Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Union. Die GSVP ist der wichtigste politische Rahmen, über den die Mitgliedstaaten eine europäische strategische Sicherheits- und Verteidigungskultur entwickeln, Konflikte und Krisen gemeinsam angehen, die EU und ihre Bürgerinnen und Bürger schützen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit stärken können. Aufgrund des angespannten geopolitischen Kontexts gehörte die GSVP in den letzten zehn Jahren zu den Politikbereichen, die sich am schnellsten entwickelt haben. Der am 24. Februar 2022 begonnene Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bedeutet einen geopolitischen Rückschlag für Europa, durch den neue Impulse für die Gründung einer europäischen Verteidigungsunion gegeben wurden.
Rechtsgrundlage
Die GSVP ist im Vertrag von Lissabon beschrieben, der 2009 in Kraft trat und mit dem der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geändert wurden.
Die Funktionsweise der GSVP und der GASP wird in den Artikeln 21 bis 46 EUV unter Titel V „Allgemeine Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union und besondere Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ erläutert.
Die Rolle des Europäischen Parlaments im Hinblick auf die GASP und die GSVP ist in den Artikeln 24, 27 und 36 EUV festgelegt, und die Finanzierungsregelungen für beide Strategien sind in Artikel 41 EUV enthalten.
Die GSVP wird außerdem in den Protokollen zu den Verträgen präzisiert, die durch den Vertrag von Lissabon hinzugefügt wurden, und zwar hauptsächlich in Protokoll Nr. 1 (über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union), Protokoll Nr. 10 (über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit nach Artikel 42 EUV) und Protokoll Nr. 11 (Protokoll zu Artikel 42 EUV) sowie in den Erklärungen Nr. 13 und Nr. 14 (Erklärungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik).
Aufbau
Der Vizepräsident der Kommission fungiert auch als Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (seine Position wird daher als „HR/VP“ abgekürzt, obwohl er als Hoher Vertreter bezeichnet wird, wenn er ausschließlich in seiner Eigenschaft als Außenbeauftragter handelt). Ihm kommt die zentrale institutionelle Rolle im Zusammenhang mit der GSVP zu. Seit dem 1. Dezember 2024 ist Kaja Kallas die Vizepräsidentin der Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Sie führt den Vorsitz im Rat (Auswärtige Angelegenheiten) in der Zusammensetzung der EU-Verteidigungsminister, der das beschlussfassende Organ für die GSVP darstellt, und ist für die Vorlage von Vorschlägen im Zusammenhang mit der GSVP an die Mitgliedstaaten zuständig. Die HR/VP leitet auch den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und ist Direktorin der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA).
Die Beschlüsse zur GSVP werden vom Europäischen Rat und vom Rat der EU einstimmig gefasst (Artikel 42 EUV). Nur in einigen wichtigen Ausnahmefällen, die die EDA (Artikel 45 EUV) und die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (abgekürzt „SSZ“, festgelegt in Artikel 46 EUV) betreffen, wird mit qualifizierter Mehrheit entschieden.
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde eine europäische Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung eingeführt (Artikel 42 Absatz 3 EUV) und festgelegt, dass die EDA ihre Aufgaben erforderlichenfalls in Verbindung mit der Kommission wahrnimmt (Artikel 45 Absatz 2 EUV), wenn es um die Forschung auf dem Gebiet der Verteidigungstechnologie der EU und die Politik der EU in den Bereichen Industrie und Weltraum geht.
Darüber hinaus wird in Artikel 21 EUV hervorgehoben, dass Multilateralismus im Mittelpunkt des auswärtigen Handelns der EU steht. Dementsprechend können sich auch EU-Partner an den GSVP-Missionen und -Operationen beteiligen. Die EU setzt sich für eine vertiefte Abstimmung und Zusammenarbeit innerhalb verschiedener multilateraler Rahmen ein, insbesondere mit den Vereinten Nationen und der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO), aber auch mit anderen regionalen Organisationen wie der Afrikanischen Union.
Entwicklung
Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 hat sich die GSVP erheblich weiterentwickelt, sowohl politisch als auch institutionell.
Im Juni 2016 stellte die HR/VP Federica Mogherini eine „Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union“ vor, in der fünf Prioritäten dargelegt wurden, darunter die Sicherheit der Union und die globale Governance. Um diese Strategie umzusetzen, stellte sie im November 2016 einen Umsetzungsplan vor, der zur Anwendung des SSZ-Mechanismus – einer Regelung für Mitgliedstaaten, die bereit sind, weitere Verpflichtungen in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung einzugehen – und des Europäischen Verteidigungsfonds – eines Finanzierungsinstruments für Forschung und Entwicklung in Bezug auf Fähigkeiten im Verteidigungsbereich – führte.
Im Jahr 2021 entwickelte die EU einen „Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung“, der im ersten Halbjahr 2022 angenommen werden sollte. Dabei handelte es sich um einen politischen Fahrplan, mit dem die Sicherheit und Verteidigung der EU im kommenden Jahrzehnt gestärkt werden sollten, indem ein Aktionsrahmen für die Entwicklung einer gemeinsamen Vision für Sicherheit und Verteidigung geschaffen wurde. Hauptziel des Strategischen Kompasses war es, politische Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der strategischen Autonomie in den folgenden vier zentralen Bereichen zur Verfügung zu stellen: Krisenbewältigung, Resilienz, Fähigkeitenentwicklung und Partnerschaften.
Vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, der am 24. Februar 2022 begonnen hat, mussten umfassende Änderungen an dem Dokument vorgenommen werden, um der anschließenden Destabilisierung der europäischen Sicherheitsordnung und den sich daraus ergebenden Änderungen an der Position, den Zielen und den Instrumenten der EU im Verteidigungsbereich Rechnung zu tragen. Im März 2022 billigte der Europäische Rat die endgültige Fassung des Strategischen Kompasses.
Infolge des Kriegs hat man in Dänemark den Verteidigungsvorbehalt im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Verteidigungspolitik der EU abgeschafft, der dem Land im Jahr 1992 zugestanden wurde. Mit einer Volksabstimmung, die am 1. Juni 2022 stattfand, stimmten die Däninnen und Dänen (mit 66,9 %) dafür, sich an der GSVP zu beteiligen. Somit beteiligen sich nun alle 27 Mitgliedstaaten an der GSVP.
Missionen und Einsätze zur Krisenbewältigung sind der sichtbarste und greifbarste Ausdruck der GSVP. Mit dem Strategischen Kompass werden die Lücken der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union bei den Krisenbewältigungsinstrumenten und -institutionen geschlossen, etwa durch den Aufbau einer EU-Schnelleingreifkapazität, die eine rasche Entsendung von bis zu 5 000 Einsatzkräften zur Bewältigung verschiedener Arten von Krisen ermöglicht. Ebenso gehört es zu den Zielen des Strategischen Kompasses, einheitliche Ziele für andere Initiativen wie die SSZ, den Europäischen Verteidigungsfonds und die Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung (CARD) festzulegen.
Das Europäische Parlament hat zwar keine direkte Rolle bei der Gestaltung des Strategischen Kompasses gespielt, muss jedoch regelmäßig über den Stand seiner Umsetzung informiert werden und die Gelegenheit haben, sich zu dem Prozess zu äußern, insbesondere im Rahmen von Briefings für den Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE), der im Dezember 2024 von einem Unterausschuss des Parlaments zu einem vollwertigen Ausschuss wurde. Diese Änderung wurde von Präsidentin Roberta Metsola und den Fraktionen als Reaktion auf die Herausforderungen, mit denen Europa derzeit konfrontiert ist, und die Prioritäten des Parlaments vorgeschlagen.
Europa steht gerade vor einer sich rasch wandelnden geopolitischen Landschaft, die von zunehmenden Bedrohungen, externer Aggression und Instabilität geprägt ist. Durch den Krieg in der Ukraine sind die Schwachstellen der technologischen und industriellen Basis der EU im Verteidigungsbereich deutlich geworden.
Die EU hat versucht, ihre Zusammenarbeit und ihre Investitionen in der Verteidigungsindustrie durch verschiedene Initiativen zu verstärken. Dazu gehören
- die Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds, der darauf abzielt, Anreize für die gemeinsame Forschung und die Entwicklung von Fähigkeiten im Verteidigungsbereich zu schaffen,
- die Annahme der Verordnung (EU) 2023/2418 im Oktober 2023, mit der ein Instrument zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) geschaffen wurde, das die gemeinsame Beschaffung im Verteidigungsbereich fördern soll,
- die Annahme der Verordnung (EU) 2023/1525 im Juli 2023 zur Förderung der Munitionsproduktion und zur Ankurbelung der Herstellung von Verteidigungsgütern wie Munition und Flugkörpern,
- die Ausarbeitung der Europäischen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich, die im März 2024 von der Kommission und dem damaligen HR/VP vorgestellt wurde und mit der die Wettbewerbsfähigkeit und die Einsatzbereitschaft der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung gestärkt werden sollen,
- das Programm für die europäische Verteidigungsindustrie, das von der Kommission im März 2024 vorgeschlagen wurde und für das der Beschluss des Ausschusses des Parlaments noch aussteht,
- der von der Kommission im März 2025 vorgelegte Plan „ReArm Europe“/Bereitschaft 2030 und
- das gemeinsame Weißbuch der Kommission und der Hohen Vertreterin vom 19. März 2025 zur europäischen Verteidigung – Bereitschaft 2030, in dem ein robuster Ansatz für die Industriepolitik im Verteidigungsbereich gefordert wird, in dessen Rahmen Fragen in Bezug auf die Fähigkeiten des Verteidigungssektors, die industrielle Wettbewerbsfähigkeit und den Investitionsbedarf sowie massiven Erhöhungen der Verteidigungsausgaben Vorrang eingeräumt wird.
Das GSVP-Instrumentarium
Seit 2016 konnte dank der GSVP eine Reihe von Erfolgen verzeichnet werden, darunter die Einführung der SSZ, eine ständige Anordnungs- und Kontrollstruktur für die Planung und Durchführung militärischer Missionen ohne Exekutivbefugnisse, der Europäische Verteidigungsfonds (EVF), der Pakt für die zivile GSVP aus dem Jahr 2018, der 2023 überarbeitete und aktualisierte Pakt für die zivile GSVP und eine haushaltsexterne Europäische Friedensfazilität (EFF).
Der erste CARD-Bericht wurde von der EDA verfasst und den EU-Verteidigungsministern im November 2020 vorgelegt. In dem Bericht wurden 55 Kooperationsmöglichkeiten für das gesamte Spektrum der Verteidigungsfähigkeiten ermittelt.
Im Dezember 2020 erzielte der Rat im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für den Zeitraum 2021-2027 mit den Vertretern des Parlaments eine vorläufige politische Einigung über eine Verordnung zur Errichtung des Europäischen Verteidigungsfonds (EVF). Die für diesen Zeitraum zugewiesenen Haushaltsmittel belaufen sich auf 8 Mrd. EUR. Mit dem EVF soll die europäische Kooperation in der Verteidigungsindustrie gefördert werden. Das Arbeitsprogramm 2025 des Europäischen Verteidigungsfonds umfasst 33 Themen, zu denen Projekte vorgeschlagen werden können, und ist mit einem Gesamtbudget in Höhe von 1,065 Mrd. EUR für kooperative Forschung und Entwicklung im Verteidigungsbereich ausgestattet.
Mit der EFF, einem mit 17 Mrd. EUR ausgestatteten außerbudgetären Instrument für den Zeitraum 2021-2027, werden die gemeinsamen Kosten militärischer GSVP-Missionen und Operationen gedeckt, wodurch die Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten verbessert wird. Die EFF kann genutzt werden, um die Ausbildung und militärische Ausrüstung (unter anderem letale Geräte) der EU-Partnerländer zu finanzieren. Durch die Stärkung der Kapazitäten friedensunterstützender Einsätze sowie von Drittländern und Partnerorganisationen in militärischen und verteidigungspolitischen Angelegenheiten erhöht die EU die Wirksamkeit ihres auswärtigen Handelns. Seit März 2024 leistet die EU erstmals Hilfe im Rahmen der EFF für Kenia, Albanien, Armenien und Montenegro. Zwischen 2022 und 2024 hat die EU im Rahmen der EFF 11,1 Mrd. EUR zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte mobilisiert.
Am 19. Juli 2022 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) vor, nachdem sie im Rahmen des Gipfels in Versailles im März 2022 dafür ein Mandat erhalten hatte. Bei der EDIRPA handelt es sich um ein Instrument im Wert von 500 Mio. EUR für die kurzfristige gemeinsame Beschaffung im Verteidigungsbereich. Damit wird das Ziel verfolgt, kritische Lücken bei den Verteidigungsfähigkeiten zu schließen und Anreize für die Mitgliedstaaten zu schaffen, gemeinsam Verteidigungsgüter bereitzustellen. Am 12. September 2023 nahm das Parlament die Verordnung im Plenum an. Darüber hinaus legte die Kommission am 3. Mai 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion (ASAP) vor, die zum Ziel hat, der Ukraine Munition zur Verfügung zu stellen, die gemeinsame Beschaffung zu steigern und die Produktionskapazität aufzustocken.
Als Folgemaßnahme zu den eher kurzfristigen, im Jahr 2023 angenommenen und im Jahr 2025 auslaufenden Sofortmaßnahmen – dem Gesetz zur Förderung der Munitionsproduktion und dem EDIRPA – legte die Kommission am 5. März 2024 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Programms für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) vor, um im Zeitraum 2025-2027 finanzielle Unterstützung in Höhe von 1,5 Mrd. EUR aus dem EU-Haushalt für Verteidigungsgüter bereitzustellen. Mit dem Verordnungsentwurf, für den der Beschluss des Ausschusses des Parlaments noch aussteht, soll eine strukturellere und längerfristige Regelung erzielt werden, die auf kooperativen Investitionen und kooperativer Produktion auf EU-Ebene beruht und die Verfügbarkeit und Lieferung von Verteidigungsgütern konstant sicherstellt.
Um die Wettbewerbsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB) zu stärken und Anreize für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Beschaffung zu schaffen, wird angestrebt, bis 2030 mindestens 40 % der Verteidigungsgüter gemeinsam zu beschaffen sowie bis 2030 50 % bzw. bis 2035 60 % der Verteidigungsgüter in der EU zu beschaffen.
Zu diesem Zweck schlägt die Kommission in ihrem Entwurf einer Verordnung Folgendes vor: einen Fonds zur Beschleunigung der Transformation der Lieferketten im Verteidigungsbereich (FAST), um kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen; die Einrichtung einer modularen und stufenweisen EU-Regelung für die Versorgungssicherheit, eine Struktur für ein europäisches Rüstungsprogramm (SEAP), damit die Zusammenarbeit durch Mehrwertsteuerbefreiungen verbessert wird, sowie einen europäischen Mechanismus für militärische Verkäufe, mit dem die Verfügbarkeit der Ausrüstung der EU sichergestellt werden soll.
Am 5. März 2025 stellte die Kommission den Plan „ReArm Europe“/Bereitschaft 2030 vor und schlug fünf Initiativen vor, die darauf ausgerichtet sind, die europäischen Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Dazu zählen unter anderem ein neues mit 150 Mrd. EUR ausgestattetes Finanzierungsinstrument zur Unterstützung der Verteidigungsinvestitionen der Mitgliedstaaten, die Aktivierung der nationalen Ausweichklausel im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, ihre Defizitziele für Verteidigungszwecke zu überschreiten, die Erhöhung der Flexibilität der bestehenden EU-Instrumente, um mehr Verteidigungsinvestitionen zu ermöglichen, die Förderung von Beiträgen der Europäischen Investitionsbank und die Mobilisierung von privatem Kapital.
Anschließend wurden am 19. März 2025 die politischen Leitlinien des Plans „ReArm Europe“/Bereitschaft 2030 als konkrete Maßnahmen in das gemeinsame Weißbuch der Kommission und der Hohen Vertreterin zur europäischen Verteidigung – Bereitschaft 2030 aufgenommen. In dem Weißbuch wird betont, wie wichtig die Zusammenarbeit ist, um Lücken bei kritischen Fähigkeiten in den folgenden vorrangigen Bereichen zu schließen: Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesysteme, Munition und Flugkörper, Drohnen und Drohnenabwehrsysteme, militärische Mobilität, Cyber- und elektronische Kriegsführung, strategische Enabler (unter anderem Flugzeuge für den strategischen Lufttransport und die Luftbetankung, Aufklärung und Überwachung) und Schutz kritischer Infrastrukturen mithilfe eines neu vorgeschlagenen, mit 150 Mrd. EUR ausgestatteten Instruments (Sicherheitsmaßnahmen für Europa – SAFE), mit dem den Mitgliedstaaten Darlehen zur Verfügung gestellt werden.
Missionen und Operationen der GSVP
Seit 2003, dem Jahr ihrer ersten Maßnahmen in den westlichen Balkanstaaten, hat die EU mehr als 40 Operationen und Missionen auf drei Kontinenten gestartet und durchgeführt. Im Januar 2025 gab es 21 laufende Missionen und Operationen der GSVP. Derzeit sind etwa 4 800 Militärangehörige und zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EU im Auslandseinsatz. Beschlüsse der EU über die Entsendung von Missionen oder Operationen werden in der Regel auf Ersuchen des Partnerlandes bzw. auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gefasst. Darüber hinaus wurden im Rahmen der militärischen Unterstützungsmission der EU zur Unterstützung der Ukraine (EUMAM Ukraine) bis Ende Februar 2025 75 000 ukrainische Soldaten ausgebildet.
Rolle des Europäischen Parlaments
Das Europäische Parlament unterstützt die Integration und Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich auf EU-Ebene. Das Parlament kontrolliert die GSVP und richtet auf eigene Initiative Anfragen dazu an den oder die HR/VP und den Rat (Artikel 36 EUV). Darüber hinaus hat es ein Kontrollrecht im Hinblick auf die Mittel für die GSVP (Artikel 41 EUV). Das Parlament berät zweimal pro Jahr über den Fortschritt der Umsetzung der GASP und der GSVP und nimmt Berichte an: einen über die GASP, der vom Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten verfasst wird, und einen über die GSVP, der vom SEDE-Ausschuss verfasst wird.
In dem Jahresbericht 2024 des Parlaments über die Umsetzung der GSVP, der auf seiner Plenartagung am 10. Februar 2025 angenommen wurde, wird hervorgehoben, dass die strategische Autonomie der EU und ihre Rolle als globaler Bereitsteller von Sicherheit gestärkt werden müssen. Es wird betont, dass die Fähigkeit zur schnellen Entsendung verbessert und die Widerstandsfähigkeit gegenüber hybriden Bedrohungen gestärkt werden muss. In dem Bericht wird ferner betont, dass Partnerschaften mit der NATO sowie mit gleich gesinnten Ländern aufgebaut werden müssen, um gemeinsame sicherheitspolitische Herausforderungen wirksam anzugehen. Es werden auch mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung im Verteidigungsbereich, die Stärkung der Europäischen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich sowie die Förderung gemeinsamer Beschaffungsinitiativen zur Stärkung der technologischen und industriellen Basis der Verteidigung der EU gefordert. Außerdem wird im Bericht für eine Stärkung der EFF zur Unterstützung der Partnerländer plädiert und betont, wie wichtig es ist, dafür zu sorgen, dass bei GSVP-Missionen und -Operationen das Völkerrecht und die Menschenrechte geachtet werden.
Die Forderung des Parlaments nach einer stärkeren Beteiligung an der GSVP steht im Einklang mit seiner im EUV festgelegten Rolle in Bezug auf die GSVP. Seit 2012 veranstalten das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten gemäß dem Protokoll Nr. 1 zwei interparlamentarische Konferenzen pro Jahr, um über Aspekte der GSVP zu beraten. Durch die mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eingeführten Änderungen wird sichergestellt, dass das Parlament als wesentlicher Partner bei der Bewältigung von sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Gestaltung der Außenbeziehungen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der GSVP spielt.
Gemäß seiner Rolle hält das Parlament regelmäßig Beratungen, Anhörungen und Workshops zu Themen wie zivile und militärische GSVP-Einsätze, Terrorismusbekämpfung, Rüstungskontrolle und institutionelle Entwicklungen in der EU. Seit der Erklärung der HR/VP von 2010 zur politischen Rechenschaftspflicht nimmt das Parlament aktiv an gemeinsamen Konsultationen mit dem Rat, dem EAD und der Kommission teil. Außerdem richtet das Parlament in den Sitzungen des SEDE-Ausschusses Fragen an den EAD und unterbreitet ihm direkt Vorschläge zu GSVP-Angelegenheiten. Daher steht die im Jahresbericht 2024 des Parlaments über die Umsetzung der GSVP enthaltene Forderung nach einer stärkeren Kontrolle, Rechenschaftspflicht und einem intensiveren Dialog mit EU-Verteidigungsbeamten im Einklang mit den Aufgaben des Parlaments.
Am 12. März 2025 nahm das Parlament seine Entschließung zu dem Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verteidigung an, in der konkrete Maßnahmen für Fragen in Bezug auf die Fähigkeiten des Verteidigungssektors, die industrielle Wettbewerbsfähigkeit und den Investitionsbedarf gefordert werden und gleichzeitig das EU-Konzept für die Integration der Verteidigung festgelegt wird. In der Entschließung wurde auch hervorgehoben, dass die EU Eventualfallpläne entwickeln muss, um eine gegenseitige Unterstützung im Falle großer Sicherheitskrisen zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass Europa potenzielle Aggressoren abschrecken und seine Rolle als zuverlässige Macht innerhalb der NATO stärken kann.
Oliver Krentz