NACHHALTIGE LÄNDLICHE ENTWICKLUNG
Ausgangslage, Maßnahmen und Empfehlungen für die 5. Erweiterung der Europäischen Union
Reihe Landwirtschaft, Forstwirtschaft und ländliche Entwicklung, AGRI 114 DE

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Inhaltsverzeichnis

  • Zusammenfassung

  • Teil A - Einleitung
  • 1. Landwirtschaft, ländlicher Raum und eine Strategie nachhaltiger Entwicklung in den fünf Beitrittsstaaten
    • 1.1 Bedeutung und Probleme der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes in den fünf Beitrittsstaaten
    • 1.2 Bisher eingesetzte Instrumente der EU zur Förderung ländlicher Entwicklung und der Agrarstruktur und aktueller Stand der EU-Förderpolitik für die Vorbeitrittsphase
    • 1.3 Fragestellung und methodisches Vorgehen

  • Teil B - Vergleichende Betrachtung der Förderpolitik für den ländlichen Raum in den fünf Beitrittsstaaten
  • 2. Estland
    • 2.1 Bedeutung und Probleme ländlicher Räume und der Landwirtschaft
    • 2.2 Die staatliche Förderpolitik für den ländlichen Raum
    • 2.3 Fazit
  • 3. Polen
    • 3.1 Bedeutung und Probleme der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes
    • 3.2 Die staatliche Förderpolitik für den ländlichen Raum
      • 3.2.1 Die erste Phase: Projektförderung nach dem Gießkannenprinzip
      • 3.2.2 Die zweite Phase: Konturen einer ländlichen Entwicklungspolitik
      • 3.2.3 Die dritte Phase seit 1997/98: Ländliche Entwicklungspolitik in Vorbereitung des EU-Beitritts
    • 3.3 Fazit
  • 4. Slowenien
    • 4.1 Bedeutung und Probleme ländlicher Räume und der Landwirtschaft
    • 4.2 Die staatliche Förderpolitik für den ländlichen Raum
    • 4.3 Fazit
  • 5. Tschechische Republik
    • 5.1 Bedeutung und Probleme ländlicher Räume und der Landwirtschaft
    • 5.2 Die staatliche Förderpolitik für den ländlichen Raum
    • 5.3 Fazit
  • 6. Ungarn
    • 6.1 Bedeutung und Probleme ländlicher Räume und der Landwirtschaft
    • 6.2 Die staatliche Förderpolitik für den ländlichen Raum
    • 6.3 Fazit
  • 7. Vergleichende Betrachtung der Förderpolitik für ländliche Räume in den fünf Beitrittsländern

  • Teil C - Vertiefende Betrachtung ländlicher Entwicklungsprojekte und Initiativen in Polen
  • 8. Kriterien zur Bewertung von ländlichen Entwicklungsprojekten und ihrer Förderung
  • 9. Fallbeispiele
    • 9.1 Dorfentwicklung in der Wojewodschaft Opole
    • 9.2 Das Malopolska-Projekt
    • 9.3 Die Zusammenarbeit von vier Gemeinden in Dolina Strugu( Wojewodschaft Rzeszow)
    • 9.4 Die Milcherzeugergenossenschaft in der Gemeinde Tokarnia ( Wojewodschaft Krakow)
    • 9.5 Neue Einkommensquellen in Sielinko ( Wojewodschaft Poznan)
  • 10. Bedingungen und Ansatzpunkte für die Förderung ländlicher Entwicklung in Polen

  • Teil D - Schlußfolgerungen und Empfehlungen zur Förderung ländlicher Entwicklung im Rahmen der 5. Erweiterung der EU
  • 11. Schlußfolgerungen aus den Bedingungen und Förderpolitiken für ländliche Entwicklung in den fünf Beitrittsländern sowie Empfehlungen für die Förderung einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung und einer angepaßten Agrar- und Strukturpolitik im Rahmen der 5. Erweiterung der EU

  • Teil E - Anhang
  • 12. Literatur und Quellen
  • 13. Tabellen
  • 14. Benutzte Abkürzungen

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Zusammenfassung

  • Teil A - Einleitung
  • Teil B - Vergleichende Betrachtung der Förderpolitik für den ländlichen Raum in den fünf Beitrittsstaaten
  • Teil C - Vertiefende Betrachtung ländlicher Entwicklungsprojekte und Initiativen in Polen
  • Teil D - Schlußfolgerungen und Empfehlungen zur Förderung ländlicher Entwicklung im Rahmen der 5. Erweiterung der EU

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Teil A - Einleitung

1. Landwirtschaft, ländlicher Raum und eine Strategie nachhaltiger Entwicklung in den fünf Beitrittsstaaten

Die Integration der mittel- und osteuropäischen Transformationsländer Estland, Polen, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn in die Europäische Union bildet für die Gemeinschaft eine große Herausforderung. In den fünf Beitrittsstaaten hat die Landwirtschaft (mit Abstrichen bei der Tschechischen Republik) eine weitaus größere volkswirtschaftliche Bedeutung als in der Europäischen Union. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt liegt in den Beitrittsländern zwischen 2,9% und 8%, während er in der EU-15 nur 1,7% ausmacht. Noch größer sind die Unterschiede bei dem Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten: Dieser wird für die Tschechische Republik mit 4,1%, für Polen mit 26,7% angegeben. Im Durchschnitt der EU-15 sind es 5,1%.

Die Ausdehnung und Bedeutung ländlicher Gebiete ist in den fünf Beitrittsstaaten ebenfalls größer als in der EU. Während der Anteil der ländlichen Bevölkerung in diesen zwischen 25% und 38% beträgt, liegt er in der EU bei 17,5%. Landwirtschaft und ländlicher Raum haben auch für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den weiteren Verlauf des Transformationsprozesses dieser Länder eine hohe Bedeutung. Ein wichtiger Indikator dafür sind die Arbeitslosenzahlen. Sie liegen in den ländlichen Gebieten der fünf Beitrittsstaaten meistens erheblich über denen der Städte.

Gegenüber der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum der alten Mitgliedstaaten weisen die fünf mittel- und osteuropäischen Länder eine Reihe Besonderheiten auf, die ihre Wurzeln sowohl in der Geschichte als auch in den Bedingungen des Transformationsprozesses haben.

Um die derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Reformen in den Beitrittsländern zu fördern und die Integration ihrer Volkswirtschaften in die Wirtschaft der Europäischen Union vorzubereiten, hat die Europäische Union schon sehr früh Fördermittel über das PHARE-Programm bereitgestellt. In der Agenda 2000 sieht die Kommission Heranführungshilfen für die Beitrittsstaaten vor. Sie sollen über den gesamten Programmzeitraum von 2000 bis zum Jahre 2006 angeboten werden. Die indikative Mittelaufteilung für alle drei Vorbeitrittsinstrumente stellt sich folgendermaßen dar (Quelle: EU-KOM 1998f, Angaben in MECU und zu Preisen von 1997):

SAPARD500
ISPA1.000
PHARE1.500
Gesamtsumme3.000

PHARE wird nun hauptsächlich den Prozeß der Übernahme des acquis communautaire unterstützen. Für die Förderung von Landwirtschaft und ländlichen Räumen wird das aus dem Strukturfonds finanzierte Programm SAPARD angeboten. Dem Kohäsionsfonds vergleichbar ist das Programm ISPA, aus dem Infrastrukturinvestitionen gefördert werden können.

Ziel der Studie ist es, die Bedingungen und Möglichkeiten einer kohärenten Agrar- und Strukturpolitik in den fünf Beitrittsländern zu untersuchen und Empfehlungen für die Ausgestaltung von Fördermaßnahmen zur Entwicklung ländlicher Räume zu geben. In einem ersten Schritt wurden dazu die nationalen Förderpolitiken in den fünf Beitrittsstaaten erfaßt, untereinander verglichen und bewertet. Der zweite Teil der Studie untersucht und bewertet ausgewählte Projekte in verschieden Regionen Polens. Leitfragen beziehen sich auf die Entwicklung und Erfahrung dieser Projekte bzw. ihrer Träger, insbesondere auf ihre Erfahrungen mit Unterstützung durch Beratung und Förderung sowie Hemmnisse durch administrative oder andere Restriktionen. Hieraus werden Schlußfolgerungen für die Förderung ländlicher Entwicklung in den Beitrittsländern und mit Bezug auf die geplanten EU-Vorbeitrittshilfen gezogen.

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Teil B - Vergleichende Betrachtung der Förderpolitik für den ländlichen Raum in den fünf Beitrittsstaaten

2. Estland

Estland ist das bevölkerungsschwächste Land unter den fünf Beitrittskandidaten. Zu den zahlreichen Besonderheiten der ländlichen Räume gehören die geringe Bevölkerungsdichte und die vielen Insellagen. Ähnlich wie Slowenien mußte Estland 1991 seine Souveränität erst wieder herstellen. Seine radikale politische wie wirtschaftliche Umorientierung auf den Westen hin brachte Wachstum in den Wirtschaftszentren.

Milch, Fisch und Holz sind die wichtigsten Ressourcen des ländlichen Raumes. Die landwirtschaftliche Nutzfläche ist jedoch rückläufig. Infolge des noch nicht abgeschlossenen Privatisierungsprozesses im Agrarsektor bei gleichzeitig radikaler Öffnung der Märkte für westliche Agrarimporte und krisengebeutelter Absatzmärkte im Osten ist bereits ein Fünftel des Ackerlandes brachgefallen.

Im Jahr 1994 hat Estland erste Leitlinien zur Regionalpolitik entwickelt. Seit 1995 sind verschiedene Programme eingesetzt worden, welche mit ausdifferenzierten Gebietskulissen arbeiten und auf die unterschiedlichen Problemlagen der ländlichen Räume zu reagieren versuchen. Nicht durchgeführt wurde bislang eine Verwaltungsreform. In Vorbereitung ist ein neues Gesetz zur Unterstützung des ländlichen Raumes und zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Märkte. Es arbeitet nach den Prinzipien der EU-Strukturfondsförderung und bringt die nationalen Programme in einen einheitlichen Rechtsrahmen. In Estland gibt es eine sehr aktive Dorfbewegung, welche ländliche Entwicklungsprojekte von unten her anstößt. Das operationelle Programm für die Implementierung von SAPARD sieht vor, diese Bewegungen und ihre Projekte künftig stärker zu unterstützen. Dabei soll ein Förderkonzept benutzt werden, das dem LEADER-Programm ähnelt.

3. Polen

Polen ist das größte und bevölkerungsreichste unter den Beitrittsländern. In der polnischen Landwirtschaft sind mehr Menschen beschäftigt als in allen anderen Ländern zusammen. Polen gilt als eines derjenigen Transformationsländer, die am schnellsten mit einem Beitritt zur Europäischen Union rechnen können. Ein Wirtschaftswachstum von 6% (1996), steigende Auslandsinvestitionen und eine leicht rückläufige Arbeitslosenrate sind als positive Entwicklungen zu verzeichnen. Eine wachsende Kluft zwischen den Regionen und die Gefahr der Marginalisierung weiter Flächen Polens bilden die Kehrseite dieses Wachstums. 38% der Bevölkerung lebt in ländlichen Räumen, rund 44% davon sind in der Landwirtschaft tätig. Zugleich weisen diese Räume hohe Arbeitslosenraten auf. Im Gegensatz zu den meisten anderen Transformationsländern hat Polen sich einen hohen Anteil von Privatbauern erhalten können. Die Verstaatlichung des Bodens konnte nur im Norden und Westen Polens erfolgreich durchgesetzt werden. Polens Landwirtschaft ist daher geprägt von Kleinbauern. Die oft daraus abgeleiteten strukturellen Probleme der Landwirtschaft bedürfen jedoch einer regional differenzierten Betrachtung. Im Norden Polens sind die Probleme vergleichbar denen anderer Transformationsländer. Die Auflösung der Staatsbetriebe hat zu einer hohen Arbeitslosigkeit geführt und gleichzeitig zur Entstehung von Großstrukturen in der Landwirtschaft, wenngleich auch nicht auf einem so hohen Niveau wie beispielsweise in Ungarn oder der Tschechischen Republik. Im Süden und Osten hingegen wirtschaftet die Mehrheit der Privatbauern. Die aus anderen Wirtschaftsbereichen freigesetzten Arbeitskräfte sind von der Landwirtschaft aufgenommen worden. Versteckte Arbeitslosigkeit ist zwar hier ein Problem, aber kein so existentielles wie im Norden, weder für die Menschen noch für die soziale Entwicklung der Dörfer. Die schlechte infrastrukturelle Ausstattung der ländlichen Räume ist ein Hemmnis ländlicher Entwicklung, wie in den anderen Transformationsländern auch.

In der Förderung von Landwirtschaft und ländlichen Räumen können drei Phasen unterschieden werden. Gegen Ende der ersten, bis 1993/94 reichenden, Phase wurden erste Ansätze einer ländlichen Entwicklungspolitik formuliert. Um Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen, setzte die polnische Regierung dabei von Anfang an auf die Förderung von Investitionen im Infrastrukturbereich der ländlichen Kommunen. Über das Programm PHARE erfolgte eine wenig koordinierte Förderung einzelner Projekte, auch im ländlichen Raum. Die zweite Phase wird von einem Regierungswechsel und der, seitens der EU in Aussicht gestellten, Aufnahme Polens in die EU eingeläutet. Agrarpolitik und ländliche Entwicklungspolitik bekommen ein deutlicheres Profil durch das 1994 verabschiedete Programm zur ländlichen Entwicklung. Ansätze einer Abkehr von der sektoralen Politik und der Hinwendung zu integrierten Ansätzen werden deutlich. Verstärkt, und mit staatlichen sowie internationalen Mitteln versehen, werden Förderprogramme eingerichtet zur Modernisierung der Land- und Ernährungswirtschaft einerseits und zur Wirtschaftsförderung und Infrastrukturverbesserung andererseits. Zwei von der polnischen Regierung und der EU-Kommission getragene Initiativen, sogenannte Task Forces, formulieren in den Jahren 1996 und 1997 Anforderungen an eine künftige, an die Strukturhilfen der EU orientierte Regionalentwicklungspolitik Polens. Vier Pilotprojekte werden initiiert, die nach den Prinzipien der EU-Strukturhilfe organisiert sind.

Die dritte, 1997/98 begonnene, Phase steht unter dem Zeichen des in Aussicht gestellten EU-Beitritts und wird erneut durch einen Regierungswechsel eingeläutet. Die Verwaltungs- und Gebietsreform wurde im Jahr 1998 durchgeführt. Dabei konnte die Selbstverwaltung in den Gemeinden, den Landkreisen und in den neugebildeten W ojewodschaften erheblich gestärkt werden. Sie gilt als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Einführung des Subsidiaritätsprinzipes in der polnischen Regionalförderung.

Eine neue Strategie zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes wird im Jahr 1998 vorgelegt mit der Absicht, eine stärkere Kohärenz der Agrar- und Strukturpolitik zu erreichen, so wie sie in der Beitrittspartnerschaft für Polen auch gefordert wird. Offen ist bis heute die Frage, welche Institutionen und Verwaltungsebenen für die Durchführung der zukünftigen agrar- und strukturpolitischen Maßnahmen zuständig sein sollen. Das in Vorbereitung befindliche Gesetz zur Regionalentwicklung soll hier klärend wirken.

4. Slowenien

Gemessen an der Fläche und der Einwohnerzahl nimmt Slowenien unter den fünf Beitrittsländern zwar den letzten bzw. den vorletzten Platz ein, betrachtet man jedoch die Wirtschaftskraft, so erreicht Slowenien den höchsten Wert beim BIP pro Einwohner. Der relativ junge Staat gehörte zuvor zu Jugoslawien und wurde 1991 unabhängig. Charakteristisch für den ländlichen Raum sind die Bergregionen. Die ländlichen Gebiete in Slowenien sind, im Gegensatz zu denen anderer Länder, gerade durch ihre relativ begrenzten landwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten von großer wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Bedeutung. So stellt der Tourismus in Verbindung mit der Landwirtschaft eine wichtige Einnahmequelle dar. Die Kollektivierung wurde, ähnlich wie in Polen, nicht vollständig durchgeführt, so daß 90% aller landwirtschaftlichen Betriebe privat geblieben sind. Die Produktionskapazitäten dieser Betriebe sind sehr gering und vor allem auf die Milchwirtschaft konzentriert. In der tierischen Veredelung dominieren Großbetriebe. Trotz guter Wirtschaftsentwicklung gibt es noch erhebliche Defizite bei der Restrukturierung in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie. Die Bedeutung regionaler Förderung hat stetig zugenommen. Das vor kurzem vorgelegte "Reformierte Programm für die Agrarpolitik 1999-2002" definiert vier Säulen der staatlichen Agrarpolitik: (1) Markt- und Preispolitik, (2) Direktzahlungen zur Förderung umwelt- und landschaftsgerechter Landbewirtschaftung, (3) Programm zur Modernisierung der Land- und Ernährungswirtschaft sowie (4) ländliches Entwicklungsprogramm. In das ländliche Entwicklungprogramm wird das bislang sehr erfolgreich umgesetzte Dorfentwicklungsprogramm integriert. Insgesamt betrachtet lassen aber die Mittelausstattung und die administrativen Voraussetzungen zur Durchführung dieser Programme zu wünschen übrig.

5. Tschechische Republik

Die Tschechische Republik ist ein relativ dicht besiedeltes, altes Industrieland. Zwei Drittel seines, in drei gewachsene Regionen (Böhmen, Moravien und Silesia) gegliederten Landes sind Mittelgebirgslandschaften. Etwas weniger als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt daher in sogenannten benachteiligten Gebieten. Landwirtschaft hat für die Volkswirtschaft jedoch eine untergeordnete Bedeutung. Die Agrarproduktion war weitgehend kollektiviert oder verstaatlicht worden. Aus dem Transformationsprozess sind Großbetriebe einerseits und zahlreiche kleinere und mittlere Familienbetriebe andererseits hervorgegangen. Trotz starken Arbeitskräfteabbaus der umgewandelten Staats- und Genossenschaftsbetriebe ist die Arbeitslosenrate in Tschechien bemerkenswert niedrig. Hohe regionale Arbeitslosenraten, wie sie in den nördlichen Regionen Tschechiens zu finden sind, haben ihre Ursache im Zusammenbruch der monostrukturierten Industrie. Im Süden hingegen konnten über den Tourismus neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Bis 1996 gab es keine Konzepte zur Förderung des ländlichen Raumes. Die Politik blieb sektoral und, gemäß der als zunächst gering erachteten Bedeutung ländlicher Räume, auch nur schwach ausgeprägt. Seit 1995 gibt es gezielte Hilfen für die Landwirtschaft in den benachteiligten Gebieten, seit 1994 ein sehr erfolgreich umgesetztes Dorferneuerungsprogramm (jetzt: Landerneuerungsprogramm), welches Investitionen in Baumaßnahmen für öffentliche Gebäude und Infrastruktur fördert, um so das Wirtschaftswachstum der Gemeinden zu unterstützen. Zugleich sieht es Modelle der Bürgerbeteiligung vor, die aus der Dorfentwicklung in deutschsprachigen Ländern bekannt sind. Geplant ist eine Förderung integrierter Projekte "ländlicher Mikroregionen" im Rahmen dieses Landerneuerungsprogrammes. Ein Konzept zur weiteren Entwicklung des ländlichen Raumes ist in Arbeit. Inzwischen gibt es auch eine Koordination der an ländlicher Entwicklung beteiligten Ministerien. Eine Verwaltungsreform, die der mittleren Verwaltungsebene, den Distrikten, mehr Selbstverwaltungsrechte einräumt, steht noch aus. Auf kommunaler Ebene gibt es jedoch zahlreiche aktive Gruppen, die durchaus zu Kristallisationspunkten für Entwicklungskonzepte mit "bottom up"-Ansatz werden können.

6. Ungarn

Ungarn liegt im östlichen Teil Mitteleuropas und kann in drei Großlandschaften gegliedert werden: die Tiefebene, Transdanubien und die nördlichen Mittelgebirge. Da allein die Landeshauptstadt ein Fünftel aller Einwohner auf sich vereinigt, ist die Besiedlung der ländlichen Räume dünn und nimmt von West nach Ost ab. Ländliche Räume und die Landwirtschaft haben eine hohe Bedeutung für Ungarn. In manchen Regionen gibt die Landwirtschaft über 16% der aktiven Bevölkerung Arbeit. Außerdem ist Ungarn ein Nettoexporteur für Agrarprodukte. Die traditionell exportorientierte Landwirtschaft hatte 1996 einen Anteil von 18% an den Gesamtexporten. Charakteristisch ist eine äußerst großstrukturierte und in der Veredlung auch intensiv wirtschaftende Landwirtschaft, die knapp die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaftet. Daneben gibt es über eine Million Kleinstbetriebe im Nebenerwerb. Nur 5% der Betriebe sind selbständige private Landwirte.Der landwirtschaftliche Bereich ist durch eine nicht unerhebliche Schattenwirtschaft gekennzeichnet.

Durch die Verabschiedung des Gesetzes über "Regionale Entwicklung und Raumplanung" im Jahr 1996 hat Ungarn bereits einen Teil der Voraussetzungen zur Durchführung nationaler Förderaktivitäten in ländlichen Räumen geschaffen. 1998 ist die Zuständigkeit an das Landwirtschaftsministerium übergegangen, welches, im Gegensatz zu dem vorher damit betrauten Umweltministeriums, über Dienststellen in jedem der 19 Verwaltungsbezirke (Komitate) verfügt. Vorgesehen ist die Einrichtung regionaler Entwicklungsfonds. Sie sind auf der gleichen Ebene angesiedelt wie die neu entstandenen Regionalentwicklungs-Foren. Diese neugeschaffenen sieben Regionen sollen ein Zwischenglied zwischen der nationalen Ebene und der vorhandenen Komitate-Verwaltung bilden. Ihre Aufgaben sind aber noch nicht klar definiert. Ein Haupthemmnis für eine integrierte ländliche Entwicklungspolitik ist die fehlende Verwaltungsreform und die Begrenztheit der finanziellen Mittel. Von großer Bedeutung ist die Förderung des Humankapitals, auch angesichts der chronischen Kapitalknappheit aller Betriebsformen in der Landwirtschaft.

7. Vergleichende Betrachtung der Förderpolitik für ländliche Räume in den fünf Beitrittsstaaten

Die vergleichende Betrachtung erfolgt hauptsächlich um zu beurteilen, inwieweit die Förderprinzipien der EU-Strukturfonds bereits heute in der Förderpolitik der Beitrittsländer erkennbar sind. Als zentrale Voraussetzung für den Grundsatz der Subsidiarität, der Orientierung an "bottom up"-Ansätzen und des Einbezuges von Sozialpartnern gelten eine funktionierende Selbstverwaltung der Gebietskörperschaften und die Ausbildung von organisierten Interessenvertretungen.

Vergleicht man die staatliche Politik zur Förderung ländlicher Entwicklung in den fünf Beitrittsländern, so zeigen sich Unterschiede, die hauptsächlich mit dem Vorhandensein und der Leistungsfähigkeit der unteren Verwaltungsebenen zusammenhängen. Hierbei sind folgende Aspekte zu nennen: Programme zur Dorferneuerung, wie sie in Slowenien und Tschechien bereits erfolgreich durchgeführt werden, fördern die Aktivierung und Beteiligung der ländlichen Bevölkerung in besonderer Weise und können zugleich Keimzellen für weitergehende Projekte ländlicher Entwicklung sein. In Estland gibt es aktive Dorfbewegungen. In Ungarn sind solche Ansätze nicht zu beobachten, während sie in Polen dort vorkommen, wo die Bürgermeister und Dorfbewohner selbst initiativ geworden sind.

Eine abgeschlossene und auf längere Dauer sicher bestehende Verwaltungs- und Gebietsstruktur der unteren Ebenen ist eine wesentliche Voraussetzung für ländliche Entwicklung. Polen hat diese Reform erfolgreich abgeschlossen. In der Tschechischen Republik, in Ungarn und Estland sowie in Slowenien steht eine vergleichbare Reform noch aus.

Halbstaatliche Organisationsformen, wie die Bildung von Regionalen Entwicklungs-Foren, Entwicklungsgruppen oder -agenturen, sind aus Ungarn und Polen bekannt. In den anderen Ländern fehlen vergleichbare Ansätze zur Koordination ländlicher Entwicklung auf regionaler Ebene.

Das Vorhandensein von Interessenverbänden, die verschiedene Berufsgruppen, Wirtschaftsbranchen oder die Sozialpartner repräsentieren, ist eine weitere wichtige Voraussetzung für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsprozesse. In Ungarn, Polen und Estland wurden inzwischen Landwirtschaftskammern aufgebaut. In Tschechien existieren zahlreiche Verbände, in denen die Interessen ländlicher Gemeinden und der landwirtschaftlichen Bevölkerung vertreten werden.

Programmplanung ist eine weitere notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme von EU-Strukturhilfen. Die Programmplanung im Sinne einer Koordinierung der Ministerien und der beteiligten unteren Verwaltungseinheiten ­ möglichst unter Einbezug der sozialen Partner und Interessengruppen ­ steckt in allen Ländern erst in ihren Anfängen. Das Prinzip der Kofinanzierung hingegen scheint in vielen nationalen Programmen der Länder bereits Einzug gehalten zu haben. Auch die EU-Programme PHARE, SAPARD und ISPA werden künftig nach diesem Prinzip arbeiten.

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Teil C - Vertiefende Betrachtung ländlicher Entwicklungsprojekte und Initiativen in Polen

8. Kriterien zur Bewertung von ländlichen Entwicklungsprojekten

Förderungsmaßnahmen für ländliche Entwicklungsprojekte werden in der EU seit einigen Jahren und über mehrere Programmzeiträume hinweg durchgeführt. Aus den dabei gewonnen Erfahrungen lassen sich zentrale Anforderungen formulieren, denen jede Förderung genügen muß, wenn sie Wirkungen erzielen soll. Die nachfolgend genannten Punkte finden sich in den Förderrichtlinien der operationalen Programme wieder: (1) Definition von Förderzweck(en), (2) Definition des Fördergegenstandes, (3) Festlegung von Fördergebieten, (4) Definition der Förderart und ­höhe, (5) Definition des Förderungsempfängers (Begünstigten), (6) Laufzeit bzw. Gültigkeit des Förderprogrammes, (7) Festlegung des Verfahrens der Beantragung und Bewilligung, (8) Abstimmung des Fördervorhabens mit anderen Vorhaben und Planungen, (9) Administrative Zuständigkeit, (10) Unterstützung und Befähigung der Antragsteller bzw. Zielgruppen durch Beratung. Mit Hilfe dieser Kriterien wird die Förderungspraxis ausgewählter Entwicklungsprojekte in ländlichen Gebieten Polens untersucht und bewertet.

9. Fallbeispiele

Die Unterstützung der Dorfentwicklung in der Wojewodschaft Opole wurde 1997 gestartet. Nach einer zweijährigen Vorbereitungszeit, in der Verfahrensweisen aus dem Bundesland Rheinland-Pfalz für die polnischen Verhältnisse umgestaltet wurden, stellten 57 Dörfer aus 27 Gemeinden in der ersten Runde einen Antrag auf Teilnahme. In Form von Workshops und mit Unterstützung ausgebildeter Moderatoren wurden eine Situationsanalyse, das Leitbild und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Maßnahmen wurden in der Folgezeit mit relativ geringem Investitionsaufwand und mit hoher Eigenbeteiligung der Dorfbewohner durchgeführt. Die regionale Tradition im eigenen wirtschaftlichen Handeln war eine der wesentlichen Voraussetzungen für die hohe Mobilisierung der Eigeninitiative der Dorfbewohner. Gute Planung, der Einsatz geschulter Moderatoren und ein ausreichender zeitlicher Vorlauf waren für den Erfolg ebenso wichtig. Auf diese Weise wurden die Möglichkeiten zur Verbesserung der dörflichen Situation mit den Mitteln der Eigeninitiative weitgehend ausgeschöpft. Damit größere Projekte dörflicher Infrastrukturverbesserung (Abwasserkanalisation, Telekommunikation etc.) durchgeführt werden können, sind in der zweiten Phase finanzielle Zuwendungen an die Gemeinden erforderlich.

Das Malopolska-Projekt zur landwirtschaftlichen und ländlichen Entwicklung ist eines der vier regionalen polnischen Pilotprojekte und umfaßt neun (alte) Wojewodschaften der Region Malopolska im Süden und Südosten Polens. Diese Region ist durch kleinteilige Landwirtschaft mit hohem Arbeitskräfteüberschuß und niedrigen Einkommen der ländlichen Bevölkerung gekennzeichnet. Um exemplarisch ein neues Handeln zu erproben, wurde das Projekt entlang der Prinzipien der EU-Strukturfonds konzipiert und implementiert. 1998 kam es zur bislang einmaligen Zahlung von Geldern aus dem PHARE-Programm auf der Basis von Gemeinde-Anträgen zur Förderung von Infrastrukturvorhaben. Aufgrund der Verwaltungs- und Gebietsreform wird es Umstrukturierungen im Projekt geben. Das Projekt gilt als eines der beiden Pilotprojekte, die künftig im Rahmen von SAPARD gefördert werden sollen. Die Projekt-Praxis weist auf einen typischen Konflikt im Bereich der Subsidiarität hin, der immer dann entsteht, wenn neues Handeln auf der Basis lediglich zur Veränderung gezwungener Verwaltungsstrukturen erfolgen soll.

Die Milcherzeugergenossenschaft in der Berggemeinde Tokarnia ist ein von der Dorfbevölkerung initiiertes und mit Hilfe von Schweizer Fördermitteln und Experten durchgeführtes Projekt zur Aufrechterhaltung der Milcherzeugung und damit zum Erhalt der Kulturlandschaft in einer Gemeinde. Es leidet unter Defiziten, die aus der Förderung von Entwicklungsländern bekannt sind. Nach Abzug der Experten und durch Verzögerungen in der Mittelbereitstellung stagniert das Projekt. Es fehlt an einer Initiativ-Beratung, damit weitere Schritte in Richtung einer Verbesserung der betrieblichen Wertschöpfung vollzogen werden können.

Die Zusammenarbeit von vier Gemeinden in Dolina Strugu ( Wojewodschaft Rzeszow ) gehört zu den herausragenden Projekten dieser Region. Auf der Basis eines zweckgebundenen Zusammenschlusses von vier Gemeinden zur Beantragung von Telekommunikation, sind weitergehende Aktivitäten erfolgt. Das wohl bekannteste Projekt ist der Direktvertrieb von Mineralwasser unter der Bezeichnung "Alfred". Es bildet die Basis für ein Vermarktungsprojekt für regionale Erzeugnisse örtlicher Landwirte. Mit Hilfe des Programmes ECOS-OUVERTURE wurden außerdem Dorfmoderatoren ausgebildet und ein Zentrum für den Agrotourismus eingerichtet. Zahlreiche weitere Projekte sind in Planung. Die wichtigste Voraussetzung der erfolgreichen Projekte war der Gemeindezusammenschluß als Ergebnis der arbeit aktiver und sich früh für eine Förderung einsetzender Bürgermeister, in Verbindung mit einem örtlichen Unternehmer und der Arbeit der Regionalentwicklungs-Agentur in Rzeszow. Hemmnisse der weiteren Projektrealisierung liegen sowohl in der Abwicklung des Programmes ECOS-OUVERTURE begründet als auch in einer gewissen Empfängermentalität der Verantwortlichen in den Gemeinden.

Neue Einkommensquellen im ländlichen Raum Sielinko ( Wojewodschaft Poznan) flankieren eine Agrarentwicklung hin zu einer intensiven Landwirtschaft nach westlichem Vorbild. Kleinere Betriebe suchen hier nach neuen Einkommensquellen, die im Agrotourismus aber auch im Ausbau der Direktvermarktung in Verbindung mit der Erzeugung spezieller Produkte liegen können.

10. Bedingungen und Ansatzpunkte für die Förderung ländlicher Entwicklung in Polen

In Polen stellen die Gemeinden und deren Bürgermeister die wichtigste treibende Kraft für die regionale Entwicklung dar. Die Verwaltungs- und Gebietsreform verbessert die Voraussetzungen für das Entstehen von lokalen und regionalen Initiativen wesentlich. Hemmnisse liegen in der mangelnden Überschaubarkeit der Fördermöglichkeiten und des erschwerten Zuganges zu Förderprogrammen für die ländliche Bevölkerung. Auch sind die Banken und die Möglichkeiten, Kredite zu erhalten noch unzureichend entwickelt. Von zentraler Bedeutung für die im landwirtschaftlichen Bereich angebotenen und in Zukunft anzubietenden Problemlösungen und zu erarbeitenden Förderprojekte ist die weit verbreitete Orientierung an der Subsistenzwirtschaft. Die Motive ländlicher Familien folgen in der Regel nicht der Logik der Förderung investiver Projekte. Hinzu kommt ein Mißtrauen in die staatliche Politik und eine Ablehnung von Zusammenschlüssen. Ein weiteres Hemmnis ist die schlechte infrastrukturelle Ausstattung vieler ländlicher Gemeinden.

Andererseits haben die Initiativen und Projekte in verschiedenen Regionen Polens deutlich gemacht, daß sie in der Lage sind, endogene Potentiale zu erkennen und zu nutzen, aber auch neuartige Kooperationsformen zu entwickeln. Folgerungen daraus sind:

  1. Um neben Projekten der Infrastrukturverbesserung in den Gemeinden auch Projekte im privatwirtschaftlichen Bereich anregen und verwirklichen zu können, sind Beratungsangebote für die ländliche Bevölkerung in Art und Umfang erheblich zu verbessern.
  2. Die Phasen der Projektanbahnung und der Ausarbeitung tragfähiger Konzepte, die auf "bottom up"-Ansätzen beruhen, erfordern Zeiträume von Monaten bzw. ein bis zwei Jahren sowie einen intensiven Kontakt zwischen Antragstellern und der Förderinstitution. Diese Aufgaben können grundsätzlich von verschiedenen Organisationen wahrgenommen werden. Da es sich um Dienstleistungsaufgaben mit hoher Flexibilität und Zielgruppenorientierung handelt, eignet sich die staatliche Verwaltung dafür kaum.
  3. Aufgrund des hohen Arbeitskräfte-Potentials, das in den ländlichen Regionen Polens vorhanden ist und des Kapitalmangels der dort ansässigen Unternehmen, sollten bei der Förderung Eigenleistungen in hohem Umfang angerechnet werden können.

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Teil D - Schlußfolgerungen und Empfehlungen

11. Schlußfolgerungen aus den Bedingungen und Förderpolitiken für ländliche Entwicklung

In allen fünf Beitrittsländern werden bereits einzelne Instrumente zur Förderung ländlicher Entwicklung eingesetzt. Dabei unterscheiden sich die Förderkonzepte sowie die geförderten Schwerpunkte und die Gebietskulissen voneinander. Aus der vergleichenden Betrachtung der nationalen Förderpolitiken in den fünf Beitrittsstaaten und der vertiefenden Betrachtung regionaler Entwicklungsprojekte in Polen lassen sich Schlußfolgerungen ziehen und Empfehlungen aussprechen. Diese werden in zwei Teile untergliedert, weil sich vor allem die Empfehlungen an zwei verschiedene Adressaten richten.

Im ersten Teil werden Bedingungen erfolgreicher Förderung genannt und Empfehlungen gegeben, die sich an die Regierungen der fünf Beitrittstaaten richten. Der zweite Teil faßt die Empfehlungen zusammen, die an die EU-Kommisssion gerichtet sind. Dabei wird zwischen allgemeinen Hinweisen und Empfehlungen zur Ausgestaltung von Instrumenten unterschieden.

Empfehlungen zur Förderpolitik in den fünf Beitrittsstaaten

Grundlegende Bedingungen für einen erfolgreichen Einsatz von Programmen und Fördermaßnahmen zur ländlichen Entwicklung sollen geschaffen werden. Dazu zählen:

  • Die Schaffung der politisch-administrativen Voraussetzungen für ein demokratisches und selbstbestimmtes Sozialsystem im ländlichen Raum. Dazu gehörten hauptsächlich, daß durch eine Verwaltungsreform auf der unteren Ebene (Bezirke, Landkreise) gewählte Vertretungen mit eigenen Kompetenzen und Finanzmitteln entstehen und daß die Sozialpartner sowie Berufs- und Interessengruppen organisiert sind und bei der Planung und Förderung ländlicher Entwicklung einbezogen werden. Hierzu gehört auch die Unterstützung von Nicht-Regierungs-Organisationen, die in ihrer Satzung bzw. in ihren Statuten die Förderung ländlicher Entwicklung als Ziel anstreben.
  • Der Aufbau von Beratungsträgern, die initiierende und aktivierende Beratung in ländlichen Räumen anbieten können und in der Lage sind, zielgruppenspezifische und problemadäquate Beratungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Hierbei sind insbesondere neue Konzepte für die Ansprache von subsistenzorientierten bäuerlichen Zielgruppen zu erarbeiten. Es sind Abteilungen bzw. Einrichtungen zu schaffen oder Organisationen zu beauftragen, die folgende Aufgaben erfüllen: Information und aktivierende Beratung der potentiellen Antragsteller bzw. Empfänger von Fördermaßnahmen im ländlichen Raum; Mitwirkung am Zustandekommen von Kooperationsprojekten, Anbahnung von Wirtschaftsprojekten; Unterstützung der Interessenten bei der Antragstellung in Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde. Diese Aufgaben sind öffentlich zu finanzieren und organisatorisch wie personell als selbständige Einheiten von der Bewilligung und Mittelverwaltung zu trennen.
  • Die Bereitstellung von Finanzmitteln im nationalen Haushalt des zuständigen Ministeriums bzw. in den Haushalten der zuständigen Ministerien, um die EU-Programme kofinanzieren zu können.

Empfehlungen zur Ausgestaltung der nationalen Förderpolitik für ländliche Entwicklung in den fünf Beitrittsstaaten:

  • Durchführung einer Verwaltungsreform (außer in Polen). Grundlegend und unverzichtbar für die Programmplanung, die Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips und die Ermöglichung von "bottom up"-Ansätzen ist eine funktionsfähige Selbstverwaltung auf Gemeinde, Kreis- und Bezirksebene.
  • Ausweisung von Fördergebieten, in denen die nationale Förderinstrumente zur ländlichen Entwicklung angeboten werden. Die Gebietskulisse sollte nicht das gesamte Staatsgebiet umfassen.
  • Regelung der Zuständigkeiten für die Entwicklung, Durchführung und finanztechnische Abwicklung des nationalen Programms zur Förderung ländlicher Entwicklung, welche für den gesamten Programmzeitraum Gültigkeit behalten. Dazu gehören Regelungen für die Zusammenarbeit der nationalen Ministerien und Regelungen zur Zuständigkeit unterer Verwaltungseinheiten im Bezug auf die Durchführung von Fördermaßnahmen zur ländlichen Entwicklung.
  • Bei der Ausgestaltung der nationalen Förderungsprogramme ist besonders zu berücksichtigen, daß in ländlichen Regionen und bei potentiellen Antragstellern mit mangelnder Kapitalausstattung und überschüssiger Arbeitskraft zu rechnen ist. Förderungstechnisch bieten sich daher feste Zuschüsse eher an als die Anteilsfinanzierung. Eigenleistungen der Antragsteller sollten in erheblichem Umfang eingebracht und angerechnet werden können.
  • Die Einrichtung von Pilotprojekten dient in ausgewählten Regionen zur Erprobung integrierter ländlicher Entwicklungsförderung. Aus der anschließenden Evaluierung sollten Schlußfolgerungen für die Ausgestaltung des Förderinstrumentariums gezogen werden.
  • Erstellung von Daten zur Planung und Evaluierung der Fördermaßnahmen.
  • Durchführung von Forschungsvorhaben zu Fragen der ländlichen Entwicklungsförderung unter Beteiligung nationaler und internationaler Forschungseinrichtungen.
  • Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere bei der Kreditvergabe der Banken im ländlichen Raum.
Empfehlungen zur Förderpolitik der EU-Kommission

Grundsätzliche Empfehlung:

  • Einrichtung von Instrumenten, die der Logik des EFRE und des ESF entsprechen, um die Beitrittsländer auf die spätere Inanspruchnahme von Strukturhilfen im Rahmen der Ziel-1-Gebietsförderung tatsächlich vorzubereiten.

Zur Ausgestaltung von SAPARD (EU-KOM 1998, 153 endg.) wird empfohlen:

  • Artikel 2, Abs. (1) wird ergänzt um den Spiegelstrich "Verbesserung der Wertschöpfung der landwirtschaftlichen Betriebe und der Wertschöpfung im ländlichen Raum". Speziell geht es darum, daß die Förderung von Verarbeitungseinrichtungen auch aus betrieblicher und regionaler Sicht begründet werden kann, wenn es damit zu einer Erhöhung der regionalen Wertschöpfung kommen kann. Das gilt insbesondere für die Förderung kleiner und mittlerer, in die regionalen Wirtschaftsbeziehungen eingebundener Verarbeitungsbetriebe.
  • Artikel 4, Abs. (1): Um regionale Interessen stärker in die Programmplanung einbeziehen zu können, wird anders als in Art. 4, Abs. (1) festgelegt, daß die vom Bewerberland benannte zuständige Behörde bei der Erarbeitung des Plans die jeweils selbst gewählten repräsentativsten Partner auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene beteiligen muß. Die Beteiligung sollte auf allen Stufen der Programmplanung auf der jeweils angemessenen Gebietsebene erfolgen.
  • Artikel 4, Abs. (4) und Abs. (5): Problematisch ist die kurze Vorbereitungszeit für die Beitrittsländer (Art. 4, Abs.(4)) und die lange Genehmigungszeit seitens der Kommission (Art. 4 Abs.(5)). Vorgeschlagen wird, daß die Vorbereitungszeit auf mindestens neun Monate angehoben und die Genehmigungszeit auf wenigstens vier Monate verkürzt werden.
  • Artikel 4, Abs. (2): Den fünf Beitrittsländern sollten während der Programmlaufzeit von SAPARD erforderlichenfalls Änderungen bezüglich der Gebietskulisse, der Förderhöhe etc. innerhalb ihres nationalen Förderprogrammes zugestanden werden.
  • Die Kofinanzierungsrate von SAPARD liegt bei 75% und ist damit im Vergleich zu den beiden anderen Programmen PHARE (100%) und ISPA (80%) zu niedrig. Da der Agrarsektor der schwächste Wirtschaftszweig ist und zugleich hier hohe Bedarfe für eine Umstrukturierung anstehen, wird für SAPARD eine höhere Kofinanzierungsrate empfohlen.

    Zur Ausgestaltung von PHARE wird empfohlen:

    • Förderung von Trägern zur Beratung und Information ländlicher Bevölkerung, die außerhalb der staatlichen Verwaltung tätig sind (im Rahmen von "institution building")
    Empfehlungen zum weiteren Vorgehen

    Die in der Studie zusammengestellten Ergebnisse zur Förderpolitik der Beitrittsländer und die aus der vertiefenden Analyse von regionalen Entwicklungsprojekten gewonnenen Erfahrungen sowie die ausgesprochenen Empfehlungen sollten mit Vertreter/-innen aus allen angesprochenen Beteiligtengruppen ausführlich erörtert werden. Dafür bietet sich die Form eines workshops an.

    Die Berücksichtigung und Realisierung der genannten Empfehlungen kann in erheblichem Maße dazu beitragen, daß sich durch die Förderung ländlicher Entwicklungsprojekte die Lebens- und Arbeitssituation für die Bevölkerung in den ländlichen Gebieten der Beitrittsländer in einigen Jahren spürbar verbessern.


© Europäisches Parlament: 11/1998