Die Abgeordneten plädieren für einen soliden EU-Haushalt 2021-2027, der auf die Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist, reagiert und die Erwartungen der Europäer erfüllen kann.
Zur Bewältigung der beispiellosen Covid-19-Krise hat die Europäische Kommission am 27. Mai 2020 ein Konjunkturprogramm in Höhe von 750 Milliarden Euro zusammen mit einem langfristigen EU-Haushalt (2021-2027) in Höhe von 1,1 Billionen Euro vorgeschlagen.
Das Aufbauprogramm zielt darauf ab, die durch die Pandemie verursachten Schäden zu beheben und in ein grünes, digitales und widerstandsfähiges Europa zu investieren. Die Vorschläge folgten auf den Aufruf des Parlaments zum mutigen und entschlossenen Handeln der EU. Über ihre endgültige Form werden nun das Parlament und die EU-Regierungen im Rat debattieren und in Verhandlungen entscheiden.
Der folgende Artikel gibt den Standpunkt des Parlaments und den Stand der Dinge vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie wieder. Die neuesten Informationen über den langfristigen EU-Haushalt und den Wiederaufbau nach Covid-19 finden Sie hier.
Mit ihrem Haushalt kann die EU sicherstellen, dass sie über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, um Programme und Projekte durchzuführen, von denen die Unionsbürger profitieren. So werden mit EU-Geldern Landwirte, Städte, Regionen, Studierende, Forscher, Unternehmen und NGOs in ganz Europa unterstützt.
Der derzeitige langfristige EU-Haushalt läuft am 31. Dezember 2020 aus. Im Mai 2018 legte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für den nächsten Finanzierungszeitraum von 2021 bis 2027 vor. Das Europäische Parlament einigte sich bereits im November 2018 auf seinen Standpunkt und bestätigte diesen erneut im Oktober 2019. Da sich die Mitgliedstaaten jedoch noch nicht auf ihre Position einigen konnten, wurden die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat bisher nicht aufgenommen.
Auf dem Sondergipfel vom 20. bis 21. Februar, der dem langfristigen EU-Haushalt gewidmet war, konnte der Europäische Rat keine Einigung erzielen. Parlamentspräsident David Sassoli brachte nach dem Gipfel die Enttäuschung des Parlaments zum Ausdruck und äußerte die Hoffnung, dass die künftigen Verhandlungen zeigen würden, dass die EU auch bereit sei, ihren Ambitionen entsprechende Investitionen zu tätigen.
"Europa steht vor beispiellosen Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung und einer neuen geopolitischen Ordnung [...] Wenn wir unsere Ambitionen runterschrauben, wird sich das nur negativ auf jahrelangen Fortschritt und Integration auswirken", erklärte er.
Auch wenn die endgültige Entscheidung über den nächsten langfristigen Haushalt vom Rat auf der Grundlage des Verhandlungsergebnisses getroffen wird, muss das Parlament seine Zustimmung erteilen, damit der Haushalt in Kraft treten kann.
Ein EU-Haushalt für die Zukunft
Das Parlament betonte stets, dass die EU über die notwendigen Mittel verfügen müsse, um in die Zukunft der EU zu investieren und ihren Verpflichtungen und Ambitionen sowie den Erwartungen der Bürger auch gerecht werden zu können.
Eine der wichtigsten Herausforderungen ist, zu entscheiden, in welchen Bereichen die EU-Gelder den Europäern am meisten zugutekommen. Die Abgeordneten wollen die Mittel für Landwirte und ärmere Regionen auf dem derzeitigen Niveau halten. Die gemeinsame Agrarpolitik wird ausschließlich auf EU-Ebene finanziert. Sie soll sichere und hochwertige Lebensmittel garantieren und den Landwirten angemessene Einkommen bieten, während die Unterstützung weniger entwickelter Regionen darauf abzielt, Solidarität zu fördern und sicherzustellen, dass alle vom Binnenmarkt profitieren.
Die EU steht jedoch vor weiteren – zum Teil neuen – Herausforderungen, die angemessener Investitionen bedürfen, wie der Entwicklung digitaler Technologien, Migration und Sicherheit. Das Parlament fordert, die Klimaschutzmaßnahmen im EU-Haushalt stärker und angemessen zu finanzieren, auch um den gerechten Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu erleichtern und sicherzustellen, dass dabei niemand zurückbleibt. Außerdem treten die Abgeordneten für weitere Investitionen in Bereichen wie Jugend, Forschung, Innovation und KMUs ein.
Vorteile der EU überwiegen Beitragszahlungen
Der EU-Haushalt ist ein Investitionsinstrument, das einen Mehrwert schafft. Grenzüberschreitend eröffnet er Möglichkeiten für Menschen und Unternehmen.
Der Binnenmarkt beseitigt Handelshemmnisse und ermöglicht es europäischen Unternehmen, in jedem anderen Mitgliedstaat Handel zu treiben. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission übersteigt sein Nutzen bei Weitem die Höhe der Beitragszahlungen jedes Mitgliedstaats zum EU-Haushalt.
Studien zeigen, dass der Binnenmarkt seit 1990 3,6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen hat. Ohne den Binnenmarkt wäre das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU um 8,7 Prozent geringer. Im Durchschnitt steigert er auch die Einkommen der EU-Bürger jährlich um 840 Euro pro Person.
Die Erwartungen der Europäer erfüllen
Die Bürger erwarten von der EU, dass sie sich auf die Bereiche konzentriert, die ihnen wichtig sind. Allerdings zeigt die Datenauswertung einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2019 eine Diskrepanz zwischen den von den Unionsbürgern als notwendig erachteten und in ihrer Wahrnehmung von der EU tatsächlich erbrachten Hauptausgaben.
So gaben 48 Prozent der Befragten an, dass der Großteil des EU-Haushalts für Beschäftigung und Soziales ausgegeben werden, und 41 Prozent der Umfrageteilnehmer sagten, dass er in die Klima- und Umweltpolitik investiert werden sollte. (Die Befragten wurden gebeten, bis zu vier Schlüsselbereiche zu nennen.) Nur 16 Prozent gaben jedoch an, dass der größte Teil ihrer Ansicht nach gegenwärtig auch für Beschäftigung und Sozialpolitik ausgegeben werde, und nur 17 Prozent waren überzeugt, dass die Klima- und Umweltpolitik derzeit prioritär behandelt werde.
Wie groß sollte ein solider EU-Haushalt sein?
Das Volumen des EU-Haushalts macht nur einen kleinen Bruchteil der nationalen Ausgaben der Mitgliedstaaten aus. Nach einer Bewertung der zur Erreichung der Ziele in den einzelnen Politikbereichen erforderlichen Mittel schlägt das Parlament einen Haushalt in Höhe von 1,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) der EU vor. Die durchschnittlichen nationalen Staatsausgaben belaufen sich auf über 47 Prozent des Bruttonationaleinkommens.
Die Abgeordneten haben in der Vergangenheit bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass der Haushalt nicht in erster Linie von den Direktbeiträgen der Mitgliedstaaten abhängen sollte, und neue Eigenmittel für den EU-Haushalt gefordert. Solche Einnahmequellen könnten beispielsweise eine Plastiksteuer, Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem oder die Besteuerung großer Digitalkonzerne bilden. In einer Entschließung vom Oktober 2019 erklärten die Abgeordneten, dass das Parlament ohne eine Einigung über die Reform des EU-Eigenmittelsystems dem nächsten langfristigen Haushalt nicht zustimmen werde.