Entschließung des Europäischen Parlaments zum Fall Tenzin Delek Rinpoche
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Tibet und der Menschenrechtssituation in China,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 18. November 2004 zu Tibet, insbesondere dem Fall Tenzin Delek Rinpoche(1), und vom 13. Januar 2005 zu Tibet(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. April 2005 zu dem Jahresbericht zu Menschenrechten in der Welt 2004 und der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union(3),
– unter Hinweis auf den Menschenrechtsdialog zwischen der Europäischen Union und China,
– unter Hinweis auf den Bericht und die Empfehlungen des Seminars vom 20. und 21. Juni 2005 im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der Europäischen Union und China,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung anlässlich des 8. Gipfeltreffens vom 5. September 2005 zwischen der Europäischen Union und China,
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass am 2 Dezember 2002 das Volksgericht mittlerer Instanz Kardze in der autonomen tibetischen Präfektur Kardze, Provinz Szechuan, gegen Tenzin Delek Rinpoche, einen einflussreichen und geachteten buddhistischen Lama, ein Todesurteil mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub und gegen seinen Gefolgsmann Lobsang Dhondup ein Todesurteil ohne Vollstreckungsaufschub ausgesprochen hat,
B. in der Erwägung, dass Tenzin Delek Rinpoche und Lobsang Dhondup weder eine Beteiligung an einer Reihe von Bombenattentaten noch Anstiftung zum Separatismus nachgewiesen wurde,
C. in der Erwägung, dass Lobsang Dhondup am 26. Januar 2003 hingerichtet wurde,
D. in der Erwägung, dass nach chinesischem Recht - da der Angeklagte während des zweijährigen Vollstreckungsaufschubs nicht erneut gegen das Gesetz verstoßen hat - und nach enormem Druck seitens der internationalen Gemeinschaft und Menschenrechtsorganisationen das Todesurteil gegen Tenzin Delek Rinpoche am 26. Januar 2005 in lebenslängliche Haft umgewandelt wurde,
E. in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen berichten, dass der Gesundheitszustand von Tenzin Delek Rinpoche auf Grund von Folter und unmenschlichen Haftbedingungen so schlecht ist, dass ernsthafte Sorge besteht, ob er überlebt, und er weder sprechen noch gehen kann,
F. in der Erwägung, dass die Informationen über den Gesundheitszustand von Tenzin Delek Rinpoche nicht von unabhängigen Beobachtern überprüft werden können, da die chinesische Regierung den Zutritt verweigert,
G. in der Erwägung, dass am 5. September 2005 anlässlich des 30. Jahrestages der diplomatischen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China ein Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und China stattfand, bei dem eine Verständigung über einen neuen strategischen Dialog erfolgt ist, sowie in der Erwägung, dass die Frage der Menschenrechte eines der wichtigsten Themen auf der Tagesordnung war,
H. in der Erwägung, dass das Waffenembargo gegen China, das 1989 wegen des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens und der anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte und der religiösen Freiheit beschlossen und umgesetzt wurde, immer noch in Kraft ist,
1. ist tief besorgt über den Gesundheitszustand von Tenzin Delek Rinpoche;
2. fordert die zuständigen Behörden auf, alle möglichen Schritte zu unternehmen, um die Lebensbedingungen und den Gesundheitszustand von Tenzin Delek Rinpoche zu verbessern;
3. fordert, dass die chinesische Regierung Manfred Nowak, dem UN-Sonderberichterstatter zum Thema Folter, gestattet, anlässlich seiner Inspektionsreise nach China vom 21. November bis 2. Dezember 2005 Tenzin Delek Rinpoche zu besuchen und über seinen Gesundheitszustand zu berichten;
4. bekräftigt sein Eintreten für Rechtsstaatlichkeit und vermerkt die Umwandlung der Todesstrafe gegen Tenzin Delek Rinpoche positiv;
5. fordert die chinesische Regierung nichtsdestotrotz dringend auf, alle Urteile gegen Tenzin Delek Rinpoche aufzuheben und ihn unverzüglich freizulassen;
6. wiederholt seine Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe und einem unverzüglichen Moratorium für Hinrichtungen in China;
7. bedauert das Fehlen konkreter Ergebnisse hinsichtlich des Menschenrechtsdialogs zwischen der Europäischen Union und China und fordert die Regierung der Volksrepublik China erneut auf, die unmenschlichen Haftbedingungen in ihren Gefängnissen zu verbessern, die Folter von Gefangenen einzustellen bzw. abzuschaffen, den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber dem tibetischen Volk und weiteren Minderheiten Einhalt zu gebieten und sicherzustellen, dass sie die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Recht respektiert;
8. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, das Waffenhandelsembargo der Europäischen Union gegen die Volksrepublik China aufrecht zu erhalten und die bestehenden einzelstaatlichen Waffenhandelsbeschränkungen nicht zu lockern;
9. fordert die Regierung der Volksrepublik China auf, den begonnenen Dialog mit den Vertretern des Dalai Lama zu intensivieren, um ohne weiteren Verzug zu einer beiderseitig akzeptablen Lösung in der Tibet-Frage zu kommen;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der chinesischen Regierung, dem Gouverneur der Provinz Szechuan und dem Generalstaatsanwalt des Volksgerichtshofs der Provinz Szechuan zu übermitteln.