Covid-19-Aufbaufonds soll langfristigen EU-Haushalt ergänzen

Das Parlament forderte am 15. Mai ein 2-Billionen-Euro-Rettungspaket, das in den langfristigen EU-Haushalt integriert werden soll und die Bedürfnisse der Bürger in den Mittelpunkt rückt.

Der Ausbruch des Coronavirus testet die EU auf eine Weise, wie es vor nur wenigen Monaten noch unvorstellbar gewesen wäre. Neben dem Verlust von Menschenleben bringt die Covid-19-Pandemie auch schwerwiegende Folgen für die europäische Wirtschaft mit sich. Im Vorfeld einer Abstimmung über Pläne zur Überarbeitung des langfristigen EU-Haushalts für die Zeit nach 2020 warnte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Parlaments, Johan Van Overtveldt, davor, dass die wirtschaftliche Erholung nur "langsam und schrittweise" verlaufen werde. Die Prognose, die Wirtschaftstätigkeit werde in diesem Jahr um 7,5 Prozent zurückgehen, sei zudem noch optimistisch, so der Ausschussvorsitzende.

Reaktion der EU auf das Coronavirus


Die Lage sei nach wie vor sehr ungewiss, betonte der belgische Abgeordnete der EKR-Fraktion in einem Interview auf der Facebook-Seite des Parlaments: "Nicht einmal in Kriegszeiten ist das Wirtschaftsleben so plötzlich zum Stillstand gekommen. Es herrscht große Unsicherheit: Wird es eine zweite Welle geben? Kommt es zu einem neuen Lockdown? Wie wird die Stimmung von Investoren und Verbrauchern aussehen?"


Von Anfang an hat die EU alle verfügbaren Mittel mobilisiert, um die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten zu unterstützen und die sozioökonomischen Auswirkungen der Covid-19-Krise abzufedern. Das Parlament forderte auf seiner Plenartagung im April auch ein umfangreiches Konjunkturpaket für die europäische Wirtschaft nach der Krise. Van Overtveldt sagte, dass das Aufbaupaket in den nächsten langfristigen EU-Haushalt eingebettet werden müsse: "Der Aufbaufonds sollte umfangreich sein, aber er sollte auch Teil des nächsten MFR [mehrjähriger Finanzrahmen] für den Zeitraum 2021-2027 sein, und nicht ein separates Programm."

 Johan Van Overtveldt hinter dem Rednerpult in einem Sitzungssaal
Interview mit dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Johan Van Overtveldt (EKR, Belgien)

Bedarf an Notfallplänen


Der derzeitige langfristige EU-Haushalt läuft im Dezember aus. Für den Fall, dass eine Einigung über den neuen Haushalt für die Zeit nach 2020 nicht rechtzeitig erzielt werden könne, müsse ein Notfallplan erstellt werden, so Van Overtveldt: "Im Juni wird die Zeit bereits knapp, um den MFR rechtzeitig zu billigen und in Gang zu setzen. Eine Diskontinuität der laufenden EU-Programme wäre für die Bürger sowie für den Ruf und die politische Kohärenz der EU sehr schlecht."


Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses forderte die anderen EU-Organe nachdrücklich auf, den Standpunkt des Parlaments anzuerkennen: "Die Zustimmung des Parlaments muss eingeholt werden, und ob dies gelingt, ist viel unsicherer, als es beim scheidenden MFR der Fall war, weshalb Kommission und Rat die Ziele des Parlaments zur Kenntnis nehmen sollten. Das Parlament wird im Interesse der Bürger dafür sorgen, dass der MFR und der Aufbaufonds die bestmöglichen Antworten auf die schwere Krise sind, die wir jetzt erleben und die sich viele Jahre lang auf uns auswirken wird."

2 Billionen Euro für den Wiederaufbau der Wirtschaft nach Covid-19

Solidarität und Verantwortung


Zu Vergleichen zwischen dem Wiederaufbau nach der Covid-19-Pandemie und dem Marshallplan nach dem Krieg sagte Van Overtveldt: "Zum jetzigen Zeitpunkt werden wir mit dem, was Europa bisher getan hat, und mit Sicherheit, wenn der Aufbaufonds in Höhe von, sagen wir, einer Billion Euro hinzukommt, mehr tun, als es mit dem Marshallplan der Fall war."


Es wird erwartet, dass die Kommission in Kürze ihren Vorschlag für den Fonds vorlegen wird, doch gibt es bereits Meinungsverschiedenheiten; beispielsweise darüber, ob den Ländern Darlehen oder Zuschüsse gewährt werden sollten. Um eine Lösung zu finden, die von allen Seiten vereinbart werden könne, müsse ein Kompromiss eingegangen werden, so Van Overtveldt: "Wir müssen sicherlich mit den Ländern solidarisch sein, die am stärksten von Covid-19 betroffen sind. Aber wir tragen auch Verantwortung. Es ist niemals eine Lösung, einfach mit Geld um sich zu werfen. Die große Herausforderung wird darin bestehen, die richtige Balance zu finden."

Ökologisierung der Wirtschaft


Der Bedarf an starken Anreizen zur Wiederankurbelung der EU-Wirtschaft entsteht in einer Zeit, in der auch Stimmen, die mehr grüne Investitionen fordern, zunehmen. Das Parlament besteht darauf‚ Klimaschutzmaßnahmen in den Mittelpunkt des Wiederaufbaus nach der Pandemie zu stellen. Für Van Overtveldt ist der Grüne Deal der Kommission "ein Anfang". Er warnte jedoch davor, dass die Vorschläge "unvollständig und in höchstem Maße unterfinanziert" seien.


In unserem Interview verwies er auch auf das Potenzial einer "Ökologisierung" der EU-Wirtschaft durch die Finanzierung von Landwirtschaft und Kohäsion, auf die etwa zwei Drittel des EU-Haushalts entfallen. Er betonte, wie wichtig es sei, die Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu verbessern und sie besser für Notfälle wie Covid-19 zu rüsten: "Letztlich geht es darum, was wir erreichen können, um das Wohlergehen und den Wohlstand der EU-Bürger zu verbessern. Dies ist die einzige entscheidende Frage."

Sehen Sie hier das vollständige Interview mit dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Johan Van Overtveldt.


In einer Abstimmung am 15. Mai forderte das Europäische Parlament ein Rettungspaket in Höhe von zwei Billionen Euro, um die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Die Abgeordneten wiesen erneut darauf hin, dass das Aufbaupaket den langfristigen EU-Haushalt ergänzen solle und nicht zu Kürzungen bestehender oder künftiger EU-Programme führen dürfe. Um demokratische Kontrolle und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, bestehen die Mitglieder auf der Wahrung der Rolle des Parlaments. Sie betonten auch, dass das Paket die Bedürfnisse der Bürger in den Mittelpunkt stellen müsse.


Am 13. Mai riefen die Abgeordneten die Kommission auch dazu auf, einen Notfallplan auszuarbeiten, um Beeinträchtigungen für Landwirte, Unternehmen und Organisationen zu vermeiden, falls sich die Genehmigung des langfristigen Haushalts verzögert.


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