Paradise Papers: Debatte im EU-Parlament

Die EU-Abgeordneten debattierten am Dienstag (14.11.) über die neuesten Steuer-Enthüllungen durch die "Paradise Papers".

Matti Maasikas, Pierre Moscovici, Luděk Niedermayer, 
Gianni Pittella, Bernd Lucke, Petr Ježek, 
Miguel Urbán Crespo, Philippe Lamberts, Nigel Farage, 
Barbara Kappel
Plenardebatte zu den "Paradise Papers"

Das neueste Daten-Leak, die sogenannten "Paradise Papers", enthüllen, wie Einzelpersonen und internationale Unternehmen ihren Reichtum verbergen und ihre Steuerlast minimieren.

Das Internationale Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) wertete insgesamt 13,4 Millionen Dokumente aus einem Datenleck der Anwaltskanzlei Appleby aus. Medien aus aller Welt haben Anfang November damit begonnen, die Enthüllungen rund um die Offshore-Geschäfte zu veröffentlichen.

Nicht zum ersten Mal...

Im April 2016 kamen die "Panama Papers" ans Licht. Die geleakten Dokumente aus der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca lieferten einen detaillierten Einblick, wie Politiker, Geschäftsleute, Kriminelle und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Offshore-Konstrukte nutzen, um ihr Vermögen vor öffentlicher Kontrolle zu verstecken.

Luxemburgs steuerliche Vorzugsbehandlungen für Großunternehmen zeigte der "LuxLeaks"-Skandal im Jahr 2014 auf.

Stimmen aus dem Plenum

Während der Plenardebatte am 14. November in Straßburg gingen viele Abgeordnete in ihren Wortmeldungen auf die Rolle des Staates ein. "Ich hoffe, dieses neue Leak öffnet denjenigen Mitgliedstaaten die Augen, die bisher das Ausmaß des Problems nicht verstanden haben", sagte der tschechische Ko-Berichterstatter des Panama Papers-Untersuchungsausschusses Petr Jezek (ALDE).

"Warum wird so etwas ständig von Journalisten aufgedeckt? Was macht eigentlich die Steuerfahndung unserer Länder?", fragte der deutsche Abgeordnete Bernd Lucke (EKR).

"Die Leaks sind für eine informierte Politikgestaltung und politische Entscheidungsfindung von Bedeutung", sagte Matti Maasikas im Namen des Ministerrates. "Ein gerechteres Steuersystem ist das, was die Bürger von uns erwarten."

EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici sagte, er sei schockiert, jedoch nicht überrascht über die Enthüllungen: "Seit geraumer Zeit wissen wir nun, dass multinationale Unternehmen und wohlhabendere Steuerzahler und Banken Hand in Hand arbeiten, um verschiedenste Einnahmen aus dem öffentlichen Licht zu entfernen." "Wenn dies legal ist - so wie einige behaupten - dann müssen wir die Gesetze mithilfe dieses Parlaments ändern", fügte Moscovici hinzu.

Die EU habe in den vergangenen Jahren entscheidende Fortschritte erzielt, betonte die österreichische EU-Abgeordnete Barbara Kappel (ENF). "[...] Es sind viele Maßnahmen gesetzt worden, um Steuervermeidung zu bekämpfen [...] In der EU wirken diese Maßnahmen bereits schon, denn mit Ausnahme von Briten fanden sich keine Europäer in den Paradise Papers."

 

Eine Reihe von Abgeordneten hob hervor, dass unfaire Steuerpraktiken auch eine Gefahr für unsere Gesellschaft darstellten. "Die extensive Nutzung von Schlupflöchern in den Steuersystemen und die vorsätzliche oder unbeabsichtigte Schaffung spezieller Steuerregelungen schaden unserer Wirtschaft, schädigen den Wettbewerb, verschärfen Ungleichheiten und führen dazu, dass Menschen ihr Vertrauen verlieren", erklärte Luděk Niedermayer (EVP) aus Tschechien.

"Steuervermeidung untergräbt nicht nur das öffentliche System, sondern auch die Demokratie", führte Philippe Lamberts (Grüne/EFA) aus Belgien an.

Eine Sache, die getan werden muss, ist die Bestrafung der Vermittler von Steuerhinterziehung. "Die zuständigen Behörden sollten Banklizenzen von Finanzinstitutionen und Beratern, die sich an der Organisation von Steuerhinterziehung mitschuldig machen, aussetzen oder widerrufen", argumentierte der italienische EU-Abgeordnete Gianni Pittella (S&D).

"Wie lange noch werden wir dieses Verhalten tolerieren und weder Abschreckungsmaßnahmen noch Sanktionen wie zum Beispiel die Entziehung der Berufserlaubnis oder der Banklizenz, haben? Solange wir das nicht tun, bekämpfen wir Steuervermeidung und -hinterziehung nicht", sagte Miguel Urbán Crespo (GUE/NGL) aus Spanien. 

Der britische Abgeordnete Nigel Farage (EFDD) sprach von legitimen Geldanlagen. "Wenn den Leuten gänzlich verboten werden soll, ihr Geld - in vielen Fällen legitime Investitionen - auf den Britischen Jungferninseln, den Bahamas oder anderswo anzulegen, dann muss auch der Verkauf von Duty-Free-Zigaretten verboten werden."

Engagement des EU-Parlaments

Bereits seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise engagieren sich die EU-Abgeordneten gegen unfaire Steuerpraktiken, die den Staaten dringend benötigte Mittel entziehen.

Im EU-Parlament befassen sich die Ausschüsse für Wirtschaft und Währung, Recht und Inneres mit den Gesetzesinitiativen der EU-Kommission im Bereich Steuern. Die Abgeordneten arbeiten zum Beispiel an einer neuen Antigeldwäscherichtlinie und an Regeln, die multinationale Unternehmen dazu verpflichten sollen, ihre Steuerinformationen offenzulegen.

Das Parlament hat seine Hauptempfehlungen, wie gegen die aggressive Steuerplanung durch internationale Unternehmen vorgegangen werden solle, Ende 2015 verabschiedet.

Zwei aufeinanderfolgende Sonderausschüsse zu Steuervorbescheiden (TAXE und TAX2) wurden eingerichtet. Unternehmen wie Google, Apple, IKEA und McDonald’s nahmen an von den Sonderausschüssen veranstalteten Anhörungen teil, um ihre Steuerpraktiken darzulegen.

Im Abschlussbericht des TAX2-Sonderausschusses forderten die EU-Abgeordneten unter anderem eine schwarze Liste der Steueroasen, Sanktionen gegen unkooperative Steuerjurisdiktionen sowie Maßnahmen gegen den Missbrauch von Patentbox-Systemen.

Im Zuge der "Panama Papers"-Enthüllungen wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, dessen Abschlussbericht während der kommenden Plenartagung im Dezember zur Abstimmung steht. Der Bericht betont, dass einige Mitgliedstaaten es verabsäumt hätten, Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

 

Die Schaffung gleicher Bedingungen zwischen den Mitgliedstaaten und die Beendigung dubioser Steuerregelungen sind eine wichtige Priorität des Parlaments. Lesen Sie mehr dazu in unserem Dossier.

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