Verstöße gegen EU-Werte: Was die EU unternehmen kann (Infografik)

Die EU verfügt über Instrumente zum Schutz ihrer Werte und ihres Haushalts, wenn die Gefahr eines Verstoßes durch einen Mitgliedstaat besteht. Erfahren Sie mehr über diese Mechanismen.

Schematische Darstellung des Verfahrens nach Artikel 7
Infografik zum Verfahren nach Artikel 7

Die Europäische Union basiert auf gemeinsamen Werten, die Länder und Menschen verbinden. Diese Werte sind in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union festgeschrieben. Sie umfassen die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte.

Eine Verletzung der EU-Werte durch einen Mitgliedstaat rechtfertigt eine Reaktion auf EU-Ebene.

Was ist Rechtsstaatlichkeit

Rechtsstaatlichkeit ist einer der Werte der EU und ein Schlüsselprinzip in demokratischen Staaten, da durch sie unter anderem Fairness und Transparenz sichergestellt werden.

Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass Regierungen an Gesetze gebunden sind, dass sie keine willkürlichen Entscheidungen treffen können und dass die Bürger Handlungen der Regierung vor unabhängigen Gerichten anfechten können.

Teil der Rechtsstaatlichkeit ist auch die Korruptionsbekämpfung, da durch Korruption einige auf unfaire Weise zum Nachteil anderer begünstigt werden. Zudem umfasst sie die Wahrung der Medienfreiheit, wodurch sichergestellt wird, dass die Öffentlichkeit ordnungsgemäß über die Arbeit der Regierung informiert wird.

In den vergangenen Jahren hat das Europäische Parlament wegen der sich verschlechternden Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedstaaten Alarm geschlagen. Die Europaabgeordneten haben Maßnahmen ergriffen und die Kommission und die Mitgliedstaaten wiederholt aufgefordert, die Werte und den Haushalt der EU zu schützen.

Das Verfahren nach Artikel 7

Das Verfahren nach Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union wurde 1997 durch den Vertrag von Amsterdam eingeführt. Es umfasst zwei Mechanismen zum Schutz der EU-Werte: Präventivverfahren, wenn die eindeutige Gefahr einer Verletzung der EU-Werte besteht, und Sanktionsverfahren, wenn ein solcher Verstoß bereits stattgefunden hat. Mögliche Sanktionen gegen den betroffenen EU-Mitgliedstaat sind in den EU-Verträgen nicht klar definiert, könnten aber die Aussetzung der Stimmrechte im Rat und im Europäischen Rat umfassen.

Für beide Mechanismen muss die endgültige Entscheidung von den Vertretern der Mitgliedstaaten im Rat getroffen werden. Die Schwellen zur Entscheidungsfindung sind unterschiedlich:

  • Um ein Präventivverfahren einzuleiten, muss im Rat ein Beschluss mit einer Mehrheit von vier Fünfteln der Mitgliedstaaten gefasst werden.
  • Um festzustellen, ob ein Verstoß vorliegt, ist Einstimmigkeit unter den EU-Staats- und Regierungschefs erforderlich.


An beiden Abstimmungen nimmt der betreffende EU-Mitgliedstaat nicht teil.

Mehr dazu in unserer Infografik.

Verfahren zum Schutz des EU-Haushalts

Im Jahr 2020 billigten die Abgeordneten eine Verordnung, mit der EU-Gelder vor Missbrauch durch die Mitgliedstaaten geschützt werden sollen. Dieses Verfahren wird als „Mechanismus der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität“ bezeichnet. Das Parlament drängte darauf, dass der Mechanismus nicht nur dann gilt, wenn EU-Gelder direkt missbräuchlich verwendet werden, wie etwa in Fällen von Korruption oder Betrug, sondern auch, wenn die Gefahr besteht, dass systembedingte Verstöße gegen Grundwerte die Verwaltung von EU-Geldern beeinträchtigen.

Dies bedeutet, dass die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und anderer Werte eine Bedingung für die Zahlung von EU-Geldern ist. Sollte festgestellt werden, dass die Verwaltung von EU-Geldern in einem Mitgliedstaat durch Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit beeinträchtigt wird, können Zahlungen an diesen Mitgliedstaat zurückgehalten werden.

Weitere Maßnahmen

Wenn die Kommission der Ansicht ist, dass ein Mitgliedstaat gegen EU-Recht verstößt, also die auf EU-Ebene vereinbarten Regeln nicht anwendet, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten, das zu finanziellen Sanktionen gegen das Land führen kann.

Das Parlament verfolgt die Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten genau und bereitet Berichte vor, die die Probleme hervorheben und zum Handeln auffordern, einschließlich des Berichts über die Grundrechte in den Jahren 2020 und 2021.

Seit 2020 veröffentlicht die Europäische Kommission einen jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit, der sowohl positive als auch negative Entwicklungen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten überwacht.

Eine ungarische Flagge und eine EU-Flagge wehen über einem ungarischen Wappen.
Eine ungarische Flagge und eine EU-Flagge wehen über einem ungarischen Wappen.

Die Maßnahmen des Parlaments zur Rechtsstaatlichkeit in Ungarn

Das Europäische Parlament ist besorgt darüber, dass die ungarische Regierung wiederholt und systematisch versucht, die Grundwerte der EU zu untergraben.

In einer im Januar 2024 angenommenen Entschließung äußerten die Abgeordneten ihre Besorgnis über die Aushöhlung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten in Ungarn. Die Abstimmung erfolgte als unmittelbare Reaktion auf das „Gesetz zum Schutz der nationalen Souveränität“, das vom ungarischen Parlament verabschiedet wurde, und auf die jüngste Aktion des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zur Blockierung der Schlüsselentscheidung zur Revision des langfristigen EU-Haushalts, einschließlich der EU-Hilfe für die Ukraine.

Das Parlament bedauert, dass der Rat es versäumt hat, das Verfahren nach Artikel 7 anzuwenden, und dass die Kommission beschlossen hat, bis zu 10,2 Milliarden Euro an zuvor eingefrorenen Mitteln freizugeben, obwohl Ungarn die geforderten Reformen zur Unabhängigkeit der Justiz nicht durchgeführt hat.

Die Europaabgeordneten leiteten 2018 zum ersten Mal das Verfahren nach Artikel 7 ein. Sie forderten den Rat auf, festzustellen, ob Ungarn Gefahr läuft, gegen die Grundwerte der EU zu verstoßen. Sie äußerten eine Reihe von Bedenken hinsichtlich der Funktionsweise der Institutionen des Landes, darunter Probleme mit dem Wahlsystem, der Unabhängigkeit der Justiz und der Achtung der Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger.

Im September 2022 schlug die Kommission vor, die Zahlung von EU-Mitteln in Höhe von 7,5 Milliarden Euro an Ungarn aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit auszusetzen, um den Schutz des EU-Haushalts und der finanziellen Interessen der EU sicherzustellen. Die Abgeordneten, die die Regeln zum Schutz des EU-Haushalts durch das Parlament leiteten, begrüßten den Vorschlag und forderten die EU-Mitgliedstaaten im Rat auf, die nächsten Schritte zu unternehmen.

Am 1. Juni 2023 kritisierte das Parlament im Hinblick auf die bevorstehende ungarische EU-Ratspräsidentschaft ab Juli 2024 erneut die Entwicklungen in Ungarn. Die Abgeordneten betonten, dass die Regierung per Dekret regiert, die Rechte von LGBTIQ+-Personen und Lehrern angreift und systemische Korruption betreibt. Sie verurteilten die Anti-EU-Kampagnen der ungarischen Regierung und stellten die Eignung Ungarns für die Übernahme der Ratspräsidentschaft in Frage. Sie wiederholten auch ihre Besorgnis über die missbräuchliche Verwendung von EU-Geldern.

Besorgnis über Polen

Im Juli 2023 verabschiedeten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments eine Entschließung zu Fragen der Rechtsstaatlichkeit in Polen. Die Entschließung konzentrierte sich auf die jüngste Überarbeitung des polnischen Wahlrechts im Vorfeld der Wahl im Oktober 2023, auf die neue Verwaltungsbehörde, die befugt ist, Personen von öffentlichen Ämtern auszuschließen, und die nach Ansicht von Kritikern Oppositionelle ins Visier nimmt, sowie auf weitere Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz.

Dieser Artikel wurde erstmals 2018 veröffentlicht und mehrmals aktualisiert. Die letzte Aktualisierung erfolgte im Januar 2024.