Künstliche Intelligenz: Wir müssen handeln, um das Potenzial der EU auszuschöpfen (Interview)

Die EU könnte globale Standards für Künstliche Intelligenz setzen, aber dafür müssen die Regeln schnell kommen und flexibel sein, sagt Axel Voss, der für den Bericht zuständige Abgeordnete.

Axel Voss
Axel Voss

„Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass KI eine äußerst strategische Bedeutung hat“, sagt Axel Voss (EVP, Deutschland) in unserem Facebook-Live-Interview. Der Abgeordnete leitet den Bericht des Sonderausschusses zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter (AIDA) durch das Europäische Parlament.

Der Sonderausschuss soll ermitteln, wie KI die EU-Wirtschaft beeinflussen könnte und welche Ansätze andere Länder angesichts der zunehmenden Bedeutung dieser Technologie verfolgen. Außerdem soll er Vorschläge für künftige Rechtsvorschriften erarbeiten.

In dem Berichtsentwurf, der am 9. November 2021 im AIDA-Ausschuss vorgestellt wurde, heißt es, dass sich die EU auf das enorme Potenzial der KI konzentrieren sollte. Diese Technologie könnte eine Schlüsselrolle „in Bereichen wie dem Klimawandel, dem Gesundheitssektor und der Wettbewerbsfähigkeit der EU“ spielen, so Voss.

Mehr dazu: Was ist künstliche Intelligenz und wie wird sie genutzt?

Kann die EU ein bedeutenderer Akteur im Bereich der KI werden?

Die EU gerät im globalen technologischen Wettlauf ins Hintertreffen. Wenn sie eine wirtschaftliche und globale Macht bleiben will, so der Bericht, sollte sie eine globale Macht im Bereich der KI werden. Wenn die EU nicht schnell und mutig handelt, werde sie zu einer „digitalen Kolonie“ Chinas, der USA und anderer Staaten. Zudem laufe die EU Gefahr, ihre politische Stabilität, soziale Sicherheit und individuelle Freiheiten zu verlieren. Darüber hinaus könnten die neuen Technologien zu einer globalen Machtverschiebung weg von der westlichen Welt führen.

Das Versagen der EU bei der Kommerzialisierung technologischer Innovationen bedeute, dass „unsere besten Ideen, Talente und Unternehmen“ abwandern, heißt es in dem Bericht. Voss warnt davor, dass sich das Fenster der Möglichkeiten schließe, und betont, die EU müsse sich „konzentrieren, Prioritäten setzen und investieren“.

Europa sollte sich stärker auf Geschäftsmodelle konzentrieren, die die Umsetzung von Forschung in Produkte ermöglichen, ein wettbewerbsfähiges Umfeld für Unternehmen sicherstellen und eine Abwanderung von Fachkräften verhindern.

Nur 8 der 200

wichtigsten digitalen Unternehmen haben ihren Sitz in der EU.

Die Bedeutung von Daten

Daten sind für die Entwicklung der KI von entscheidender Bedeutung. „Wenn wir denken, dass wir in der Welt konkurrieren können, ohne Daten bereitzustellen, dann sind wir raus“, so Voss. „Wir sollten uns mehr darauf konzentrieren, wie wir Daten, einschließlich personenbezogener Daten, bereitstellen können.“

„Zu viele Leute denken, dass wir die GDPR jetzt nicht lockern können“, was einen Mangel an Daten für die EU-Industrie mit sich bringt. Die GDPR setzt einen globalen Standard, sagt Voss, „aber nicht mit der Einstellung, dass wir, wenn wir einen goldenen Standard erreicht haben, diesen nicht mehr ändern können: man bleibt nur dann auf dem ersten Platz, wenn man sich ständig verbessert.“

„Die großen Datensammler sitzen in China oder in den USA. Wenn wir etwas dagegen tun wollen, müssen wir sehr schnell handeln, denn Geschwindigkeit ist in diesem Bereich eine Frage des Wettbewerbs.“

Bedenken hinsichtlich Demokratie und Menschenrechten

Die EU sei es gewohnt, „Standards zu setzen und sie mit den Grundrechten und den europäischen Grundwerten zu verbinden. Das ist es, was wir leisten können, und ich würde sagen, das ist etwas, was die Welt auch braucht“, sagt Voss.

Wenn KI missbraucht wird, so wie es in einigen autoritären Staaten der Fall ist, kann sie ein Risiko für Demokratie und Menschenrechte darstellen. Voss glaubt, dass die EU dieses Risiko abmildern könne, „wenn wir dies pragmatisch tun“.

Er warnt vor einem ideologischen Ansatz. „Wenn wir uns darauf konzentrieren, diese Technologie mit unseren europäischen Grundwerten zu verbinden und unsere Industrie und unsere Unternehmen nicht überfordern, haben wir gute Chancen, erfolgreich zu sein.“

Mehr dazu: KI-Regeln – Wofür das Europäische Parlament eintritt