"Es kann keine Entschuldigung geben": EU-Abgeordnete fordern nach der Militäroffensive in Syrien Maßnahmen gegen die Türkei

In einer Plenardebatte am 23. Oktober kritisierten die EU-Abgeordneten die türkische Militäroperation in Syrien und forderten Maßnahmen gegen das Land.

Portraitaufnahmen von Tytti TUPPURAINEN, Christos STYLIANIDES, Michael GAHLER, Kati  PIRI, Malik AZMANI, Tineke STRIK, Lars Patrick BERG, Anna FOTYGA, Özlem DEMIREL.
Debatte im Europäischen Parlament zum türkischen Militäreinsatz im Nordosten Syriens

Am 9. Oktober begann die Türkei eine Militäroffensive im Nordosten Syriens, um eine Pufferzone zwischen den beiden Ländern zu schaffen, in die syrische Flüchtlinge, die in der Türkei leben, angesiedelt werden sollen.

Andere Länder verurteilten die Operation in der überwiegend kurdischen Region rasch. Sie verursache zahlreiche Todesopfer und die Vertreibung tausender Bürger destabilisiere die Region weiter.

In einer Plenardebatte am Mittwoch, den 23. Oktober in Straßburg kritisierten die EU-Abgeordneten die Türkei für den Start des Militäreinsatzes, da er noch weitwiegende Konsequenzen nach sich ziehen könne.

Die polnische Abgeordnete Anna Fotyga (EKR) sagte: "Obwohl die Türkei berechtigte Sicherheitsanliegen hat, erwarte ich, dass das Land mit Zurückhaltung agiert." "Wir müssen geeignete Instrumente finden, um die Region zu stabilisieren und Aktivitäten beeinflussen, um die Spannungen zu verringern", fügte sie hinzu.

Özlem Demirel (GUE/NGL) aus Deutschland betonte: "Der Einmarsch der türkischen Armee ist ohne Wenn und Aber zu verurteilen. Kein Land darf in ein anderes Land einmarschieren." Sie merkte aber auch an: "Alle Weltmächte, auch die EU, haben für ihre eigenen ökonomischen und geostrategischen Interessen zugeschaut, wie das Völkerrecht gebrochen wird und Kriegsverbrechen begangen wurden."

Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement Christos Stylianides sagte in der Debatte: "Es gibt keine Entschuldigung für die zivilen Todesopfer, die Schäden an der zivilen Infrastruktur sowie den fehlenden Schutz der Menschen und derjenigen, die dort sind, um zu helfen. Besonders besorgt bin ich über die schreckliche Lage der Gesundheitsdienstleister."

Die finnische Ministerin Tytti Tuppurainen sprach für die Ratspräsidentschaft. Sie argumentierte: "Die Türkei hat über Jahre hinweg enorme Anstrengungen unternommen, um mehrere Millionen Flüchtlinge zu beherbergen. Daran besteht kein Zweifel. Durch die militärische Operation der Türkei wird es jedoch nur noch schwieriger, die ohnehin schon sehr komplexe Lage in der Region anzugehen." Sie fügte hinzu, dass die EU-Staats- und Regierungschefs deshalb die türkische Offensive verurteilt und entschieden hätten, die Ausfuhrgenehmigungen von Waffen in die Türkei auszusetzen.

Der niederländische Abgeordnete Malik Azmani (Renew Europe) sagte, dass die Antwort der EU nicht entschlossen genug gewesen sei, trotz früherer Bemühungen zur Beendigung der Gewalt. "Lasst uns unsere Kräfte bündeln, Einheit zeigen und der Gewalt jetzt ein Ende setzen. Wir sind es den Menschen in der Region und den europäischen Bürgern schuldig. Ich bitte die Europäische Kommission, aus dem Hintergrund zu treten und zu handeln."


Maßnahmen


Auch andere Abgeordnete forderten Maßnahmen gegen die Türkei. Der deutsche EU-Abgeordnete Michael Gahler (EVP) erinnerte daran, dass das Parlament bereits im März eine formelle Suspendierung der Beitrittsverhandlungen gefordert habe. Weitere Schritte seien jedoch nötig. "Wir fordern vom Rat, über angemessene, gezielte wirtschaftliche Maßnahmen nachzudenken, die nicht die Zivilgesellschaft treffen", hob er hervor. Als letzten Schritt könnte man erwägen, die Zollunion zu suspendieren, so Gahler.

Tineke Strik (Grüne/EFA) sagte: "Die Grünen fordern die EU auf, die Rolle eines proaktiven Akteurs zu übernehmen und Erdogan zu zwingen, seine Truppen zurückzuziehen und keine syrischen Flüchtlinge nach Syrien abzuschieben, indem gezielte Sanktionen gegen türkische Regierungsbeamte und ein vollständiges Waffenembargo verhängt werden sowie an der Aussetzung des Handelsabkommens gearbeitet wird."


Kurden


Die Abgeordneten wiesen auch auf die Situation der Kurden hin, die bei der Niederlage der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) eine entscheidende Rolle gespielt haben. Kati Piri (S&D) aus den Niederlanden sagte: "Über jede rechtliche und politische Überlegung hinaus möchte ich betonen, dass es nie eine Option ist und nie sein sollte, all diejenigen, die unter dem IS gelitten und ihn bekämpft haben, und die das höchste Opfer für unsere eigene Sicherheit bringen, im Stich zu lassen."

Der deutsche Abgeordnete Lars Patrick Berg (ID) betonte: "Hunderte von Menschen sind [...] gestorben. Das kurdische Volk wurde verraten. Nachdem Kurden auch für uns den IS bekämpft haben, hat auch die EU diese Kurden in der Stunde der Not bitter im Stich gelassen." "Es ist offensichtlich, dass das türkische Verhalten im Widerspruch zu Frieden und Rechtsstaatlichkeit steht. Die Türkei hat die NATO und damit uns alle geschwächt", fügte er hinzu.


Verwandte Artikel