Entschließungsantrag - B6-0217/2008Entschließungsantrag
B6-0217/2008

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

14.5.2008

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Europäischen Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Hannes Swoboda
im Namen der PSE-Fraktion
zu den steigenden Lebensmittelpreisen in der EU und in Entwicklungsländern

Verfahren : 2008/2564(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0217/2008

B6‑0217/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den steigenden Lebensmittelpreisen in der EU und in Entwicklungsländern

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis darauf, dass vor 60 Jahren die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet wurde,

–  unter Hinweis auf die Ergebnisse des Welternährungsgipfels 1996 und die Zielvorgabe, bis 2015 die Zahl der Menschen, die Hunger leiden, zu halbieren,

–  unter Hinweis auf die Verpflichtungen in dem von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichneten und ratifizierten Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, insbesondere in Artikel 11, der das Recht auf Nahrung betrifft,

–  unter Hinweis auf den europäischen Konsens zur humanitären Hilfe vom 18. Dezember 2007,

–  unter Hinweis auf die laufende „Gesundheitskontrolle“ in der GAP,

–  unter Hinweis auf die Berichte des Zwischenstaatlichen Ausschusses über Klimaänderungen (IPCC),

–  unter Hinweis auf die derzeitigen Verhandlungen über die Entwicklungsrunde von Doha,

–  unter Hinweis auf die am 22. November 2007 von der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU angenommene Erklärung von Kigali über umweltverträgliche Wirtschaftspartnerschaftsabkommen,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  unter Hinweis darauf, dass in den 36 Monaten bis Februar 2008 die Weltmarktpreise für Weizen um 181% gestiegen sind, dass die Preise für Reis seit Januar um 141 % gestiegen sind und dass sich weltweit die Lebensmittelpreise insgesamt um 83 % erhöht haben,

B.  unter Hinweis darauf, dass weltweit 854 Millionen Menschen an Hunger oder Unterernährung leiden (dass ihre Ernährung nicht gesichert ist) und dass jährlich 4 Millionen Menschen hinzu kommen, dass 170 Millionen Kinder unterernährt sind und 5,6 Millionen Kinder jährlich an Unterernährung sterben, und dass die Lebensmittelnachfrage mit der Zunahme der Weltbevölkerung steigt,

C.  in der Erwägung, dass das Recht auf Nahrung nicht dem Spiel der Kräfte internationaler Spekulation ausgeliefert werden darf,

D.  unter Hinweis darauf, dass nach Aussagen der FAO 60–80 % der Verbraucherausgaben in Entwicklungsländern auf Lebensmittel entfallen, in Industriestaaten dagegen nur 10‑20 %, und dass einkommensschwache Haushalte am stärksten vom Anstieg der Lebensmittelpreise betroffen sind,

E.  unter Hinweis darauf, dass die Preiserhöhungen Ursache dessen sind, was man als das „neue Gesicht des Hungers“ bezeichnet, dass nämlich manche Menschen sich die Lebensmittel, die sie im Geschäft sehen, nicht mehr leisten können, und dass es in der jetzigen Krise nicht nur um Verfügbarkeit, sondern auch um Erschwinglichkeit geht,

F.  in der Erwägung, dass ein Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit zur Finanzierung „kurzfristiger Maßnahmen“ und der Notwendigkeit zur Finanzierung eher struktureller, langfristiger Anliegen und zur Bewältigung des Problemkreises Ernährung, Gesundheit und Lebensqualität besteht und dass es deshalb entscheidend darauf ankommt, für Kohärenz zu sorgen,

G.  unter Hinweis darauf, dass, wie das Welternährungsprogramm meldet, nur 260 von den benötigten 750 Millionen USD bislang fest zugesagt sind, um den Bedarf für 2008 zu decken,

H.  unter Hinweis darauf, dass viele Entwicklungsländer nur ein Drittel oder sogar nur ein Viertel ihrer potenziellen Lebensmittelerzeugung selbst aufbringen können,

I.  unter Hinweis darauf, dass die Lebensmittelpreisinflation einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass die EZB ihren Leitzinssatz seit Juno 2007 unverändert bei 4 % belassen hat und voraussichtlich in absehbarer Zukunft keine Änderung bekannt geben wird,

J.  in der Erwägung, dass es einer integrierten politischen Reaktion und einer umfassenden Strategie für das Nahrungsmittelproblem bedarf, in der bessere Lebensbedingungen, Sozialpolitik, landwirtschaftliche Produktivität, nachhaltige Entwicklung, Handel, Technologie, Agro-Brennstoffe und kurzfristige Unterstützung armer Länder gehören, und dass in dieser Strategie die Notwendigkeit zu beachten ist, Zielsetzungen in Einklang zu bringen, dass aber eine weltweite Zusammenarbeit den gesamtwirtschaftlichen Rahmen und die Anreize schaffen kann, die zur dauerhaften Bewältigung dieses Problems erforderlich sind,

K.  in der Erwägung, dass diese Nahrungsmittelkrise, wenn sie nicht gründlich bewältigt wird, eine Kaskade an mit ihr zusammenhängenden Krisen auslösen könnte, die den sozialen Forschritt, den Handel, das Wirtschaftswachstum und sogar die politische Sicherheit auf der ganzen Welt beeinträchtigen können,

1.  betont, dass das Recht auf Nahrung und die Notwendigkeit, den Zugang zu verbessern, den alle Menschen jederzeit zu einer für ein aktives und gesundes Leben ausreichenden Nahrung haben müssen, grundlegende Prinzipien sind; betont, dass Staaten die Pflicht haben, dieses Menschenrecht zu schützen, zu achten und zu verwirklichen; stellt fest, dass es sich täglich als systematische Verletzung des Rechts auf Nahrung – wie es in den international geltenden Menschenrechten verankert ist – erweist, wenn zwei Milliarden Menschen weiter in furchtbarer Armut leben und 850 Millionen hungern;

2. fordert aus diesem Grund den Rat auf, sein Engagement für die Millenniums-Entwicklungsziele zu verstärken, indem er seine Finanzierungszusagen bekräftigt und auf der Juni-Tagung des Europäischen Rates eine EU-Aktionsagenda für die Millenniums-Entwicklungsziele verabschiedet; vertritt die Auffassung, dass diese EU-Aktionsagenda in Schlüsselbereichen wie Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Wachstum und Infrastruktur zeitlich festgelegte konkrete Meilensteine und Maßnahmen ermitteln sollte, die dazu beitragen, das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele – darunter auch die Ausrottung des Hungers – bis 2015 zu gewährleisten;3. fordert den Rat auf, dafür zu sorgen, dass alle mit Nahrungsmitteln zusammenhängenden einzelstaatlichen und internationalen Maßnahmen im Einklang mit den Verpflichtungen auf der Ebene des Rechts auf Nahrung stehen; stellt fest, dass insbesondere die Landwirtschafts- und die Fischereipolitik, die Handels- und Investitionspolitik, die Entwicklungspolitik und die Energiepolitik dazu beitragen sollten, die uneingeschränkte Verwirklichung des Rechts auf angemessene Nahrung zu begünstigen und in keinem Fall zu beeinträchtigen; betont in diesem Zusammenhang die Rolle der EU bei der Überwindung der weltweiten Nahrungskrise und der Verwirklichung einer dauerhaften Lebensmittelversorgungssicherheit nicht nur in der EU, sondern auch in den Entwicklungsländern;

4.  missbilligt mit Nachdruck die Aktivitäten von Spekulanten auf dem Gebiet der weltweit benötigten Grundstoffe, der Agrarrohstoffe und der Energie, die dazu beitragen, die Schwankungsanfälligkeit der Preise zu vergrößern und die weltweite Nahrungskrise zu verschärfen; ist der Auffassung, dass es selbst in einer offenen Marktwirtschaft mit internationalen Finanzströmen nicht hinnehmbar ist, wenn der Hunger der Einen den Gewinn der Anderen ausmacht;

5.  empfiehlt deshalb mit Nachdruck, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, insbesondere die Aussetzung bestimmter „Kurse“, um maßvolle Preise als unmittelbaren Ausweg aus der Krise zu gewährleisten, und längerfristig eine Regelung zu schaffen, die geeignet ist, Spekulationstätigkeit besser einzudämmen; empfiehlt zusätzlich, die Befugnisse von einzelstaatlichen Aufsichtsgremien auf dem Gebiet der zur Ernährung dienenden Rohstoffe zu überprüfen, damit sie in der Lage sind, stabile und zuverlässige Märkte sicherzustellen, und damit Spekulationstätigkeit nicht gegen das Recht auf Nahrung verstößt;

6.  weist darauf hin, dass diese Nahrungsmittelkrise eng mit der Finanzkrise verwoben ist, bei der Liquiditätsspritzen der Zentralbanken zwecks Abwendung von Konkursen möglicherweise spekulativen Investitionen in Grundstoffe Vorschub geleistet haben; fordert den IWF und das Forum für Finanzmarktstabilität auf, diesen „Nebeneffekt“ zu begutachten und ihn bei Vorschlägen für weltweite Gegenmittel zu berücksichtigen; bezeichnet es als empörend, dass die KBC und die Deutsche Bank – wie auch andere – unter den gegenwärtigen Umständen offen eine Politik der Investitionen in Nahrungsmittelmärkte geführt und ihren Kunden nahegelegt haben, sich an Spekulationen zu beteiligen, und erklärt erneut seine nachhaltige Unterstützung für ethisch vertretbare Investitionstätigkeit; fordert in diesem Zusammenhang die Kommission auf, rasch konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, die dazu dienen, in der EU das Angebot, die Verbreitung und die Förderung des Absatzes von Finanzinstrumenten – einschließlich Versicherungen und Versicherungsprodukte im Zusammenhang mit Investmentfonds – zu verbieten, wenn deren Gewinne ganz oder teilweise auf Spekulation mit für Nahrungsmittel benötigten Grundstoffen beruhen;

7.  weist darauf hin, dass die, die am stärksten unter dieser Krise leiden, die schwächeren Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern und die Mitglieder einkommensschwacher Haushalte sind; betont in diesem Zusammenhang, dass der Anstieg der Lebensmittelpreise nicht nur das Nord-Süd-Gefälle verschärft, sondern auch das Gefälle innerhalb unserer Gesellschaften, weil die ärmsten Menschen am stärksten von der Krise betroffen sind, die weltweite soziale Unruhen zur Folge haben kann;

8.  betont die Notwendigkeit zu tragfähigen sozialpolitischen Maßnahmen, durch die arme oder benachteiligte Bevölkerungsgruppen sich selbst helfen können und die die Folgen der gegenwärtigen Nahrungsmittelkrise mildern; fordert deshalb die Kommission auf, fortschrittsträchtige Vorschläge auf der Ebene des „sozialen Europa“ zu machen; fordert die Mitgliedstaaten auf, solche Vorschläge nicht nur befürworten und zu begünstigen, sondern auch Sofortmaßnahmen zu treffen, um ihrer Bevölkerung, die mit steigenden Lebensmittelpreisen konfrontiert ist, zu helfen; betont in diesem Zusammenhang die wichtige Rolle von Umverteilung, Hilfe und Subventionen zugunsten der gefährdeten Verbrauchergruppen, damit diese einen besseren Zugang zu wertvollen Lebensmitteln haben;

9.  befürwortet in diesem Zusammenhang den Mechanismus zur Unterstützung Bedürftiger in der EU und begrüßt die öffentliche Konsultation, die die Kommission auf diesem Gebiet derzeit eingeleitet hat; fordert die Mitgliedstaaten auf, an diesem EU-Mechanismus mitzuwirken; betont, dass Haushaltsmittel für diesen Mechanismus in diesem und den anschließenden Jahren den tatsächlichen Bedürfnissen und den neuen Bedürfnissen, die sich aus der gegenwärtigen Nahrungsmittelkrise ergeben, genügen müssen; fordert die Kommission auf, sämtliche Informationen über die Art der Ausgaben, die aus der Haushaltslinie Hilfe für Bedürftige getragen werden, vorzulegen;

10.  fordert die Mitgliedstaaten auf, zusätzliche Mittel für Nahrungsmittelhilfe außerhalb der EU bereitzustellen, um dem dringenden Bedarf angesichts der gegenwärtigen Nahrungsmittelkrise gerecht zu werden; ist jedoch der Auffassung, dass die Abhängigkeit von Nahrungsmittelhilfe verringert werden muss, und betont deshalb, dass mittel- und langfristige Schritte nötig sind, um noch nachteiligere Folgen abzuwenden und den Ursachen dieser Krise zu begegnen;

11.  fordert die Kommission und den Rat auf, die Aufstockung der Haushaltsmittel für Nahrungsmittelhilfe 2008 und 2009 zu prüfen und auf diesem Gebiet mit ihm zusammen zu arbeiten; betont, dass diese Aufstockung nicht zu Lasten der Mittel für humanitäre Hilfe bzw. Entwicklungshilfe gehen darf, weil diese Ressourcen ebenfalls durch die neuen Herausforderungen in Sachen Nahrungsmittelversorgungssicherheit und Klimawandel oder durch sonstige politische Prioritäten des EP stärker in Anspruch genommen werden;

12.  fordert die Kommission auf, 2009 in ihrem Bericht über die Durchführung der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai 2006 die Situation der Mittel für Nahrungsmittelhilfe im derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmen (2007–2013) zu analysieren;

13.  stellt mit erheblicher Sorge zunehmende, auseinander gehende Inflationstendenzen fest, die vor allem mit höheren Preisen für Lebensmittel und Energie in der WWU und der gesamten Europäischen Union zusammenhängen; fordert den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister, die Eurogroup, die Kommission und die EZB auf, zügig gemeinsam – und in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und den Sozialpartnern – eine in die Zukunft gerichtete Gesamtwirtschafts- und Inflationsbekämpfungspolitik zu gestalten, zu der auch eine zukunftswirksame Investitions- und Lohnpolitik sowie Zinssenkungen mit Blick auf die Stabilisierung von Wachstum und Nachfrage gehören; fordert außerdem die Mitgliedstaaten auf, nachteiligen sozialen Auswirkungen der Steigerung der Lebensmittel- und Energiepreise entgegenzuwirken;

14.  ist der Auffassung, dass die Faktoren für den Lebensmittelpreisanstieg mit integrierten, umfassenden Schritten statt in Einzelschritten in Angriff genommen werden müssen, weil sie miteinander verbunden sind; betont, dass die Auswirkungen der Lebensmittelpreise global bewältigt werden müssen;

15.  begrüßt deshalb die Einsetzung eines VN-Arbeitsstabs zur weltweiten Nahrungsmittelkrise unter Leitung von VN-Generalsekretär Ban Ki-moon, die die Bemühungen zu koordinieren und eine kohärente internationale Reaktion auf die Krise zu formulieren hat, die durchaus eine Herausforderung für die ganze Welt ist; begrüßt zudem den Aufruf des VN-Generalsekretärs an die führenden Politiker der Welt, an der hochrangigen Konferenz zum Thema Nahrungsmittelversorgungssicherheit teilzunehmen, die in Rom (3. bis 5. Juni) stattfindet, und ermutigt sie zur Teilnahme;

16.  verweist auf die besonderen Merkmale der Agrarmärkte und darauf, dass binnenwirtschaftliche und weltweite Regulierung im Interesse der Kaufkraft der Verbraucher, der Einkommen der Landwirte und der Verarbeitungsunternehmen nötig ist; stellt fest, dass die Beilegung der gegenwärtigen Krise in einer Verbesserung des Zugangs der ärmsten Menschen der Welt zu Nahrungsmitteln und nicht in der Erhöhung von Agrarsubventionen und Protektionismus besteht; fordert die Kommission auf, diesem Gesichtspunkt durch die „Gesundheitskontrolle“ der GAP Rechnung zu tragen, und die Anpassung bisheriger Instrumente an die neue weltweite Wirklichkeit zu begutachten; erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass das Hauptziel der GAP darin besteht, für die Stabilisierung der Märkte, die Versorgungssicherheit und vertretbare Verbraucherpreise zu sorgen, und betont, dass die GAP in der Zeit nach 2013 gebraucht wird, um die nachhaltige Ernährungspolitik der EU sicherzustellen und zugleich bei Agrarprodukten für Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Qualität zu sorgen; ist der Auffassung, dass die EU als führende Kraft zu einem neuen, ländlich geprägten Modell der weltweiten Landwirtschaft beitragen sollte, bei dem eine eigenständige Ernährungspolitik von Maßnahmen im Bereich der nicht der Ernährung dienenden Produkte getrennt ist;

17.  begrüßt das vom Präsidenten der Weltbank, Robert Zoellick, vorgeschlagene ”New Deal”, das Hunger und Unterernährung in der Welt durch eine Kombination aus Soforthilfe und langfristigen Anstrengungen zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität in Entwicklungsländern bekämpfen soll; gibt der Hoffnung Ausdruck, dass damit eine Abkehr von der früher durch die Weltbank vorgegebenen Politik vollzogen wird, die die Aufstellung von Bedingungen und eine übereilte Liberalisierung des Landwirtschaftsbereichs mit sich brachte, in deren Folge viele Länder noch krisenanfälliger wurden;

18.  weist darauf hin, dass viele Entwicklungsländer dazu angespornt werden, ihre Erzeugung auf wenige, ausschließlich für die Ausfuhr bestimmte Produkte zu konzentrieren, um mit den Weltmarktpreisen für Agrarprodukte mithalten zu können; stellt fest, dass die daraus resultierende Entwicklung von Monokulturen den Verzicht auf herkömmliche Methoden der Nahrungsmittelerzeugung bedingt, die zur Versorgung der Bevölkerung des jeweiligen Landes nötig wären, und eine zunehmende Abhängigkeit von der Einfuhr von Primärerzeugnissen und den unkontrollierbaren, instabilen Weltmärkten;

19.  unterstützt die Staaten, insbesondere Entwicklungsländer, bei ihren Versuchen, den sicheren Zugang der lokalen Bevölkerung zu Nahrungsmitteln zu gewährleisten, ist davon überzeugt, dass der vorhandene politische Spielraum weiter ausgebaut werden muss, damit einzelstaatliche Regeln und Maßnahmen zum Ausbau dieses Sektors praktikabel werden; betrachtet Malawi als ein positives Beispiel für ein Entwicklungsland, dessen Nahrungsmittelproduktion sich in den letzten drei Jahren verdoppelt hat, und betont, dass die EU zu dieser Entwicklung beiträgt; fordert die Europäische Union auf, Unterstützung zur Vermittlung dieses Sachverhalts zu leisten, damit er als Beispiel in anderen Entwicklungsländern übernommen werden kann;

20.  verlangt eine zügige und umfassende Steigerung der Investitionen in Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raums und Agro-Unternehmen in Entwicklungsländern, die auf arme Landwirte und kleinmaßstäbliche Landwirtschaft in einem Rahmen von agro-ökologischen Nahrungsmittelerzeugungssystemen ausgerichtet ist; weist darauf hin, dass 75 % der armen Bevölkerung der Welt in der ländlichen Gebieten leben, dass aber nur 4 % der öffentlichen Entwicklungshilfe auf die Landwirtschaft verwendet werden; verlangt deshalb von der Kommission und den Mitgliedstaaten, dass die Landwirtschaft in ihrer Entwicklungspolitik besser zur Geltung kommt; hebt den Beitrag von nichtstaatlichen Organisationen und Behörden zu innovativen agrarpolitischen Lösungen hervor, die in Partnerschaft mit der jeweiligen Bevölkerung der Entwicklungsländer umgesetzt werden, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, solche Projekte zu fördern;

21.  betont, dass kleinen Landwirten in armen Ländern, die zum großen Teil Frauen sind, Zugang zu Boden, Finanzdienstleistungen und Krediten, ertragreichem Saatgut, Bewässerungssystemen und Düngemitteln verschafft werden muss; hebt hervor, dass die Investitionen im Agrarbereich stärker auf Bewässerung, ländliche Verbindungswege, Forschung und vor Ort vorhandenes Wissen, sauberes Trinkwasser, Bildung sowie Steigerung der Erzeugung vor Ort und des Handels auf den Märkten ausgerichtet werden müssen; fordert deshalb die Kommission auf, diese Aspekte in ihren Maßnahmen stärker zur Geltung zu bringen und Programme zugunsten von Erzeugerorganisationen, Mikrokrediten und anderen Finanzdienstleistungen sowie verstärkte Investitionstätigkeit in der Landwirtschaft zu unterstützen;

22.  verlangt, die Förderung einer nachhaltigen Agrarpolitik in alle Erweiterungs- und Nachbarschaftsinstrumente einzubeziehen;

23.  weist darauf hin, dass der Klimawandel unter Umständen den Rückgang an verfügbaren natürlichen Ressourcen beschleunigen wird; fordert die Kommission auf, weitere Maßnahmen zur Anpassung an die neuen Herausforderungen im Hinblick darauf zu prüfen, dass die Nahrungsmittel- und Energieversorgung gesichert ist; hält es für notwendig, dass die Mitgliedstaaten auf die Mittel des Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums zurückgreifen, damit Land- und Forstwirtschaft sich besser an den Klimawandel anpassen können; ist der Ansicht, dass Anpassungsmaßnahmen in diesen Sektoren zur Verringerung des Gefährdungspotenzials und zur Stärkung der Nachhaltigkeit sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht beitragen müssen; betont in diesem Zusammenhang, dass geeignete Maßnahmen zur Krisenprävention und zur Bewältigung von Risiken erforderlich sind; ist der Auffassung, dass die schrittweise Anpassung der Landwirtschaft an die neuen, durch den Klimawandel bedingten Erfordernisse im Rahmen der „Gesundheitskontrolle“ der GAP analysiert werden sollte,

24.  betont die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen der EU und Entwicklungsländern in der Klimaschutzpolitik, insbesondere bei Technologietransfer und Kapazitätsaufbau; hebt hervor, dass der Klimaschutz in die gesamte Entwicklungszusammenarbeit der EU einbezogen werden muss und dass bestimmte einfache Schutzmaßnahmen den Landwirten helfen würden, ihre Pflanzen vor Dürre und anderen Katastrophen zu schützen, wobei die Kommission diese Schutzmaßnahmen sondieren sollte;

25.  stellt fest, dass Agro-Kraftstoffe als einer der Faktoren für die steigenden Nahrungsmittelpreise genannt werden; ist der Auffassung, dass der Faktor Agro-Kraftstoffe nicht isoliert behandelt werden darf, sondern in einer integrierten Reaktion auf die gegenwärtige Nahrungsmittelkrise angegangen werden muss; betont jedoch, dass der Nahrungsbedarf Vorrang vor Agro-Kraftstoffen haben sollte;

26.  ist der Auffassung, dass die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen des Aufschwungs der Agro-Kraftstoffe der ersten Generation genauer untersucht werden müssen; ist der Auffassung, dass die Auswirkungen und die Kommerzialisierbarkeit der Biokraftstoffe der nächsten Generation ebenfalls ständig beobachtet werden muss und es auf diesem Gebiet verstärkt zu forschen gilt; weist darauf hin, dass Biokraftstoffe anhand ihrer gesamten Umweltauswirkungen und ihrer sozialen Aspekte bewertet werden sollten, wobei die Gefahr der Konkurrenz zwischen Energieversorgungssicherheit und Nahrungsmittelversorgungssicherheit zu berücksichtigen ist, die sich besonders bei Hauptnahrungsmitteln wie Mais, der auch als Agro-Kraftstoff angebaut wird, ergibt, wie das Beispiel der USA zeigt, wo nach Aussagen der OECD eine starke Förderung der Erzeugung von Mais für Agro-Kraftstoffe unmittelbar und mittelbar Einfluss auf die Lebensmittelpreise hatte; fordert die Kommission, die möglichen nachteiligen Folgen der Förderung von für Agro-Kraftstoffe verwendeten Kulturen zu untersuchen;

27.  verweist auf die Notwendigkeit der Energieeffizienz und der Diversifizierung der Energieversorgung; fordert deshalb die Kommission auf, fortlaufend die sozialen, ökologischen und ökonomischen Kosten und Vorteile von Agro-Kraftstoffen und sämtliche zur Energiegewinnung eingesetzte Biomasse sowie von anderen erneuerbaren Energieträgern zu bewerten und ihre Vorschläge entsprechend anzupassen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Regionen, in denen das Risiko des Energiemangels groß ist;

28.  betont, dass die Erzeugung sämtlicher Biomasse zur Energiegewinnung hoch gesteckten, strengen Kriterien für soziale und auf Artenvielfalt bezogene Nachhaltigkeit genügen muss und nicht nachteilige soziale Auswirkungen und Wettbewerb um die Flächennutzung nach sich ziehen sollte; verweist auf das Potenzial der nachhaltig, beispielsweise aus Abfällen oder Erzeugnissen minderwertiger Flächen, erzeugten Agro‑Kraftstoffe; stellt fest, dass das gegenwärtige Ziel eines Anteils von 10% Biokraftstoffen bis 2020 nur sinnvoll ist, wenn es als Anreiz für die Entwicklung von Biokraftstoffen der zweiten und dritten Generation wirkt; verweist in diesem Zusammenhang auf den Vorschlag der Kommission, dass die Biokraftstoffe der nächsten Generation im Hinblick auf die Einhaltung des verbindlichen 10-%-Ziels doppelt gezählt werden; erklärt sich bereit, den Vorschlag aufzugreifen, der die Einfuhren von Agro-Kraftstoffen auf die Importeure beschränken soll, die „mindestens zehn“ internationale Abkommen von einer Liste von zwölf ratifiziert haben (dazu gehören vier umweltpolitische Abkommen, einschließlich Kyoto, und acht arbeitsrechtliche Abkommen (Verbot der Kinderarbeit, gewerkschaftliche Rechte usw.)), wobei dies ein Vorschlag ist, der in einem Arbeitsdokument der Kommission im Rahmen ihrer Rechtsetzungstätigkeit gemacht worden ist;

29.  vertritt die Auffassung, dass eine stufenweise Öffnung der Agrarmärkte nötig ist, die sich nach den Entwicklungsfortschritten der einzelnen Entwicklungsländer und der Qualität richtet; stellt fest, dass empfindliche Erzeugnisse, die Grundbedürfnisse der Menschen in Entwicklungsländern sind oder besondere Bedeutung für die Nahrungsmittelversorgungssicherheit und die ländliche Entwicklung in Entwicklungsländern haben, von der uneingeschränkten Liberalisierung ausgenommen werden sollten, damit den Erzeugern vor Ort kein irreversibler Schaden entsteht;

30.  stellt fest, dass die Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Lebensmittelprodukten und landwirtschaftlichen Grundstoffen Kleinerzeuger in Entwicklungsländern, besonders in den am wenigsten entwickelten Ländern, vor zahlreiche neue Herausforderungen gestellt hat; weist darauf hin, dass es sich bei den Kleinerzeugern im Wesentlichen um Frauen handelt, die die Hauptlast der Verantwortung für die Ernährung ihrer Familien und der örtlichen Gemeinwesen tragen, und dass es wesentlich darauf ankommt, ihnen zu helfen, gegenüber auswärtiger Konkurrenz zu bestehen;

31.  verlangt mit Nachdruck mehr Kohärenz zwischen der Handels- und der Entwicklungspolitik, damit die Kleinerzeuger und Arbeitnehmer einen wesentlich höheren Anteil an den Gewinnen im weltweiten Warenhandel erhalten, die Nahrungsmittelversorgungssicherheit erhöht und sichergestellt wird, dass unfaire Handelspraktiken eine nachhaltige Entwicklung nicht hemmen;

32.  vertritt die Auffassung, dass sämtliche europäische und internationale Rechtsvorschriften darauf ausgerichtet werden sollten, Nahrungsmittelversorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Bekämpfung der Armut zu gewährleisten, und dass in den Regelungen und Übereinkünftigen im internationalen Handel die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, einschließlich des Rechts auf Nahrung, berücksichtigt werden sollten; stellt fest, dass die EU und die Staatengemeinschaft diese Ziele in ihre gesamte Politik einbeziehen sollten; betont, dass die weltweite Krise verstärkt deutlich macht, dass die globale Politik in Bezug auf Ernährung, Handel und Hilfe verbessert werden muss;

33.  betont, dass die EU in den handelspolitischen Verhandlungen mit Entwicklungsländern ein asymmetrisches Präferenzsystem bevorzugt zur Geltung bringen muss, damit diese Länder in der Lage sind, bestimmte Instrumente der Angebotssteuerung und andere entwicklungspolitische Instrumente auf ihren Märkten weiter anzuwenden;

34.  betont, dass die Kommission in ihren laufenden Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der Priorität folgen muss, den von den AKP-Staaten formulierten Entwicklungsbedürfnissen Rechnung zu tragen; warnt vor der mit den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen in der derzeitigen Konzeption verbundenen Gefahr, dass sie diesen politischen Spielraum für die Entwicklungsländer erheblich beschränken und sie daran hindern, die Landwirtschaft zu fördern und die Produktivität zu steigern, und dass eine plötzlich eintretende Konkurrenz durch europäische Erzeugnisse, die weitaus wettbewerbsfähiger sind, die Gefahr einer Destabilisierung der örtlichen Agrarmärkte in den AKP-Staaten und einer Steigerung der nahrungsmittelbezogenen Abhängigkeit der AKP-Staaten mit sich bringen; weist darauf hin, dass die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, um dieser Herausforderung zu begegnen, von dem viel versprechenden neuen Instrument der Handelshilfe begleitet sein müssen, d. h. 2 Mrd. EUR jährlich bis 2010, und von der Förderung der regionalen Integration;

35.  betont, dass ein erfolgreiches, für Entwicklung günstiges Ergebnis der Doha-Runde nötig ist; hebt hervor, dass die Industrieländer sich im Wege einer umfassenden Einigung im Welthandel verstärkt zur Reform ihrer Agrarsubventionen verpflichten sollten; stellt fest, dass es solche Subventionen zu zügeln gilt, die Dumping bewirken oder Exportchancen für Entwicklungsländer schmälern; betrachtet Erleichterungen und Zusammenarbeit im Handel als notwendig, damit Nahrungsmittel schneller und kostengünstiger dorthin gelangen, wo sie benötigt werden; verweist in diesem Zusammenhang auf die Bemühungen der Kommission um eine handelspolitische Einigung im WTO-Rahmen, die den Entwicklungsländern mit Nachdruck mehr Einnahmen verschafft und das Problem des Zugangs zu Nahrungsmitteln mildert, weil sich das Nahrungsmittelangebot als Reaktion auf höhere Preise unter der Voraussetzung weniger verzerrter Märkte und der notwendigen flankierenden Maßnahmen ausweiten wird; betont, dass die Ergebnisse der Doha-Runde den Entwicklungsländern Anreize zur Investition in ihre Agrar- und Nahrungsmittelproduktion geben dürften;

36.  ist der Auffassung, dass binnenwirtschaftliche Maßnahmen zur Korrektur von Verzerrungen ohne Gefährdung der Versorgung notwendig sind, dass aber Ausfuhrbeschränkungen fallen gelassen werden sollten; erklärt sich in diesem Zusammenhang besorgt über Vorstöße für ein „Reiskartell“;

37.  fordert die Kommission auf Vorschläge zu unterstützen, durch die eine Maßnahme in Bezug auf die Preise für Hauptnahrungsmittel in die laufenden WTO-Verhandlungen aufgenommen werden soll;

38.  erneuert seine Aufforderung an die Kommission und den Rat, fairen Handel und andere unabhängig überwachte Handelsinitiativen zu fördern, die ihren Beitrag dazu leisten, soziale und ökologische Standards zu erhöhen, indem sie kleine und marginalisierte Erzeuger in Entwicklungsländern unterstützen und gerechtere Preise und Einkommen garantieren; ermuntert die staatlichen Stellen in der Europäischen Union, Kriterien für fairen Handel und Nachhaltigkeit zum Bestandteil ihrer öffentlichen Ausschreibungen und ihrer Beschaffungspolitik zu machen;

39.  fordert die Kommission auf, die Auswirkungen zu untersuchen, die die Konzentration in der EU-Supermarktbranche auf Kleinunternehmen, Lieferanten, Arbeitnehmer und Verbraucher hat, und dabei Missbräuche der Einkaufsmacht als Folge dieser Konzentrationsprozesse und insbesondere deren Effekte auf die Lebensmittelpreise zu begutachten; begrüßt in diesem Zusammenhang den Bericht über die Gründe für die Mängel an den Dienstleistungen im Einzelhandel, der bis 2009 im Rahmen der Binnenmarktüberprüfung ausgearbeitet werden soll, und fordert die Kommission auf, geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, einschließlich rechtlicher Regelungen zum Schutz von Verbrauchern, Arbeiternehmen und Erzeugern vor festgestellten Missbräuchen oder nachteiligen Folgen;

40.  stellt fest, dass sich an der gegenwärtigen Nahrungsmittelkrise zeigt, dass politische Stabilität, regionale Integration, Demokratie und Menschenrechte nicht nur in der EU, sondern weltweit gefördert werden müssen; fordert alle Beteiligten auf, menschliche und demokratische Werte und den Rechtsstaat zur Geltung zu bringen, wenn sie die derzeitige Nahrungsmittelkrise und langfristige Probleme der Nahrungsmittelversorgungssicherheit in Angriff nehmen;

41.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU sowie dem PAP zu übermitteln.