Neue Regeln im Kampf gegen Kindesmissbrauch
- Neue Vorschriften sollen technologischer Entwicklung Rechnung tragen
- Höchststrafen sollen angehoben werden für mehrere Formen von Missbrauch
- Opfer bekommen mehr Zeit, um Taten anzuzeigen
- Neue Bestimmung des Begriffs „Einwilligung“ für Minderjährige, die das Alter der sexuellen Mündigkeit erreicht haben
Am Dienstag hat das Parlament seine Position zu einem Gesetzesentwurf angenommen, der es ermöglichen soll, wirksamer gegen sexuellen Missbrauch von Kindern vorzugehen.
Die Abgeordneten sprachen sich dafür aus, die EU-weiten Definitionen von Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch und der Ausbeutung von Kindern zu aktualisiere, um dem technologischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Sie zielen beispielsweise auch auf künstliche, aber realistisch wirkende Deepfakes ab, in denen der sexuelle Missbrauch von Kindern dargestellt wird. So will man dafür sorgen, dass Missbrauch und Kontaktaufnahme zu Missbrauchszwecken online und in der realen Welt gleichermaßen strafrechtlich verfolgt werden können.
Strengere Strafen, Schluss mit Verjährungsfristen
In ihren Änderungsanträgen schlagen die Abgeordneten vor, die Höchststrafen für mehrere Straftaten im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch zu erhöhen. Dazu zählen auch sexuelle Aktivitäten mit Kindern, die zwar das Alter der sexuellen Mündigkeit erreicht haben, in diese Aktivitäten aber nicht einwilligen. Strenger bestraft werden soll außerdem, wer Kinder anwirbt, um sie als Prostituierte auszubeuten, wer Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern besitzt oder verbreitet und wer (z. B. finanzielle) Gegenleistungen für bestimmte Straftaten im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern anbietet.
Für Straftaten, die unter die aktualisierten Vorschriften fallen, sollen nach dem Willen der Abgeordneten keine Verjährungsfristen mehr gelten, weil es statistisch belegt ist, dass die meisten Opfer die entsprechenden Straftaten erst lange danach anzeigen. Auch für den Anspruch der Opfer auf Entschädigung sollte keine Verjährungsfrist gelten.
Verbrechen unter Zuhilfenahme neuester Technik
Damit die Rechtsvorschriften der EU mit der technischen Entwicklung in diesem Bereich Schritt halten können, wollen die Abgeordneten den Einsatz von Systemen der künstlichen Intelligenz, die „in erster Linie dazu bestimmt oder angepasst sind, die Erstellung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu ermöglichen“, ausdrücklich unter Strafe stellen. Sie nahmen auch Bestimmungen über das Livestreaming von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern und deren Online-Verbreitung an.
Um Straftäter besser ausfindig machen zu können, macht sich das Parlament für verdeckte Ermittlungen und verdeckte Überwachungsmaßnahmen stark.
Definition von „Zustimmung“ und Ausnahmen für Gleichaltrige
Das Parlament fordert eine neue Definition des Begriffs „Einwilligung“, die speziell für Kinder gilt, die das Alter der sexuellen Mündigkeit erreicht haben. Im gegenseitigen Einvernehmen erfolgende sexuelle Handlungen unter Gleichaltrigen sollten nicht unter Strafe stehen, es sei denn, es liegt Abhängigkeit oder Vertrauensmissbrauch vor. Dagegen sollte es als strafbarer erschwerender Umstand gelten, wenn man sich als Gleichaltriger ausgibt.
Hilfe für Opfer
Kinder, die Opfer von sexuellem Missbrauch werden, sollten kostenlos Hilfe erhalten. Dazu zählen medizinische und forensische Untersuchungen, Hilfe bei der Dokumentation von Beweismitteln, geschlechtsspezifische medizinische Versorgung und Zugang zu Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Diese Hilfe soll im Einklang mit dem Barnahus-Modell stehen, bei dem Dienste unter einem Dach zusammenkommen, um Kinder zu unterstützen, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind. Auch Dritte, z. B. Organisationen der Zivilgesellschaft, sollten Straftaten melden können.
Zitat
Berichterstatter Jeroen Lenaers (EVP, Niederlande) sagte: „Das Gesetz, für das wir heute gestimmt haben, ist ehrgeizig, aber wir können nie ehrgeizig genug sein, wenn es um den Schutz von Kindern geht. Wir kriminalisieren Handbücher über sexuellen Missbrauch von Kindern, und realistisches KI-Material wird wie echtes Material behandelt. Wir müssen auch die Verjährungsfristen für Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern abschaffen, da es keine Frist für die Justiz geben kann.“
Nächste Schritte
Das Parlament hat seine Position mit 599 Ja-Stimmen, 2 Nein- Stimmen und 62 Enthaltungen angenommen. Die Verhandlungen von Parlament und Rat über die endgültige Form des Gesetzes sollen am 23. Juni beginnen.
Hintergrund
Die Neufassung der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern, von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern und von Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke zielt darauf ab, die Definitionen und Strafen der EU-Staaten für diese Straftaten – ob online oder im realen Leben begangen – zu harmonisieren.
Zurzeit prüfen die Gesetzgeber außerdem einen gesonderten Vorschlag für eine Verordnung über die Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet. Das Europäische Parlament legte seinen Standpunkt zu dem Verordnungsentwurf bereits 2023 fest und wartet darauf, dass der Rat einen gemeinsamen Standpunkt findet.
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