Sacharow-Preis 2019 an Ilham Tohti in Abwesenheit verliehen 

Pressemitteilung 
 
 

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Jewher Ilham (left) receiving the award from Parliament President David Sassoli  

Die Tochter des uigurischen Menschenrechtsaktivisten Ilham Tohti hat am Mittwoch den Sacharow-Preis für geistige Freiheit im Namen ihres inhaftierten Vaters in Straßburg entgegengenommen.

Der Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti, der sich für die Rechte der muslimisch-uigurischen Minderheit in China starkmacht, verbüßt seit 2014 wegen „Separatismus" eine lebenslange Haftstrafe. „Mit seinem Engagement hat Ilham Tohti es geschafft, den Uiguren eine Stimme zu geben. [...] Seit 20 Jahren setzt er sich unermüdlich dafür ein, den Dialog und das gegenseitige Verständnis zwischen den Uiguren und den Völkern Chinas zu fördern", betonte der Präsident des Europäischen Parlaments David Sassoli bei der Preisverleihung im Plenarsaal in Straßburg.


„Heute sollte ein Moment der Freude sein, um die Redefreiheit zu feiern. Stattdessen ist es ein Tag der Trauer. Wieder einmal ist dieser Stuhl leer, denn in der Welt, in der wir leben, bedeutet die Ausübung unserer Gedankenfreiheit nicht immer, frei zu sein", ergänzte der Parlamentspräsident.


Jewher Ilham nahm den Preis stellvertretend für ihren Vater entgegen und sagte: „Es ist mir eine Ehre, heute im Europäischen Parlament zu sein und den Sacharow-Preis im Namen meines Vaters entgegenzunehmen. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, seine Geschichte zu erzählen, die er nicht selbst erzählen kann. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, wo mein Vater ist. 2017 hat meine Familie das letzte Mal von ihm gehört."


„Es gibt in China keine Freiheit für die Uiguren – weder in der Schule, noch in der Öffentlichkeit, nicht einmal in ihren Privathäusern. Mein Vater wurde, wie die meisten Uiguren, als gewalttätiger Extremist bezeichnet, der an einer Krankheit leide, die geheilt werden, und dessen Geist gereinigt werden müsse", hob sie eindrücklich hervor. „Unter dem Deckmantel des Extremismus hat die Regierung eine Million Menschen oder wahrscheinlich sogar mehr in ‚Konzentrationslager' gebracht, wo die Uiguren gezwungen werden, ihre Religion, Sprache und Kultur aufzugeben; wo Menschen gefoltert werden und einige gestorben sind."


Seit April 2017 wurde über eine Million Uiguren in einem Netzwerk von Internierungslagern festgehalten und gezwungen, auf ihre ethnische Identität und ihren religiösen Glauben zu verzichten und der chinesischen Regierung Loyalität zu schwören.


Jewher Ilham forderte aktive Unterstützung für das Anliegen ihres Vaters: „Ich frage Sie in diesem Raum und alle diejenigen, die zuhören: Sehen Sie ein Problem in der Art und Weise, wie die chinesische Regierung mit den Uiguren umgeht? Wenn Sie ein Problem sehen, dann arbeiten Sie bitte an einer Lösung!"


Parlamentspräsident Sassoli forderte Ilham Tohtis unverzügliche und bedingungslose Freilassung sowie die Freilassung „der zahlreichen anderen Träger des Sacharow-Preises, die sich in Haft befinden und aufgrund ihres Einsatzes für die Menschenrechte und Grundfreiheiten verfolgt werden."


Über den Preisträger


Ilham Tohti ist ein Verfechter des Dialogs und ein Befürworter der Umsetzung der Gesetze über die regionale Autonomie in China. Im Jahr 2014 war er nach einem Schauprozess wegen des Vorwurfs des Separatismus zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Trotz dessen bleibt er eine Stimme der Mäßigung und Versöhnung.


Preisverleihung


Der Preis wird in Form einer Urkunde verliehen und ist mit 50.000 Euro dotiert. Er wurde bei der Preisverleihung am 18. Dezember 2019 stellvertretend von Jewher Ilham entgegengenommen. Die anderen Finalisten für den Sacharow-Preis 2019 waren ebenfalls zugegen oder wurden vertreten.


Die Finalisten


Unter den Finalisten für den Sacharow-Preis 2019 waren Menschenrechtsaktivisten aus Brasilien und Schülerinnen aus Kenia.


Weitere Informationen zu den Finalisten



Mehr über den Sacharow-Preis


Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit, der nach dem sowjetischen Physiker und politischen Dissidenten Andrei Sacharow benannt wurde, wird jedes Jahr vom Europäischen Parlament vergeben. Die Auszeichnung wurde 1988 ins Leben gerufen, um Einzelpersonen und Organisationen zu ehren, die Menschenrechte und Grundfreiheiten verteidigen.


2018 wurde der ukrainische Filmemacher Oleh Senzow mit dem Preis geehrt, der diesen im November persönlich in Empfang nahm, nachdem er aus russischer Haft entlassen worden war.