleichheit verschärfen und Menschen zunehmend dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen oder in unsicheren Umgebungen zu leben, wo sie noch anfälliger sind;

O.  in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger sowie Organisationen der Zivilgesellschaft wichtige Verbündete bei den Bemühungen der EU um den Schutz und die Förderung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie der weltweiten Konfliktverhütung sind; es liegt daher im zentralen Interesse der EU und ihrer Mitgliedstaaten, ihre Arbeit zu unterstützen und sie sowie den Raum, in dem sie tätig sind, zu schützen; in der Erwägung, dass Regierungen auf der ganzen Welt immer mehr neue Arten von Taktiken und restriktiven Maßnahmen gegen Menschenrechtsverteidiger einführen, um ihre Arbeit zu zensieren und sie zum Schweigen zu bringen und zu schikanieren; in der Erwägung, dass zu diesen Maßnahmen strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen), restriktive Regierungspolitik, Verleumdungskampagnen, Diskriminierung und Einschüchterung oder Gewalt, einschließlich außergerichtlicher Tötungen, Entführungen, willkürlicher Festnahme und Inhaftierung, gehören; in der Erwägung, dass Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger zunehmend auch gegen ihre Familien und Gemeinschaften gerichtet sind; in der Erwägung, dass der Raum für die Zivilgesellschaft schrumpft, unter anderem weil Staaten in der ganzen Welt immer strengere Verfahren zur Zulassung von Organisationen der Zivilgesellschaft einführen, die Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft durch Spender verbieten oder einschränken und Organisationen der Zivilgesellschaft als „ausländische Agenten“ stigmatisieren; in der Erwägung, dass in zahlreichen Ländern der Welt ein Klima der Straflosigkeit bei tätlichen Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger herrscht;

P.  in der Erwägung, dass der Terrorismus weiterhin eine der schlimmsten Bedrohungen für den Frieden und die Sicherheit weltweit ist und eine eindeutige Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten darstellt;

Q.  in der Erwägung, dass Alexei Nawalny mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2021 ausgezeichnet wurde; in der Erwägung, dass Nawalny seit Februar 2021 unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert war; in der Erwägung, dass er zuletzt im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen in Westsibirien in Haft war, wo er am 16. Februar 2024 ermordet wurde;

Umgang mit globalen Trends und großen Herausforderungen

1.  bekräftigt, dass die Menschenrechte und die jedem Menschen innewohnende Würde allgemein gültig und unteilbar sind, einander bedingen und miteinander verknüpft sind; bekräftigt die Pflicht der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Universalität und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte in der ganzen Welt entschlossen, kohärent und konsequent zu fördern und zu schützen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich dafür einzusetzen, dass etablierte Demokratien und zuständige internationale sowie regionale Organisationen ihre Kräfte bündeln, um Bedrohungen zu bekämpfen und die Menschenrechte weltweit zu fördern, auch durch ein entschiedenes und öffentliches Auftreten, das unser Engagement für die Verteidigung der Universalität der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit bekräftigt;

2.  missbilligt, dass totalitäre und autoritäre Regime multilaterale Einrichtungen, insbesondere den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, missbrauchen, indem sie danach trachten, die Menschenrechtsverfahren ihrer Möglichkeit zu berauben, Staaten für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen, sowie die internationalen Normen entsprechend ihrer autoritären Agenda zu unterwandern und/oder umzuschreiben; fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, mit gleichgesinnten demokratischen Verbündeten zu arbeiten, um eine Reform der multilateralen Institutionen zu unterstützen, sodass sie widerstandsfähiger sind im Hinblick auf schädliche Einflüsse von autoritären Regimes;

3.  betont, dass die EU umfassend darauf vorbereitet sein muss, dem Aufkommen und dem bösartigen Einfluss von Autoritarismus, Illiberalismus und Extremismus sowie den Bedrohungen des Menschenrechtsschutzes und den zunehmenden Angriffen auf die Universalität der Menschenrechte, der Demokratie, des Rechtsstaats und des humanitären Völkerrechts entgegenzutreten;

4.  betont, dass das ehrgeizige Engagement und die Rhetorik der externen Menschenrechtspolitik der EU ein konsequentes und beispielhaftes Engagement für die universellen Menschenrechte und die Demokratie erfordern; bedauert, dass sich die Lage der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit weltweit, auch in der EU, verschlechtert, was ihre Glaubwürdigkeit bei der Bekämpfung des weltweiten Niedergangs der Demokratie und des Rückschritts bei den Menschenrechten untergräbt; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Menschenrechte entschlossen zu verteidigen, günstige Rahmenbedingungen für ihre Zivilgesellschaft zu schaffen und etwaigen negativen Entwicklungen in dieser Hinsicht entgegenzuwirken;

5.  verurteilt die zunehmende Tendenz zu Verletzungen der Menschenrechte und der demokratischen Grundsätze und Werte in der ganzen Welt, wie die Verschärfung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ungleichheit, die Umkehrung von Rechten, insbesondere für Frauen, die anhaltende und systematische Ausgrenzung und Diskriminierung ganzer sozialer Gruppen, Hinrichtungen, außergerichtliche Tötungen, Folter, geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung und geschlechtsspezifische Apartheid, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, systematische und strukturelle Diskriminierung und Ungleichheit, hartes Vorgehen gegen marginalisierte und schutzbedürftige Einzelpersonen und Gruppen, die Zivilgesellschaft, politische Gegner sowie ethnische und religiöse Minderheiten, Sklaverei und Zwangsarbeit, Zwangsdeportationen, exzessive Gewaltanwendung durch die Behörden, Zensur und Bedrohung unabhängiger Medien und Journalisten sowie Bedrohungen im digitalen Bereich wie Online-Überwachung und Internetabschaltungen und vieles mehr; verurteilt die Praktiken der grenzüberschreitenden Unterdrückung durch autokratische Regime; bedauert die Schwächung des Schutzes der demokratischen Institutionen und den schrumpfenden Raum für die Zivilgesellschaften in der ganzen Welt, was zu Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen führt; stellt fest, dass die Anzahl der Demokratien weiter abgenommen und die der autoritären Regime zugenommen hat;

6.  prangert die maßgeschneiderten Narrative an, die autoritäre und illiberale Regime verfassen, um die Universalität der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit anzugreifen; warnt davor, dass diese Regime die oben erwähnten Narrative in internationalen Foren wie dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verbreiten; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, diesen feindseligen Darstellungen entgegenzutreten, die sich häufig auf die Behauptung eines kulturellen Relativismus stützen, um u. a. Machtmissbrauch sowie Desinformation und ausländische Einmischung gegenüber der EU zu verbergen; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, unter anderem durch die volle Ausschöpfung des Potenzials der internationalen Kulturbeziehungen der EU;

7.  ist besorgt über die Tatsache, dass internationale Konferenzen und medienwirksame Veranstaltungen in autoritären und illiberalen Ländern organisiert werden, in denen Menschenrechtsverteidiger verfolgt oder schikaniert werden, und dass diese Länder solche Veranstaltungen als öffentliches Schaufenster nutzen, um das Bild von ihrer Menschenrechtslage auf der Weltbühne zu verzerren;

8.  weist darauf hin, dass autoritäre, totalitäre und illiberale Regime immer mehr Instrumente einsetzen, die einen Rahmen für die Aushöhlung der Menschenrechte durch legislative und nichtlegislative Bestimmungen schaffen, die unter anderem dazu dienen, Wahlen zu manipulieren, die Zivilgesellschaft, marginalisierte und gefährdete Einzelpersonen und Gruppen, Minderheiten, politische Gegner, unabhängige Medien und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und zu bedrohen, die Justiz zu kontrollieren und Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Rechtsanwälte, Künstler und Aktivisten zu verfolgen, die sich kritisch zu den Praktiken dieser Regime äußern;

9.  verurteilt die zunehmende Missachtung der internationalen Menschenrechtsnormen durch autoritäre und illiberale Regime, insbesondere durch solche, die bestehende interne und internationale Konflikte schaffen und ausweiten und neue Konflikte verursachen, was verheerende Folgen für die Menschenrechte hat; stellt fest, dass diese Regime versuchen, die Legitimität der internationalen Menschenrechtsnormen zu untergraben, um sich ihrer pflichtgemäßen Anwendung zu entziehen;

10.  fordert eine Bewertung der Wirksamkeit der Strategie der „stillen Diplomatie“ und fordert, dass die EU bei der Verteidigung der Menschenrechte lauter auftritt;

11.  verurteilt aufs Schärfste und ist zutiefst besorgt über die Gräueltaten, Kriegsverbrechen und schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, einschließlich sexueller Gewalt, geschlechtsspezifischer Gewalt, der Verschleppung von Kindern sowie der Folterung und Tötung von Zivilisten und Kriegsgefangenen, die von den russischen Streitkräften und ihren Stellvertretern im Rahmen des illegalen, ungerechtfertigten und unprovozierten Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine begangen wurden; weist darauf hin, dass die Unterstützung der Ukraine bei ihrem Krieg gegen Russland von zentraler Bedeutung für die Wahrung einer regelbasierten internationalen Ordnung ist; fordert nachdrücklich, dass alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass diejenigen, die in der Ukraine Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen haben, ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden; fordert die Union und ihre Mitgliedstaaten auf, weiterhin ihre uneingeschränkte Unterstützung für die einschlägigen Interessenträgern, Maßnahmen und Mechanismen in diesem Bereich anzubieten, einschließlich der ukrainischen Staatsanwälte, Ermittler und Richter, des IStGH der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen und der nationalen Untersuchungen nach dem Grundsatz der universellen Zuständigkeit; erachtet es als dringend geboten, Beweise für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zügig zu sammeln und zu sichern, und begrüßt die diesbezüglichen Bemühungen der Zivilgesellschaft;

12.  ist schockiert und entsetzt über die Ermordung des Sacharow-Preisträgers 2021 Alexei Nawalny, der sein Leben geopfert hat, um für die Demokratie und gegen Unterdrückung und Korruption in Russland zu kämpfen;

13.  fordert einen unverzüglichen Waffenstillstand im Gazastreifen;

14.  stellt mit Genugtuung fest, dass es auch „Lichtblicke“ im Bereich der Menschenrechte gibt, die einige Fortschritte im Kontext der großen Herausforderungen für die Menschenrechte weltweit widerspiegeln; unterstützt nachdrücklich die Arbeit der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) und des Europarats sowie von Menschenrechtsverteidigern und Organisationen der Zivilgesellschaft und anderen, um internationale Verpflichtungen in konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung der Menschenrechte umzusetzen; unterstreicht, dass eine strategischere Kommunikation über Menschenrechte und Demokratie erforderlich ist, die das Engagement der EU durch den Austausch positiver Entwicklungen, politischer Maßnahmen und bewährter Verfahren verdeutlicht, und fordert die EU-Delegationen und die diplomatischen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten auf, in diesem Sinne auch in Drittländern tätig zu werden; unterstützt die im Jahr 2023 stattfindende Kampagne des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) zum 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zur Unterstützung der Initiative „Human Rights 75“ der Vereinten Nationen und die Initiative „Erfolgsgeschichten im Bereich der Menschenrechte“(15), um positive Geschichten über Menschenrechte zu fördern;

15.  hebt hervor, dass das UNRWA eine unentbehrliche Rolle bei der Bereitstellung wichtiger Hilfe spielt, um das tägliche Überleben von 2,2 Millionen Zivilisten im Gazastreifen zu sichern, die einer unsäglichen Bedrohung ihres Lebens und ihrer grundlegenden Rechte ausgesetzt sind; spricht sich gegen die Aussetzung der Finanzierung des UNRWA durch 18 Staaten aus und weist darauf hin, dass dem UNRWA in den kommenden Monaten die Mittel ausgehen werden, wenn diese Entscheidung nicht rückgängig gemacht wird; fordert daher die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, das UNRWA mit angemessenen Mitteln zu unterstützen, damit es seine lebensrettende humanitäre Arbeit fortsetzen und verbessern kann;

Reaktion auf die Herausforderungen in den Bereichen der universellen Menschenrechte und der Demokratie

Wahrung der internationalen Menschenrechtsnormen und des humanitären Völkerrechts

16.  betont die Verbindung zwischen Menschenrechtsverletzungen und weit verbreiteter Straffreiheit sowie dem Fehlen der Rechenschaftspflicht in von Konflikten betroffenen Regionen und Ländern; unterstreicht, dass der Wahrung der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts und insbesondere des Genfer Abkommens große Bedeutung zukommt; verurteilt nachdrücklich die Verletzungen des humanitären Völkerrechts und die Menschenrechtsverletzungen durch Regierungstruppen und bewaffnete Gruppen in der ganzen Welt, die in einigen Fällen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen; fordert, dass die rasche und ungehinderte Beförderung der humanitären Hilfe bei bewaffneten Konflikten und Naturkatastrophen wirksam sichergestellt wird und dass in bewaffneten Konflikten und Kriegen systematisch humanitäre Korridore geschaffen werden, wann und wo immer dies erforderlich ist; verurteilt die Versuche autoritärer Regierungen, sich in die Tätigkeiten humanitärer Hilfsorganisationen einzumischen und diese zu einzuschränken; verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es wichtig ist, dass zivile und militärische Akteure koordiniert vorgehen; verurteilt die katastrophalen humanitären Folgen und Menschenrechtsverletzungen, die durch moderne Kriege und Konflikte weltweit verursacht werden, darunter die Bombardierung ziviler Ziele, Vergewaltigung und Folter, Zwangsumsiedlungen und rechtswidrige Deportationen; weist auf die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von bewaffneten Konflikten hin, einschließlich der Anwendung sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Kriegstaktik, die Auswirkungen auf Kinder und Minderheiten sowie die Folgen für die Umwelt;

17.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen um die Achtung des humanitären Völkerrechts zu verstärken und den Opfern Hilfe bereitzustellen, damit sie Zugang zur internationalen Gerichtsbarkeit erhalten und Abhilfe und Wiedergutmachung erfahren; unterstreicht, dass Angriffe auf Zivilisten und Gegenstände, die für das Überleben von Zivilisten unerlässlich sind, nach dem humanitären Völkerrecht verboten sind; fordert die Union und ihre internationalen Partner auf, alle einschlägigen Instrumente zur Bekämpfung internationaler Verbrechen in vollem Umfang zu nutzen, einschließlich der Anwendung des Grundsatzes der universellen Gerichtsbarkeit, Sondergerichte auf nationaler und internationaler Ebene, auch für das Verbrechen der Aggression, sowie der Einrichtung flexibler Kooperations- und Finanzierungsmechanismen, um Beweise für Verbrechen zügig zu sammeln und zu analysieren; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass diese Instrumente koordiniert und in Ergänzung zu anderen einschlägigen Instrumenten der Union und der Mitgliedstaaten angewendet werden;

18.  ist höchst besorgt über die anhaltenden Besetzungen und die Annexion von Gebieten; fordert, dass der Menschenrechtslage in den rechtswidrig besetzten Gebieten, auch in Fällen anhaltender Besetzung, sowie im Rahmen der zahlreichen eingefrorenen Konflikte, besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird und wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter die Verletzung des Rechts auf Leben, die Einschränkung der Freizügigkeit und Diskriminierung, zu verhindern;

19.  fordert die Mitgliedstaaten erneut auf, sich streng an Artikel 7 des Vertrags über den Waffenhandel der Vereinten Nationen (Ausfuhr und deren Bewertung) und an den Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates zu Waffenexporten(16) und die Dual-Use-Verordnung der EU(17) zu halten und so zur Eindämmung bewaffneter Konflikte und schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht beizutragen; fordert die EU nachdrücklich auf, die böswillige Nutzung von Spähsoftware zu bewerten, bis solide Regelungen umgesetzt werden, die ihren Einsatz im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards sicherstellen; ist nach wie vor besorgt über den Einsatz von bewaffneten Drohnen außerhalb des internationalen rechtlichen Rahmens und fordert Folgenabschätzungen zu den Menschenrechten bei Entwicklungsprojekten für bewaffnete Drohnen; fordert die EU auf, eine Initiative zur Schaffung eines rechtlich bindenden Instruments zu ergreifen, mit dem tödliche autonome Waffen ohne wesentliche Kontrolle durch den Menschen untersagt werden;

20.  weist darauf hin, wie wichtig es ist, die Kohärenz der EU-Politik in Bezug auf die Besetzung oder Annektierung von Gebieten sicherzustellen, die sich am humanitären Völkerrecht orientieren sollte, um schwere Menschenrechtsverletzungen vor Ort zu verhindern; hebt hervor, dass Unternehmen mit Sitz in der EU dafür verantwortlich sind, bei allen wirtschaftlichen oder finanziellen Tätigkeiten in diesen Gebieten oder mit diesen Gebieten die strengste Politik zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht anzuwenden und für die strikte Einhaltung des Völkerrechts sowie der Sanktionspolitik der EU zu sorgen, wenn sie auf diese Situationen anwendbar ist; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, die geltenden Regelungen für den Handel der EU mit solchen Gebieten klarzustellen;

Recht auf Leben: Fortschritt hin zur universellen Abschaffung der Todesstrafe

21.  bekräftigt seine grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe, die eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe darstellt und unumkehrbar ist; bedauert die Tatsache, dass trotz des Trends in einigen Nicht-EU-Ländern, Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe zu unternehmen, in dieser Hinsicht noch erhebliche Herausforderungen bestehen; bedauert, dass in anderen Nicht-EU-Ländern die Anwendung der Todesstrafe zunimmt und die Zahl der vollstreckten Todesurteile den höchsten Stand der letzten fünf Jahre erreicht hat; weist erneut auf seine Forderung an alle Länder hin, die dies noch nicht getan haben, die Todesstrafe abzuschaffen oder ein sofortiges Moratorium als einen ersten Schritt zu ihrer Abschaffung einzuführen; ermutigt die EU und die Mitgliedstaaten, alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, einschließlich Handels- und Assoziierungsabkommen mit Nicht-EU-Ländern, zu nutzen, um auf ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe mit dem Ziel ihrer Abschaffung hinzuwirken;

22.  betont, dass die Union die weltweite Abschaffung der Todesstrafe als ein Hauptziel ihrer Außenpolitik im Bereich der Menschenrechte unnachgiebig verfolgen muss; fordert die Union und ihre Mitgliedstaaten auf, sich in den zuständigen internationalen Foren für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen und sich um eine möglichst allgemeine Unterstützung für diesen Standpunkt zu bemühen; fordert die fortgesetzten Bemühungen der Gremien der Vereinten Nationen zu der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe im Einklang mit den Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen; fordert darüber hinaus die betreffenden Ländern auf, in einem ersten Schritt die Liste der Verbrechen oder Straftaten, die mit dem Tod bestraft werden, zu reduzieren; fordert Transparenz bei Todesurteilen und Hinrichtungen in Ländern, die diese Statistiken nicht offenlegen; unterstützt das Verfahren zur Annahme des Entwurfs des Protokolls zur Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker über die Abschaffung der Todesstrafe in Afrika durch die Afrikanische Union; ermutigt andere Drittländer und regionale Organisationen, ähnliche Verfahren einzuleiten, auch durch die sinnvolle Einbeziehung von Organisationen der Zivilgesellschaft; unterstreicht, dass es wichtig ist, die Bemühungen der Gegner der Todesstrafe auf lokaler und regionaler Ebene zu unterstützen;

Recht auf freie Meinungsäußerung, Medienfreiheit, akademische Freiheit und Recht auf Information

23.  ist zutiefst besorgt über die zunehmenden Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit, einschließlich des künstlerischen Ausdrucks, und Medienfreiheit in der ganzen Welt, insbesondere für Journalisten; verurteilt die Zensur von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern und Organisationen der Zivilgesellschaft, öffentlichen „Wächtern“, Hinweisgebern und Künstlern durch die Anwendung von Gesetzen über sogenannte ausländische Agenten sowie andere legislative und nichtlegislative Maßnahmen, wie zunehmender Verwaltungsaufwand, Geldbußen, Bedrohungen, Diffamierungen und eine dämonisierende Sprache, die von autoritären, totalitären und illiberalen Regimen ergriffen werden; weist erneut auf seine tiefe Besorgnis über den Einsatz SLAPP-Klagen hin, um diese zum Schweigen zu bringen, und fordert sowohl die Mitgliedstaaten als auch Nicht-EU-Länder auf, solche Praktiken einzustellen; stellt fest, dass einige dieser Praktiken auch in einer Reihe seit langem etablierter demokratischer Länder in der ganzen Welt vorkommen können; begrüßt vor diesem Hintergrund die Bemühungen um einen verstärkten Schutz von Journalisten und Aktivisten, auch in der EU, vor unbegründeten und missbräuchlichen Klagen, die darauf abzielen, sie zum Schweigen zu bringen;

24.  stellt fest, dass es von entscheidender Bedeutung ist, Journalisten zu unterstützen, die verfolgt werden und deren Sicherheit bedroht ist, und fordert die Einrichtung von Programmen zum Schutz von Journalisten, die die Umsiedlung und Neuansiedlung von Personen in unmittelbarer Gefahr erleichtern; bedauert die Praxis gezielter Überwachung und den Einsatz von Spähsoftware sowie andere digitale Bedrohungen gegen Journalisten und verurteilt die Verletzung ihrer Rechte auf Privatsphäre, freie Meinungsäußerung, Gedankenfreiheit, Informationsfreiheit und Vereinigungsfreiheit durch staatliche und nichtstaatliche Akteure; bekräftigt, dass der Zugang zu glaubwürdigen und zuverlässigen Informationen, sowohl online als auch offline, ein wesentliches Recht in einer demokratischen Gesellschaft ist;

25.  fordert die Nicht-EU-Länder auf, vorsorgliche Maßnahmen zu erlassen, um jede unnötige oder übermäßige Anwendung von Gewalt, Schikanen oder willkürliche Festnahmen bei Protesten zu verhindern, sowie alle Rechtsvorschriften und Verwaltungsakte aufzuheben oder zu ändern, die gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit verstoßen;

26.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre diplomatischen Bemühungen durch bilateralen und multilateralen Einsatz in Bezug auf Zensur, Bedrohungen der akademischen Freiheit und Angriffe auf diese, insbesondere die Inhaftierung von Wissenschaftlern weltweit, durch staatliche und nichtstaatliche Akteure zu intensivieren, da diese schwerwiegende Folgen für das Recht auf Bildung, die Nutzung der Vorteile des wissenschaftlichen Fortschritts und die Meinungs- und Redefreiheit haben; fordert den EAD und die Kommission auf, bestehende Unterstützungs- und Schutzmechanismen zu überarbeiten, um in solchen Fällen Hilfsbedarf zu erkennen und Hilfe zu leisten, einschließlich Schutz und Unterstützung in Notfällen; begrüßt die Einbeziehung gefährdeter Akademiker in den Mechanismus der EU für Menschenrechtsverteidiger;

27.  fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass dem Global Campus of Human Rights and Democracy (globaler Campus für Menschenrechte und Demokratie), der Studierenden und Wissenschaftlern, die wegen ihres Einsatzes für Demokratie und Menschenrechte aus ihren Ländern fliehen mussten, einen sicheren Raum bietet, als Vorzeigeprojekt des Einsatzes der EU für weltweite Menschenrechtserziehung auch künftig hochrangige Unterstützung zuteil wird; unterstützt die gemeinsame Erklärung zur akademischen Freiheit, die auf der 52. Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen abgegeben und von allen Mitgliedstaaten unterstützt wurde; fordert die Mitgliedstaaten und die EU-Delegationen auf, eine Schlüsselrolle bei der Überwachung von und der Berichterstattung über Verletzungen der akademischen Freiheit in Nicht-EU-Ländern zu spielen; unterstützt die Entwicklung des Entwurfs von Grundsätzen für die Umsetzung des Rechts auf akademische Freiheit und fordert die EU auf, sich im Rahmen des UN-Systems für die Annahme von Leitlinien zur akademischen Freiheit einzusetzen;

Recht auf Gedanken- und Gewissensfreiheit und auf Freiheit der Religion und Weltanschauung

28.  bekräftigt seine Besorgnis über die Verletzung des Rechts auf Gedanken- und Gewissensfreiheit und auf Freiheit der Religion und Weltanschauung und die damit verbundene Hasskriminalität; betont, dass solche Verstöße über geografische und kulturelle Grenzen hinweg vorkommen; bedauert die Instrumentalisierung von Religion oder Weltanschauung für politische Zwecke, einschließlich der Ausgrenzung von religiösen und weltanschaulichen Minderheiten und Religionsgemeinschaften in bestimmten Ländern; verurteilt die Eskalation von Zwang, Diskriminierung, Belästigung und Gewalt, die sich gegen Angehörige von Minderheiten in den Bereichen der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie gegen deren Eigentum und Gebetsstätten richtet; verurteilt die Berufung auf Blasphemie und Abfall vom Glauben sowie andere Anschuldigungen, einschließlich der Möglichkeit der Todesstrafe für die Verurteilten, in Bezug auf religiöse Minderheiten und legitime Menschenrechtsaktivitäten, auch im Internet und in den sozialen Medien, sowie generell die Einschränkung des Handlungsspielraums der Zivilgesellschaft; verurteilt die Verfolgung von Christen auf der ganzen Welt aufs Schärfste;

29.  unterstützt uneingeschränkt das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht darauf, eine Weltanschauung zu haben oder keiner Weltanschauung anzuhängen, sowie das Recht der Menschen, sich zu ihrer Religion oder Weltanschauung zu bekennen und ihre Religion oder Weltanschauung zu wechseln oder aufzugeben, ohne Gewalt oder Diskriminierung fürchten zu müssen; verurteilt die Angriffe auf Einzelpersonen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die religiöse Überzeugungen friedlich infrage stellen, Kritik an ihnen äußern oder sie satirisch darstellen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zum Schutz dieser Rechte zu verstärken, diese Fragen in den Menschenrechtsforen der Vereinten Nationen zur Sprache zu bringen und mit den einschlägigen Mechanismen und Ausschüssen der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, einschließlich der Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern, um diese Rechte zu schützen und Verletzungen zu verhindern; fordert außerdem mehr Anstrengungen und Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene und dass mit der Hilfe des IStGH Nachweise für Hassdelikte gesammelt werden, um die Täter vor Gericht zu stellen und die Opfer zu entschädigen;

30.  erkennt den Wert des interkonfessionellen und interreligiösen Dialogs an, der zu einem friedlichen Zusammenleben und gegenseitigem Verständnis verschiedener religiöser, weltanschaulicher und ethnischer Gruppen führt, und bestärkt die EU und die Mitgliedstaaten darin, diesen zu fördern; stellt fest, dass der Atheismus und der Anteil der Bevölkerung, der nicht religiös ist, weltweit rasch zunehmen und im politischen Rahmen der EU für die Gedanken- und Gewissensfreiheit und Freiheit der Religion oder Weltanschauung nicht vernachlässigt werden sollten;

31.  empfiehlt, dass der EU-Sonderbeauftragte für die Förderung und den Schutz von Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der EU eng und komplementär mit dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, dem EU-Beauftragten für bestimmte Regionen und der Ratsarbeitsgruppe „Menschenrechte“ zusammenarbeitet, und vertritt zu diesem Zweck die Auffassung, dass die Position des Sonderbeauftragten für die Förderung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der EU in ähnlicher Weise wie die anderen Sonderbeauftragten und EU-Sonderbeauftragten in den EAD integriert werden sollte; bedauert die Tatsache, dass das Mandat des Sonderbeauftragten von der Kommission verlängert wurde, ohne dass zuvor eine Bewertung der Wirksamkeit und des Mehrwerts dieser Stelle vorgenommen wurde, wie vom Parlament wiederholt gefordert worden war; fordert, dass diese Bewertung durchgeführt wird und auf dieser Grundlage angemessene finanzielle und personelle Mittel bereitgestellt werden, damit er sein Mandat wirksam ausführen kann; ruft in Erinnerung, dass dieses Jahr der zehnte Jahrestag der Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit begangen wurde; bedauert, dass die Leitlinien zwar alle drei Jahre vom Rat bewertet werden sollen, bisher aber noch keine Bewertung veröffentlicht wurde; fordert den Rat auf, diese Bewertung durchzuführen und die Ergebnisse dem Parlament zu übermitteln; unterstützt uneingeschränkt die Gepflogenheit der EU, dem UN-Menschenrechtsrat und der UN-Generalversammlung themenbezogene Resolutionen zuzuleiten; fordert den EAD und die EU-Delegationen auf, in den Menschenrechtsdialogen mit Partnerländern und in Menschenrechtsforen der Vereinten Nationen gegebenenfalls allgemeine Fragen und spezifische Fälle im Zusammenhang mit der Verfolgung oder Diskriminierung von weltanschaulichen oder religiösen Minderheiten zur Sprache zu bringen und dabei einen ergebnisorientierten Ansatz zu verfolgen und eine geschlechtsspezifische Perspektive zu berücksichtigen;

Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung

32.  verurteilt erneut alle Formen von Rassismus, Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der sozialen Klasse, einer Behinderung, der Kaste, der Religion, der Weltanschauung, des Alters, des Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität; unterstreicht, dass es wichtig ist, Fragen im Zusammenhang mit Diskriminierung mit einem intersektionalen Ansatz anzugehen; betont, dass Rassismus, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie sowie Verfolgung aus religiösen Gründen und die damit einhergehende Intoleranz nach wie vor weltweit ein großes Problem darstellen, und dass diese Probleme durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft wurden;

33.  verurteilt die wachsende internationale Bedrohung durch Hassreden, auch im Internet; stellt fest, dass Frauen im Internet eher zur Zielscheibe werden, was sich negativ auf die politische Beteiligung von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter bei Entscheidungsfindungen auswirkt; fordert dazu auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um auf diskriminierende Verhaltensweisen zu reagieren und der Straflosigkeit ein Ende zu setzen, und in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und mit Beiträgen des Parlaments spezifische lokale Strategien zur Bekämpfung der Diskriminierung in Nicht-EU-Ländern in Absprache mit lokalen Vertretern und Organisationen der Zivilgesellschaft zu entwickeln; bekräftigt die entscheidende Rolle von Bildung und Dialog bei der Förderung von Toleranz, Verständnis und Vielfalt;

34.  nimmt mit großer Besorgnis das Ausmaß und die Folgen von Hierarchien, Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen infolge der Kastenzugehörigkeit zur Kenntnis, einschließlich der Verweigerung des Zugangs zum Rechtssystem oder zur Beschäftigung, der anhaltenden Segregation, Armut und Stigmatisierung sowie der kastenbedingten Hindernisse für die Ausübung der grundlegenden Menschenrechte und die menschliche Entwicklung; bekräftigt seine Forderung nach der Entwicklung einer EU-Politik zur Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit und spezifischer lokaler Strategien zur Bekämpfung kastenbedingter Diskriminierung in den am stärksten betroffenen Ländern; empfiehlt, dass das Europäische Parlament die Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit in all seinen einschlägigen Ausschüssen und Delegationen thematisiert, eine Anlaufstelle für die Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit benennt und bei Besuchen in Nicht-EU-Ländern, die von diesem Problem betroffen sind, die einschlägigen Organisationen konsultiert und die Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit bei den lokalen Behörden und anderen Partnern zur Sprache bringt sowie anlässlich des Internationalen Tages für die Beseitigung der Rassendiskriminierung eine Anhörung zur Überprüfung der Maßnahmen und Fortschritte der EU durchführt;

Recht auf Freiheit von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung

35.  verurteilt unter allen Umständen, einschließlich der Strafverfolgung, jede Handlung oder jeden Versuch, zu Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen oder Strafen, zum Verschwindenlassen, zu willkürlichen Verhaftungen und außergerichtlichen Tötungen anzustiften, sie zu genehmigen, zu systematisieren oder ihnen zuzustimmen oder sie zu dulden; fordert alle Länder auf, wirksame, auf einem opferorientierten Ansatz basierende Maßnahmen anzunehmen und umzusetzen, um Folter und sonstige grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Bestrafungen zu verhindern und gleichzeitig die Rechenschaftspflicht der Täter zu gewährleisten; bedauert, dass diese in vielen Ländern nach wie vor weit verbreitet sind; stellt mit großer Besorgnis fest, dass die Zahl der Folterfälle weltweit zunimmt und die Täter weitgehend straffrei ausgehen; fordert alle Länder auf, ihre jeweiligen Verhörregeln und Verhaltensprotokolle für die Strafverfolgung im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards systematisch zu überprüfen;

36.  bedauert, dass es weltweit Gefangene aus Gewissensgründen gibt und fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen um deren bedingungslose Freilassung zu verstärken; fordert den EAD und die Kommission auf, die Einrichtung und das Funktionieren der nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter in Nicht-EU-Ländern sowie die in diesem Bereich tätigen Organisationen der Zivilgesellschaft zu unterstützen; fordert die EU auf, in einen Dialog mit Drittländern einzutreten, um die Verbesserung der Haftbedingungen zu einem zentralen politischen Thema zu machen und dabei insbesondere das Problem der Überbelegung von Gefängnissen durch die Schaffung von Alternativen zur Inhaftierung anzugehen; erkennt die wichtige Rolle von Organisationen der Zivilgesellschaft und von Menschenrechtsverteidigern bei der Bekämpfung von Folter und anderen Formen der Misshandlung an und fordert die EU nachdrücklich auf, sie bei der Überwachung von Orten des Freiheitsentzugs im Einklang mit den überarbeiteten EU-Leitlinien betreffend Folter zu unterstützen;

37.  weist darauf hin, dass zwischen 500 und 700 palästinensische Kinder im Alter von zwölf Jahren inhaftiert sind und im Rahmen der israelischen Militärgerichtsbarkeit verfolgt werden; stellt fest, dass einige von ihnen ohne Anklage inhaftiert sind, während andere beschuldigt werden, Steine geworfen zu haben; verurteilt diese rechtswidrige und unmoralische Inhaftierung durch den israelischen Staat aufs Schärfste und fordert die Freilassung aller palästinensischen Kinder aus israelischen Gefängnissen;

38.  fordert die EU auf, Drittländer zu ermutigen, ihre nationalen Bestimmungen über Rechtsgarantien mit ihren internationalen Verpflichtungen in Einklang zu bringen (z. B. strafrechtliche Verfolgbarkeit von Folter gemäß dem Übereinkommen gegen Folter); verurteilt alle Formen von Menschenhandel und Zwangsarbeit, auch solche, die von Staaten gefördert werden, sowie alle Formen der modernen Sklaverei; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, eine Vorreiterrolle bei ihrer Beseitigung zu übernehmen und gegebenenfalls einen diesbezüglichen Hinweis in die Abkommen der EU mit Drittländern aufzunehmen;

Recht auf Mitwirkung der Öffentlichkeit

39.  stellt fest, dass das Recht auf aktive und passive Teilnahme an freien, transparenten und fairen Wahlen in autoritären, totalitären und illiberalen Regimen nicht geachtet wird, dass aber auch in einer Reihe von demokratischen Ländern immer mehr Hindernisse für die volle Wahrnehmung dieser Rechte bestehen; hebt hervor, dass diese Regime gefälschte Wahlen abhalten, um ihre Macht zu festigen, da es ihnen an echtem politischen Wettbewerb, Legitimität und Pluralismus mangelt; fordert, dass die Bemühungen zur Sicherstellung der Beteiligung von Minderheiten am öffentlichen Entscheidungsprozess sowie zur Erhöhung der Vertretung von Frauen und jungen Menschen bei Wahlprozessen verstärkt werden; hebt die Rolle der Wahlbeobachtungsmissionen der Europäischen Union bei der unabhängigen und neutralen Bewertung der von ihnen überwachten Wahlprozesse hervor; fordert, dass die Annahme und Umsetzung der Empfehlungen dieser Wahlbeobachtungsmissionen in Drittländern weiterverfolgt werden und dass sie als Schlüsselelement in den Rahmen der Beziehungen zwischen der EU und dem betreffenden Drittland aufgenommen werden; stellt fest, dass es immer häufiger vorkommt, dass Länder sich weigern, die EU zur Beobachtung ihrer Wahlen einzuladen, und fordert den EAD auf, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen;

Kulturelle Rechte

40.  bejaht die Universalität kultureller Rechte als eine Form der Menschenrechte, die es Einzelpersonen und Gruppen von Menschen ermöglicht, sich zu entwickeln und ihr Menschsein und ihre Identität auszudrücken; befürwortet das Mandat der VN-Sonderberichterstatterin im Bereich kultureller Rechte, kulturellen Rechten im Menschenrechtssystem mehr Sichtbarkeit zu verschaffen sowie ein besserer Verständnis des Ausmaßes von Verletzungen dieser Rechte und der Möglichkeit einer Verwirklichung dieser Rechte für alle Menschen zu fördern, und fordert die Verlängerung des Mandats des Sonderberichterstatterin nach 2024; verurteilt aufs Schärfste die Zerstörung des historischen, künstlerischen und kulturellen Erbes in Konflikten sowie die systematische und politisch oder ideologisch vorsätzliche Zerstörung des historischen, künstlerischen und kulturellen Erbes sowie die Auslöschung der Identität und Kultur souveräner Staaten, Völker oder Minderheiten; verurteilt die unrechtmäßige Verbringung von und den illegalen Handel mit Kulturgütern; fordert die Rückgabe von kulturellen Werken und Artefakten an ihre Herkunftsorte; weist darauf hin, dass die Zerstörung des kulturellen Erbes ein Kriegsverbrechen und eine Menschenrechtsverletzung darstellen kann, und weist in diesem Zusammenhang auf die von den der internationalen Gemeinschaft eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen der Schutzverantwortung hin, auch in Bezug auf den Schutz des kulturellen Erbes während bewaffneter Konflikte und im Anschluss daran;

Rechte der Frau, einschließlich sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte, und Gleichstellung der Geschlechter

41.  betont, dass die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter unverzichtbare und unteilbare Menschenrechte sowie eine Grundlage für Rechtsstaatlichkeit und resiliente Demokratien sind; bedauert, dass Millionen von Frauen und Mädchen nach wie vor Diskriminierung und Gewalt erfahren, insbesondere die schwächsten unter ihnen im Kontext von Konflikten, in der Zeit nach Konflikten und bei der Vertreibung, vor allem Frauen und Mädchen mit Behinderungen, die unter einer doppelten Diskriminierung leiden, und dass Frauen und Mädchen ihre Würde, ihre Autonomie, einschließlich ihrer körperlichen Autonomie, und sogar ihr Leben verwehrt werden; verurteilt die anhaltenden und zunehmenden Gegenreaktionen gegen die Gleichstellung der Geschlechter und Frauenrechte, einschließlich aller Versuche, insbesondere im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte und damit verbundener Rechte bestehende Ansprüche und Schutzmechanismen wieder aufzuheben, sowie Rechtsvorschriften, politische Maßnahmen und Praktiken, mit denen diese Rechte in vielen Ländern weiterhin verweigert oder eingeschränkt werden, was einer geschlechtsspezifischen Apartheid gleichkommen kann; verurteilt alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt sowie Ausbeutung und äußert seine Besorgnis über Zwangsverheiratungen, Misshandlungen, Gewalt und Tötungen von Frauen und Mädchen aus Gründen der Ehre; fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten und gleichgesinnte Partner auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, um die uneingeschränkte Wahrnehmung und den Schutz der Menschenrechte dieser Menschen sicherzustellen; begrüßt den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention und fordert die EU-Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, sie so bald wie möglich zu ratifizieren und umzusetzen; befürwortet die Rolle der EU-Botschafterin für Geschlechterfragen und Vielfalt und das Engagement des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte in diesen Bereichen; fordert eine EU-Charta für die Rechte der Frau;

42.  anerkennt, dass die Förderung und der Schutz der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und damit verbundener Rechte ausschlaggebend dafür ist, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, und bejaht das Recht auf Zugang zu umfassenden Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte, einschließlich moderner Verhütung, sicherer und legaler Abtreibungen, Gesundheitsfürsorge für alle Mütter, Schwangeren und Frauen, medizinisch unterstützter Fortpflanzung und des Zugangs zu Aufklärung und Informationen in Bezug auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte, einschließlich ganzheitlicher Sexualaufklärung, ohne jede Form der Diskriminierung, des Zwangs oder der Gewalt; fordert die Union, den EAD und die Mitgliedstaaten auf, energische Maßnahmen zu ergreifen, um die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte, einschließlich des Zugangs zu sicheren und legalen Abtreibungen, in den multilateralen und bilateralen Beziehungen im Einklang mit den internationalen Rechtsvorschriften und Normen im Bereich der Menschenrechte und den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu priorisieren und zu fördern;

43.  anerkennt die mehrfache Verwundbarkeit von Frauen, die einer Minderheit angehörigen, etwa einer ethnischen, religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft, insbesondere dort, wo es radikalisierte Gruppen und gewalttätige Milizen gibt; verurteilt aufs Schärfste alle Formen von Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, Entführung, Zwangsumsiedlung, Menschenhandel oder Tötung von Frauen, die aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung oder aufgrund radikaler und extremistischer Bestrebungen verübt werden; verurteilt aufs Schärfste die Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Frauen mit sich überschneidenden Identitäten, einschließlich derjenigen, die ethnischen Minderheiten angehören; wiederholt seine Forderung an die Mitgliedstaaten, Strategien, politische Maßnahmen und Programme zu verabschieden und umzusetzen, um die sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundenen Rechte von marginalisierten Gruppen von Frauen zu fördern, die systemischen, finanziellen, rechtlichen, praktischen und sozialen Hindernisse zu beseitigen, denen sie ausgesetzt sind, und sicherzustellen, dass die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte überall geschützt und geachtet werden;

44.  verurteilt erneut die kommerzielle Praxis der Leihmutterschaft, ein globales Phänomen, das Frauen weltweit der Ausbeutung und dem Menschenhandel aussetzt und besonders finanziell und sozial schwache Frauen ins Visier nimmt; betont die gravierenden Folgen für Frauen, die Frauenrechte und die Gesundheit von Frauen und hebt die grenzüberschreitenden Auswirkungen dieser Praktik hervor;

45.  fordert die EU auf, bei der Umsetzung des dritten Aktionsplans für die Gleichstellung, bei der Ausarbeitung der lokalen Strategie der EU gegen Diskriminierung aufgrund des biologischen und sozialen Geschlechts sowie bei einschlägigen sektorbezogenen Tätigkeiten, die Intersektionalität anzugehen, indem sie eine Strategie zur Bekämpfung der verschiedenen Arten von Diskriminierung entwickelt, der Millionen Frauen und Mädchen ausgesetzt sind, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind, einschließlich sexuellen Missbrauchs und Gewalt, Vertreibung, Zwangsarbeit, Prostitution und Menschenhandel, und die Einbeziehung der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung der Rolle der Frauen und Mädchen in alle Aspekte der Außenbeziehungen und der Entwicklungszusammenarbeit, d. h. die Verabschiedung einer feministischen Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik der EU im Einklang mit ihren globalen Verpflichtungen;

46.  fordert gemeinsame Anstrengungen, um den Einsatz von sexueller Gewalt als Kriegswaffe zu unterbinden und die Straffreiheit der Täter zu bekämpfen; fordert die Kommission auf, die Bemühungen um die vollständige Abschaffung der Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen, der Massensterilisation und der Zwangsabtreibung weltweit fortzusetzen;

Rechte von Minderheiten

47.  weist darauf hin, dass die meisten Ursachen für gewaltsame Konflikte weltweit auf Beschwerden von Minderheiten über Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungleichheit in Verbindung mit Verletzungen der Menschenrechte von Minderheiten zurückzuführen sind, wie der UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen festgestellt hat; unterstreicht, dass es notwendig ist, den Minderheitenschutz und die Entwicklung von Schutzmechanismen auf der Ebene der Vereinten Nationen zu verankern; weist erneut auf die Verpflichtung der Staaten hin, die Rechte ihrer nationalen, ethnischen, kulturellen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zu schützen; bedauert, dass trotz internationaler Verpflichtungen und Zusagen bezüglich des Schutzes von Minderheiten weltweit eine Politik der Zwangsassimilierung nationaler, ethnischer und sprachlicher Minderheiten unter Missachtung ihrer Grund- und Menschenrechte betrieben wird; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, Drittländer aktiv dabei zu unterstützen, die grundlegenden Menschenrechte nationaler, ethnischer und sprachlicher Minderheiten in allen Bereichen zu achten; fordert die Kommission auf, den Schutz der Rechte von Minderheiten zu unterstützen, auch als Priorität im Rahmen des thematischen Programms „Menschenrechte und Demokratie“ des EU-Instruments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) – Europa in der Welt;

48.  betont die externe Dimension des Aktionsplans zur Bekämpfung von Rassismus der EU und fordert die Kommission, den EAD und die EU-Delegationen auf, mit Partnern in Nicht-EU-Ländern zusammenzuarbeiten, um die Entwicklung ähnlicher Strategien und politischer Ansätze im Dialog mit Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen und Mitgliedern marginalisierter und gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu unterstützen, und zwar auf der Grundlage des Ansatzes, der in dem Anleitungs-Tool des Amts des Hohen Kommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) zur Diskriminierung aufgrund der Abstammung dargelegt ist, und der das gesamte Spektrum möglicher von der EU zu ergreifenden Maßnahmen abdecken sollte, wie z. B. die Förderung von Gesetzesänderungen und deren Umsetzung, Pläne zur Verbesserung der Sichtbarkeit und Unterstützungsprogramme;

Rechte von Migranten und Flüchtlingen

49.  verurteilt die Aushöhlung der Menschenrechte und der Sicherheit von Migranten, Flüchtlingen und Vertriebenen; bekräftigt ihre unveräußerlichen Menschenrechte und weist erneut auf die Verpflichtung der Staaten hin, sie im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht zu schützen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, diese Rechte in der Migrations- und Asylpolitik der EU und in ihrer Zusammenarbeit mit den Partnerländern in dieser Hinsicht wirksam zu wahren; bedauert die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung gegenüber Migranten; betont, dass Flüchtlinge und Migranten, insbesondere diejenigen ohne Papiere, auch bei Vertreibungen, mit unterschiedlichen Formen der Gewalt, darunter sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, sowie mit zahlreichen Hindernissen, etwa beim Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, angemessenem Wohnraum und anderen grundlegenden Dienstleistungen konfrontiert sind; ist äußerst besorgt über die noch nie da gewesene Zahl von Menschen, die aufgrund von Menschenrechtsverletzungen vertrieben werden, die sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat; begrüßt die Aktivierung der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz(18) und fordert deren Inanspruchnahme, sollte dies erforderlich sein; fordert eine Verstärkung der Bemühungen beim Schutz der Rechte von Migranten und die Sicherstellung ihres Zugangs zu allen grundlegenden Dienstleistungen, auch in Transitgebieten, sowie die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung; fordert die sofortige Beendigung der illegalen Praxis der Push-backs; fordert, die Ursachen von Migration und Vertreibung anzugehen;

50.  betont, wie wichtig die Grundsätze der Solidarität und der gemeinsamen Verantwortung der Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Migrationsströme sind, auch um die Herausforderungen für die Mitgliedstaaten, in denen Migranten zuerst ankommen, zu verringern; bekräftigt seine Unterstützung für den Fahrplan für das Migrations- und Asylpaket; fordert die Mitgesetzgeber nachdrücklich auf, ihre Bemühungen zu verdoppeln, um die Reform des Rechtsrahmens für Asyl und Migration vor Ende der laufenden Wahlperiode abzuschließen;

51.  besteht darauf, dass alle Übereinkommen über Migrationszusammenarbeit und Rückübernahme der EU und der Mitgliedstaaten mit Drittländern in striktem Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen, dem Flüchtlings- und Seerecht und insbesondere mit dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge stehen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Vorabbewertungen und Überwachungsmechanismen einzuführen, um die Auswirkungen der Zusammenarbeit mit Drittländern im Bereich Migration auf die Menschenrechte zu prüfen, und die Ergebnisse dem Parlament mitzuteilen; ist zutiefst besorgt über die Praxis des Abschlusses informeller Vereinbarungen mit Drittländern in Bezug auf die Zusammenarbeit im Bereich Migration, über die das Parlament keine Kontrolle hat; fordert die Mitgliedstaaten auf, für Transparenz zu sorgen und eine parlamentarische und demokratische Kontrolle zu ermöglichen, insbesondere in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Parteien, die bekanntermaßen Menschenrechtsverletzungen begangen haben; besteht darauf, dass die Menschenrechte in allen von der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) und dem Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) durchgeführten Aktivitäten durchgängig berücksichtigt und überwacht werden müssen;

52.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, für vollständige Transparenz bei der Finanzierung von Drittländern im Zusammenhang mit Migration durch die EU zu sorgen und sicherzustellen, dass dadurch weder mittelbar noch unmittelbar die Verübung von Menschenrechtsverletzungen oder die Straflosigkeit für solche Verstöße begünstigt wird; fordert, dass bei den von der Union finanzierten humanitären Maßnahmen die besonderen Bedürfnisse von Kindern und anderen schutzbedürftigen Gruppen berücksichtigt werden und ihr Schutz während ihrer Vertreibung sichergestellt wird; verurteilt in dieser Zusammenhang die Unterbringung von minderjährigen Migranten in Hafteinrichtungen, insbesondere wenn sie von ihren Eltern oder gesetzlichen Vertretern getrennt werden;

53.  verurteilt aufs Schärfste die Schleusernetze, die an der Schleuserkriminalität und dem Menschenhandel beteiligt sind, und fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zur Bekämpfung dieser Netze und zur Verhinderung der Schleusung zu verstärken, auch durch die Zusammenarbeit mit Drittländern, unter Einhaltung der europäischen und internationalen Menschenrechtsstandards; betont, dass aufgrund des Mangels an sicheren und legalen Migrationsrouten Schleusernetzwerke profitieren und für tragische Verluste an Menschenleben entlang der Migrationsrouten verantwortlich sind; betont, dass die Verbreitung von Informationen und Sensibilisierungskampagnen über die Gefahren der Schleusung von entscheidender Bedeutung sind;

Rechte der indigenen Völker

54.  stellt mit Bedauern fest, dass indigene Völker weiterhin weltweit mit weit verbreiteter und systematischer Diskriminierung und Verfolgung konfrontiert sind, einschließlich Zwangsumsiedlung; verurteilt willkürliche Verhaftungen und die Ermordung von Menschenrechts- und Landverteidigern, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzen; hebt hervor, dass die Förderung der Rechte indigener Völker und ihrer Traditionen von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung, die Bekämpfung des Klimawandels und die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist; fordert die Regierungen mit Nachdruck auf, Entwicklungs- und Umweltstrategien zu verfolgen, bei denen im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte gewahrt werden und die indigene und lokale Bevölkerung einbezogen wird; fordert die Union, die Mitgliedstaaten und ihre Partner in der internationalen Gemeinschaft erneut auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, damit die Rechte der indigenen Völker, unter anderem im Hinblick auf ihre Sprachen, ihren Grund und Boden, ihre Gebiete und ihre Ressourcen, anerkannt, geschützt und gefördert werden, wie es in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker festgelegt ist, insbesondere im Hinblick auf die freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilte vorherige Zustimmung; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, durch die EU-Handelsinstrumente und die einschlägigen EU-Rechtsvorschriften, die für in der EU ansässige Unternehmen gelten, ein Engagement in gutem Glauben und die Achtung der oben genannten Rechte sicherzustellen; befürwortet die Ratifizierung des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker;

55.  fordert alle Staaten, einschließlich der EU-Mitgliedstaaten, auf, dafür zu sorgen, dass indigene Völker und lokale Gemeinschaften in die Beratungen und Entscheidungsprozesse der internationalen Klimadiplomatie einbezogen werden; fordert die Kommission auf, den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen indigenen Völkern und der EU weiterhin zu fördern;

Menschenrechte, Wirtschaft und Handel

56.  betont, dass der Handel ein wichtiges Instrument zur Förderung und Verbesserung der Menschenrechtslage in den Partnerländern der EU ist, wobei hierzu auch das Allgemeine Präferenzsystem Plus (APS+) gehört; stellt jedoch fest, dass es in einigen der betreffenden Länder kaum oder gar keine Verbesserungen gegeben hat; bedauert die schädlichen Auswirkungen exzessiver und ausbeuterischer Geschäftstätigkeiten auf Menschenrechte und Demokratie und verurteilt diejenigen Unternehmen, die natürliche Ressourcen unrechtmäßig ausbeuten und damit die Wahrnehmung der Menschenrechte in den lokalen Gemeinschaften beeinträchtigen;

57.  fordert die EU auf, für einander ergänzende und anspruchsvolle europäische und internationale Instrumente zu sorgen, die ausgeprägte materielle Bestimmungen enthalten, unter anderem über den Zugang zur Justiz und wirksame Rechtsbehelfe für betroffene Menschen; fordert in dieser Hinsicht eine rasche und ehrgeizige endgültige Einigung über die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit mit verbindlichen EU-Vorschriften für ein verantwortungsbewusstes Verhalten von Unternehmen in Bezug auf Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte sowie eine rechtzeitige Verabschiedung des Verbots von Produkten aus Zwangsarbeit, um sicherzustellen, dass Produkte, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, auf dem EU-Markt verboten sind; unterstreicht, dass ein sinnvolles Engagement von Interessenträgern, das Opfer, Vertreter von Opfern, Gewerkschaften und andere Betroffene einschließt, ein übergreifender und dauerhafter Bestandteil des Due-Diligence-Prozesses ist und auch einen grundlegenden Schritt darstellt, um Zwangsarbeit zu erkennen, anzugehen und abzuhelfen; betont, dass es wichtig ist, über Maßnahmen zu verfügen, die Abhilfe und den Zugang zur Justiz sicherstellen und den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen entsprechen, einschließlich finanzieller und nicht finanzieller Maßnahmen in Absprache mit den Opfern; fordert die Kommission nachdrücklich auf, dem Rat eine Empfehlung dahingehend vorzulegen, die EU mit einem ehrgeizigen Mandat auszustatten, damit sie sich an den laufenden Verhandlungen über das rechtsverbindliche Instrument der VN für Wirtschaft und Menschenrechte so bald wie möglich beteiligen kann; fordert die Kommission, den EAD und die EU-Delegationen auf, in ihrem Dialog mit Drittländern und bei der Unterstützung dieser Länder bei der Ausarbeitung ihrer eigenen nationalen Aktionspläne für die gesellschaftliche Verantwortung und die Rechenschaftspflicht von Unternehmen sowie für die Leitprinzipien einzutreten;

58.  verweist auf die Verantwortung von Unternehmen, sicherzustellen, dass ihre Tätigkeiten und Lieferketten nicht zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, auch nicht gegen Verteidiger der Umwelt, indigener Völker und der Arbeitnehmerrechte; hebt die wesentlichen Verpflichtungen und Zuständigkeiten von Staaten und anderen Akteuren, darunter Unternehmen, hervor, um die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern, die damit verbundenen negativen Folgen für die Menschenrechte zu verhindern und eine angemessene Politik im Einklang mit den Menschenrechtsverpflichtungen zu fördern;

59.  weist darauf hin, dass das Recht auf Arbeit in Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist, und hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) weltweit mehr als zwei Drittel der Arbeitsplätze stellen und die Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte unterstützen können; weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, wie wichtig es ist, angemessene gleiche Wettbewerbsbedingungen für KMU sicherzustellen;

60.  betont, dass es sich bei der unternehmerischen Freiheit um ein in Artikel 16 der Charta der Grundrechte verankertes Recht handelt; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die Debatte in den Vereinten Nationen und anderen multilateralen Foren voranzutreiben, um dafür zu sorgen, dass das Menschenrecht auf unternehmerische Freiheit weltweit anerkannt wird;

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LGBTIQ+)

61.  bedauert die Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der Diskriminierung, Stigmatisierung, Ausgrenzung, Verfolgung, Gewalt und Tötung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, nicht-binären, intersexuellen und queeren (LGBTIQ+) Personen auf der ganzen Welt sowie von denjenigen, sich für deren Rechte einsetzen; erkennt die Bedeutung einer inklusiven Bildung an, um Diskriminierung frühzeitig zu bekämpfen; ist äußerst besorgt über die Verbreitung von Hass und Anti-LGBTIQ+-Narrativen und -Gesetzen, die sich gegen LGBTIQ+-Personen und Menschenrechtsverteidiger richten; fordert Nicht-EU-Länder auf, spezifische Maßnahmen zum Schutz von LGBTIQ+-Personen zu ergreifen und ihnen Instrumente zur Verfügung zu stellen, über die sie eine Verletzung ihrer Rechte melden können; fordert Nicht-EU-Länder auf, Gesetzesbestimmungen aufzuheben, die direkt oder indirekt zur Diskriminierung, Schikanierung und Verfolgung von LGTBIQ+-Personen führen; fordert erneut die vollständige Durchsetzung der LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie 2020–2025 als Instrument der EU zur Verbesserung der Situation von LGBTIQ+-Personen in der ganzen Welt; äußerst insbesondere Besorgnis in Bezug auf LGBTIQ+-Personen, die unter undemokratischen Regimen leben, und fordert flexible Mechanismen, um diese Menschen und diejenigen, die sich für deren Rechte einsetzen, zu schützen; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die EU-Leitlinien zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch LGBTIQ-Personen in ihrer Außenpolitik konsequent und durchgängig anzuwenden;

Rechte des Kindes

62.  verurteilt aufs Schärfste den Rückgang der Achtung der Rechte des Kindes und die zunehmenden Verletzungen dieser Rechte, u. a. durch Gewalt, Früh- und Zwangsverheiratung, sexuellen Missbrauch und Ausbeutung, Genitalverstümmelung, Menschenhandel, Kinderarbeit, einschließlich Zwangsarbeit von Kindern, Rekrutierung von Kindersoldaten, auch durch kriminelle Banden, fehlenden Zugang zu Bildung, einschließlich des Rechts, etwas über ihre eigene Kultur, Traditionen und Sprachen und Gesundheitsversorgung zu lernen, Unterernährung, Segregation und extreme Armut; verurteilt die Entführung, erzwungene Trennung oder Deportation, Adoption und Zwangsassimilation von Kindern, auch von Kindern ethnischer Minderheiten, insbesondere in Kriegs- und Konfliktfällen; hebt hervor, dass immer noch eine große Anzahl von Kindern auf der ganzen Welt gezwungen ist, zu arbeiten, für gewöhnlich unter gefährlichen Bedingungen; fordert erneut einen systematischen und kohärenten Ansatz, um die Rechte des Kindes in der gesamten Politik der Union zu fördern und zu schützen; fordert, einen spezifischen Kinderrechtsansatz in gerichtliche Verfahren zu integrieren, um den Zugang von Kindern zur Justiz und zu wirksamen Rechtsbehelfen zu verbessern und sicherzustellen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden; betont, dass Wege für eine nachhaltige Wiedereingliederung und Wiedergutmachung für Kinder, deren Rechte in Konflikten auf der ganzen Welt verletzt worden sind, geschaffen werden müssen; fordert dringend die vollständige und weltweite Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes;

63.  hebt die Rolle der Bildung für die Entwicklung von Kindern und jungen Menschen auf der ganzen Welt hervor; betont, dass der Zugang zu allgemeiner, inklusiver und hochwertiger Bildung ein Menschenrecht ist, das auch die Schaffung eines Bewusstseins in Bezug auf ihre Menschenrechte umfassen und darüber aufklären sollte, was eine Verletzung ihrer Rechte darstellt und wie diese gemeldet werden kann; stellt fest, dass die Eltern gemäß Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das vorrangige Recht haben, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden muss; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihr Möglichstes zu tun, um sicherzustellen, dass das Recht auf Bildung auf der ganzen Welt geachtet wird, auch in Flüchtlingslagern und -zentren; fordert die Kommission und den EAD auf, weiterhin umfangreiche Mittel für die Bildung über die externen Finanzierungsinstrumente der Union bereitzustellen und Nicht-EU-Länder bei der Schaffung und Entwicklung hochwertiger Bildungssysteme zu unterstützen; betont, dass alle Bildungs- und Schulmaterialien den UNESCO-Standards für Bildung entsprechen müssen;

Rechte von Menschen mit Behinderungen

64.  ist besorgt über die Herausforderungen, die sich für die uneingeschränkte Wahrnehmung der Rechte von Menschen mit Behinderungen stellen, wie z. B. der Zugang zu inklusiver und hochwertiger Bildung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung sowie die Teilnahme am politischen Leben; bekräftigt seine Aufforderung an die EU, weltweit bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Unterstützung von Betreuern von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen; fordert alle Interessenträger auf, die Gesellschaft zu sensibilisieren und diskriminierendes Verhalten gegenüber Menschen mit Behinderungen zu bekämpfen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten erneut auf, ihre Bemühungen zur Förderung der Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen durch das auswärtige Handeln der Union zu verstärken, auch in Bezug auf die Beitrittsländer, im Einklang mit den bestehenden Verpflichtungen als Vertragsstaaten des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen; unterstreicht die Notwendigkeit, einen systematischen und strukturierten Dialog mit den Organisationen, die Menschen mit Behinderungen in den Partnerländern vertreten, sicherzustellen und Maßnahmen umzusetzen, mit denen sichergestellt wird, dass diese Menschen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse und Sichtweisen ihr Menschenrecht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft, einschließlich der Ausübung ihres Wahlrechts, uneingeschränkt wahrnehmen können; bekräftigt seine Aufforderung an die EU, die Partnerländer bei der Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen im Bereich hochwertige, zugängliche und erschwingliche Pflege und Betreuung zu unterstützen; fordert eine rasche Annahme des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung;

Rechte der älteren Menschen

65.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten erneut auf, neue Wege zur Stärkung der Rechte der älteren Menschen zu entwickeln und dabei die vielfältigen Herausforderungen zu berücksichtigen, mit denen sie konfrontiert sind, wie z. B. altersbedingte Diskriminierung, Armut, Gewalt, mangelnder sozialer Schutz, Einsamkeit und digitale Ausgrenzung fordert die Nicht-EU-Länder auf, Maßnahmen zu ergreifen, die den Zugang zu qualitativ hochwertigen, barrierefreien und erschwinglichen Gesundheits-, Sozial- und Rechtsdienstleistungen für ältere Menschen erleichtern, mit besonderem Augenmerk auf die Bekämpfung des Armutsrisikos insbesondere für ältere Frauen aufgrund des geschlechtsspezifischen Lohngefälles im Laufe ihres Arbeitslebens; betont, dass deren selbständige Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten sichergestellte sein sollte und sie in der Lage sein sollten, ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten in vollem Umfang und in würdevoller Weise wahrzunehmen;

Recht auf Nahrung, Wasser und Sanitärversorgung

66.  weist erneut darauf hin, dass das Recht auf Nahrung, sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung, einschließlich des physischen und wirtschaftlichen Zugangs zu sichererer und angemessener Nahrung, Wasser und Hygienesystemen, ein international anerkanntes Menschenrecht ist; ist äußerst besorgt über die weltweiten Herausforderungen für das Recht auf Nahrung, insbesondere in Kriegs- und Konfliktsituationen sowie bei durch den Klimawandel hervorgerufenen Naturkatastrophen und extremen Wetterverhältnissen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich im Rahmen des UN-Systems für verbindliche Leitlinien zum Recht auf Nahrung einzusetzen; fordert die Verabschiedung öffentlicher Maßnahmen zur Bekämpfung von Hunger, insbesondere unter Kindern, unter anderem durch eine Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, um auf globale Ernährungsunsicherheit zu reagieren, und eine rasche Bereitstellung von Hilfe für die von Hunger und Unterernährung bedrohten Bevölkerungsgruppen;

67.  fordert die Union, ihre Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, ihre Anstrengungen unverzüglich zu verstärken, um den Trend der sich abzeichnenden ernsten Nahrungsmittelknappheit zu stoppen; betont, dass sich die Ernährungssicherheit durch die vielen Konflikte weltweit verschlechtert hat, einschließlich der aktuellen Konflikte in Ländern, die große globale Exporteure von primären Lebensmitteln, insbesondere von Getreide, sind, was enorme Auswirkungen in einigen Gebieten auf der Welt hat; verurteilt nachdrücklich den Einsatz der Ernährungsunsicherheit und entsprechender Drohungen als politisches Kriegsinstrument sowie die negativen Auswirkungen von Spekulationen mit Lebensmittelpreisen; fordert insbesondere eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen, um allen Bewohnern einen ununterbrochenen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser zu ermöglichen;

Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt

68.  betont, dass die Klimakrise und ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die biologische Vielfalt direkte Auswirkungen auf die tatsächliche Wahrnehmung aller Menschenrechte haben und dass diese Fragen miteinander verknüpft und voneinander abhängig sind; fordert, rasch Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und des Kapazitätsaufbaus in dieser Hinsicht zu beschließen, wie in Resolution 76/300 der Generalversammlung der Vereinten Nationen dargelegt; würdigt die besonders wichtige Arbeit von Organisationen der Zivilgesellschaft, von Menschenrechtsverteidigern im Umweltbereich und von indigenen Aktivisten für den Erhalt und Schutz der Umwelt und der biologischen Vielfalt; bedauert die Gefahr und verurteilt alle Formen von Gewalt, denen Menschenrechtsverteidiger im Umweltbereich ausgesetzt sind, und fordert, dass ihr wirksamer Schutz sichergestellt wird; betont, dass die durch Umweltzerstörung und den Klimawandel verursachte Vertreibung von Menschen, die die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen und die Anfälligkeit für verschiedene Formen der Ausbeutung erhöht, wirksam angegangen werden muss; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen um die Unterstützung regionaler Mechanismen wie des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zu Umweltschützern und des Abkommens von Escazú(19) zu verstärken;

69.  fordert die EU, die Vereinten Nationen und regionale Menschenrechtsmechanismen auf, sich stärker für den Schutz von globalen Ökosystemen und Umweltschützern zu engagieren, insbesondere dort, wo sich der Klimawandel gravierend auf indigene und lokale Gemeinschaften auswirkt; fordert die EU auf, eine Initiative für internationale Beobachter auf der Ebene der Vereinten Nationen voranzutreiben, um schwerwiegende Umweltschäden oder -krisen oder Situationen zu überwachen, in denen Umweltrechtsverteidiger am stärksten gefährdet sind, und die staatlichen Stellen bei der Schaffung von Schutzbedingungen für diese Personen einzubeziehen und zu unterstützen;

70.  legt der EU und den Mitgliedstaaten nahe, die Anerkennung des „Ökozids“ als internationales Verbrechen im Sinne des Römischen Statuts des IStGH zu fördern;

71.  erinnert daran, dass die Umstellung auf saubere Energie fair erfolgen muss und dabei die Grundrechte aller Menschen gewahrt werden müssen; betont, dass die Gestaltung und Durchführung von Maßnahmen und Projekten zur Umstellung auf saubere Energie so erfolgen sollten, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht noch zunehmen und die Umwelt nicht geschädigt wird;

Menschenrechte und digitale Technologien

72.  ist besorgt über die Bedrohung, die künstliche Intelligenz (KI) für Demokratien und Menschenrechte darstellen kann, insbesondere wenn sie nicht ordnungsgemäß geregelt ist; begrüßt die Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Juni 2023, mit denen darauf abgezielt wird, die Rolle und die Führungsrolle der EU bei der globalen digitalen Governance zu stärken, insbesondere ihre Position als Gestalterin des globalen digitalen Regelwerks, und begrüßt in diesem Sinne den Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für KI, mit denen die Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Privatleben und auf Nichtdiskriminierung, und die Vorteile, die KI für das menschliche Wohlergehen bieten kann, geschützt werden müssen; hebt hervor, dass für neue und aufstrebende Technologien wie Spähsoftware dringend eine Überwachung, ausgeprägte Transparenz und angemessene Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind; unterstreicht, wie wichtig ein menschenrechtsbasierter Ansatz für diese Technologien ist; verurteilt den Einsatz neuer und aufstrebender Technologien als Zwangsmittel zur verstärkten Schikane, Einschüchterung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern, Aktivisten, Journalisten, Anwälten und Minderheiten; vertritt den festen Standpunkt, dass die Ausfuhr von Spähsoftware aus der Union in Drittländer, in denen solche Instrumente gegen Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Regierungskritiker eingesetzt werden, einen schweren Verstoß gegen die in der Charta verankerten Grundrechte und eine eklatante Verletzung der Ausfuhrbestimmungen der Union darstellt;

73.  bedauert unter anderem die Praxis autoritärer und totalitärer Regime, den Zugang der Bürger zum Internet zu beschränken, einschließlich Internet-Blockaden bei öffentlichen Versammlungen und Protesten; besteht darauf, dass ein offener, freier, stabiler und sicherer Cyberraum wichtig ist, in dem die grundlegenden Werte der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden; betont, dass es wichtig ist, dass ein menschenrechtsbasierter Ansatz in Bezug auf digitale Technologie von der digitalen Diplomatie der EU vorangetrieben wird;

74.  ist besorgt über Cyberangriffe, die als hybride Bedrohung gelten, oft eingesetzt werden, um kritische Dienste und Infrastrukturen für die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft zu ziehen; ist besorgt über die Zunahme dieses Phänomens, da es auch zu Verletzungen der digitalen Rechte der Bevölkerung und zu einer Verschärfung der Offline-Gewalt führen kann;

75.  fordert die Kommission und den EAD auf, die Annahme von Gesetzen in Bezug auf Desinformation und Hassrede in Nicht-EU-Ländern zu fördern, um Rede, mit der zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt aus Gründen der Rasse, ethnischen Zugehörigkeit, Nationalität, sozialen Klasse, einer Behinderung, der Kaste, Religion, Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Ausrichtung oder Geschlechtsidentität angestiftet wird, ausdrücklich zu verbieten und zu bestrafen, und Technologiekonzerne und Social-Media-Plattformen dazu zu drängen, eine Online-Umgebung zu fördern, in der die Menschenrechte geachtet werden;

Stärkung des Instrumentariums der EU für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und der Demokratie in der Welt

EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie

76.  stellt fest, dass die bisherige Umsetzung des EU-Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie durch die EU und ihre Mitgliedstaaten zwar beträchtlich ist, aber immer noch hinter den Erwartungen zurückbleibt und wegen des Fehlens terminierter und konkreter Ziele weiterhin schwer zu bewerten ist; nimmt die Bemerkung über die beispiellosen Herausforderungen in der Halbzeitüberprüfung des Aktionsplans, die die Welt seit seiner Annahme erlebt hat, und dass der Schutz der Menschenrechte in den letzten Jahren allgemein zurückgegangen ist, zur Kenntnis, unterstreicht jedoch, dass dies dazu führen sollte, die Umsetzung des Aktionsplans für seine verbleibende Laufzeit zu verbessern, um die Synergien und die Komplementarität zwischen Menschenrechten und Demokratie auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu maximieren; begrüßt die Bewertung des Handelns der EU in Bezug auf Menschenrechtsverteidiger im Rahmen der Überarbeitung; fordert, dass die Verteidigung und Förderung der Universalität der Menschenrechte in die Säulen des nächsten EU-Aktionsplan aufgenommen wird, wobei besonderes Augenmerk auf die Narrative und Instrumente gelegt werden sollte, die von autoritären und illiberalen Regimen bei ihren diesbezüglichen Angriffen eingesetzt werden; betont, dass die Lücke zwischen der strategischen Vision und den Zielen des Aktionsplans und seiner operativen Dimension geschlossen werden muss; betont, dass die Mitgliedstaaten an dem EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie mitwirken und öffentlich Rechenschaft über ihre Maßnahmen im Rahmen dieses strategischen Dokuments ablegen müssen; fordert die nationalen und regionalen Parlamente, nationale Menschenrechtsinstitutionen und lokale zivilgesellschaftliche Organisationen auf, hinsichtlich ihres Beitrags zur auswärtigen Menschenrechtspolitik der EU auf mitgliedstaatlicher Ebene mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten;

EU-Sonderbeauftragter (EUSR) für Menschenrechte

77.  unterstützt voll und ganz die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, die dazu beiträgt, die Sichtbarkeit und Kohärenz der Menschenrechtsmaßnahmen der EU in den Außenbeziehungen der EU zu verbessern; fordert den EAD auf, seine Rolle zu stärken und seine Sichtbarkeit bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte zu erhöhen, wenn er mit Drittländern und gleichgesinnten Partnern zusammenarbeitet und die Umsetzung des Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie steuert; fordert mehr Rechenschaftspflicht, Transparenz und Sichtbarkeit des Mandats, unter anderem durch öffentliche Berichterstattung über Länderbesuche, Arbeitsprogramme und Prioritäten; ist der Ansicht, dass der Umfang des Mandats die Ernennung eines Vollzeit-Mandatsträgers rechtfertigt; besteht darauf, dass die Ernennung des nächsten EU-Sonderbeauftragten erst nach einer positiven Bewertung durch den parlamentarischen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und seinen Unterausschuss für Menschenrechte bestätigt wird und dass der EU-Sonderbeauftragte dem Parlament regelmäßig Bericht erstattet;

Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt und das thematische Programm für Menschenrechte und Demokratie

78.  weist erneut auf die grundlegende Rolle hin, die das Instrument „NDICI/Europa in der Welt“, einschließlich seines thematischen Programms für Menschenrechte und Demokratie, als Vorzeigeinstrument der EU bei der Förderung und dem Schutz von Menschenrechten und Demokratie in der ganzen Welt spielt; fordert im Lichte der gegenwärtig rückschrittlichen globalen Trends erneut eine stärkere Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen, prodemokratische Aktivisten und Medienorganisationen, auch im Wege des Europäischen Demokratiefonds; unterstreicht, dass der Einbeziehung der Zivilgesellschaft und anderer lokaler Partner in alle relevanten außenpolitischen Aktivitäten der EU große Bedeutung zukommt; bekräftigt, dass es wichtig ist, die Instrumente des auswärtigen Handelns der EU auf einen menschenrechtsbasierten Ansatz auszurichten;

79.  fordert erneut mehr Transparenz in Bezug auf menschenrechtsbezogene Bestimmungen in Finanzierungsabkommen im Rahmen des Instruments „NDICI/Europa in der Welt“ und eine Klärung des Mechanismus und der Kriterien für die Aussetzung solcher Abkommen im Fall einer Verletzung der Menschenrechte, der demokratischen Grundsätze und der Rechtsstaatlichkeit; unterstreicht, dass die EU strikt von Budgethilfen zur Unterstützung von Regimen absehen sollte, die die internationalen Normen im Bereich der Menschenrechte, der Demokratie und der Korruptionsbekämpfung grob missachten; betont, dass die Unterstützung in solchen Fällen stattdessen über die Zivilgesellschaft bereitgestellt werden sollte; fordert die EU auf, etwaige Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit ihren Strategien, Projekten und Finanzierungen in Drittstaaten sorgfältig zu prüfen und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, und zwar unter anderem durch die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus für Einzelpersonen oder Gruppen, deren Rechte durch Aktivitäten der EU in diesen Ländern verletzt worden sein könnten;

80.  weist darauf hin, dass sich die EU dazu bekannt hat, in ihrem auswärtigen Handeln im Rahmen des Instruments „NDICI/Europa in der Welt“ den Übergang von einer Heimunterbringung zu einer Betreuung in der Familie und einer gemeindenahen Betreuung zu fördern; fordert die EU-Institutionen daher mit Nachdruck auf, jegliche Finanzierung an Institutionen – einschließlich für Modernisierungen, Neubau oder Renovierungen – auszuschließen, wenn die Institution nicht an einem Deinstitutionalisierungsprozess teilnimmt;

Internationale Übereinkommen der EU

81.  betont, dass Menschenrechtsklauseln kohärent in allen internationalen Übereinkommen der EU mit Drittländern gelten sollten, einschließlich sektoraler und Investitionsübereinkommen, und dass diese genau überwacht und durch eine Reihe klarer Maßstäbe und Verfahren unterstützt werden sollten, die im Falle von Menschenrechtsverletzungen zu befolgen sind, und eine Grundlage für die praxisgerechte und flexible Zusammenarbeit mit einem Drittland in Menschenrechtsfragen bieten sollten; stellt fest, dass die EU die Menschenrechtsklauseln bis 2014 bei zwei Dutzend Gelegenheiten förmlich aktiviert und seither nur einmal „geeignete Maßnahmen“ im Rahmen dieser Klauseln ergriffen hat; bekräftigt, dass die EU im Falle schwerer und anhaltender Verstöße gegen Menschenrechtsklauseln durch ihre Partnerländer rasch und entschlossen reagieren sollte, wobei sie in letzter Instanz – wenn sich andere Optionen als unwirksam erweisen – auf eine Aussetzung der betreffenden Übereinkommen zurückgreifen sollte;

82.  fordert die Umsetzung des Vorschlags der EU-Bürgerbeauftragten betreffend die Einrichtung eines Portals zur Bearbeitung von Beschwerden im Rahmen der handelspolitischen und der Finanzierungsinstrumente der EU und die Anpassung der einzigen Anlaufstelle der Kommission, um eine Einreichung von Beschwerden wegen mangelnder Einhaltung von Menschenrechtsklauseln zu ermöglichen, die zugänglich, bürgerfreundlich und transparent sein sollten; ermutigt die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten, weiter mit dem Bürgerbeauftragten zusammenzuarbeiten, um neue Strategien und Instrumente für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte durch Handel zu entwickeln; fordert die Kommission auf, ihre Erwägungen und Beschlüsse hinsichtlich der Durchsetzung von Menschenrechtsklauseln in internationalen Übereinkommen gegenüber dem Parlament besser zu kommunizieren;

EU-Menschenrechtsdialoge

83.  betont, dass die Menschenrechtsdialoge eine wichtige Rolle im Rahmen des Menschenrechtsinstrumentariums der EU spielen und ein Schlüsselinstrument für die Umsetzung des EU-Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie sind; hebt hervor, dass diese Dialoge mit den betreffenden Ländern die Situation aller Menschenrechte und der Demokratie behandeln sollten; hebt die Rolle unabhängiger zivilgesellschaftlicher Organisationen und die Notwendigkeit hervor, ihre rechtmäßige Teilnahme durch die Vor- und Nachbereitung dieser Dialoge sicherzustellen; betont, dass es bei der Teilnahme der Zivilgesellschaft in dieser Hinsicht keine Diskriminierung geben darf; stellt fest, dass Menschenrechtsdialoge als Schlüsselelement eines nachhaltigen EU-Engagements und nicht als Pflichtübung oder eigenständiges Instrument betrachtet werden sollten; weist erneut darauf hin, dass diese Dialoge in Verbindung und in Synergie mit anderen Instrumenten eingesetzt werden müssen und ergebnisorientiert geführt und regelmäßig überprüft werden sollten; betont, dass das Nichterreichen konkreter Ergebnisse Folgen für die umfangreichere Gestaltung der bilateralen Beziehungen haben sollte; bekräftigt die Notwendigkeit, Einzelfälle zur Sprache zu bringen, einschließlich jener, die in den Dringlichkeitsentschließungen des Europäischen Parlaments genannt werden, oder auch die Träger und Finalisten des Sacharow-Preises, sowie für angemessene Folgemaßnahmen zu sorgen; fordert den EUSR und die Delegationen der Europäischen Union auf, die Öffentlichkeitswirksamkeit dieser Dialoge und ihrer Ergebnisse unter anderem durch die Veröffentlichung einer gemeinsamen Presseerklärung zu erhöhen und für angemessene Folgemaßnahmen zu sorgen;

Globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (EU-Magnitski-Rechtsakt)

84.  stellt fest, dass die globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (EU-Magnitski-Rechtsakt) bisher nur in begrenztem Umfang als wichtiges politisches Instrument für die Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie in der ganzen Welt durch die EU eingesetzt wurde; stellt jedoch fest, dass das Erfordernis der Einstimmigkeit bei der Verabschiedung dieser Beschlüsse eine Herausforderung darstellt, und bekräftigt seine Forderung nach der Einführung der qualifizierten Mehrheit für Beschlüsse über die globale Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte; fordert, dass dieses Instrument dynamischer und kohärenter eingesetzt wird, auch in Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern; fordert den Rat auf, den Entschließungen des Parlaments zum Ausdruck gebrachten Forderungen nach Sanktionen nachzukommen; unterstützt voll und ganz die Möglichkeit, gezielte Sanktionen zur Korruptionsbekämpfung bei schweren Menschenrechtsverletzungen zu verhängen, was seit langem eine Priorität des Parlaments ist, und begrüßt den diesbezüglichen Vorschlag der Kommission und fordert seine rasche Annahme durch den Rat, sei es durch die Aufnahme in die globale Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte oder durch eine andere Regelung;

85.  hebt hervor, dass die konsequente und einheitliche Anwendung von Sanktionen durch alle Mitgliedstaaten Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des außenpolitischen Handelns der EU hat; unterstreicht, dass der vollständigen Durchsetzung von Sanktionen große Bedeutung zukommt, und fordert, dass gegen Verstöße und Umgehungen wirksam vorgegangen wird;

Maßnahmen zur Demokratieförderung

86.  bekräftigt seine Besorgnis über die zunehmenden Angriffe autoritärer, totalitärer und illiberaler Regime auf die demokratischen Institutionen und Standards und die Zivilgesellschaft sowie Versuche, internationale Normen umzuschreiben; betont, dass die Verteidigung und Unterstützung der Demokratie in der ganzen Welt zunehmend von geopolitischem und strategischem Interesse ist; ist der Ansicht, dass mehr Anstrengungen zur Bewusstseinsbildung in Bezug auf die Aushöhlung der demokratischen Kultur in Drittländern unternommen werden müssen und weist erneut darauf hin, dass das diesbezügliche Bewusstsein gestärkt werden muss; weist erneut auf die Bedeutung von EU-Wahlbeobachtungsmissionen und den Beitrag des Parlaments hin, um deren Methodik zu entwickeln und zu verbessern; fordert die Drittstaaten dazu auf, die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmissionen oder anderer anerkannter internationaler Gremien umzusetzen, um ihre künftigen Wahlprozesse zu verbessern und auf diese Weise zu deren Transparenz und Rechtmäßigkeit beizutragen und so den Stand der Demokratie des betreffenden Staates zu stärken; begrüßt die Arbeit des Europäischen Demokratiefonds und fordert erneut, dass seine Tätigkeiten und Ressourcen ausgebaut werden müssen;

EU-Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger und Organisationen der Zivilgesellschaft

87.  ist äußerst besorgt über die Angriffe und Schikanen gegenüber Menschenrechtsverteidigern sowie deren Familien, Gemeinschaften und Anwälten und hält die immer raffinierteren Mittel, die zu ihrer Verfolgung eingesetzt werden, für besonders bedenklich; verurteilt auf Schärfste Gesetze, darunter Gesetze zur Terrorismusbekämpfung, nationale Sicherheitsgesetze und Gesetze zum Schutz vor Verleumdung, die dazu verwendet werden, gegen Menschenrechtsverteidiger und nichtstaatliche Organisationen vorzugehen, ihre Arbeit zu kriminalisieren und sie zu stigmatisieren; bedauert, dass nichtstaatliche Organisationen aufgrund von Gesetzesbestimmungen in Drittländern, etwa Gesetze über ausländische Agenten und ähnliche Rechtsvorschriften, bei ihrer legitimen Tätigkeit mit Schikanen und anderen Einschränkungen konfrontiert sind; unterstützt und lobt die Menschenrechtsverteidiger und dankt ihnen von ganzem Herzen für die mutige und wichtige Arbeit, die sie leisten, und für die Maßnahmen der EU, die ihren Schutz weltweit gewährleisten; fordert die vollständige und konsequente Anwendung der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern durch die EU und ihre Mitgliedstaaten, wodurch ein proaktiver, ganzheitlicher und langfristiger Ansatz beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern gefördert wird, mit dem ernsthafte Probleme, wie gegen Menschenrechtsverteidiger gerichtete Anschläge und Bedrohungen, die oft mit hohen persönlichen Kosten für sie, ihre Familien und Gemeinschaften verbunden sind, vorhergesehen und entschärft werden; unterstreicht, dass eine umfassende und zeitnahe Überarbeitung der Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern dringend nötig ist, um die neuen Herausforderungen und Bedrohungen anzugehen und deren Anwendbarkeit und Wirksamkeit beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern weltweit sicherzustellen, und gleichzeitig geschlechtersensible und intersektionale Ansätze in die aktualisierten Leitlinien einzubauen, die die unterschiedlichen Hintergründe und Erfahrungen von Menschenrechtsverteidigern widerspiegeln und ihre eventuell gegebene besondere Schutzbedürftigkeit berücksichtigen;

88.  hebt hervor, dass sich das Phänomen weltweit ausbreitet, dass Menschenrechtsverteidiger grenzüberschreitend von ihren nationalen Behörden oder deren Handlangern bedroht werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, mit Vorrang und als wesentlichen Aspekt der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern derlei Bedrohungen in der Union zu identifizieren und gegen derlei Bedrohungen vorzugehen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, aus Drittländern stammenden und in der Union ansässigen Menschenrechtsverteidigern angemessene finanzielle und sonstige Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Menschenrechtsarbeit von hier aus fortsetzen können, ohne Vergeltungsmaßnahmen fürchten zu müssen; betont, dass Beamte und Bedienstete von Drittländern, die Menschenrechtsverteidiger in der EU schikanieren, sowie ihre lokalen Helfershelfer, seien es Personen oder Einrichtungen, zur Rechenschaft gezogen werden sollten; hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Strafverfolgungsbehörden geschult und mit Ressourcen ausgestattet werden, um gegen diese grenzüberschreitenden Angriffe vorzugehen;

89.  besteht darauf, dass der EAD, die Kommission und die EU-Delegationen der Situation der gefährdeten Sacharow-Preisträger und -Finalisten besondere Aufmerksamkeit widmen und in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und dem Parlament entschlossene Maßnahmen ergreifen müssen, um ihr Wohlbefinden, ihre Sicherheit oder Befreiung sicherzustellen;

90.  fordert, dass Anstrengungen unternommen werden, um die Sichtbarkeit der EU-Maßnahmen und -Kanäle zum Schutz und zur Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern zu erhöhen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und robuste und wirksame nationalen Leitlinien und Gesetze in Bezug auf Menschenrechtsverteidiger auszuarbeiten, die Modellcharakter für andere Nationen haben; erkennt die gemeinsame Verantwortung des EAD, der Kommission und der Mitgliedstaaten bei der Sicherstellung einer wirksamen Umsetzung der Leitlinien der EU in Bezug auf Menschenrechtsverteidiger an und fordert die EU auf, bei Menschenrechtsverteidigern einen Ansatz zu verfolgen, der voll und ganz dem Konzept „Team Europa“ entspricht; unterstützt voll und ganz die „ProtectDefenders.eu“-Mechanismen und fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die Schaffung ähnlicher Mechanismen in gleichgesinnten Ländern sowie gemeinsame Aktivitäten der Union, ihrer Mitgliedstaaten und Drittländer zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zu fördern; hält es für sehr wichtig, dass die EU-Sonderbeauftragten mit den nationalen Behörden über den Schutz der Menschenrechte und Einzelfälle sprechen; bekräftigt seine Forderung an die Kommission, eine proaktive Rolle bei der Einführung eines EU-weiten Systems von Visa für die mehrfache Einreise von gefährdeten Menschenrechtsverteidigern zu übernehmen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Verfahren innerhalb ihrer diplomatischen Missionen zu verbessern, um schnelle, verständliche, zugängliche und durchführbare Verfahren zur Beantragung eines Visums zu gewährleisten; fordert darüber hinaus die Mitgliedstaaten auf, gemeinsam eine eigene Kategorie im EU-Visakodex zu schaffen und in diesen zu integrieren, damit die Visumverfahren zu straffen und die Einheitlichkeit des EU-Verfahrens zur Beantragung eines Visums zu fördern; fordert die Vizepräsidentin der Kommission/den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem Parlament jährlich eine Liste jener Länder aufzustellen, die in Bezug auf Menschenrechtsverteidiger Anlass zu Sorge geben, um eine koordinierte Team-Europa-Reaktion, den Zugang zu Ressourcen, eine verbesserte Überwachung, spezifische Strategien und mehr Unterstützung auf allen Ebenen zu ermöglichen; fordert, dass diese Liste auf transparente Art und Weise im Parlament vorgelegt und überprüft wird, um der Rechenschaftspflicht Genüge zu tun;

91.  missbilligt, dass Menschenrechtsverteidigerinnen mit geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind und sie unter dem mangelndem Zugang zu angemessen Ressourcen und Schutzmechanismen zu leiden haben; verurteilt die anhaltenden Angriffe auf Menschenrechtsverteidigerinnen, einschließlich sexueller Übergriffe, Drohungen, Einschüchterung, Kriminalisierung und Tötungen; bestätigt, das die Zunahme frauenfeindlicher, sexistischer und homophober Äußerungen unter Spitzenpolitikern zu einer Normalisierung von Gewalt gegen Menschenrechtsverteidigerinnen, insbesondere gegen jene, die im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte tätig sind, geführt hat; betont, dass die EU weiterhin zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen, politisch und finanziell unterstützen muss;

Bekämpfung der Straflosigkeit und der Korruption

92.  betont, dass durch Korruption, die die schwächsten und am stärksten ausgegrenzten Personen und Gruppen der Gesellschaft unverhältnismäßig stark betrifft, Menschenrechtsverletzungen begünstigt, aufrechterhalten und institutionalisiert und demokratische Institutionen ausgehöhlt werden; fordert, den Kampf gegen Korruption in alle Anstrengungen und Maßnahmen der EU zur Förderung der Menschenrechte und der Demokratie zu integrieren; begrüßt die Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im Rahmen der EU-Außenpolitik, einschließlich der Möglichkeit der Verhängung gezielter Sanktionen zur Korruptionsbekämpfung, in der gemeinsamen Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 3. Mai 2023 zur Korruptionsbekämpfung (JOIN(2023)0012); fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Anstrengungen bei Justizreformen, der Bekämpfung von Straflosigkeit, der Verbesserung der Transparenz und der Korruptionsbekämpfungsinstitutionen in Drittländern zu intensivieren und die Rolle bestimmter in der EU ansässiger Akteure in diesem Zusammenhang zu thematisieren; unterstützt die in den Handelsabkommen der EU mit Nicht-EU-Ländern enthaltenen Bestimmungen zur Korruptionsbekämpfung; betont, dass die Vorbildwirkung der EU und ihrer Mitgliedstaaten von größter Bedeutung ist, indem sie die höchsten Transparenznormen für ihre externe Finanzierung anwenden und ihre Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen, Aktivisten und investigative Journalisten, die sich für die Bekämpfung von Korruption und Straflosigkeit einsetzen, verstärken sowie die Einrichtung wirksamer globaler Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen und solider regulatorischer Rahmenbedingungen sowie die Bekämpfung von Geheimhaltungssystemen und Steueroasen fördern; fordert eine Stärkung der Zusammenarbeit mit wichtigen internationalen Akteuren in dieser Hinsicht, wie der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), um die Synergien und den Austausch bewährter Verfahren in Bezug auf Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen zu verbessern;

Maßnahmen der EU im Rahmen multilateraler Gremien

93.  weist erneut darauf hin, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten bei den Vereinten Nationen und in anderen multilateralen Foren mit einer Stimme sprechen müssen; ist äußerst besorgt wegen der zunehmenden Angriffe auf multilaterale Institutionen, wie VN-Organe und insbesondere das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, durch autoritäre und illiberale Regime im Versuch, deren Arbeit und Legitimität zu untergraben; begrüßt die anhaltende Unterstützung der EU und ihrer Mitgliedstaaten für die Vereinten Nationen und andere multilaterale Institutionen sowie den anhaltenden und zunehmenden strategischen Dialog und die Zusammenarbeit mit dem Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte; befürwortet nachdrücklich das Einbringen von VN-Resolutionen durch die EU im Bereich der Menschenrechte und Demokratie; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, konkrete Schritte zu setzen, um die internationale Menschenrechtsarchitektur sowie die konsequente Umsetzung internationaler Verpflichtungen und Instrumente im Bereich der Menschenrechte zu stärken und widerstandsfähiger zu gestalten; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, zusätzlich zu dem bzw. den bereits von Mitgliedstaaten der Union gehaltenen, für einen eigenen und ständigen Sitz der Union in multilateralen Foren einzutreten und für eine stärkere Koordinierung zu sorgen, auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen; fordert, dass die EU-Delegationen eine stärkere Rolle in multilateralen Foren spielen, wofür ihnen angemessene Mittel zur Verfügung stehen sollten;

94.  betont, dass ein wirksamer Schutz der Menschenrechte weltweit eine internationale Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene erfordert; betont die besonders wichtige Rolle der Vereinten Nationen und ihrer Gremien als wichtigstes Forum, das in der Lage sein muss, die Bemühungen um Frieden und Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und die Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts wirksam voranzubringen; weist erneut darauf hin, dass alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet sind, alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen, wie in der Charta der Vereinten Nationen und in der Resolution 60/251 der Generalversammlung der Vereinten Nationen verankert; betont die Verantwortung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen, gegen alle schweren Menschenrechtsverletzungen in der Welt vorzugehen; bedauert, dass mehrere Mitglieder des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in der Vergangenheit schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen haben und ihre Menschenrechtsverpflichtungen nicht einhalten; fordert eine bessere Anwendung der Kriterien, die für die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gelten; fordert den EAD auf, eine Bemühung hin zu einer koordinierten Position der EU und der Mitgliedstaaten zu einer VN-Menschenrechtsrat-Mitgliedschaft zu initiieren und anzuführen, was eine größere Transparenz und einen leistungsorientierten Wettbewerb des Wahlvorgangs fördern würde; fordert, dass die Organe der EU, einschließlich er selbst, die Beziehungen und die enge Zusammenarbeit mit diesen Organen der Vereinten Nationen weiter ausbauen;

95.  hebt die Arbeit der durch ein Mandat der Vereinten Nationen eingesetzten Untersuchungskommissionen und Ermittlungsmissionen hervor, auf die immer häufiger zurückgegriffen wird, um auf schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen zu reagieren und Straflosigkeit zu bekämpfen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die Arbeit der Vereinten Nationen, einschließlich der Sonderverfahren und Vertragsorgane, sowohl politisch als auch finanziell weiterhin zu unterstützen; verurteilt alle Angriffe gegen Mandatsträger des Sonderverfahrens der Vereinten Nationen und gegen die Unabhängigkeit ihrer Mandate aufs Schärfste; fordert die EU-Mitgliedstaaten und die demokratischen Partner der EU auf, deutlich gegen diese Versuche vorzugehen, und alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um dabei zu helfen, sichere und offene Räume für die Interaktion von Einzelpersonen und Organisationen der Zivilgesellschaft mit den Vereinten Nationen und ihren Vertretern sowie Verfahren zu schaffen;

96.  fordert die Union und die Mitgliedstaaten auf, die Stärkung der regionalen Menschenrechtssysteme zu unterstützen, unter anderem durch finanzielle Hilfe und einen regionenübergreifenden Erfahrungsaustausch; hebt insbesondere die entscheidende Rolle der im Rahmen dieser regionalen Systeme eingerichteten Überwachungsorgane und Justizmechanismen und deren Komplementarität mit dem Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen hervor;

97.  begrüßt die politische und finanzielle Unterstützung, die die EU dem IStGH, einschließlich der Anklagebehörde des IStGH, gewährt hat; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, den IStGH weiterhin mit den erforderlichen Mitteln und Ressourcen, sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht, zu unterstützen und alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, um den Kampf gegen die Straflosigkeit weltweit zu verstärken; begrüßt den Beitrag des IStGH zur Bekämpfung von Straflosigkeit auf der ganzen Welt; befürwortet den Beitrag der EU zu Untersuchung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen des IStGH; verurteilt die Versuche, die Arbeit und Legitimität des IStGH zu untergraben; fordert die Union und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Verbündeten dazu zu animieren, das Römische Statut und seine Änderungen zu ratifizieren und auf diese Weise die Zuständigkeit des Strafgerichtshofs zu erweitern;

Konzept „Team Europa“

98.  bedauert, dass in den Botschaften der Mitgliedstaaten und in den EU-Delegationen unterschiedliche Ansätze zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte in Nicht-EU-Ländern zu beobachten sind; unterstreicht, dass die Botschaften der Mitgliedstaaten die Förderung und den Schutz der Menschenrechte zu einer Priorität machen und dabei auch die Zivilgesellschaft in Nicht-EU-Ländern unterstützen sollten: stellt fest, dass diese Verantwortung nicht ausschließlich bei den EU-Delegationen liegen sollte; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, den Menschenrechten in wirksamer Weise eine zentrale Stellung in allen Maßnahmen und Instrumenten der EU einzuräumen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte und der Demokratie weltweit zu verstärken; betont, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten in vereinter Weise mit einer Stimme sprechen und wirkungsvoll handeln müssen, wenn es darum geht, globale Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte und Demokratie in multilateralen Foren anzugehen; fordert in Menschenrechtsbelangen eine umfassende Koordinierung zwischen allen Delegationen der Mitgliedstaaten und den EU-Delegation in Drittländern; fordert die EU-Delegationen und die diplomatischen Missionen der Mitgliedstaaten der EU auf, bei der Förderung und Verteidigung der Menschenrechte proaktiver zu handeln;

99.  betont, wie wichtig es ist, die anhaltende Segmentierung der EU-Außenbeziehungen in Bezug auf die Menschenrechte anzugehen; fordert eine bessere Koordinierung in Menschenrechtsfragen zwischen der Generaldirektion Internationale Partnerschaften der Kommission und dem EAD mit anderen maßgeblichen Generaldirektionen, einschließlich der Generaldirektion Handel und der Generaldirektion Migration und Inneres, sowie mit den relevanten EU-Agenturen, wie Frontex und EASO; begrüßt die verstärkte Koordinierung zwischen den EU-Delegationen und der Zentrale des EAD sowie der Generaldirektion für internationale Partnerschaften in Bezug auf dringende Fälle von Menschenrechtsverteidigern;

100.  ruft alle EU-Delegationen in Drittländern dazu auf, ihre Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger im Einklang mit den einschlägigen EU-Leitlinien zu verstärken und die in diesen Ländern inhaftierten Mitglieder der jeweiligen demokratischen Opposition, Aktivisten und Mitglieder der Zivilgesellschaft zu besuchen, ihre jeweilige Situation zu beobachten, den Gerichtsverfahren beizuwohnen und ihre Fälle in den Menschenrechtsdialogen, die die EU mit den betreffenden Staaten führt, anzusprechen;

101.  hebt die wichtige Rolle der Public Diplomacy und der Kulturdiplomatie der EU sowie der internationalen Kulturbeziehungen bei der Förderung der Menschenrechte hervor und fordert, dass die Abteilung für strategische Kommunikation und Vorausschau des EAD ihre diesbezüglichen Bemühungen verstärkt, wofür sie mit angemessenen Ressourcen ausgestattet werden sollte; betont, dass von der EU finanzierte oder unterstützte Menschenrechtsprogramme in Drittländern umfassend beworben werden müssen; erachtet es als äußerst wichtig, dass die EU-Menschenrechtsleitlinien in EU-Delegationen und den diplomatischen Missionen der Mitgliedstaaten umfassend umgesetzt werden;

102.  fordert die Kommission, den EAD und die Mitgliedstaaten auf, voll und ganz dem Konzept „Team Europa“ zu folgen, das vorsieht, sich regelmäßig in sinnvoller Weise mit dem Parlament auszutauschen und dieses einzubeziehen, wenn Sitzungen, Besuche oder andere offizielle oder inoffizielle Veranstaltungen stattfinden, und zwar im Einklang mit der Rolle des Europäischen Parlaments als einziges direkt gewähltes Organ der EU, das die Bürger der Europäischen Union vertritt;

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103.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Präsidenten der 77. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dem Präsidenten des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und den Delegationsleitern der Europäischen Union zu übermitteln.

(1) ABl. L 410 I vom 7.12.2020, S. 1.
(2) ABl. L 209 vom 14.6.2021, S. 1.
(3) ABl. C 303 vom 15.12.2009, S. 12.
(4) ABl. C 411 vom 27.11.2020, S. 30.
(5) ABl. C 404 vom 6.10.2021, S. 202.
(6) ABl. C 15 vom 12.1.2022, S. 70.
(7) ABl. C 15 vom 12.1.2022, S. 111.
(8) ABl. C 99 vom 1.3.2022, S. 152.
(9) ABl. C 117 vom 11.3.2022, S. 88.
(10) ABl. C, C/2023/409, 23.11.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/409/oj.
(11) ABl. C 342 vom 6.9.2022, S. 295.
(12) ABl. C 214 vom 16.6.2023, S. 77.
(13) ABl. C 465 vom 6.12.2022, S. 33.
(14) Universität Göteborg, „The world is becoming increasingly authoritarian – but there is hope“ (Die Welt wird immer autoritärer – aber es gibt Hoffnung), 2. März 2023 https://www.gu.se/en/news/the-world-is-becoming-increasingly-authoritarian-but-there-is-hope.
(15) https://goodhumanrightsstories.net/.
(16) Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl. L 335 vom 13.12.2008, S. 99).
(17) Verordnung (EU) 2021/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 über eine Unionsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Unterstützung der Durchfuhr und der Verbringung betreffend Güter mit doppeltem Verwendungszweck (ABl. L 206 vom 11.6.2021, S. 1).
(18) Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12).
(19) Das regionale Abkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Justiz in Lateinamerika und der Karibik vom 4. März 2018.


Finanztätigkeit der Europäischen Investitionsbank – Jahresbericht 2023
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zur Finanztätigkeit der Europäischen Investitionsbank – Jahresbericht 2023 (2023/2229(INI))
P9_TA(2024)0107A9-0031/2024

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 2 und 3 des Vertrags über die Europäische Union,

–  gestützt auf die Artikel 15, 126, 174, 175, 177, 208, 209, 271, 308 und 309 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie auf das Protokoll Nr. 5 zu den Verträgen über die Satzung der Europäischen Investitionsbank (EIB),

–  gestützt auf die Artikel 41 bis 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft,

–  unter Hinweis auf die Pressemitteilung der EIB vom 7. Oktober 2016, in der sie ihre Billigung der Ratifizierung des Übereinkommens von Paris durch die EU zum Ausdruck bringt,

–  unter Hinweis auf die am 3. März 2023 veröffentlichte Evaluierung der Operationen der EIB – Tätigkeitsbericht 2022 und Arbeitsprogramm 2023–2025,

–  unter Hinweis auf das am 13. November 2018 veröffentlichte Beschwerdeverfahren der EIB-Gruppe,

–  unter Hinweis auf die Veröffentlichung der EIB vom 8. Mai 2023 mit dem Titel „Finanzierungspolitik der EIB im Energiebereich“,

–  unter Hinweis auf den Klimabank-Fahrplan 2021-2025 der EIB-Gruppe, der am 11. November 2020 durch den Verwaltungsrat der EIB genehmigt wurde, und die Klimastrategie der EIB vom 15. November 2020,

–  unter Hinweis auf den am 2. Februar 2023 veröffentlichten operativen Plan der EIB-Gruppe für den Zeitraum 2023-2025,

–  unter Hinweis auf den am 28. Februar 2023 veröffentlichten Investitionsbericht 2022/2023 der EIB mit dem Titel „Resilienz und Neustart in Europa“,

–  unter Hinweis auf den am 2. Februar 2023 veröffentlichten Tätigkeitsbericht 2022 der EIB-Gruppe mit dem Titel „Ein sicheres Europa“,

–  unter Hinweis auf den am 2. Februar 2023 veröffentlichten Überblick der EIB über Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit 2023,

–  unter Hinweis auf den am 14. November 2022 veröffentlichten Umweltrahmen der EIB,

–  unter Hinweis auf den am 8. September 2023 veröffentlichten Bericht 2022 über Unternehmensführung und -kontrolle („Governance“) in der EIB-Gruppe,

–  unter Hinweis auf die Veröffentlichung der EIB vom 29. November 2023 mit dem Titel „Strategischer Fahrplan der EIB Global: EU-Finanzen für eine nachhaltige Zukunft“,

–  unter Hinweis auf das am 27. November 2023 veröffentlichte Konzept der EIB Global für einen gerechten Übergang und eine gerechte Resilienz,

–  unter Hinweis auf den am 9. August 2023 veröffentlichten Bericht 2022 über die Offenlegung des Risikomanagements der EIB-Gruppe,

–  unter Hinweis auf die EIB-Klimaumfrage 2022-2023,

–  unter Hinweis auf den am 2. Februar 2022 angenommenen Rahmen der EIB-Gruppe für ökologische und soziale Nachhaltigkeit mit dem Titel „Umwelt- und Sozialleitlinien der EIB-Gruppe“,

–  unter Hinweis auf die Veröffentlichung der EIB vom 10. Februar 2023 mit dem Titel „EIB Global – Partnerschaften, Menschen, Wirkung“,

–  unter Hinweis auf den am 6. Februar 2023 veröffentlichten Ansatz zu Menschenrechtsfragen der EIB,

–  unter Hinweis auf den Bericht der EIB vom 29. Juni 2023 mit dem Titel „Aktivitäten der EIB-Gruppe in EU-Kohäsionsregionen im Jahr 2022“,

–  unter Hinweis auf die Strategie der EIB-Gruppe zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Frau sowie ihren Aktionsplan für die Gleichstellung,

–  unter Hinweis auf den am 3. Februar 2023 veröffentlichten Verhaltenskodex für das Personal der EIB-Gruppe,

–  unter Hinweis auf den am 30. November 2021 veröffentlichten Verhaltenskodex für den Prüfungsausschuss der EIB-Gruppe,

–  unter Hinweis auf den am 14. Oktober 2021 veröffentlichten Verhaltenskodex für das Direktorium der EIB-Gruppe,

–  unter Hinweis auf die Veröffentlichung der EIB vom 27. November 2023 mit dem Titel „PATH-Rahmen der EIB-Gruppe, Fassung 1.2 November 2023 – Unterstützung für Geschäftspartner bei der Paris-Ausrichtung“,

–  unter Hinweis auf das Solidaritätspaket der EIB für die Ukraine, das am 4. März 2022 vom Verwaltungsrat der EIB gebilligt wurde,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Mai 2020 mit dem Titel „EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 – Mehr Raum für die Natur in unserem Leben“ (COM(2020)0380),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Mai 2020 mit dem Titel „Vom Hof auf den Tisch – eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem“ (COM(2020)0381),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. Mai 2021 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einem gesunden Planeten für alle – EU-Aktionsplan: ‚Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden‘“ (COM(2021)0400),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 1. Februar 2023 mit dem Titel „Ein Industrieplan zum Grünen Deal für das klimaneutrale Zeitalter“ (COM(2023)0062),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/1056 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 zur Einrichtung des Fonds für einen gerechten Übergang(1),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/1229 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juli 2021 über die Darlehensfazilität für den öffentlichen Sektor im Rahmen des Mechanismus für einen gerechten Übergang(2),

–  unter Hinweis auf die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung,

–  unter Hinweis auf die Drei-Parteien-Vereinbarung zwischen der Kommission, dem Europäischen Rechnungshof und der Europäischen Investitionsbank, die im November 2021 in Kraft getreten ist,

–  unter Hinweis auf das Schreiben der Europäischen Bürgerbeauftragten vom 22. Juli 2016 an den Präsidenten der EIB zu Interessenkonflikten und auf die Antwort des Präsidenten der EIB vom 31. Januar 2017,

–  unter Hinweis auf die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten vom 20. November 2023 in dem Fall 2252/2022/OAM,

–  unter Hinweis auf die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten vom 21. April 2022 in dem Fall 1251/2020/PB,

–  unter Hinweis auf die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten vom 27. Juli 2022 in dem Fall 1016/2021/KR,

–  gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltsausschusses (A9-0031/2024),

A.  in der Erwägung, dass die EIB-Gruppe aus der Europäischen Investitionsbank (EIB) und dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) besteht und das größte multilaterale Finanzierungsinstitut der Welt und einer der wichtigsten Geldgeber für den Klimaschutz ist und dass sie an den internationalen Kapitalmärkten tätig ist und ihren Kunden konkurrenzfähige Angebote und günstige Bedingungen zur Unterstützung von Maßnahmen und Projekten der EU sowohl innerhalb als auch außerhalb der Union bietet;

B.  in der Erwägung, dass es gemäß Artikel 309 AEUV Aufgabe der EIB ist, zur Verwirklichung der Ziele der EU beizutragen;

C.  in der Erwägung, dass zur Verwirklichung der Klimaziele der Union Investitionen in Höhe von 1 Bio. EUR pro Jahr in der Union getätigt werden müssen; in der Erwägung, dass die EIB dazu beitragen kann, die Lücke zu schließen, indem sie privates Kapital mobilisiert;

D.  in der Erwägung, dass mit der mit 26,2 Mrd. EUR ausgestatteten und aus dem mehrjährigen Finanzrahmen und dem Aufbauinstrument „NextGenerationEU“ dotierten InvestEU-Garantie im Zeitraum 2021-2027 voraussichtlich über 372 Mrd. EUR an zusätzlichen privaten und öffentlichen Investitionen in Europa mobilisiert werden, vor allem in den Bereichen nachhaltige Infrastruktur, Forschung, Innovation und Digitalisierung, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie soziale Investitionen und Kompetenzen;

Überblick über Strategien und Maßnahmen

1.  bekräftigt die wichtige Rolle der EIB als öffentliche Bank der EU und als einziges internationales Finanzinstitut, deren Anteilseigner ausschließlich die Mitgliedstaaten sind und deren Maßnahmen uneingeschränkt an den politischen Strategien der EU ausgerichtet werden und den EU-Rechtsvorschriften unterliegen mit dem Ziel, die soziale und wirtschaftliche Erholung zu unterstützen und notwendige Investitionen an der Verwirklichung der Ziele der Union auszurichten;

2.  schätzt die stete Bereitschaft der EIB, sich an die sich ändernden Anforderungen der Politik der Union anzupassen und sich entsprechend neu zu erfinden, ohne dabei ihre langfristigen Ziele aus den Augen zu verlieren;

3.  bekräftigt seine Forderung nach einer Kapitalerhöhung, um der EIB zu ermöglichen, mehr langfristige rückzahlbare finanzielle Unterstützung und innovative Instrumente anzubieten; stellt fest, dass dies für ein faires, inklusives und nachhaltiges Wachstum zur Unterstützung von Schlüsselinvestitionen in die Realwirtschaft erforderlich ist, die andernfalls nicht getätigt würden und die das Potenzial haben, den innovativen Fortschritt in wichtigen Politikbereichen der EU, wie der Digitalisierung und dem ökologischen Wandel, voranzubringen; stellt fest, dass diese Investitionen dazu beitragen sollten, Wettbewerbseinschränkungen wie hohe Energiepreise, Qualifikationslücken und unzureichende Investitionen in Innovationen und neue Technologien zu reduzieren, und dazu beitragen sollten, die europäische Säule sozialer Rechte und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen umzusetzen; erwartet, dass die EIB sicherstellt, dass ihre Finanzierung dazu beiträgt, Marktversagen zu beheben und Verdrängungseffekte zu verhindern und dass sie messbare Wirkungen erzielt, ohne die Attraktivität ihres finanziellen Angebots insgesamt zu beeinträchtigen;

4.  betont, dass die EIB ihr AAA-Rating beibehalten und das volle Vertrauen der Kapitalmärkte in ihre Tätigkeiten bewahren muss;

5.  stellt fest, dass die EIB-Finanzierung vor dem Hintergrund der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Krise, gefolgt vom russischen Einmarsch in die Ukraine und insbesondere der Inflation, hohen Zinssätze und angespannten öffentlichen Finanzen eine immer wichtigere Rolle spielt; stellt ferner fest, dass die EIB-Finanzierung vor dem Hintergrund einer herausfordernden Wirtschaftsprognose und stärkerem globalem Wettbewerb und somit einer Situation, die sich auch auf laufende Projekte auswirkt, eine wichtigere Rolle spielt;

6.  ist der Ansicht, dass die EIB mehr unternehmen könnte, um die sektorspezifische Ausgewogenheit zu verbessern und sich an die regionale Vielfalt der Union anzupassen und so die Attraktivität ihrer Fonds zu erhöhen; fordert die EIB auf, systemische Mängel zu beheben, durch die bestimmte Regionen oder Länder daran gehindert werden, den vollen Nutzen aus ihren Finanztätigkeiten zu ziehen, wobei der nachfrageorientierte Charakter von EIB-Finanzierungen zu beachten ist; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob die geografische Verteilung der Finanzierungen im Rahmen von InvestEU in Bezug auf kleinere Mitgliedstaaten ausgewogen ist;

7.  fordert die EIB auf, Projekte zu unterstützen, die zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und der VN-Nachhaltigkeitsziele beitragen und die die soziale Inklusion und die Verringerung von Ungleichheit in Übereinstimmung mit den ökologischen und sozialen Standards fördern; fordert die EIB auf, ihre Rolle bei der Erfassung und Schließung von Investitionslücken in der sozialen Infrastruktur und der Sozialfürsorge auszuweiten, wie etwa in den Bereichen erschwinglicher und energieeffizienter sozialer Wohnungsbau, öffentliches Gesundheitswesen, Versorgungsunternehmen, öffentlicher Personenverkehr, nachhaltiger Verkehr, Kultur und Bildung, sowie gleichzeitig die Zusätzlichkeit und Komplementarität mit anderen öffentlichen Mitteln und kommerziellen Kreditgebern sicherzustellen; fordert die EIB auf, die Gewichtung der Sozialleistungen bei Projektbewertungen zu erhöhen, um vor dem Hintergrund einer Krise der Lebenshaltungskosten und der Herausforderungen für Haushalte in der Europäischen Union aufgrund der allgemeinen Wirtschaftsaussichten langfristige erschwingliche Lösungen zu finden; fordert die EIB auf, die Risikobereitschaft bei Projekten, die wesentliche Dienstleistungen mit langfristigen eindeutigen und messbaren Vorteilen erbringen, zu verbessern; fordert die EIB auf, Projekten, an denen schutzbedürftige oder marginalisierte Personen, insbesondere junge Menschen, beteiligt sind, und von Bürgern geleiteten Projekten soweit möglich finanzielle Priorität einzuräumen;

Die Klimabank der EU: Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeitsziele

8.  nimmt die Feststellungen im Investitionsbericht 2022/2023 der EIB mit dem Titel „Resilienz und Neustart in Europa“ zur Kenntnis, in dem die Investitionen in den Klimaschutz in der EU und die Investitionslücken in verschiedenen Sektoren analysiert werden; nimmt zudem den operativen Plan der EIB-Gruppe für den Zeitraum 2023-2025 zur Kenntnis, in dem die Ausrichtung der EIB auf die politischen Prioritäten der EU und ihre Zusage bestätigt wird, ihre Ambitionen für den ökologischen und den digitalen Wandel zu erhöhen; fordert die Kommission auf, eine Methode zur Schätzung der Finanzierungslücke bei ökologischen Projekten in der EU zu entwickeln und die potenzielle Rolle der EIB bei der Schließung dieser Finanzierungslücke zu evaluieren;

9.  weist darauf hin, dass die EIB der weltweit größte Emittent grüner Anleihen in mehreren Währungen ist; weist darauf hin, dass durch eine Erhöhung des Anteils von auf Euro lautenden Anleihen der internationale Stellenwert des Euro weiter gestärkt würde;

10.  weist darauf hin, dass der ökologische Wandel inklusiv und fair sein muss und dass ökologische Investitionen tragfähig sein müssen und erwartet von der EIB daher, dass sie mit ihren Krediten und Finanzierungsinstrumenten, ihrer technischen Hilfe und ihren Beratungsdiensten Bürger und Unternehmen unterstützt, die die sozioökonomischen Herausforderungen bewältigen müssen, die sich aus ihren Anstrengungen zur Erzielung der Klimaneutralität bis spätestens 2050 ergeben; fordert die EIB auf, Projekte zu unterstützen, die einen erschwinglichen Zugang zu Energie aus erneuerbaren Quellen sowie zu Wohnraum und öffentlichen Dienstleistungen ermöglichen, sowie von lokalen Gemeinschaften getragene Initiativen und kleine Projekte, wobei die Bekämpfung der Energiearmut als Priorität zu betrachten ist;

11.  begrüßt die Tatsache, dass die EIB ihr Ziel, mindestens die Hälfte ihrer Ressourcen für den Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit aufzuwenden, bereits erfüllt hat und dass sie auf Kurs ist, ihr Ziel, bis 2030 ökologische Investitionen mit 1 Bio. EUR zu unterstützen, zu erreichen; erwartet, dass die Überprüfung des Klimabank-Fahrplans im Jahr 2024 die EIB vollständig mit dem 1,5-Grad-Ziel und dem Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 in Einklang bringen wird und gleichzeitig für einen gerechten Übergang für alle sorgt; ist der Ansicht, dass die ambitioniertesten Verfahrensweisen im öffentlichen Bankwesen als Maßstab dienen sollten; fordert erneut, dass für jedes Projekt eine solide Bewertung von weniger CO2-intensiven Alternativen und der Scope-3-Emissionen vorgenommen wird;

12.  begrüßt den Rahmen für die Paris-Ausrichtung von Geschäftspartnern (PATH) und erwartet, dass er vollständig umgesetzt wird, sowohl hinsichtlich der Maximierung der Emissionsreduktion als auch hinsichtlich der Stärkung der Klimaresilienz; nimmt die Reaktion der EIB auf die Energienotsituation in der EU durch die Anpassung von PATH zur Kenntnis; erwartet, dass die im Zuge des PATH-Rahmens zur Unterstützung von REPowerEU gewährten Ausnahmen auch Ausnahmen bleiben und befristet und in vollem Umfang gerechtfertigt sind, um den ökologischen Wandel beschleunigen und die Abhängigkeit Europas von Einfuhren fossiler Brennstoffe, auch aus Russland, beenden zu können; begrüßt in diesem Zusammenhang die Aufstockung der Unterstützung für REPowerEU durch die EIB auf 45 Mrd. EUR an Darlehen und Beteiligungsfinanzierungen für Projekte in den Bereichen erneuerbare Energiequellen, Energieeffizienz, Netze und Speicherung, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge und bahnbrechende Technologien in den nächsten Jahren;

13.  weist darauf hin, dass alle Unternehmenskunden der EIB-Finanzierung vertraglich verpflichtet sind, eine glaubwürdige Strategie für die Anpassung an das Übereinkommen von Paris („Dekarbonisierungspläne“) zu entwickeln und zu veröffentlichen, die mittelfristige, fortlaufende und quantitative Emissionsreduktionsziele und entsprechende Optionen über einen längeren Zeitraum umfassen wird, um bis spätestens 2050 Klimaneutralität zu erreichen; erwartet, dass die EIB die Glaubwürdigkeit dieser Pläne anhand von Dekarbonisierungskriterien, die mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind, systematisch bewertet, bevor sie neue finanzielle Verpflichtungen eingeht; bekräftigt seine Forderung, dass die EIB nur mit Finanzintermediären zusammenarbeiten sollte, die über glaubwürdige Pläne zur Dekarbonisierung, einschließlich kurzfristiger Ziele, verfügen, die mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind und so früh wie möglich, jedoch spätestens bis 2025 umgesetzt werden; betont, dass der Zugang von KMU zu Finanzmitteln durch solche neuen Anforderungen nicht beeinträchtigt werden darf;

14.  weist auf die Schlüsselrolle hin, die der EIB dabei zukommt, einen gerechten Übergang sicherzustellen; fordert die EIB auf, den Mindestdarlehensbetrag für einzelne Projekte oder Darlehensprogramme, die zum gerechten Übergang beitragen, zu senken; fordert die EIB auf, die Zusammenarbeit mit nationalen und regionalen Finanzinstituten zu intensivieren, damit gezielte Finanzierungen bereitgestellt werden können; fordert die EIB auf, in diesem Zusammenhang zur Verwirklichung der Ziele der EU im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern beizutragen; begrüßt die Beteiligung der EIB am EU-Mechanismus für einen gerechten Übergang, um die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs zu einer Netto-Null-Wirtschaft in Angriff zu nehmen und neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung in den in Betracht kommenden Regionen zu schaffen;

15.  fordert die EIB auf, ihre Maßnahmen zur Risikominderung anzupassen, um private Finanzierungsaktivitäten auf Projekte auszurichten, die ein hohes Maß an Zusätzlichkeit aufweisen und zu einem gerechten Übergang beitragen, ohne dabei allerdings die wirtschaftliche Tragfähigkeit ihres Portfolios zu gefährden; fordert die EIB auf, Lehren aus der Umsetzung von Produkten wie den Klima- und Infrastrukturfonds zu ziehen, einschließlich der Relevanz von zwischengeschaltetem Beteiligungskapital und der Notwendigkeit, die Risiko-Nutzen-Verhältnisse bei kleineren grünen Infrastrukturprojekten zu verbessern;

16.  begrüßt die verstärkten Investitionen in Wasserstoff; besteht darauf, dass die Rolle von Wasserstoff darin besteht, zum Übergang zur Klimaneutralität beizutragen, indem die Emissionen in Industriesektoren, die schwer zu dekarbonisieren sind, verringert werden; erwartet, dass die Zusätzlichkeit sichergestellt wird, um eine Umlenkung von Ressourcen aus bestehenden erneuerbaren Energiequellen im Einklang mit den einschlägigen delegierten Rechtsakten(3) zu verhindern; ist besorgt über die potenziellen Auswirkungen von Wasserstoffprojekten auf die Wasserversorgung in bestimmten Regionen sowie auf die biologische Vielfalt; fordert die EIB auf, ihr Beratungswissen im Hinblick auf das Wasserstoffökosystem und den Wasserstoffmarkt der EU zu verbessern;

17.  betont, dass die Umwelt- und Sozialleitlinien der EIB die Verpflichtung zur Förderung und Umsetzung der Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal stärken, insbesondere die Anforderung, dass die finanzierten Projekte die biologische Vielfalt und die Ökosysteme nicht erheblich beeinträchtigen dürfen; begrüßt, dass in Bezug auf die biologische Vielfalt ein Übergang von „Nettoverlust vermeiden“ zu „Verlust vermeiden“ erfolgt; strebt eine uneingeschränkte Anwendung der Umwelt- und Sozialleitlinien der EIB an, insbesondere bei Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien; fordert die EIB nachdrücklich auf, ihre Umwelt- und Sozialleitlinien vollständig an den Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal anzupassen;

18.  begrüßt die ersten gemeinsamen Grundsätze für eine naturpositive Finanzierung, die die EIB zusammen mit anderen multilateralen Entwicklungsbanken auf der COP 28 veröffentlicht hat; erwartet, dass sich die EIB weiterhin aktiver an Investitionen beteiligt, die sich positiv auf die Natur auswirken und die biologische Vielfalt fördern, und dass sie sich in Sektoren mit den größten positiven Nebeneffekten für die biologische Vielfalt, z. B. in den Bereichen Wasserbewirtschaftung, Sanitärversorgung, Forstwirtschaft und Ozeane, beteiligt, und zwar mit einem Höchstmaß an Integrität und Sicherheit, insbesondere in Bezug auf die Rechte lokaler Gemeinschaften, und unter Einbeziehung der aus der Finanzierungsfazilität für Naturkapital gewonnenen Erkenntnisse; erwartet, dass die EIB mehr Finanzmittel für Lösungen zur Verringerung der Verschmutzung durch Kunststoffe bereitstellt;

19.  erwartet verstärkte Anstrengungen zur durchgängigen Berücksichtigung der Natur in Analysen und Operationen, in denen das finanzielle Risiko des Verlusts an biologischer Vielfalt auf Ebene der Geschäftspartner bewertet wird; erwartet, dass bei großen Infrastrukturprojekten, insbesondere bei städtischen Investitionen, systematisch Elemente integriert werden, die sich positiv auf die Natur auswirken; warnt vor Projekten, die zu Klimazielen beitragen, welche zu einer Zerstörung der biologischen Vielfalt führen;

20.  nimmt die laufenden Verhandlungen über einen Schuldenerlass gegen Umweltschutzmaßnahmen zur Kenntnis; ist besorgt über die Entwicklung eines solchen Tauschhandels und seine Angemessenheit im Hinblick auf die Erhaltung und seine hohen Transaktionskosten, zumal frühere Beispiele gezeigt haben, dass diese Bedenken gerechtfertigt sind; betont, dass ein hohes Maß an Transparenz und Eigenverantwortung der Länder erforderlich ist;

21.  erwartet, dass die EIB weiterhin strenge Tierschutzstandards und geltende Rechtsvorschriften anwendet, auch für Zuchttätigkeiten und Futtermittel in der Fischzucht, die sich an den höchsten von der EU und multilateralen Finanzinstitutionen festgelegten Standards orientieren;

22.  hebt hervor, dass die Versorgungssicherheit bei kritischen Rohstoffen für den ökologischen und digitalen Wandel, den Verteidigungsbereich und die industrielle Basis der EU allgemein von entscheidender Bedeutung ist; weist auf die Rolle der EIB in der Europäischen Rohstoffallianz und bei dem Bestreben der EU hin, bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen unabhängiger zu werden; betont, dass ein Kreislaufwirtschaftskonzept auf der Grundlage von Wiederverwertung und Wiederverwendung mit Blick auf kritische Rohstoffe wichtig ist, um die Abhängigkeit der EU von Drittländern zu verringern und ihre strategische Unabhängigkeit zu stärken; fordert die EIB deshalb auf, mehr in den Sektor kritischer Rohstoffe zu investieren, um die Widerstandsfähigkeit im Bereich Rohstoffe zu erhöhen, mit besonderem Schwerpunkt auf der Wiederverwertung von Sekundärrohstoffen, und Lösungen für die Kreislaufwirtschaft zu fördern mit dem Ziel, die Versorgung zu diversifizieren;

Unterstützung für Innovation, kleine und mittlere Unternehmen, Industrie und Digitalisierung

23.  weist erneut darauf hin, dass KMU das Rückgrat der Wirtschaft der Union bilden; weist darauf hin, dass die 23 Millionen KMU in der EU 99 % aller Unternehmen ausmachen, rund drei Viertel aller Arbeitsplätze zur Verfügung stellen und mehr als 50 % der gesamten Wertschöpfung von EU-Unternehmen erzeugen; betont, dass die Unterstützung von KMU ein zentrales Ziel der EIB-Gruppe ist; weist darauf hin, dass die Energiekrise und die Folgen des von Russland geführten Krieges in der Ukraine weitere Herausforderungen für KMU darstellen, wie auch die steigenden Rohstoffpreise und die steigenden Zinssätze;

24.  weist darauf hin, dass die EIB-Gruppe im Jahr 2022 Mittel in Höhe von insgesamt 16,35 Mrd. EUR für KMU und Midcap-Unternehmen bereitgestellt hat; stellt fest, dass sich die Finanzierungen der EIB-Gruppe zur Unterstützung von KMU nach Einschätzung der EIB-Gruppe zwischen 2010 und 2020 netto auf insgesamt fast 20 Mrd. EUR beliefen; fordert die EIB-Gruppe auf, Überlegungen darüber anzustellen, wie ihre Unterstützung für KMU, insbesondere für kleinere Finanzierungsprojekte, weiter erleichtert werden kann;

25.  hebt die Rolle des EIF bei der Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln für kleinere Unternehmen, Midcap-Unternehmen und Start-up-Unternehmen in der EU und damit seine Unterstützung für Unternehmertum, Wachstum, Innovation, Forschung und Entwicklung sowie Beschäftigung in der EU hervor; weist darauf hin, dass eine stabile Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen eine der Grundlagen einer erfolgreichen Industriepolitik ist, insbesondere für erfolgreiche KMU; fordert die EIB-Gruppe auf, zusätzliches Wachstumskapital bereitzustellen, damit KMU ihre Geschäftstätigkeit ausweiten können; fordert die EIB-Gruppe nachdrücklich auf, die Unterstützung für die Expansion europäischer Start-up-Unternehmen zu erhöhen, unter anderem durch die Inkaufnahme größerer Risiken bei der Auszahlung von Risikokapital, damit europäische Start-up-Unternehmen in der EU expandieren können und nicht in Drittländer ausweichen;

26.  betont, dass der EIF den Schwerpunkt verstärkt auf Projekte legen muss, die auf die Schaffung und die Beibehaltung hochwertiger Arbeitsplätze ausgerichtet sind, darunter Projekte, die auf die Bekämpfung des wachsenden Problems der Jugendarbeitslosigkeit ausgerichtet sind, einschließlich durch das sogenannte duale Ausbildungsmodell, das sich in einigen Mitgliedstaaten als effizient und erfolgreich erwiesen hat, und zwar mit Blick auf die Schaffung sicherer und hochwertiger Arbeitsplätze;

27.  erkennt an, dass KMU aufgrund ungünstigerer Konditionen für Bankkredite oft mit begrenzten administrativen Ressourcen und höheren Fremdkapitalkosten konfrontiert sind als große Unternehmen, und hält es für unerlässlich, ihnen Finanzierungsinstrumente anzubieten, die einfach und leicht zugänglich sind; fordert die EIB-Gruppe deshalb nachdrücklich auf, ihre Programme so zu gestalten, dass administrative Verfahren erleichtert werden, während sie die nötige technische Hilfe und adäquate Finanzierung für Beratungsdienste bereitstellt, wodurch deren Zugänglichkeit für KMU verbessert wird;

28.  fordert die EIB-Gruppe erneut auf, die Bemühungen um den Aufbau datengesteuerter Lösungen mit besonderem Schwerpunkt auf der Wettbewerbsfähigkeit von KMU zu ergänzen und ihre Investitionen in diesem Bereich auf die Überwindung der digitalen Kluft sowohl in der Union als auch zwischen der Union und anderen technologisch fortschrittlicheren Regionen der Welt auszurichten; fordert die EIB-Gruppe auf, die Investitionen in die Digitalisierung, in die Entwicklung von modernsten Technologien wie KI und in die Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmern zu erhöhen, die für eine starke industrielle Basis von wesentlicher Bedeutung sind;

Ukraine

29.  begrüßt die Initiative „EU für die Ukraine“, die von der EIB im März 2023 ins Leben gerufen wurde, um den Wiederaufbau und die Erholung in der Ukraine zu finanzieren, und die als befristete Regelung konzipiert wurde, die ein kontinuierliches Engagement der EIB in dem Land ermöglichen wird, während die erwartete mittelfristige Unterstützung der EU bereitgestellt wird; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der EU-Haushalt als Garantiegeber für die Tätigkeit der EIB bei der Vergabe von Darlehen außerhalb der EU für die Umsetzung von EU-Programmen von hoher Bedeutung ist; fordert eine Aufstockung der Garantien, die der EIB aus dem EU-Haushalt gewährt werden, damit die EIB weiterhin lebenswichtige Aufgaben im öffentlichen und privaten Sektor in der Ukraine wahrnehmen und ihre Tätigkeit im globalen Süden ausweiten kann; begrüßt, dass sich alle Maßnahmen der EIB in der Ukraine an den Prioritäten für die soziale, wirtschaftliche und ökologische Erholung und den Wiederaufbau in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des besseren Wiederaufbaus („building back better“) orientieren und vollständig auf den künftigen Ukraine-Plan abgestimmt sein werden; begrüßt die Komponente für technische Hilfe zur Sicherstellung einer optimalen Projektvorbereitung und -umsetzung sowie Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau; erwartet, dass bei der bevorstehenden dritten schnellen Bewertung der Schäden und des Bedarfs der Ukraine, die von der Weltbank in Abstimmung mit der Kommission, der EIB und der ukrainischen Regierung durchgeführt wird, ein deutlich gestiegener Bedarf ermittelt wird; begrüßt die Bemühungen der EIB, Betrug und Korruption im Zusammenhang mit ihren Projekten in der Ukraine vorzubeugen, sie zu verhindern und zu untersuchen;

30.  betont die Tatsache, dass sich der Angriffskrieg Russlands auch auf Regionen in der EU ausgewirkt hat und erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hatte, insbesondere in den östlichen Grenzländern der EU und in ihrer Nachbarschaft, und zu einer schweren humanitären Krise geführt hat; betont, dass die durch den Krieg verursachten Veränderungen in den Lieferketten sowie in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen bei der künftigen Investitionsplanung berücksichtigt werden sollten; fordert die EIB auf, die geopolitische Lage und die erforderlichen Investitionen in den Ländern an den Außengrenzen, einschließlich in Bezug auf Infrastruktur und Grenzverwaltung, zu berücksichtigen;

31.  weist darauf hin, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Wendepunkt darstellt, da er das europäische Sicherheitsumfeld grundlegend verändert hat und eine erhöhte Verteidigungsbereitschaft und somit ausreichende Investitionen erforderlich macht; hebt die Notwendigkeit hervor, alle Instrumente, die der EIB zur Verfügung stehen, möglichst effektiv zu nutzen; fordert die EIB auf, ihre Unterstützung der Strategischen Europäischen Sicherheitsinitiative und der europäischen Verteidigungsindustrie, einschließlich KMU, zu verstärken, insbesondere, um zur kontinuierlichen Unterstützung der Ukraine beizutragen; fordert die EIB auf, ihre Förderfähigkeitsliste dahingehend zu überarbeiten, dass Munition und militärische Ausrüstung, die über Anwendungen mit doppeltem Verwendungszweck hinausgehen, nicht länger von der EIB-Finanzierung ausgeschlossen werden;

EIB Global

32.  erwartet, dass die Tätigkeiten der EIB Global weiterhin auf die strategischen Interessen und die außenpolitischen Ziele der EU abgestimmt sind; begrüßt die Beteiligung der EIB an der Global-Gateway-Initiative, in deren Rahmen in erster Linie Investitionen in Infrastruktur und in KMU unterstützt werden, womit ein Beitrag zum Ziel der Union, ihre strategische Autonomie zu stärken, geleistet wird; erwartet, dass die EIB Global sicherstellt, dass die Investitionen eindeutig zusätzlich sind, langfristige positive Auswirkungen schaffen und den Empfängergemeinschaften zugutekommen, indem sie das Natur- und Kulturerbe schützen, die Klimaresilienz stärken, Arbeitsplätze vor Ort schaffen, den Lebensstandard anheben und die Armut bekämpfen; ist der Ansicht, dass die Interessenträger der Empfängerländer wie Behörden, die Zivilgesellschaft und die Sozialpartner in Entscheidungen im Rahmen von Global Gateway-Projekten und deren Umsetzung einbezogen werden müssen; weist ferner darauf hin, dass der Erfolg von EIB Global von einem angemessenen Maß an Personal vor Ort, einschließlich lokaler Mitarbeiter, abhängt;

33.  stellt fest, dass die EIB Global seit der Einrichtung des neuen auf Entwicklung spezialisierten Geschäftsbereichs das durch das „Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt“ bereitgestellte spezielle Investitionsfenster in Rekordhöhe genutzt und im Jahr 2022 über 10 Mrd. EUR bereitgestellt hat, insbesondere zur Unterstützung der Ukraine und des Global Gateway; nimmt den Strategischen Fahrplan der EIB Global und die Erwartung zur Kenntnis, dass dieser mindestens ein Drittel der 300 Mrd. EUR an Investitionen ermöglichen wird, die bis Ende 2027 generiert werden sollen; begrüßt das Ziel, bis 2025 mehr als 50 % der jährlichen Darlehen für Investitionen in Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit bereitzustellen; erwartet, dass die Finanzierung zu einem inklusiven und gerechten Übergang weltweit beiträgt; erwartet ferner, dass die EIB Global einen sinnvollen Beitrag zu dem Ziel der EU leistet, bis 2025 mit 85 % aller neuen außenpolitischen Maßnahmen die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern; begrüßt die Fortschritte bei der Einrichtung des Global-Gateway-Fonds im Rahmen der Garantie des Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung Plus, mit dem hochwirksame Investitionen des Privatsektors finanziert und Eigenkapital- und Fremdfinanzierungen für Projekte in den Bereichen Infrastruktur von großer Tragweite, saubere Energie und menschliche Entwicklung weltweit bereitgestellt werden sollen; ist besorgt über den Mangel an inklusiven und sinnvollen Konsultationen mit Interessenträgern, die von den Tätigkeiten der EIB betroffen sind; fordert, dass Projekte mit begrenzter Bankfähigkeit und hoher öffentlicher Rendite stärker unterstützt werden und dass das Mindestdarlehensvolumen für einzelne Projekte, insbesondere in Entwicklungsländern, gesenkt wird;

34.  bekräftigt seine Forderung an die EIB Global, Mischfinanzierungsmaßnahmen auf Gebiete zu beschränken, in denen dadurch ein Mehrwert für die lokale Wirtschaft geschaffen werden kann, wobei die Verdrängung von privatem Kapital vermieden wird, und dafür zu sorgen, dass Mischfinanzierungen nicht für grundlegende öffentliche Dienstleistungen, insbesondere für das Gesundheits- und Bildungswesen sowie für den Sozialschutz, eingesetzt werden; weist darauf hin, dass sich die EIB-Investitionen in diesem Bereich an den entwicklungspolitischen Zielen der EU, insbesondere an dem Ziel der Verbesserung des allgemeinen und bezahlbaren Zugangs zur Gesundheitsversorgung, orientieren sollten, um bessere gesundheitliche Ergebnisse für alle zu erzielen, insbesondere für Frauen;

35.  ist besorgt über die rasch steigenden Schuldenstände und höheren Fremdkapitalkosten in Schwellen- und Entwicklungsländern, wobei schätzungsweise 60 % der Länder mit niedrigem Einkommen bereits stark verschuldet sind oder einem hohen Risiko einer Überschuldung ausgesetzt sind(4); betont die wichtige Rolle der EIB und anderer multilateraler Institutionen bei der Bereitstellung von Finanzmitteln zu Vorzugsbedingungen, um untragbare Schuldenlasten zu verringern;

36.  ist der Ansicht, dass die EIB Global hinsichtlich der Einhaltung der Grundsätze der Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit und des Aktionsplans von Accra (Eigenverantwortung, Partnerausrichtung, Harmonisierung, ergebnisorientiertes Management und gegenseitige Rechenschaftspflicht) rechenschaftspflichtig sein sollte; ist in diesem Zusammenhang besonders besorgt über einen Interessenkonflikt zwischen Exportkreditagenturen und der Entwicklungsfinanzierung der EIB Global sowie über die Auswirkungen der betroffenen Investitionen der EIB Global auf die Zusätzlichkeit hinsichtlich der Entwicklung;

37.  nimmt den informatorischen Vermerk zum Menschenrechtsansatz der EIB zur Kenntnis; weist die EIB darauf hin, dass die Menschenrechte in ihre Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten einbezogen und Folgenabschätzungen in Bezug auf die Menschenrechte durchgeführt werden müssen, ihre allgemeine Zusage, die Menschenrechte zu wahren, verankert und ihre Geschäftstätigkeit in vollständiger Übereinstimmung mit Artikel 2 AEUV ausgeübt werden muss; bekräftigt seine Forderung nach klaren und verbindlichen Regeln zur Ergänzung des Informatorischen Vermerks zum Menschenrechtsansatz der EIB Global, insbesondere was die Bewertung von Projekten und den Rückzug aus einem Projekt betrifft; äußert sich besonders besorgt darüber, dass die EIB seit 2015 von den Projektträgern keine eigenständigen Folgenabschätzungen in Bezug auf die Menschenrechte mehr verlangt; fordert die EIB daher auf, eine Menschenrechtsstrategie sowie eine Bewertung und Evaluierung ihrer Programme in Bezug auf die Menschenrechte, auch hinsichtlich der realen Situation vor Ort in den Empfängerländern, vorzulegen, um sicherzustellen, dass die lokalen Gemeinschaften konsultiert werden und dass das Recht auf freie, vorherige und in Kenntnis der Sachlage erteilte Zustimmung systematisch respektiert wird; fordert die EIB des Weiteren auf, spezifische Strategien für Menschenrechtsverteidiger und entsprechende Verfahrensmuster auszuarbeiten, mit denen auf die Gefahr von Repressalien reagiert wird; betont, dass spezifische Maßnahmen ergriffen werden sollten, um indigene Völker, Frauen, Menschen mit Behinderungen und andere benachteiligte Gruppen in die Konsultationen einzubeziehen;

38.  fordert die EIB erneut auf, dafür zu sorgen, dass ihre Tätigkeiten Frauen und Mädchen zugutekommen und mit ihnen die wirtschaftliche Stellung und die Beschäftigung von Frauen gefördert werden; ist der Ansicht, dass die EIB die Vergabe von Mikrofinanzierungskrediten an von Frauen geführte Unternehmen, die beim Zugang zu Finanzmitteln immer noch diskriminiert werden, weiter ausbauen könnte;

39.  fordert die EIB auf, mit anderen bilateralen und multilateralen Institutionen zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Methoden für die Analyse der Auswirkungen auf die Entwicklung zu entwickeln und anzuwenden, sodass langfristige positive Auswirkungen und ein Mehrwert sichergestellt werden;

Transparenz und Governance

40.  weist erneut darauf hin, dass die Mittel der EIB öffentliche Gelder sind und dass ihre Verwendung immer der öffentlichen Kontrolle und der Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit unterliegen sollte; erkennt an, dass die EIB beim Foreign Direct Investment Transparency Index 2023 ein befriedigendes Rating erhalten hat; fordert die EIB auf, zeitnah und proaktiv nähere Informationen zu Projekten zu veröffentlichen, einschließlich der Begründung und des Kontexts der Projekte sowie einer Erläuterung, wie sie an den politischen Zielen der EU ausgerichtet sind und diese voranbringen, und erwartet, dass die EIB die Nichtveröffentlichung auf die anwendbaren Ausnahmen beschränkt, die in Verordnung (EG) Nr. 1049/2001(5) und Verordnung (EG) Nr. 1367/2006(6) aufgeführt sind; fordert die EIB nachdrücklich auf, die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten vom 20. November 2023 in dem Fall 2252/2022/OAM und vom 21. April 2022 in dem Fall 1251/2020/PB umzusetzen, um eine aussagekräftige Bewertung der ökologischen und sozialen Aspekte der Projekte zu ermöglichen, die sie für eine Finanzierung in Betracht zieht;

41.  fordert eine stärkere Rechenschaftspflicht der EIB gegenüber den EU-Organen, insbesondere gegenüber dem Parlament, da Transparenz einer der Eckpfeiler der Demokratie ist; fordert die EIB deshalb auf, ihre Berichterstattung an das Parlament über ihre Beschlüsse, die erzielten Fortschritte und die Auswirkungen ihrer Darlehenstätigkeit zu verstärken, insbesondere durch regelmäßige strukturierte Dialoge zwischen dem Parlament und der EIB; bekräftigt seine Forderung nach einer interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Parlament und der EIB, um den Zugang zu Dokumenten und Daten der EIB zu verbessern und die demokratische Rechenschaftspflicht zu stärken, einschließlich der Möglichkeit, Anfragen zur schriftlichen Beantwortung an die EIB zu richten, wie dies bereits im Fall der Europäischen Zentralbank vorgesehen ist;

42.  fordert die EIB erneut auf, ihre Politik zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zu verstärken, indem sie unter anderem davon absieht, Begünstigte oder Finanzintermediäre zu finanzieren, die erwiesenermaßen eine entsprechende Negativbilanz aufweisen; fordert die EIB auf, Präventionsmaßnahmen und regelmäßige Steuerveranlagungen durchzuführen, die sich gegen nicht kooperierende Länder und Gebiete sowie gegen Steuerbetrug, Steuerhinterziehung sowie illegale und aggressive Steuervermeidung richten;

43.  fordert die Vizepräsidenten der EIB auf, eine Involvierung in Projektvorschläge aus ihren Heimatländern zu vermeiden; fordert die EIB auf, alle Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten vom 27. Juli 2022 in dem Fall 1016/2021/KR und vom 31. Oktober 2023 in dem Fall 611/2022/KR hinsichtlich der Tätigkeiten der ehemaligen Mitglieder ihres Verwaltungsausschusses vollständig umzusetzen; fordert die Mitglieder des EIB‑Verwaltungsausschusses auf, ihre geplanten Sitzungen mit externen Interessenträgern zu veröffentlichen, und bekräftigt seine Forderung, den Inhalt der Sitzungen der Leitungsgremien der EIB systematisch zu veröffentlichen, um die Transparenz weiter zu verbessern;

44.  stellt fest, dass die EIB Fortschritte bei der Erreichung eines ausgewogeneren Geschlechterverhältnisses unter ihren Bediensteten erzielt hat, wobei jedoch Frauen in Führungspositionen und Kerntätigkeitsbereichen nach wie vor unterrepräsentiert sind; bedauert, dass die EIB ihre Ziele zur Gleichstellung von Frauen auf verschiedenen Ebenen, die sie sich in ihrer Strategie für Vielfalt und Inklusion 2018-2021 gesetzt hatte, nicht verwirklicht hat; fordert die Bank daher auf, ihre Bemühungen um eine größere Geschlechtervielfalt zu intensivieren, um Geschlechterparität und ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis in allen Funktionen und insbesondere in Leitungs- und Führungspositionen zu verwirklichen, und gleichzeitig die geografische Ausgewogenheit zu wahren; fordert die EIB auf, die Förderung aller Formen von Vielfalt und Inklusion innerhalb ihrer Organisation weiter zu verbessern und sich hochgesteckte Ziele zu setzen;

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45.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und der Europäischen Investitionsbank zu übermitteln.

(1) ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 1.
(2) ABl. L 274 vom 30.7.2021, S. 1.
(3) Delegierte Verordnung (EU) 2023/1184 der Kommission vom 10. Februar 2023 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung einer Unionsmethode mit detaillierten Vorschriften für die Erzeugung flüssiger oder gasförmiger erneuerbarer Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs für den Verkehr (ABl. L 157 vom 20.6.2023, S. 11).
(4) Bericht der Weltbank vom Januar 2024 mit dem Titel „Global Economic Prospects“, https://www.worldbank.org/en/publication/global-economic-prospects.
(5) Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43).
(6) Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264 vom 25.9.2006, S. 13).


Bericht über den Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2023
PDF 234kWORD 77k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2023 (2023/2113(INI))
P9_TA(2024)0108A9-0025/2024

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2, Artikel 4 Absatz 3 und die Artikel 5, 6, 7, 11, 19 und 49,

–  unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf die Artikel über die Achtung, den Schutz und die Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in der EU, darunter die Artikel 70, 258, 259, 260, 263, 265 und 267,

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“),

–  unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. Juli 2023 mit dem Titel „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2023 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2023)0800),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(1) („Konditionalitätsverordnung“),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sowie mit Finanzregelungen für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik(2) (Dachverordnung),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/692 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung des Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1381/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EU) Nr. 390/2014 des Rates(3),

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

–  unter Hinweis auf die Instrumente der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Empfehlungen und Berichte der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung der Vereinten Nationen sowie die Rechtsprechung der Vertragsorgane der Vereinten Nationen und die Sonderverfahren des Menschenrechtsrats,

–  unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die Europäische Sozialcharta, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte sowie die Übereinkommen, Empfehlungen, Entschließungen, Stellungnahmen und Berichte der Parlamentarischen Versammlung, des Ministerkomitees, der Kommissarin für Menschenrechte, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, des Lenkungsausschusses für Antidiskriminierung, Diversität und Inklusion, der Venedig-Kommission und sonstiger Einrichtungen des Europarats,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Absichtserklärung zwischen dem Europarat und der Europäischen Union vom 23. Mai 2007 und die Schlussfolgerungen des Rates vom 30. Januar 2023 zu den Prioritäten der EU für die Zusammenarbeit mit dem Europarat 2023-2024,

–  unter Hinweis auf den begründeten Vorschlag der Kommission vom 20. Dezember 2017 für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen (COM(2017)0835), der gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV vorgelegt wurde,

–  unter Hinweis auf die Berichte der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom 19. Juli 2022 mit dem Titel „Europe’s civil society: still under pressure“ (Zivilgesellschaft in Europa immer noch unter Druck), vom 8. Juni 2022 mit dem Titel „Fundamental Rights Report 2022“ (Bericht über die Grundrechte 2022), vom 19. August 2022 mit dem Titel „Protecting civic space in the EU“ (Schutz des zivilgesellschaftlichen Raums in der EU), vom 3. November 2022 mit dem Titel „Antisemitism – Overview of antisemitic incidents recorded in the European Union 2011-2021“ (Antisemitismus – Überblick über in der Europäischen Union von 2011 bis 2021 verzeichnete antisemitische Vorfälle) und ihre sonstigen Berichte, Daten und Instrumente, insbesondere das Europäische Informationssystem für Grundrechte (EFRIS),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte(4),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. März 2018 zu dem Beschluss der Kommission, im Hinblick auf die Lage in Polen das Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV einzuleiten(5),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. April 2018 zu der notwendigen Schaffung eines Instruments für europäische Werte zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die die Grundwerte in der Europäischen Union auf lokaler und nationaler Ebene fördern(6),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2018 zu einem Vorschlag, mit dem der Rat aufgefordert wird, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 EUV festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn besteht(7),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. November 2018 zu Mindestnormen für Minderheiten in der EU(8),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2018 zu der Notwendigkeit eines umfassenden EU-Mechanismus zum Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte(9),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Oktober 2020 zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte(10),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. November 2020 zu den Auswirkungen der COVID-19-Maßnahmen auf die Demokratie, die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit(11),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2020 zur Europäischen Bürgerinitiative „Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe“(12),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juni 2021 zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union und zur Anwendung der Konditionalitätsverordnung (EU, Euratom) 2020/2092(13),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Juni 2021 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020(14),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zu der Festlegung von Leitlinien für die Anwendung der allgemeinen Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(15),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 2021 mit Empfehlungen an die Kommission über die Festlegung von geschlechtsspezifischer Gewalt als neuer Kriminalitätsbereich gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV(16),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. November 2021 zur Stärkung der Demokratie, der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU: in Anbetracht des unrechtmäßigen Rückgriffs auf zivil- und strafrechtliche Verfahren zur Einschüchterung von Journalisten, nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft(17),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2021 zu der Bewertung von Präventivmaßnahmen zur Vorbeugung von Korruption, vorschriftswidrigen Ausgaben und der Zweckentfremdung von europäischen und nationalen Mitteln im Falle von Nothilfefonds und krisenbezogenen Ausgabenbereichen(18),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. März 2022 zum schrumpfenden Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft in der EU(19),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 2022 zur Rechtsstaatlichkeit und den Konsequenzen des Urteils des EuGH(20),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2022 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2021(21),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Juni 2022 zur Rechtsstaatlichkeit und zur möglichen Annahme des polnischen nationalen Aufbauplans (ARF)(22),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. September 2022 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2020 und 2021(23),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2022 zur Rechtsstaatlichkeit in Malta fünf Jahre nach der Ermordung von Daphne Caruana Galizia(24),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2022 zur Zunahme der Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Personen in Europa angesichts des jüngsten homophoben Mordes in der Slowakei(25),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. November 2022 zu der Rassengerechtigkeit, dem Diskriminierungsverbot und dem Vorgehen gegen Rassismus in der EU(26),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. November 2022 zur Bewertung der Einhaltung der in der Konditionalitätsverordnung niedergelegten Rechtsstaatlichkeitsbedingungen durch Ungarn und zum Stand des ungarischen Aufbau- und Resilienzplans(27),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. März 2023 zu dem Thema „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union(28),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2023 zu den Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte in Ungarn und zu den eingefrorenen EU-Mitteln(29),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 15. Juni 2023 an den Rat und die Kommission im Anschluss an die Untersuchung angeblicher Verstöße und Missstände bei der Anwendung des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Verwendung von Pegasus und gleichwertiger Spionagesoftware(30) und den Bericht vom 22. Mai 2023 seines Untersuchungsausschusses zum Einsatz von Pegasus und ähnlicher Überwachungs- und Spähsoftware,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Juli 2023 zu dem Wahlrecht, der Untersuchungskommission und der Rechtsstaatlichkeit in Polen(31),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Oktober 2023 zur Rechtsstaatlichkeit in Malta sechs Jahre nach der Ermordung von Daphne Caruana Galizia und zur Notwendigkeit, Journalisten zu schützen(32),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Januar 2024 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union – Jahresbericht für die Jahre 2022 und 2023(33),

–  unter Hinweis auf die Resolution 2262 (2019) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zur Förderung der Rechte von Personen, die nationalen Minderheiten angehören,

–  unter Hinweis auf die Empfehlungen und Berichte des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten, des Beauftragten für Medienfreiheit und anderer Gremien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie auf die Zusammenarbeit zwischen der EU und der OSZE im Hinblick auf Demokratisierung, Institutionenaufbau und Einhaltung der Menschenrechte sowie auf den jährlichen OSZE-Bericht über Hassverbrechen, in denen sich die Teilnehmerstaaten dazu verpflichtet haben, Rechtsvorschriften zu erlassen, die Strafen vorsehen, die der Schwere der Hassverbrechen Rechnung tragen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Dunkelziffer zu senken, und Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten bei Polizei-, Strafverfolgungs- und Justizbeamten zur Prävention, Untersuchung und Strafverfolgung von Hassverbrechen einzuführen oder weiter auszubauen,

–  unter Hinweis auf den Bericht seines PEGA-Untersuchungsausschusses und die Entschließung und Empfehlungen seines PEGA-Untersuchungsausschusses(34),

–  unter Hinweis auf die Feedback-Berichte, Berichte über Informationsreisen, schriftlichen Fragen und Antworten seiner Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte (DRFMG)(35),

–  gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Rechtsausschusses,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0025/2024),

A.  in der Erwägung, dass sich die Union auf die in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, gründet, die den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam sind und zu denen sich die Bewerberländer im Rahmen der Kopenhagener Kriterien bekennen müssen, um der Union beitreten zu können, und die nach dem Beitritt nicht missachtet oder neu ausgelegt werden dürfen; in der Erwägung, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte einander verstärkende Werte sind, deren Aushöhlung eine systemische Bedrohung für die Union und die Rechte und Freiheiten ihrer Bürger darstellen könnte; in der Erwägung, dass die Achtung der Rechtsstaatlichkeit für die Union als Ganzes und ihre Mitgliedstaaten auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen, einschließlich subnationaler Einheiten, bindend ist;

B.  in der Erwägung, dass die Konferenz zur Zukunft Europas deutlich den Wunsch geäußert hat, die Union möge die Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten systematisch aufrechterhalten, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützen und die Glaubwürdigkeit der Union bei der Förderung ihrer Werte in der Union und in Drittstaaten wahren;

C.  in der Erwägung, dass der in Artikel 4 Absatz 3 EUV niedergelegte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit die Union und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, einander in vollem gegenseitigem Respekt zu unterstützen, und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu ergreifen, um die Erfüllung der Verpflichtungen sicherzustellen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben;

D.  in der Erwägung, dass die bestehenden Mechanismen gestärkt und gestrafft werden müssen und dass ein gemeinsamer umfassender Mechanismus der Union entwickelt werden muss, um die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte wirksam zu schützen und sicherzustellen, dass die in Artikel 2 EUV verankerten Werte in der gesamten Union aufrechterhalten und in den Bewerberländern gefördert werden, sodass die Mitgliedstaaten davon abgehalten werden, innerstaatliches Recht zu setzen, das dem in Artikel 2 EUV verankerten Schutz zuwiderläuft;

E.  in der Erwägung, dass sich das Parlament zu verschiedenen Zeitpunkten in seinen Entschließungen mit der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei und Ungarn befasst hat; in der Erwägung, dass sich die von seinem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres eingesetzte Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte auch mit bestimmten Angelegenheiten in Belgien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien, Spanien und der Tschechischen Republik befasst hat;

F.  in der Erwägung, dass im Oktober 2023 in Polen eine Parlamentswahl stattgefunden hat, mit der die Herrschaft der von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ geführten Regierung beendet wurde; in der Erwägung, dass sich die neue Regierung – eine breite demokratische Koalition – nachdrücklich verpflichtet hat, die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz in Polen wiederherzustellen, und zu diesem Zweck mit der Kommission und dem Rat der EU zusammenarbeitet;

G.  in der Erwägung, dass die Kommission die Einrichtung einer interinstitutionellen „Kontaktgruppe“ im Bereich der Rechtsstaatlichkeit vorgeschlagen hat; in der Erwägung, dass das Parlament diesen Vorschlag aufgegriffen und der Kommission und dem Rat die Einrichtung eines interinstitutionellen Pilotprojekts für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte nahegelegt hat; in der Erwägung, dass der Ratsvorsitz in seiner Antwort darauf hinwies, dass er dies bei seiner Bewertung seines Dialogs über Rechtsstaatlichkeit berücksichtigen könnte, und dass die Kommission sich erneut offen für die Erörterung einer informellen Kontaktgruppe zur Rechtsstaatlichkeit gezeigt hat;

H.  in der Erwägung, dass sich die Regierungen einiger Mitgliedstaaten bedauerlicherweise nicht zu einer Aussprache im Rahmen der Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte bereit erklärt und weder deren schriftliche Anfragen beantwortet noch sich im Rahmen von Missionen in den Mitgliedstaaten mit deren Mitgliedern haben; in der Erwägung, dass andere Mitgliedstaaten sich jedoch im Rahmen ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Schutz der Werte der EU für Sitzungen, Fragen und Missionen der Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte zur Verfügung gestellt haben;

Justiz- und Strafverfolgungssysteme

1.  bekräftigt, dass eine unabhängige Justiz das Rückgrat der Rechtsstaatlichkeit ist, da sie eine Voraussetzung für wirksame Rechtsbehelfe ist, wenn Gesetze, Rechte und Freiheiten sowie demokratische Grundsätze verweigert oder verletzt werden; betont, dass eine unabhängige und wirksame Justiz nicht nur für die Aufrechterhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in den Mitgliedstaaten und in der Union von entscheidender Bedeutung ist, sondern sich auch als Schlüssel für die Umsetzung des EU-Rechts erweist, da die Kommission bei der Durchsetzung des EU-Rechts auf die nationalen Justizbehörden angewiesen ist; bringt zum Ausdruck, wie wichtig gegenseitiges Vertrauen ist, und unterstreicht gleichzeitig, dass die Kommission die Unzulänglichkeiten der nationalen Justizbehörden in manchen Mitgliedstaaten nicht ignorieren und nicht davon ausgehen kann, dass sie alle in der Lage sind, wirksame gerichtliche Rechtsbehelfe bereitzustellen; stellt mit Besorgnis fest, dass einige Justizsysteme zwar auf dem Papier solide und zufriedenstellend scheinen mögen, in einigen Fällen aber nicht vor staatlicher Vereinnahmung, politischer Einflussnahme oder Vetternwirtschaft gefeit sind; ist sich dessen bewusst, dass dies durch eine bloße Bewertung der formalen Strukturen nur schwer zu erkennen ist; fordert die Kommission daher nachdrücklich auf, eine stärker qualitativ ausgerichtete Analyse, einschließlich kontextbezogener Elemente, durchzuführen, insbesondere was die langfristige Umsetzung betrifft;

2.  stellt fest, dass die Kommission große Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und die Schutzmaßnahmen festgestellt hat; stellt fest, dass in dem Bericht eine Reihe positiver Initiativen und laufender Entwicklungen in Bezug auf die Räte für das Justizwesen genannt werden, insbesondere in Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, Italien, Schweden, Finnland und Ungarn(36); nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission der Auffassung ist, dass die Bedenken in Bezug auf die Räte für das Justizwesen in Polen, der Slowakei, Bulgarien, Spanien und Zypern noch nicht ausgeräumt sind; stellt mit Besorgnis fest, dass Disziplinarverfahren als Mittel zur Beschneidung der richterlichen Unabhängigkeit eingesetzt werden können, wie dies in Bulgarien der Fall ist und in Polen unter der von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ geführten Regierung der Fall war; stellt fest, dass die Kommission Polen endlich wegen Verstößen seines Verfassungsgerichts gegen EU-Recht vor dem EuGH verklagt hat; stellt fest, dass sich der derzeitige Justizminister der Republik Polen verpflichtet hat, die rechtswidrige Disziplinarordnung für Richter in Polen im Einklang mit den Urteilen des EuGH und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abzuschaffen;

3.  stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass zwar einige Mitgliedstaaten, darunter Finnland, Österreich, Slowenien, Zypern, Schweden und Ungarn, Initiativen zur Verbesserung der Verfahren zur Ernennung von Richtern und der Funktionsweise der Obersten Gerichte ergriffen oder angekündigt haben, während nach wie vor Schwierigkeiten bei der Ernennung hochrangiger Richter in Malta, Griechenland, Ungarn, Litauen, Lettland und Irland bestehen; hebt hervor, dass die Kommission der Ansicht ist, dass in Polen nach wie vor ernsthafte Bedenken in Bezug auf zuvor ernannte Richter am Obersten Gericht, einschließlich seiner Ersten Präsidentin, und in Bezug auf die andauernde Nichtumsetzung eines Vorabentscheidungsurteils des EuGH zur Ernennung von Richtern in die Kammer des Obersten Gerichts für außerordentliche Überprüfung bestehen; stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass der Straftatbestand des Rechtsmissbrauchs, der in der Slowakei für Richter in Bezug auf ihre Gerichtsentscheidungen eingeführt wurde, nach wie vor Anlass zu Bedenken gibt, da es negative psychologische Auswirkungen auf die Richter hat und für die Ermittlungsbehörden eine Belastung darstellt; hebt hervor, dass in Ungarn nach wie vor ernsthafte Bedenken hinsichtlich der richterlichen Unabhängigkeit bestehen, die im Widerspruch zu den „Super-Meilensteinen“ der Kommission stehen, einschließlich der fortbestehenden Hindernisse für Vorabentscheidungsersuchen, der Probleme bei der Zuteilung von Fällen in der Kúria und des mangelhaften Verfahrens zur Ernennung des Präsidenten der Kúria;

4.  betont, dass die Justiz mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden sollte, damit sie wirklich zugänglich und in der Lage ist, den Bürgern einen wirksamen Rechtsbehelf zu bieten; stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass die Aufstockung der Mittel für die Justiz und andere von Malta, Zypern und Griechenland ergriffene Maßnahmen noch nicht zu einer Verringerung der Verfahrensdauer geführt hat bzw. haben und dass der Verfahrensrückstau nach wie vor eine ernsthafte Herausforderung darstellt; weist darauf hin, dass in Kroatien, Italien und Portugal zwar einige Schritte in die richtige Richtung unternommen worden sind, aber die Wirksamkeit der Reformen abzuwarten bleibt; stellt fest, dass die Kommission Deutschland aufgefordert hat, angemessene Ressourcen für die Justiz bereitzustellen, auch in Bezug auf die Höhe der Besoldung von Richterinnen und Richtern, und dabei europäische Standards für die Ressourcen und die Vergütung im Justizsystem zu berücksichtigen; fordert Deutschland auf, den „Pakt für Rechtsstaatlichkeit“ fortzuführen und ausreichende Mittel für das Justizsystem bereitzustellen, indem die Zahl der Richterinnen und Richter erhöht wird, um das föderale Justizsystem zu stärken; erkennt an, dass die Kommission der Auffassung ist, dass bei der Umsetzung der im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 ausgesprochenen Empfehlung zur Effizienz des Justizsystems, insbesondere in Malta und Spanien, einige Fortschritte zu verzeichnen sind;

5.  begrüßt die Finanzierung über das Programm „Justiz“ zur Unterstützung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen, mit der ein Beitrag zur Weiterentwicklung der europäischen Justiz geleistet wird;

6.  ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten mehr tun sollten, um kostenlosen oder erschwinglichen Rechtsbeistand bereitzustellen, damit die Bürgerinnen und Bürger – einschließlich derjenigen, die nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen – einen wirksamen Zugang zur Justiz haben, und dass sie den Zugang zu einem Rechtsbeistand weiter erleichtern sollten; stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass in Spanien, Frankreich, Finnland, Bulgarien, Malta und Litauen Anstrengungen unternommen werden, um Bedenken in Bezug auf den Zugang zur Justiz und zu Prozesskostenhilfe auszuräumen, und dass in Irland, Dänemark, Luxemburg und Ungarn nach wie vor Bedenken bestehen; stellt ferner fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass in mehreren Mitgliedstaaten, darunter Spanien, Frankreich, Finnland, Bulgarien und Malta, Schritte unternommen werden, um das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand sicherzustellen, und dass in anderen Mitgliedstaaten wie Litauen, Irland, Dänemark, Luxemburg und Ungarn Verbesserungen noch ausstehen; fordert die Kommission in diesem Kontext auf, Beurteilungen der Anwendung des EU-Besitzstandes im Bereich der Prozesskostenhilfe in Zivil- und Strafverfahren, wie etwa der Richtlinie 2002/8/EG des Rates(37) vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, in den nächsten Bericht zur Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen, da die Rechtsprechung des EuGH zeigt, dass weiterhin Fragen zur Auslegung dieser Vorschriften bestehen;

7.  hebt hervor, dass die Justizräte eine wichtige Rolle bei der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz spielen; hält es für erforderlich, die Reformen zu bewerten, die derzeit in verschiedenen Mitgliedstaaten verabschiedet werden, und fordert die Anpassung der Zusammensetzung und Funktionsweise dieser Gremien an die Standards, die von der Kommission und dem Europarat festgelegt und vom EuGH bestätigt wurden;

8.  weist darauf hin, dass die Staatsanwaltschaften ein wesentliches Element für die Fähigkeit der Justiz darstellen, gegen Kriminalität und Korruption vorzugehen; hebt den Stellenwert der Gewährleistung der Autonomie und Rechenschaftspflicht der Staatsanwaltschaften hervor; betont, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, um zur Wahrung der Autonomie und Rechenschaftspflicht der Staatsanwaltschaften beizutragen, damit diese nicht unter unangemessenem politischem Druck stehen, insbesondere seitens der Regierung;

9.  fordert alle Mitgliedstaaten auf, einen Verhaltenskodex für Richter zu verabschieden, der den Empfehlungen der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO – Group of States against Corruption) folgt und dem Umstand Rechnung trägt, dass solche Kodizes beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und beim EuGH gelten, unabhängige Mechanismen zur Untersuchung mutmaßlicher Verstöße gegen den Verhaltenskodex und gegen andere Gesetze zu schaffen, die Offenlegung und Transparenz bei Interessenkonflikten und in Bezug auf Geschenke an Mitglieder der Justizorgane zu verbessern, das Problem des Drehtüreffekts anzugehen und von Richtern zu verlangen, Entscheidungen über Abberufungen öffentlich zu begründen;

10.  ist besorgt über die vorgenommenen tiefgreifenden personellen Veränderungen und die angekündigten erheblichen strukturellen und organisatorischen Änderungen innerhalb der slowakischen Polizei und anderen unabhängigen demokratischen Institutionen, unter anderem in Bezug auf Ermittler, die in Fällen schwerer Kriminalität und Korruption in großem Maßstab in der nationalen Strafverfolgungsbehörde der Slowakei (NAKA – Národná kriminálna agentúra) tätig sind, was Zweifel an den Beweggründen für diese Änderungen aufkommen lässt; ist zutiefst besorgt über das ungerechtfertigte beschleunigte Gesetzgebungsverfahren der slowakischen Regierung, insbesondere in Bezug auf die vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuchs und die Auflösung der Sonderstaatsanwaltschaft, wodurch die Integrität der Gerichtsverfahren gefährdet, die Betrugsbekämpfung der EU untergraben und der Schutz der finanziellen Interessen der EU und der Natur in der Slowakei aufs Spiel gesetzt wird; fordert die slowakische Regierung auf, diese Änderungen im Hinblick auf ihre möglichen Folgen für die Rechtsstaatlichkeit, die finanziellen Interessen der EU und den EU-Rahmen für die Korruptionsbekämpfung zu überdenken; weist darauf hin, dass jede Reform des Strafrechts mit ausreichenden und angemessenen Garantien einhergehen muss, mit denen die Fortsetzung und Wirksamkeit neuer und laufender Strafverfahren, insbesondere in Bezug auf Korruption auf hoher Ebene, sichergestellt und die Unabhängigkeit der Justiz und die Autonomie der Staatsanwaltschaft im Einklang mit den Empfehlungen der Kommission in den anschließenden Berichten über die Rechtsstaatlichkeit gewährleistet werden; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die Neuzuweisung der Fälle des Sonderstaatsanwalts zu erheblichen Verzögerungen führen wird und einige Verfahren wegen Verjährung eingestellt werden könnten;

11.  nimmt die Maßnahmen der spanischen Regierung im Zusammenhang mit ihrer kürzlich erfolgten Vereidigung zur Kenntnis, einschließlich der anstehenden Verabschiedung eines Amnestiegesetzes; nimmt die Fragen, Einschätzungen und Bedenken zur Kenntnis, die von verschiedenen Akteuren als Reaktion auf diese Entwicklungen geäußert wurden, unter anderem von Richtervereinigungen, Staatsanwälten, Rechtsanwälten, Wissenschaftlern, der Zivilgesellschaft und der breiten Öffentlichkeit; stellt fest, dass die Kommission auch die spanische Regierung schriftlich um Erklärungen gebeten hat; hebt hervor, dass diese Vorgänge eine unabhängige Bewertung erfordern; fordert die spanische Regierung in diesem Zusammenhang auf, den Organen der Union gegenüber vollständige Transparenz in Bezug auf dieses Amnestiegesetz zu schaffen, und nimmt zur Kenntnis, dass der spanische Senat die Venedig-Kommission um eine Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und zur Vereinbarkeit mit den Vorschriften und Normen der Union ersucht hat; bedauert auch die seit langem bestehende Blockade des Justizrates, zu der die Kommission in ihrem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit spezifische Empfehlungen an die spanischen Behörden gerichtet hat;

Korruption

12.  bekräftigt, dass Korruption eine ernsthafte Bedrohung für die Rechtsstaatlichkeit darstellt und das Vertrauen in Demokratie und Gleichheit vor dem Gesetz ernsthaft untergräbt; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, ihre Anstrengungen zur Ausmerzung der Korruption zu verstärken;

13.  hebt hervor, dass aus dem Eurobarometer zur Korruption aus dem Jahr 2022 hervorgeht, dass Korruption für die Unionsbürgerinnen und -bürger und die Unternehmen in der EU nach wie vor Anlass zu großer Sorge gibt, wobei ein großer Teil der europäischen Bürger der Ansicht ist, dass Korruption in ihrem Land weit verbreitet ist (68 %) und dass das Ausmaß der Korruption zugenommen hat (41 %); begrüßt, dass mittlerweile alle Mitgliedstaaten über Strategien zur Korruptionsbekämpfung verfügen, die regelmäßig evaluiert und überprüft werden; weist erneut darauf hin, dass nicht nur ein solider Rechtsrahmen, sondern auch eine wirksame Umsetzung erforderlich ist, um korrupten Praktiken ein Ende zu setzen, und dass es zur Verhinderung solcher Praktiken auch transparenter und verantwortungsvoller Rahmen für Governance und Integrität bedarf;

14.  bedauert, dass trotz der Strategien zur Korruptionsbekämpfung in allen Mitgliedstaaten Korruption in der EU sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, wobei Dänemark, Finnland, Schweden und die Niederlande zu den am wenigsten korrupten Ländern gezählt werden, während das wahrgenommene Ausmaß der Korruption in Bulgarien, Malta, Ungarn, Griechenland und Slowenien besorgniserregend ist29; stellt ferner mit Besorgnis fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass einige Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Malta, Ungarn, Griechenland und Slowenien noch keine solide Erfolgsbilanz bei der Ermittlung und Verfolgung von Korruptionsfällen auf höchster Ebene, die zu rechtskräftigen Verurteilungen mit abschreckender Wirkung führen, vorweisen können; nimmt zur Kenntnis, dass die GRECO kürzlich einen Bericht über Zypern veröffentlicht hat, in dem die mangelnde Wirksamkeit der Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung hervorgehoben und auf spezifische Risiken bei der Strafverfolgung hingewiesen wird(38);

15.  betont, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten und die gewählten Vertreter, Führungsspitzen und Beamten der EU mit gutem Beispiel vorangehen sollten, indem sie von jeglichen korrupten Praktiken absehen, und dass es keine staatliche oder politische Einflussnahme auf Korruptionsermittlungen geben sollte; fordert die Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte (DFRMG) auf, die Entschließungen des Parlaments zur Rechtsstaatlichkeit weiterzuverfolgen, um einen Beitrag dazu zu leisten, gegen Straflosigkeit von Korruption vorzugehen; weist darauf hin, dass auch Beamte, Politiker, gewählte Vertreter und führende Politiker der EU an Korruption beteiligt sein können, wie der Fall „Katargate“ gezeigt hat; bekräftigt daher seine Forderung, dass sich der Jahresbericht auch auf die EU-Organe erstrecken muss; fordert die Kommission erneut auf, die Verhandlungen über die Vollmitgliedschaft der EU in der GRECO möglichst bald abzuschließen;

16.  betont, dass sich die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen sicher fühlen sollten, wenn sie Fälle von Korruption melden, insbesondere durch Alarmschlagen („Whistleblowing“); nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission der Ansicht ist, dass in der gesamten EU nach wie vor große Hindernisse mit Blick auf die Meldung von Missständen bestehen, auch wenn einige Mitgliedstaaten, etwa die Slowakei, Zypern, Dänemark und Malta, Schritte unternommen haben, um diese Situation zu verbessern; fordert die slowakische Regierung auf, die verbindlichen Grundsätze der EU-Richtlinie über den Schutz von Hinweisgebern(39) einzuhalten und die vorgeschlagenen Änderungen beim Schutz von Hinweisgebern in der Slowakei zu überdenken; ist besonders besorgt darüber, dass Hinweisgebern rückwirkend ihr Schutz entzogen werden kann, was zu fehlender Rechtssicherheit führt; stellt fest, dass die für Hinweisgeber zuständige Dienststelle die Kommission auf diese Probleme aufmerksam gemacht hat;

17.  verurteilt, dass Malta weiterhin sein Programm der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch Investitionen (Citizenship by Investment – CBI) anwendet, das ein erhebliches Risiko für Korruption und andere Straftaten darstellt, insbesondere angesichts der Schritte, die mehrere andere Mitgliedstaaten unternommen haben, um sicherzustellen, dass Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren abgeschafft werden; verweist auf die beim EuGH anhängige Klage der Kommission gegen Malta wegen dessen CBI-Programm und bekräftigt seinen Standpunkt, dass die Kommission von ihrer Befugnis Gebrauch machen sollte, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, um im Wege der Gesetzgebung ein Verbot aller CBI-Programme in der EU auf den Weg zu bringen;

18.  würdigt die wichtige Funktion der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) beim Schutz der Rechtsstaatlichkeit und bei der Korruptionsbekämpfung in der Union und fordert die Kommission auf, den Umfang der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit der EUStA in den folgenden Berichten genau zu überwachen; fordert die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, der EUStA beizutreten; begrüßt, dass Polen das Verfahren für den Beitritt zur EUStA eingeleitet hat, was das starke Engagement der neuen Regierung für den Schutz der finanziellen Interessen der EU und die wirksame Bekämpfung der Korruption belegt; ist der Ansicht, dass die Mitgliedschaft in der EUStA eine Voraussetzung für den Erhalt von EU-Mitteln sein sollte; bekräftigt seine Forderung nach einer Ausweitung des Mandats der EUStA;

19.  ist der Ansicht, dass Einrichtungen der Union wie Europol, Eurojust, der Europäische Rechnungshof, EPPO und das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ihre Zusammenarbeit verbessern sollten, um Korruption sowohl in den EU-Mitgliedstaaten als auch in den Organen und Einrichtungen der Union zu verhindern; fordert in diesem Zusammenhang auch die Schaffung eines wirksamen Ethikgremiums der Union;

20.  stellt fest, dass an Korruption nationale Behörden, einschließlich Justiz- und Polizeibehörden, beteiligt sein können, die eigentlich für die Bekämpfung der Korruption zuständig sind; ist nach wie vor besorgt darüber, dass bei der Beseitigung der Kultur der Straflosigkeit auf höchster Ebene in Malta, die bei der unabhängigen öffentlichen Untersuchung des Mordes an Daphne Caruana Galizia festgestellt wurde, nur langsame und begrenzte Fortschritte erzielt wurden; ist der Ansicht, dass EU-Einrichtungen wie Europol eine wichtige Rolle bei der Untersuchung von Korruption und dem Sammeln von Beweisen spielen, dass jedoch das Erfordernis einer nationalen Zustimmung zur Beteiligung von Europol ein Hindernis darstellt; fordert, die Stärkung des Mandats von Europol, damit es Korruptionsfälle der oben beschriebenen Art untersuchen kann; betont jedoch, wie wichtig es ist, dass auf EU-Ebene eine Aufsicht über Europol sichergestellt ist, unabhängige Rechenschaftsmechanismen, Einrichtungen und sonstige Stellen der EU gestärkt werden und die demokratische Kontrolle der Tätigkeiten von Europol verbessert wird, einschließlich einer systematischen Bewertung aller Tätigkeiten der Agentur und der Einhaltung ihres Mandats sowie der Pflicht, Empfehlungen des Europäischen Parlaments an die Agentur Folge zu leisten;

21.  begrüßt die von der Kommission vorgelegten Vorschläge zur Korruptionsbekämpfung, mit denen den Forderungen des Parlaments nachgekommen wird, die Korruptionsbekämpfung zu intensivieren; stellt fest, dass die Kommission beabsichtigt, die Korruptionsprävention bei der Entwicklung von politischen Maßnahmen, Strategien und Programmen der Union durchgängig zu berücksichtigen und die Bemühungen der Mitgliedstaaten, tragfähige Strategien und Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung umzusetzen, aktiv zu unterstützen; begrüßt die Bereitschaft, die grenzüberschreitende Dimension der Korruption anzugehen, indem Korruptionsdelikte unter Strafe gestellt und die Strafen in der gesamten EU harmonisiert werden;

22.  betont, dass Korruption und Geldwäsche untrennbar miteinander verbunden sind und dass die Geldwäsche eine der wichtigsten Faktoren für die illegalen Aktivitäten des organisierten Verbrechens und damit ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit ist, durch den Kriminelle die Erträge aus Straftaten in die legale Wirtschaft transferieren; ist sich dessen bewusst, dass Betrug zulasten des EU-Haushalts auch eine der Geldwäsche vorausgehende Vortat sein kann; bekräftigt seine feste Überzeugung, dass der Schutz der finanziellen Interessen der EU nur durch eine Stärkung der EU-Betrugsbekämpfungsarchitektur und eine größere Transparenz in den Einrichtungen der EU wirksam und effizient verfolgt und gestärkt werden kann, indem die inhärenten Grenzen der nationalen Systeme überwunden werden, die nicht ausreichen, um den zunehmend grenzüberschreitenden Angriffen auf die finanziellen Interessen der Union zu begegnen;

Unabhängige Behörden

23.  hebt hervor, dass die Gewaltenteilung nur dann funktionieren kann, wenn die Verfassungsgerichte, die Bürgerbeauftragten, die nationalen Menschenrechtsinstitutionen, die Rechnungshöfe, die Stellen für Gleichstellung und alle anderen unabhängigen Behörden funktionsfähig sind und über ausreichend weit gefasste Mandate, Unabhängigkeit, Integrität und eine angemessene Finanzierung verfügen;

24.  stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass die Lage im Hinblick auf Bürgerbeauftragte, nationale Menschenrechtsinstitutionen, Gleichstellungsstellen und sonstige unabhängige Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist, wobei es in Zypern, der Slowakei, Luxemburg, Portugal, Slowenien und Polen einige Entwicklungen in die richtige Richtung zu verzeichnen gibt, während in Litauen, Ungarn und Kroatien nach wie vor Herausforderungen bestehen, in Italien, Tschechien, Malta und Rumänien noch immer keine nationale Menschenrechtsinstitution im Einklang mit den Pariser Grundsätzen der Vereinten Nationen eingerichtet wurde und in Bulgarien, Spanien und Österreich Verzögerungen bei den Ernennungen bei verschiedenen unabhängigen Behörden bestehen und in Polen das wirksame Funktionieren des Obersten Rechnungshofs gefährdet ist; nimmt mit großer Besorgnis die jüngsten Entwicklungen in Griechenland zur Kenntnis, wo unabhängige Behörden wie die griechische Behörde für Kommunikationssicherheit und Datenschutz (ADAE) und die griechische Datenschutzbehörde aufgrund ihrer Arbeit im Zusammenhang mit dem unrechtmäßigen Einsatz von Spähsoftware unter zunehmendem Druck stehen, wobei die Mitglieder des Verwaltungsrats der ADAE kürzlich durch das griechische Parlament eilig ersetzt wurden, offenbar aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Entscheidung der ADAE, eine Geldstrafe gegen den griechischen Geheimdienst zu verhängen;

Medienpluralismus und Medienfreiheit

25.  hebt hervor, dass ohne Medienpluralismus und Medienfreiheit das demokratische Leben und die Rechtsstaatlichkeit nicht überleben können;

26.  ist der Ansicht, dass Transparenz in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich die grundlegende Mindestanforderung ist, um den Medienpluralismus zu wahren; stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass seit dem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 in Griechenland, Luxemburg und Schweden neue Rechtsvorschriften zur Erhöhung der Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich oder zur Verbesserung der öffentlichen Verfügbarkeit von Informationen über die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich angenommen wurden und dass solche Regelungen in Zypern gestärkt wurden; stellt ferner fest, dass in Bulgarien, Tschechien und Frankreich Änderungen noch ausstehen; legt den Organen und Einrichtungen der Union nahe, endlich ein robustes und ehrgeiziges Medienfreiheitsgesetz zu verabschieden und umzusetzen, um die Harmonisierung der Transparenz der Rechtsvorschriften über die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich auf EU-Ebene sicherzustellen;

27.  stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass die Medienregulierungsbehörden aufgrund unzureichender Schutzmaßnahmen nicht hinreichend vor unzulässiger politischer Einflussnahme geschützt sind, etwa in Ungarn, in Slowenien und – bis vor Kurzem – in Polen unter ihrer früheren von „Recht und Gerechtigkeit“ geführten Regierung, und dass es den Behörden, insbesondere in Griechenland und Rumänien, an Ressourcen mangelt; fordert die Kommission auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die wirksame Umsetzung von Artikel 30 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste(40) sicherzustellen, in dem das Erfordernis von Garantien für die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden festgelegt ist;

28.  betont die Bedeutung der redaktionellen Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien und die Pflicht aller Mitgliedstaaten, diese zu achten; betont, dass Vorkehrungen gegen interne und externe Einflussnahme getroffen werden müssen; ist der Ansicht, dass öffentlich-rechtliche Medien vor politischem Druck, einschließlich ungerechtfertigter Entlassungen, geschützt werden sollten und dass Vorkehrungen getroffen werden sollten, um zu gewährleisten, dass redaktionelle Entscheidungen frei getroffen werden können; stellt fest, dass Luxemburg, Slowenien, Deutschland, Estland, die Slowakei und Tschechien nach Auffassung der Kommission Initiativen ergriffen haben, um die rechtlichen Garantien oder Haushaltsmittel zwecks Verbesserung der Unabhängigkeit der nationalen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu stärken, wobei in Zypern, Irland und Schweden ebenfalls entsprechende Reformen erörtert werden, während Maßnahmen dieser Art in Rumänien, Malta und Ungarn ausbleiben; nimmt die Bemühungen der neuen polnischen Regierung zur Kenntnis, die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt wiederherzustellen; stellt fest, dass im jüngsten Bericht des Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus das Risiko für redaktionelle Autonomie und politische Unabhängigkeit als „hoch“ eingestuft wurde und das Gesamtrisiko für Medienpluralismus in Malta nicht mehr als „mittel“, sondern als „hoch“ bewertet wird;

29.  nimmt mit Besorgnis die geplante Umstrukturierung des Rundfunks und Fernsehens der Slowakei (RTVS – Rozhlas a televízia Slovenska), der größten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt des Landes, zur Kenntnis; betont, wie wichtig es ist, freie und unabhängige Medien als Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft zu erhalten; bedauert die Entscheidung des Ministerpräsidenten und mehrerer Regierungsbeamter, die Kommunikation mit bedeutenden Medienunternehmen einzustellen, und stellt fest, dass dies ein erhebliches Hindernis für das Recht der Öffentlichkeit ist, einschlägige Informationen von der Regierung zu erhalten; betont, dass durch solche Maßnahmen die Freiheit und Transparenz der Medien eingeschränkt und zur Verbreitung manipulativer Desinformation im öffentlichen Raum beigetragen wird;

30.  fordert den Rat und die Kommission auf, angemessene Mittel für unabhängigen und unionsweiten Qualitätsjournalismus auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene bereitzustellen;

Schutz von Journalisten

31.  weist darauf hin, dass unabhängiger Journalismus als Teil der grundlegenden Gewaltenteilung und Element der öffentlichen Kontrolle ein wesentliches Element der demokratischen Rechtsstaatlichkeit ist; äußert seine Besorgnis über die gezielten Versuche von Regierungen und wirtschaftlich mächtigen Akteuren, Journalisten, die Missstände aufdecken, zum Schweigen zu bringen; betont, dass ungerechtfertigte Eingriffe und Druck, Angst und Selbstzensur eine abschreckende Wirkung auf die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung von Journalisten haben;

32.  bedauert die besorgniserregenden Entwicklungen in Bezug auf die Sicherheit von Journalisten in mehreren Mitgliedstaaten; stellt fest, dass die Plattform des Europarats zur Förderung des Schutzes journalistischer Tätigkeiten und der Sicherheit von Journalisten seit 2015 mehr als 1 600 Warnmeldungen registriert hat; bedauert die Einschüchterung von Journalisten während des Wahlkampfs, wie sie kürzlich bei den Wahlen in der Slowakei stattfand; bedauert, dass Malta die Arbeitsbedingungen von Journalisten seit dem Mord an Daphne Caruana Galizia nicht verbessert hat, wie es unter anderem durch eine wirksame Umsetzung der Empfehlungen aus dem Bericht über die öffentliche Untersuchung vom 29. Juli 2021 möglich gewesen wäre; fordert slowakische Regierungsbeamte auf, verbale Angriffe auf Einzelpersonen zu unterlassen; hebt die Pflicht von Amtsträgern und Regierungsbeamten hervor, allen Bürgern zu dienen, insbesondere in einem Land, in dem in der Vergangenheit hassmotivierte Straftaten begangen wurden und ein Journalist ermordet worden ist;

33.  ist beunruhigt über das Fortbestehen von SLAPP-Klagen in der gesamten Union; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlung (EU) 2022/758(41) der Kommission zum Schutz von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren umzusetzen; weist darauf hin, dass dies durch die Aufhebung von Haftstrafen für Verleumdungsfälle, die Entkriminalisierung von Verleumdung und die Bevorzugung von zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren erfolgen kann; begrüßt die politische Einigung zwischen den beiden gesetzgebenden Organen der Union über die Anti-SLAPP-Richtlinie(42); fordert die Kommission auf, die Möglichkeit weiterer Rechtsvorschriften zu prüfen, damit alle SLAPP-Klagen, einschließlich innerstaatlicher Fälle, abgedeckt werden können; bedauert, dass die von Malta vorgeschlagenen Anti-SLAPP-Bestimmungen trotz der von verschiedenen internationalen Organisationen geäußerten Befürchtungen nicht ausreichen, um die Arbeit von Journalisten zu schützen(43); bekräftigt seine an einige Politiker, darunter den ehemaligen maltesischen Premierminister, gerichtete Forderung, die von den Erben von Daphne Caruana Galizia geerbten Verleumdungsfälle zurückzunehmen, die auch Jahre nach ihrer Ermordung noch andauern;

34.  fordert die griechische Regierung auf, die schwerwiegenden Herausforderungen anzugehen, die im Rahmen des Projekts „Media Freedom Rapid Response“ (MFRR) ermittelt wurden, einem Bündnis, das Verletzungen der Presse- und Medienfreiheit verfolgt, überwacht und darauf reagiert, insbesondere im Zusammenhang mit willkürlicher Überwachung, Straflosigkeit oder Verbrechen gegen Journalisten, strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen), Unabhängigkeit und Pluralismus der Medien(44); begrüßt die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu Schutz, Sicherheit und Handlungskompetenz von Journalisten und anderen Medienschaffenden, die die Sicherheit und Unabhängigkeit von Journalisten und anderen Medienschaffenden stärken, das Bewusstsein schärfen und die Sicherheit von Journalisten überwachen soll und die ihre Arbeit im Einklang mit der Empfehlung (EU) 2021/1534 der Kommission vom 16. September 2021 zur Gewährleistung des Schutzes, der Sicherheit und der Handlungskompetenz von Journalisten und anderen Medienschaffenden in der Europäischen(45) aufgenommen hat; nimmt mit großer Besorgnis die jüngste Festnahme einer Reporterin durch die französischen Behörden zur Kenntnis, die offenbar dazu diente, die Offenlegung ihrer Quellen zu erreichen, sowie das illegale Abhören einer niederländischen Journalistin, die für die Journalismusplattform „De Correspondent“ arbeitet;

35.  verurteilt aufs Schärfste das Ausbleiben eines entscheidenden Durchbruchs bei den Ermittlungen zum Mord an Giorgos Karaivaz; stellt fest, dass die beiden mutmaßlichen Mörder mehr als zwei Jahre nach dem Mord auf der Grundlage von Beweisen festgenommen wurden, die der Polizei offenbar die ganze Zeit zur Verfügung standen; ist der Ansicht, dass der Drahtzieher hinter dem Mord noch nicht identifiziert worden ist; stellt fest, dass Karaivaz – wie Daphne Caruana Galizia und Ján Kuciak – Recherchen in Bezug auf Korruption und Kriminalität durchführte und sich möglicherweise Feinde in hohen Positionen, auch in politischen Kreisen, gemacht hat; weist darauf hin, dass der mutmaßliche Drahtzieher der Ermordung von Daphne Caruana Galizia immer noch nicht verurteilt wurde und dass auch nicht alle Fälle von Korruption und Kriminalität, die sie recherchiert hat, von den staatlichen Stellen angemessen behandelt wurden;

36.  verurteilt die illegale Überwachung von Journalisten, insbesondere mittels Spähsoftware; ist bestürzt über die Weigerung der Kommission, alle Empfehlungen des Pegasus-Sonderuntersuchungsausschusses umzusetzen, und betrachtet dies als Untätigkeit; wiederholt seine Aufforderung an die Kommission, zu prüfen, ob die in der Empfehlung enthaltenen besonderen Bedingungen für Zypern, Griechenland, Ungarn, Polen und Spanien erfüllt sind, wofür als Frist der 30. November 2023 gesetzt war; begrüßt die Einsetzung eines besonderen Untersuchungsausschusses mit Untersuchungsbefugnissen im Sejm, dem Unterhaus des polnischen Parlaments; fordert eine gründliche Untersuchung der mutmaßlichen schwerwiegenden Verstöße gegen nationale Rechtsvorschriften und EU-Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der unrechtmäßigen Überwachung zu politischen Zwecken durch die von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ geführten Regierung; ist beunruhigt darüber, dass die Liste der mutmaßlichen Opfer sehr lang ist und mehrere Politiker, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Journalisten, Geschäftsleute, Aktivisten und andere Personen auf dieser Liste stehen; weist darauf hin, dass in keinem der Fälle des Missbrauchs von Spähsoftware gegen Journalisten, Aktivisten, Politiker, Rechtsanwälte und andere politische Zielpersonen der Gerechtigkeit Genüge getan wurde; kommt daher zu dem Schluss, dass entgegen der Annahme der Kommission viele nationale Behörden weder willens noch in der Lage sind, sich mit der Angelegenheit zu befassen, sodass den Opfern keine wirksamen Rechtsmittel zur Verfügung stehen und die Demokratie nicht geschützt ist; ist zutiefst besorgt über die abschreckende Wirkung, die die Straflosigkeit des Missbrauchs von Spähsoftware auf Journalisten und ihre Quellen hat; betont, dass der unrechtmäßige Einsatz von Spähsoftware durch nationale Regierungen direkt und indirekt die Integrität des Entscheidungsprozesses beeinträchtigt und damit die Demokratie in der Europäischen Union untergräbt, und betont, dass hinsichtlich der Überwachungsindustrie dringend mehr Transparenz und rechtliche Rechenschaftspflicht erforderlich ist;

37.  weist erneut darauf hin, dass der Handel mit und die Verwendung von Spähsoftware streng geregelt werden müssen, dass der Einsatz von Spähsoftware verhältnismäßig sein muss und nicht willkürlich sein darf und dass die Überwachung nur unter ganz bestimmten, im Voraus festgelegten Umständen genehmigt werden darf; ist der Auffassung, dass wirksame Ex-ante-Mechanismen zur Sicherstellung der gerichtlichen Kontrolle für den Schutz der individuellen Freiheiten von entscheidender Bedeutung sind; bekräftigt, dass die Rechte des Einzelnen nicht gefährdet werden dürfen, indem ein uneingeschränkter Zugang zur Überwachung ermöglicht wird; unterstreicht, dass es ebenfalls wichtig ist, dass die Gerichte in der Lage sind, eine substanzielle und wirksame Ex-post-Kontrolle im Bereich der Überwachungsanträge für Zwecke der nationalen Sicherheit durchzuführen, um sicherzustellen, dass ein unverhältnismäßiger Einsatz von Spähsoftware durch Regierungen angefochten werden kann;

38.  betont, dass die Auswirkungen der unrechtmäßigen Verwendung von Spähsoftware in den Mitgliedstaaten weit ausgeprägter sind, in denen die Behörden, die normalerweise mit den Untersuchungen, der Wiedergutmachung für die Betroffenen und der Gewährleistung der Rechenschaftspflicht betraut sind, vom Staat vereinnahmt werden, und in denen eine Krise der Rechtsstaatlichkeit besteht und die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet ist, sodass man sich auf die nationalen Behörden nicht verlassen kann; fordert die Kommission daher auf, im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit eine spezielle länderspezifische Überwachung und Empfehlungen in Bezug auf den unrechtmäßigen Einsatz von Spähsoftware durch die Mitgliedstaaten einzuführen, wobei bewertet werden sollte, inwieweit die staatlichen Einrichtungen in der Lage sind, betroffenen Personen Rechtsschutz zu gewähren;

Transparenz und Zugang zu Informationen

39.  bedauert die anhaltenden Schwierigkeiten, mit denen viele Bürger, Journalisten und Parlamentarier in vielen Mitgliedstaaten hinsichtlich des Erhalts von Informationen und des Zugangs zu Dokumenten konfrontiert sind; betont, dass Behörden allzu oft den Zugang zu Informationen und Dokumenten gezielt vereiteln, indem sie beispielsweise Entscheidungen unverhältnismäßig lange hinauszögern oder nur scheinbar Zugang gewähren, indem sie Informationen nur teilweise zugänglich machen; nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission festgestellt hat, dass mehrere Mitgliedstaaten Initiativen ergriffen haben, um den Zugang zu Informationen besser zu regulieren, etwa Tschechien, Litauen und die Slowakei, und dass bestimmte andere, wie Deutschland, Kroatien, Spanien, Luxemburg und Ungarn Verbesserungen in diesem Bereich hinarbeiten; stellt allerdings fest, dass einige Mitgliedstaaten noch immer nicht in vollem Umfang auf Bedenken eingehen, etwa Malta, Österreich und Finnland; fordert die maltesische Regierung erneut auf, ihre Rechtsbehelfe gegen eine Reihe von Anträgen im Zusammenhang mit der Informationsfreiheit, die von der Nachrichtenplattform The Shift News eingereicht wurden, zurückzuziehen;

40.  fordert die EU-Organe auf, beim Zugang zu Informationen und Dokumenten ein beispielhaftes Verhalten an den Tag zu legen; nimmt in diesem Zusammenhang den jüngsten Sonderbericht der Europäischen Bürgerbeauftragten zu ihrer strategischen Untersuchung betreffend die Zeit, die die Europäische Kommission für die Bearbeitung von Anträgen auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten benötigt, zur Kenntnis, der sich an ihre strategische Untersuchung in dieser Angelegenheit anschließt, in der sie einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit feststellte, da es bei der Bearbeitung von Zweitanträgen durch die Kommission zu systemischen und erheblichen Verzögerungen gekommen sei(46); fordert die Kommission auf, dieses immer wiederkehrende Problem ein für alle Mal zu lösen;

41.  legt den Mitgliedstaaten nahe, Lobbyarbeit zu regulieren, indem sie verbindliche nationale Transparenzregister für alle Politiker, Regierungsbeamten und Bedienstete von Behörden und Agenturen einführen; legt Politikern, Regierungsbeamten und Bediensteten von Behörden und Agenturen nahe, eine Liste aller ihrer Treffen zu veröffentlichen;

Wirtschaftliche Dimension der Rechtsstaatlichkeit

42.  fordert die Stärkung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit im Binnenmarkt; betont, dass zuverlässige und stabile rechtsstaatliche Strukturen Schlüsselpfeiler für Investitionen und Handel sind, die für die Wettbewerbsfähigkeit und damit für die Kapazität des Sozialsystems und des Arbeitsmarktes in der Europäischen Union von wesentlicher Bedeutung sind; bedauert Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich, die gegen Unionsrecht verstoßen, wie beispielsweise bestimmte protektionistische Maßnahmen;

43.  fordert, die Überwachung der wirtschaftlichen Dimension der Rechtsstaatlichkeit zu intensivieren; fordert die Kommission auf, die wirtschaftliche Dimension im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit im Rahmen eines erweiterten Berichtsumfangs stärker zu berücksichtigen und ihr besondere Aufmerksamkeit zu schenken;

44.  verurteilt erneut die berichteten systematischen diskriminierenden, intransparenten und unlauteren Praktiken gegenüber Unternehmen in bestimmten Branchen in Ungarn sowie die Verwendung von EU-Mitteln zur Bereicherung politischer Verbündeter der Regierung, was gegen die EU-Vorschriften für den Wettbewerb und für die Vergabe öffentlicher Aufträge verstößt; ist zutiefst besorgt über die zunehmende Konzentration von Unternehmen in den Händen von Oligarchen, die Verbindungen zur derzeitigen Regierung haben und öffentlich ihre Absicht bekundet haben, sich in diese Sektoren einzukaufen, sowie über Maßnahmen, die sich gezielt gegen Wettbewerber dieser Unternehmen richten;

45.  weist erneut darauf hin, dass im Anwendungsbereich der Verträge jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß der Charta verboten ist und dass die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und der freie Kapitalverkehr von grundlegender Bedeutung für den Binnenmarkt sind; betont, dass die Vorschriften über die Gleichbehandlung sowohl offene als auch versteckte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit oder – im Fall von Unternehmen – wegen ihres Sitzes verbieten; betont, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der Wettbewerbsvorschriften und der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auch im Interesse ungarischer Unternehmen liegt;

46.  fordert die Mitgliedstaaten auf, ihr Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit gegenüber der internationalen Gemeinschaft unter Beweis zu stellen und alle angenommenen restriktiven Maßnahmen der EU korrekt und konsequent anzuwenden und umzusetzen und ihre Umgehung zu unterbinden; fordert die Kommission auf, dies genau zu überwachen;

Raum der Zivilgesellschaft

47.  würdigt die zentrale Bedeutung der Zivilgesellschaft und eines intakten zivilgesellschaftlichen Raums für die Wahrung und den Schutz der Rechtsstaatlichkeit, und bekräftigt seine Forderung, der Situation der Zivilgesellschaft in den Mitgliedstaaten ein eigenes Kapitel zu widmen; stellt fest, dass die Kommission der Auffassung ist, dass Malta, Irland, Bulgarien, Litauen und Deutschland Anstrengungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft angekündigt oder eingeleitet haben, und der Auffassung ist, dass die Zivilgesellschaft in Zypern, Griechenland, Spanien, Italien und Frankreich mit besonderen Herausforderungen und in Ungarn und Polen – unter ihrer früheren von „Recht und Gerechtigkeit“ geführten Regierung – weiterhin mit schwerwiegenden systemischen Beschränkungen konfrontiert ist; fordert alle Mitgliedstaaten auf, Organisationen der Zivilgesellschaft als wichtige Akteure des demokratischen Lebens anzuerkennen und ein günstiges Umfeld für die Zivilgesellschaft zu schaffen;

48.  fordert die Kommission auf, durch zweckgebundene Finanzmittel – beispielsweise über das Programm „Unionsbürgerschaft, Gleichstellung, Rechte und Werte“ – weiter in den Aufbau von Kapazitäten für Organisationen der Zivilgesellschaft zu investieren, um die Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten, und für einen angemessenen Schutz der Organisationen der Zivilgesellschaft zu sorgen, die sich an diesem Prozess beteiligen; ist besorgt darüber, dass sich die von Voreingenommenheit geprägte Zuweisung von Finanzmitteln in bestimmten Ländern auf Organisationen der Zivilgesellschaft auswirkt, die sich für die Förderung der Rechte benachteiligter Gruppen oder ganz allgemein für Anliegen einsetzen, die von den Regierungen nicht unterstützt werden; spricht sich für eine gründliche Bewertung dieser Probleme in allen Ländern aus, die Gegenstand des Berichts sind, und betont, dass in länderspezifischen Empfehlungen auf diese Probleme eingegangen werden muss; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die direkte Verwaltung von Unionsmitteln in Erwägung zu ziehen, damit die förderfähigen Endbegünstigten, etwa Organisationen der Zivilgesellschaft, Unternehmen und lokale Gebietskörperschaften, die für sie bestimmten Unionsmittel auch tatsächlich erhalten;

49.  begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über länderübergreifende europäische Vereinigungen (COM(2023)0516) und verpflichtet sich, ihrer Annahme Vorrang einzuräumen; fordert die Kommission ferner nachdrücklich auf, eine Strategie auszuarbeiten, mit der Mindeststandards für den Schutz zivilgesellschaftlicher Organisationen in allen Mitgliedstaaten vorgesehen werden, um ein regulatorisches und politisches Umfeld zu fördern, das frei von Bedrohungen und Angriffen ist, und diesen Organisationen einen dauerhaften und diskriminierungsfreien Zugang zu Ressourcen zu gewähren und gleichzeitig ihren Beitrag zum zivilen Dialog und ihre Beteiligung an der Politikgestaltung zu unterstützen und zu fördern;

50.  ist zutiefst besorgt über die von der slowakischen Regierung angekündigten Pläne zur Verabschiedung von Gesetzen, die den zivilgesellschaftlichen Freiraum gefährden würden, unter anderem durch die Einschränkung der Arbeit von nichtstaatlichen Organisationen und die Stigmatisierung von Organisationen, die Mittel aus dem Ausland erhalten;

51.  bedauert, dass sich die Lage von Menschenrechtsverteidigern in der EU in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hat; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsverteidiger ungehindert und in aller Sicherheit arbeiten können;

Die rechtmäßige Anwendung von Zwang durch die Polizei im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung

52.  betont, dass die Strafverfolgung eine wesentliche Rolle spielt, wenn es darum geht, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, ein sicheres Umfeld für die Menschen zu schaffen und ihnen die Ausübung der Grundrechte zu ermöglichen; bedauert, dass dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2023 zufolge in vielen Mitgliedstaaten, darunter Belgien, Portugal, die Slowakei und Zypern, die Strafverfolgungsbehörden nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, um ihre Aufgaben wie die Korruptionsbekämpfung wirksam wahrnehmen zu können; fordert die Mitgliedstaaten auf, für eine angemessene Finanzierung, Ausbildung und Personalausstattung der Polizei und anderer Strafverfolgungsbehörden zu sorgen;

53.  betont, dass die Befugnis zur Anwendung von Zwang mit äußerster Vorsicht behandelt werden muss, und betont, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass die Polizei Zwang nur dann anwendet, wenn dies unbedingt erforderlich ist, und nur in dem Umfang, der erforderlich ist, um ein legitimes Ziel zu erreichen; weist erneut darauf hin, dass die Polizei ihre Aufgaben gemäß dem Grundsatz der Unparteilichkeit und Nichtdiskriminierung erfüllen muss; fordert die Mitgliedstaaten auf, alle Fälle übermäßiger Anwendung von Zwang oder diskriminierender Behandlung durch die Strafverfolgungsbehörden gründlich zu untersuchen und für systemische Garantien gegen einen solchen Missbrauch zu sorgen;

54.  fordert die Mitgliedstaaten auf, in diesem Zusammenhang den Kodex für Polizeiethik des Europarates zu berücksichtigen; ist der Auffassung, dass Polizeibeamte darin geschult werden sollten, alternative Methoden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung anzuwenden, die das Leben von Demonstranten und Festgenommenen nicht gefährden; fordert die Mitgliedstaaten auf, EU-weit gültige Leitlinien für ein transparentes, unabhängiges und einheitliches Auswahl-, Test- und Erprobungsverfahren für die von den Bediensteten der Strafverfolgungsbehörden verwendeten Waffen einzuführen, die sich auf die Normen, Empfehlungen und Leitgrundsätze der Vereinten Nationen stützen; stellt fest, dass im Rahmen dieser Bewertung vor der Auswahl und dem Einsatz der Waffen festgestellt werden sollte, ob sie den internationalen Normen und Standards im Bereich der Menschenrechte entsprechen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Daten über alle Fälle der Anwendung von Zwang zu erfassen, damit Nachweise über Einsatz, Missbrauch, unerwartete Folgen, Verletzungen und Todesfälle sowie deren Ursachen gesammelt werden; ist besorgt über die übermäßige Anwendung von Zwang durch die Strafverfolgungsbehörden in der gesamten EU; hebt hervor, dass die französische Polizei stärker bewaffnet ist als die Polizei in den meisten anderen Ländern der Union; ist besorgt über die Tatsache, dass die Strafverfolgungsbehörden in Frankreich auch willkürliche Festnahmen von Demonstranten vornehmen, was eine Verletzung des Rechts auf Freiheit darstellt, da die meisten Festgenommenen innerhalb weniger Stunden ohne Anklage wieder freigelassen werden;

55.  ist zutiefst besorgt, dass EU-weit nach wie vor viele Fälle unverhältnismäßiger Gewaltanwendung, einschließlich Prügel, gegen friedliche Demonstranten gemeldet werden; stellt fest, dass die Strafverfolgungsbehörden in einigen Mitgliedstaaten zunehmend „weniger tödliche Waffen“ einsetzen, um Ansammlungen von Demonstranten zu kontrollieren oder zu zerstreuen, was in den letzten Jahren auch zu einer beträchtlichen Zahl von Schwerverletzten geführt hat, sodass klare Leitlinien für deren Einsatz erforderlich sind;

56.  ist der Ansicht, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der gesamten EU unter besorgniserregenden Bedingungen ausgeübt wird; betont, dass Einschränkungen des Rechts auf friedliche Versammlung grundsätzlich nicht auf dem Inhalt der Botschaft beruhen können, die die Teilnehmer eines Protests vermitteln wollen, da das Recht auf friedliche Versammlung eng mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung verbunden ist, mit Ausnahme von Versammlungen, die auf die Anstiftung zu Gewalt abzielen; besteht darauf, dass Gesetze und Praktiken in Bezug auf Versammlungen stets den internationalen Menschenrechtsnormen in Bezug auf die Versammlungsfreiheit und die Polizeiarbeit bei Demonstrationen entsprechen sollten, einschließlich der Bereitstellung gründlicher Menschenrechtsschulungen für Polizeibeamte; fordert die Mitgliedstaaten auf, keine Gesetze zu erlassen oder Methoden einzuführen, durch die das Recht auf friedliche Versammlung präventiv eingeschränkt wird oder Demonstranten ohne rechtliche Kontrolle im Vorhinein kriminalisiert werden;

57.  bringt seine tiefe Besorgnis über den übermäßigen Einsatz von Gewalt gegen Minderheiten, wie z. B. gegen Roma, durch Polizeikräfte zum Ausdruck; fordert die Behörden der Mitgliedstaaten auf, alle derartigen Fälle umfassend und unabhängig zu untersuchen; ist zutiefst besorgt über die Tatsache, dass in Griechenland innerhalb von drei Jahren drei junge Roma getötet wurden und dass es keine gründlichen Ermittlungen diesbezüglich gegeben hat;

Gleichheit, Nichtdiskriminierung und Pluralismus

58.  stellt fest, dass Rückschritte bei der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit und die Aushöhlung der Minderheitenrechte oft Hand in Hand gehen, und betont erneut, dass in künftigen Berichten ein umfassender Ansatz zur Überwachung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte erforderlich ist; bedauert, dass beim Schutz von Minderheiten in der gesamten EU keine Fortschritte erzielt wurden; verurteilt Hetze, auch von Regierungsmitgliedern oder politischen Amtsträger, gegen Minderheiten;

59.  betont, dass alle Arten von Diskriminierung, Hetze und Straftaten bekämpft werden müssen, die sich spezifisch gegen Minderheiten und Angehörige nationaler, ethnischer, sprachlicher oder religiöser Minderheiten richten; fordert die Kommission auf, in den nächsten Bericht eine spezielle neue Säule aufzunehmen und alle Formen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Romafeindlichkeit, Hetze und Diskriminierung sowie LGBTIQ+-Phobie, Hetze und Diskriminierung in allen Mitgliedstaaten zu erfassen;

60.  ist beunruhigt über den jüngsten Anstieg des Antisemitismus, einschließlich Gewalttaten, Einschüchterungen und Hasssymbolen im öffentlichen Raum;

61.  ist ferner beunruhigt über das Ausmaß der Islamfeindlichkeit in der EU, einschließlich Verleumdungskampagnen und Desinformation;

62.  bringt seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die Kommission sich nur langsam mit der Nichteinhaltung von Grundrechten und der Rechtsprechung der Mitgliedstaaten befasst; fordert die Kommission als Hüterin der Verträge nachdrücklich auf, ihrer Verantwortung für die Durchsetzung der EU-Menschenrechtsvorschriften nachzukommen und sich nicht nur darauf zu verlassen, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst vor Gericht gehen, um die Anwendung des Unionsrechts durchzusetzen; empfiehlt der Kommission insbesondere, in Fällen der Nichtbefolgung von EuGH-Urteilen Maßnahmen gemäß Artikel 260 Absatz 2 AEUV und in Fällen von Verstößen Maßnahmen gemäß der Konditionalitätsverordnung zu ergreifen;

63.  fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, dem Schutz der Rechte von LGBTIQ+-Personen in allen Politikbereichen eine echte und bereichsübergreifende Priorität einzuräumen; fordert die Kommission auf, alle verfügbaren Mittel zu nutzen, um sicherzustellen, dass die Rechte von LGBTIQ+-Personen in der gesamten EU geachtet werden, einschließlich der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten; fordert die Mitgliedstaaten auf, die zwölf Empfehlungen des Lenkungsausschusses des Europarats für Antidiskriminierung, Vielfalt und Inklusion zur Bekämpfung von Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Personen sowie die Empfehlungen der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz zu berücksichtigen(47); nimmt den jüngsten rumänischen Gesetzesentwurf zur Kenntnis, mit dem Urteil(48) des EuGH in der Rechtssache Coman aus dem Jahr 2018 entsprochen werden soll, sowie die Kritik, dass mit dem Gesetzesentwurf dieses Urteil nur sehr eng umgesetzt wird und gleichgeschlechtlichen Paaren nicht die gleichen Rechte garantiert werden(49); fordert alle anderen Mitgliedstaaten, in denen es keine gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gibt, wie Bulgarien, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei, auf, dafür zu Sorge zu tragen, dass dieses Recht gesetzlich verankert wird;

64.  bedauert zutiefst, dass die rechtliche Anerkennung des Geschlechts durch eine Änderung des Personenstands in mehreren Mitgliedstaaten noch immer nicht möglich ist; bedauert die mangelnden Anstrengungen und den fehlenden Willen der bulgarischen Regierung, einen glaubwürdigen Aktionsplan zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache Y.T. / Bulgarien vom 9. Juli 2020 vorzulegen; weist ferner erneut darauf hin, dass Bulgarien das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Baby Sara“ (C-490/20) noch immer nicht umgesetzt hat;

65.  fordert die Aufnahme der Diskriminierungsgründe sexuelle Ausrichtung, Geschlechtsidentität, geschlechtliche Ausdrucksform und Geschlechtsmerkmale in den rechtlichen Rahmen für Diskriminierungsbekämpfung der EU auf Grundlage einer breiteren Auslegung der Diskriminierungsgründe sexuelle Ausrichtung und Geschlecht sowie des in den Verträgen verankerten Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern; stellt fest, dass dadurch Rechtssicherheit und ein umfassender Schutz aller Bürgerinnen und Bürger unserer Union sichergestellt wird und dass die zwischen den beiden gesetzgebenden Organen erzielte Einigung auf diese Auslegung bereits in den Vorschlag für eine Richtlinie zur Festlegung von Standards für Gleichstellungsstellen im Bereich der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (COM(2022)0688) eingeflossen ist;

66.  fordert ein unionsweites Verbot von „Konversionspraktiken“; fordert ein Verbot der Genitalverstümmelung, durch die auch intersexuellen Menschen (in Form der intersexuellen Genitalverstümmelung; IGM – intersex genital mutilation) Schaden zugefügt wird; fordert ein Verbot von Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen, die eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt darstellen und Menschen mit Behinderungen besonders schaden; betont, wie wichtig die Achtung von Selbstbestimmung und Autonomie sowie die Förderung der physischen und psychischen Gesundheit von LGBTIQ+-Personen sind; betont, dass sein Standpunkt zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (COM(2022)0105) die Aufnahme der Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen, der intersexuellen Genitalverstümmelung und der Zwangssterilisation zu den Straftaten mit europäischer Dimension („EU-Straftatbestände“) umfasst;

67.  bekräftigt, dass Frauenrechte Menschenrechte sind und Rückschritte bei den Rechten und der Autonomie von Frauen durch nichts gerechtfertigt werden können; verurteilt insbesondere die Angriffe auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte von Frauen und Mädchen in mehreren Mitgliedstaaten; ist der Ansicht, dass das Recht auf sicheren und legalen Schwangerschaftsabruch in der Charta verankert werden sollte;

68.  betont, dass geschlechtsspezifische Gewalt – sowohl im Internet als auch außerhalb davon – eine besonders schwere Straftat und eine weitverbreitete Verletzung der Grundrechte und Grundfreiheiten in der EU darstellt, gegen die mit größerer Effizienz und Entschlossenheit auf einer gemeinsamen Grundlage vorgegangen werden muss; betont, dass geschlechtsspezifische Gewalt das Resultat gesellschaftlicher und systemischer struktureller Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern ist, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen; weist insbesondere auf die wachsenden Anti-Gender-, Anti-LGBTIQ+- und Anti-Feminismus-Bewegungen hin, die gut organisiert sind und einen grenzüberschreitenden Charakter haben; vertritt zudem die Auffassung, dass die grenzüberschreitende Dimension der geschlechtsspezifischen Gewalt im Internet und die enormen individuellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen geschlechtsspezifischer Gewalt in allen Mitgliedstaaten belegen, dass geschlechtsspezifische Gewalt in ihren vielfältigen Dimensionen auf einer gemeinsamen Grundlage der EU bekämpft werden muss;

69.  betont, dass das Nichtzustandekommen einer gemeinsamen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt auch auf das Fehlen von Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Sanktionen zurückzuführen ist; stellt fest, dass dies eine gemeinsame Definition von geschlechtsspezifischer Gewalt und Mindestvorschriften zu den zentralen Problemen der Prävention, der Dunkelziffer, des Opferschutzes, der Unterstützung und der Wiedergutmachung sowie der strafrechtlichen Verfolgung von Tätern umfasst; hebt hervor, dass die Ansätze und das Engagement der Mitgliedstaaten im Bereich der Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt sehr unterschiedlich sind und dass ein gemeinsamer Ansatz daher auch zur Strafverfolgung bei grenzüberschreitenden Einsätzen beitragen würde;

70.  ist – wohl wissend, dass die nationalen Wahlgesetze nicht in die Zuständigkeit der Union fallen – der Ansicht, dass alle gewählten Gremien in der Union repräsentativ für die unterschiedlichen Stimmen innerhalb des Wählerspektrums sein sollten; bringt seine tiefe Besorgnis über bestimmte Wahlsysteme in der Union zum Ausdruck, die den Pluralismus unterdrücken, z. B. durch die Festlegung einer hohen Hürde, um gewählt zu werden; fordert nationale Wahlreformen in Fällen, in denen große Teile der Bevölkerung nach wie vor nicht vertreten sind;

71.  bedauert zutiefst die zahlreichen Todesfälle von Flüchtlingen und Migranten auf See, die häufig Opfer von Menschenhandel und ohne Rücksicht auf ihre Sicherheit oder ihre Grundrechte unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind; erinnert die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtung nach dem internationalen Seerecht, Menschen in Seenot zu helfen, und fordert die Einrichtung einer umfassenden Such- und Rettungsmission der EU, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und Frontex getragen wird; nimmt die Arbeit von Frontex und ihres Grundrechtsbeauftragten sowie der EU-Asylagentur zur Kenntnis; hebt hervor, dass die EU ein wirksames Asylsystem braucht, das die Menschenrechte achtet; nimmt die Fortschritte beim neuen Migrations- und Asylpaket zur Kenntnis, die eine Verabschiedung des Pakets noch in dieser Legislaturperiode ermöglichen;

72.  begrüßt, dass Griechenland am 15. Februar 2024 als 16. Mitgliedstaat einen wegweisenden Gesetzentwurf des griechischen Parlaments zur Gleichstellung der Ehe verabschiedet hat, mit dem gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert und gleichgeschlechtlichen Paaren uneingeschränkte elterliche Rechte eingeräumt werden;

Übergreifende Feststellungen zur Lage der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in der gesamten EU

73.  äußert angesichts der vorstehenden Ausführungen seine tiefe Besorgnis darüber, dass die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte in der gesamten EU ausgehöhlt werden; hebt hervor, dass der im Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit dargelegte Stand der Dinge zwar viele besorgniserregende Entwicklungen erkennen lässt, die Situation aber unter Berücksichtigung anderer unabhängiger Berichte und Quellen noch besorgniserregender ist; betont, dass die Aushöhlung dieser Werte in Mitgliedstaaten die Organe und Einrichtungen der Union und die Lage in der Union insgesamt gefährdet und untergräbt, auch wenn einige Mitgliedstaaten beim Schutz und bei der Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten vorbildlich sind;

74.  betont, dass diese Situation nicht nur eine abstrakte Schlussfolgerung ist, sondern sich auf das tägliche Leben der Bürger und Unternehmen in der EU auswirkt, da sie beispielsweise mit einer ineffizienten oder nicht unabhängigen Justiz und zunehmender Korruption konfrontiert sind und keinen Zugang zu unabhängigem und hochwertigem Journalismus haben; betont, dass dies das Vertrauen in unser auf Rechtsstaatlichkeit fußendes demokratisches System untergräbt; ist der Ansicht, dass die Wiederherstellung der Achtung der Werte der EU in allen Mitgliedstaaten eine dringende und lebenswichtige Aufgabe ist, damit der Zerfall unserer Gesellschaften und der Union verhindert wird; fordert die Kommission, den Rat und den Europäischen Rat auf, uneingeschränkt anzuerkennen, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte keine nationalen Angelegenheiten sind, sondern die Union und ihre Organe und Einrichtungen unmittelbar betreffen;

75.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Werte, auf die sich die Union gründet, uneingeschränkt einzuhalten; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit zu achten, Machtmissbrauch zu verhindern und die Gleichheit vor dem Gesetz und die Nichtdiskriminierung, den Zugang zur Justiz, die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Justiz und den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, da dies die wichtigsten Grundsätze für das reibungslose Funktionieren der Kontrollmechanismen jeder funktionierenden Demokratie sind; fordert die Kommission auf, unabhängig zu untersuchen, ob diese Grundsätze in allen Mitgliedstaaten eingehalten werden;

Durchsetzung des EU-Rechts

76.  stellt fest, dass die ordnungsgemäße Durchsetzung des gesamten EU-Rechts die eigentliche Voraussetzung für eine auf Rechtsstaatlichkeit basierende Union ist; verurteilt, dass mehrere Mitgliedstaaten das EU-Recht in verschiedenen Bereichen wie dem Recht auf wirksamen Rechtsschutz, Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung, Asyl, der Umsetzung von Sanktionen und Menschenrechtsnormen bisweilen offen und unverhohlen nicht einhalten; betont, dass dies die Gefahr birgt, dass die EU zu einem Raum wird, in der sich einige Mitgliedstaaten stärker fühlen als andere und die Rechte und Freiheiten der Unionsbürgerinnen und -bürger nicht gleichmäßig geschützt sind;

77.  weist die Kommission erneut darauf hin, dass sie in erster Linie die Hüterin der Verträge ist; betont, dass die Veröffentlichung eines Berichts nicht ausreicht, um unsere auf Rechtsstaatlichkeit basierende Union zu stärken, sondern dass der Bericht zu konkreten Durchsetzungsmaßnahmen führen sollte, insbesondere wenn die Empfehlungen nicht vollständig umgesetzt werden;

78.  bedauert zutiefst, dass die Kommission keine konsequenteren Maßnahmen zur Durchsetzung des EU-Rechts ergreift; fordert die Kommission daher auf, die Zahl der neuen Vertragsverletzungsverfahren zu erhöhen und die bestehenden Vertragsverletzungsverfahren mit größerer Ambitioniertheit und Dringlichkeit voranzutreiben; fordert die Kommission auf, systematisch auf beschleunigte Verfahren und die Beantragung einstweiliger Maßnahmen vor dem EuGH zurückzugreifen; fordert die Kommission auf, den „Dialog“ mit den Mitgliedstaaten oder das „Pilotverfahren“ nicht als ergebnisoffene Maßnahme einzusetzen, um die Einleitung tatsächlicher Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden; fordert die Kommission auf, ihre in ihrer Mitteilung zur Durchsetzung des EU-Rechts aus dem Jahr 2022 dargelegte Politik, dass Vertragsverletzungsverfahren nicht für „Einzelfälle“ eingeleitet werden, zu korrigieren, da diese Politik zu einem schwerwiegenden Verlust von Rechten der Bürgerinnen und Bürger in der gesamten EU geführt hat, insbesondere in Fällen, in denen ihre eigenen Regierungen sich weigern, dem EU-Recht oder den Urteilen des EuGH nachzukommen, da die meisten dieser Fälle keine Einzelfälle sind, sondern strategische und grundlegende Fragen betreffen;

79.  nimmt das anhaltende Problem der unvollständigen Umsetzung der Urteile des EGMR zur Kenntnis und verweist auf die Entscheidungen des Ministerkomitees des Europarats; begrüßt, dass die systemischen Indikatoren für die Umsetzung der Leiturteile des EGMR in den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit seit seiner Ausgabe für das Jahr 2022 aufgenommen wurden; fordert die Kommission jedoch auf, einen Anzeiger zur Überwachung der Umsetzung jedes einzelnen EuGH- und EGMR-Urteils in Bezug auf die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte einzurichten und ihn vollständig in den jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen; fordert die Mitgliedstaaten auf, ergangene Urteile unverzüglich umzusetzen, und fordert die Kommission auf, die Folgen für die Einhaltung des EU-Rechts zu bewerten und erforderlichenfalls Vertragsverletzungsverfahren zu ergreifen;

Der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit als Instrument

80.  begrüßt den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit als wesentlichen Eckpfeiler des Instrumentariums der EU im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und lobt die Kommission dafür, dass sie einen sorgfältig recherchierten und gut formulierten Bericht vorgelegt hat; weist erneut darauf hin, dass der Jahresbericht zur Rechtsstaatlichkeit als Reaktion auf eine Entschließung des Parlaments eingeführt wurde, die im Jahr 2016 auf der Grundlage eines legislativen Initiativberichts angenommen wurde(50);

81.  erkennt an, dass der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit zu einer Messlatte für die Arbeit der EU-Organe im Bereich der Rechtsstaatlichkeit in der EU und in bestimmten Mitgliedstaaten geworden ist; stellt fest, dass sich die Kommission über die Jahre hinweg kontinuierlich dafür eingesetzt hat, die Relevanz des Berichts zu erhöhen, beispielsweise indem sie in den letzten Bericht länderspezifische Empfehlungen aufgenommen hat, deren Umsetzung im aktuellen Bericht bewertet wird;

82.  stellt fest, dass der Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit seit seiner Einführung im Jahr 2020 umfassender geworden ist; bedauert jedoch, dass wesentliche Elemente der Entschließung des Parlaments aus dem Jahr 2016 noch nicht umgesetzt worden sind und dass die Kommission die vom Parlament in seinen früheren Entschließungen ausgesprochenen Empfehlungen nicht vollständig berücksichtigt hat; fordert die Kommission auf, Schritte zur Lösung zu ergreifen; bedauert insbesondere, dass die Ausgabe des Berichts für das Jahr 2023 nicht wesentlich erweitert wurde, da keine umfassende neue Säule hinzugefügt wurde; fordert, dass in den jährlichen Bericht wichtige Elemente der von der Venedig-Kommission 2016 erstellten Checkliste für Rechtsstaatlichkeit aufgenommen werden, wie die Verhinderung von Machtmissbrauch, die Gleichheit vor dem Gesetz und das Diskriminierungsverbot; bekräftigt seinen Standpunkt, dass der Bericht den gesamten Umfang der in Artikel 2 EUV genannten Werte abdecken sollte, da diese nicht isoliert betrachtet werden können; fordert die Kommission auf, den Anwendungsbereich des Berichts für das nächste Jahr auszuweiten;

83.  ist besorgt darüber, dass die Kommission in ihrem Bemühen um Sachlichkeit und Ausgewogenheit manchmal zu diplomatisch und zu ungenau ist, wenn sie Probleme der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten feststellt; bedauert, dass durch die Verwendung einer beschönigenden Sprache und die künstlich gleich gehaltene Anzahl von Schlussfolgerungen und Empfehlungen je Mitgliedstaat die wirklichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verschleiert werden; bekräftigt die Empfehlung, zwischen systemischen und einzelnen Verstößen zu unterscheiden, damit die Gefahr abgewandt wird, die schwerwiegendsten Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu verharmlosen; fordert die Kommission auf, deutlich zu machen, dass die Mitgliedstaaten unter Umständen nicht allen Kriterien gerecht werden, die eine Demokratie ausmachen, wenn die Werte nach Artikel 2 EUV über einen gewissen Zeitraum hinweg systematisch, vorsätzlich und schwerwiegend verletzt werden; ist der Ansicht, dass die Bewertung der Umsetzung der Empfehlungen präziser und qualitativer sein sollte und sich nicht nur auf legislative Änderungen, sondern auch auf realen und unabhängigen Nachweisen für ihre Umsetzung in der Praxis stützen sollte; weist erneut darauf hin, dass ein Zeitplan, Zielvorgaben und konkrete Maßnahmen für die Umsetzung der Empfehlungen festgelegt und die möglichen Folgen einer Unterlassung der Umsetzung im Einzelnen dargelegt werden müssen; stellt fest, dass zwischen den Zusammenfassungen der Länderkapitel und dem ausführlichen Inhalt der Kapitel selbst mitunter große Unterschiede bestehen, was auf einen redaktionellen Eingriff schließen lässt;

84.  bekräftigt, dass viele dieser Herausforderungen durch die Einbeziehung einer unabhängigen Sachverständigengruppe in die Ausarbeitung des Berichts bewältigt werden könnten, da sie weniger an diplomatische Erwägungen gebunden wären; fordert die Kommission auf, ihren diesbezüglichen Standpunkt zu überdenken und alle Möglichkeiten zu prüfen, unabhängige Sachverständige in die nachfolgenden Ausgaben des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit einzubeziehen; fordert die Kommission erneut auf, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zu ersuchen, methodische Beratung zu leisten und vergleichende Untersuchungen durchzuführen, damit in Schlüsselbereichen des jährlichen Berichts Details hinzugefügt werden können, zumal die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit untrennbar miteinander verbunden sind;

85.  erkennt die Bemühungen der Kommission an, in jedem Mitgliedstaat ein breites Spektrum von Konsultationen und Beiträgen zu sammeln, auch von nationalen Behörden und Organisationen der Zivilgesellschaft; fordert die Kommission auf, ihre diesbezüglichen Bemühungen zu verstärken und so weit wie möglich Besuche vor Ort in den Mitgliedstaaten statt virtueller Besuche durchzuführen, da diese möglicherweise ein vollständigeres und stärker kontextbezogenes Bild der Lage vor Ort vermitteln; weist insbesondere erneut darauf hin, wie wichtig es ist, Rechtspraktiker zu konsultieren, beispielsweise über Anwaltskammern und Richtervereinigungen;

86.  erkennt die Rolle der Notare in vielen Mitgliedstaaten an, die funktionell gerichtliche Aufgaben wahrnehmen; ist der Ansicht, dass der Beitrag der Notare zu rechtsstaatlichen Standards in künftigen Ausgaben des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit behandelt werden sollte;

87.  begrüßt die Entscheidung der Kommission, den geografischen Umfang der künftigen Berichte über die Rechtsstaatlichkeit auf die Bewerberländer auszudehnen, wie es das Parlament bereits früher gefordert hat(51);

88.  ist der Ansicht, dass der beste Weg, um die anhaltende Relevanz und Wirkung des Berichts sicherzustellen, darin besteht, den Umfang, die Aufrichtigkeit und die Folgen des Berichts für die Durchsetzung kontinuierlich und ehrgeizig auszuweiten;

89.  fordert die Kommission mit Nachdruck auf, stärker in die Sensibilisierung bezüglich der Werte und geltenden Instrumente der Union, einschließlich Jahresbericht, zu investieren, insbesondere in Ländern, bei denen diesbezüglich ernsthafte Bedenken bestehen;

90.  bekräftigt, dass der Jahresbericht über die Rechtsstaatlichkeit kein Selbstzweck ist, da die Beobachtung der Lage nicht ausreicht, sondern vielmehr zu konkreten Durchsetzungsmaßnahmen in Bezug auf die festgestellten Mängel führen sollte; fordert die Kommission daher auf, dafür zu sorgen, dass dieser Bericht über die Rechtsstaatlichkeit tatsächlich Teil eines ganzen Prozesses im Rahmen des Rechtsstaatlichkeitsmechanismus als Ganzes ist, und sicherzustellen, dass von dem Instrumentarium zur Rechtsstaatlichkeit, das ihr zur Verfügung steht, in vollem Umfang Gebrauch gemacht wird, einschließlich – in Fällen, in denen in dem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in bestimmten Mitgliedstaaten immer noch Jahr für Jahr kontinuierliche Verstöße festgestellt werden – Artikel 7 EUV;

Interinstitutionelle Zusammenarbeit und Verfahren im Bereich der Rechtsstaatlichkeit

91.  nimmt Kenntnis von der Bewertung des Rechtsstaatlichkeitsdialogs durch den Rat und von dem erklärten Standpunkt des Rates, dass er eine weitere mögliche interinstitutionelle Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang prüfen wird; fordert den Rat auf, seinen Rechtsstaatlichkeitsdialog umfassender zu gestalten, indem er andere Organe und Interessenträger, insbesondere Gremien des Europarats wie die Venedig-Kommission und die Kommissarin für Menschenrechte sowie Vertreter des Europäischen Parlaments, zu seinen Sitzungen einlädt;

92.  bedauert, dass die Kommission und der Rat das Angebot des Parlaments, eine interinstitutionelle Vereinbarung über die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte zu schließen, bislang ablehnen; bekräftigt seine Bereitschaft, die Gespräche über dieses Abkommen wieder aufzunehmen;

93.  fordert die anderen Organe auf, in der Zwischenzeit zumindest eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen des vorgeschlagenen interinstitutionellen Pilotprojekts zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten zu prüfen, das dazu beitragen würde, das Vertrauen zwischen den Organen auf praktische Weise aufzubauen, insbesondere durch den Austausch von Überwachungs-, Dialog- und Sitzungspraktiken;

94.  fordert sein Präsidium angesichts der Zurückhaltung der Kommission und des Rates auf, ein Ausschreibungsverfahren zu organisieren, um ein vorübergehendes Gremium unabhängiger Sachverständiger unter der Leitung des Parlaments im Einklang mit seinen früheren Entschließungen einzurichten, das das Parlament in Bezug auf die Einhaltung der Werte nach Artikel 2 EUV in verschiedenen Mitgliedstaaten berät und so beispielhaft zeigt, wie ein solches Gremium in der Praxis funktioniert;

95.  verurteilt den völligen Mangel an Fortschritten in den laufenden Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV; fordert den Rat nachdrücklich auf, auf alle neuen Entwicklungen einzugehen, durch die die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie und die Grundrechte beeinträchtigt werden; bekräftigt seine Forderung an den Rat, auf Empfehlungen im Rahmen dieses Verfahrens einzugehen, und betont, dass jede weitere Verzögerung solcher Maßnahmen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit durch den Rat selbst wäre; besteht darauf, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten des Parlaments geachtet werden;

96.  fordert die Kommission auf, die Bedingungen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in alle Haushaltsinstrumente und -verfahren einzubeziehen, streng zu überwachen und zu schützen; bekräftigt seine ernsten Bedenken gegenüber der Entscheidung der Kommission, der zufolge die horizontale grundlegende Voraussetzung der Charta in Bezug auf die richterliche Unabhängigkeit erfüllt ist, sodass die ungarischen Behörden Erstattungsanträge in Höhe von bis zu 10,2 Mrd. EUR stellen können, obwohl Ungarn auch nach den jüngsten Reformen den in der Charta festgelegten Standard der richterlichen Unabhängigkeit nicht erfüllt; fordert die Kommission und den Rat auf, die Konditionalitätsverordnung erforderlichenfalls weiter und unverzüglich anzuwenden und die im Falle Ungarns ergriffenen Maßnahmen nicht aufzuheben, bis alle Bedingungen und Meilensteine tatsächlich erfüllt sind; fordert die Kommission auf, streng zu überprüfen, ob die rechtsstaatlichen Meilensteine in den verschiedenen Aufbau- und Resilienzplänen der Mitgliedstaaten als Voraussetzung für die Auszahlung von Mitteln erfüllt sind, wenn die Mitgliedstaaten Zahlungsanträge stellen; fordert die Kommission auf, den für Rechtsstaatlichkeit zuständigen Kommissionsmitgliedern die Hauptverantwortung für die Prüfung dieser Voraussetzungen zu übertragen;

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97.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, den Regierungen der Mitgliedstaaten und der Kommission zu übermitteln.

(1) ABl. L 433 I vom 22.12.2020, S. 1.
(2) ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 159.
(3) ABl. L 156 vom 5.5.2021, S. 1.
(4) ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 162.
(5) ABl. C 129 vom 5.4.2019, S. 13.
(6) ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 117.
(7) ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 66.
(8) ABl. C 363 vom 28.10.2020, S. 13.
(9) ABl. C 363 vom 28.10.2020, S. 45.
(10) ABl. C 395 vom 29.9.2021, S. 2.
(11) ABl. C 415 vom 13.10.2021, S. 36.
(12) ABl. C 445 vom 29.10.2021, S. 70.
(13) ABl. C 67 vom 8.2.2022, S. 86.
(14) ABl. C 81 vom 18.2.2022, S. 27.
(15) ABl. C 99 vom 1.3.2022, S. 146.
(16) ABl. C 117 vom 11.3.2022, S. 88.
(17) ABl. C 205 vom 20.5.2022, S. 2.
(18) ABl. C 251 vom 30.6.2022, S. 48.
(19) ABl. C 347 vom 9.9.2022, S. 2.
(20) ABl. C 347 vom 9.9.2022, S. 168.
(21) ABl. C 479 vom 16.12.2022, S. 18.
(22) ABl. C 493 vom 27.12.2022, S. 108.
(23) ABl. C 125 vom 5.4.2023, S. 80.
(24) ABl. C 149 vom 28.4.2023, S. 15.
(25) ABl. C 149 vom 28.4.2023, S. 22.
(26) ABl. C 161 vom 5.5.2023, S. 10.
(27) ABl. C 167 vom 11.5.2023, S. 74.
(28) ABl. C 341 vom 27.9.2023, S. 2.
(29) ABl. C, C/2023/1223 vom 21.12.2023.
(30) ABl. C, C/2024/494 vom 23.1.2024.
(31) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0268.
(32) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0374.
(33) Angenommene Texte, P9_TA(2024)0050.
(34) Angenommene Texte, P9_TA(2023)0244.
(35) Für alle Beobachtungstätigkeiten der DRFMG siehe: https://www.europarl.europa.eu/committees/de/libe-democracy-rule-of-law-and-fundament/product-details/20190103CDT02662.
(36) Ungarisches Helsinki-Komitee, Fundamental deficiencies of the Hungarian judicial reform (Ungarisches Helsinki-Komitee, Grundlegende Mängel der Justizreform in Ungarn, 31. Oktober 2023).
(37) ABl. L 26 vom 31.1.2003, S. 41.
(38) GRECO, Fifth Evaluation Round - Preventing corruption and promoting integrity in central governments (top executive functions) and law enforcement agencies – Evaluation Report [Fünfte Begutachungsrunde – Korruption verhindern und Integrität in Regierungen (leitenden Funktionen) und Strafverfolgungsbehörden fördern – Begutachtungsbericht] – Zypern, 2. Oktober 2023.
(39) Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).
(40) Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1).
(41) Empfehlung (EU) 2022/758 der Kommission vom 27. April 2022. zum Schutz von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) (ABl. L 138 vom 17.5.2022, S. 30).
(42) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) (COM(2022)0177).
(43) Menschenrechtskommissarin des Europarats, „Letter to the Speaker of the House of Malta“ (Schreiben an den Präsidenten des maltesischen Hauses), 26. September 2023.
(44) International Press Institute, Murdered, surveilled and sued: decisive action needed to protect journalists and salvage press freedom in Greece, 27. September 2023.
(45) ABl. L 331 vom 20.9.2021, S. 8.
(46) Sonderbericht der Europäischen Bürgerbeauftragten zu ihrer strategischen Untersuchung betreffend die Zeit, die die Europäische Kommission für die Bearbeitung von Anträgen auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten benötigt (OI/2/2022/OAM), 18. September 2023.
(47) Europarat, Lenkungsausschuss für Antidiskriminierung, Vielfalt und Inklusion, „Thematic review of the implementation of Recommendation“ (Thematische Überprüfung der Umsetzung der Empfehlung) CM/Rec(2010)5, 14. September 2023; Europarat, Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, „ECRI General Policy Recommendation No. 17 on preventing and combating intolerance and discrimination against LGBTI persons“ (Allgemeine politische Empfehlung Nr. 17 der ECRI zur Verhütung und Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung von LGBTI-Personen), 28. September 2023.
(48) Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018, Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 267 AEUV, eingereicht von der Curtea Constituțională (Verfassungsgericht, Rumänien), ECLI:EU:C:2018:385.
(49) Euractiv, „Romanian LGBTQ+ community wants equal rights, not special conditions“ (Rumänische LGBTQ+-Gemeinschaft wünscht gleiche Rechte, keine Sonderbedingungen), 22. September 2023.
(50) ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 162.
(51) ABl. C 341 vom 27.9.2023, S. 2.


Empfehlung an den Rat, die Kommission und den EAD zur Lage in Syrien
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Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 an den Rat, die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Lage in Syrien (2023/2052(INI))
P9_TA(2024)0109A9-0041/2024

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Beitritt Syriens als Mitgliedstaat zur Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) am 14. Oktober 2013,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen, das von Syrien am 14. Dezember 2013 ratifiziert wurde,

–  unter Hinweis auf die am 15. August 2014 angenommene Resolution 2170 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und die am 18. Dezember 2015 angenommene Resolution 2254,

–  unter Hinweis auf die am 11. Juli 2020 angenommene Resolution 2533 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und die am 10. Januar 2020 angenommene Resolution 2504, die beide die Grenzübergänge Bab al-Salam und Bab al-Hawa sowie die Bereitstellung von humanitärer Hilfe betreffen,

–  unter Hinweis auf die Resolution 2664 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 9. Dezember 2022,

–  unter Hinweis auf die Resolution 2672 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 9. Januar 2023,

–  unter Hinweis auf die Resolution 77/301 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 29. Juni 2023 zur Einrichtung einer unabhängigen Institution für vermisste Personen in der Arabischen Republik Syrien,

–  unter Hinweis auf den Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zur Arabischen Republik Syrien vom 21. Januar 2021 für die 46. ordentliche Tagung des Menschenrechtsrates,

–  unter Hinweis auf den Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zur Arabischen Republik Syrien vom 14. August 2023 für die 54. ordentliche Tagung des Menschenrechtsrates,

–  unter Hinweis auf den Beschluss des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 16. November 2023 über den Antrag auf Erlass vorläufiger Maßnahmen zur Anwendung des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Kanada und die Niederlande gegen die Arabische Republik Syrien),

–  unter Hinweis auf den Beschluss des Pariser Gerichts (TJP) vom 14. November 2023, mit dem ein internationaler Haftbefehl gegen den syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad, Maher Al-Assad, Ghassan Abbas und Bassam Al-Hassan erlassen wurde,

–  unter Hinweis auf den Beschluss (GASP) 2023/1035 des Rates vom 25. Mai 2023(1), mit dem die EU-Sanktionen bis zum 1. Juni 2024 verlängert werden,

–  gestützt auf Artikel 118 seiner Geschäftsordnung,

–  gestützt auf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A9-0041/2024),

A.  in der Erwägung, dass die Genfer Syrien-Gespräche und der Astana-Prozess aufgrund der anhaltenden Weigerung des syrischen Regimes, ernsthaft über eine glaubhafte politische Lösung mit der Opposition zu verhandeln, dabei gescheitert sind, den Konflikt zu beenden und eine integrative Übergangsregierung einzusetzen; in der Erwägung, dass das syrische Regime eine selektive Beteiligung an internationalen Gesprächen als Verzögerungstaktik eingesetzt hat, um die Ergebnisse der internationalen Gespräche zunichte zu machen und damit das Leiden des syrischen Volkes zu verlängern;

B.  in der Erwägung, dass aufgrund der Gewaltakte bewaffneter und terroristischer Gruppen seit 2011 eine halbe Million Syrerinnen und Syrer ums Leben gekommen sind und 14 Mio. Menschen gewaltsam vertrieben wurden, vor allem aber aufgrund der brutalen Unterdrückung und des demografischen Engineering des eigenen Volkes durch das syrische Regime mithilfe seiner Verbündeten; in der Erwägung, dass diese Unterdrückung auch den wiederholten Einsatz von Chemiewaffen, Streumunition, Brandbomben, Fassbomben, Raketen und konventionellen Luftangriffen auf die Zivilbevölkerung umfasste; in der Erwägung, dass tausende Zivilisten durch Hunderte von chemischen Angriffen des syrischen Regimes getötet wurden, darunter der Giftgasangriff mit Sarin in Ost-Ghouta im August 2013; in der Erwägung, dass mindestens 150 000 Syrerinnen und Syrer im Rahmen der willkürlichen Massenverhaftungen des Regimes als vermisst gelten, von denen nicht weniger als 112 713 gewaltsam verschleppt wurden, was häufig zu Todesfällen in der Haft und außergerichtlichen Hinrichtungen führt; in der Erwägung, dass die Familien noch immer keine Informationen über ihre Angehörigen erhalten haben; in der Erwägung, dass dies derzeit die größte Vertreibungskrise der Welt ist; in der Erwägung, dass aufgrund der Krise rund 15,3 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe und Schutz angewiesen sind; in der Erwägung, dass schätzungsweise 8,8 Millionen Menschen zusätzlich von den Erdbeben im Februar 2023 betroffen waren, wodurch die bereits bestehenden humanitären Herausforderungen in Syrien und den Nachbarländern noch verschärft wurden; in der Erwägung, dass UN-Berichten zufolge 90 % der syrischen Bevölkerung in Armut leben und es ihnen an grundlegenden Versorgungsmitteln fehlt; in der Erwägung, dass der IGH Syrien aufgefordert hat, alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um Folterungen und andere Misshandlungen zu verhindern, nachdem er verschiedene Berichte der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die Arabische Republik Syrien geprüft hatte, die zu dem Schluss kam, dass es „hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass die [syrische] Regierung weiterhin Folterungen und Misshandlungen begeht“; in der Erwägung, dass Syrien auf dem Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 175 von 180 liegt; in der Erwägung, dass seit 2011 mindestens 300 professionelle und nicht-professionelle Journalistinnen und Journalisten getötet wurden; in der Erwägung, dass die Syrerinnen und Syrer trotz der brutalen Unterdrückung der Bevölkerung durch das syrische Regime weiterhin friedliche Proteste gegen die Regierung organisieren, insbesondere die Proteste in dem mehrheitlich von Drusen bewohnten syrischen Gouvernement Souweïda, die im August 2023 begannen und über mehrere Wochen tausende Demonstrierende, insbesondere Frauen, aus der ganzen Provinz anzogen; in der Erwägung, dass bei den Demonstrationen politische Rechte, Bürgerrechte und Menschenrechte für alle Syrerinnen und Syrer gefordert wurden;

C.  in der Erwägung, dass autoritäre ausländische Akteure, insbesondere Russland und der Iran mit ihren Stellvertretern, die Gruppe Wagner und die Hisbollah, irakische Milizen und afghanische Söldner sowie lokale syrische Stellvertreter seit 2011 einen zersetzenden Einfluss auf das Land hatten; in der Erwägung, dass Syrien als Testgelände für Russland dient, auf dem es seine militärischen Fähigkeiten, seine Taktik, seine logistische Reichweite sowie seine Fähigkeit zur ausländischen Militärintervention zur Rettung eines angeschlagenen verbündeten Regimes übt und demonstriert; in der Erwägung, dass das syrische Regime nicht das gesamte Staatsgebiet kontrolliert und sich nur mit Unterstützung dieser ausländischen Akteure halten kann; in der Erwägung, dass sowohl Russland als auch der Iran nach wie vor wichtige Lieferanten von militärischer Ausrüstung für das Regime sind;

D.  in der Erwägung, dass mehrere Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen von in Syrien begangenen schweren Verbrechen auf der Grundlage des Grundsatzes der universellen Gerichtsbarkeit laufen, die eine gewisse Hoffnung im Kampf um Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für Folterungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen in Syrien geben; in der Erwägung, dass Frankreich einen internationalen Haftbefehl gegen den syrischen Diktator Bashar Al-Assad, seinen Bruder Maher Al-Assad, den De-facto-Chef einer syrischen Eliteeinheit, und zwei Generäle der Streitkräfte ausgestellt hat, die der Mittäterschaft an Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Einsatz chemischer Waffen im Jahr 2013 beschuldigt werden; in der Erwägung, dass Russland und China, um mögliche Sanktionen und militärische Interventionen zu verhindern, im UN-Sicherheitsrat ihr Veto gegen die von westlichen und arabischen Ländern unterstützten Resolutionen zu Syrien eingelegt haben und so das syrische Regime vor der Rechenschaftspflicht für seine Kriegsverbrechen schützen;

E.  in der Erwägung, dass das Regime in Syrien den Einmarsch Russlands in die Ukraine unterstützt und die besetzte Region Luhansk und Donezk in der Ostukraine anerkannt hat; in der Erwägung, dass der militärische Nachrichtendienst der Ukraine am 7. Februar 2024 berichtete, dass Russland 1 000 syrische Söldner ausbilde, die den Krieg Russlands in der Ukraine unterstützen sollen; in der Erwägung, dass Russland behauptet, seit 2015 mehr als 63 000 russische Soldaten entsandt zu haben, darunter Spezialkräfte, Militärberater, Luftwaffenangehörige und private militärische Auftragnehmer wie die Wagner-Gruppe, um das Assad-Regime zu unterstützen und vor dem Zusammenbruch zu schützen; in der Erwägung, dass Russland in Syrien wiederholt Kriegsverbrechen begangen hat, einschließlich der Bombardierung medizinischer Einrichtungen und ziviler Gebiete sowie des Einsatzes von wahllosen Waffen; in der Erwägung, dass Russlands militärischer Fußabdruck im Land aus zwei Hauptstützpunkten besteht: dem Luftwaffenstützpunkt Hmeimim und einem Marinestützpunkt in Tartus sowie mehr als 100 kleineren Militärstandorten im ganzen Land; in der Erwägung, dass Russland der größte Waffenlieferant für das Assad-Regime ist und Verkäufe in Höhe von mehreren Milliarden Euro tätigt;

F.  in der Erwägung, dass sich die Hisbollah wiederholt und erfolgreich darum bemüht hat, iranische Waffen über syrisches Hoheitsgebiet zu erhalten; in der Erwägung, dass Israel wiederholt Luftangriffe geflogen hat, um solche Waffentransfers zu verhindern, unter anderem auf die Flughäfen von Damaskus und Aleppo im Oktober 2023 nach den Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober gegen israelische Zivilisten; in der Erwägung, dass der Konflikt zwischen Israel und der Hamas, der durch die von der Hamas am 7. Oktober 2023 verübten Terroranschläge gegen Israel ausgelöst wurde, eine neue Gewaltspirale in der Region ausgelöst hat; in der Erwägung, dass Syrien sich jeder militärischen Beteiligung am Krieg im Gazastreifen enthalten muss; in der Erwägung, dass die angeblichen israelischen Angriffe in Aleppo und Damaskus zu einer vorübergehenden Einstellung des humanitären Flugdienstes der Vereinten Nationen geführt haben; in der Erwägung, dass die vom Iran unterstützten Milizen in Syrien seit dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verstärkt Drohnen und Raketen auf Israel und die US-amerikanischen und internationalen Streitkräfte im Nordosten Syriens abschießen; in der Erwägung, dass syrische Flughäfen vom Iran genutzt wurden, um Waffen aus dem Iran und dem Irak nach Syrien und zur Hisbollah im Libanon zu transportieren und den Iran bei der Lieferung von Waffen an die Hamas zu unterstützen; in der Erwägung, dass das Regime Tausende von syrischen Palästinenserinnen und Palästinensern sowie Flüchtlingen ermordet hat;

G.  in der Erwägung, dass die Türkei, die Gebiete in Nordsyrien besetzt hält, regelmäßig umfassende Militäreinsätze auf syrischem Hoheitsgebiet, sowohl direkt als auch durch Stellvertreter, insbesondere gegen kurdisch kontrollierte Gebiete im Nordosten Syriens sowie in und um Afrin im Nordwesten, durchführt; in der Erwägung, dass die einseitigen türkischen Militärinterventionen im Norden Syriens eine Verletzung des Völkerrechts darstellen; in der Erwägung, dass das türkische Parlament im Oktober 2023 für eine Verlängerung des Mandats gestimmt hat, das weitere zwei Jahre militärische Operationen in Syrien ermöglicht; in der Erwägung, dass die Türkei ihre illegale Besetzung Nordsyriens beenden und ihre militärischen und paramilitärischen Stellvertreterkräfte abziehen sollte;

H.  in der Erwägung, dass der Islamische Staat im Irak und in Syrien (ISIS) in den Gebieten, die vor dem Einsatz der internationalen Koalition vorübergehend unter seiner Kontrolle standen, grobe, systematische Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das Völkerrecht begangen hat, einschließlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord; in der Erwägung, dass im Jahr 2014 eine breite internationale Koalition zur Bekämpfung des ISIS gebildet wurde, die aus 86 Koalitionsmitgliedern besteht und sich zu militärischer Unterstützung der Partner, Unterbindung des Zustroms ausländischer Kämpfer, Unterbindung der Finanzierung des ISIS, Bewältigung der humanitären Krisen in der Region und Aufdeckung des wahren Charakters der dschihadistischen Bewegungen als ihre Ziele verpflichtet hat;

I.  in der Erwägung, dass die Vermögenswerte von 358 Einzelpersonen und 95 Organisationen, die direkt an der Unterdrückung der syrischen Bevölkerung beteiligt sind, EU-Sanktionen unterliegen; in der Erwägung, dass aufgrund der anhaltenden Blockade Russlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nur eine einzige Grenzübergangsstelle zwischen der Türkei und den nicht vom Regime in Syrien kontrollierten Gebieten für internationale humanitäre Hilfe offen gehalten wird; in der Erwägung, dass der Grenzübergang Bab-al Hawa seit 2014 mit Genehmigung des UN-Sicherheitsrats für grenzüberschreitende Hilfslieferungen von der Türkei nach Syrien genutzt wird; in der Erwägung, dass Russland die Erneuerung dieser Genehmigung im UN-Sicherheitsrat häufig behindert hat und letztendlich im Juli 2023 ein Veto gegen die Genehmigung des Hilfskorridors eingelegt hat, weshalb Bab-al Hawa geschlossen blieb; in der Erwägung, dass im September 2023 als Ergebnis von Verhandlungen zwischen UN-Organisationen, dem syrischen Regime und Hay'et Tahrir al-Sham, der dominierenden bewaffneten Gruppe in Idlib, die Hilfslieferungen über Bab al-Hawa wieder aufgenommen und die Hilfskorridore an den Grenzübergängen Bab al-Salam und Al-Rai, deren Öffnung das syrische Regime nach dem verheerenden Erdbeben im Februar 2023 zugestimmt hatte, um weitere drei Monate verlängert wurden; in der Erwägung, dass die Bedingungen, unter denen das syrische Regime und Hay'et Tahrir al-Sham den Vereinten Nationen die Wiederaufnahme von Hilfslieferungen über die drei Grenzübergänge gestattet haben, nicht bekannt sind; in der Erwägung, dass renommierte Experten für humanitäres Völkerrecht bezweifeln, dass grenzüberschreitende UN-Hilfe eine Genehmigung des UN-Sicherheitsrats erfordert;

J.  in der Erwägung, dass mehrere Länder in der Region eine Normalisierung ihrer Beziehungen zum syrischen Regime eingeleitet haben, was zur Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga geführt hat, wie von den Außenministern der Liga am 7. Mai 2023 in Kairo beschlossen, obwohl Syrien schwere internationale Verbrechen begangen hat und es keine Anzeichen dafür gibt, dass seine missbräuchlichen Handlungen ein Ende gefunden haben; in der Erwägung, dass die Arbeitsgruppen der Arabischen Liga seit September 2023 ausgesetzt sind, weil das syrische Regime seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, u. a. den Drogenhandel einzuschränken, die sichere Rückkehr von Flüchtlingen zu erleichtern, politische Gefangene freizulassen und humanitäre Hilfe in allen Gebieten zu ermöglichen; in der Erwägung, dass die Treffen zwischen der Arabischen Liga und Vertretern des syrischen Regimes in der Zwischenzeit ausgesetzt worden sind; in der Erwägung, dass seit der Annahme der Entschließung des Parlaments vom 11. März 2021 zum Syrien-Konflikt – zehn Jahre nach dem Aufstand(2) – keine Maßnahmen ergriffen wurden, um sicherzustellen, dass mutmaßliche Kriegsverbrecher in einem EU-Mitgliedstaat kein Asyl erhalten können, insbesondere wenn andere EU-Mitgliedstaaten ihren Asylantrag bereits abgelehnt haben;

K.  in der Erwägung, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten seit 2011 mit 30 Mrd. EUR die größten Geldgeber für die von dem Konflikt betroffene Bevölkerung sind; in der Erwägung, dass auf der Brüsseler Konferenz von Juni 2023 europäische Zusagen in Höhe von 3,8 Mrd. EUR von insgesamt 5,6 Mrd. EUR getroffen wurden; in der Erwägung, dass die Union und die Mitgliedstaaten anlässlich des Erdbebens in Syrien Soforthilfe geleistet haben und dass die Union am 23. Februar 2023 eine vorübergehende Ausnahme für humanitäre Zwecke von den Sanktionen beschlossen hat, um die Lieferung von Hilfsgütern an die Opfer zu erleichtern; in der Erwägung, dass sich Warnungen der Vereinten Nationen zufolge 90 % der syrischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze befinden, wobei viele Syrerinnen und Syrer nun unter Bedingungen leben müssen, die noch schlechter sind als in den Jahren des bewaffneten Konflikts; in der Erwägung, dass nach Schätzungen des Welternährungsprogramms 12,4 Millionen Syrerinnen und Syrer von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, was fast 60 % der Bevölkerung entspricht; in der Erwägung, dass die Verantwortung für die derzeitige katastrophale Lage hauptsächlich beim Assad-Regime liegt;

L.  in der Erwägung, dass das Regime die Grundbedürfnisse der Bevölkerung nur unzureichend befriedigt, dass die wirtschaftliche Lage des Landes äußerst prekär ist und dass Syrien sich zu einem Drogenstaat entwickelt hat, der die Region weiter destabilisiert; in der Erwägung, dass Vertreter humanitärer Organisationen und Praktiker angesichts der Bedingungen in vielen Gebieten des Landes weiterhin Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des Schutzes von Rückkehrern und Vertriebenen äußern und den Ansatz der syrischen Regimes zur politischen Aussöhnung in Frage stellen; in der Erwägung, dass dies den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in Syrien sowie den Weg aus der Krise behindert;

M.  in der Erwägung, dass laut einem Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) und des deutschen Bundeskriminalamts (BKA) vom September 2023 Europa ein wichtiger Umschlagplatz für Captagon (Fenetyllin) ist, das aus dem Nahen Osten, vor allem aus Syrien und dem Libanon, kommt und auf die Arabische Halbinsel gelangt; in der Erwägung, dass Länder in der Region die Einfuhr von Obst und Gemüse aus dem Libanon verboten haben, um gegen den Drogenschmuggel mit Captagon vorzugehen; in der Erwägung, dass Europa sowohl ein Ziel als auch ein beliebter Transitknotenpunkt für Captagon geworden ist und dass nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht seit 2018 über eine Million Tabletten und fast zweitausend Kilogramm Captagon in Europa beschlagnahmt wurden; in der Erwägung, dass die EU im April 2023 25 Personen und acht Einrichtungen in Syrien wegen ihrer Beteiligung am Drogenhandel mit Sanktionen belegt hat;

N.  in der Erwägung, dass die Zerstörung und Vernachlässigung von Wasserquellen und des Gesundheitssystems durch das syrische Regime im August 2022 zum Ausbruch einer landesweiten Cholera-Epidemie führt, die immer noch anhält; in der Erwägung, dass das öffentliche Bildungswesen in Syrien und in den Ländern, die syrische Flüchtlinge aufgenommen haben, unter Druck steht, und dass etwa die Hälfte der syrischen Bevölkerung im schulpflichtigen Alter (fast 2,4 Millionen Schüler) keinerlei Schulbildung erhält, was dazu führt, dass viele Kinder unter den psychosozialen Auswirkungen des lang anhaltenden Konflikts und der Vertreibung leiden; in der Erwägung, dass nach Angaben der UNESCO nur etwa die Hälfte der jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren in Syrien die Mindestanforderungen an Lese-, Schreib-, Rechen- und Lebenskompetenzen erfüllt;

O.  in der Erwägung, dass das syrische Regime durch ethnische Säuberungen brutal vorgegangen ist, um die demografische Zusammensetzung des Landes zu verändern; in der Erwägung, dass Christen in Syrien vor dem Krieg mit insgesamt 2,2 Millionen Menschen etwa 10 % der syrischen Bevölkerung ausmachten; in der Erwägung, dass die Brutalität des Krieges einen Massenexodus von Christen zur Folge hatte, sodass heute nur noch etwa 640 000 Christen im Land leben; in der Erwägung, dass Christen im Land nicht nur vom syrischen Regime, sondern auch vom ISIS und weiteren islamistischen Milizen verfolgt werden; in der Erwägung, dass das Assad-Regime versucht hat, sich als säkularer Beschützer der Christen in Syrien darzustellen, dass das Regime Berichten zufolge jedoch vorsätzlich Kirchen zerstört und mindestens Hunderte christlicher Bürger inhaftiert hat; in der Erwägung, dass das Regime mit aktiver Unterstützung der Russischen Föderation Aleppo, die Stadt mit der größten christlichen Bevölkerung im Land, belagerte und völlig dezimierte; in der Erwägung, dass das Land auf der Liste der für Christen problematischsten Orte der Welt den zwölften Platz belegt;

P.  in der Erwägung, dass nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) die meisten syrischen Flüchtlinge gerne nach Syrien zurückkehren würden, aber berechtigte Sicherheitsbedenken haben; in der Erwägung, dass dies bedeutet, dass in der gegenwärtigen Situation die Neuansiedlung und ergänzende Wege weiterhin die tragfähigste dauerhafte Lösung für syrische Flüchtlinge darstellen; in der Erwägung, dass die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die Arabische Republik Syrien in ihrem jüngsten Bericht vom September 2023 feststellte, dass die Unsicherheit weit über die Grenzen hinaus anhält, was eine sichere Rückkehr syrischer Flüchtlinge unwahrscheinlich macht, und ferner zu dem Schluss kam, dass sie konkrete Fälle dokumentiert hat, in denen syrische Flüchtlinge, die aus Nachbarländern zurückkehrten, von syrischen Sicherheitskräften misshandelt wurden;

1.  empfiehlt dem Rat, der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, bei der Umsetzung der Politik der EU zu Syrien

  

Politischer Prozess

   a) erneut auf die starke Unterstützung der Union für die demokratischen Bestrebungen Syriens zu verweisen, die im Land trotz der totalen Unterdrückung durch das Regime seit den friedlichen Demonstrationen von 2011 und trotz der entscheidenden militärischen und finanziellen Unterstützung des Iran und Russlands für den Machterhalt des Assad-Clans fortbestehen; die Gewährung von Verträgen durch das Regime zu verurteilen, die Russland und dem Iran den Zugang zu den Ressourcen des Landes auf Kosten des syrischen Volkes ermöglichen;
   b) auf die besondere Verantwortung des Regimes – ohne dabei die Rolle des ISIS sowie anderer bewaffneter und terroristischer Gruppen herunterzuspielen – für den Tod einer halben Million Zivilisten, die Verwüstung des Landes, die Vertreibung der Mehrheit der Bevölkerung, die Folterung und das Verschwindenlassen von 112 713 Menschen(3) im willkürlichen Massenverhaftungssystem, den Einsatz chemischer Waffen gegenüber Zivilisten und die systematische Vernichtung jeglicher demokratischer friedlicher Opposition hinzuweisen;
   c) sich jeder Normalisierung der Beziehungen mit dem Assad-Regime zu widersetzen, sofern es keine tief greifenden und nachprüfbaren Entwicklungen bei der Umsetzung der Resolution 2254 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gibt, einschließlich der Freilassung politischer Gefangener, der Unterrichtung der Familien der Opfer über das Schicksal von Vermissten und Opfern gewaltsamer Verschleppung und der Unterbindung aller Angriffe auf humanitäre Hilfe bzw. der Behinderung von humanitärer Hilfe; die EU-Mitgliedstaaten aufzufordern, von Maßnahmen Abstand zu nehmen, die den gemeinsamen Standpunkt der EU zu Syrien schwächen oder untergraben; die Annahme des Gesetzes gegen die Normalisierung der Beziehungen zum Assad-Regime durch das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten zu begrüßen und den Senat der Vereinigten Staaten aufzufordern, das Gesetzgebungsverfahren im Hinblick auf dessen Verabschiedung fortzusetzen; zu betonen, dass das syrische Regime trotz der souveränen Entscheidung einiger arabischer Staaten, Syrien wieder in die Arabische Liga aufzunehmen, keineswegs signalisiert, dass es den Drogenhandel bekämpfen will, der von Syrien ausgeht und sich auf die gesamte Region auswirkt; zu verurteilen, dass die Assad-Familie und ihre Verbündeten, einschließlich der Hisbollah, die Droge Captagon auf dem Markt kontrollieren, deren Handelsvolumen auf 57 Mrd. USD geschätzt wird; festzustellen, dass der Bruder von Bashar Al-Assad, Maher Al-Assad, die Armeeeinheit befehligt, die für die Förderung der Drogenproduktion verantwortlich ist; eine von der EU koordinierte Sicherheitsmaßnahme zu unterstützen, um zu verhindern, dass die EU als Umschlagplatz für in Syrien und Libanon hergestelltes Captagon genutzt wird;
   d) darauf zu verweisen, dass die Unterdrückung, die Nachlässigkeit und die Korruption des Regimes die Ursachen für die wirtschaftliche Lage sind; erneut darauf hinzuweisen, dass sich die EU-Sanktionen nur gegen Einzelpersonen und Organisationen richten, die an der Unterdrückung beteiligt sind; das Thema der finanziellen Übererfüllung anzugehen, die Hilfsorganisationen daran hindern kann, Gelder in das Land zu überweisen und Programme durchzuführen oder einheimische Mitarbeiter und Lieferanten zu bezahlen, selbst wenn die Transaktionen zur Unterstützung von Aktivitäten dienen, die von Sanktionen ausgenommen sind; zu betonen, dass die restriktiven Maßnahmen der EU in jedem Falle gezielt bleiben müssen, weiterhin Ausnahmen für humanitäre Hilfe sicherstellen müssen und Hilfslieferungen auf lokaler Ebene priorisieren müssen;
   e) den vertrauenswürdigen internationalen humanitären Hilfsorganisationen rasch einheitliche, umfassende und klare Ausnahmeregelungen zu gewähren; die Auslegung der Bestimmungen über die restriktiven Maßnahmen in Syrien durch die Mitgliedstaaten möglichst weitgehend zu harmonisieren und die Resolution 2664 (2022) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über humanitäre Hilfe in Syrien umzusetzen;
   f) den Mut der Demonstrierenden in den Städten Suweida und Dera, die sich seit August 2023 erneut friedlich gegen das Assad-Regime erhoben haben, zu würdigen; sich mit Netzwerken der syrischen Zivilgesellschaft in Europa und in Syrien, die demokratische Werte teilen und die Menschenrechtsverteidiger und -aktivisten in der Region schützen, zu beraten und ihnen langfristige, flexible und grundlegende Unterstützung zu bieten; alle Formen religiöser Diskriminierung aufs Schärfste zu verurteilen und nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Rechte der ethnischen und religiösen Gruppen und Minderheiten in Syrien, einschließlich der Christen, Drusen, Kurden, Alawiten und aller anderen Minderheiten, von allen geachtet werden; antisemitische Propaganda und die Nichtanerkennung des Existenzrechts Israels, ein wesentliches Merkmal der gesamten Kommunikation der Familie von Bashar Al-Assad, aufs Schärfste zu verurteilen; sicherzustellen, dass Bildung und Bildungsmaterialien mit diesen Grundsätzen in Einklang stehen; zu verlangen, dass alle Vertriebenen weiterhin in ihrer historischen und traditionellen Heimat in Würde, Gleichheit und Sicherheit leben oder dorthin zurückkehren können und dass sie ihre Religion und ihren Glauben frei ausüben können, ohne Zwang, Gewalt oder Diskriminierung ausgesetzt zu sein; den interreligiösen Dialog zu unterstützen;
  

Sicherheit

   g) die anhaltende Präsenz Hunderter iranischer, türkischer und russischer Stützpunkte und iranischer und russischer Milizen auf syrischem Hoheitsgebiet zu missbilligen; die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes durch räuberische ausländische Mächte mit Sorge zu betrachten; die Angriffe türkischer Streitkräfte und ihre Besetzung von syrischem Hoheitsgebiet im Norden sowie die erneute brutale Militäraktion der syrischen Regierung und Russlands im Nordwesten Syriens, die auch zivile Ziele betrifft, zu verurteilen; ihre tiefe Besorgnis über das Fortbestehen einer radikalen islamistischen Opposition in der Provinz Idlib zum Ausdruck zu bringen; den Fortbestand der internationalen Koalition gegen den ISIS zu unterstützen, der trotz erheblicher Niederlagen nach wie vor in Syrien aktiv ist; eine entschlossene internationale Kampagne zu verlangen, um den Kampf gegen den ISIS in Syrien bis zu dessen vollständiger Beseitigung fortzusetzen; erneut zu erklären, dass die einseitigen Militäraktionen der Türkei eine schwere Verletzung des Völkerrechts darstellen und die Stabilität und Sicherheit der gesamten Region untergraben haben; die dschihadistischen Netzwerke in Syrien und im Irak zu zerschlagen und ihre Mitglieder, die über 5 000 ausländische Kämpfer befehligt haben, die sie radikalisiert, rekrutiert und aus Europa gebracht hatten, aufzuspüren und strafrechtlich zu verfolgen; die Globale Koalition zur Bekämpfung des ISIS weiterhin mit politischen, finanziellen, operativen und logistischen Mitteln zu unterstützen;
   h) die Rolle der Demokratischen Kräfte Syriens im Kampf gegen den ISIS im Nordosten Syriens zu unterstreichen;
   i) die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern, die Überführung ihrer Staatsangehörigen, die sich in den dschihadistischen Gefangenenlagern Al-Hol und Roj befinden, voranzutreiben und sie für ihre Verbrechen in fairen Verfahren vor ein Gericht zu stellen; ernste Bedenken über die sich verschlechternde humanitäre, gesundheitliche und sicherheitspolitische Lage in den Lagern im Nordosten Syriens, insbesondere in den Lagern Al-Hol und Roj, die nach wie vor Nährboden für Radikalisierung sind, zu äußern; die Mitgliedstaaten aufzufordern, alle europäischen Kinder rückzuführen und ihnen angemessene Unterstützung und Reintegration zu bieten; die Mitgliedstaaten aufzufordern, die Rückführung aller Kinder, die Staatsangehörige von Drittländern sind, unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts in allen bilateralen Beziehungen und internationalen Gremien zu fördern;
   j) ihre Anstrengungen zur Bekämpfung russischer und iranischer Desinformation über Syrien, insbesondere in arabischer Sprache, zu verdoppeln; die notwendigen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Online-Plattformen ihren Kampf gegen Desinformation in der Region erheblich verstärken, insbesondere durch die Einstellung von Arabisch sprechenden Personen zur Moderation von Online-Inhalten;
   k) den Abschuss von Raketen von syrischem Hoheitsgebiet auf Israel und die von Israel besetzten Golanhöhen durch syrische Streitkräfte sowie die Entsendung einer unbewaffneten Drohne in den Norden Israels zu verurteilen; die wiederholten und erfolgreichen Versuche der Hisbollah, iranische Waffen über syrisches Hoheitsgebiet zu erhalten, zu verurteilen; die nachsichtige Haltung des Assad-Regimes gegenüber Al-Qaida und anderen terroristischen Gruppen zu verurteilen, insbesondere im Hinblick auf die Vermittlungsbemühungen im Irak-Konflikt, da dies das Wachstum von Al-Qaida, ISIS und damit verbundenen terroristischen Netzwerken innerhalb Syriens begünstigt hat;
   l) zur Kenntnis zu nehmen, dass das israelische Militär in Selbstverteidigung weiterhin Luftangriffe und andere Formen von Angriffen auf syrisches Hoheitsgebiet durchführt, um sicherzustellen, dass das Assad-Regime auch weiterhin nicht in der Lage ist, genügend Stärke zurückzugewinnen, um eine Bedrohung für Nachbarländer darzustellen;
   m) sicherzustellen, dass Resolutionen, Berichte und Beschlüsse der EU zu Syrien in die arabische Sprache übersetzt werden;
  

Bekämpfung der Straffreiheit

   n) zu betonen, dass die Bekämpfung der Straffreiheit in Syrien eine Voraussetzung für jede künftige Lösung der aktuellen Krise sowie ein moralisches und politisches Gebot für Europa und die internationale Gemeinschaft ist; zu begrüßen, dass die gemeinsame deutsch-französische Ermittlungsgruppe in Bezug auf die 11 000 Leichen von Folteropfern, über die im Caesar-Bericht berichtet wurde, juristische Fortschritte erzielt hat und dass Syrien aus der internationalen Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) suspendiert wurde; den Erlass internationaler Haftbefehle gegen Bashar Al-Assad, seinen Bruder Maher Al-Assad und zwei Generäle durch französische Gerichte im November 2023 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Einsatz von chemischen Waffen gegen Zivilisten zu begrüßen; den Beschluss des IGH zu begrüßen, der Syrien auffordert, alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um Folterungen und andere Misshandlungen zu verhindern, nachdem die Niederlande und Kanada eine Klage wegen der Verletzung des internationalen Übereinkommens gegen Folter durch Syrien eingereicht haben; zudem die Fortschritte in Deutschland, Frankreich und Schweden bei der Strafverfolgung syrischer Krimineller zu begrüßen, z. B. durch die Strafprozesse in Koblenz und Frankfurt; die Festnahme und Inhaftierung syrischer paramilitärischer Anführer mit Verbindungen zum Assad-Regime in Deutschland, den Niederlanden und Belgien im Dezember 2023, Januar 2024 und Februar 2024 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Folter zu begrüßen; alle EU-Mitgliedstaaten aufzufordern, die universelle Gerichtsbarkeit umzusetzen, sofern dies in ihrer jeweiligen Verfassungsordnung vorgesehen ist; Versuche, die Führung des syrischen Regimes vor Gericht zu stellen, zu unterstützen; zu verlangen, dass Gutachten und Dolmetscher von den Justiz- und Polizeibehörden gemeinsam in Anspruch genommen werden, wobei in jedem Mitgliedstaat ein Staatsanwalt für Verbrechen gegen die Menschlichkeit ernannt wird; zu verlangen, dass die EU-Mitgliedstaaten innerhalb der Strafverfolgungsbehörden spezialisierte Einheiten für Kriegsverbrechen in den Fällen einrichten, in denen sie noch nicht existieren, und sicherzustellen, dass sie mit angemessenen Mitteln ausgestattet werden; die Mitgliedstaaten aufzufordern, den Aktivitäten der syrischen Nachrichtendienste und ihrem Einfluss auf die syrische Diaspora, einschließlich des Zeugenschutzes, besondere Aufmerksamkeit zu widmen und sie zu verhindern; zu verlangen, dass europäische Stipendien speziell an Syrerinnen und Syrer vergeben werden, die eine juristische Ausbildung im Kampf gegen die Straffreiheit anstreben;
   o) nachdrücklich einen automatischen Informationsaustausch zwischen allen Mitgliedstaaten über Kriegsverbrecher zu fordern, deren Antrag gemäß Artikel 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge abgelehnt wurde; die Mitgliedstaaten aufzufordern, einen europäischen Fonds für die Opfer von schweren Verstößen gegen das Völkerrecht, einschließlich Opfern von Folter, in Syrien einzurichten, indem sie die in ihrem Zuständigkeitsbereich vorhandenen Gelder im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Völkerrecht in Syrien ermitteln, z. B. Geldstrafen, Sanktionsgelder und -strafen, Einziehungsanordnungen, eingefrorene Gelder im Zusammenhang mit unrechtmäßig erworbenen Gütern des syrischen Regimes und andere Einnahmen; die Ausarbeitung eines Rechtsrahmens, der die Überweisung dieser Mittel an die Familien der Opfer, einschließlich Opfern von Folter, ermöglicht, zu fordern; erneut zu erklären, dass solche Fonds sorgfältig und in uneingeschränkter Zusammenarbeit mit den Familien der Opfer konzipiert werden müssen; die anhaltende Bedrohung durch den illegalen Handel mit Raubkunst und Kulturgütern aus Syrien sowohl durch das Assad-Regime als auch durch den ISIS anzuerkennen; nachdrücklich die Stärkung des Aktionsplans zur Bekämpfung des Handels mit Kulturgütern und Vertiefung der Zusammenarbeit mit Drittländern zu fordern, um sicherzustellen, dass Kulturgüter geschützt, vom Schwarzmarkt genommen und in die Herkunftsländer überführt werden, wenn die Bedingungen dies zulassen; die Annahme der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 29. Juni 2023 zur Einrichtung einer Institution für vermisste Personen in Syrien und die Fortsetzung der Finanzierung des internationalen, unabhängigen und unparteiischen Mechanismus zur Unterstützung der Ermittlungen bei schweren Verbrechen, die seit 2011 in Syrien begangen wurden, zu befürworten; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die Liste der Personen, die gezielten Sanktionen ausgesetzt sind, im Rahmen der globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte (des sogenannten EU-Magnitski-Gesetzes) zu erweitern und auch zivile und militärische Befehlshaber von Syrien und Russland aufzunehmen, die im Rahmen ihrer Befehlsverantwortung oder glaubhaft an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderen schwerwiegenden Verstößen im Nordwesten Syriens beteiligt gewesen sind;
   p) den Beschluss des Rates vom 22. Januar 2024 zu begrüßen, mit dem sechs Geschäftsleute, die der Assad-Familie nahestehen, und fünf Unternehmen in die Sanktionsliste der EU aufgenommen wurden, weil sie an der Überstellung von Söldnern des syrischen Regimes, Waffenhandel, Drogenhandel oder Geldwäsche zur Unterstützung des syrischen Regimes beteiligt waren;
  

Humanitäre Hilfe und Flüchtlinge

   q) die internationale Gemeinschaft auf der Brüsseler Konferenz 2024 nachdrücklich aufzufordern, ihre humanitäre Hilfe für die 15,3 Mio. Syrerinnen und Syrer, die täglich auf diese Hilfe angewiesen sind, sofort zu erhöhen; ihre tiefste Besorgnis über den Beschluss des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, ab Januar 2024 aufgrund einer Finanzierungslücke seine Nahrungsmittelhilfe auszusetzen, die bis dahin täglich 3,2 Mio. Menschen in Syrien zugutekam, zum Ausdruck zu bringen; nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Zugang zu sauberem Wasser, einschließlich Trinkwasser, Abwasser und Wasser für landwirtschaftliche Zwecke, zu formaler Bildung, auch für Mädchen und Frauen, Energieversorgung, bezahlbaren Kraftstoffen, Bildung und zu langfristiger Budgethilfe, die auf die Bedürfnisse von Frauen abgestimmt ist, gewährleistet werden muss; die humanitäre Hilfe vor allem auf sauberes Wasser, erschwingliche Energie, Heizung, Gesundheitsfürsorge und Gesundheitsprodukte auszurichten; die Kommission und die Mitgliedstaaten aufzufordern, die Arbeit der lokalen Zivilgesellschaft und der von Flüchtlingen geleiteten Organisationen stärker zu unterstützen; zu betonen, dass es wichtig ist, dass die Hilfsorganisationen im Einklang mit dem Grundsatz der „Rechenschaftspflicht gegenüber der betroffenen Bevölkerung“ die Rechenschaftspflicht gegenüber den Empfängerinnen und Empfängern der Hilfe stärken und auf deren Rückmeldungen und Bedürfnisse reagieren; erneut darauf hinzuweisen, dass die Union der größte Geldgeber in diesem Bereich ist; die anhaltenden Bemühungen des Libanon, Jordaniens, der Türkei und des Irak, unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen sechs Millionen Flüchtlinge aufzunehmen, zu begrüßen; diese Länder an ihre Verpflichtung zu erinnern, das Völkerrecht in dieser Hinsicht einzuhalten; zu bekräftigen, dass der Flüchtlingsstatus garantiert werden muss, insbesondere in den Hauptaufnahmeländern Türkei, Libanon, Jordanien und Irak, und dass von jeglicher Diskriminierung von Minderheiten abzusehen ist; das umfangreiche kulturelle Erbe Syriens als einen wichtigen Teil des Weltkulturerbes und als Quelle für die Lösung einiger Probleme des Landes anzuerkennen; Aramäisch als eine gefährdete Minderheitensprache anzuerkennen, da es in Syrien nur von etwa 100 000 Menschen gesprochen wird, während es in Europa bis zu 500 000 Menschen sind;
   r) die zahllosen Vetos Russlands gegen die Lieferung von Hilfsgütern an die Bevölkerung im Norden von Syrien, insbesondere sein Veto gegen die Verlängerung der Resolution 2672 (2023) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und somit gegen die Erweiterung des Zugangs für humanitäre Hilfe über Bab al-Hawa, aufs Schärfste zu verurteilen; die Versuche Russlands, den Ruf der „Weißhelme“ (Syrischer Zivilschutz) zu schädigen, erneut zu verurteilen; zu betonen, dass die Weißhelme eine wichtige Rolle bei der Rettung der syrischen Zivilbevölkerung spielen; die Arbeit von Journalisten, Bloggern und Einzelpersonen sowie von Organisationen wie den Weißhelmen zu würdigen, die trotz der Brutalität des Regimes ihre Arbeit im Land fortsetzen, indem sie die internationale Gemeinschaft informieren, die Opfer vor Ort unterstützen und ihren Blick auf die Zukunft des Landes richten; die Entscheidung der Regierung zur Kenntnis zu nehmen, den humanitären Organisationen der Vereinten Nationen und ihren Partnern bis zum 13. Juli 2024 weiteren Zugang durch den Korridor von Bab al-Hawa zu gewähren; zu bedauern, dass es keinen Beschluss zur Verlängerung des Zugangs über Bab al-Salam und Al-Rai gibt, der zuvor bis zum 13. Februar 2024 verlängert worden war; alle verantwortlichen Parteien daran zu erinnern, dass diese Zugänge unbedingt offen gehalten werden müssen; die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern, parallel zu energischen diplomatischen Maßnahmen auf der Ebene des UN-Sicherheitsrats die Aufrechterhaltung des Betriebs der Grenzübergänge Bab al-Hawa, Bab al-Salaam und Al-Rai für mindestens 12 Monaten zu erreichen; die Möglichkeit zu prüfen, auch Mittel über den kürzlich eingerichteten „Hilfsfonds für Nordsyrien“ zu leiten; die systematischen Versuche des syrischen Regimes, internationale humanitäre Hilfe an Milizen umzulenken, sowie seine Manipulation von Wechselkursen, um sich den Großteil der für die von ihm kontrollierten Gebiete vorgesehenen Hilfe anzueignen, zu verurteilen;
   s) erneut darauf hinzuweisen, dass Syrien weder ganz noch teilweise als sicheres Herkunftsland für die Rückkehr von nach Europa und in die ganze Welt geflüchteten syrischen Staatsangehörigen und Asylbewerbern angesehen werden kann, die vor den Verbrechen des Regimes geflohen sind und denen bei einer Rückkehr nach Syrien Folter und Verschwindenlassen drohen; Aufnahmeländer wie die Türkei, den Libanon, Jordanien, den Irak und Ägypten erneut darauf hinzuweisen, dass Syrien weder ganz noch teilweise ein sicheres Land ist und syrische Staatsangehörige daher nicht sicher zurückkehren können; zu betonen, dass jede einzelne Rückkehr freiwillig und unter menschenwürdigen Bedingungen erfolgen muss; zu betonen, dass einige Syrerinnen und Syrer vor in Syrien operierenden Terrororganisationen wie dem ISIS geflohen sind; zu betonen, dass es in Syrien Gebiete gibt, in denen noch immer gewalttätige dschihadistische Gruppen und Milizen aktiv sind; die Auswirkungen des Syrienkonflikts auf die schätzungsweise 438 000 palästinensischen Flüchtlinge im Land hervorzuheben, die in erster Linie vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) für die Deckung ihrer Grundbedürfnisse abhängig sind; Besorgnis über die finanzielle Situation der Agentur zu äußern und eine bessere Einbeziehung der palästinensischen Flüchtlinge in die humanitären Pläne der EU in Syrien zu fordern;

2.  beauftragt seine Präsidentin, diese Empfehlung dem Rat, der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu übermitteln und sie in die arabische Sprache übersetzen und auf Arabisch veröffentlichen zu lassen.

(1) Beschluss (GASP) 2023/1035 des Rates vom 25. Mai 2023 zur Änderung des Beschlusses 2013/255/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien (ABl. L 139 vom 26.5.2023, S. 49).
(2) ABl. C 474 vom 24.11.2021, S. 130.
(3) Syrian Network for Human Rights, 12th Annual Report on Enforced Disappearance in Syria on the International Day of the Disappeared: Enforced Disappearance is an Ongoing Crime in Syria, 30. August 2023.

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