Geschlechtsspezifisches Lohngefälle: Definition und Ursachen 

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Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist Thema im EU-Parlament – © Shutterstock.com/Delpixel  

Erwerbstätige Frauen in der EU verdienen im Durchschnitt 13 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Erfahren Sie, wie dieses Lohngefälle berechnet wird und welche Ursachen es hat.

Obwohl der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit bereits 1957 in den Römischen Verträgen verankert wurde, hält sich das so genannte geschlechtsspezifische Lohngefälle hartnäckig, und in den letzten Jahren wurden nur geringfügige Verbesserungen erzielt.

Was versteht man unter dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle und wie wird es berechnet?

Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern. Es basiert auf den direkt an die Beschäftigten gezahlten Gehältern vor Abzug von Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen. Für die Berechnungen werden nur Unternehmen mit zehn oder mehr Beschäftigten berücksichtigt. Der EU-Durchschnitt des geschlechtsspezifischen Lohngefälles lag im Jahr 2020 bei 13 Prozent.

Einige der Gründe für das geschlechtsspezifische Lohngefälle sind strukturell und hängen mit Unterschieden in der Beschäftigung, dem Bildungsniveau und der Berufserfahrung zusammen. Wenn man diesen Teil herausrechnet, bleibt das sogenannte bereinigte geschlechtsspezifische Lohngefälle übrig.

Das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU

In der EU ist das Lohngefälle sehr unterschiedlich und in den folgenden Ländern im Jahr 2020 am größten: Lettland (22,3 Prozent), Estland (21,1 Prozent), Österreich (18,9 Prozent), Deutschland (18,3 Prozent) und Ungarn (17,2 Prozent). Die niedrigsten Zahlen im Jahr 2020 finden sich in Luxemburg (0,7 Prozent), Rumänien (2,4 Prozent), Slowenien (3,1 Prozent), Italien (4,2 Prozent) und Polen (4,5 Prozent).

Erfahren Sie, wie sich das EU-Parlament für Geschlechtergleichstellung engagiert.

Die Interpretation der Zahlen ist nicht so einfach, wie es scheint, denn ein geringeres geschlechtsspezifisches Lohngefälle in einem bestimmten Land bedeutet nicht unbedingt mehr Gleichstellung. In einigen EU-Ländern ist ein geringeres Lohngefälle eher darauf zurückzuführen, dass Frauen weniger gut bezahlte Arbeitsplätze haben. Ein hohes Lohngefälle hängt in der Regel damit zusammen, dass ein hoher Anteil von Frauen in Teilzeit arbeitet oder sich auf eine begrenzte Anzahl von Berufen konzentriert. Dennoch lassen sich einige strukturelle Ursachen für das geschlechtsspezifische Lohngefälle ausmachen.

Hier finden Sie weitere Zahlen und Fakten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle (Infografik).


Ursachen des geschlechtsspezifischen Lohngefälles


Teilzeitarbeit

Frauen leisten im Durchschnitt mehr Stunden unbezahlter Arbeit, wie Kinderbetreuung oder Hausarbeit.

Dadurch bleibt weniger Zeit für bezahlte Arbeit. Gemäß Zahlen für 2020 arbeitet fast ein Drittel der Frauen (30 Prozent) Teilzeit, während nur 8 Prozent der Männer Teilzeit arbeiten. Berücksichtigt man sowohl die unbezahlte als auch die bezahlte Arbeit, so arbeiten Frauen mehr Stunden pro Woche als Männer.

Berufswahl durch familiäre Verpflichtungen beeinflusst

Frauen sind auch viel häufiger diejenigen, die ihre berufliche Laufbahn unterbrechen: Im Jahr 2018 musste ein Drittel der erwerbstätigen Frauen in der EU ihre Arbeit aus Gründen der Kinderbetreuung unterbrechen, verglichen mit 1,3 Prozent der Männer. Einige Berufswahlentscheidungen von Arbeitnehmerinnen werden durch Betreuungs- und Familienpflichten beeinflusst.

Mehr Frauen in schlecht bezahlten Sektoren

Etwa 30 Prozent des gesamten geschlechtsspezifischen Lohngefälles lassen sich durch eine Überrepräsentation von Frauen in relativ schlecht bezahlten Bereichen wie Pflege, Verkauf oder Bildung erklären. Die Zahl der Frauen in Wissenschaft, Technik und Ingenieurwesen hat zugenommen. Im Jahr 2020 betrug der Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft 41 Prozent.

Weniger und schlechter bezahlte weibliche Führungskräfte

Frauen haben auch weniger Führungspositionen inne: 2020 werden sie ein Drittel (34 Prozent) der Führungskräfte in der EU ausmachen und in allen EU-Mitgliedstaaten weniger als 50 Prozent. Betrachtet man die Kluft in verschiedenen Berufen, so sind weibliche Führungskräfte am stärksten benachteiligt: Sie verdienen 31 Prozent weniger pro Stunde als männliche Führungskräfte, gemäß Daten aus 2018.

Eine Kombination verschiedener Faktoren

Frauen verdienen nicht nur weniger pro Stunde, sie leisten auch mehr unbezahlte Arbeit und weniger bezahlte Arbeitsstunden und sind häufiger arbeitslos als Männer. All diese Faktoren zusammengenommen führen dazu, dass der Unterschied im Gesamteinkommen zwischen Männern und Frauen in der EU fast 37 Prozent beträgt (im Jahr 2018).

Die Lücke schließen: Armut bekämpfen und Wirtschaft stärken

Das geschlechtsspezifische Lohngefälle vergrößert sich mit dem Alter – im Laufe der Karriere und mit zunehmenden familiären Anforderungen –, während es beim Eintritt von Frauen in den Arbeitsmarkt eher gering ist. Da Frauen weniger Geld zum Sparen und Investieren zur Verfügung haben, kumulieren sich diese Unterschiede, sodass sie im Alter einem höheren Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind. Das geschlechtsspezifische Rentengefälle lag in der EU im Jahr 2020 bei über 28 Prozent.

Die Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles schafft mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern, verringert die Armut und kurbelt die Wirtschaft an, da Frauen mehr Geld zur Verfügung haben und mehr ausgeben können. Dadurch würde sich die Steuerbasis erhöhen und die Sozialsysteme würden entlastet werden. Schätzungen zeigen, dass eine Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles um einen Prozentpunkt zu einem Anstieg des BIP um 0,1 Prozent führen würde.

Maßnahmen des Parlaments zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles

Es wird erwartet, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments in der nächsten Woche Verhandlungen über neue Rechtsvorschriften zur Förderung der Transparenz bei den Gehältern aufnehmen werden. Sie glauben, dass dies dazu beitragen wird, das geschlechtsspezifische Lohngefälle einzudämmen.

Der Vorschlag für die neuen Vorschriften folgt auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Januar 2021 zur EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter, in der die Kommission aufgefordert wird, einen ehrgeizigen neuen Aktionsplan zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles mit klaren Zielvorgaben für die EU-Mitgliedstaaten in den nächsten fünf Jahren auszuarbeiten.

Darüber hinaus möchte das Parlament Frauen und Mädchen das Studium und die Arbeit in männerdominierten Bereichen erleichtern, flexible Arbeitszeitregelungen ermöglichen und die Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen in stark von Frauen dominierten Bereichen verbessern.

Erfahren Sie mehr darüber, wie die EU das geschlechtsspezifische Lohngefälle verringern will.