EP-Präsidentin Metsola zu den laufenden Ermittlungen der belgischen Behörden 

Pressemitteilung 
 
 

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Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, gab am Montag bei der Eröffnung der Plenarsitzung in Straßburg folgende Erklärung ab.


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich denke, es ist keine Übertreibung zu sagen, dass dies einer der längsten Tage meiner Karriere war. Ich muss meine Worte sorgfältig wählen, ohne laufende Ermittlungen zu gefährden oder die Unschuldsvermutung in irgendeiner Weise zu untergraben.

Und das werde ich tun. Wenn also meine Wut, mein Ärger und meine Trauer nicht zum Vorschein kommen, seien Sie versichert, dass diese Gefühle mich genauso stark beschäftigen wie meine Entschlossenheit, dieses Haus zu stärken.

Machen wir uns nichts vor:

  • Das Europäische Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird angegriffen.
  • Die europäische Demokratie wird angegriffen.
  • Und unsere offenen, freien, demokratischen Gesellschaften werden angegriffen.


Die Feinde der Demokratie, für die allein die Existenz dieses Parlaments eine Bedrohung darstellt, werden vor nichts Halt machen. Die böswilligen Akteure, die mit autokratischen Drittländern in Verbindung stehen, haben mutmaßlich NRO, Gewerkschaften, Einzelpersonen, Assistenten und Mitglieder des Europäischen Parlaments als Werkzeug eingesetzt, um unsere Verfahren zu kontrollieren.

Ihre bösartigen Pläne sind gescheitert. Unsere Dienststellen, auf die ich sehr stolz bin, arbeiten seit einiger Zeit mit den zuständigen nationalen Strafverfolgungs- und Justizbehörden zusammen, um dieses mutmaßliche kriminelle Netzwerk zu zerschlagen.

Wir haben in Abstimmung mit den Behörden dafür gesorgt, dass alle rechtlichen Schritte eingehalten werden, dass alle Daten erhalten bleiben und dass, wo nötig, IT-Ausrüstung gesichert, Büros versiegelt und Hausdurchsuchungen durchgeführt werden können. Am vergangenen Wochenende habe ich einen belgischen Richter und die Polizei zu einer Hausdurchsuchung begleitet, wie es die belgische Verfassung vorschreibt.

Als Vorsichtsmaßnahme habe ich, wiederum unter voller Wahrung der Unschuldsvermutung, die genannte Vizepräsidentin von allen Aufgaben und Zuständigkeiten, die mit ihrer Rolle als Vizepräsidentin zusammenhängen, entbunden und eine außerordentliche Sitzung der Konferenz der Präsidenten einberufen, um ein Verfahren nach Artikel 21 einzuleiten, das die Beendigung ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin zum Ziel hat, um die Integrität dieses Hauses zu schützen.

Außerdem sollte ich heute die Öffnung des Verhandlungsmandats im Zusammenhang mit der Befreiung von der Visumpflicht für Katar und Kuwait bekanntgeben. In Anbetracht der Ermittlungen muss dieser Bericht nun an den Ausschuss zurückverwiesen werden.

Ich weiß auch, dass wir noch nicht am Ende des Weges angelangt sind und dass wir gemeinsam mit anderen EU-Organen so lange wie nötig die Ermittlungen unterstützen werden. Korruption darf sich nicht lohnen, und wir haben unseren Teil dazu beigetragen, dass diese Pläne nicht verwirklicht werden konnten.

Und ich möchte klarstellen, dass es bei den Anschuldigungen nicht um links oder rechts oder Nord oder Süd geht. Hier geht es um Recht und Unrecht, und ich möchte an Sie appellieren, der Versuchung zu widerstehen, diesen Moment für politische Zwecke auszunutzen. Verharmlosen Sie nicht die Bedrohung, der wir ausgesetzt sind.

Wie so viele von Ihnen bin ich in die Politik gegangen, um die Korruption zu bekämpfen. Um für die Grundsätze Europas einzutreten. Dies ist eine Prüfung für unsere Werte und unsere Verfahren, und ich versichere Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir diese Prüfung meisterhaft bestehen werden.

  • Es wird keine Straffreiheit geben. Keine. Die Verantwortlichen werden sehen, dass dieses Parlament auf der Seite des Gesetzes steht. Ich bin stolz auf unsere Rolle und darauf, wie wir diese Untersuchung unterstützt haben.
  • Wir werden hier nichts unter den Teppich kehren, sondern eine interne Untersuchung einleiten, um alle Fakten im Zusammenhang mit dem Parlament zu prüfen und zu untersuchen, wie unsere Verfahren noch zuverlässiger werden können.
  • Wir werden nicht einfach weitermachen wie bisher, sondern Reformen einleiten, um herauszufinden, wer Zugang zu unseren Räumlichkeiten hat, wie diese Organisationen, NRO und Personen finanziert werden, welche Verbindungen zu Drittländern sie haben. Wir werden mehr Transparenz bei Treffen mit ausländischen Akteuren und den mit ihnen verbundenen Personen fordern. Wir werden dieses Parlament und diese Stadt aufrütteln, und ich brauche dazu Ihre Hilfe.
  • Wir werden diejenigen schützen, die uns bei der Aufdeckung von Straftaten helfen, und ich werde mich dafür einsetzen, dass unsere Hinweisgebersysteme überprüft werden, um zu sehen, wie sie gestärkt werden können.
  • Aber ich muss unterstreichen, dass wir zwar immer weiter versuchen können, Abschreckung und Transparenz zu verstärken, dass es aber immer einige geben wird, die für eine Tasche voller Geld jedes Risiko eingehen. Wichtig ist, dass diese Menschen verstehen, dass sie erwischt werden. Dass unsere Dienste funktionieren und dass sie mit der vollen Härte des Gesetzes rechnen müssen. So wie es in diesem Fall geschehen ist.


Dies sind schwierige Zeiten für uns alle, aber ich bin überzeugt, dass wir gestärkt daraus hervorgehen können, wenn wir zusammenarbeiten.

Lassen Sie mich Ihnen, meinen Kollegen, die diese Tage mit mir erlebt haben, noch einmal sagen, wie tief enttäuscht ich bin - ich weiß, dass Sie alle das Gleiche empfinden.

Zuletzt eine Warnung an jene böswilligen Akteure in Drittländern, die glauben, sie könnten sich ihren Weg nach vorne erkaufen. Die glauben, Europa sei käuflich. Die glauben, sie könnten unsere NROs übernehmen. Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass dieses Parlament sich Ihnen entschieden in den Weg stellen wird.


Wir sind Europäer.


Lieber frieren wir, als uns kaufen zu lassen.




Wortmeldungen der Fraktionsvorsitzenden

Nach der Erklärung von Präsident Metsola äußerten sich die Fraktionsvorsitzenden zu den laufenden belgischen Ermittlungen gegen Mitglieder und Angestellte des Europäischen Parlaments.

Manfred Weber (EVP, DE) sagte: „Unsere Glaubwürdigkeit ist in Gefahr. Einen wahren Straftäter schreckt zwar keine Vorschrift ab, trotzdem sind wir bereit, unsere Regeln weiter zu verbessern". Korruption sei der größte Feind der Demokratie, fügte er hinzu und betonte, dass in diesem Parlament und in allen anderen EU-Organen kein Platz für Korruption sei und dass deren Bekämpfung der einzige Weg sei, um Vertrauen zurückzugewinnen.

Iratxe García (S&D, ES) erklärte, dies sei „ein schwarzer, sehr trauriger Tag für die europäische Demokratie". Sie kündigte an, dass ihre Fraktion als geschädigte Partei an dem Gerichtsverfahren teilnehmen werde, und forderte das Parlament zu einer entschlossenen Reaktion auf, um festzustellen, „was geschehen ist, und um sicherzustellen, dass so etwas nicht wieder passiert". Sie rief zur Geschlossenheit innerhalb des Parlaments auf, um mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht bei seinen Tätigkeiten zu gewährleisten.

Stéphane Séjourné (Renew, FR) sagte, dass „unsere Institution ohne Vorbehalt ihre volle Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Justiz bekräftigen muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir einfach den Abschluss dieses Verfahrens abwarten sollten - ganz im Gegenteil". Er forderte, die Transparenzregister des Parlaments zu stärken und ein interinstitutionelles Ethikgremium mit Untersuchungsbefugnissen einzurichten.

Terry Reintke (Grüne/EFA, DE) sagte, dies seien dunkle Tage für die EU-Demokratie. „Ich denke vor allem an die Millionen von Bürgerinnen und Bürgern, die es jetzt schwer haben und nicht wissen, wie sie durch den Monat kommen sollen. Für das Parlament könne es kein „weiter so“ geben, fügte sie hinzu. „Wir müssen schriftlich festhalten, was wir tun wollen. Dazu sollten eine umfassende Untersuchung, eine Reform des Lobbyregisters, die Einrichtung eines Ethikgremiums und eine eigene Stelle im Präsidium gehören, die sich mit diesen Fragen befasst."

Ryszard Legutko (EKR, PL) sagte, dass nun vieles enthüllt worden sei und „in Zukunft noch mehr herauskommen werde". Diejenigen, die es auf das Parlament abgesehen hatten, hielten es wahrscheinlich für einen Ort mit einigen Schwachstellen, sagte er, und seien zum Entsetzen aller Abgeordneten erfolgreich gewesen. Er plädierte dafür, nach diesem Fall eine kritische Analyse von außen durchzuführen, eine kritische Beschreibung der Funktionsweise der Institution, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.

Marco Zanni (ID, IT) betonte, dass die „Haltung der moralischen Überlegenheit", wie sie in einem jüngsten Bericht des Ausschusses für ausländische Einmischung festgestellt wurde, angesichts dieses Skandals aufgegeben werden müsse. Neben Sofortmaßnahmen zur Wahrung der Seriosität der Institution und der Aufdeckung der politisch Verantwortlichen müsse sich im Parlament eine „neue Haltung" entwickeln, ohne „die Selbstbezogenheit, die dieser Institution oft geschadet hat".

Für die Linke sagte die Fraktionsvorsitzende Manon Aubry (FR), dass das Europäische Parlament mit dem größten Skandal seiner Geschichte konfrontiert sei. Sie sei nicht überrascht, da sie schon vorher beobachtet habe, wie „bestimmte Fraktionen" versucht hätten, eine kürzlich verabschiedete Resolution zu Katar abzuschwächen. Aubry forderte einen Untersuchungsausschuss, der die Anfälligkeit der EU-Institutionen für Korruption und Interessenkonflikte untersucht. „Die Demokratie ist nicht käuflich", sagte sie abschließend.