Luftsicherheit
Mit gemeinsamen Vorschriften, die schrittweise auf die gesamte Luftverkehrsbranche erweitert wurden, wird in der Europäischen Union für ein einheitliches und hohes Maß an Sicherheit[1] im Luftverkehrsbinnenmarkt gesorgt.
Rechtsgrundlage
Artikel 100 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Ziele
Mit der Verwirklichung des Luftverkehrsbinnenmarktes Mitte der 1990er-Jahre[2] wurden gleichzeitig auch verbindliche gemeinsame Vorschriften erforderlich, die innerhalb seiner Grenzen für ein einheitliches und hohes Maß an Sicherheit sorgen.
Ergebnisse
Auf globaler Ebene legt die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO[3]) die Mindestsicherheitsstandards fest; inwieweit diese eingehalten werden, hängt jedoch weitgehend vom guten Willen ihrer einzelnen Vertragsstaaten ab.
In Europa wurde mit der Einführung des Luftverkehrsbinnenmarktes sichergestellt, dass Fluggästen ein einheitliches und hohes Maß an Sicherheit geboten wird, unabhängig davon, wohin sie innerhalb der EU fliegen. Die nationalen Vorschriften wurden durch gemeinsame Vorschriften ersetzt, deren Einhaltung verpflichtend ist. Zudem wurden die nationalen Regelungsbehörden und ihre Gremien für freiwillige Zusammenarbeit (darunter in erster Linie die früheren „Gemeinsamen Luftfahrtbehörden“[4]) durch ein Gemeinschaftsverfahren ersetzt, an dem die nationalen Behörden der Zivilluftfahrt, die Europäische Kommission und die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) beteiligt sind[5]. Seit 2003 ist insbesondere die EASA in erster Linie mit der Ausarbeitung der Vorschriften beauftragt (und schafft so die Grundlagen für die Vorschläge für Gesetzgebungsakte der Kommission). Die Kommission, die EASA und die zuständigen nationalen Behörden überwachen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die Umsetzung der Vorschriften und unterstützen sich gegenseitig.
Die gemeinsamen Vorschriften für die Sicherheit der Zivilluftfahrt gehen aus Standards und Empfehlungen der IACO hervor, die häufig verschärft wurden. Sie wurden schrittweise auf die gesamte Luftverkehrskette erweitert.
Seit 1994 sind die Grundsätze der ICAO für die Untersuchung von Unfällen im Luftverkehr in EU-Recht umgesetzt (durch die Richtlinie 94/56/EG, die später durch die Verordnung (EU) Nr. 996/2010 ersetzt wurde): Die Untersuchungen müssen völlig unabhängig durchgeführt werden und lediglich darauf abzielen, die Unfallursachen zu ermitteln und künftige Unfälle zu verhindern, anstatt die Frage der Schuld oder Verantwortung zu klären. Die Vorschriften für die Meldung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt (Richtlinie 2003/42/EG, Verordnungen (EG) Nr. 1321/2007 und (EG) Nr. 1330/2007, die alle durch die Verordnung (EU) Nr. 376/2014 ersetzt wurden) stützen sich auf den gleichen Ansatz, der allein auf Prävention abzielt und jede Schuldzuweisung vermeidet. Seit 2005 müssen alle entlang der Luftfahrtkette auftretenden Abweichungen den zuständigen nationalen Behörden und von diesen an die EASA gemeldet und für weitere Analysen gespeichert und weiterverbreitet werden.
Seit 2003[6] bestehen ebenfalls gemeinsame Vorschriften für die Lufttüchtigkeit von Luftfahrzeugen, d. h. deren Entwurf, Bau und Wartung. Im Jahr 2008 wurden die Vorschriften auf den Flugbetrieb und die Ausbildung der Besatzungsmitglieder ausgeweitet, d. h. auf die Art und Weise, wie die Fluggeräte genutzt werden dürfen. Darauf folgte im Jahr 2009 zudem die Erweiterung auf den Betrieb der Flughäfen, das Flugverkehrsmanagement und die Bereitstellung von Dienstleistungen im Luftverkehr. Alle diese Vorschriften gelten für die Erzeugnisse sowie für die Unternehmen und die Angestellten, die für den Entwurf, Bau, die Wartung und den Betrieb verantwortlich sind, und auch für Luftfahrzeuge und Verkehrsunternehmer aus Drittländern, wenn diese in der EU tätig sind. 2015 legte die Kommission einen Vorschlag vor, mit dem diese Regelungen verschärft werden sollen, insbesondere um der Entwicklung unbemannter Luftfahrzeuge (Drohnen) und den Zusammenhängen zwischen der Flugsicherheit und anderen Bereichen wie Luftsicherheit oder Umweltschutz Rechnung zu tragen. Mit dem Vorschlag wurden die Zuständigkeiten der EASA in Bereichen wie Sicherheit (einschließlich Cybersicherheit) und Umwelt ausgeweitet. Ferner wurden einige Änderungen an der Struktur der EASA vorgeschlagen (z. B. Einsetzung eines Exekutivausschusses zur Unterstützung des Verwaltungsrats und des Exekutivdirektors). Außerdem wurden zwei zusätzliche Einnahmequellen für die EASA (Zuschüsse und Flugsicherungsgebühren für Aufgaben im Bereich des Flugverkehrsmanagements und der Flugsicherungsdienste) vorgeschlagen. Nachdem Parlament und Rat ausführlich über den Vorschlag beraten hatten, wurde die Verordnung (EU) 2018/1139 im Juli 2018 verabschiedet und die vorherige EASA-Grundverordnung (Verordnung (EG) Nr. 216/2008) damit aufgehoben.
Mit dem Programm zur Sicherheitsüberprüfung von Luftfahrzeugen aus Drittländern (SAFA), das 1996 von der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC[7]) initiiert wurde, wurden die Grundlagen für eine einheitliche Kontrolle ausländischer (europäischer und nichteuropäischer Luftfahrzeuge) geschaffen, die sich auf Flughäfen der ICAO-Vertragsstaaten aufhalten, sodass die Einhaltung der von der ICAO festgelegten Mindestsicherheitsstandards überprüft werden kann[8]. Die Richtlinie 2004/36/EG (ersetzt durch die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 216/2008) hat das SAFA-Programm für die EU-Mitgliedstaaten ab 2006 verpflichtend gemacht. Seit 2014 werden die Flugzeuge der EASA-Staaten auf der Grundlage der Normen der Agentur, die zum Teil strenger sind, sowie im Rahmen von Inspektionen zur Sicherheitsüberprüfung von Luftfahrzeugen der Gemeinschaft (Safety Assessment of Community Aircraft – SACA) gemäß der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 inspiziert. Bei der EASA werden die Ergebnisse dieser Inspektionen zentral gespeichert. Die Feststellung von Mängeln kann gegebenenfalls zu Betriebseinschränkungen oder zur Aufnahme des betroffenen Unternehmens in die „schwarze Liste“ der Luftfahrtunternehmen führen, gegen die aus Sicherheitsgründen eine Betriebsuntersagung in der Gemeinschaft verfügt wurde. Diese „schwarze Liste“ besteht seit dem Jahr 2005 (Verordnung (EG) Nr. 2111/2005). Sie wird regelmäßig aktualisiert und veröffentlicht (durch die Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 474/2006), sodass die Fluggäste, die Verkäufer von Flugtickets und die zuständigen Behörden stets über die aktuellsten Informationen verfügen.
Außerdem müssen alle Betreiber aus Drittstaaten ab November 2016 durch eine von der EASA ausgestellte Genehmigung belegen, dass sie die Sicherheitsstandards der ICAO einhalten, um Ziele in der EU anfliegen zu dürfen (Verordnung (EU) Nr. 452/2014).
Anhand der „schwarzen Liste“ wird deutlich, dass die Flugsicherheit der Zivilluftfahrt in bestimmten Regionen der Welt stark verbesserungsbedürftig ist. Damit dies geschehen kann, hat die EU eine entsprechende Zusammenarbeit mit der ICAO ins Leben gerufen und gewährt den Ländern Unterstützung, in denen die größten Schwierigkeiten bei der Einführung wirkungsvoller Strukturen für die Flugsicherheit bestehen. Dies führte zum Übereinkommen über die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums (ECAA-Übereinkommen) im Jahr 2006 mit dem Ziel, die Nachbarländer der EU in Südosteuropa (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien und Kosovo) zusammen mit Norwegen und Island in den Luftverkehrsbinnenmarkt der EU zu integrieren. Der gemeinsame europäische Luftverkehrsraum hat bereits zu einem höheren Maß an Konnektivität geführt. Die Schweiz ist nicht Teil des ECAA-Übereinkommens, hat aber ein eigenes Luftverkehrsabkommen mit der EU, nämlich das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und der Schweiz, mit dem die Schweiz in den Luftverkehrsbinnenmarkt der EU integriert wird. Die EU hat außerdem Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsabkommen mit Marokko, Jordanien und Israel geschlossen, die einen Rechtsrahmen für verschiedene Bereiche darunter hohe Sicherheitsstandards, die Gewährleistung von Fluggastrechten und Wettbewerb bieten.
Hierbei ist anzumerken, dass die internationale Zusammenarbeit im Bereich Flugsicherheit auch auf Erleichterungen für den Handel mit Erzeugnissen und Dienstleistungen abzielt, der durch unterschiedliche nationale technische Standards möglicherweise erschwert wird. Dementsprechend hat die EU mit ihren wichtigsten Partnern im Bereich Luftfahrt (USA, Kanada und Brasilien) Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Standards für Flugsicherheit geschlossen. Für bestimmte Projekte schließt die EASA sogenannte Arbeitsvereinbarungen mit Industriepartnern aus Ländern ab, mit denen keine derartigen Abkommen bestehen. Die Erzeugnisse und Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich dieser Abkommen und Vereinbarungen fallen, können frei zwischen den Vertragsstaaten gehandelt werden.
Wenn die Zusammenarbeit zwischen der EU (und ihren Mitgliedstaaten) und einem Drittland auf die gegenseitige Anerkennung von Bescheinigungen abzielt, wird ein bilaterales Flugsicherheitsabkommen (BASA) unterzeichnet. Bislang hat die EU ein BASA mit den USA, Kanada, Brasilien, China und Japan geschlossen. Im Oktober 2021 unterzeichnete die EU ein Luftverkehrsabkommen mit der Ukraine, um hohe Standards in Bereichen wie Flugsicherheit, Luftsicherheit und Flugverkehrsmanagement zu fördern.
Am 22. September 2020 schlug die Kommission eine Aktualisierung der Initiative zum einheitlichen europäischen Luftraum vor (siehe Kurzdarstellung 3.4.8).
Am 29. November 2022 nahm die Kommission eine Drohnenstrategie an, in der Vorstellungen über und ein Plan für das künftige Wachstum des europäischen Drohnenmarkts dargelegt werden. In der Strategie wurden technische Anforderungen an unbemannte Luftfahrzeuge oder Drohnen festgelegt, wobei sie auf dem Sicherheitsrahmen der EU aufbaut. In dem neuen Plan wird dargelegt, wie Europa kommerzielle Drohnen mit großer Reichweite betreiben und gleichzeitig der Drohnenbranche neue Chancen eröffnen kann.
Rolle des Europäischen Parlaments
Das Parlament hat die Einführung eines wirksamen europäischen Sicherheitssystems in der Zivilluftfahrt von jeher sehr entschlossen unterstützt und sich dabei ganz besonders für die Wirksamkeit der EASA und das Recht der Fluggäste auf Zugang zu Informationen eingesetzt.
Somit vertraten die Abgeordneten seit der Verabschiedung der „SAFA-Richtlinie“ die Auffassung, dass sie auch der öffentlichen Kritik an jenen Luftfahrtunternehmen dienen soll, die die internationalen Sicherheitsstandards nicht einhalten. Das Parlament forderte außerdem, dass die Maßnahmen, die von einem Mitgliedstaat infolge einer Inspektion im Rahmen von SAFA durchgeführt werden, von der Europäischen Kommission auf die gesamte EU ausgeweitet werden können. Damit legten die MdEP die Grundlagen für die Erstellung der „schwarzen Liste“. Zudem gelang es dem Parlament, die Veröffentlichung der Liste verbindlich zu machen und den Anspruch von Fluggästen auf Entschädigung oder anderweitige Beförderung bei der Annullierung eines Fluges infolge der Aufnahme eines Unternehmens in die Liste durchzusetzen. In Bezug auf die EASA hat das Parlament von Beginn an gefordert, dass sie in der Ausübung ihrer technischen Aufgaben unabhängig sein und einen möglichst weiten Kompetenzbereich haben sollte: Diese Verlängerung wurde im Jahr 2008 schließlich vereinbart. Das Parlament hat der EASA wirksame Zwangsmittel mit einer tatsächlich abschreckenden Wirkung an die Hand gegeben, indem ihr das Recht verliehen wurde, den Verstößen angemessene Geldbußen zu verhängen. Der Ausschuss für Verkehr und Tourismus lädt die Vertreter der EASA regelmäßig zu einem Meinungsaustausch über Fragen der Flugsicherheit ein, wie die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen der Sicherheit der Zivilluftfahrt und verschiedenen sozioökonomischen Faktoren, die gegenseitige Anerkennung von Bescheinigungen und die Zusammenarbeit mit der US-Luftfahrtbehörde (FAA), die Integration unbemannter Luftfahrzeuge in den EU-Luftraum und die Auswirkungen globaler Pandemien und militärischer Konflikte auf die Flugsicherheit in Europa.
Das Parlament begrüßte im Jahr 2016 außerdem den Vorschlag der Kommission, die EASA-Grundverordnung (Verordnung (EG) Nr. 216/2008) zu überarbeiten, um ein Höchstmaß an Sicherheit in der Luftfahrt zu erreichen. Insbesondere betonte es, dass die notwendigen Bestimmungen zur Anpassung der EASA an neue Entwicklungen in der Luftfahrt erforderlich sind, wie zum Beispiel der zunehmende Luftverkehr, der verbreitete Einsatz von Drohnen, das Aufkommen von Konfliktgebieten an der Haustür Europas und die zunehmende technische Komplexität in der Luftfahrt. Im Jahr 2017 forderte das Parlament die Kommission und den Rat auf, für die EASA ausreichende Mittel und genug Personal bereitzustellen, damit für hohe Sicherheitsstandards gesorgt ist und die EASA im internationalen Kontext eine größere Rolle spielt.
Neueste Dokumente des Europäischen Parlaments, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind:
- Entschließung vom 29. Oktober 2015 zum sicheren Einsatz ferngesteuerter Flugsysteme (RPAS), gemeinhin bekannt als unbemannte Luftfahrzeuge (UAV), im Bereich der zivilen Luftfahrt;
- Bericht seines Ausschusses für Verkehr und Tourismus vom 2. Dezember 2016 über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und Rats zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit;
- Entschließung vom 16. Februar 2017 zur Luftfahrtstrategie für Europa.
Ariane Debyser / OLENA KUZHYM