Der EU-Rahmen für die Fiskalpolitik

Zur Gewährleistung der Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion ist ein solider Rahmen erforderlich, um nicht tragfähige öffentliche Finanzen weitestgehend zu vermeiden. Eine Reform (Teil des Sechserpakets), durch die der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) geändert wurde, ist Ende 2011 in Kraft getreten. Anfang 2013 ist eine weitere Reform, der zwischenstaatliche Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (SKS-Vertrag), einschließlich des Fiskalpakts, in diesem Politikbereich in Kraft getreten. Außerdem ist eine Verordnung über die Bewertung gesamtstaatlicher Haushaltsplanung (Teil des Zweierpakets) im Mai 2013 in Kraft getreten. Am 30. April 2024 trat ein reformierter Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung in Kraft.

Rechtsgrundlage

  • Artikel 3, 119 bis 144, 136, 219 und 282 bis 284 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV);
  • Protokoll Nr. 12 (über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit) und Protokoll Nr. 13 (über die Konvergenzkriterien), die dem AEUV beigefügt sind.

Ziele

Mit der fiskalpolitischen Architektur der Europäischen Union soll ein stabiler und wirksamer Rahmen für die Koordinierung und Überwachung der fiskalpolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten geschaffen werden. Die Reformen des Rechtsrahmens zwischen 2011 und 2013 waren eine direkte Reaktion auf die Staatsschuldenkrise, die gezeigt hat, dass in Anbetracht der Ausstrahlungseffekte nicht tragfähiger öffentlicher Finanzen innerhalb des Euro-Währungsgebiets strengere Regeln erforderlich sind. Der überarbeitete Rahmen stützt sich daher auf die Erfahrungen aus den Konstruktionsfehlern zu Beginn der Europäischen Währungsunion und versucht, das in Artikel 119 Absatz 3 AEUV verankerte Leitprinzip der soliden öffentlichen Finanzen zu stärken. Ausgehend von der sich weiterentwickelnden wirtschaftspolitischen Steuerung der EU im Laufe der letzten zehn Jahre wurde der Rechtsrahmen 2024 einer weiteren Reform unterzogen. Die reformierten Normen zielen darauf ab, das politische Verantwortungsbewusstsein zu steigern, die Regeln zu vereinfachen, Investitionen im Sinne der Prioritäten der EU zu erleichtern und eine wirkungsvolle Durchsetzung zu fördern. Mit der neuen Governance-Architektur soll die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen mit einem nachhaltigen und integrativen Wachstum in Einklang gebracht werden, insbesondere im Hinblick auf den grünen und den digitalen Wandel.

Errungenschaften

A. Stabilitäts- und Wachstumspakt

Das Primärrecht der Union bildet mit Artikel 121 und Artikel 126 AEUV (multilaterale Überwachung bzw. Verfahren bei einem übermäßigen Defizit) sowie mit Protokoll Nr. 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit die zentrale Rechtsgrundlage für den SWP. Im sekundären Unionsrecht wird im Einzelnen beschrieben, wie die im AEUV festgelegten Vorschriften und Verfahren umzusetzen sind. Das erste Gesetzgebungspaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung („Sechserpaket“), mit dem die Bestimmungen des SWP überarbeitet und geändert werden, ist am 13. Dezember 2011 in Kraft getreten und stellt somit die wichtigsten Instrumente für die Überwachung der fiskalpolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten (präventive Komponente) und für die Korrektur übermäßiger Defizite (korrektive Komponente) bereit. Die präventive Komponente und die korrektive Komponente wurden 2024 weiter geändert.

In seiner derzeitigen Form setzt sich der SWP wie folgt zusammen:

  • Verordnung (EU) 2024/1263 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2024 über die wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik und über die multilaterale haushaltspolitische Überwachung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates. Diese Verordnung bildet die präventive Komponente;
  • Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1056/2005 des Rates vom 27. Juni 2005, die Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 und die Verordnung (EU) 2024/1264 des Rates vom 29. April 2024. Diese Verordnung bildet die korrektive Komponente;
  • Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 vom 16. November 2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet;
  • Richtlinie 2011/85/EU des Rates über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten, geändert durch die Richtlinie (EU) 2024/1265 des Rates vom 29. April 2024. 

1. Präventive Komponente des SWP

Die präventive Komponente zielt darauf ab, die wirksame Koordinierung einer soliden Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten zu gewährleisten und damit zur Verwirklichung der Ziele der Union in Bezug auf nachhaltiges und inklusives Wachstum und Beschäftigung beizutragen.

In der Verordnung (EU) 2024/1263 sind die Vorschriften für Inhalt, Übermittlung, Bewertung, Billigung und Überwachung der nationalen mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Pläne festgelegt, wobei die Ausgabenziele für die Mitgliedstaaten, die einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren – je nach der Dauer der nationalen Legislaturperiode – abdecken, umrissen werden.

In den nationalen mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plänen wird dargelegt, wie die Länder Haushalts-, Reform- und Investitionsziele, einschließlich erforderlichenfalls der Ziele zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte, in einen einzigen ganzheitlichen mittelfristigen Plan zu integrieren beabsichtigen. Darin sollten insbesondere die Prioritäten der EU in den Bereichen Umwelt, Digitales, Energieversorgungssicherheit und Verteidigung sowie die Ziele im Zusammenhang mit wirtschaftlicher und sozialer Resilienz angegangen werden. Im Rahmen der Verpflichtung zu weiteren Investitionen und Reformen wäre es auch möglich, den Zeitraum für die Haushaltsanpassung auf bis zu sieben Jahre zu verlängern.

Zu Beginn des Verfahrens der multilateralen Überwachung bewertet die Kommission, ob die Mitgliedstaaten die im Maastrichter Vertrag festgelegten Obergrenzen beim öffentlichen Schuldenstand (60 % des BIP) und/oder beim öffentlichen Defizit (3 %) einhalten. Mitgliedstaaten, die die Maastricht-Kriterien einhalten, können von der Kommission freiwillig technische Informationen darüber anfordern, wie sie einen umsichtigen haushaltspolitischen Kurs wahren können. Sollte ein Mitgliedstaat jedoch gegen eines der Kriterien verstoßen, wird die Kommission einen Referenzpfad für öffentliche Ausgaben vorschlagen, um die projizierte öffentliche Schuldenquote auf einen plausibel rückläufigen Pfad zu bringen oder dort zu belassen oder um sie mittelfristig auf einem dem Vorsichtsgebot entsprechenden Niveau von unter 60 % des BIP zu halten.

Der Referenzpfad wird durch die Durchführung einer Schuldentragfähigkeitsanalyse für jeden Mitgliedstaat berechnet und ist auf eine Reihe von Schutzvorkehrungen gestützt, um

  1. für Kohärenz mit den Anpassungen im Rahmen der korrektiven Komponente zu sorgen;
  2. sicherzustellen, dass der Schuldenstand im Jahresdurchschnitt um mindestens 1 Prozentpunkt sinkt, wenn er höher liegt als 90 % des BIP, und um 0,5 %, wenn er zwischen 60 % bis 90 % des BIP liegt;
  3. sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten durch eine jährliche Mindestanpassung von 0,4 Prozentpunkten des BIP, die, falls der Anpassungszeitraum verlängert wird, auf 0,25 Prozentpunkte gesenkt werden kann, ein Defizitniveau erreichen, das eine gemeinsame strukturelle Resilienzmarge von 1,5 % des BIP aufweist.

Der Referenzpfad dient ausschließlich als Möglichkeit für die Mitgliedstaaten und die Kommission, die Gespräche über die Festlegung eines angemessenen Nettoausgabenpfads während des Anpassungszeitraums zu strukturieren. Letztlich müssen die nationalen mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne vom Rat gebilligt werden. Um für Flexibilität zu sorgen, können die Mitgliedstaaten auch eine Überarbeitung während der Einführung des vereinbarten Plans beantragen, wenn objektive Umstände vorliegen, die eine Umsetzung verhindern, oder wenn eine neue Regierung ernannt wird.

Für die Zwecke der Bewertung der Einhaltung überwacht die Kommission lediglich das Wachstum der Staatsausgaben ohne Zinsausgaben, diskretionäre Einnahmen, Ausgaben für Unionsprogramme, die von der EU finanziert oder auf nationaler Ebene mitfinanziert werden, sowie konjunkturelle Komponenten der Ausgaben für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und einmalige und sonstige befristete Maßnahmen. Die Bewertung dieses einzigen operativen Indikators wird durch die Verwendung eines Kontrollkontos zur Erfassung von Abweichungen vom Nettoausgabenpfad sowie durch die öffentlichen Jahresberichte der Mitgliedstaaten erleichtert.

Flexibilität wird auch durch eine allgemeine Ausweichklausel für den Fall eines schweren Wirtschaftsabschwungs, von dem die EU oder das Euro-Währungsgebiet insgesamt betroffen sind, und durch eine mitgliedstaatsspezifische nationale Ausweichklausel sichergestellt, sollte sich die makroökonomische Lage eines Landes unvorhergesehen verschlechtern. Durch die Aktivierung solcher Klauseln würde eine vorübergehende Lockerung dieser Regeln möglich, sodass Mitgliedstaaten, die mit außergewöhnlichen Umständen außerhalb ihres Einflussbereichs konfrontiert sind, vom vereinbarten Pfad abweichen können.

Die Dimension der Rechenschaftspflicht in Bezug auf den Rahmen wurde im Zuge der Reform gestärkt, indem die Rolle des Europäischen Parlaments ausgebaut wurde, insbesondere durch neue Informationsanforderungen und die Einrichtung eines wirtschaftspolitischen Dialogs mit anderen EU-Organen auf der Ebene des Plenums. Die Einbeziehung unabhängiger finanzpolitischer Institutionen und des Europäischen Fiskalausschusses in die Bewertung der Einhaltung der Regeln und in die Beratung zum haushaltspolitischen Kurs trägt ebenfalls dazu bei, die Transparenzdimension bei der Reform zu stärken.

2. Korrektive Komponente des SWP

Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (VÜD)

Mit dem VÜD sollen im Einklang mit Artikel 126 AEUV und dem den Verträgen beigefügten Protokoll Nr. 12 übermäßige Defizite verhindert und deren umgehende Korrektur sichergestellt werden.

Gemäß dem geänderten SWP wird ein VÜD durch das Defizitkriterium oder das Schuldenstandskriterium ausgelöst:

  • Defizitkriterium: Ein gesamtstaatliches Defizit gilt bei Überschreiten des Referenzwerts von 3 % des BIP zu Marktpreisen als übermäßig;
  • Schuldenstandskriterium: Der Schuldenstand übersteigt 60 % des BIP, und das jährliche Ziel der Verringerung des Schuldenstands um 5 % wurde wegen Überschreitung der Schwelle von 60 % in den letzten drei Jahren nicht erreicht.

In einer Reihe von Bestimmungen wird klargestellt, dass das Defizit, wenn es einen festgelegten Referenzwert überschreitet, als ausnahmsweise überschritten (etwa als Folge eines ungewöhnlichen Ereignisses oder eines schweren Wirtschaftsabschwungs) oder als vorübergehend überschritten gilt (wenn Schätzungen darauf hindeuten, dass das Defizit unter den Referenzwert sinken wird, wenn das außergewöhnliche Ereignis nicht mehr vorliegt oder der schwerwiegende Wirtschaftsabschwung beendet ist).

In Artikel 126 Absätze 3 bis 6 AEUV ist das Verfahren zur Bewertung und Entscheidung über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits festgelegt. Die Kommission erstellt einen Bericht, wenn ein Mitgliedstaat zumindest eines der beiden Kriterien nicht erfüllt oder das Risiko besteht, dass er es nicht erfüllen wird. Der WFA gibt eine Stellungnahme zu diesem Bericht ab. Ist die Kommission der Auffassung, dass ein übermäßiges Defizit besteht (oder sich ergeben könnte), so legt sie dem betreffenden Mitgliedstaat eine Stellungnahme vor und unterrichtet den Rat. Letztendlich beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission, ob ein übermäßiges Defizit besteht (Artikel 126 Absatz 6 AEUV). Daraufhin nimmt er auf der Grundlage einer Empfehlung der Kommission eine an den betreffenden Mitgliedstaat gerichtete Empfehlung an (Artikel 126 Absatz 7 AEUV), in der letzterer aufgefordert wird, wirksame Maßnahmen zur Verringerung des Defizits zu ergreifen. Dafür legt er eine Frist von nicht mehr als sechs Monaten fest. Stellt der Rat fest, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen worden sind, kann er seine Empfehlungen veröffentlichen (Artikel 126 Absatz 8 AEUV). Falls ein Mitgliedstaat den Empfehlungen weiterhin nicht Folge leistet, kann der Rat den betreffenden Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug setzen, innerhalb einer vorgegebenen Frist geeignete Maßnahmen zu ergreifen (Artikel 126 Absatz 9 AEUV).

Mit der Reform der korrektiven Komponente im Jahr 2024 sollte die Einleitung eines schuldenbasierten Defizitverfahrens automatisierter erfolgen und die Sanktionsregelung leichter anwendbar sein.

In diesem Zusammenhang wird die frühere Regelung zur Verringerung des Schuldenstands um 5 % aufgehoben. Stattdessen wird der Bewertung der wirtschaftlichen Faktoren, des Investitionsniveaus, der Fortschritte bei den Strukturreformen und der Staatsausgaben für Verteidigungsfähigkeiten bei der Beurteilung, ob die Schulden und Defizitkriterien eingehalten wurden, mehr Gewicht beigemessen. Abweichungen vom Nettoausgabenpfad würden als Auslöser für eine mögliche Eskalation des Defizitverfahrens dienen, während wachstumsfördernde Maßnahmen bei der Beurteilung, ob ein übermäßiges Defizit besteht, als entlastender Faktor betrachtet werden können.

Die korrektive Komponente wurde ebenfalls geändert, um die Kohärenz mit der neuen präventiven Komponente sicherzustellen. Deshalb

  • sollte, falls das Defizitverfahren auf der Grundlage des Defizitkriteriums eingeleitet wird, der Nettoausgaben-Korrekturpfad als Richtwert für die Jahre, in denen das Defizit voraussichtlich 3 % des BIP überschreiten wird, mit einer jährlichen strukturellen Mindestanpassung von mindestens 0,5 % des BIP vereinbar sein;
  • sollte, falls das Defizitverfahren auf der Grundlage des Schuldenstandskriteriums eingeleitet wird, der Nettoausgaben-Korrekturpfad mindestens genauso anspruchsvoll sein wie derjenige im Rahmen der präventiven Komponente und die kumulierten Abweichungen im Kontrollkonto beheben.

Mit der Reform wurden auch Bestimmungen zur Verbesserung des Dialogs und der Überwachung durch die Kommission eingeführt, unter anderem durch regelmäßige Überwachungsmissionen und die weitere Einbeziehung unabhängiger nationaler finanzpolitischer Institutionen.

Das VÜD sieht darüber hinaus Sanktionen im Falle einer Nichteinhaltung vor (Artikel 126 Absatz 11 AEUV). Gegen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets kann der Rat eine Geldbuße von bis zu 0,05 % der letzten Schätzung des BIP des Vorjahres für einen Zeitraum von sechs Monaten verhängen. Diese Geldbuße wird alle sechs Monate gezahlt, bis der Rat feststellt, dass der betreffende Mitgliedstaat aufgrund der Inverzugsetzung nach Artikel 126 Absatz 9 AEUV wirksame Maßnahmen ergriffen hat.

Zusätzliche Sanktionen für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind in der Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet vorgesehen. Die Sanktionen werden in verschiedenen Phasen des VÜD verhängt und umfassen eine unverzinsliche Einlage in Höhe von 0,2 % des BIP und eine Geldstrafe in Höhe von 0,2 % des BIP der Vorjahre. In der Verordnung sind auch Sanktionen für die Manipulation von Statistiken vorgesehen.

B. Fiskalpakt

Auf der Tagung des Europäischen Rates im März 2012 wurde der SKS-Vertrag, dessen fiskalpolitische Komponente der Fiskalpakt ist, von allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Tschechiens unterzeichnet (auch Kroatien hat den Vertrag nicht unterzeichnet, weder vor noch nach seinem EU-Beitritt am 1. Juli 2013). Der Fiskalpakt sieht vor, dass die Regel des ausgeglichenen Haushalts („goldene Haushaltsregel“) mit einer niedrigeren Grenze für das strukturelle Defizit von 0,5 % des BIP (wenn die Staatsschulden weniger als 60 % des BIP betragen, wird diese Untergrenze auf 1 % des BIP festgelegt) in den nationalen Rechtsordnungen, möglichst auf Verfassungsebene („Schuldenbremse“), verankert wird. Mitgliedstaaten könnten von anderen Mitgliedstaaten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union verklagt werden, sollte diese Regel nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden. Zu den weiteren Bestimmungen gehören unter anderem die automatische Einleitung des Korrekturmechanismus sowie verschärfte Regeln für Länder, gegen die ein Defizitverfahren läuft. Darüber hinaus können nur Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus erhalten, die den Fiskalpakt unterzeichnet haben.

C. Weitere Reformen zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung im Euro-Währungsgebiet

Die Reformen im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung der Union und der Fiskalpolitik im Zeitraum 2011-2013 umfassen neben den überarbeiteten SWP-Regeln und dem zwischenstaatlichen SKS-Vertrag zwei Verordnungen, mit denen die wirtschaftspolitische Steuerung im Euro-Währungsgebiet weiter gestärkt werden soll („Zweierpaket“):

  • die Verordnung (EU) Nr. 473/2013 vom 21. Mai 2013 über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die gesamtstaatliche Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet und
  • die Verordnung (EU) Nr. 472/2013 vom 21. Mai 2013 über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind.

Mit den Hauptelementen der ersten Verordnung sollen ein gemeinsamer Haushaltszeitplan für alle dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten sowie Regeln für die Überwachung und Bewertung der Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten durch die Kommission bereitgestellt werden. Im Falle eines ernsthaften Verstoßes gegen die SWP-Regeln kann die Kommission eine Überarbeitung der Haushaltspläne verlangen. Zudem ist in der Verordnung festgelegt, dass Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, gegen die ein VÜD läuft, ein Wirtschaftspartnerschaftsprogramm vorlegen müssen, in dem die politischen Maßnahmen und die Strukturreformen im Einzelnen aufgeführt sind, die für eine wirkungsvolle und dauerhafte Korrektur des übermäßigen Defizits erforderlich sind. Der Rat gibt auf Vorschlag der Kommission Stellungnahmen zu den Wirtschaftspartnerschaftsprogrammen ab.

Die zweite Verordnung betrifft Mitgliedstaaten, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind. Sie enthält Bestimmungen für eine verstärkte Überwachung, finanzielle Unterstützung und Überwachung nach Abschluss des Anpassungsprogramms (so lange, bis mindestens 75 % der erhaltenen Finanzhilfen zurückgezahlt sind).

Rolle des Europäischen Parlaments

Beim Festlegen von Einzelheiten des Verfahrens der multilateralen Überwachung ist das Europäische Parlament Mitgesetzgeber (Artikel 121 Absatz 6 AEUV) und wird in Fragen der sekundären Gesetzgebung bei der Durchführung eines VÜD konsultiert (Artikel 126 Absatz 14 AEUV).

Mit dem SWP erhält das Parlament über den wirtschaftspolitischen Dialog, bei dem dem zuständigen Ausschuss des Parlaments das Recht eingeräumt wird, die Kommission, den Rat und gegebenenfalls den Präsidenten des Europäischen Rates, den Präsidenten der Euro-Gruppe und einen Mitgliedstaat zu einer Aussprache über ihre Maßnahmen zur Umsetzung des Rahmens einzuladen, eine herausragende Rolle im derzeitigen fiskalpolitischen Rahmen. Gemäß dem reformierten Rahmen kann der zuständige Ausschuss des Parlaments die Kommission zudem auffordern, Änderungen an der Methodik der Schuldentragfähigkeitsanalyse vorzulegen und zu erörtern. Im Rahmen der präventiven Komponente wird ein wirtschaftspolitischer Dialog auf Plenumsebene die Möglichkeit bieten, die Aufsicht über die Präsidenten der EU-Organe (Kommission, Rat und gegebenenfalls Europäischer Rat und Euro-Gruppe) zu verstärken. Was die Entwicklungen im Euro-Währungsgebiet bei der multilateralen Berichterstattung betrifft, so umfasst die präventive Komponente auch die jährliche Berichterstattung an das Parlament.

Das Europäische Parlament wird zudem regelmäßig über die Anwendung der Verordnungen informiert. Im Rahmen der neuen präventiven Komponente ist die Kommission verpflichtet, die dem Rat übermittelten Informationen unverzüglich auch dem Parlament zur Verfügung zu stellen.

Die überarbeitete Regelung ermöglicht es der Kommission ferner, den Vorsitz und die Mitglieder des Europäischen Fiskalausschusses – allerdings erst nach Anhörung des Parlaments – zu ernennen. Darüber hinaus muss der Europäische Fiskalausschuss dem Parlament, der Kommission und dem Rat jährlich über seine Tätigkeiten Bericht erstatten.

Zudem müssen die Befugnisse der Kommission, zusätzliche Berichterstattungspflichten im Rahmen der neuen Verordnung über die Überwachung und Bewertung gesamtstaatlicher Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Eurowährungsgebiet einzuführen, alle drei Jahre erneuert werden und können durch das Parlament oder den Rat widerrufen werden.

 

Giacomo Loi / Samuel De Lemos Peixoto