Eine vorausschauende und umfassende europäische Einwanderungspolitik, die auf Solidarität beruht, ist eines der Hauptziele der Europäischen Union. Mit der Einwanderungspolitik soll ein ausgewogenes Konzept für den Umgang mit legaler und illegaler Einwanderung festgelegt werden.

Rechtsgrundlage

Artikel 79 und 80 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Zuständigkeiten

Legale Einwanderung:Die EU hat die Befugnis, die Voraussetzungen für die Einreise von Drittstaatsangehörigen in einen Mitgliedstaat und ihren legalen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat, auch zu Zwecken der Familienzusammenführung, festzulegen. Die Mitgliedstaaten haben weiterhin das Recht festzulegen, wie viele Menschen aus Drittstaaten in ihr Hoheitsgebiet einreisen dürfen, um dort Arbeit zu suchen.

Integration: Die EU kann den Mitgliedstaaten Anreize bieten, Maßnahmen zur Förderung der Integration von Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten, zu ergreifen, und diese Maßnahmen unterstützen. Im EU-Recht ist jedoch keine Harmonisierung der nationalen Gesetze und Vorschriften vorgesehen.

Vorgehen gegen die illegale Einwanderung: Die EU muss die illegale Einwanderung unter Achtung der Grundrechte, vor allem durch eine wirksame Rückführungspolitik, verhindern und verringern.

Rückübernahmeabkommen: Die EU kann mit Drittstaaten Übereinkünfte über eine Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen in ihr Ursprungs- oder Herkunftsland schließen, die die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder die Anwesenheit oder den Aufenthalt in diesem Gebiet nicht oder nicht mehr erfüllen.

Ziele

Festlegung eines ausgewogenen Migrationskonzepts: Ziel der EU ist ein ausgewogenes Konzept für die Bewältigung der legalen Einwanderung und das Vorgehen gegen illegale Einwanderung. Zu einer guten Steuerung der Migrationsströme gehören eine faire Behandlung von Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, ein verstärktes Vorgehen gegen illegale Einwanderung, darunter auch gegen Menschenhandel und Schleuseraktivitäten, sowie die Förderung einer engeren Zusammenarbeit mit Drittstaaten auf allen Gebieten. Die EU verfolgt das Ziel der Schaffung eines einheitlichen Niveaus von Rechten und Pflichten für legale Einwanderer, das mit dem der EU-Bürger vergleichbar ist.

Grundsatz der Solidarität: Gemäß dem Vertrag von Lissabon gilt im Bereich der Einwanderungspolitik der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, auch in finanzieller Hinsicht (Artikel 80 AEUV).

Erfolge

A. Institutionelle Entwicklungen durch den Vertrag von Lissabon

Mit dem Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat (1.1.5), wurden die Verfahren der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im Bereich der legalen Einwanderung sowie eine neue Rechtsgrundlage für Integrationsmaßnahmen eingeführt. Fortan gilt das ordentliche Gesetzgebungsverfahren für Maßnahmen sowohl im Bereich der legalen als auch der illegalen Einwanderung, sodass das Europäische Parlament jetzt mit dem Rat gleichberechtigter Mitgesetzgeber ist. Vorläufige Maßnahmen im Falle eines plötzlichen Zustroms von Drittstaatsangehörigen werden allerdings – nach Konsultation des Parlaments – allein vom Rat erlassen (Artikel 78 Absatz 3 AEUV).

Gleichzeitig wurde im Vertrag von Lissabon auch klargestellt, dass sich die EU die Befugnisse in diesem Bereich mit den Mitgliedstaaten teilt, insbesondere was Entscheidungen über die Anzahl der Migranten betrifft, die in einen Mitgliedstaat einreisen dürfen, um dort Arbeit zu suchen (Artikel 79 Absatz 5 AEUV). Der Gerichtshof hat nun die uneingeschränkte Zuständigkeit für die Bereiche Einwanderung und Asyl.

B. Jüngste politische Entwicklungen

1. Gesamtansatz für Migration und Mobilität

In dem von der Kommission 2011 verabschiedeten Gesamtansatz für Migration und Mobilität (GAMM) wird ein allgemeiner Rahmen für die migrationspolitischen Beziehungen der EU zu Drittstaaten festgelegt. Dieser Ansatz stützt sich auf vier Säulen: legale Einwanderung und Mobilität, illegale Migration und Menschenhandel, internationaler Schutz und Asylpolitik sowie Maximierung der Auswirkungen von Migration und Mobilität auf die Entwicklung. Die Menschenrechte der Migranten sind ein Querschnittsaspekt dieses Ansatzes.

2. Strategische Leitlinien vom Juni 2014

Das Stockholmer Programm für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, das im Dezember 2009 verabschiedet wurde, ist im Dezember 2014 ausgelaufen (4.2.1). Im März 2014 veröffentlichte die Kommission eine neue Mitteilung mit dem Titel „Ein offenes und sicheres Europa: Praktische Umsetzung“, in der sie ihre Vorstellungen von der künftigen innenpolitischen Agenda darlegte. Der Europäische Rat legte in seinen Schlussfolgerungen vom 26. und 27. Juni 2014 im Einklang mit Artikel 68 AEUV die „strategischen Leitlinien für die gesetzgeberische und operative Programmplanung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ für den Zeitraum 2014-2020 fest. Dabei handelt es sich nicht mehr um ein Programm, sondern vielmehr um Leitlinien, die auf die Umsetzung, Durchführung und Konsolidierung der bestehenden Rechtsinstrumente und Maßnahmen ausgerichtet sind. In den Leitlinien wird hervorgehoben, dass in der Migrationspolitik ein ganzheitlicher Ansatz gefordert ist, der darauf ausgerichtet ist, die legale Einwanderung zu optimieren, Bedürftigen Schutz zu gewähren, gegen illegale Einwanderung vorzugehen und für einen wirksamen Grenzschutz zu sorgen. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurde die für die Tagung des Europäischen Rates im März 2020 geplante Annahme neuer strategischer Leitlinien verschoben.

3. Europäische Migrationsagenda

Die Kommission hat im Mai 2015 die Europäische Migrationsagenda vorgestellt. In der Agenda wurden sowohl Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Krise im Mittelmeer als auch Maßnahmen, mit denen die Migrationsströme in den kommenden Jahren in jeder Hinsicht besser gesteuert werden sollen, vorgeschlagen.

Auf der Grundlage der Agenda veröffentlichte die Kommission im April 2016 in einer Mitteilung ihre Leitlinien für die legale Einwanderung und für die Gewährung von Asyl. In den Leitlinien bezüglich der Politik für eine legale Migration sind vier Schwerpunkte vorgesehen: eine Überarbeitung der Richtlinie über die Blaue Karte, die Gewinnung innovativer Unternehmer für die EU, die Einführung eines kohärenteren und wirksameren Modells zur Steuerung der legalen Migration auf EU-Ebene durch Evaluierung des bestehenden Rahmens sowie eine Stärkung der Zusammenarbeit mit wichtigen Herkunftsländern. Ziel ist es, sicherzustellen, dass es legale Wege gibt, in die EU zu gelangen, und gleichzeitig die Rückführung derjenigen, die kein Aufenthaltsrecht haben, zu verbessern.

Im Oktober 2019 hat die Kommission ihren letzten Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda veröffentlicht, in dem die erzielten Fortschritte und die Defizite bei der Umsetzung der Agenda beleuchtet werden. Im September 2021, ein Jahr nach der Annahme des neuen Migrations- und Asylpakts, nahm die Kommission ihren ersten Migrations- und Asylbericht an, in dem alle Aspekte der Migrationssteuerung behandelt und eine Bestandsaufnahme der wichtigsten Entwicklungen in der Migrations- und Asylpolitik der letzten eineinhalb Jahre vorgenommen wurden.

Alle politischen Entwicklungen werden eng vom Europäischen Migrationsnetzwerk begleitet. Dieses EU-Netzwerk wurde 2008 eingerichtet und besteht aus Migrations- und Asylexperten aus allen Mitgliedstaaten, die gemeinsam daran arbeiten, objektive, vergleichbare politisch relevante Informationen bereitzustellen.

4. Das neue Migrations- und Asylpaket

Wie die Kommission in ihrem Arbeitsprogramm 2020 angekündigt hatte, legte sie im September 2020 ihr neues Paket vor, mit dem das Asylverfahren in das gesamte Migrationsmanagement integriert und mit der Sicherheitsüberprüfung vor der Einreise und der Rückführung verknüpft werden soll. Außerdem sollen der Schutz der Außengrenzen, eine bessere Voraussicht, Krisenvorsorge und -reaktion in Verbindung mit einem Solidaritätsmechanismus und Außenbeziehungen mit wichtigen Herkunfts- und Transitdrittländern abgedeckt werden (4.2.2). Es umfasst eine Empfehlung der Kommission zur Entwicklung komplementärer legaler Schutzwege, wie die Neuansiedlung und andere Formen der Aufnahme aus humanitären Gründen wie Patenschaftsprogramme für Gemeinschaften, aber auch Zugangswege in Verbindung mit Bildung und Beschäftigung. Für die Gewinnung von qualifizierten und talentierten Menschen für die EU wird in dem neuen Paket vorgeschlagen, dass EU-Talentpartnerschaften mit wichtigen Partnerländern entwickelt werden, die Verhandlung über die Richtlinie über die Blaue Karte abgeschlossen werden und eine öffentliche Konsultation zur legalen Migration durchgeführt wird, die mittlerweile abgeschlossen wurde. Für das letzte Quartal 2021 wird darin außerdem ein Paket zu Kompetenzen und Talenten zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Deckung ihres Bedarfs an Arbeitskräftemigration vorgeschlagen, das unter anderem eine Überarbeitung der Richtlinie über den langfristigen Aufenthalt und eine Überprüfung der Richtlinie über eine kombinierte Aufenthaltserlaubnis sowie die Festlegung von Optionen für die Entwicklung eines EU-Talentpools umfasst, der als EU-weite Plattform für die Anwerbung von Drittstaatsangehörigen fungieren soll.

C. Jüngste Entwicklungen in der Rechtsetzung

Seit 2008 wurde eine Reihe wichtiger Richtlinien im Bereich Einwanderung angenommen, und andere einschlägige Richtlinien sind bereits überarbeitet worden.

1. Legale Einwanderung

Da sich die Verabschiedung einer allumfassenden Regelung für die Einwanderung von Arbeitskräften in die EU schwierig gestaltet, wird derzeit der Ansatz verfolgt, branchenspezifische Rechtsvorschriften für Migrantengruppen zu erlassen und damit auf EU-Ebene den Weg für eine Politik der legalen Einwanderung zu ebnen.

Mit der Richtlinie 2009/50/EG über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung wurde die „Blaue Karte EU“ eingeführt. Dabei handelt es sich um ein beschleunigtes Verfahren zur Erteilung einer speziellen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, mit dem attraktivere Bedingungen für jene Arbeitnehmer aus Drittstaaten geschaffen werden, die in den Mitgliedstaaten der EU einer hochqualifizierten Beschäftigung nachgehen möchten. Die Kommission hat im Juni 2016 Vorschläge für eine Überarbeitung des Systems vorgelegt, darunter weniger strenge Einlasskriterien, ein niedrigeres Mindestgehalt bzw. eine kürzere erforderliche Mindestdauer des Arbeitsvertrags, bessere Regelungen für Familienzusammenführungen und die Abschaffung paralleler nationaler Regelungen, was von Mitgliedstaaten abgelehnt wurde. Nach der Veröffentlichung des neuen Pakts nahmen das Parlament und der Rat ihre Arbeit an dieser Überarbeitung wieder auf, und am 15. September 2021 billigte das Parlament die Einigung, die mit dem Rat erzielt worden war. Die neuen Vorschriften sehen flexiblere Einlasskriterien vor (ein gültiger Arbeitsvertrag oder ein verbindliches sechsmonatiges Stellenangebot ist ausreichend), während gleichzeitig die Mindestlohnschwelle, die Antragsteller verdienen müssen, um für die Blaue Karte in Frage zu kommen, gesenkt wird und es den Inhabern einer Blauen Karte erleichtert wird, zwischen EU-Ländern zu reisen und mit ihren Familien an einem Ort zu leben.

Mit der Richtlinie über eine kombinierte Aufenthaltserlaubnis (2011/98/EU) werden ein einheitliches und vereinfachtes Verfahren für Drittstaatsangehörige, die eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für einen Mitgliedstaat beantragen, sowie ein gemeinsames Bündel von Rechten für Einwanderer, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, festgelegt. Der neueste Bericht über ihre Umsetzung wurde im März 2019 angenommen. Darin wurde festgestellt, dass Drittstaatsangehörige nur unzureichend über ihre Rechte informiert sind, wodurch das Erreichen des Ziels der Richtlinie, nämlich die Förderung der Integration und Nichtdiskriminierung, erschwert wird. Die Kommission schlägt in ihrem neuen Paket vor, die Richtlinie bis Ende 2021 zu überprüfen, um den Geltungsbereich zu vereinfachen und damit verbundene Fragen zu klären, einschließlich der Aufnahme- und Aufenthaltsbedingungen für Arbeitnehmer mit geringen und mittleren Qualifikationen.

In der Richtlinie 2014/36/EU, die im Februar 2014 angenommen wurde, sind die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer festgelegt. Saisonarbeitnehmer aus Drittstaaten dürfen sich für einen begrenzten Zeitraum, der je nach Mitgliedstaat zwischen fünf und neun Monaten variiert, legal in der EU aufhalten, um einer saisonabhängigen Tätigkeit nachzugehen, wobei ihr Hauptwohnsitz in dieser Zeit im Drittstaat bleibt. In der genannten Richtlinie sind auch die Rechte festgelegt, die diese Wanderarbeitnehmer beanspruchen können. Im Juli 2020 veröffentlichte die Kommission die Leitlinien für Saisonarbeitnehmer in der EU im Zusammenhang mit dem COVID-19-Ausbruch, in denen sie auch den ersten Umsetzungsbericht für 2021 ankündigte.

Die Richtlinie 2014/66/EU über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers wurde am 15. Mai 2014 verabschiedet. Durch die Richtlinie wird es für Unternehmen und multinationale Konzerne leichter, angestellte Führungskräfte, Fachkräfte und Praktikanten vorübergehend zu Zweigstellen oder Tochtergesellschaften in die Europäische Union zu entsenden. Der erste Bericht über die Umsetzung musste bis November 2019 vorgelegt werden.

Die Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit wurde am 11. Mai 2016 angenommen und musste bis zum 23. Mai 2018 umgesetzt werden. Sie ersetzt die früheren für Studierende und Forscher geltenden Instrumente, weitet deren Anwendungsbereich aus und vereinfacht ihre Anwendung.

Die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen in der Europäischen Union schließlich wird immer noch durch die Richtlinie 2003/109/EG des Rates geregelt, deren Geltungsbereich 2011 durch eine entsprechende Änderung auf Flüchtlinge und andere Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz ausgedehnt wurde. Im Bericht über die Umsetzung vom März 2019 wurde festgestellt, dass die Mitgliedstaaten den europäischen langfristigen Aufenthaltstitel nicht aktiv fördern, sondern stattdessen hauptsächlich nationale langfristige Aufenthaltserlaubnisse vergeben. Außerdem übten nur wenige Drittstaatsangehörige ihr Recht aus, in andere Mitgliedstaaten zu ziehen. Die Kommission plant eine Überprüfung der Richtlinie, um das Recht von langfristig aufhältigen Personen zu stärken, in einen anderen Mitgliedstaat zu ziehen und dort zu arbeiten. Der aktuelle Vorschlag für eine Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (4.2.2) und die Richtlinie über die Blaue Karte in der derzeit angenommenen Fassung umfassen Änderungsvorschläge für die Richtlinie über den langfristigen Aufenthalt.

Wie die Kommission in der im März 2019 veröffentlichten Eignungsprüfung im Bereich der legalen Zuwanderung beobachtet hat, werden somit folgende Kategorien der legalen Einwanderung noch nicht von den EU erfasst: nicht hochqualifizierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer, die für einen Zeitraum von weniger als neun Monaten bleiben, sowie Investoren und selbstständig tätige Drittstaatsangehörige.

2. Integration

In der Richtlinie 2003/86/EG des Rates sind die Bestimmungen zum Recht auf Familienzusammenführung festgelegt, die über das Recht auf Familienleben nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention hinausgehen. Da man in dem Umsetzungsbericht aus dem Jahr 2008 zu dem Schluss kam, dass die Richtlinie 2003/86/EG in den Mitgliedstaaten nicht vollständig und korrekt umgesetzt wurde, hat die Kommission im April 2014 eine Mitteilung veröffentlicht, die Leitlinien zu ihrer Anwendung für die Mitgliedstaaten enthält. Die Richtlinie über die Familienzusammenführung ist ebenfalls Gegenstand der Eignungsprüfung im Bereich der legalen Zuwanderung der Kommission.

Die Befugnisse der EU im Bereich Integration sind begrenzt. Im Juli 2011 verabschiedete die Kommission die Europäische Agenda für die Integration von Drittstaatsangehörigen. In jüngerer Zeit, im November 2020, legte die Kommission einen Aktionsplan für Integration und Inklusion 2021-2027 vor, der einen Rahmen für Maßnahmen und konkrete Schritte zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Integration und Inklusion der 34 Millionen legal in der EU lebenden Drittstaatsangehörigen in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Unterkunft beinhaltet. In dem Plan werden Monitoring-Maßnahmen und die Nutzung digitaler Tools sowie Bemühungen zusammengeführt, um die Teilhabe von Migranten an der Gesellschaft zu fördern, die Möglichkeiten für EU-Finanzierungen zu steigern und Partnerschaften zwischen verschiedenen Interessenträgern auf verschiedenen Verwaltungsebenen aufzubauen. Zu den bestehenden Instrumenten gehören das Europäische Migrationsforum, die Europäische Website für Integration und das Europäische Integrationsnetz sowie die kürzlich geschaffene Expertengruppe zu den Standpunkten von Migranten in den Bereichen Migration, Asylwesen und Integration, die im November 2020 erstmals zusammentrat.

Besondere Finanzierungsinstrumente zur Unterstützung nationaler Integrationsstrategien basieren auf dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) sowie dem Europäischen Sozialfonds (ESF+). Im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) werden sie ab 2021 vom Asyl- und Migrationsfonds (AMIF) sowie dem ESF+ abgedeckt.

3. Illegale Einwanderung

Die EU hat einige grundlegende Rechtsakte erlassen, um gegen illegale Einwanderung vorzugehen:

  • Das sogenannte „Schleuser-Paket“ besteht aus der Richtlinie 2002/90/EG des Rates, die eine gemeinsame Definition des Straftatbestands der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt enthält, und dem Rahmenbeschluss 2002/946/JI, in dem strafrechtliche Sanktionen für dieses Verhalten festgelegt werden. Als Maßnahme gegen den Menschenhandel dient die Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer. Das Paket wird ergänzt durch die Richtlinie 2004/81/EG des Rates über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren (zu Menschenhandel siehe auch die Kurzdarstellung über die „justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen“ 4.2.6). Im Mai 2015 hat die Kommission den EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten (2015-2020) angenommen und gemäß dem Aktionsplan eine REFIT-Überprüfung der Anwendung des geltenden Rechtsrahmens durchgeführt, der eine öffentliche Anhörung vorausging. Die Kommission stellte dabei fest, dass es zu diesem Zeitpunkt keine hinreichenden Belege gab, die auf eine tatsächliche und wiederholte Strafverfolgung von Einzelpersonen oder Organisationen wegen humanitärer Hilfe hinweisen würden, und sie kam zu dem Schluss, dass der EU-Rechtsrahmen zum Vorgehen gegen die Schleusung von Migranten im gegenwärtigen Kontext weiterhin notwendig ist. In der Entschließung des Parlaments vom 5. Juli 2018 wurde die Kommission aufgefordert, Leitlinien für Mitgliedstaaten auszuarbeiten, mit denen verhindert werden soll, dass humanitäre Hilfe kriminalisiert wird, und im September 2018 fand eine Anhörung zu diesem Thema statt. Im Rahmen des neuen Pakets veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung, die eine Handreichung zur Auslegung der Schleuser-Richtlinie enthält. Darin wird klargestellt, dass die Erfüllung der Rechtspflicht, Menschen in Seenot zu retten, nicht kriminalisiert werden darf, forderte jedoch keine zusätzlichen Anstrengungen, wodurch Suche und Rettung nach wie vor den nichtstaatlichen Organisation und privaten Schiffen überlassen werden. Nach einer öffentlichen Konsultation nahm die Kommission im September 2021 einen neuen EU-Aktionsplan gegen die Schleusung von Migranten für den Zeitraum 2021-2025 an, der verstärkte Anstrengungen zur Verhinderung der Kriminalisierung humanitärer Hilfe und einen Bericht über die Umsetzung des Schleuser-Pakets im Jahr 2023 umfassen wird.
  • Die „Rückführungsrichtlinie“ (2008/115/EG) enthält gemeinsame Normen und Verfahren auf EU-Ebene für die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Der erste Bericht über ihre Umsetzung wurde im März 2014 angenommen. Im September 2015 hat die Kommission den EU-Aktionsplan für die Rückkehr veröffentlicht, und im Anschluss daran hat der Rat im Oktober 2015 seine Schlussfolgerungen zur Zukunft der Rückführungspolitik verabschiedet. Im März 2017 hat die Kommission den Aktionsplan um eine Mitteilung mit dem Titel „Eine wirksamere Rückkehrpolitik in der Europäischen Union – ein neuer Aktionsplan“ und eine Empfehlung für wirksamere Rückführungen ergänzt. Im September 2017 veröffentlichte sie ihr aktualisiertes „Handbuch zum Thema Rückkehr bzw. Rückführung“, das eine Orientierungshilfe bei der Ausübung der Pflichten der nationalen Behörden bietet, die für Aufgaben im Zusammenhang mit der Rückkehr bzw. Rückführung zuständig sind. Darüber hinaus haben das Parlament und der Rat im Jahr 2016 die Verordnung (EU) 2016/1953 über die Einführung eines europäischen Reisedokuments für die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger angenommen. Die kürzlich umgestaltete und gestärkte Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) unterstützt die Mitgliedstaaten in steigendem Umfang bei rückführungs- bzw. rückkehrbezogenen Maßnahmen. Zur Beschleunigung der Verfahren schlug die Kommission im September 2018 eine Neufassung der Rückführungsrichtlinie vor, einschließlich eines neuen Grenzverfahrens für Asylbewerber, klarerer Verfahren und Vorschriften zur Verhinderung von Missbrauch, effizienter Programme für die freiwillige Rückkehr, die in den Mitgliedstaaten eingerichtet werden sollen, und klarerer Vorschriften für die Inhaftnahme. Bei einer gezielten Folgenabschätzung des Parlaments wurde festgestellt, dass dieser Vorschlag aufgrund vermehrter Inhaftnahmen für die Mitgliedstaaten mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Es gibt keine klaren Belege dafür, dass eine Umsetzung des Vorschlags wirksamere Rückführungs- bzw. Rückkehrmaßnahmen zur Folge hätte; hingegen würde sie dazu führen, dass es zu Verletzungen der Grundrechte irregulärer Migranten käme. In der Entschließung des Parlaments vom 17. Dezember 2020 zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie wurde betont, dass die Wirksamkeit der Rückführungspolitik nicht nur anhand der Rückführungsrate gemessen werden darf, sondern auch die Wahrung der Grundrechte und die Einhaltung der Verfahrensgarantien dabei berücksichtigt werden sollten. Nachdem die Berichterstatterin ihren Berichtsentwurf am 21. Februar 2020 veröffentlicht hat, wurde die Tätigkeit an der Neufassung der Rückführungsrichtlinie im LIBE-Ausschuss 2021 fortgesetzt. Die Kommission bewegt sich mit ihrem neuen Paket in Richtung eines gemeinsamen EU-Rückführungs- bzw. Rückkehrsystems mit einer stärkeren Unterstützung für die Mitgliedstaaten und Frontex als operativem Arm der Rückführungs- bzw. Rückkehrpolitik der EU. Außerdem soll ein Koordinator für die Rückführung bzw. Rückkehr ernannt werden, der durch ein neues hochrangiges Netz für Fragen der Rückführung bzw. Rückkehr unterstützt wird. Die Kommission veröffentlichte im April 2021 ihre Strategie zur freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung, die gemeinsame Ziele für eine größere Kohärenz zwischen den EU-Initiativen und nationalen Initiativen enthält. Als Solidaritätsmaßnahme wird zudem die Rückkehrpatenschaft im Entwurf der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (4.2.2) vorgeschlagen, mit der die Mitgliedstaaten andere unter Druck stehende Mitgliedstaaten unterstützen können.
  • In der Richtlinie 2009/52/EG über Sanktionen gegen Arbeitgeber sind in Mitgliedstaaten anzuwendende Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen, festgelegt. Der erste Bericht über die Umsetzung der genannten Richtlinie wurde am 22. Mai 2014 vorgelegt. Nach ihrer Ankündigung im neuen Pakt nahm die Kommission im September 2021 eine Mitteilung über die Anwendung der Richtlinie an, um die Umsetzung zu verbessern und gleichzeitig die Rechte irregulärer Migranten zu schützen.
  • Seit 2001 erkennen die Mitgliedstaaten ihre jeweiligen Entscheidungen über die Ausweisung gegenseitig an (Richtlinie 2001/40/EG), d. h., die Entscheidung eines Mitgliedstaats, einen in einem anderen EU-Staat aufhältigen Drittstaatsangehörigen auszuweisen, wird anerkannt und befolgt.

Gleichzeitig verhandelt und schließt die EU mit Herkunfts- und Transitländern Rückübernahmeabkommen über die Rückführung illegaler Einwanderer und arbeitet beim Vorgehen gegen den Menschenhandel mit diesen Ländern zusammen. In diesen Abkommen ist die Überwachung ihrer Umsetzung durch Gemischte Rückübernahmeausschüsse festgelegt. Sie sind darüber hinaus mit Visaerleichterungsabkommen verknüpft, mit denen die notwendigen Anreize für Rückübernahmeverhandlungen in dem betreffenden Land geschaffen werden, ohne dass dadurch die illegale Migration gesteigert wird. In einer Mitteilung vom Februar 2021 zum Ausbau der Zusammenarbeit im Bereich Rückkehr und Rückübernahme, in der die Kommission die Ergebnisse der ersten jährlichen Bewertung der Kooperation der Partnerländer bei der Rückübernahme als Grundlage dafür darlegte, dass der Rat restriktivere oder günstigere Visamaßnahmen gegenüber Drittländern annehmen kann.

Im März 2020 hat die Kommission zudem 24 informelle Vereinbarungen über Rückkehr und Rückübernahme geschlossen, die das Parlament scharf kritisiert hat, weil sie nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegen und Fragen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht und Transparenz aufwerfen.

Rolle des Europäischen Parlaments

Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist das Parlament als vollwertiges Legislativorgan aktiv an der Annahme neuer Rechtsvorschriften für den Umgang mit legaler und illegaler Einwanderung beteiligt.

Das Parlament hat zahlreiche Initiativentschließungen zum Thema Migration angenommen, darunter insbesondere die Entschließung vom 12. April 2016 zur Lage im Mittelmeerraum und zur Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes der EU für Migration, in der die unterschiedlichen zur Verfügung stehenden politischen Maßnahmen bewertet und Empfehlungen ausgesprochen werden. Dem Bericht des LIBE-Ausschusses, der im Plenum angenommen wurde, waren die Stellungnahmen von acht anderen parlamentarischen Ausschüssen beigefügt. Die Entschließung umfasst den Standpunkt des Parlaments zu allen einschlägigen Maßnahmen der EU im Bereich Migration und Asyl und stellt die Referenz des Parlaments zu diesem Themenbereich dar.

Im Mai 2021 nahm das Parlament eine Entschließung zu neuen Wegen der legalen Arbeitsmigration an, die auch in einen neuen legislativen Initiativbericht über Politik und Recht im Bereich legale Migration einfließen wird. Mit diesem Bericht, der Ende 2021 im Plenum angenommen werden soll, soll der Mangel an konkreten Legislativvorschlägen zur legalen Migration im neuen Pakt der Kommission behoben werden.

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Georgiana Sandu