Bericht - A6-0225/2008Bericht
A6-0225/2008

BERICHT über die Umweltauswirkungen der geplanten Ostsee-Pipeline zwischen Russland und Deutschland (Petitionen 0614/2007 und 0952/2007)

4.6.2008 - (2007/2118(INI))

Petitionsausschuss
Berichterstatter: Marcin Libicki
PR_INI_Art192


Verfahren : 2007/2118(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0225/2008

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu den Umweltauswirkungen der geplanten Ostsee-Pipeline zwischen Russland und Deutschland (Petitionen 0614/2007 und 0952/2007)

(2007/2118(INI))

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis der Petition 0614/2007 von Radvile Morkunaite, die von über 20 000 Bürgerinnen und Bürgern unterschrieben wurde, der Petition 0952/2007 von Krzysztof Mączkowski und weiterer an seine Adresse gerichteter Petitionen, die das Problem berühren, das in der Entschließung erörtert wird,

–   unter Hinweis auf den Vertrag von Lissabon, der am 13. Dezember 2007 von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet worden ist,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Thematische Strategie für den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt“ (KOM(2005)0504),

–   unter Hinweis auf das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft,

–   unter Hinweis auf die Richtlinie 97/11/EG zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten[1] sowie die Richtlinien 92/43/EWG[2] und 79/409/EWG[3], wobei die letztgenannten Richtlinien das Legislativpaket Natura 2000 bilden[4],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2006 zu einer thematischen Strategie zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt[5],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. November 2006 zu einer Strategie für die Ostseeregion im Rahmen der Nördlichen Dimension[6],

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen),

–   unter Hinweis auf die Empfehlungen der Helsinki-Kommission (HELCOM), insbesondere die Empfehlung 17/3 vom 12. März 1996 über die Notwendigkeit von Umweltverträglichkeitsprüfungen und Konsultationen mit jenen Ländern, in denen es infolge der Umsetzung eines geplanten Projekts zu negativen Auswirkungen kommen könnte,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen über Umweltverträglichkeitsprüfungen im grenzüberschreitenden Rahmen vom 25. Februar 1991 (Espoo-Übereinkommen),

–   unter Hinweis auf das Abkommen über den Zugang zur Information, die Beteiligung der Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess und den Zugang zur Justiz in Umweltfragen vom 25. Juni 1998 (Århus-Übereinkommen),

–   unter Hinweis auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS),

–   unter Hinweis auf das Vorsorgeprinzip, das gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den allgemeinen Prinzipien des acquis communautaire gehört und nach dem Gemeinschaftsrecht und dem Völkerrecht zu den Aspekten einer nachhaltigen Entwicklung zählt,

–   unter Hinweis auf das Prinzip der guten Verwaltungspraxis, bei dem es sich um eines der allgemeinen Prinzipien des Gemeinschaftsrechts handelt,

–   unter Hinweis auf die Arbeiten der Arbeitsgruppe für die Ostseeregion im Europäischen Parlament,

–   unter Hinweis auf die aus der öffentlichen Anhörung vom 29. Januar 2008 hervorgegangenen Vorschläge,

–   unter Hinweis auf die Entscheidung Nr. 1364/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Festlegung von Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze[7],

–   in Kenntnis des Aktionsplans für den Schutz der Ostsee, der am 15. November 2007 in Krakau von der Konferenz der Umweltminister der Ostseeanrainerstaaten angenommen wurde,

–   gestützt auf Artikel 10 des EG-Vertrags, der die Mitgliedstaaten zur Loyalität gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet,

–   gestützt auf Artikel 192 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Petitionsausschusses sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (A6‑0225/2008),

A.      in der Erwägung, dass acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union Ostseeanrainerstaaten sind und sich 80 % der Ostseeküste in der Europäischen Union befinden; in der Erwägung, dass die OAO Gazprom der größte Anteilseigner von Nord Stream ist,

B.  in der Erwägung, dass der Erhalt der Umwelt im Ostseeraum eines der grundlegenden Ziele der Nördlichen Dimension der EU ist, was bereits mehrfach in den Mitteilungen der Kommission und den Entschließungen des Parlaments bekräftigt wurde,

C. in der Erwägung, dass die Landwirtschaft und die Industrie sämtlicher benachbarter Mitgliedstaaten und Russlands die Ostsee am stärksten verschmutzen und für deren ökologisches Gleichgewicht die größten Probleme aufwerfen,

D. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union dem Umweltschutz, u.a. dem Schutz der Meeresumwelt, besonders verpflichtet fühlt,

E.  in der Erwägung, dass die Kommission vor dem Gerichtshof mehrfach bekräftigt hat, dass der Umweltschutz ein grundlegendes Ziel der EU ist, und der Gerichtshof die Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Schutz und den Erhalt der Meeresumwelt bestätigt hat,

F.  in der Erwägung, dass es derzeit Pläne für den Bau zahlreicher Infrastrukturprojekte in der Ostsee gibt ( Nord Stream, Windfarmen, Scanled Baltic Pipe, eine Gaspipeline zwischen Finnland und Estland, Stromleitungen zwischen Schweden und Litauen, LNG-Terminals in Świnoujscie/Swinemünde usw.),

G. in der Erwägung, dass der wachsende Beitrag von Erdgas zur Energiebilanz in Europa – insbesondere seit 1990 – die wichtigste Einzelquelle für die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen (CO2) ist,

H. in der Erwägung, dass gemäß dem in Artikel 174 Absatz 2 des EG-Vertrags verankerten Vorsorgeprinzip alle Akteure verpflichtet sind, die Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um die möglichen Auswirkungen von neuen Entscheidungen oder einer Aufnahme von bestimmten Tätigkeiten auf die Umwelt abzuschätzen, sowie die geeigneten Präventionsmaßnahmen einzuleiten, wenn eine begründete Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass Gefahren für die Umwelt eintreten werden,

I.   in der Erwägung, dass gemäß dem Grundsatz, dass die Erfordernisse des Umweltschutzes in die sektorenspezifischen Politiken integriert werden müssen, der Umweltschutz bei der Umsetzung sämtlicher Maßnahmen und Ziele der Gemeinschaft berücksichtigt werden muss,

J.   in der Erwägung, dass in Artikel 194 des künftigen Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, wie er durch den Vertrag von Lissabon eingefügt wird, eindeutig darauf hingewiesen wird, dass die Energiepolitik der Union im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt umgesetzt werden muss,

K. in der Erwägung, dass die Internationale Meeresorganisation auf die besondere ökologische Anfälligkeit der Ostsee hingewiesen und die Ostsee als „besonders sensiblen Meeresbereich“ eingestuft hat,

L.  in der Erwägung, dass die Ostsee gegenwärtig zu den weltweit am stärksten verschmutzten Meeren zählt, und in der Erwägung, dass insbesondere die Konzentration von gefährlichen Stoffen im Wasser der Ostsee und in den darin vorkommenden Lebewesen nach wie vor ungewöhnlich hoch ist,

M. in der Erwägung, dass es sich bei der Ostsee um ein typisches Binnen- und Flachmeer handelt und ihr Wasseraustausch mit den Weltmeeren gemeinsam mit dem Schwarzen Meer am geringsten ist und für einen Austausch rund 30 Jahre erforderlich sind,

N. in der Erwägung, dass die Lebensdauer der Gastransportpipeline auf 50 Jahre veranschlagt wird und dass die Arbeiten für die Stilllegung des Pipelinesystems ähnlich umfangreich wie die für den Bau der geplanten Anlage sein werden; in der Erwägung, dass dieser Aspekt gegen die Zeit abgewogen werden sollte, die es braucht, bis der ursprüngliche Zustand von Flora und Fauna wieder vollständig hergestellt sein wird, bedenkt man die ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Vorhabens,

O. in der Erwägung, dass der Kontakt mit Schwermetallen, Giftstoffen und anderen Schadstoffen Gesundheitsrisiken und Auswirkungen auf die Nahrungskette mit sich bringt, die geprüft werden müssen,

P.  in Erwägung einer Reihe von Faktoren wie der langen Verweildauer des Wassers, der Schichtung der Wassersäule, der ausgedehnten industriell genutzten Gebiete im Bereich der Flussmündungen und der erheblichen Intensivierung der Landwirtschaft im Ostseeraum, die für eine besondere Anfälligkeit der Ostsee für Umweltbedrohungen verantwortlich sind,

Q. in der Erwägung, dass die Durchführung von Arbeiten unter den besonderen Bedingungen der Ostsee das Wachstum von Algen erheblich begünstigt, was insbesondere Gefahren für Finnland, Schweden und Deutschland in sich birgt,

R.  in der Erwägung, dass ein zusätzliches Umweltrisiko von etwa 80 000 Tonnen Kampfmunition ausgeht, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ostsee versenkt wurden und Giftstoffe wie Schwefellost (Senfgas), Stickstofflost, Lewisit, Clark I, Clark II und Adamsit enthalten, die sowohl eine Bedrohung für die natürliche Umwelt der Ostsee als auch für die Gesundheit und das Leben der Menschen darstellen,

S.  in der Erwägung, dass eine Reihe von Staaten von 1945 bis zum Ende der 60er Jahre weiter Behältnisse mit Kampfmunition in der Ostsee versenkt hat,

T.  in besonderer Erwägung des kritischen Zustandes dieser Munitionsbehältnisse, bei denen davon auszugehen ist, dass ihr Durchrostungsgrad bei 80 % liegt, sowie der Tatsache, dass nicht immer genau festgestellt werden kann, an welchen Stellen sich die Munition befindet,

U. in der Erwägung, dass der am 15. November 2007 in Krakau verabschiedete Ostsee-Aktionsplan die Ostseeanrainerstaaten verpflichtet, alte Chemikalienbestände und Gerätschaften, die gefährliche Stoffe enthalten, sicher zu lagern,

V. unter Berücksichtigung des möglichen Einflusses der Erdgasleitung auf die Umwelt der Ostsee und die Anrainerstaaten,

W. in Erwägung des zunehmenden Verkehrs von Seeleuten und Öltankern in der Ostsee und der potenziellen Brandgefahr sowie der Gefahr des Auftriebsverlustes und des Sinkens von Schiffen infolge einer möglichen Beschädigung der Pipeline während ihres Baus, ihrer Installation und ihres Betriebs sowie der potenziellen Auswirkungen auf Menschen, Wirtschaft und Umwelt,

X. in der Erwägung, dass der Bau der Nordeuropäischen Gasleitung dazu führen würde, dass auf dem Grund der Ostsee auf einem Streifen mit einer Länge von 1200 km und einer Breite von etwa 2 km, also auf einer Fläche von 2400 km2, Baumaßnahmen vorgenommen werden würden und damit die weltweit größte Baustelle unter der Wasseroberfläche entstünde,

Y. in der Erwägung, dass Fischerei, Tourismus und Schifffahrt durch den Bau, die Installation und den Betrieb des Projekts beeinträchtigt werden, was zu einer ernsten Bedrohung der Wirtschaft der Küstenregionen führen wird,

Z.  in der Erwägung, dass Artikel 123 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, das integraler Bestandteil des acquis communautaire ist, die Anrainerstaaten eines halbumschlossenen Meeres verpflichtet, die Ausübung ihrer Rechte und die Erfüllung ihrer Pflichten hinsichtlich des Schutzes und der Bewahrung der Meeresumwelt zu koordinieren,

AA. in der Erwägung, dass die Vertragsparteien gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Espoo-Übereinkommens verpflichtet sind, einzeln oder gemeinsam alle geeigneten wirksamen Maßnahmen zur Verhütung, Verringerung und Bekämpfung erheblicher nachteiliger grenzüberschreitender Auswirkungen der geplanten Tätigkeiten auf die Umwelt zu ergreifen,

AB. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 5 Buchstabe a des Espoo-Übereinkommens im Rahmen der Konsultationen mit den von den grenzüberschreitenden nachteiligen Auswirkungen betroffenen Parteien mögliche Alternativen zu dem geplanten Projekt, einschließlich seiner Unterlassung, behandelt werden müssen,

AC. in der Erwägung, dass die Vertragsparteien gemäß Artikel 12 des Helsinki-Übereinkommens verpflichtet sind, sämtliche erforderlichen Schritte einzuleiten, um eine Verschmutzung der Ostsee zu verhindern, die aus Untersuchungen oder der Nutzung des Meeresbodens bzw. damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen resultiert,

AD. in der Erwägung, dass die geplante Nordeuropäische Gasleitung durch Gebiete führen würde, die in das Programm Natura 2000 aufgenommen und gemäß der Richtlinie 92/43/EWG als besondere Schutzgebiete ausgewiesen wurden,

AE. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 92/43/EWG geeignete Maßnahmen treffen müssen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten zu vermeiden,

AF. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, eine entsprechende Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen durch die Mitgliedstaaten erfordern,

AG. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt unter Berücksichtigung dieser Verträglichkeitsprüfung nur zustimmen, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben,

AH. in der Erwägung, dass es sich bei der geplanten Gaspipeline um die weltweit längste aus zwei Leitungstrassen bestehende Gasleitung handelt, die gleichzeitig jedoch den geringsten Abstand zur Wasseroberfläche aufweist, wodurch sie besonders anfällig für mögliche Beschädigungen wäre,

AI.  in der Erwägung, dass die Nordeuropäische Gasleitung gemäß der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG auf der Liste der Prioritäten steht, die im Interesse Europas liegen,

AJ.  in der Erwägung, dass alle umfangreichen technischen Konstruktionen auf dem Meeresgrund mit gewissen Risiken verbunden sind und deshalb einer besonders eingehenden und umfassenden Analyse und Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen, die sich, um verlässliche Ergebnisse zu liefern, mindestens über einen vollständigen Vegetationszyklus erstrecken muss, der bei einigen Arten sogar zwei Jahre betragen kann, ein Zeitraum, der wesentlich länger als der vom Investor vorgeschlagene sechsmonatige Untersuchungszeitraum ist,

AK. in der Erwägung, dass gemäß dem Espoo-Übereinkommen bei allen Investitionen dieser Tragweite im Vorfeld untersucht werden muss, welche alternativen Möglichkeiten bestehen, was für diesen konkreten Fall heißt, ob ein Trassenverlauf über Land möglich wäre, wobei insbesondere die Kosten für die Umsetzung und Umweltschutzaspekte berücksichtigt werden müssen,

AL. in der Erwägung, dass nach Artikel 1 des Århus-Übereinkommens jede Vertragspartei in Umweltangelegenheiten das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten gewährleisten muss,

AM. in der Erwägung, dass die Rechtsvorschriften für die Erstellung einer gründlichen Umweltverträglichkeitsprüfung beachtet und alle genannten Bedrohungen berücksichtigt werden müssen,

AN. in der Erwägung, dass ferner terroristische Bedrohungen und eventuelle Möglichkeiten zu deren wirksamer Bekämpfung in Betracht gezogen werden müssen,

1.   ist der Ansicht, dass es sich bei Nord Stream um ein Infrastrukturprojekt mit einer umfassenden politischen und strategischen Dimension für die EU und Russland handelt; hat Verständnis für die von EU-Mitgliedstaaten geäußerte Besorgnis hinsichtlich der Verlegung und der Wartung der Pipeline; betont, dass die Möglichkeit kleiner Anrainerstaaten, in der Ostseeregion als sichere Lieferanten zu fungieren, nicht isoliert von der Fähigkeit der EU betrachtet werden kann, als geeintes Ganzes aufzutreten und eine einheitliche Position zu Energiefragen einzunehmen, und erinnert an seine Entschließung vom 26. September 2007 zu einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik[8]; betont, dass gemäß der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG (mit den Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze) Nord Stream als ein Projekt von europäischem Interesse anerkannt wird, das dazu beitragen würde, den künftigen Bedarf der EU zu decken; weist mit Nachdruck darauf hin, dass dieses Projekt zusammen mit anderen zusätzlichen Gasleitungen wie Yamal II und Amber im Geiste einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik geplant werden sollte und dass dabei die Auswirkungen auf die Umwelt und die Sicherheit der EU-Mitgliedstaaten voll und ganz berücksichtigt werden sollten;

2.   bekräftigt seine Auffassung, wonach es in Anbetracht der zunehmenden Abhängigkeit der EU von einer begrenzten Anzahl von Energiequellen, Lieferanten und Transportwegen unerlässlich ist, Initiativen zu unterstützen, die auf deren Diversifizierung abzielen, und zwar sowohl in geographischer Hinsicht als auch durch die Entwicklung nachhaltiger Alternativen; weist insbesondere darauf hin, dass in den Häfen die Infrastruktur zum Umschlagen von Brennstoffen ausgebaut werden muss; erinnert daran, dass Nord Stream nur eines von zahlreichen Gasinfrastrukturprojekten, z.B. Gasleitungen und LNG-Anlagen, ist, die von entscheidender Bedeutung sind, um den Erdgasbedarf der Gemeinschaft zu decken, der – zahlreichen Studien zufolge – in den nächsten Jahren deutlich steigen und es gleichzeitig ermöglichen wird, weniger umweltverträgliche fossile Brennstoffe zu ersetzen; hält es für notwendig, die langfristigen Umweltfolgen der Gasinfrastruktur im Hinblick auf die Sicherung einer stabilen Gasversorgung zu beurteilen;

3.  unterstützt den in der oben genannten Entschließung des Parlaments vom 14. November 2006 unterbreiteten Vorschlag, wonach die künftige Meeresstrategie der EU in verbindliche internationale Verpflichtungen einmünden muss, die auch gemeinsame Verpflichtungen in Drittländern beinhalten können;

4.  betont, dass die Energieversorgungssicherheit als wesentlicher Bestandteil der Sicherheit der Europäischen Union im Allgemeinen betrachtet werden muss, wobei bei der Definition der Energieversorgungssicherheit nicht nur die fehlende Produktion innerhalb der EU berücksichtigt werden sollte, sondern auch die geopolitischen Aspekte der Abhängigkeit von Importen und das aus dieser Abhängigkeit resultierende Potenzial für politisch begründete Lieferunterbrechungen; ist der Auffassung, dass das Dritte Energiepaket die Energieabhängigkeit jedes Mitgliedstaats verringern wird, da in einem vollständig liberalisierten und integrierten Energiemarkt kein Staat von einem Drittstaatlieferanten von der Versorgung abgeschnitten werden kann;

5.  bedauert die marginale Rolle, die die EU in diesem Projekt spielt, insbesondere die der Kommission; weist darauf hin, dass eine größere Einbeziehung der EU die Unsicherheit, die viele Mitgliedstaaten angesichts des Nord-Stream-Projekts empfinden, verringern würde;

6.  nimmt die Ablehnung, die einige Mitgliedstaaten gegenüber dem Pipeline-Projekt, das auf dem Grund der Ostsee umgesetzt werden soll, der gemeinsames Gut der Ostseeanrainerstaaten ist, und das keine Angelegenheit auf bilateraler Ebene zwischen den Staaten ist, zur Kenntnis; ist daher der Auffassung, dass das Projekt in Zusammenarbeit mit jedem einzelnen der Ostseeanrainerstaaten im Einklang mit dem Espoo-Übereinkommen, dem Helsinki-Übereinkommen und anderen einschlägigen Rechtsinstrumenten verwirklicht werden sollte;

7.  spricht sich in diesem Zusammenhang dagegen aus, dass das Investitionsvorhaben in seinem geplanten Umfang ohne die Zustimmung aller Ostseeanrainerstaaten durchgeführt wird;

8.  ist davon überzeugt, dass Energieprojekte, an denen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten beteiligt sind, solidarisch und im gemeinsamen Interesse der gesamten EU und ihrer Bürger behandelt werden sollten;

9.  erkennt an, dass Nord Stream die Umweltverträglichkeitsprüfung durchführt, die den gemäß dem Espoo-Übereinkommen definierten „Ursprungsparteien“ (Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland) zur Billigung vorgelegt werden soll; fordert die Gesellschaft deshalb nachdrücklich auf, die Ergebnisse von Studien und sämtliche im Laufe von Umweltuntersuchungen gesammelten Forschungsdaten betreffend die ökologische Situation des Projektgebiets der Helsinki-Kommission und allen interessierten Staaten zur Verfügung zu stellen;

10. betont, dass eine langfristige nachhaltige Lösung voraussetzt, dass für alle Parteien sowohl während der Bauarbeiten als auch während der Operationsphasen volle Transparenz gewährleistet ist, und dass das Vertrauen in dieses wichtige Projekt verstärkt wird, wenn alle Ostseeanrainer die Arbeiten überwachen können;

11. ist der Auffassung, dass die Herausforderung, die Energieversorgung zu sichern und gleichzeitig die Verpflichtung der EU zu Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung einzuhalten, es als dringend geboten erscheinen lässt, eine kohärente und koordinierte europäische Politik für die Erdgasversorgung auf der Grundlage einer sorgfältigen Prüfung der Umweltaspekte von alternativen Lösungen auf europäischer Ebene und der gegenseitigen Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten umzusetzen;

12. fordert die Kommission und den Rat in diesem Sinne auf, sich vorbehaltlos zu verpflichten, die ökologischen Folgen des Baus der Nordeuropäischen Gasleitung zu prüfen, insbesondere in Situationen, in denen Umstände gegeben sind, die eine Stellungnahme der Kommission gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 92/43/EWG erfordern;

13. betont, dass der Grundsatz der Gegenseitigkeit in Bezug auf Investitionen voll gewahrt sein muss, wenn die gegenseitige Abhängigkeit zwischen der EU und Russland sich zu einer echten Partnerschaft entwickeln soll; stellt fest, dass Drittländer in großem Maße vom offenen Markt Europas profitieren; stellt aber auch fest, dass europäische Investoren in Russland keine vergleichbaren Vorteile genießen;

14. bedauert, dass die Kommission den in der Entschließung des Parlaments vom 16. November 2006 enthaltenen Vorschlag betreffend die Erstellung einer objektiven Umweltverträglichkeitsbewertung des geplanten Vorhabens nicht berücksichtigt hat, und wiederholt gleichzeitig die Aufforderung, eine solche Bewertung vorzulegen, die von einer unabhängigen Einrichtung auszuarbeiten ist, die mit der Zustimmung aller Ostseeanrainerstaaten ernannt werden soll;

15. fordert den Rat und die Kommission auf, die Frage sorgfältig zu prüfen, ob die Durchführung dieses Projekts mit dem Gemeinschaftsrecht und dem Völkerrecht vereinbar ist;

16. ist beunruhigt über den von Nord Stream angenommenen Zeitplan, da dieser eine gründliche Analyse der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung durch die betroffenen Länder, Nichtregierungsorganisationen und HELCOM-Sachverständige nicht zulässt;

17. weist darauf hin, dass die mehrere Jahre andauernden Baumaßnahmen auf einer Fläche von 2400 km2, bei denen zahlreiche Schiffe und weiteres Gerät zum Einsatz kommen, eine ernsthafte Bedrohung für die Biodiversität, die Vielfalt der Lebensräume sowie eine sichere und reibungslose Schifffahrt in dieser Region darstellen;

18.  bedauert, dass noch nicht genau festgestellt wurde, in welchem Umfang der Meeresboden verändert werden muss, um die Gasleitung zu verlegen, und welche Auswirkungen auf das benthische Ökosystem zu erwarten sind;

19. zeigt sich tief beunruhigt angesichts der Meldungen, wonach der Investor beabsichtigt, vor Beginn der Arbeiten an der Gasleitung eine stark giftige Glutaraldehydlösung zu verwenden; unterstreicht, dass jegliches Vorgehen, das zu einer riesigen ökologischen Katastrophe mit irreparablen Folgen führen würde, verhindert werden sollte;

20. fordert die Kommission auf, eine verlässliche und unabhängige Umweltstudie zu erstellen, die die Emissionen aus Landwirtschaft und Industrie, die die Ostsee verschmutzen, prüft, und die Situation unter Abwägung der möglichen Gefahren für die Umwelt durch die Pipelines, die derzeit die Ostsee durchqueren, zu beurteilen; fordert die Kommission ferner auf, die zusätzlichen Auswirkungen auf die Ostsee durch das Nord-Stream-Projekt zu bewerten;

21. fordert den Vorhabenträger auf zu gewährleisten, dass der Bau und Betrieb der Pipeline keine Bedrohung für zahlreiche Fisch- und Vogelarten und den Bestand der knapp 600 Schweinswale darstellt, einer Art, die ausschließlich in dieser Region anzutreffen ist;

22. vertritt die Auffassung, dass der Schutz der natürlichen Umwelt der Ostsee ein grundlegendes Element der Nördlichen Dimension der EU ist;

23. stellt fest, dass der Wohlstand der Küstenregionen und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften sehr anfällig für verschmutzte Küstengebiete und die Verschlechterung der Meeresumwelt sind und dadurch gefährdet werden; weist darauf hin, dass angesichts des Ausmaßes, in dem die Küstenregionen durch meeresbezogene Tätigkeiten und die Meerespolitik betroffen werden, eine langfristige ökologische Nachhaltigkeit die Voraussetzung für den Schutz ihres wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wohlstands ist;

24. verweist auf das Fehlen jeglicher Strategie, um strukturelle Mängel und äußere Bedrohungen der Sicherheit der Pipeline anzugehen; betont, dass unbedingt alle Aspekte in Bezug auf Sicherheit und Reaktionen in Notfällen, u.a. finanzielle Ressourcen, Akteure, Rollen und Verfahren, eindeutig definiert werden müssen;

25. betont, dass unter Berücksichtigung sowohl wirtschaftlicher als auch ökologischer Aspekte vorrangig alternative Trassenverläufe einschließlich des Zeitplans für solche Trassen untersucht werden müssen; weist darauf hin, dass die Möglichkeit besteht, diese Trassen, ausgehend von der russischen Grenze, auf dem Landweg ausschließlich durch Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlegen;

26. betont, dass die finanzielle Schadensersatzfrage bei etwaigen Störfällen umfassend geklärt sein muss, bevor überhaupt mit Baumaßnahmen begonnen werden kann; betont ferner, dass ein größerer Störfall in der Pipeline zu erheblichen Komplikationen für die Ostseeanrainer führen kann und katastrophale Folgen für die Meeresumwelt hätte; ist der Ansicht, dass Nord Stream die vollständige Haftung auf Schadensersatz übernehmen sollte;

27. fordert die Kommission auf, im Dialog mit den betroffenen Staaten, dem Investor und der Helsinki-Kommission und unter Beteiligung interessierter Nichtregierungsorganisationen eine Analyse durchzuführen;

28. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine gründliche Bewertung der wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte sowie der mit der Transparenz des Projekts zusammenhängenden Aspekte des Nord-Stream-Projekts und der daran beteiligten Unternehmen vorzunehmen;

29. begrüßt die folgenden Entscheidungen von Behörden der Mitgliedstaaten:

–  die Entscheidung der schwedischen Regierung vom 12. Februar 2008, den Antrag von Nord Stream auf Genehmigung des Baus der Pipeline wegen erheblicher Verfahrensfehler und sachlicher Fehler abzulehnen, da insbesondere keine Analyse alternativer Trassenführungen vorgelegt und die Option, die Pipeline nicht zu bauen, nicht berücksichtigt wurde;

–  den Standpunkt des litauischen Parlaments vom 27. März 2007, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Umsetzung von infrastrukturellen Großprojekten auf dem Grund der Ostsee in Erwartung einer gründlichen Analyse alternativer Lösungen sowie unabhängiger und umfassender Umweltverträglichkeitsprüfungen ausgesetzt werden muss;

  die Entscheidung der estnischen Regierung vom 21. September 2007, die Durchführung von Untersuchungen des Meeresbodens in der ausschließlichen Wirtschaftszone des Landes nicht zu genehmigen, da Zweifel am Umfang und am Ausmaß der geplanten Untersuchungen bestehen;

30. bedauert, dass im Grünbuch „Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union“ Großprojekte wie Pipelines auf dem Grund des Meeres nicht behandelt werden;

31. fordert, dass eine wirklich unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung mit der Zustimmung aller Küstenstaaten in Auftrag gegeben wird, wobei aber die von Rambøll durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung anerkannt wird;

32. bedauert, dass die Kommission in den von ihr initiierten Rechtsakten und Mitteilungen zur Meeresstrategie Fragen im Zusammenhang mit Pipelines auf dem Grund des Meeres in der Regel ausklammert, obwohl es sich hierbei um einen Sachverhalt mit weit reichenden Folgen für den Umweltschutz und die Energiesicherheit der EU handelt;

33. weist darauf hin, wie wichtig es ist, eine transparente Kommunikationsstrategie betreffend die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung zu verfolgen und diese Ergebnisse aktiv allen EU-Mitgliedstaaten, insbesondere den baltischen Küstenstaaten, zu übermitteln;

34. erneuert daher seinen in der Entschließung vom 14. November 2006 enthaltenen Vorschlag, einen verbindlichen Verhandlungsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten vorzuschlagen und die wiederholt an den Rat gerichtete Aufforderung, auf internationaler Ebene darauf hinzuwirken, dass verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfungen im Hinblick auf Fragen ausgearbeitet werden, die sich zwischen der Europäischen Union und Drittländern ergeben;

35. stellt fest, dass durch den Trassenverlauf der Nordeuropäischen Gasleitung die in der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG enthaltenen strategischen und wirtschaftlichen Ziele verwirklicht werden sollten und gleichzeitig umfassende Umweltschäden vermieden werden könnten;

36. fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alle verfügbaren rechtlichen Mittel einzusetzen, um den Bau der Nordeuropäischen Gasleitung in dem vom Investor geplanten Ausmaß zu verhindern, falls offensichtlich werden sollte, dass das Risiko einer ökologischen Katastrophe im Ostseeraum besteht;

37. fordert die Kommission insbesondere auf, die Beachtung der Vorschriften der oben genannten Dokumente, namentlich des Seerechtsübereinkommens, des Helsinki-Übereinkommens, des Espoo-Übereinkommens, des Århus-Übereinkommens und der Richtlinien 85/337/EWG, 97/11/EG, 92/43/EWG und 79/409/EWG sowie von Artikel 10 des EG-Vertrags, des Vorsorgeprinzips und des Grundsatzes einer nachhaltigen Entwicklung sicherzustellen und, falls den entsprechenden Verpflichtungen nicht nachgekommen wird, ein Verfahren nach Artikel 226 des EG-Vertrags einzuleiten;

38. fordert die Kommission insbesondere auf, entschiedene Maßnahmen zur Einhaltung des Prinzips der guten Verwaltungspraxis auf den Weg zu bringen, gemäß dem entscheidungsbefugte Organe, die über einen weit reichenden Ermessensspielraum verfügen, eine zeitnahe Untersuchung eines Sachverhaltes vornehmen und gegebenenfalls Sachverständige zu Rate ziehen müssen, um willkürliche Entscheidungen zu vermeiden;

39. fordert die Kommission auf, im Rahmen ihrer Befugnisse die Wettbewerbssituation auf dem Markt, die durch die mögliche Fertigstellung der Nordeuropäischen Gaspipeline verursacht wird, zu bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Gazprom eine dominierende Rolle auf den EU-Gasmärkten einnimmt, ohne gegenseitige Rechte für EU-Unternehmen, Zugang zum russischen Energiemarkt zu erhalten, zu garantieren;

40. schlägt vor, ein gemeinsames Kontrollsystem der Pipeline einzurichten, das alle Länder in der Ostseeregion umfasst; schlägt ferner vor, dass die Verpflichtung, Entschädigungszahlungen für Umweltschäden zu leisten, ausschließlich bei Nord Stream liegen sollte;

41. stellt fest, dass es an institutionellen Strukturen mangelt, um angemessen auf die mit diesem Projekt verbundenen Probleme in den Bereichen Umwelt und geopolitische Sicherheit reagieren zu können; schlägt daher vor, dass die Kommission ein entsprechendes Amt schaffen sollte, wobei der Amtsinhaber dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und dem Vizepräsidenten der Kommmission unterstehen und für laufende und künftige Projekte zuständig sein sollte;

42. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

  • [1]  ABl. L 73 vom 14.3.1997, S. 5.
  • [2]  ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7.
  • [3]  ABl. L 103 vom 25.4.1979, S. 1.
  • [4]  ABl. L 103 vom 25.4.1979, S. 1.
  • [5]  ABl. C 314 E vom 21.12.2006, S. 131.
  • [6]  ABl. C 314 E vom 21.12.2006, S. 330.
  • [7]  ABl. L 262 vom 22.9.2006, S. 1.
  • [8]  Angenommene Texte, P6_TA(2007)0413.

BEGRÜNDUNG

Im vergangenen Jahr gingen beim Europäischen Parlament Petitionen ein, die von beinahe 30 000 Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union unterstützt wurden. Diese stammen hauptsächlich aus den baltischen Staaten und zeigen sich beunruhigt angesichts des geplanten Baus einer Gasleitung, die auf dem Grund der Ostsee von Russland nach Deutschland verlaufen soll. Sie vertreten die Auffassung, dass dieses Investitionsvorhaben eine ernsthafte Gefährdung für die Umwelt darstellt und möglicherweise nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

Der Petitionsausschuss, der im Namen des Europäischen Parlaments die Petitionen der Bürgerinnen und Bürger prüft, die einen Bezug zur EU aufweisen, hat angesichts der Zahl der Petitionen und der Tragweite dieses Problems einstimmig beschlossen, einen Bericht über die Auswirkungen der geplanten so genannten Ostsee-Pipeline auf die natürliche Umwelt der Ostsee vorzulegen.

Wegen des vielschichtigen Charakters dieses Projekts, der über Umweltfragen hinausreicht und ebenfalls die Energiesicherheit der Europäischen Union sowie internationale Angelegenheiten betrifft, haben die beiden zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments, der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, ihre Stellungnahmen vorgelegt.

Der beispiellose Investitionsumfang und die möglicherweise weit reichenden Auswirkungen dieses Vorhabens auf grundlegende Tätigkeitsbereiche der Europäischen Union, wie z. B. die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, der Umweltschutz oder die Energiesicherheit, aber auch der Anstieg der Gaspreise, den am Ende die Verbraucher tragen müssen, waren der Grund für eine sehr intensive Auseinandersetzung mit diesem Projekt. Deshalb fand im Europäischen Parlament eine öffentliche Anhörung statt, bei der alle Seiten und Interessengruppen vertreten waren und ihre Ansichten äußern konnten.

Nach Prüfung der zahlreichen Stellungnahmen, Gutachten und Anhörungen der Teilnehmer an der öffentlichen Anhörung ist der Berichterstatter zu der Auffassung gelangt, dass die Europäische Union mit größter Vorsicht und kritisch an dieses Investitionsvorhaben herangehen sollte, da es eine unmittelbare Gefahr für die Umwelt im gesamten Ostseeraum darstellt. Dieses Problem hat tatsächlich eine europäische Dimension, da acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union großen Risiken ausgesetzt werden (Deutschland, Schweden, Finnland, Lettland, Litauen, Estland, Dänemark und Polen). Deshalb fordert der Berichterstatter den Rat und die Kommission auf, alle verfügbaren rechtlichen Mittel einzusetzen, um den Bau der Nordeuropäischen Gasleitung in der vom Investor geplanten Art und Weise zu verhindern. Er ist davon überzeugt, dass durch einen Trassenverlauf der Nordeuropäischen Gasleitung auf dem Land über das Gebiet der EU die in der Entscheidung 1364/2006/EG enthaltenen strategischen und wirtschaftlichen Ziele verwirklicht und gleichzeitig Umweltrisiken und Preisanstiege vermieden werden könnten, für die die Verbraucher aufkommen müssten.

Der Berichterstatter nimmt mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit zur Kenntnis, dass in den vergangenen Monaten in beinahe allen Ostseeanrainerstaaten sowohl Sachverständige und Regierungsstellen, die für den Umweltschutz verantwortlich sind, als auch Vertreter von Umweltorganisationen nach einer gründlichen Untersuchung dieses Vorhabens vor seinen großen Umweltrisiken gewarnt haben. Hierzu zählen insbesondere:

1. die Beeinträchtigung von Gebieten, die in das Programm NATURA 2000 aufgenommen wurden,

2. Gefahren durch deutsche Chemiewaffen aus dem Zweiten Weltkrieg, Minen, Blindgänger oder versenkte Schiffe, die sich insbesondere auf dem Grund des Finnischen Meerbusens und entlang der geplanten Trasse befinden,

3. die beispiellosen Ausmaße der Arbeiten auf einer Fläche von 2400 km2 (vergleichbar mit der Größe Luxemburgs) auf dem Grund eines verhältnismäßig kleinen Binnenmeeres,

4. die Gefahr großflächiger Verunreinigungen durch tausende Tonnen chemischer Substanzen (Aldehyde), die bei der Reinigung der Rohrleitungen vor ihrer Verlegung in die Ostsee eingeleitet werden sollen.

Die Umweltrisiken, auf die die Sachverständigen während der öffentlichen Anhörung umfassend eingingen, werden auch durch die Stellungnahmen und Gutachten anderer Organisationen bestätigt, die die Mitglieder des Europäischen Parlaments erreicht haben. So äußert z. B. Nordic Greenpeace in einer Erklärung seine Kritik und seine ablehnende Haltung gegenüber dem von Nord Stream geplanten Trassenverlauf und spricht sich für einen Trassenverlauf über Land aus.

Der Berichterstatter vertritt die Ansicht, dass die Auffassung, wonach es sich bei diesem Investitionsvorhaben auf dem Grund der Ostsee um eine bilaterale Angelegenheit zwischen Deutschland und Russland handelt, nicht geteilt werden kann. Der Umweltschutz im Ostseeraum ist eine der wichtigsten Aufgaben im Bereich der so genannten Nördlichen Dimension der EU und in einer Reihe gemeinschaftlicher Rechtsakte und Entschließungen verankert, die sich auf dieses Problem beziehen.

Deshalb trägt vor allem die EU die Verantwortung für den besonderen Schutz der Umwelt im Ostseeraum, wobei auch Aspekte wie Solidarität, Energiesicherheit und Verbraucherschutz berücksichtigt werden müssen. Es sind Fälle bekannt, in denen die europäischen Institutionen entschieden auf Investitionsvorhaben in den Mitgliedstaaten reagierten, die im Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen zweifelhaft waren, obwohl diese nur einen Mitgliedstaat betrafen. Es ist schwer vorstellbar, dass die EU-Institutionen die Tragweite eines Projekts unterschätzen, das Auswirkungen auf beinahe ein Drittel der Mitgliedstaaten und das einzige Binnenmeer der Gemeinschaft hat.

Insbesondere muss betont werden, dass der Investor nicht berücksichtigt hat, dass vorrangig auch alternative Trassenverläufe untersucht werden müssen, die keine negativen Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben und die Möglichkeit besteht, diese Trassen, ausgehend von der russischen Grenze, auf dem Landweg ausschließlich durch Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlegen. In diesem Zusammenhang fordert der Berichterstatter die Kommission auf, unter Beteiligung der betroffenen Staaten, des Investors, der Helsinki-Kommission und interessierter Nichtregierungsorganisationen entsprechende Untersuchungen auszuarbeiten.

Ferner unterstützt er die schwedische Regierungsentscheidung vom 12. Februar 2008, den Antrag auf Genehmigung zum Bau der Pipeline durch Nord Stream wegen formaler und sachlicher Fehler nicht zu prüfen, da insbesondere keine Analyse alternativer Trassenführungen vorgelegt und die Option eines Baustopps nicht berücksichtigt wurde.

Der Berichterstatter unterstützt den Standpunkt des litauischen Parlaments vom 27. März 2007, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Umsetzung von infrastrukturellen Großprojekten auf dem Grund der Ostsee so lange gestoppt werden muss, bis alternative Lösungen genau untersucht wurden sowie unabhängige und umfassende Bewertungen der Umweltauswirkungen vorliegen.

Der Berichterstatter verweist auch auf die estnische Regierungsentscheidung vom 21. September 2007 in der Nord Stream untersagt wird, in der ausschließlichen Wirtschaftszone Estlands Unterwasseruntersuchungen anzustellen.

Zudem macht der Berichterstatter auf das Problem der Deckung der durch den Bau und die Nutzung der Gasleitung verursachten Schäden sowie der Kosten für den Abbau der Leitung nach Ablauf ihrer Nutzung aufmerksam.

Neben Umweltfragen sind auch die Meinungen anerkannter Sachverständiger und der europäischen Medien von Bedeutung. Diese gehen davon aus, dass die Kosten für das Investitionsvorhaben am Ende im zweistelligen Milliardenbereich liegen könnten. Sie sind ferner der Ansicht, dass sich die Fertigstellung erheblich verzögern wird, da langfristige Untersuchungen und Konsultationen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene erforderlich sind. Sie glauben, dass selbst wenn das Projekt in einigen Jahren nach Einleitung außergewöhnlicher Sicherheitsmaßnahmen und Kompensationszahlungen für die Beeinträchtigung von NATURA-2000-Gebieten verwirklicht würde, seine enormen Kosten auf den Gaspreis in Europa umgelegt werden müssten, hauptsächlich zu Lasten der deutschen Verbraucher und der Gesellschaften, die die Leitung verlegt haben. Die Sachverständigen gehen davon aus, dass die Kosten dieses Projekts um ein Vielfaches über den Kosten einer Gasleitung liegen werden, die über Land führt.

STELLUNGNAHME des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (13.5.2008)

für den Petitionsausschuss

zu den Umweltauswirkungen der geplanten Ostsee-Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland
(2007/2118(INI))

Verfasser der Stellungnahme: Christopher Beazley

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ersucht den federführenden Petitionsausschuss, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

1.   bekräftigt seine Auffassung, wonach es in Anbetracht der zunehmenden Abhängigkeit der EU von einer begrenzten Anzahl von Energiequellen, Lieferanten und Transportwegen unerlässlich ist, Initiativen zu unterstützen, die auf deren Diversifizierung abzielen, und zwar sowohl in geographischer Hinsicht als auch durch die Entwicklung nachhaltiger Alternativen; weist insbesondere darauf hin, dass in den Häfen die Infrastruktur zum Umschlagen von Brennstoffen ausgebaut werden muss;

2.   betont, dass die Energieversorgungssicherheit als wesentlicher Bestandteil der Sicherheit der Europäischen Union im Allgemeinen betrachtet werden muss, wobei bei der Definition der Energieversorgungssicherheit nicht nur die fehlende Produktion innerhalb der EU berücksichtigt werden sollte, sondern auch die geopolitischen Aspekte der Abhängigkeit von Importen;

3.   betont die Notwendigkeit eines verstärkten Dialogs mit den wichtigsten Erzeuger-, Transit- und Verbraucherländern; erkennt an, dass die Energiesolidarität innerhalb Europas entscheidend sowohl von transparenten und gegenseitig durchsetzbaren Vereinbarungen mit Erzeugerländern und vom Bestehen eines funktionierenden Energiebinnenmarkts als auch von einer untereinander verbundenen Energieinfrastruktur abhängig ist;

4.   ist der Ansicht, dass Aspekte der Energiesolidarität innerhalb der Europäischen Union von allen Mitgliedstaaten bei ihren Entscheidungen über Infrastrukturprojekte im Energiebereich berücksichtigt werden sollten; bedauert die mangelnden Fortschritte in Richtung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik und ist beunruhigt über bilaterale Abschlüsse durch mehrere Mitgliedstaaten, die die Fähigkeit der Europäischen Union, eine einheitliche Position gegenüber den wichtigsten Lieferländern zu vertreten, unterminieren könnten; fordert die Mitgliedstaaten erneut auf, die Kommission sowie sich selbst untereinander zu unterrichten, bevor strategische Entscheidungen über bedeutende bilaterale Abkommen über Energieprojekte getroffen werden, die die Interessen anderer Mitgliedstaaten und der EU in ihrer Gesamtheit beeinträchtigen könnten, eine Vorgehensweise, die für alle Fragen der Außenpolitik von allgemeinem Interesse zu empfehlen wäre;

5.   ist der Ansicht, dass es sich bei Nord Stream um ein Infrastrukturprojekt mit einer umfassenden politischen und strategischen Dimension für die EU und Russland handelt; hat Verständnis für die von EU-Mitgliedstaaten geäußerte Besorgnis hinsichtlich der Verlegung und der Wartung der Pipeline zur Kenntnis; betont, dass die Möglichkeit kleiner Anrainerstaaten, in der Ostseeregion als sichere Lieferanten zu fungieren, nicht isoliert von der Fähigkeit der EU betrachtet werden kann, als geeintes Ganzes aufzutreten und eine einheitliche Position zu Energiefragen einzunehmen, und erinnert an seine Entschließung vom 26. September 2007 zu einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik[1]; betont, dass das Projekt in den im September 2006 angenommenen Leitlinien über transeuropäische Energienetze (TEN-E) als Projekt von europäischem Interesse gekennzeichnet wurde und dass es im Geiste der gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik geplant werden sollte;

6.   hebt die Bedeutung einer gründlichen, unabhängigen und objektiven Umweltverträglichkeitsprüfung von Nord Stream hervor, und zwar insbesondere angesichts der Empfindlichkeit des Meeresbodens der Ostsee; ist der Ansicht, dass alle relevanten Umwelt- und Sicherheitsaspekte bei der Vorbereitung, dem Bau und den operationellen Phasen einer Gaspipeline in der Ostsee uneingeschränkt berücksichtigt werden sollten; betont, dass eine endgültige Entscheidung über die Auswirkungen von Nord Stream für die Umwelt erst nach Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung getroffen werden kann;

7.   bekräftigt, wie wichtig die Energiepartnerschaft der EU mit Russland ist, und verweist erneut auf die Tatsache, dass diese strategische Partnerschaft nur auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung und der fairen Behandlung sowie gleicher Zugangsbedingungen zum Markt basieren kann; fordert den Rat und die Kommission auf, Umweltfragen und Fragen der Energieversorgungssicherheit im Rahmen des Energiedialogs zwischen der EU und Russland zur Sprache zu bringen; ist der Ansicht, dass dieser Dialog auf der Grundlage der im Vertrag über die Energiecharta verankerten Prinzipien verstärkt werden sollte; erinnert an seine Auffassung, dass die Grundsätze und die Substanz des Vertrags über die Energiecharta sowie des dazugehörigen Transitprotokolls in Kooperationsabkommen mit Drittländern einschließlich des neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit Russland einbezogen werden sollten, wobei mit Nachdruck darauf hingewiesen wird, wie wichtig es ist, dass Russland den Vertrag über die Energiecharta und das dazugehörige Transitprotokoll ratifiziert, da durch eine solche Ratifizierung das Konfliktpotential bei Projekten wie Nord Stream verringert wird;

8.   stellt fest, dass das Nord-Stream-Projekt, wenn es durchgeführt wird, zu einer Umweltkatastrophe führen kann, und zwar auf Grund hochgiftiger industrieller Ablagerungen, die insbesondere im Finnischen Meerbusen versenkt wurden, sowie auf Grund zahlreicher chemischer Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg, die irgendwo auf dem Grund der Ostsee verteilt sind, wenn diese durch Bauarbeiten beschädigt würden, wobei auch die wahrscheinliche Zunahme bei der Beförderung von flüssigen Energieerzeugnissen in der Ostsee zu berücksichtigen ist; fordert Nord Stream auf, die finanzielle Verantwortung zur Zahlung von Entschädigungen für etwaige Schäden zu übernehmen;

9.   bedauert die marginale Rolle der EU bei diesem Projekt, insbesondere die der Kommission; weist darauf hin, dass eine stärkere Beteiligung der EU die Ungewissheit verringern würde, die viele Mitgliedstaaten hinsichtlich des Nord-Stream-Projekts empfinden;

10. ruft deshalb die Kommission und die Mitgliedstaaten auf:

- die verschiedenen Aspekte des Nord-Stream-Projekts im Hinblick auf Transparenz, Wirtschaftlichkeit, Finanzplanung, regulatorische und rechtliche Aspekte zu bewerten;

- eine Studie über den Beitrag von Nord Stream zu Europas Energiebedarf einschließlich einer Prüfung aller Alternativen durchzuführen;

–  dafür Sorge zu tragen, dass Nord Stream und seine verbundenen Unternehmen in einen offenen und transparenten Dialog eintreten und mit allen betroffenen Parteien zu allen Aspekten während aller Phasen vor und nach dem Bau der Nord-Stream-Pipeline eng zusammenarbeiten;

- zu gewährleisten, dass die Bedenken aller Anrainerstaaten im Rahmen der unabhängigen Umweltverträglichkeitsprüfung ordnungsgemäß berücksichtigt werden;

- erneut von Russland die Ratifizierung des Übereinkommens von Espoo und des Vertrags über die Energiecharta einschließlich des dazugehörigen Transitprotokolls sowie die Verpflichtung zur uneingeschränkten Umsetzung der darin enthaltenen Bestimmungen zu fordern;

11. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass lückenlose und unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden, bevor Entscheidungen über alle größeren Infrastruktur-Investitionen, einschließlich Pipeline-Projekten auf See oder an Land, getroffen werden; ist davon überzeugt, dass die derzeitige Diskussion über die Notwendigkeit besserer Umweltstandards für die Umsetzung des Nord-Stream-Pipeline-Projekts dazu beitragen wird, geeignete Standards für künftige Unternehmungen einzuführen; begrüßt diesbezüglich den kürzlichen Beschluss von Nord Stream, aus Finnland und Schweden eine Studie über die Umweltgefährdung durch hochgiftige Munition, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ostsee versenkt wurde, in Auftrag zu geben;

12. schlägt die Einrichtung einer gemeinsamen Überwachung der Pipeline vor, unter Einbeziehung aller Länder in der Ostsee-Region; hält es ferner für sehr wichtig, dass die Kommission der Kontrolle des ökologischen Aspekts des geplanten Pipeline-Baus besonderes Augenmerk widmet, indem sie alle ihr zur Verfügung stehenden vorhandenen Rechtsinstrumente nutzt und auf Antrag eines Mitgliedstaats die Helsinki-Kommission (HELCOM) direkt einbezieht und eng mit ihr zusammenarbeitet;

13. stellt fest, dass es geeigneten institutionellen Strukturen mangelt, um angemessen auf die mit der Entwicklung von externen Energie-Infrastrukturen verbundenen Probleme in den Bereichen Umwelt und geopolitische Sicherheit reagieren zu können, und fordert den Rat erneut dazu auf, die Schaffung des Postens eines Hohen Beauftragten für Energieaußenpolitik in Betracht zu ziehen, der eine Doppelfunktion innehaben und dem neu eingesetzten, gestärkten Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, einem Vizepräsidenten der Kommission, unterstehen würde;

14. unterstützt nachdrücklich das Dritte Paket zur Liberalisierung der Energiemärkte, einschließlich der Drittstaatsklausel, da nur ein kraftvoller und liberalisierter europäischer Energiemarkt, versehen mit den notwendigen Instrumenten, um monopolistischem Verhalten entgegenzutreten, die Sicherheit der Energieversorgung gewährleisten kann;

15. äußert seine Besorgnis über Vorschläge, geplante Pipelines mit militärischen Mitteln zu sichern.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

6.5.2008

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

55

3

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Christopher Beazley, Angelika Beer, Colm Burke, Marco Cappato, Véronique De Keyser, Giorgos Dimitrakopoulos, Hanna Foltyn-Kubicka, Bronisław Geremek, Maciej Marian Giertych, Ana Maria Gomes, Klaus Hänsch, Richard Howitt, Anna Ibrisagic, Jelko Kacin, Ioannis Kasoulides, Maria Eleni Koppa, Helmut Kuhne, Joost Lagendijk, Vytautas Landsbergis, Johannes Lebech, Willy Meyer Pleite, Francisco José Millán Mon, Raimon Obiols i Germà, Vural Öger, Ria Oomen-Ruijten, Justas Vincas Paleckis, Ioan Mircea Paşcu, Alojz Peterle, Tobias Pflüger, João de Deus Pinheiro, Mirosław Mariusz Piotrowski, Michel Rocard, Libor Rouček, Katrin Saks, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Jacek Saryusz-Wolski, György Schöpflin, Hannes Swoboda, Konrad Szymański, Charles Tannock, Inese Vaidere, Kristian Vigenin, Jan Marinus Wiersma, Luis Yañez-Barnuevo García, Zbigniew Zaleski, Josef Zieleniec

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Laima Liucija Andrikienė, Alexandra Dobolyi, Carlo Fatuzzo, Evgeni Kirilov, Marios Matsakis, Rihards Pīks, Dariusz Rosati, Wojciech Roszkowski, Inger Segelström, Adrian Severin, Jean Spautz

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Renate Weber

STELLUNGNAHME des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (7.5.2008)

für den Petitionsausschuss

zu den Umweltauswirkungen der geplanten Ostsee-Pipeline zwischen Russland und Deutschland
(2007/2118(INI))

Verfasser der Stellungnahme: Andres Tarand

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie ersucht den federführenden Petitionsausschuss, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

1.  weist darauf hin, dass die Gaserzeugung in der EU zurückgegangen ist und die Nachfrage nach Gaseinfuhren in den nächsten Jahren entsprechend steigen wird, damit sowohl der zunehmende Bedarf der privaten Haushalte und der Industrie gedeckt werden kann als auch wenig umweltfreundliche fossile Brennstoffe ersetzt werden können; hält es für notwendig, die langfristigen Umweltfolgen der Gasinfrastruktur im Hinblick auf die Sicherung einer stabilen Gasversorgung zu beurteilen;

2.  verweist auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 8. und 9. März 2007 betreffend die Annahme des Aktionsplans (2007-2009) des Europäischen Rates zur Erreichung der energiepolitischen Ziele für Europa auf der Grundlage der Solidarität und der Diversifizierung der Versorgung, um die zunehmende Abhängigkeit der EU im Bereich der Energieversorgung anzugehen;

3.  bedauert es, dass, weil der Energiemix in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fällt, einige nationale strategische Entscheidungen zu wichtigen bilateralen Abkommen mit Drittländern die Entwicklung einer glaubwürdigen, wirksamen und konsequenten gemeinsamen Energiepolitik beeinträchtigen;

4.  fordert die Mitgliedstaaten auf, zur Sicherunt der Energieversorgung eine koordinierte Strategie in einer transparenten Art und Weise zu verfolgen; nimmt die Entscheidung Nr. 1364/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Festlegung von Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze zur Kenntnis, die die geographische Diversifizierung der Transportrouten für Energieeinfuhren sowie der Energielieferanten zum Ziel hat; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Nord-Stream Pipeline nur eine von vielen Gastransportrouten innerhalb der transeuropäischen Energienetze ist;

5.  weist darauf hin, dass die Ostsee von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation als ein „besonders empfindliches Seegebiet“ bezeichnet wird und dass die Ökosysteme der Ostsee wegen der relativ geringen Wassertiefe und der niedrigen Wasseraustauschrate auf kleinste Störungen und minimale Verunreinigungen extrem empfindlich reagieren; empfiehlt deshalb, bei der Prüfung der geplanten Nord-Stream-Pipeline mit äußerster Sorgfalt vorzugehen;

6.  weist darauf hin, dass die Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen auf dem Festlandsockel zwar mit der Freiheit der Hohen See in Einklang steht, dass es in Artikel 79 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 jedoch heißt: „Die Festlegung der Trasse für das Legen solcher Rohrleitungen auf dem Festlandsockel bedarf der Zustimmung des Küstenstaats“;

7.  fordert die Nord Stream AG als Projektträger der Pipeline auf, die Wahl der derzeitigen Trasse zu begründen und alternative Routen, einschließlich der Inlandsrouten, für die Erdgasleitung zwischen Russland und Deutschland gründlich zu prüfen; fordert, dass die integrierten ökologischen, wirtschaftlichen und technischen Studien der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) als Anlage beigefügt werden;

8.  fordert die Nord Stream AG auf, im Rahmen der umfassenderen UVP eine Beurteilung der sowohl durch die Verlegung der Pipeline als auch durch ihre Nutzung möglicherweise auftretenden kumulativen nachteiligen Auswirkungen vorzunehmen und in die UVP eine Beurteilung der möglichen Auswirkungen der geplanten Nord-Stream Pipeline auf die geschützten Gebiete und die Natura 2000-Gebiete der Ostsee aufzunehmen;

9.  fordert die Nord Stream AG auf, die zur Minderung der nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt vorgesehenen Maßnahmen zu veröffentlichen, sofern dieses Projekt realisiert wird; fordert die Nord Stream AG ausdrücklich auf, die Pipeline zum geeignetsten Zeitpunkt zu verlegen und bei ihrer Verlegung und Wartung die Verwendung von möglicherweise schädlichem Glutaraldehyd zu vermeiden, um die negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme auf das Mindestmaß zu begrenzen;

10. betrachtet sowohl die gesunkenen Kriegsschiffe als auch die seit den 1940er Jahren auf dem Grund der Ostsee lagernden chemischen Waffen als eine mögliche Bedrohung für die erfolgreiche Verlegung der Erdgasleitung und fordert deshalb die Nord Stream AG auf, eine Bestandsaufnahme aller Schiffswracks und explosiven oder chemischen Substanzen vorzunehmen, die sich in der Nähe der geplanten Leitungstrassen befinden, beispielsweise die beiden „Schiffsfriedhöfe“ mit Schiffen, die mitsamt ihrer Munition im August 1941 in der Nähe der Insel Gogland und auf halber Strecke zwischen Helsinki und dem estnischen Nationalpark Lahemaa versanken, und diese den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung zu stellen; ist der Ansicht, dass die Bestandsaufnahme auch eine Abschätzung der von diesen Schiffswracks und Substanzen ausgehenden Bedrohung beinhalten sollte;

11. ist der Ansicht, dass die von der Tätigkeit der russischen Militärstützpunkte herrührenden Schadstoffe nach der Verwirklichung des Nord-Stream-Projekts ökologische Folgen nach sich ziehen können, und fordert deshalb dazu auf, auch diesen Aspekt zu bewerten;

12. fordert die direkt an der geplanten Nord-Stream Pipeline beteiligten Staaten auf, vor Erteilung der endgültigen Genehmigung für die Verlegung der Pipeline zu klären, wer für die möglichen Folgen von Unfällen für die Ökologie der Ostsee und für die Küsten, die Bevölkerung und die Volkswirtschaften der Ostseeländer die rechtliche Verantwortung trägt, u.a. auch dann, wenn Schiffe in den engen Navigationszonen des Finnischen Meerbusens und der eigentlichen Ostsee die Gasleitung beschädigen, wenn sie untergehen;

13. erinnert an die letzten Erdbeben, wie das im Jahre 2004 in der Region Kaliningrad, und fordert den Projektträger auf, die im Rahmen der UVP vorgeschriebenen einschlägigen Studien vorzulegen;

14. nimmt zur Kenntnis, dass die Nord Stream AG den UVP-Prozess laufend weiterführt, und fordert die Gesellschaft deshalb nachdrücklich auf, die Ergebnisse von Studien und sämtliche im Laufe von Umweltuntersuchungen gesammelten Forschungsdaten betreffend die ökologische Situation des Projektgebiets der Helsinki-Kommission und allen interessierten Staaten zur Verfügung zu stellen;

15. fordert die Kommission nachdrücklich auf, in ihren gemäß der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG vorzulegenden Durchführungsbericht eine Bewertung der erzielten Fortschritte aufzunehmen, die alle etwaigen Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht durch die Nord Stream AG deutlich vermerkt;

16. fordert die Kommission auf, die UVP, die von der Gesellschaft Nord Stream für die Erdgasleitung durchgeführt wurde, ihre Übereinstimmung mit dem EU-Umweltrecht und ihre Genauigkeit, Vollständigkeit und Objektivität zu bewerten;

17. fordert die Kommission als Unterzeichnerin der Helsinki-Konvention auf, sich an die darin ausgesprochenen Empfehlungen für die Festlegung von Standardanforderungen in Bezug auf den Umfang der für die Genehmigungsverfahren für Unterseekabel und Pipelines in der Ostsee notwendigen Untersuchungen zu halten;

18. fordert die Nord Stream AG mit Blick auf das dritte Paket von Rechtsvorschriften über den Gasbinnenmarkt auf, einen leichten Zugang zur Nord-Stream-Pipeline für benachbarte Mitgliedstaaten zu gewährleisten, wenn sie einen direkten Anschluss an die Gasleitung mit Hilfe von Abzweigleitungen wünschen.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

6.5.2008

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

31

0

2

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Jan Březina, Jerzy Buzek, Jorgo Chatzimarkakis, Giles Chichester, Pilar del Castillo Vera, Den Dover, Nicole Fontaine, Norbert Glante, András Gyürk, Fiona Hall, Romana Jordan Cizelj, Werner Langen, Anne Laperrouze, Eluned Morgan, Angelika Niebler, Reino Paasilinna, Atanas Paparizov, Francisca Pleguezuelos Aguilar, Anni Podimata, Miloslav Ransdorf, Vladimír Remek, Herbert Reul, Teresa Riera Madurell, Paul Rübig, Andres Tarand, Catherine Trautmann, Nikolaos Vakalis, Alejo Vidal-Quadras

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Dorette Corbey, Göran Färm, Juan Fraile Cantón, Vittorio Prodi, Silvia-Adriana Ţicău

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

27.5.2008

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

26

3

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Sir Robert Atkins, Margrete Auken, Inés Ayala Sender, Victor Boştinaru, Michael Cashman, Alexandra Dobolyi, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, David Hammerstein, Marian Harkin, Carlos José Iturgaiz Angulo, Lasse Lehtinen, Marcin Libicki, Miguel Angel Martínez Martínez, Manolis Mavrommatis, Mairead McGuinness, Willy Meyer Pleite, Marie Panayotopoulos-Cassiotou, Eoin Ryan, Frank Vanhecke, Diana Wallis, Rainer Wieland

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Thijs Berman, Marie-Hélène Descamps, Georgios Georgiou, Henrik Lax, Grażyna Staniszewska, Margie Sudre

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Urszula Gacek, Tunne Kelam, Vytautas Landsbergis, Markus Pieper, Konrad Szymański