EP billigt Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen EU und Vietnam
- Freihandelsabkommen mit Vietnam wird schrittweise fast alle Zölle abschaffen
- Verbindliche Regeln zu Arbeits- und Menschenrechten sowie zum Klimaschutz
- Weiterer Schritt für EU beim Ausbau des interregionalen Handels mit Südostasien
Das EU-Vietnam-Handelsabkommen, das „modernste und ehrgeizigste“, das „je zwischen der EU und einem Entwicklungsland abgeschlossen wurde", bekam am Mittwoch die Zustimmung des EP.
Die Abgeordneten stimmten dem Freihandelsabkommen mit 401 Stimmen zu, bei 192 Gegenstimmen und 40 Enthaltungen. In einer begleitenden Entschließung, die mit 416 Ja-Stimmen, bei 187 Nein-Stimmen und 44 Enthaltungen, angenommen wurde, bezeichnen die Abgeordneten den Vertrag als „das modernste, am weitesten reichende und ambitionierteste Abkommen, das jemals zwischen der EU und einem Entwicklungsland geschlossen wurde".
Es könne dazu beitragen, strenge Normen und Regeln in der Region zu setzen und den Weg ebnen für ein künftiges interregionales Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN). Das Abkommen sei „ein deutliches Zeichen zugunsten des freien, fairen und wechselseitigen Handels in einer Zeit, in der protektionistische Tendenzen aufkommen und der multilaterale und regelgestützte Handel deutlich infrage gestellt wird", betonten die Abgeordneten.
Fast alle Zölle werden abgeschafft
Das Abkommen wird in den nächsten zehn Jahren praktisch alle Zölle zwischen den beiden Parteien beseitigen und auch Europas wichtigste Exportprodukte nach Vietnam umfassen: Maschinen, Autos und Chemikalien. Auch bei Dienstleistungen im Finanzsektor, im Seeverkehr und im Postbereich erhalten EU-Unternehmen einen besseren Marktzugang. Firmen können sich in Zukunft an öffentlichen Ausschreibungen der vietnamesischen Regierung und mehrerer Städte wie etwa Hanoi beteiligen. Die Vereinbarung schützt auch 169 europäische Produkte wie den Tiroler Speck oder den Schwarzwälder Schinken.
Darüber hinaus ist das Abkommen ein Instrument zum Schutz der Umwelt und zur Förderung des sozialen Fortschritts in Vietnam, einschließlich der Arbeitnehmerrechte. Es verpflichtet Vietnam zur Anwendung des Pariser Klimaabkommens. Vietnam hat sich auf Drängen des Europäischen Parlaments auch verpflichtet, zwei Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation zu ratifizieren. Die Abschaffung der Zwangsarbeit soll bis 2020 ratifiziert werden, und das Übereinkommen zur Vereinigungsfreiheit bis 2023. Das Handelsabkommen kann ausgesetzt werden, wenn es zu Menschenrechtsverletzungen kommt.
Mehr zu den Details des Handelsabkommens (auf Englisch).
Streitbeilegung zwischen Unternehmen und Staat
Einem dazugehörigen Investitionsschutzabkommen stimmte das Parlament mit 407 Stimmen zu, bei 188 Gegenstimmen und 53 Enthaltungen. Vorgesehen ist ein Investitionsgerichtssystem mit unabhängigen Richtern zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staat und Investoren. Die begleitende Entschließung wurde mit 406 Ja-Stimmen, bei 184 Nein-Stimmen und 58 Enthaltungen, verabschiedet.
Zitate
Berichterstatter Geert Bourgeois (EKR, BE) sagte: "Diese soeben verabschiedeten hochmodernen Abkommen bieten eine einzigartige Gelegenheit, das Ziel der EU zu fördern, ein geopolitischer Akteur zu werden, der den multilateralen Handel verteidigt, Protektionismus ablehnt und Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards weltweit stärkt. Die Abkommen werden den Wohlstand steigern, neue und besser bezahlte Arbeitsplätze schaffen, die Kosten für große und kleine Unternehmen senken und ihnen einen besseren Zugang zu den Märkten der jeweils anderen Seite ermöglichen.“ Die Rede von Gert Bourgeois wurde aufgezeichnet.
Der Ausschussvorsitzende Bernd Lange (S&D, DE) sagte nach der Abstimmung: "Die Geschichte zeigt, dass die Isolation ein Land nicht verändert. Deshalb hat das Parlament für dieses Handelsabkommen mit Vietnam gestimmt. Damit stärken wir die Rolle der EU in Vietnam und der Region und sorgen dafür, dass unsere Stimme mehr Gewicht hat. Dies ist besonders wichtig bei Fragen, bei denen wir nicht einer Meinung sind, wie etwa der Rolle der freien Presse oder der politischen Freiheiten. Wir erweitern auch den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft. Unsere Arbeit besteht von nun an darin, dafür zu sorgen, dass das Abkommen in die Praxis umgesetzt wird.“ Hier seine Rede während der Debatte.
Nächste Schritte
Sobald auch der Rat dem Handelsabkommen formell zugestimmt hat und die beiden Gesetzgeber sich gegenseitig mitteilen, dass ihre Verfahren abgeschlossen sind, kann es in Kraft treten. Das Investitionsschutzabkommen muss vor seinem Inkrafttreten noch von den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden.
Hintergrund
Vietnam ist nach Singapur der zweitgrößte Handelspartner der EU im ASEAN- Raum mit einem Warenhandel im Wert von 47,6 Milliarden Euro pro Jahr und 3,6 Milliarden Euro im Dienstleistungsbereich. Die EU-Exporte in das Land steigen jährlich um 5-7 Prozent, dennoch betrug das Handelsdefizit der EU mit Vietnam im Jahr 2018 rund 27 Milliarden Euro.
Zu den wichtigsten EU-Einfuhren aus Vietnam gehören Telekommunikationsausrüstung, Kleidung und Lebensmittel. Die EU exportiert hauptsächlich Waren wie Maschinen und Transportausrüstung, Chemikalien und landwirtschaftliche Produkte nach Vietnam.
Kontakt:
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Armin WISDORFF
Pressereferent -
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Pressereferentin -
Judit HERCEGFALVI
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