Europäische territoriale Zusammenarbeit
Die Europäische territoriale Zusammenarbeit (ETZ) ist eines der Ziele der Kohäsionspolitik, mit denen grenzüberschreitend Probleme gelöst werden sollen und gemeinsam das Potenzial unterschiedlicher Regionen erschlossen werden soll. Die Kooperationsmaßnahmen werden vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mittels dreier Schlüsselkomponenten unterstützt: der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, der transnationalen Zusammenarbeit und der intraregionalen Zusammenarbeit.
Rechtsgrundlage
Artikel 178 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Verordnung (EU) Nr. 1299/2013 vom 17. Dezember 2013.
Allgemeine Bestimmungen
Die Europäische territoriale Zusammenarbeit ist seit 1990 Teil der Kohäsionspolitik. Für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 wurde erstmals in der Geschichte der europäischen Kohäsionspolitik eine eigene Verordnung angenommen, die sich auf die durch den EFRE unterstützten ETZ-Maßnahmen erstreckt. Diese Praxis wurde im Zeitraum 2021-2027 fortgesetzt.
Die ETZ ist ein Ziel der Kohäsionspolitik, mit dem Probleme gelöst werden sollen, die über nationale Grenzen hinausgehen und eine gemeinsame Lösung erfordern, und mit dessen Hilfe gemeinsam das Potenzial unterschiedlicher Regionen erschlossen werden soll.
Der Zeitraum 2021-2027 markiert die anhaltende Entwicklung der interregionalen Zusammenarbeit (Interreg). Die Zusammenarbeit mit Partnerländern wird durch das Interreg-Instrument für Heranführungshilfe (IPA), das Interreg-NEXT-Programm und durch die Aufnahme eines eigenen Aktionsbereichs für die Zusammenarbeit zwischen den EU-Gebieten in äußerster Randlage und ihren Nachbarländern verstärkt.
Europäische territoriale Zusammenarbeit im Zeitraum 2021-2027
Im Jahr 2021 begann für die EU ein neuer mehrjähriger Programmplanungszeitraum. Die Regeln für die ETZ im Zeitraum 2021-2027 wurden in einer Verordnung über besondere Bestimmungen für das Ziel der „Europäischen territorialen Zusammenarbeit“ (Interreg-Verordnung) festgelegt. Hauptziele der Förderung der territorialen Zusammenarbeit in diesem Zeitraum sind die Verbesserung der kooperativen Verwaltung und die Gewährleistung der Sicherheit Europas. Im Zeitraum 2021-2027 besteht die ETZ aus vier Komponenten (Aktionsbereichen):
- Bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Interreg-Aktionsbereich A) wird die Zusammenarbeit im Rahmen der Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS 3) unterstützt, die Regionen aus mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten abdeckt, die direkt an den Grenzen liegen oder an diese angrenzen. Sie zielt darauf ab, gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen, die in den Grenzregionen zusammen ermittelt wurden, und das ungenutzte Wachstumspotenzial in den Grenzgebieten auszuschöpfen sowie gleichzeitig den Kooperationsprozess im Hinblick auf eine harmonische Entwicklung der Europäischen Union zu verbessern.
- Die transnationale Zusammenarbeit (Interreg-Aktionsbereich B) ermöglicht die Zusammenarbeit in größeren transnationalen Gebieten oder in der Nähe von Meeresbecken und bezieht nationale, regionale und lokale Programmpartner in den Mitgliedstaaten ein. Allerdings nehmen an einigen Programmen auch Nicht-EU-Länder (wie Island und Liechtenstein), die Partnerländer der Erweiterung und Nachbarschaft sowie überseeische Länder und Gebiete (ÜLG) teil, damit ein höheres Maß an territorialer Integration erreicht wird. Die transnationale Zusammenarbeit der Gebiete in äußerster Randlage fällt in einen eigenen Aktionsbereich. Mit dem Interreg-Aktionsbereich B wird ein breites Spektrum von Projektinvestitionen im Zusammenhang mit Innovationen und dem ökologischen und digitalen Wandel unterstützt.
- Die interregionale Zusammenarbeit (Interreg-Aktionsbereich C) erfolgt auf gesamteuropäischer Ebene und erstreckt sich auf alle EU-Mitgliedstaaten und Partnerstaaten. Dabei werden Netzwerke geknüpft, um bewährte Verfahren zu entwickeln und den Austausch und die Weitergabe von Erfahrungen erfolgreicher Regionen zu ermöglichen. Sie ist ein Instrument zur Stärkung des Zusammenhalts und zur Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen.
- Die Zusammenarbeit in den Gebieten in äußerster Randlage (Interreg-Aktionsbereich D) soll den Gebieten in äußerster Randlage ermöglichen, mit ihren Nachbarländern und -gebieten auf möglichst effiziente und einfache Weise zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck bietet die Interreg-Verordnung die Möglichkeit, sowohl externe Mittel als auch den EFRE nach denselben Regeln zu verwalten. Folglich können im Rahmen des Aktionsbereichs D Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen für eine kombinierte Finanzierung aus dem EFRE und dem Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt veröffentlicht werden, das das wichtigste Instrument der EU für internationale Partnerschaften in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Klimawandel, Demokratie, Staatsführung, Menschenrechte, Frieden und Sicherheit in den Nachbarländern der EU ist.
Mit der Verordnung wird auch eine Zusammenarbeit außerhalb der EU eingeführt, mit der die nachhaltige Entwicklung und gutnachbarliche Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Erweiterungs- und Nachbarschaftsländern sowie zwischen den Gebieten in äußerster Randlage der EU und ihren Nachbarn gefördert werden. Die EU-Programme für die Zusammenarbeit mit Drittländern erstrecken sich auf die EU und ihre Nachbarländer und tragen zu den Zielen von drei EU-Politikbereichen bei: zur Kohäsionspolitik, der Erweiterungspolitik (Erweiterung der EU um neue Mitgliedstaaten) und Nachbarschaftspolitik. Die Verordnung erstreckt sich auch auf die Zusammenarbeit mit den westlichen Balkanstaaten und der Türkei im Rahmen des IPA, und dabei werden die Vorbereitungen für die künftige Mitgliedschaft in der Europäischen Union festgelegt und der Beitrittsprozess unterstützt. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat die Kommission gemäß den restriktiven Maßnahmen der EU die Zusammenarbeit mit Russland und Belarus im Rahmen der Programme für grenzübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Nachbarschaftsinstruments und die Teilnahme der beiden Länder an den Interreg-NEXT-Programmen 2021-2027 ausgesetzt.
Im Programmplanungszeitraum 2021-2027 werden für die ETZ circa 8 Mrd. EUR (zu Preisen von 2018, d. h. nach dem Wert der Währung im Jahr 2018) bereitgestellt. Diese Mittel verteilen sich wie folgt:
- 72,2 % (d. h. insgesamt 5 812 790 000 EUR) für die grenzübergreifende Zusammenarbeit an den Land- und Seegrenzen;
- 18,2 % (d. h. insgesamt 1 466 000 000 EUR) für die transnationale Zusammenarbeit;
- 6,1 % (d. h. insgesamt 490 000 000 EUR) für die interregionale Zusammenarbeit;
- 3,5 % (d. h. insgesamt 281 210 000 EUR) für die Zusammenarbeit der Gebiete in äußerster Randlage.
Rolle des Europäischen Parlaments
Da die Interreg-Verordnung unter das ordentliche Gesetzgebungsverfahren fällt, konnte das Europäische Parlament gleichberechtigt mit dem Rat eine Einigung erzielen. Bei den Verhandlungen über die Kohäsionspolitik für den Zeitraum 2021-2027 sprach sich das Europäische Parlament für mehr Mittel für die ETZ-Programme und für vereinfachte Regeln und Verfahren aus. Das Europäische Parlament hat sich aktiv für eine vermehrte Unterstützung von kleinen Projekten und Projekten für direkte Kontakte zwischen den Bevölkerungen sowie für einen stärkeren Fokus auf Klima- und soziale Fragen eingesetzt. Zudem hat das Europäische Parlament speziell den besonderen Herausforderungen von Regionen in äußerster Randlage Rechnung getragen.
Im Jahr 2018 schlug die Kommission eine Verordnung über einen europäischen grenzübergreifenden Mechanismus zur Beseitigung rechtlicher und administrativer Hindernisse im grenzübergreifenden Kontext vor. Mit dem von ihr vorgeschlagenen freiwilligen Mechanismus für benachbarte EU-Landgrenzen würden gemeinsame Projekte ermöglicht, indem erforderlichenfalls die Anwendung von Rechtsvorschriften benachbarter Mitgliedstaaten zugelassen wird. Während das Parlament den Vorschlag der Kommission angenommen hat, hat der Rat ihn abgelehnt. Aufgrund der von den Mitgliedstaaten geäußerten Bedenken hinsichtlich seines freiwilligen Charakters, des Verwaltungsaufwands, der Anerkennung bestehender Mechanismen und verfassungsrechtlicher Implikationen beschloss der Rat letztlich, seine Arbeit an dem Vorschlag einzustellen.
In den folgenden zwei Jahren bemühte sich der Ausschuss für regionale Entwicklung intensiv darum, den Rat an den Verhandlungstisch zu bringen bzw. die Kommission zu einer Änderung des Vorschlags zu bewegen. Schließlich hat das Parlament im September 2023 eine Entschließung angenommen, in der die Kommission aufgefordert wird, einen geänderten Vorschlag vorzulegen, bei dem ein Ausgleich zwischen den beiden gesetzgebenden Organen geschaffen wird. Angesichts der jüngsten Trends bei der Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU und der demografischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, ist das Parlament der Ansicht, dass sich die EU noch stärker um die Beseitigung grenzübergreifender Hindernisse bemühen sollte. In der Entschließung wird ein gestraffter Koordinierungsrahmen gefordert, damit rechtliche und administrative Hürden, Doppelarbeit und unnötiger Verwaltungsaufwand effizient beseitigt werden.
Im Anschluss an die Entschließung des Parlaments veröffentlichte die Kommission im Dezember 2023 einen geänderten Vorschlag. Dieser trägt den Bedenken und Empfehlungen der beiden gesetzgebenden Organe Rechnung, wobei der Schwerpunkt weiterhin auf der Beseitigung von Hindernissen liegt, die grenzüberschreitende Gemeinschaften betreffen. Der Vorschlag sieht gemäß den Vorschlägen, die das Parlament in seiner Entschließung unterbreitet hat, ein neues und verbessertes, vereinfachtes Verfahren sowie einen reibungslosen Arbeitsablauf vor. Nach dem Vorschlag können die Mitgliedstaaten, wenn Hindernisse auftreten und kein bilaterales oder internationales Kooperationsabkommen besteht, das Instrument zur Erleichterung grenzübergreifender Lösungen nutzen, um administrative und rechtliche Fragen in Grenzregionen anzugehen. Für die Beseitigung von Hindernissen wären jedoch weiterhin die nationalen Behörden zuständig. Außerdem wird die Schaffung eines Netzes grenzübergreifender Koordinierungsstellen für den Austausch über bewährte Verfahren und den Wissensaustausch vorgeschlagen. Nun wird der Standpunkt des Parlaments in zweiter Lesung zu dem Vorschlag der Kommission erwartet.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Website des Ausschusses für regionale Entwicklung.
Kelly Schwarz