Durch die Asylpolitik der EU soll jedem Drittstaatsangehörigen, der in einem der Mitgliedstaaten internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status gewährt und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sichergestellt werden.[1] Zu diesem Zweck bemüht sich die EU um die Ausarbeitung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.

Rechtsgrundlage

  • Artikel 67 Absatz 2, Artikel 78 und Artikel 80 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV);
  • Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Ziele

Die EU strebt die Entwicklung einer gemeinsamen Politik in den Bereichen Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status gewährt wird, sowie die Sicherstellung der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung an. Diese Politik muss mit dem Genfer Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und dem dazugehörigen Protokoll vom 31. Januar 1967 im Einklang stehen. Weder im AEUV noch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden die Begriffe „Asyl“ und „Flüchtling“ definiert, aber beide verweisen ausdrücklich auf das Genfer Abkommen und sein Protokoll.

Ergebnisse

A. Beitrag der Verträge von Amsterdam und Nizza

Nach dem Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1993 wurde die vorherige zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Asylfragen in den institutionellen Rahmen der EU aufgenommen. Als Hauptakteur sollte der Rat die Kommission in seine Arbeit einbeziehen und das Parlament über seine Asylinitiativen unterrichten. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) war in Asylfragen nicht zuständig.

Durch den Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1999 wurden den Organen der EU neue Befugnisse übertragen, sodass diese nach einem bestimmten institutionellen Mechanismus Rechtsvorschriften im Bereich Asyl ausarbeiten können. Es gab eine fünfjährige Übergangszeit mit einem geteilten Initiativrecht der Kommission und der Mitgliedstaaten und einem einstimmigen Beschluss im Rat nach einer Konsultation des Parlaments; dem EuGH wurde die Zuständigkeit in bestimmten Fällen übertragen. Außerdem könnte der Rat gemäß dem Vertrag von Amsterdam – nach Abschluss dieser ersten fünfjährigen Phase – beschließen, dass das normale Mitentscheidungsverfahren Anwendung findet, d. h., dass der Rat seine Beschlüsse nunmehr mit qualifizierter Mehrheit fasst. Der Rat hat Ende 2004 einen entsprechenden Beschluss gefasst, und seit 2005 wird das Mitentscheidungsverfahren (nunmehr als ordentliches Gesetzgebungsverfahren bekannt) angewandt.

Mit der Annahme des Programms von Tampere im Oktober 1999 beschloss der Europäische Rat, dass die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in zwei Phasen erfolgen soll: Die Annahme gemeinsamer Mindestnormen auf kurze Sicht sollte zu einem gemeinsamen Verfahren und einem einheitlichen Status für diejenigen führen, denen auf längere Sicht in der gesamten EU Asyl gewährt wird.

Dies führte zur ersten Phase“ des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) von 1999-2004, in der die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, festgelegt wurden (anstelle des internationalen/zwischenstaatlichen Dubliner Übereinkommens von 1990), wozu auch das europäische System zur Erfassung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern (Datenbank „Eurodac“) für die Speicherung und den Abgleich von Fingerabdruckdaten gehört. Es wurden auch gemeinsame Mindeststandards festgelegt, an die sich die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Aufnahme von Asylsuchenden halten müssen, sowie Qualifikationskriterien für die Gewährung von internationalem Schutz und die Art des gewährten Schutzes und Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Durch weitere Rechtsvorschriften wurde die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms geregelt.

Im November 2004 wurde im Haager Programm gefordert, dass die Instrumente und Maßnahmen der zweiten Phase bis Ende 2010 verabschiedet werden, wobei das Bestreben der EU hervorgehoben wurde, über Mindeststandards hinauszugehen und ein einheitliches Asylverfahren zu entwickeln, das gemeinsame Garantien und einen einheitlichen Status für die Schutzberechtigten umfasst. Im Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl von 2008 wurde diese Frist auf 2012 verschoben.

B. Vertrag von Lissabon

Der Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat, änderte die Situation, indem er die Asylmaßnahmen von der Festlegung von Mindeststandards in ein gemeinsames System mit einheitlichem Status und einheitlichen Verfahren umwandelte.

Dieses gemeinsame System muss dabei folgende Aspekte umfassen:

  • einen einheitlichen Asylstatus,
  • einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus,
  • eine gemeinsame Regelung für den vorübergehenden Schutz,
  • gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den Entzug des einheitlichen Asylstatus beziehungsweise des subsidiären Schutzstatus,
  • Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist,
  • Normen für die Aufnahmebedingungen,
  • die Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittländern.

Seit der Verabschiedung des Vertrags von Lissabon gilt nach Artikel 80 AEUV auch ausdrücklich der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich etwaiger finanzieller Belastungen. Die asylpolitischen Maßnahmen der EU sollten erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen umfassen, mit denen gewährleistet wird, dass dieser Grundsatz eingehalten wird. Der Vertrag hat auch das Beschlussfassungsverfahren in Asylfragen erheblich verändert, indem das Mitentscheidungsverfahren zum Standardverfahren erklärt wurde. Hinzu kam, dass die gerichtliche Kontrolle durch den EuGH erheblich verbessert wurde. Von nun an dürfen alle Gerichte eines Mitgliedstaats ein Vorabentscheidungsverfahren anstreben und nicht mehr nur, wie dies früher der Fall war, die letztinstanzlichen nationalen Gerichte. Dies hat es dem EuGH ermöglicht, eine umfassendere Rechtsprechung im Asylbereich zu entwickeln.

Das Stockholmer Programm, das der Europäische Rat am 10. Dezember 2009 für den Zeitraum 2010-2014 angenommen hat, bekräftigte das Ziel, einen europäischen Raum des Schutzes und der Solidarität zu schaffen, der auf einem gemeinsamen Asylverfahren und einem einheitlichen Status für Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, beruht. Darüber hinaus wurden die Notwendigkeit, den besonders belasteten Mitgliedstaaten wirkliche Solidarität entgegenzubringen, und die wichtige Rolle des neuen Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) betont.

Obwohl die Kommission ihre Vorschläge für die zweite Phase des GEAS bereits 2008-2009 vorgelegt hatte, kamen die Verhandlungen nur langsam voran. Dementsprechend wurde die „zweite Phase“ des GEAS nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verabschiedet, wobei der Schwerpunkt von Mindeststandards auf ein gemeinsames Asylverfahren auf der Grundlage eines einheitlichen Schutzstatus verlagert wurde.

C. Die wichtigsten bestehenden Rechtsinstrumente und laufenden Reformbemühungen

Mit Ausnahme der Neufassung der Anerkennungsrichtlinie‚ die im Januar 2012 in Kraft trat, traten die anderen neu gefassten Rechtsakte erst im Juli 2013 in Kraft (die Eurodac-Verordnung, die Dublin-III-Verordnung, die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen und die Asylverfahrensrichtlinie), sodass die verzögerte Umsetzung Mitte Juli 2015 mit dem Höhepunkt der Migrationskrise zusammenfiel. Im Juni 2014 erarbeitete der Europäische Rat auf der Grundlage der Mitteilung der Kommission vom März 2014 die strategischen Leitlinien für die gesetzgeberische und operative Programmplanung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Artikel 68 AEUV) für die kommenden Jahre und stützte sich dabei auf die im Rahmen des Stockholmer Programms erzielten Fortschritte. In diesen Leitlinien wird betont, dass die vollständige Umsetzung und wirksame Anwendung des GEAS absolute Priorität genießen.

Angesichts des seit 2014 herrschenden Migrationsdrucks veröffentlichte die Kommission im Mai 2015 die Europäische Migrationsagenda (4.2.3), in der mehrere Maßnahmen vorgeschlagen wurden, um diesem Druck zu begegnen, darunter der Hotspot-Ansatz, der gemeinsam vom EASO, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (ehemals Frontex) und der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) umgesetzt wurde und bei dem man vor Ort mit den Mitgliedstaaten an den Außengrenzen zusammenarbeitet, um ankommende Migranten rasch zu identifizieren, zu registrieren und ihre Fingerabdrücke zu erfassen. Der Hotspot-Ansatz soll auch zur Umsetzung der Regelung zur vorübergehenden und ausnahmsweisen Umsiedlung von insgesamt 160 000 Personen beitragen, die internationalen Schutz benötigen. Die Regelung wurde von der Kommission zur Unterstützung Italiens und Griechenlands vorgeschlagen und vom Rat am 14. und 22. September 2015 nach Anhörung des Parlaments angenommen. Der Ratsbeschluss wurde später im EuGH-Urteil vom 6. September 2017 aufrechterhalten. Die Umsiedlung ist als ein Mechanismus zur praktischen Umsetzung des in Artikel 80 AEUV niedergelegten Grundsatzes der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortung gedacht. Die Umsiedlungsquoten waren jedoch geringer als erwartet, und die Umsiedlungen wurden nur langsam umgesetzt.

In der Europäischen Migrationsagenda sind weitere Schritte für eine Reform des GEAS festgelegt, die im Mai und Juli 2016 in zwei Paketen von Legislativvorschlägen vorgelegt und während der gesamten Legislaturperiode, die im Mai 2019 zu Ende ging, vom Parlament und dem Rat erörtert wurden. Es wurden jedoch keine Rechtsakte angenommen, da die Akten im Rat blockiert sind oder bestimmte Akten in Wartestellung verbleiben, weil damit verknüpfte Unterlagen blockiert sind. Diese Gesetzesinitiativen zielen darauf ab,das CEAS unter anderem durch den Vorschlag direkt anwendbarer Verordnungen anstelle von Richtlinien (mit Ausnahme der Aufnahmebedingungen, die eine Richtlinie bleiben, die noch in nationales Recht umgesetzt werden muss) zu verbessern. Sie umfassen Folgendes:

  • Maßnahmen zur Vereinfachung, Klärung und Verkürzung der Asylverfahren, zur Gewährleistung gemeinsamer Garantien für Asylbewerber und zur Gewährleistung strengerer Vorschriften zur Bekämpfung von Missbrauch, einschließlich einer gemeinsamen Liste sicherer Herkunftsländer, die ursprünglich als gesonderte Verordnung vorgeschlagen wurde. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) hat am 25. April 2018 seinen Bericht über den Vorschlag angenommen;
  • Kriterien für den Anspruch auf internationalen Schutz (siehe die vorgeschlagene Anerkennungsrichtlinie), um eine größere Konvergenz der Anerkennungsquoten und Formen des Schutzes zu erreichen, einschließlich restriktiverer Bestimmungen, darunter Sanktionen für die Sekundärmigration von Antragstellern und die zwingend vorgeschriebene Überprüfung des Status auch bei anerkannten Flüchtlingen. Der LIBE-Ausschuss nahm seinen Bericht am 15. Juni 2017 an;
  • die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Richtlinie über Aufnahmebedingungen), ersetzte die Richtlinie 2003/9/EG des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten aus der ersten Phase. Mit der Neufassung der Richtlinie sollen menschenwürdige und stärker vereinheitlichte Standards für Aufnahmebedingungen wie Zugang der Antragsteller zu Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und medizinischer Versorgung (darunter ärztliche und psychologische Betreuung), Bildung für Minderjährige und Zugang zu Beschäftigung unter bestimmten Bedingungen sichergestellt werden. Am 13. Juli 2016 legte die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag zur Reform der Neufassung der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen vor. Am 25. April 2017 nahm der LIBE-Ausschuss seinen Bericht zum Legislativvorschlag der Kommission an;
  • die Reform der Dublin-Verordnung zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (grundsätzlich das Land der ersten Einreise). Mit dem Vorschlag werden die derzeitigen Kriterien des Dubliner Systems beibehalten und durch einen Korrekturmechanismus der Zuweisung ergänzt, um unter unverhältnismäßigem Druck stehende Mitgliedstaaten zu entlasten. Der LIBE-Ausschuss nahm seinen Bericht am 19. Oktober 2017 an;
  • eine Überarbeitung des Eurodac-Systems zur Erfassung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern, das auf personenbezogene Daten von Drittstaatsangehörigen ausgedehnt wird, die keinen internationalen Schutz beantragt haben, sich aber nachweislich illegal in der EU aufhalten, sodass die Strafverfolgungsbehörden auf die Datenbank zugreifen können, sowie die Erfassung der Fingerabdrücke von Kindern ab sechs Jahren, um die Suche nach Familienangehörigen und die Familienzusammenführung zu erleichtern. Der LIBE-Ausschuss nahm seinen Bericht am 30. Mai 2017 an;
  • eine Umwandlung der EASO von einer unterstützenden EU-Agentur in eine vollwertige EU-Asylagentur (EUAA), die dafür zuständig wäre, das Funktionieren des CEAS zu erleichtern, die Konvergenz bei der Bewertung von Asylanträgen in der gesamten EU zu gewährleisten und die operative und technische Anwendung des EU-Rechts zu überwachen, einschließlich der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Ausbildung nationaler Sachverständiger. Das Parlament hat seinen Bericht zu dem Vorschlag am 8. Dezember 2016 angenommen, und Mitte Juni 2017 wurde eine umfassende vorübergehende Einigung mit dem Rat erzielt. Während die vorläufige Vereinbarung vom Juni 2017 sich noch in der Schwebe befand, nahm die Kommission am 12. September 2018 einen geänderten Vorschlag für eine Verordnung über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 an, der einige Klärungen, insbesondere zu operativen Aufgaben der EUAA, enthielt und bestimmte Bestimmungen der vorläufigen Vereinbarung über die EUAA mit dem neuen Entwurf für eine Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache – Frontex – (zeitgleich im September 2018 vorgeschlagen) vereinheitlichen und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Agenturen stärken sollte. Der LIBE-Ausschuss lehnte den geänderten Vorschlag ursprünglich am 10. Dezember 2018 ab, doch im Juni 2021 erzielten der Rat und das Parlament eine neue vorläufige Einigung über die EUAA-Verordnung, die auf der vorherigen Einigung von 2017 aufbaute, wenngleich die Anwendung einiger Bestimmungen der Verordnung (insbesondere derjenigen, die sich auf die neuen, der Agentur übertragenen Überwachungsbefugnisse beziehen) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird;
  • einen Neuansiedlungsrahmen der Europäischen Union, der gemeinsame EU-Vorschriften für die Aufnahme von Drittstaatsangehörigen, die internationalen Schutz benötigen, einschließlich einer finanziellen Unterstützung der Neuansiedlungsbemühungen der Mitgliedstaaten, vorsieht und damit die derzeitigen multilateralen und nationalen Ad-hoc-Neuansiedlungsprogramme ergänzt. Der LIBE-Ausschuss hat seinen Bericht zu dem Vorschlag am 12. Oktober 2017 angenommen. Eine vorläufige Vereinbarung zu den wichtigsten Aspekten der Verordnung wurde am 13. Juni 2018 zwischen dem Parlament und dem Rat erreicht. Da der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten bei der Europäischen Union ihn jedoch nicht förmlich billigte, wurden die Verhandlungen auf technischer Ebene fortgesetzt. Das Parlament gab anschließend informell an, dass es grundsätzlich zu der im Trilog vom Juni 2018 erzielten vorläufigen Einigung steht. Der Rat behandelte diesen Gesetzgebungsakt weiterhin entsprechend dem „Paketansatz“;
  • die Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (Richtlinie über vorübergehenden Schutz) wurde als Rahmen für die Steuerung eines unerwarteten Massenzustroms von Vertriebenen und einen unmittelbaren Schutz entwickelt. Die Ziele der Richtlinie bestehen darin, die politischen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Aufnahme und Behandlung von Vertriebenen bei einem Massenzustrom zu verringern und außerdem die Solidarität unter den Mitgliedstaaten zu fördern. In der Praxis kam die Richtlinie trotz verschiedener größerer Flüchtlingszuströme in die EU allerdings seit ihrer Entwicklung aufgrund der Einstimmigkeitsanforderung für Entscheidungen des Rates, der Unklarheit ihrer Bedingungen und Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten im Rat über die Lastenverteilung nie zur Anwendung.

Am 23. September 2020 veröffentlichte die Kommission das Neue Migrations- und Asylpaket in dem Versuch, der festgefahrenen Reform des GEAS neues Leben einzuhauchen. Mit dem Paket wird ein neues Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität angestrebt. Die Kommission schlägt vor, das Asylverfahren in das Migrationsmanagement zu integrieren und mit einem Screening vor der Einreise und der Rückführung zu verbinden. Der Vorschlag enthält Folgendes:

  • Durch die Änderung des Vorschlags der Kommission aus dem Jahr 2016 für eine Asylverfahrensverordnung soll im Rahmen eines neuen Grenzverfahrens der Status von Migranten bei deren Ankunft rasch ermittelt werden, das nahtlos mit einem Rückführungsverfahren verknüpft ist (Geänderter Vorschlag für eine Asylverfahrensverordnung), damit nicht erfolgreiche Asylbewerber rasch zurückgeführt werden können. Im Anschluss an eine europäische Umsetzungsbewertung nahm das Parlament am 10. Februar 2021 eine Entschließung an, in der es die Anwendung des Grenzverfahrens nach Artikel 43 der Asylverfahrensrichtlinie aus dem Jahr 2013 kritisierte;
  • ein Screening, das für alle Drittstaatsangehörige gelten soll, die an den Außengrenzen ankommen und die Voraussetzungen für die Einreise nicht erfüllen oder im Anschluss an einen Such- und Rettungseinsatz ausgeschifft werden (Vorschlag für eine Screening-Verordnung);
  • mittels des Vorschlags der Kommission für eine Asyl- und Migrationsverordnung soll ein gemeinsamer Rahmen geschaffen werden, mit dem sichergestellt wird, dass nicht einige wenige Mitgliedstaaten mit der Herausforderung irregulärer Einreisen allein gelassen werden, sondern deren Bewältigung von allen gemeinsam in Angriff genommen wird. Die Kommission schlägt einige neue Bestimmungen über die Bestimmung der Zuständigkeit für einen Asylantrag, einen neuen auf Solidarität fußenden Umsiedlungsmechanismus (insbesondere hinsichtlich des erheblichen Anteils an Migranten, die nach Such- und Rettungseinsätzen auf See ausgeschifft werden) sowie Rückkehrpatenschaften vor. Dementsprechend hat die Kommission ihren Dublin-Vorschlag von 2016 zurückgezogen, da dessen Bestimmungen in die Asyl- und Migrationsverordnung eingeschlossen wurden;
  • eine Verordnung für Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt, die dazu dient, außergewöhnliche Situationen der massenhaften irregulären Einreise von Drittstaatsangehörigen zu bewältigen, um Mitgliedstaaten in Krisensituationen flexible Reaktionsmöglichkeiten zu erschließen und sicherzustellen, dass die in der Asyl- und Migrationsverordnung vorgesehene Solidaritätsregelung an Krisensituationen angepasst wird. Daher hat die Kommission ihren Vorschlag bezüglich eines Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen von 2015 zurückgezogen und beabsichtigt, die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes aufzuheben;
  • mit dem geänderten Vorschlag von 2016 für eine Eurodac-Verordnung wird darauf abgezielt, Eurodac in eine gemeinsame europäische Datenbank zur Unterstützung der EU-Politik in den Bereichen Asyl, Neuansiedlung und irreguläre Migration, einschließlich Rückführungsstrategien, umzuwandeln und die umfassende Interoperabilität mit den Grenzmanagement-Datenbanken sicherzustellen.

Außerdem schlägt die Kommission vor, auf den bei den verbleibenden Akten erzielten Fortschritten aufzubauen, und das Parlament und der Rat sind aufgefordert, insbesondere die Anerkennungsverordnung, die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen, die EUAA und den Neuansiedlungsrahmen der Union schnellstmöglich voranzubringen. In ihrer Empfehlung zu legalen Schutzwegen in die EU legt die Kommission den Mitgliedstaaten schließlich nahe, im Jahr 2021 ihre nicht erfüllten Neuansiedlungszusagen aus 2020 zu erfüllen, und ersucht sie, andere Wege für die Aufnahme aus humanitären Gründen einzuführen oder zu nutzen, wie die Familienzusammenführung und Patenschaftsprogramme sowie ergänzende Aufnahmemöglichkeiten in Verbindung mit Bildung oder Beschäftigung.

D. Die externe Dimension

Der von der Kommission im Jahr 2011 angenommene Gesamtansatz für Migration und Mobilität bildet den übergreifenden Rahmen der EU-Außenmigrations- und Asylpolitik. In dem Rahmen ist festgelegt, wie die EU ihre politischen Dialoge und die Zusammenarbeit mit Drittländern auf der Grundlage klar definierter Prioritäten führt. Er ist eingebettet in das gesamte außenpolitische Handeln der EU, einschließlich der Entwicklungszusammenarbeit. Seine Hauptziele sind eine bessere Organisation der legalen Migration, die Verhütung und Bekämpfung der illegalen Migration, die Maximierung der entwicklungspolitischen Auswirkungen von Migration und Mobilität und die Förderung des internationalen Schutzes.

Der Europäische Rat und die Türkei haben sich im März 2016 darauf geeinigt, den Zustrom illegaler Migranten über die Türkei nach Europa zu verringern. Nach der Erklärung EU-Türkei sollten alle neuen illegalen Migranten und Asylbewerber, die aus der Türkei auf die griechischen Inseln gelangen und deren Asylanträge für unzulässig erklärt wurden, in die Türkei zurückgeschickt werden. Des Weiteren sollte für jeden Syrer, der in die Türkei zurückgekehrt ist, ein anderer Syrer in die EU umgesiedelt werden, und zwar im Gegenzug für eine weitere Visaliberalisierung für türkische Staatsbürger und die Zahlung von 6 Mrd. EUR im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei bis Ende 2018. Laut dem Fortschrittsbericht der Kommission über die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda vom 16. Oktober 2019 spielt die Erklärung weiterhin eine Schlüsselrolle bei der wirksamen Bewältigung der Migrationsherausforderung im östlichen Mittelmeerraum. In dem Bericht wird jedoch hervorgehoben, dass die Türkei heute vor einem zunehmenden Migrationsdruck steht, da die Instabilität in der weiteren Region fortbesteht und die EU mit ihrer Hilfe im Umfang von 6 Mrd. EUR im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei grundlegende Unterstützung für die Bedürftigen leistet. Im Februar 2020 drohte die Türkei damit, die Erklärung auszusetzen, was zur Folge hatte, dass in Griechenland das Asylrecht ausgesetzt wurde und zahlreiche Migranten an seinen Grenzen an der Weiterreise gehindert wurden; darüber hinaus wurde über Zurückweisungen im ägäischen Meer berichtet. Im März 2020 setzte die Türkei die Rückübernahme von Rückkehrern von den griechischen Inseln wegen der Pandemie aus. Die EU versucht derzeit, die Türkei auf höchster politischer Ebene zur Wiederaufnahme der Rückübernahme zu bewegen.

Eine der wichtigsten Initiativen, die im Neuen Migrations- und Asylpaket vorgestellt wurden, war die Förderung von maßgeschneiderten und für alle Beteiligten vorteilhaften Partnerschaften mit Drittländern im Bereich der Migration. Demzufolge könnte die Erklärung EU-Türkei als Blaupause für künftige Kooperationsabkommen der EU mit nordafrikanischen Ländern dienen, selbst wenn die Vereinbarkeit der in der Erklärung vorgesehenen Maßnahmen mit dem internationalen und dem EU-Flüchtlingsrecht und den Menschenrechtsstandards fraglich ist.

Auf globaler Ebene verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2016 einstimmig die New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten, eine bahnbrechende politische Erklärung, die darauf abzielt, die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf große Flüchtlings- und Migrantenbewegungen sowie auf langanhaltende Flüchtlingssituationen zu verbessern. In der Folge wurden 2018 zwei globale Pakte für Flüchtlinge und andere Migranten geschlossen. Die New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten enthält einen umfassenden Rahmenplan für Flüchtlingshilfemaßnahmen mit spezifischen Maßnahmen, um den Druck auf die betroffenen Aufnahmeländer zu mindern, die Eigenständigkeit der Flüchtlinge zu erhöhen, den Zugang zu Drittlandlösungen zu erweitern und die Bedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern, damit Flüchtlinge in Sicherheit und Würde zurückkehren können. Auf der Grundlage dieser vier zentralen Ziele bestätigte die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 17. Dezember 2018 den Globalen Pakt für Flüchtlinge.

E. Finanzierungsmöglichkeiten für die Asylpolitik

Das wichtigste Finanzierungsinstrument im EU-Haushalt im Asylbereich ist der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF). Die Mittelausstattung des AMIF wurde im letzten langfristigen Haushalt der EU (2014-2020), der mit der Migrationskrise zusammenfiel, von 3,31 Mrd. EUR auf 6,6 Mrd. EUR aufgestockt. Für den derzeitigen langfristigen EU-Haushaltsplan für den Zeitraum von 2021-2027 wurden die Mittel aus dem AMIF erneut auf 9,9 Mrd. EUR aufgestockt, um unter anderem ein effektives und menschenwürdiges Migrations-, Asyl- und Integrationsmanagement zu erreichen, das die finanzielle Unterstützung von Mitgliedstaaten im Rahmen von Neuansiedlungen und Übernahmen auf Solidaritätsbasis einschließt. Andere EU-Förderinstrumente wie der Europäische Sozialfonds (2.3.2), der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (2.3.9) und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (3.1.2) stellen auch Mittel bereit, vor allem zur Unterstützung der Integration von Flüchtlingen und Migranten, wobei der Anteil der dafür zugewiesenen Mittel in den Haushaltslinien nicht separat ausgewiesen wird und somit unklar ist.

Auch die anfängliche Zuweisung an das EASO (die künftige EUAA) für den Zeitraum von 2014-2020 wurde von 109 Mio. EUR auf 456 Mio. EUR erhöht. Um in Zukunft eine umfassende operative Unterstützung der Asylverfahren leisten zu können, ist im neuen mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum von 2021-2027 ein Etat von 1,22 Mrd. EUR vorgesehen.

Außerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR), aber innerhalb des EU-Haushalts gibt es Treuhandfonds für externe Maßnahmen wie

  • den Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika (5 Mrd. EUR für den ursprünglichen Fünf-Jahres-Zeitraum), dessen Mandat bis Ende 2021 verlängert wurde, zur Unterstützung von Ländern in Afrika bei der Migrationssteuerung und Grenzkontrolle,
  • den Regionalen Treuhandfonds der EU (mit dem seit seiner Einrichtung im Jahr 2014 2,2 Mrd. EUR mobilisiert wurden), der als Reaktion auf die Syrien-Krise aufgelegt und auch bis Ende 2021 verlängert wurde und als EU-Syrien-Krisenreaktion in den MFR 2021-2027 übernommen wurde, und
  • die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei (3 Mrd. EUR für den Zeitraum 2016-2017 und 3 Mrd. EUR für 2018-2019, wobei beide Tranchen vollständig gebunden und abgerufen wurden und nahezu 4 Mrd. EUR für die Finanzierung von Projekten bis spätestens Mitte 2025 ausgezahlt wurden). Im Juli 2020 vereinbarte die EU eine Erweiterung der Fazilität in Höhe von 485 Mio. EUR für humanitäre Unterstützung, um die Verlängerung des derzeitigen Programms bis Ende 2021 zu ermöglichen.

Schließlich wurde der Europäische Entwicklungsfonds, der ursprünglich nicht Bestandteil des EU-Haushalts war, unter der Rubrik „Nachbarschaft und übrige Welt“ (98,4 Mrd. EUR insgesamt) in den MFR für den Zeitraum von 2021-2027 integriert. Sein Fokus liegt auf der Beseitigung der Armut und der Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, er wurde aber in den letzten Jahren zunehmend zur Finanzierung der Reaktion auf Migrationsfragen eingesetzt.

Rolle des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament hat sich im Einklang mit den rechtlichen Verpflichtungen der EU stets nachdrücklich für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem eingesetzt. Es hat auch gefordert, die illegale Migration zu verringern und schutzbedürftige Gruppen zu schützen.

Die Entschließung des Parlaments vom 12. April 2016 zur Lage im Mittelmeerraum und zur Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes der EU für Migration gibt einen Überblick über seine wichtigsten Positionen und Anliegen im Asylbereich.

Das Parlament fordert zuverlässige und faire Verfahren, die auf wirksame Weise umgesetzt werden und auf dem Grundsatz der Nichtzurückweisung beruhen. Außerdem betont es die Notwendigkeit, eine Verringerung des Schutzes und der Qualität der Aufnahme zu vermeiden und die Belastung der Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen gerechter zu verteilen. Das Parlament hat die Mitgliedstaaten immer wieder aufgefordert, von den bestehenden Möglichkeiten zur Erteilung humanitärer Visa Gebrauch zu machen, und ist der Auffassung, dass es Personen, die um internationalen Schutz ersuchen, möglich sein sollte, in jedem Konsulat und jeder Botschaft der Mitgliedstaaten ein EU-Visum aus humanitären Gründen zu beantragen, wofür eine Änderung des EU-Visakodex erforderlich wäre. Nach Ansicht des Parlaments sind weitere Schritte erforderlich, um dafür Sorge zu tragen, dass das GEAS wirklich ein einheitliches System wird; eine umfassende Bewertung seiner Umsetzung ist erforderlich. Das Parlament hat die Bedeutung der gegenseitigen Anerkennung nicht nur negativer, sondern auch positiver Asylentscheidungen durch die Mitgliedstaaten festgestellt.

Es betonte, dass die Ingewahrsamnahme nur in eindeutig definierten Ausnahmefällen Anwendung finden darf, nie im Wohl von Migrantenkindern ist und ein Anspruch auf Rechtsmittel bestehen muss.

In Bezug auf die Beziehungen zu Drittländern forderte das Parlament im Rahmen des Gesamtansatzes für Migration und Mobilität eine Intensivierung der Anstrengungen zum Aufbau von Kapazitäten und zur Neuansiedlung, die gemeinsam mit Drittländern, die in großer Zahl Flüchtlinge aufgenommen haben, durchgeführt werden sollten. Das Parlament vertritt darin die Ansicht, dass sich die Zusammenarbeit mit Drittländern auf die Bekämpfung der eigentlichen Ursachen illegaler Migrationsströme in die EU konzentrieren muss.

Darüber hinaus verfügt das Europäische Parlament über das Instrument der Nichtigkeitsklage vor dem EuGH. Dieses Instrument wurde in der Entscheidung des EuGH vom 6. Mai 2008 erfolgreich eingesetzt, um die Nichtigkeit der Bestimmungen bezüglich der Modalitäten zur Annahme der in der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vorgesehenen gemeinsamen Liste der als sichere Herkunftsstaaten geltenden Drittstaaten und der sicheren europäischen Drittländer zu erwirken.

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[1]Ein zentraler Grundpfeiler der internationalen Flüchtlings- und Menschenrechtsgesetzgebung, wonach es den Staaten untersagt ist, Personen in ein Land zurückzuschicken, in dem die reale Gefahr besteht, dass sie Verfolgung, Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder einer anderen Menschenrechtsverletzung ausgesetzt sind.

Georgiana Sandu