Europäisches Parlament: Polnischer Verfassungsgerichtshof ist illegitim
- Polnischer Verfassungsgerichtshof ist ein „Instrument zur Legalisierung der illegalen Tätigkeiten der Staatsmacht“, nicht befugt zur Auslegung der Verfassung
- Keine EU-Mittel für Regierungen, die die Werte der EU „offenkundig, vorsätzlich und systematisch“ aushöhlen
- EU muss das polnische Volk schützen, das mit überwältigender Mehrheit pro-europäisch ist
Das Parlament verurteilt den Versuch, den Vorrang des EU-Rechts zu untergraben und fordert den Rat und die Kommission auf, die Menschen in Polen und die Union dringend zu schützen.
In einer Entschließung, die am Donnerstag mit 502 Ja-Stimmen, 153 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen angenommen wurde, unterstreichen die Abgeordneten, dass es dem Verfassungsgerichtshof nicht nur an Rechtmäßigkeit und Unabhängigkeit fehlt, sondern er zudem nicht zur Auslegung der Verfassung Polens befugt ist. Nach einer lebhaften Plenardebatte mit dem polnischen Premierminister und der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag missbilligen die Abgeordneten das Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 7. Oktober 2021 „auf das Schärfste“, da es einen „Angriff auf die Werte- und Rechtsgemeinschaft der Union als Ganzes“ darstellt und sagen, dass das Gericht in ein „Instrument zur Legalisierung der illegalen Tätigkeiten der Staatsmacht“ verwandelt wurde.
Das Parlament lobt die mehreren zehntausend polnischen Bürger, die zu friedlichen Massenprotesten auf die Straße gingen, um gegen die Entscheidung des Gerichts zu protestieren, und teilt ihren „Wunsch nach einem starken demokratischen Polen im Herzen des europäischen Aufbauwerks“. Die Abgeordneten bekräftigen ihre Unterstützung für die polnischen Richter, die trotz Gefährdung ihrer beruflichen Laufbahn weiterhin den Vorrang des Unionsrechts anwenden und Fälle zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verweisen.
Die Abgeordneten betonen, dass die Unionsverträge gemäß der polnischen Verfassung in der polnischen Rechtsordnung unmittelbar anwendbar sind und im Falle eines Konflikts mit dem nationalen Recht Vorrang haben. Sie werfen dem polnischen Premierminister vor, sich „erneut missbräuchlich der Justiz als Instrument zur Verwirklichung seiner politischen Agenda“ bedient zu haben und erklären, dass sich die Republik Polen freiwillig verpflichtet hat, sich den Bestimmungen der Gründungsverträge und der Rechtsprechung des EuGH zu unterwerfen.
Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit, ohne den Bürgern zu schaden
Das Parlament verlangt, dass Regierungen, die die Werte der EU „offenkundig, vorsätzlich und systematisch“ aushöhlen, kein Geld der Steuerzahler der Union zur Verfügung gestellt werden sollte. Es fordert Kommission und Rat auf, dringende und koordinierte Maßnahmen zu ergreifen,
- indem beim EuGH Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und einstweilige Anordnungen erlassen werden;
- indem die Kommission die Verordnung über den an die Rechtsstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus anwendet;
- indem davon abgesehen wird, den Entwurf des Aufbau- und Resilienzplans Polens zu billigen;
- indem der Rat gemäß dem Verfahren nach Artikel 7(1) EUV feststellt, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch Polen besteht;
- indem sie von ihren Befugnissen Gebrauch machen, Zahlungen zu unterbrechen oder auszusetzen, da die Gefahr schwerwiegender Mängel bei der wirksamen Funktionsweise der Kontrollsysteme in Polen besteht; und
- indem die Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen in Anwesenheit des Präsidenten des Europäischen Parlaments erörtert und klar Stellung bezogen wird, eine möglichst starke gemeinsame und von den Staats- und Regierungschefs der Union auf ihrem bevorstehenden Gipfeltreffen am 21./22. Oktober 2021 unterzeichnete Erklärung zu diesem Thema abgegeben wird.
Die Abgeordneten betonen, dass diese Forderungen nicht als Strafmaßnahmen gegen die Bevölkerung Polens gedacht sind, sondern als Mittel zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in Polen angesichts ihrer anhaltenden Verschlechterung, und fordern die Kommission auf, Mechanismen zu finden, die es ermöglichen, dass die EU-Gelder die Endbegünstigten erreichen.
Hintergrund
Die Entschließung weist darauf hin, dass laut verschiedenen Umfragen, die im September 2021 und Oktober 2021 in Polen durchgeführt wurden, nur 5% der Befragten einen Austritt Polen aus der EU befürworteten. Nicht weniger als 90% bewerteten die Mitgliedschaft Polens in der EU positiv und 95% der Befragten erklärten, dass sich die Unterstützung durch die EU positiv auf die Entwicklung ihrer Stadt oder Region auswirke, wobei diese Werte über dem EU-Durchschnitt liegen.
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