BERICHT über den Fortschrittsbericht über die Türkei 2007

25.4.2008 - (2007/2269(INI))

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten
Berichterstatterin: Ria Oomen-Ruijten

Verfahren : 2007/2269(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0168/2008

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zum Fortschrittsbericht über die Türkei 2007

(2007/2269(INI))

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis des Fortschrittsberichts der Kommission 2007 über die Türkei (SEK(2007)1436),

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen vom 27. September 2006 zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt[1] und vom 24. Oktober 2007 zu den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei[2],

–   unter Hinweis auf den Verhandlungsrahmen für die Türkei vom 3. Oktober 2005,

–   in Kenntnis der Entscheidung des Rates 2008/158/EG vom 18. Februar 2008 über die Grundsätze, Prioritäten und Bedingungen der Beitrittspartnerschaft mit der Republik Türkei[3] („Beitrittspartnerschaft“) sowie auf die vorangegangenen Entscheidungen des Rates zur Beitrittspartnerschaft aus den Jahren 2001, 2003 und 2006,

–   gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6‑0168/2008),

A. in der Erwägung, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nach Billigung des Verhandlungsrahmens durch den Rat am 3. Oktober 2005 eröffnet wurden, sowie in der Erwägung, dass die Aufnahme dieser Verhandlungen der Beginn eines langen Prozesses mit offenem Ende ist,

B.  in der Erwägung, dass die Türkei sich zur Durchführung von Reformen, zur Pflege gutnachbarlicher Beziehungen und zu einer allmählichen Annäherung an die EU verpflichtet hat, und in der Erwägung, dass diese Anstrengungen auch als eine Chance für die Türkei gesehen werden sollten, sich weiter zu modernisieren,

C. in der Erwägung, dass eine vollständige Einhaltung aller Kopenhagener Kriterien sowie die Fähigkeit der Union zur Integration gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2006 die Grundlage für den Beitritt zur EU bleiben, die eine auf gemeinsamen Werten beruhende Gemeinschaft ist,

D. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Fortschrittsbericht 2007 zu dem Schluss kam, dass in der Türkei im Jahr 2007 begrenzte Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Reformen erzielt wurden[4],

E.  in der Erwägung, dass 2007 die Demokratie in der Türkei gestärkt wurde, dass ein neues Parlament gewählt wurde, das die politische Vielfalt des Landes widerspiegelt, und dass eine Regierung gebildet wurde, die mit einem starken Mandat ausgestattet ist,

F.  in der Erwägung, dass die Türkei die Bestimmungen aus dem Assoziierungsabkommen und dem dazugehörigen Zusatzprotokoll noch nicht umgesetzt hat,

G. in der Erwägung, dass im Jahr 2007 fünf Verhandlungskapitel eröffnet wurden,

Reformen auf dem Weg zu einer demokratischen und wohlhabenden Gesellschaft

1.  begrüßt die Zusage von Ministerpräsident Erdoğan, dass 2008 das Jahr der Reformen wird; fordert die türkische Regierung nachdrücklich auf, ihre Versprechen zu halten und die starke Mehrheit im Parlament zu nutzen, um entschlossen jene Reformen voranzubringen, die entscheidend sind, um aus der Türkei eine moderne und wohlhabende Demokratie zu machen, die sich auf einen säkularen Staat und eine pluralistische Gesellschaft gründet;

2.  betont, dass eine solche Modernisierung zuallererst im Interesse der Türkei selbst liegt; räumt jedoch auch ein, wie strategisch wichtig eine stabile, demokratische und wohlhabende Türkei für die EU ist; hält erneut fest, dass die Erfüllung der im Rahmen der Beitrittspartnerschaft eingegangenen Verpflichtungen von entscheidender Bedeutung für die Türkei und ihre zukünftigen Beziehungen zur EU ist;

3.  bekräftigt seine Überzeugung, dass nur eine Gesellschaft, die von der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten geleitet ist, und die sich auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine sozial orientierte Marktwirtschaft gründet, sich zu einer friedlichen, stabilen und wohlhabenden Gesellschaft entwickeln kann;

4.  nimmt die jüngste Überarbeitung der Beitrittspartnerschaft zur Kenntnis; ist sich bewusst, dass diese dritte Überarbeitung seit 2001 in den meisten Bereichen eine Verlängerung der Frist für die Erfüllung der entsprechenden Prioritäten darstellt; fordert die türkische Regierung mit Nachdruck auf, die in der Beitrittspartnerschaft festgelegten Prioritäten und Fristen nun in konkrete Reformpläne umzuwandeln, wobei zu beachten ist, dass weitere Verzögerungen das Tempo der Verhandlungen ernsthaft beeinträchtigen werden;

5.  begrüßt, dass sich im Jahr 2007 die Demokratie gegenüber den Versuchen des Militärs, in den politischen Prozess einzugreifen, durchgesetzt hat; ermutigt die türkische Regierung, weiterhin systematische Bemühungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die demokratisch gewählte politische Führung die volle Verantwortung für die Formulierung der Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik auch gegenüber Zypern trägt und dass die Streitkräfte diese zivile Verantwortung respektieren, indem sie die zivile Kontrolle vollständig und unzweideutig anerkennen; betont insbesondere die Notwendigkeit, eine uneingeschränkte parlamentarische Kontrolle über das Militär und die Verteidigungspolitik und alle damit im Zusammenhang stehenden Ausgaben einzuführen;

6.  ist besorgt über die möglichen Folgen der Schließung der AK-Partei; erwartet, dass der türkische Verfassungsgerichtshof die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, die europäischen Normen und die Leitlinien der Venedig-Kommission zum Verbot politischer Parteien respektiert;

7.  fordert die türkische Regierung auf, bei der Umsetzung von Reformen den Pluralismus und die Vielfalt einer säkularen und demokratischen Türkei hochzuhalten und fordert die Regierung und alle politischen Parteien auf, konstruktiv an einer Einigung über die wichtigen Maßnahmen zur Modernisierung des Landes mitzuwirken;

8.  betrachtet die Änderung von Artikel 301 des Strafgesetzbuches, die die Regierung dem Parlament vorgelegt hat, nur als ersten Schritt hin zu einer umfassenden Reform dieses Artikels sowie anderer Artikel des Strafgesetzbuches, und fordert die Regierung und das Parlament auf, diese Reform unverzüglich durchzuführen, damit keiner dieser Artikel mehr dazu benutzt werden kann, die Meinungsfreiheit willkürlich zu beschränken; bedauert, dass in Bezug auf die Meinungsfreiheit keinerlei Fortschritte erzielt wurden und dass die Zahl der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, die eine willkürliche Beschränkung des Rechts auf friedliche Meinungsäußerung ermöglichen, verfolgten Personen 2007 noch weiter zugenommen hat; hebt hervor, dass nach der dringend fälligen Änderung des Artikels 301 weitere gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden müssen, um sicherzustellen, dass die Türkei die freie Meinungsäußerung ebenso wie die Pressefreiheit im Einklang mit den in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen Standards in vollem Umfang garantiert;

9.  begrüßt die unlängst erfolgte Annahme des Stiftungsgesetzes durch das türkische Parlament; begrüßt die Absicht der Kommission, den neuen Text zu prüfen, und hebt hervor, dass sie untersuchen sollte, ob das Gesetz alle Benachteiligungen berücksichtigt, denen nicht-muslimische Religionsgemeinschaften in Bezug auf den Erwerb und die Verwaltung von Besitztümern ausgesetzt sind, was auch beschlagnahmte Besitztümer mit einschließt, die an Dritte verkauft wurden; fordert die türkischen Behörden auf, sicherzustellen, dass das Gesetz im Einklang mit der EMRK und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umgesetzt wird;

10. ermutigt die türkische Regierung, die positiven Maßnahmen, die mit der Annahme des Stiftungsgesetzes begonnen wurden, fortzuführen und ihren Verpflichtungen im Bereich der Religionsfreiheit nachzukommen, indem ein Rechtsrahmen geschaffen wird, der im Einklang mit der EMRK und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht und keine Glaubensgemeinschaft unangemessenen Einschränkungen aussetzt, insbesondere was ihren gesetzlichen Status, die Ausbildung des Klerus, die Wahl der Hierarchie, Religionsunterricht sowie den Bau von Gebetsstätten anbelangt; fordert, dass das religiöse und kulturelle Erbe geschützt wird; fordert die unverzügliche Wiedereröffnung des griechisch-orthodoxen Halki-Seminars und die öffentliche Verwendung des Kirchentitels eines Ökumenischen Patriarchen; teilt die Besorgnis, die der Rat am 24. Juli 2007 über das jüngste Urteil des Türkischen Kassationsgerichtshofes zum Ökumenischen Patriarchat geäußert hat, und erwartet, dass dieser Beschluss das Patriarchat und andere nicht-muslimische Gemeinschaften bei der Ausübung der ihnen im Rahmen der EMRK garantierten Rechte nicht weiter behindert;

11. fordert die türkische Regierung mit Nachdruck auf, in erster Linie eine politische Initiative zur Förderung einer dauerhaften Lösung der Kurdenfrage einzuleiten, die nur in einer spürbaren Verbesserung der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Chancen bestehen kann, die Bürgern kurdischer Herkunft offen stehen, wozu auch die reelle Möglichkeit gehört, die kurdische Sprache im Rahmen des staatlichen und privaten Schulsystems zu erlernen und sie im Rundfunk, im öffentlichen Leben sowie bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen zu verwenden; betrachtet ein mögliches Verbot der Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP) als kontraproduktiv für eine politische Lösung;

12. fordert die DTP-Partei, ihre Abgeordneten sowie ihre Bürgermeister auf, sich von der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) klar zu distanzieren und konstruktiv an einer politischen Lösung der Kurdenfrage innerhalb des demokratischen türkischen Staates mitzuwirken; ersucht auch alle anderen politischen Parteien in der Türkei, sich konstruktiv an der Verfolgung dieses Ziels zu beteiligen;

13. bedauert die zahlreichen Gerichtsverfahren, die gegen gewählte Bürgermeister und andere Politiker eingeleitet wurden, weil sie Kurdisch gesprochen und ihren Standpunkt bezüglich der Kurdenfrage zum Ausdruck gebracht haben, wie beispielsweise jene Verfahren, die unlängst zur Verurteilung von Leyla Zana sowie von 53 DTP-Bürgermeister geführt haben;

14. bekräftigt seine früheren Forderungen gegenüber der türkischen Regierung, einen umfassenden Masterplan vorzulegen, der dazu angetan ist, die sozioökonomische und kulturelle Entwicklung des Südostens der Türkei voranzutreiben, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung immer noch unter der Armutsgrenze lebt; ist der Auffassung, dass dieser Masterplan auch die sozialen, ökologischen, kulturellen und geopolitischen Probleme berücksichtigen sollte, die sich aus dem Südostanatolien-Projekt ergeben; ersucht die Kommission, die regionale Komponente der im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) geleisteten Hilfe an die zügige Ausarbeitung einer solchen Strategie zu koppeln;

15. fordert die türkische Regierung mit Nachdruck auf, ein umfassendes, landesweites Konzept zur Lösung der Frage der Binnenvertriebenen vorzulegen, das dazu angetan ist, die derzeit bestehenden rechtlichen und praktischen Schwachstellen zu beheben und die finanzielle sowie sonstige Unterstützung zur Verfügung zu stellen, die erforderlich ist, um die Rückführung und Entschädigung von Binnenvertriebenen wirksam in Angriff zu nehmen;

16. nimmt zur Kenntnis, dass ein Prozess zur Vorbereitung einer neuen, zivilen Verfassung im Gange ist; erachtet dies als die entscheidende Chance schlechthin, den Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten in den Mittelpunkt der Verfassung zu stellen; hält erneut fest, dass ein Kontrollsystem errichtet werden muss, mit dem Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, sozialer Zusammenhalt und die Trennung von Religion und Staat gewährleistet werden können; betont ferner, dass die neue Verfassung die Gleichstellung der Geschlechter gewährleisten sollte, dass in ihr nicht vage Kriterien wie „allgemeine Tugendhaftigkeit“ verwendet werden sollten, dass sie Frauen nicht in erster Linie als Familien- oder Gemeinschaftsmitglieder wahrnehmen und vielmehr die Menschenrechte von Frauen als deren individuelle Rechte bekräftigen sollte;

17. hebt hervor, dass es notwendig ist, die Zivilgesellschaft auf breiter Basis in diesen verfassunggebenden Prozess mit einzubeziehen, um eine Einigung über die zukünftige Verfassung der Türkei zu erzielen, die die politischen Parteien, die ethnischen und religiösen Minderheiten sowie die Sozialpartner umfassen sollte; nimmt die Enttäuschung und Besorgnis eines Teils der Bevölkerung zur Kenntnis, dass die Aufhebung des Kopftuchverbots an Universitäten nicht Teil eines umfassenderen Reformpakets unter weit gehender Einbeziehung der Zivilgesellschaft war; weist auf seine frühere Entschließung vom 27. September 2006 und die darin enthaltene Empfehlung über die Wahlhürde hin;

18. nimmt die Fortschritte zur Kenntnis, die hinsichtlich der Effizienz der Justiz erzielt wurden; begrüßt den Plan der türkischen Regierung, eine Reformstrategie umzusetzen, mit der die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz gestärkt und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz gesteigert werden soll; vertritt die Auffassung, dass diese Strategie in erster Linie sicherstellen sollte, dass die Auslegung der Rechtsvorschriften im Bereich Menschenrechte und Grundfreiheiten im Einklang mit den Vorgaben der EMRK steht; stellt fest, dass sich die Strategie nicht ohne ein anspruchsvolles Fortbildungsprogramm für die Justiz durchsetzen lässt; ist besorgt über die negative Haltung, die bestimmte Vertreter der Justiz in Bezug auf internationale Abkommen über Grundrechte und Grundfreiheiten sowie in Bezug auf die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzungen der EMRK gegen die Türkei verhängten Urteile an den Tag legen;

19. fordert den türkischen Verfassungsgerichthof mit Nachdruck auf, so rasch wie möglich zu einer endgültigen Entscheidung zu gelangen, was das Gesetz über den Ombudsmann anbelangt, damit die Regierung in die Lage versetzt wird, das Amt eines Ombudsmanns unverzüglich einzuführen;

20. ist besorgt über die in bestimmten Teilen der Gesellschaft in hohem Maße vorhandene Feindlichkeit gegenüber Minderheiten und über politisch und religiös motivierte Gewalt; fordert die türkische Regierung auf, gegen die Organisationen und Kreise vorzugehen, die diese Feindlichkeit schüren, alle jene Personen zu schützen, die bedroht werden und um ihr Leben fürchten müssen, sowie nachhaltige Anstrengungen zu unternehmen, um ein Umfeld zu schaffen, das eine vollständige Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ermöglicht;

21. fordert die türkischen Behörden nachdrücklich auf, die Morde an Hrant Dink und an den drei Christen in Malatya sowie alle anderen politisch oder religiös begründeten Gewaltakte lückenlos aufzuklären; bedauert, dass die entsprechenden Gerichtsverfahren nur langsam vonstatten gehen, was dem Verdacht auf Voreingenommenheit sowie dem Eindruck von Straflosigkeit Vorschub leistet, und fordert die staatlichen Stellen auf, die angebliche Nachlässigkeit seitens der zuständigen Behörden umfassend zu untersuchen und alle Verantwortlichen vor Gericht zu bringen;

22. ermutigt die türkischen Behörden, die Ermittlungen bezüglich der kriminellen Organisation Ergenekon voranzutreiben, ihre bis in die staatlichen Strukturen reichenden Netzwerke vollständig aufzudecken und die Beteiligten vor Gericht zu bringen;

23. nimmt die Bewertung der Kommission zur Kenntnis, nach der die Fälle von Misshandlung und Folter weiterhin rückläufig sind und die entsprechenden rechtlichen Schutzvorkehrungen eine positive Wirkung zeigen; fordert die Kommission jedoch auf, zu prüfen, ob das Anti-Terror-Gesetz und das Gesetz über Polizeibefugnisse diese positive Bilanz nicht abschwächen; fordert die türkische Regierung auf, ihren Kampf gegen außerhalb und innerhalb von Haftanstalten verübte Folterungen und gegen die Straflosigkeit von Vollzugsbeamten zu verstärken, fordert sie ferner auf, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter (OPCAT) zu ratifizieren und umzusetzen und auf diese Weise eine systematische Verhinderung von Folter und eine unabhängige Kontrolle der Haftanstalten zu gewährleisten;

24. nimmt die Bewertung des Begriffs Assimilierung zur Kenntnis, wie sie Ministerpräsident Erdoğan unlängst während seines offiziellen Besuchs in Deutschland formulierte; vertritt deshalb die Auffassung, dass die türkische Regierung Maßnahmen ergreifen sollte, die es allen Bürgern ermöglichen, innerhalb des demokratischen türkischen Staates ihre kulturelle Identität zu entfalten; weist in diesem Zusammenhang auf die im Verhandlungsrahmen festgelegten Verpflichtungen hin, die die Achtung und den Schutz der Minderheiten sowie den effektiven Zugang zu Unterricht, Rundfunksendungen und öffentlichen Dienstleistungen in anderen Sprachen als Türkisch betreffen;

25. begrüßt die Fortschritte, die beim Schutz der Frauen gegen Gewalt erzielt wurden, und lobt die Arbeit der öffentlichen Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in diesem Bereich; ermutigt die türkischen Behörden, weiterhin gegen häusliche Gewalt, so genannte „Ehrenmorde“ und Zwangsverheiratungen vorzugehen, insbesondere durch eine vollständige Umsetzung der entsprechenden Gesetzesvorschriften, die Fortführung einer entschlossenen öffentlichen Kampagne, die Bereitstellung von mehr Frauenhäusern, verstärkte Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden sowie eine genaue Überwachung der ergriffenen Initiativen; stellt mit Besorgnis fest, dass der Zugang zu verlässlichen Angaben über die Häufigkeit von Gewalt gegen Frauen weiterhin ein Problem darstellt, und fordert die türkische Regierung mit Nachdruck auf, diese Schwachstelle zu beheben;

26. stellt fest, dass beträchtlich viele Frauen wichtige Positionen im wirtschaftlichen, politischen und akademischen Leben der Türkei einnehmen und wiederholt, dass die Gleichbehandlung von Frauen, ihr Zugang zu Bildung und ihre politische, wirtschaftliche und soziale Emanzipation für ein weiteres wirtschaftliches Wachstum und den Wohlstand in der Türkei von entscheidender Bedeutung sind; stellt jedoch fest, dass die Gesamtbeschäftigungsquote von Frauen in der Türkei immer noch bei nur 23,8% liegt und dass eine verstärkte Mitwirkung der Frauen am politischen Leben so gut wie nicht zu verzeichnen ist; fordert daher die türkische Regierung auf, weitere konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um insbesondere in ländlichen Gebieten die Erwerbstätigkeit von Frauen zu erhöhen, sie verstärkt in das Kranken- und Sozialversicherungssystem zu integrieren und Instrumente bzw. vorübergehende Maßnahmen zu konzipieren, um die aktive Mitwirkung der Frauen am politischen Leben zu erhöhen;

27. lobt die türkische Regierung dafür, dass sie Projekte einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen der EU und türkischen Partnern unterstützt, wie etwa das Twinning-Projekt, das den Weg für eine unabhängige Einrichtung zur Gleichstellung der Geschlechter ebnen soll, und in dessen Rahmen 750 Bedienstete in Gleichstellungsfragen ausgebildet werden; erwartet, dass eine solche Einrichtung zur Gleichstellung der Geschlechter unverzüglich geschaffen wird;

28. achtet und unterstützt entschieden die Arbeit von Frauenorganisationen in der Türkei, die dazu beitragen, die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu stärken, sie gegen Gewalt zu schützen und ihren Unternehmergeist zu fördern, gleichzeitig aber auch ein positives Beispiel für die wirtschaftliche Emanzipation der Frauen darstellen und zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen;

29. beglückwünscht die Türkei zur positiven Entwicklung ihrer Wirtschaft; bekräftigt ihre Ansicht, dass Wohlstand nur in einer sozial kohärenten Gesellschaft mit einer starken Mittelklasse möglich ist; bedauert daher die geringen Auswirkungen des starken Wirtschaftswachstums auf den nach wie vor schwachen Arbeitsmarkt; weist auf die Notwendigkeit hin, das Problem der Schattenwirtschaft in Angriff zu nehmen und das Sozialversicherungssystem auf eine tragfähige Basis zu stellen; ist der Auffassung, dass eine Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu einem rascheren Wirtschaftwachstum führen könnte;

30. weist auf das Potenzial hin, das ein wirksamer sozialer Dialog für die Errichtung jener Partnerschaften haben kann, die zum Funktionieren einer sozialen Marktwirtschaft nötig sind; ist enttäuscht über die begrenzten Fortschritte, die bei der Stärkung der Instrumente des sozialen Dialogs erzielt wurden; fordert die türkische Regierung auf, die Übereinkommen der IAO vollständig umzusetzen und unterstreicht die Notwendigkeit, die derzeitigen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, des Streikrechts und des Rechts auf Tarifverhandlungen aufzuheben;

31. betont, wie wichtig der Zugang zu Bildung für eine Gesellschaft ist, die von sozialem Zusammenhalt geprägt sein soll; beglückwünscht die türkische Regierung und Zivilgesellschaft zu ihrer Kampagne zur Steigerung der Einschulrate von Mädchen; weist jedoch auf die Notwendigkeit hin, dafür zu sorgen, dass alle Kinder bei der Geburt amtlich erfasst werden, sowie die Überwachung und Einhaltung der Schulpflicht zu verbessern, um die Zahl der Kinder, die der Schule fern bleiben, weiter zu senken; beglückwünscht die türkische Regierung zu den positiven Ergebnissen, die bei der Verringerung der Kinderarbeit erzielt wurden, und ermutigt sie, in ihren diesbezüglichen Bemühungen fortzufahren;

32. äußert sich besorgt über das Ausmaß der Korruption; fordert die türkischen Behörden mit Nachdruck auf, eine umfassende Anti-Korruptions-Strategie zu entwickeln, um den Kampf gegen die Korruption wirksam voranzutreiben;

33. ist besorgt über das hohe Entwicklungsgefälle, das zwischen den einzelnen Regionen der Türkei, aber auch zwischen ländlichen und städtischen Gebieten herrscht; fordert die türkische Regierung auf, eine umfassende Strategie vorzulegen, mit der dieses Gefälle ausgeglichen werden soll; fordert die Kommission auf, dem Parlament bis Ende 2008 mitzuteilen, inwieweit die EU im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) in den Jahren 2007 und 2008 zu dieser strategischen Planung beigetragen hat;

34. fordert die türkische Regierung auf, bei Projekten mit weit reichenden Auswirkungen, wie der Errichtung von Staudämmen im Munzur-Tal, dem Allianoi-Staudamm, dem Bau des Ilisu-Staudamms sowie dem Abbau von Gold in Bergama und weiteren Regionen, bei denen geschichtliches Erbe wie auch einzigartige, wertvolle Landschaften gefährdet sind, die Standards der Europäischen Union anzuwenden; fordert die türkische Regierung auf, bei der Planung von regionalen Entwicklungsvorhaben das EU-Recht als Richtschnur zu verwenden;

35. verurteilt mit Nachdruck die von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und anderen Terrorgruppen auf türkischem Boden begangenen Gewaltakte; verurteilt den Anschlag in Diyarbakır im Januar 2008, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen und mehr als 60 verletzt wurden, und bringt sein tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer dieses Verbrechens zum Ausdruck; bekräftigt seine Solidarität mit der Türkei bei der Bekämpfung des Terrorismus und wiederholt seine Forderung an die PKK, eine sofortige und bedingungslose Waffenruhe auszurufen und einzuhalten;

36. wiederholt seine Appelle an die türkische Regierung, keinerlei unverhältnismäßige Militäraktionen zu unternehmen, die das Hoheitsgebiet des Irak verletzen; fordert die Türkei mit Nachdruck auf, die territoriale Integrität, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit des Irak zu achten und sicherzustellen, dass zivile Opfer vermieden werden; fordert die Regierung des Irak und die kurdische Regionalregierung im Irak auf, nicht zuzulassen, dass irakisches Hoheitsgebiet als Ausgangsbasis für Terrorakte gegen die Türkei verwendet wird; begrüßt den Austausch, der zwischen den Regierungen der Türkei und des Irak stattfindet, und fordert Maßnahmen zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der kurdischen Regionalregierung im Irak, um eine wirksame Verhinderung von Terroranschlägen unter irakischer Verantwortung zu ermöglichen;

Regionale Fragen und Außenbeziehungen

37. erinnert die Türkei an ihre Verpflichtung zu gutnachbarlichen Beziehungen und bringt mit Nachdruck seine Erwartung zum Ausdruck, dass die Türkei sich jeglicher Drohungen gegen Nachbarländer enthält und alle ungelösten Streitfälle friedlich und im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, anderen einschlägigen internationalen Übereinkommen sowie bilateralen Abkommen und Verpflichtungen beilegt; fordert insbesondere die türkischen Behörden auf, im Geiste guter Nachbarschaft den Dialog mit Griechenland (z.B. bezüglich des Festlandsockels der Ägäis) und Bulgarien (z. B. bezüglich der Eigentumsrechte der thrakisch-bulgarischen Flüchtlinge) zu verbessern, um alle noch offenen bilateralen Streitpunkte zu klären;

38. betont, dass es nötig ist, zu einer umfassenden Lösung der Zypern-Frage zu gelangen; begrüßt die Einigung, die am 21. März von den politischen Führern der beiden Volksgruppen Zyperns erzielt wurde, und fordert beide Parteien auf, die günstige Gelegenheit, die sich derzeit bietet, zu nutzen, um eine umfassende Lösung innerhalb des UN-Rahmens und auf der Grundlage der Prinzipien, auf die die Europäische Union sich stützt, zu erzielen; weist in diesem Zusammenhang auf seine früheren Entschließungen hin, in denen es erklärt, dass der Abzug der türkischen Streitkräfte die Aushandlung einer Lösung erleichtern würde;

39. begrüßt die Einrichtung eines Instruments der finanziellen Unterstützung zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der türkisch-zyprischen Volksgruppe; fordert die Kommission erneut auf, einen eigenen Bericht über die Umsetzung und die Wirksamkeit dieses Instruments vorzulegen;

40. begrüßt den jüngsten offiziellen Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis in der Türkei, der auf eine weitere Verbesserung der bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei hoffen lässt, vor allem auf eine friedliche Lösung all jener Fragen, die in früheren Entschließungen des Parlaments besonders erwähnt wurden, und zwar auf der Grundlage des Völkerrechts und im Einklang mit den im Verhandlungsrahmen eingegangenen Verpflichtungen;

41. fordert die türkische Regierung auf, die Wirtschaftsblockade gegen Armenien zu beenden und die Grenze zu diesem Land wieder zu öffnen; fordert die türkische und die armenische Regierung erneut auf, einen Prozess der Versöhnung einzuleiten, der sich sowohl auf die Gegenwart als auch auf die Vergangenheit bezieht und eine ehrliche und offene Diskussion über Ereignisse in der Vergangenheit ermöglicht; fordert die Kommission auf, diesen Versöhnungsprozess zu erleichtern;

42. anerkennt die Rolle der Türkei als wichtiger Partner der EU bei der Umsetzung ihrer außenpolitischen Ziele im Schwarzmeerraum, in Zentralasien und dem erweiterten Nahen Osten; fordert die Kommission und den Rat auf, das Potenzial engerer Beziehungen zwischen der EU und der Türkei in diesen Regionen besser zu nutzen;

43.  fordert die Türkei mit Nachdruck auf, die Satzung des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterzeichnen, da dieser auf multilateraler Ebene ein entscheidendes Instrument darstellt;

44. lobt den Beitrag der Türkei zu den ESVP-Missionen und -Operationen in Bosnien-Herzegowina und der Demokratischen Republik Kongo sowie ihren Beitrag zu den von der NATO geleiteten Einsätzen in Kosovo, Darfur und Afghanistan;

45. bedauert jedoch die Vorbehalte der Türkei in Bezug auf die Umsetzung der strategischen Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO auf der Grundlage und in Weiterführung des Abkommens „Berlin Plus“; ist besorgt über deren negative Auswirkungen auf den Schutz der von der EU entsandten Einsatzkräfte, insbesondere auf die EU-Polizeimission in Afghanistan und die EULEX-Mission im Kosovo, und fordert einen Verzicht auf diese Vorbehalte seitens der Türkei zum frühestmöglichen Zeitpunkt;

Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei

46. fordert die türkische Regierung mit Nachdruck auf, die Bestimmungen aus dem Assoziierungsabkommen EG-Türkei und dem dazugehörigen Zusatzprotokoll vollständig und umgehend umzusetzen; weist darauf hin, dass die Türkei durch eine Nichteinhaltung ihrer Verpflichtungen den Verhandlungsprozess weiterhin ernsthaft beeinträchtigen wird;

47. anerkennt die Bestrebungen der Türkei, ein Energieumschlagplatz zwischen Europa und Asien zu werden, sowie den Beitrag, den die Türkei für die Energieversorgungssicherheit in Europa leisten kann; begrüßt die Fortschritte, die die Türkei im Bereich Energie erzielt hat; verweist auf seine oben genannte Entschließung vom 24. Oktober 2007, in der es die Eröffnung von Verhandlungen über dieses Kapitel unterstützt; ermutigt die Türkei, der Europäischen Energiegemeinschaft als Vollmitglied beizutreten und so die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Türkei im Energiebereich zu stärken, was allen beteiligten Partien zugute kommen kann; fordert die Türkei auf, das Pipeline-Projekt „Nabucco“, das ein vorrangiges Projekt der EU ist, uneingeschränkt zu unterstützen;

48. fordert die Kommission und die türkische Regierung auf, Verhandlungen über ein Abkommen zur Erleichterung der Visumerteilung zwischen der EU und der Türkei aufzunehmen;

49. weist darauf hin, dass eine der wichtigsten Migrationsrouten vom erweiterten Nahen Osten und Südasien nach Europa über türkisches Staatsgebiet verläuft; nimmt die begrenzten Fortschritte zur Kenntnis, die im Bereich Migrationssteuerung erzielt wurden; fordert die Kommission und die Türkei auf, die Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen im Einklang mit den Grundrechten der Person zu intensivieren, damit ein solches Abkommen möglichst umgehend abgeschlossen werden kann; fordert die türkische Regierung auf, die bestehenden bilateralen Rückübernahmeabkommen und die dazugehörigen Protokolle mit den EU-Mitgliedstaaten ordnungsgemäß umzusetzen;

50. begrüßt die Fortschritte, die die türkische Regierung in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Kultur erzielt hat, was deren Angleichung an den gemeinschaftlichen Besitzstand anbelangt; unterstreicht, wie wichtig eine enge und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei in diesen Bereichen ist, die entscheidend für eine langfristig erfolgreiche Modernisierung der türkischen Gesellschaft sind;

51. begrüßt die Ernennung Istanbuls zur Europäischen Kulturhauptstadt 2010 als eine Gelegenheit, den interkulturellen Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei zu intensivieren;

52. bekräftigt, dass es den zivilgesellschaftlichen Dialog zwischen der EU und der Türkei unterstützt, und fordert die Kommission auf, über die Aktivitäten zu berichten, die innerhalb dieses Rahmens stattgefunden haben, sowie auch über die Hilfe, die der türkischen Zivilgesellschaft über das Instrument für Heranführungshilfe (IPA) zuteil wurde; fordert die türkische Regierung auf, ihre Zivilgesellschaft stärker in den Reformprozess einzubinden;

53. begrüßt die Tatsache, dass das Instrument für Heranführungshilfe (IPA) die Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung einer besser informierten öffentlichen Debatte über die EU-Erweiterung vorsieht; fordert die türkische Regierung ebenso wie nichtstaatliche Akteure in der Türkei und der EU auf, diese Mittel voll auszuschöpfen, um die Unterstützung des Reformprozesses zu verbessern und die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei weiter zu festigen;

54. bedauert, dass die Kommission keinen Folgebericht über die 2004 vorgelegte Untersuchung der Auswirkungen des Beitritts der Türkei veröffentlicht hat; fordert, dass ihm eine solche unverzüglich vorgelegt wird;

55. fordert die türkische Regierung auf, alle nötigen Strukturen zu schaffen, um die IPA-Hilfe in vollem Umfang zu verwenden und die Absorptionskapazität der Türkei zu verbessern; fordert die Kommission auf, bis Ende 2008 einen Bericht über die finanzielle Unterstützung vorzulegen, die der Türkei im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) seit 2007 zuteil wurde.

56. betont erneut die Bedeutung von bilateralen und trilateralen Programmen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (Türkei-Griechenland-Bulgarien), auch von solchen, die im Rahmen des ENPI-CBC-Programms für die Schwarzmeerregion finanziert werden, als geeignetes Mittel zur Förderung von intensiveren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontakten zwischen den lokalen Partnern in den Grenzgebieten;

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57. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär des Europarats, dem Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 306 E vom 15.12.2006, S. 284.
  • [2]  Angenommene Texte, P6_TA(2007)0472.
  • [3]  ABl. L 51 vom 26.2.2008, S. 4.
  • [4]               Schlussfolgerungen zur Türkei, Fortschrittsbericht der Kommission über die Türkei, KOM(2007)663/SEK(2007)1436.

STELLUNGNAHME des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (15.4.2008)

für den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten

zum Fortschrittsbericht über die Türkei 2007
(2007/2269(INI))

Verfasserin der Stellungnahme: Emine Bozkurt

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter ersucht den federführenden Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

–    in Kenntnis seiner Entschließungen vom 6. Juli 2005[1] und 13. Februar 2007[2] zur Rolle der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik der Türkei,

1.   hebt hervor, dass die Achtung der Menschenrechte und damit auch der Frauenrechte eine unabdingbare Voraussetzung für die EU-Mitgliedschaft ist, und fordert die Kommission auf, die Menschenrechts- und insbesondere die Frauenrechtsfrage in ihren Verhandlungen mit der Türkei vorrangig zu behandeln;

2.   betont, wie wichtig es für die Türkei ist, alle Formen der Diskriminierung im Einklang mit Artikel 13 des EG-Vertrags zu bekämpfen, in dem die Gleichheit aller ohne Ansehen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung gefordert wird;

3.   nimmt besorgt die Aussage der Kommission zur Kenntnis[3], dass der Zugang zu verlässlichen Daten zu der Auswirkung von Gewalt gegen Frauen immer noch problematisch ist; fordert die türkische Regierung auf, für spezifische, verlässliche Daten dazu wie auch zur Analphabetenquote bei Frauen, zum gleichen Zugang von Frauen zur Bildung und zu Problemen der Einbindung von Frauen als Arbeitskräfte zu sorgen;

4.   dringt darauf, dass die türkische Regierung Reformen einleitet, um tatsächliche Geschlechtergerechtigkeit, Teilhabe von Frauen und soziale Sicherheit zu erreichen, die Feminisierung der Armut und Gewalt gegen Frauen auszumerzen und die Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt, die Bildung, die Wissenschaft und das Leben in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik mit Nachdruck zu erhöhen;

5.   fordert die türkische Regierung auf, das Gleichstellungsgesetz umgehend zu erlassen, wie dies im Runderlass des Ministerpräsidenten vom 4. Juli 2006 angegeben ist;

6.       zeigt sich alarmiert davon, dass die Zahl der bei der Geburt nicht registrierten Kinder vor allem im Osten des Landes nach wie vor hoch ist und diese Kinder zumeist Mädchen sind; ist der Auffassung, dass dies die Bekämpfung von Zwangsehen und Ehrenmorden erschwert, da die Opfer keine amtliche Identität haben; dringt erneut darauf, dass die türkischen Behörden weiterhin alles Notwendige veranlassen um sicherzustellen, dass alle türkischen Kinder nach der Geburt registriert werden;

7.   begrüßt die Initiativen und Maßnahmen der türkischen Regierung; betont jedoch, dass weitere Bemühungen zur Verabschiedung von Maßnahmen gegen Gewalt aller Art gegen Frauen erforderlich sind;

8.   stellt mit Bedauern fest, dass sich die Lage von Frauen auf dem türkischen Arbeitsmarkt in den letzten Jahren verschlechtert hat, und betont, dass die Türkei mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt bringen und im Einklang mit der von der Internationalen Arbeitsorganisation und der Europäischen Union geförderten Agenda für menschenwürdige Arbeit für gute Arbeitsbedingungen sorgen sollte;

9.   hält es für wesentlich, dass die neue Verfassung für Geschlechtergerechtigkeit sorgt und Frauen mehr anstatt weniger Rechte einräumt, darunter auch die uneingeschränkte Wahrnehmung ihres Rechts auf Arbeit, dass sie die Grundlage für eine ausgewogene Vertretung auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung schafft, dass in ihr nicht vage Kriterien wie „allgemeine Tugendhaftigkeit“ verwendet werden, dass sie Frauen nicht in erster Linie als Familien- oder Gemeinschaftsmitglieder oder verletzliche, schutzwürdige Gruppe wahrnimmt und dass sie die Menschenrechte von Frauen, auch ihre sexuellen und reproduktiven Rechte, als deren individuelle Rechte bekräftigt;

10. bekräftigt die Bedeutung nichtstaatlicher Organisationen und anderer Akteure der Zivilgesellschaft und fordert die türkische Regierung daher auf, für einen verstärkten, koordinierten und institutionalisierten Dialog mit der Zivilgesellschaft zu sorgen, insbesondere bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, sowie sicherzustellen, dass die Zivilgesellschaft in alle Bereiche der Politikgestaltung, auch jene, die die soziale Sicherheit und die Verhandlungen mit der EU betreffen, mit einbezogen wird;

11. stellt mit Befriedigung fest, dass die Umsetzung des Ministerialerlasses zur Bekämpfung von Ehrenmorden und häuslicher Gewalt gegen Frauen begonnen hat; betont, dass die Klagen der Opfer rasch, vertraulich und human bearbeitet werden müssen; ist jedoch besorgt darüber, dass häusliche Gewalt gegen Frauen immer noch weit verbreitet ist und es immer noch Ehrenmorde, Früh- und Zwangsehen gibt;

12. empfiehlt sich der türkischen Regierung mit seiner Unterstützung erfolgreicher Projekte der Zusammenarbeit zwischen EU- und türkischen Partnern wie etwa des Twinning-Projekts, mit dem eine unabhängige Gleichstellungsstelle geschaffen werden soll und 750 Beamte in Gender mainstreaming ausgebildet werden; erwartet, dass eine solche Gleichstellungsstelle unverzüglich eingerichtet wird;

13. stellt besorgt fest, dass die politische Mitwirkung von Frauen nicht angestiegen ist; betrachtet die Erhöhung des Anteils weiblicher Parlamentsmitglieder von 4,4 % auf 9 % als unzureichend und macht auf die kommenden Lokalwahlen als Gelegenheit aufmerksam, durch Mittel wie Frauenquoten auf den Wahllisten Abhilfe dagegen zu schaffen;

14. wiederholt seine vielfach geäußerte Forderung nach einem ständigen Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter mit uneingeschränkten Legislativbefugnissen im türkischen Parlament; sieht einen solchen Ausschuss als wesentliches Instrument zur Stärkung der Rechte der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter in der Türkei;

15. fordert die türkischen Behörden auf, weiter an der Beseitigung geschlechtsspezifischer Diskrepanzen in der Grundschulbildung zu arbeiten und Schulabbrüche besonders bei Mädchen genauer zu beobachten.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

14.4.2008

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

20

0

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Emine Bozkurt, Maria Carlshamre, Zita Gurmai, Lívia Járóka, Piia-Noora Kauppi, Astrid Lulling, Siiri Oviir, Doris Pack, Zita Pleštinská, Karin Resetarits, Teresa Riera Madurell, Eva-Britt Svensson, Anne Van Lancker, Anna Záborská

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Gabriela Creţu, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Donata Gottardi, Anna Hedh, Marusya Ivanova Lyubcheva

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Manolis Mavrommatis, Miroslav Mikolášik

  • [1]  ABl. C 157 E vom 6.7.2006, S. 385.
  • [2]  ABl. C 287 E vom 29.11.2007, S. 174.
  • [3]  Vgl. Fortschrittsbericht Türkei 2007 der Kommission (SEK(2007)1436), S. 18.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

21.4.2008

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

53

2

4

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Vittorio Agnoletto, Bastiaan Belder, André Brie, Elmar Brok, Marco Cappato, Philip Claeys, Véronique De Keyser, Giorgos Dimitrakopoulos, Michael Gahler, Georgios Georgiou, Bronisław Geremek, Ana Maria Gomes, Jana Hybášková, Jelko Kacin, Ioannis Kasoulides, Metin Kazak, Maria Eleni Koppa, Johannes Lebech, Willy Meyer Pleite, Francisco José Millán Mon, Philippe Morillon, Pasqualina Napoletano, Annemie Neyts-Uyttebroeck, Baroness Nicholson of Winterbourne, Raimon Obiols i Germà, Ria Oomen-Ruijten, Ioan Mircea Paşcu, Alojz Peterle, Bernd Posselt, Christian Rovsing, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Jacek Saryusz-Wolski, György Schöpflin, Hannes Swoboda, Antonio Tajani, Charles Tannock, Geoffrey Van Orden, Kristian Vigenin, Jan Marinus Wiersma, Josef Zieleniec

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Irena Belohorská, Giulietto Chiesa, Andrew Duff, Milan Horáček, Marie Anne Isler Béguin, Evgeni Kirilov, Marios Matsakis, Nickolay Mladenov, Doris Pack, Inger Segelström, Karl von Wogau

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Emine Bozkurt, Panayiotis Demetriou, Florencio Luque Aguilar, Juan Andrés Naranjo Escobar, José Ribeiro e Castro, Salvador Domingo Sanz Palacio, José Albino Silva Peneda, Bart Staes