Die Verträge von Maastricht und Amsterdam

Durch den Vertrag von Maastricht wurden die vorhergehenden europäischen Verträge geändert, sodass eine Europäische Union geschaffen wurde, die auf drei Säulen beruht: den Europäischen Gemeinschaften, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (JI). Mit Blick auf die Erweiterung der Union wurden mit dem Vertrag von Amsterdam Anpassungen vorgenommen, um die Funktionsweise der Union effizienter und demokratischer zu gestalten.

Der Vertrag von Maastricht

Der Vertrag über die Europäische Union[1] wurde am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichnet und trat am 1. November 1993 in Kraft.

A. Die Strukturen der Union

Mit der Schaffung einer Europäischen Union stellte der Vertrag von Maastricht eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer „immer engeren Union der Völker Europas“ dar. Die Union basierte auf den Europäischen Gemeinschaften und wurde durch die mit dem Vertrag über die Europäische Union eingeführten Maßnahmen und Formen der Zusammenarbeit unterstützt. Die Union verfügte über einen einzigartigen institutionellen Rahmen, der den Rat, das Europäische Parlament, die Europäische Kommission, den Gerichtshof und den Rechnungshof umfasste; sie waren zu jener Zeit die einzigen Organe der EU und übten ihre Befugnisse entsprechend den in den Verträgen festgelegten Bestimmungen aus. Durch den Vertrag wurden ein Wirtschafts- und Sozialausschuss und ein Europäischer Ausschuss der Regionen geschaffen, die beide beratende Funktionen ausüben. Entsprechend den vom Vertrag vorgesehenen Verfahren wurden ein Europäisches System der Zentralbanken und eine Europäische Zentralbank eingerichtet, die die bereits bestehenden Finanzinstitutionen der EIB-Gruppe, d. h. die Europäische Investitionsbank und den Europäischen Investitionsfonds, ergänzen.

B. Die Befugnisse der Union

Die durch den Vertrag von Maastricht gegründete Union erhielt durch diesen Vertrag Befugnisse, die in drei große, gemeinhin als „Säulen“ bezeichnete Kategorien eingeteilt werden: Die erste Säule umfasste die Europäischen Gemeinschaften und schaffte einen Rahmen, der es den Gemeinschaftsorganen ermöglichte, Befugnisse in den im Vertrag genannten Bereichen auszuüben, in denen die Mitgliedstaaten ihre Souveränität übertragen hatten. Die zweite Säule war die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gemäß Titel V des Vertrags. Die dritte Säule war die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres gemäß Titel VI des Vertrags. In den Titeln V und VI wurde die zwischenstaatliche Zusammenarbeit geregelt, die sich auf die gemeinsamen Organe stützte und bestimmte supranationale Elemente enthielt, beispielsweise die Einbeziehung der Kommission und die Anhörung des Europäischen Parlaments.

1. Die Europäische Gemeinschaft (erste Säule)

Aufgabe der Gemeinschaft war es, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und unter anderem für eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz sowie für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu sorgen. Die Gemeinschaft verfolgte diese Ziele innerhalb der Grenzen der ihr übertragenen Befugnisse durch die Schaffung eines Binnenmarkts und die in Artikel 3 des EG-Vertrags vorgesehenen damit zusammenhängenden Maßnahmen sowie durch die Einführung einer einheitlichen Wirtschafts- und Währungspolitik gemäß Artikel 4. Bei den Maßnahmen der Gemeinschaft war dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und in den Bereichen, die nicht in ihrer ausschließlichen Zuständigkeit lagen, dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung zu tragen (Artikel 5 EG-Vertrag).

2. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) (zweite Säule)

Die Union hatte die Aufgabe, mittels zwischenstaatlicher Zusammenarbeit eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik festzulegen und umzusetzen. Die Mitgliedstaaten waren gehalten, diese Politik im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Ihre Ziele waren die Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Integrität der Union gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen, die Stärkung der Sicherheit der Union in all ihren Formen, die Förderung der internationalen Zusammenarbeit, die Entwicklung und Stärkung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.

3. Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (dritte Säule)

Das Ziel der Union bestand darin, mittels zwischenstaatlicher Zusammenarbeit gemeinsame Maßnahmen in diesen Bereichen zu entwickeln, um den Bürgern ein hohes Maß an Schutz in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu bieten. Die Zusammenarbeit erstreckte sich auf folgende Bereiche:

  • Vorschriften für das Überschreiten der Außengrenzen der Gemeinschaft und diesbezügliche Kontrollen,
  • Bekämpfung von Terrorismus, schwerer Kriminalität, Drogenhandel und länderübergreifendem Betrug,
  • justizielle Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen,
  • Schaffung eines Europäischen Polizeiamts (Europol), das über ein System zum Austausch von Informationen zwischen den einzelstaatlichen Polizeibehörden verfügt,
  • Bekämpfung der illegalen Einwanderung,
  • gemeinsame Asylpolitik.

Der Vertrag von Amsterdam

Der Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte[2] wurde am 2. Oktober 1997 in Amsterdam unterzeichnet und trat am 1. Mai 1999 in Kraft.

A. Erweiterung der Befugnisse der Union

1. Europäische Gemeinschaft

Auf der Ebene der Ziele wurde besonderer Wert auf eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung sowie auf ein hohes Beschäftigungsniveau gelegt. Es wurde ein Mechanismus zur Koordinierung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten geschaffen und die Möglichkeit vorgesehen, bestimmte Gemeinschaftsmaßnahmen in diesem Bereich zu ergreifen. Das Abkommen über die Sozialpolitik wurde mit einigen Verbesserungen (Abschaffung der „Opt-out“-Klausel) in den EG-Vertrag integriert. Die Gemeinschaftsmethode fand seither auch auf wichtige Bereiche Anwendung, die bisher der dritten Säule zugeordnet waren, wie etwa Asyl, Einwanderung, Überschreiten der Außengrenzen, Betrugsbekämpfung, Zusammenarbeit im Zollwesen und justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen, sowie auf einen Teil der Zusammenarbeit im Rahmen des Schengener Übereinkommens, das von der Union und den Gemeinschaften in vollem Umfang unterstützt wurde.

2. Europäische Union

Die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in den Bereichen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit wurde durch die Festlegung von Zielen und klar definierten Aufgaben sowie durch die Schaffung eines einer Richtlinie ähnelnden neuen Rechtsinstruments verstärkt. Die Instrumente der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wurden später entwickelt, insbesondere durch die Schaffung eines neuen Instruments, der gemeinsamen Strategie, des neuen Amts des „Generalsekretärs des Rates mit Zuständigkeit für die GASP“ und einer neuen Struktur, der „Strategieplanungs- und Frühwarneinheit“.

B. Stärkung des Europäischen Parlaments

1. Rechtsetzungsbefugnis

Im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens, das auf die fünfzehn im EG-Vertrag bestehenden Rechtsgrundlagen ausgeweitet wurde, wurden das Europäische Parlament und der Rat zu praktisch gleichberechtigten Mitgesetzgebern. Mit Ausnahme der Landwirtschaft und der Wettbewerbspolitik fand das Mitentscheidungsverfahren auf sämtliche Bereiche Anwendung, in denen der Rat befugt war, Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit zu fassen. In vier Fällen (Artikel 18, 42 und 47 sowie Artikel 151 über die Kulturpolitik, der unverändert blieb) wurde das Mitentscheidungsverfahren an das Erfordernis einer einstimmigen Beschlussfassung im Rat geknüpft. Die übrigen legislativen Bereiche, bei denen Einstimmigkeit vorgeschrieben war, fielen nicht unter das Mitentscheidungsverfahren.

2. Kontrollbefugnis

Neben der Kommission als Kollegium muss auch der designierte Präsident der künftigen Kommission vom Parlament gebilligt werden (Artikel 214).

3. Wahl und Statut der Mitglieder

Hinsichtlich des Verfahrens für die allgemeine unmittelbare Wahl des Europäischen Parlaments (Artikel 190 EGV) wurde die bereits bestehende Befugnis der Gemeinschaft, ein einheitliches Verfahren zu beschließen, durch die Befugnis ergänzt, gemeinsame Grundsätze festzulegen. In denselben Artikel wurde eine Rechtsgrundlage aufgenommen, durch die die Verabschiedung eines einheitlichen Statuts der Mitglieder des Europäischen Parlaments ermöglicht wurde. Es gab jedoch nach wie vor keine Bestimmung, die es ermöglicht, Maßnahmen zur Bildung politischer Parteien auf europäischer Ebene zu ergreifen (siehe Artikel 191).

C. Verstärkte Zusammenarbeit

Zum ersten Mal enthielten die Verträge allgemeine Bestimmungen, durch die es einigen Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen ermöglicht wurde, die Gemeinschaftsinstitutionen zu nutzen, um eine verstärkte Zusammenarbeit untereinander zu begründen. Diese Möglichkeit ergänzte die Fälle der verstärkten Zusammenarbeit, die durch spezifische Bestimmungen geregelt sind, wie etwa über die Wirtschafts- und Währungsunion, die Schaffung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und die Einbeziehung der Schengen-Bestimmungen. Die Bereiche, die für eine verstärkte Zusammenarbeit infrage kamen, waren die dritte Säule und – mit sehr starken Einschränkungen – die Angelegenheiten, die in die nicht ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. Die Bedingungen für jegliche verstärkte Zusammenarbeit und die vorgesehenen Mechanismen der Beschlussfassung boten von ihrer Anlage her die Gewähr, dass diese Sonderform des Integrationsprozesses eine Ausnahme bleibt und nur dazu genutzt werden kann, Fortschritte und keinesfalls Rückschritte im Integrationsprozess herbeizuführen.

D. Vereinfachung

Mit dem Vertrag von Amsterdam wurden alle im Laufe der Zeit hinfällig gewordenen oder veralteten Bestimmungen aus dem europäischen Vertragswerk gestrichen, ohne dass jedoch die rechtliche Wirkung, die sich in der Vergangenheit daraus ergab, durch diese Streichung beeinträchtigt wurde. Außerdem wurden die Vertragsartikel neu nummeriert. Aus rechtlichen und politischen Gründen wurde der Vertrag in Form einer Abänderung der geltenden Verträge unterzeichnet und zur Ratifizierung vorgelegt.

E. Institutionelle Reformen mit Blick auf die Erweiterung

  1. Durch den Vertrag von Amsterdam wurde die Anzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments, wie von diesem selbst gefordert, auf höchstens 700 festgelegt (Artikel 189).
  2. Die Zusammensetzung der Kommission und die Frage der Stimmengewichtung waren Gegenstand eines dem Vertrag beigefügten „Protokolls über die Organe“. Nach den Bestimmungen dieses Protokolls sollte der Kommission in einer auf höchstens zwanzig Mitgliedstaaten erweiterten Union ein Staatsangehöriger je Mitgliedstaat angehören, sofern zu diesem Zeitpunkt die Stimmengewichtung im Rat geändert worden war. Auf jeden Fall sollte spätestens ein Jahr vor dem Beitritt eines 21. Mitgliedstaats eine neue Regierungskonferenz einberufen werden, um die institutionellen Bestimmungen der Verträge umfassend zu überprüfen.
  3. Die Beschlussfassung des Rates mit qualifizierter Mehrheit war zwar in einer Reihe von durch den Vertrag von Amsterdam neu geschaffenen Rechtsgrundlagen vorgesehen, unter den bereits bestehenden Politikbereichen der Gemeinschaft fand die neue Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit jedoch nur in der Forschungspolitik Anwendung; für die übrigen Bereiche war weiterhin Einstimmigkeit erforderlich.

F. Weitere Themen

Die Gemeinschaftsverfahren für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips wurden in einem diesbezüglichen Protokoll festgeschrieben. Durch neue Bestimmungen über den Zugang zu Dokumenten (Artikel 255) und eine umfassendere Offenlegung der legislativen Tätigkeit des Rates (Artikel 207 Absatz 3) wurde die Transparenz verbessert.

Rolle des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament wurde vor der Einberufung von Regierungskonferenzen angehört. Darüber hinaus wurde das Parlament auf Ad-hoc-Basis in die Regierungskonferenzen einbezogen; bei den letzten drei Konferenzen war es je nach Fall durch seinen Präsidenten oder zwei seiner Mitglieder vertreten.

Diese Kurzdarstellung wurde von der Fachabteilung Justiz, bürgerliche Freiheiten und institutionelle Angelegenheiten des Europäischen Parlaments ausgearbeitet.

 

Mariusz Maciejewski