Rechtsstaatlichkeit und EU-Haushalt: Abgeordnete und Rat erzielen Kompromiss 

Pressemitteilung 
 
 

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Bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundwerte sollen EU-Gelder gestrichen werden, so der vorläufige Kompromiss von Parlament und Rat.

„Die heutige Vereinbarung ist ein Meilenstein für den Schutz der EU-Werte. Zum ersten Mal haben wir einen Mechanismus geschaffen, der es der EU ermöglicht, die Zahlungen an Regierungen einzustellen, die unsere Werte wie etwa die Rechtsstaatlichkeit missachten", sagte Ko-Berichterstatter Petri Sarvamaa (EVP, Finnland) nach Abschluss der Verhandlungen am Donnerstag in Brüssel.


„Für uns war es von entscheidender Bedeutung, dass die Endbegünstigten nicht für das Fehlverhalten ihrer Regierungen bestraft werden und dass sie auch nach Auslösen des Konditionalitätsmechanismus weiterhin die Mittel erhalten, die ihnen versprochen wurden und auf die sie angewiesen sind. Wir können mit Stolz sagen, dass wir ein starkes System geschaffen haben, das ihren Schutz garantieren wird", sagte Ko-Berichterstatterin Eider Gardiazabal Rubial (S&D, Spanien).


„Bei den Werten haben wir keine Kompromisse gemacht: Wir haben dafür gesorgt, dass unter Rechtsstaatlichkeit die Wahrung aller in den Verträgen verankerter EU-Werte, wie etwa der Unabhängigkeit der Justiz, verstanden wird. Jeder Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit wird durch den Mechanismus abgedeckt: Von einzelnen Verstößen bis hin zu systemischen oder wiederkehrenden Verstößen, für die es bisher keine Regelung gab", sagte Sarvamaa.


„Die europäischen Bürger erwarten von uns, dass wir die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit knüpfen. Der heute vereinbarte Mechanismus tut genau das", fasste Gardiazabal Rubial zusammen.


Ein weiter gefasster Begriff von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit


Die Europaabgeordneten haben erreicht, dass das neue Gesetz nicht nur dann angewendet wird, wenn EU-Gelder direkt missbraucht werden, wie zum Beispiel in Fällen von Korruption oder Betrug. Es soll auch bei systemischen Verstößen gegen die für alle Mitgliedstaaten geltenden EU-Grundwerte angewandt werden. Zu diesen Grundwerten zählen Freiheit, Demokratie, Gleichheit und die Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Minderheiten.


Die Verhandlungsführer*innen des Parlaments bestanden zudem darauf, dass Steuerbetrug und Steuerhinterziehung als mögliche Verstöße betrachtet werden, indem sowohl Einzelfälle als auch weit verbreitete und wiederkehrende Probleme einbezogen werden sollen.


Darüber hinaus gelang es ihnen, einen speziellen Artikel durchzusetzen, der den möglichen Umfang der Verstöße durch die Auflistung von Fallbeispielen verdeutlicht, wie die Gefährdung der Unabhängigkeit der Justiz, die ausbleibende Korrektur willkürlicher oder unrechtmäßiger Entscheidungen und die Einschränkung von Rechtsmitteln.


Prävention


Den Europaabgeordneten gelang es auch, einen starken präventiven Ansatz im neuen Mechanismus beizubehalten: Er kann nicht nur dann ausgelöst werden, wenn ein Verstoß nachweislich direkte Auswirkungen auf den EU-Haushalt hat, sondern auch dann, wenn ein ernsthaftes Risiko besteht, dass sich solche negativen Auswirkungen ergeben könnten. So soll der Mechanismus Situationen verhindern, in denen EU-Mittel Maßnahmen finanzieren, die im Widerspruch zu den Werten der EU stehen.


Schutz der Endbegünstigten


Die Europaabgeordneten wollen sicherzustellen, dass Endbegünstigte, die von der Unterstützung der EU abhängig sind - wie zum Beispiel Student*innen, Landwirt*innen oder NGOs - nicht für die Taten ihrer Regierungen bestraft werden. Sie bestanden daher darauf, dass Endbegünstigte über eine Web-Plattform Beschwerden bei der Europäischen Kommission einreichen können, um die ihnen zustehenden Beträge zu erhalten. Die Europäische Kommission wird zudem die Möglichkeit haben, EU-Gelder für in Frage kommende Länder zu kürzen.


Funktionsweise des Mechanismus


Es ist den Europaabgeordneten gelungen, die Zeitspanne zu verkürzen, in der die EU-Institutionen nach Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit Strafen gegen einen Mitgliedstaat verhängen. Statt wie ursprünglich innerhalb von 12-13 Monaten, wie vom Rat gefordert, werden nun innerhalb von 7 bis 9 Monaten Sanktionen verhängt.


Stellt die Europäische Kommission einen fest, wird sie vorschlagen, den Konditionalitätsmechanismus gegen eine EU-Regierung anzuwenden. Der Rat muss die vorgeschlagenen Maßnahmen innerhalb eines Monats mit qualifizierter Mehrheit verabschieden, in Ausnahmefällen auch innerhalb von drei Monaten. Um die Frist zu wahren, kann die Europäische Kommission dafür eine Sitzung des Rates einberufen.


Nächste Schritte


Der vereinbarte Kompromiss muss nun formell vom Europäischen Parlament und dem Ministerrat angenommen werden.