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Verfahren : 2008/2623(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B6-0386/2008

Aussprachen :

PV 04/09/2008 - 12.1
CRE 04/09/2008 - 12.1

Abstimmungen :

PV 04/09/2008 - 13.1
CRE 04/09/2008 - 13.1

Angenommene Texte :

P6_TA(2008)0411

Angenommene Texte
PDF 124kWORD 39k
Donnerstag, 4. September 2008 - Brüssel
Staatsstreich in Mauretanien
P6_TA(2008)0411RC-B6-0386/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. September 2008 zum Staatsstreich in Mauretanien

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis der nach dem Staatsstreich in Mauretanien abgegebenen Erklärungen seines Präsidenten, der im Namen der Europäischen Union abgegebenen Erklärung des amtierenden Präsidenten des Rates, des Hohen Vertreters für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union (AU), der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (ECOWAS) und der Internationalen Organisation der Frankophonie,

–   unter Hinweis auf die zweite Reise des Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Westafrika, Said Djinnit, nach Mauretanien nach diesem Staatsstreich,

–   in Kenntnis der Gründungsakte der AU, in der jeder gewaltsame Machtergreifungsversuch verurteilt wird,

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.   in der Erwägung, dass in Mauretanien am 6. August 2008 ein Staatsstreich stattfand, als der mauretanische Präsident Sidi Mohamed Ould Cheikh Abdallahi von einer Gruppe hochrangiger Generäle entmachtet wurde, die er an diesem Tag entlassen hatte,

B.   in der Erwägung, dass die Wahlen zur Nationalversammlung vom November und Dezember 2006, die Senatswahlen vom Januar 2007 und die Wahl des Präsidenten Sidi Mohamed Ould Cheikh Abdallahi vom März 2007 von den internationalen Beobachtern, darunter den Beobachtern der Europäischen Union, als fair und transparent bezeichnet wurden, insbesondere von der Beobachterdelegation des Europäischen Parlaments, die sich somit für die Legalität dieser Wahlen verbürgt hat,

C.   in der Erwägung, dass mehr als zwei Drittel der Mitglieder des mauretanischen Parlaments eine Erklärung zur Unterstützung des Anführers des Staatsstreichs Mohamed Ould Abdel Aziz und der anderen Generäle unterzeichnet haben; in der Erwägung, dass die Legislative im Juni 2008 einen Misstrauensantrag annahm, mit dem Präsident Abdallahi nachdrücklich aufgefordert wurde, seine Regierung umzubilden, und dass 49 Mitglieder aus dem Parlament ausschieden, nachdem Präsident Abdallahi 12 Minister von denen ernannte, die bereits unter dem vorherigen sehr unpopulären Regime im Amt waren,

D.   in der Erwägung, dass die Beschlüsse über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft Mauretaniens einzig und allein den gewählten Volksvertretern zustehen und dass die Demokratie ein Machtgleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative impliziert, die beide eine durch Wahlen belegte Legitimität genießen,

E.   in der Erwägung, dass der Staatsstreich in einem schlechter gewordenen wirtschaftlichen und sozialen Kontext vollzogen wurde und dass Entwicklung der beste Garant für einen Erfolg der Demokratie ist,

F.   in Anerkennung der im Hinblick auf die Rückkehr der Flüchtlinge und die Verabschiedung des Gesetzes, mit dem die Sklaverei im Land zu einem Verbrechen erklärt wird, erzielten Fortschritte,

G.   in Erwägung des Rückhalts der Europäischen Union für den demokratischen Übergang und des "Unterstützungsprogramms" im Umfang von 156 Mio. Euro für den Zeitraum 2008 bis 2013 im Rahmen des 10. Europäischen Entwicklungsfonds ergänzend zu der bereits laufenden Hilfe und der seit 1985 gewährten Hilfe in Höhe von 335 Mio. Euro,

H.   in der Erwägung, dass die Weltbank Hilfen im Umfang von 175 Mio. US Dollar an Mauretanien ausgesetzt hat und dass diese ausgesetzten Zahlungen ca. 17 nationale Projekte in Mauretanien sowie dessen Beteiligung an regionalen Projekten der Weltbank zur Entwicklung des ländlichen Raums, im Gesundheits- und Bildungswesen sowie Infrastruktur- und Straßenbauprojekte betreffen,

I.   in der Erwägung, dass ein demokratisches Mauretanien ein Pol der Stabilität in einer besonders gefährdeten Subregion wäre, in der zum einen in der Sahara an der nordöstlichen Grenze zu Algerien und Mali die salafistische Gruppe für Predigt und Kampf, die sich inzwischen in "Al Qaida des islamischen Maghreb" umbenannt hat, präsent ist und zum anderen die Tuareg-Rebellion verzeichnet wird,

J.   in der Erwägung, dass der "Verfassungserlass", in dem die Junta ihre Befugnisse definiert und der es ihr erlaubt, durch Dekrete zu regieren, keine Rechtsgrundlage hat,

1.   verurteilt den von den mauretanischen Generälen verübten Militärputsch, den zweiten in drei Jahren in diesem Land, mit dem gegen die verfassungsmäßige Legalität und die demokratischen und international anerkannten Wahlergebnisse verstoßen wurde; bedauert diesen Rückschlag angesichts bemerkenswerter Fortschritte beim Aufbau einer Demokratie und eines Rechtsstaates in Mauretanien in den vergangenen Jahren; fordert, dass die derzeitigen politischen Spannungen in Mauretanien in dem institutionellen Rahmen beigelegt werden, der nach der Phase des Übergangs zur Demokratie festgelegt wurde, und dass die verfassungsmäßige und zivile Ordnung möglichst rasch wieder hergestellt wird;

2.   fordert die unverzügliche Freilassung von Präsident Sidi Mohamed Ould Cheikh Abdallahi, Premierminister Yahya Ould Ahmed el-Waghef und weiteren Regierungsmitgliedern, die immer noch an verschiedenen Orten des Landes unter Hausarrest stehen;

3.   fordert die uneingeschränkte Achtung der verfassungsmäßigen Legalität der Befugnisse des Präsidenten und des Parlaments Mauretaniens, was impliziert, dass die Verfahren für eine Koexistenz von Präsident und Parlament und ein Gleichgewichtsmechanismus zwischen Exekutive und Legislative unter Beachtung und im Rahmen der Verfassung geregelt werden, deren Änderungen zwecks Sicherstellung einer größeren Stabilität nur gemäß deren Bestimmungen nach einer ausführlichen Debatte unter Beteiligung aller politischen Kräfte erfolgen können;

4.   ist der Auffassung, dass eine offene und ehrliche Diskussion zwischen den wichtigsten politischen Kräften über die notwendigen verfassungsmäßigen Wege und Mittel zur Beendigung der Krise entscheiden muss;

5.   begrüßt die Rückkehr der Flüchtlinge, die Verabschiedung eines Gesetzes, mit dem Sklaverei zum Verbrechen erklärt wird, und den Gesetzesentwurf zur Liberalisierung der Medien, bedauert jedoch das Fehlen einer demokratischen Regelung betreffend die humanitären Altlasten und die 1990 gegen die schwarze mauretanische Gemeinschaft verzeichneten Fälle von Machtmissbrauch, obwohl der Präsident die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zugesagt hatte;

6.   fordert die Wiedereinsetzung der nach Mauretanien zurückgekehrten Flüchtlinge in ihre Rechte, indem ihnen das ihnen entzogene Hab und Gut zurückgegeben wird;

7.   fordert, dass das bereits in besonderem Maße von der Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise betroffene mauretanische Volk nicht durch die derzeitige Krise in Geiselhaft genommen wird, und fordert die Kommission auf, die Projekte zur Unterstützung der Zivilgesellschaft im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte durchzuführen;

8.   nimmt zur Kenntnis, dass die Militärjunta neue Präsidentschaftswahlen angekündigt hat, bedauert jedoch, dass im Gegensatz zu der Junta, die von 2005 bis 2007 an der Macht war, keine Zusage in Bezug auf neutrales Verhalten bei den Wahlen abgegeben wurde; fordert die an der Macht befindlichen Militärs auf, sich unverzüglich auf einen Zeitplan für die Wiederherstellung der demokratischen Institutionen in Zusammenarbeit mit den politischen Kräften zu verpflichten ;

9.   unterstützt die Bemühungen der AU zugunsten einer Regelung der Krise durch den Weg der Vernunft;

10.   fordert die Kommission auf, einen politischen Dialog gemäß Artikel 8 des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000(1) in der in Luxemburg am 24. Juni 2005 geänderten Fassung (Cotonou-Abkommen) aufzunehmen, um die verfassungsmäßige Legalität wieder herzustellen, und das Parlament über das Ergebnis dieses Dialogs zu informieren; verlangt, falls dieser keinen Erfolg haben sollte, die Reaktivierung von Artikel 96 des Cotonou-Abkommens, der zum Einfrieren der Hilfe mit Ausnahme von Nahrungsmittelhilfe und humanitärer Unterstützung führen könnte;

11.   fordert den amtierenden Vorsitz des Rates nachdrücklich auf, die politische Lage in Mauretanien weiterhin in enger Zusammenarbeit mit der AU zu überwachen und die Sicherheit von Staatsangehörigen aus der Europäischen Union sicherzustellen;

12.   fordert die schnellstmögliche Entsendung einer Abgeordnetendelegation, die mit ihren Kollegen zusammentreffen und Hilfe zur Beilegung der Krise vorschlagen würde;

13.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Institutionen der AU, dem ECOWAS, der Internationalen Organisation der Frankophonie und dem UN-Sicherheitsrat zu übermitteln.

(1) ABl. L 317 vom 15.12.2000, S. 3.

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